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er übersieht dabei, daß ich noch vor
Die aordentlichen Ausgaben werden sämmtl migt. Um 5 ½ Uhr wird die weitere Berathung 88 Frebmigt Uhr vertagt. (Außerdem erste Berathung des Bankgesetzes.)
Preußzischer Landtag. Haäaus der Abgeordneten. 13. Sitzung vom 6. Februar 1899. S
8. den ersten Theil der Sitzung ist schon berichtet worden.
Das Haus setzt die zweite Berathung des Staats⸗ aushalts⸗Etats für 1899 beim Etat der direkten teuern fort.
Abg. Dr. van der Borght (nl.): Die Zahl der Beanstan⸗
dungen der Steuererklärungen ist sehr hoch; sie beträgt im Durch⸗ schnitt des ganzen Landes †¼ aller Steuererklärungen, und durch⸗ schnittlich ½ der Beanstandungen sind mit Erfolg Lurchoeführt worden. Haben wirklich alle die Leute, deren Steuererklärungen be⸗ anstandet worden sind, die Absicht gehabt, den Staat um das Seinige zu bringen? Das ist doch nicht gut anzunehmen. Die Ursache liegt vielmehr im System, in der Schwierigkeit der Steuererklärung, in der verwickelten Fassung des Deklarations⸗Formulars. Ein Beweis dafür ist der Umstand, daß die Beanstandungen der Erklärungen auf dem Lande viel zahlreicher sind als in den Städten. Auf dem Lande darf nicht summarisch verfahren werden, das Einkommen der Landwirthe muß von Fall zu Fall geprüft werden. Wenn Jemand aus bösem Willen eine falsche Steuererklärung abgiebt, so kann ihm die Beanstandung gar nichts schaden. Wenn aber Jemand aus Unkenntniß falsche Angaben macht, so ist die Beanstandung ein unangenehmes Zeugniß für seine Ehren⸗ aftigkeit. Man muß deshalb mit den Beanstandungen sehr vor⸗ chtig sein. Man sollte die Leute auf dem Lande über die Dinge besser aufklären, sonst kann die Su⸗ Zahl der Beanstandungen Un⸗ zufriedenheit hervorrufen. Redner führt einige Fälle an, in denen Steuerzahler unter Androhung von Nachtheilen über das Gesetz hinaus zur Steuerdeklaration aufgefordert worden seien.
Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:
Meine Herren! Ich bin dem Herrn Vorredner dankbar für seine Anerkennung des Segens, den diese gesammte Steuerreform ver⸗ breitet hat; aber ich glaube, er hat doch Klagen im Einzelnen er⸗ hoben, die nach meiner Auffassung nicht begründet sind.
Er sagt zuerst: die große Zahl der Beanstandungen auf dem Lande ist besonders bedenklich. Er führt aber selbst an, daß es schwierig sei, richtig zu deklarieren, und er meint, daß alle die Leute, die nun bei der Beanstandung höher in die Steuer heraufgekommen wären, doch nicht absichtlich die Steuer haben hinterziehen wollen. Das kann ich nur in vollem Maße unterschreiben. Auf dem Lande ist die Geschäftsgewandtheit, namentlich bei den kleineren Besitzern, jedenfalls durchschnittlich wohl geringer als in den Städten. Daß da also leichter Irrthümer vorkommen, ist vollkommen natürlich. Es fällt uns aber garnicht ein, nicht zu glauben, daß diese mangelhaften Deklarationen nicht auf absichtlichen Entstellungen beruhen. Das geht ja aus der verhältnißmäßig doch noch immer glücklicherweise geringen
Zahl der Bestrafungen wegen absichtlicher Hinterziehung der Steuer
hervor. Die große Masse wird sich wohl allerdings im Irrthum befinden, wenn sie unrichtige Deklarationen abgiebt.
Nun meinte weiter der Vorredner, man sollte die Leute auf⸗ klären, man sollte, ehe man beanstandet, mit denselben darüber sprechen, damit sie begreifen, worauf es ankommt. Aber einigen Monaten einen allgemeinen Befehl ertheilt habe an alle Veranlagungs⸗
Vorsitzenden, vor der Beanstandung eine solche mündliche Unter⸗ redung mit den betreffenden Personen vorzunehmen (sehr richtig!
rechts), und ich bin überzeugt, wie ich jetzt schon erfahren habe, daß sich dies Verfahren in der Praxis bewähren und die Zahl der wirk⸗ lich formellen Beanstandungen erheblich vermindern wird. Also das, was der Redner wünscht, was er beklagt, es sei nicht geschehen, das
ist bereits in That und Wahrheit vorhanden.
Meine Herren, man muß aber doch auch bedenken, daß wir mit 70 % der ganzen Bevölkerung nichts zu thun haben, und daß die
Frreilassung der Zenstien unter 900 ℳ gerade auf dem Lande eine
ganz kolossale Wirkung gehabt hat. 25 % der Bewohner des Landes fallen überhaupt nur unter das Gesetz und 30 % im ganzen Staate. Alle solche kleineren, doch auch vielleicht ungebildeten und geschäfts⸗
unkundigen Personen haben mit dem ganzen Gesetz nichts zu thun.
Meine Herren, der Herr Vorredner hat gemeint, die Beanstan⸗ dungen träfen gerade die kleineren Leute und die Mittelklassen. Da irrt er vollständig. Die Beanstandungen, die ja eine Steuersumme von 6 Millionen Mark ergeben haben, welche,
wenn wir nicht beanstandet hätten, dem Staate nicht bloß entgangen
wären, sondern die alte beklagenswerthe Ungleichheit in der Heran⸗ ziehung der Zensiten in vollem Maße aufs neue hätten wieder auf⸗ leben lassen, entfallen keineswegs wesentlich auf die kleineren und mittleren Klassen. Das geht schon daraus hervor, daß der größte Theil der Beanstandungen solche Zensiten trifft, die 3 % durchschnitt⸗ lich Steuer bezahlen. (Sehr richtig!) Die Beanstandungen betreffen
oeft gerade sehr steuerkräftige Elemente, und das schlägt auch bei der ganzen Sache wesentlich zu Buch.
Nun sagte endlich der Herr Vorredner: man muß sehen, daß die
Vorsitzenden genauer vertraut sind mit den persönlichen Verhältnissen der Zensiten und den ganzen Lokalverhältnissen. Darin stimme ich ihm bei. Das würde aber dahin führen, daß wir den Vorsitz in den Ver⸗ anlagungskommissionen den Landräthen entzögen und kleinere Bezirke mit ständigen Kommissarien bildeten. (Sehr gut.) Die Sache ist so
oft hier diskutiert worden, namentlich bei der Berathung des Gesetzes
selbst, daß ich darauf nicht weiter eingehe. In den größeren Städten bildet sich das System nach und nach heraus. Die eine Stadt kommt nach der andern und sagt: uns ist die Sache zu lästig, wir haben im
Magistrat keine geeigneten Personen. Das Geschäft ist für die
großen Städte zu umfangreich. In einer Stadt nach der anderen werden solche ständigen Kommissarien eingesetzt, und ich bin ganz der Ansicht des Herrn Vorredners, daß solche ständigen Kommissarien
so lange wie möglich ständig an einem Ort bleiben müssen. Aber auf dem Lande, meine Herren, liegt die Sache doch so, daß
Landtag sowohl wie Staatsregierung aus Gründen, die ich hier nicht
wiederholen will, dabei geblieben sind, daß in der Regel der Landrath
die Steuerveranlagung haben soll, und es ist nicht zu verkennen, daß
i den Kreisen der Landrath — und im Ganzen ist der Landrath doch iemlich ständig — am meisten Gelegenheit hat und auch davon Ge⸗
brauch machen wird, sich über alle persönlichen und sonstigen Ver⸗ hältnisse auf das allergenaueste zu unterrichten (Sehr richtig! rechts.) 89 “ E1111“
Wenn der Landratb den Assessoren das Geschäft überläßt, ohne selbst die Aufficht zu führen, oder auch mal einzugreifen, und den Assessor nicht anweift, in zweifelhaften Sachen ihn selbst zu fragen, so ist das ein verkehrtes Verfahren. So viel Zeit hat auch der Landrath. Es ist allerdings nicht zu verkennen, daß das Hauptgeschäft doch meistens bei der großen Ueberlastung der Landräthe den Assessoren zufallen wird, und daß es leider bei unseren heutigen Ginrichtungen oft vor⸗ kommen wird, daß die Assessoren zu schnell wechseln und sich nicht mit den gesammten Verhältnissen vertraut machen. (Sehr richtig!)
Meine Herren, dann hat der Herr Vorredner — und es freut mich, daß er diesen Punkt angeregt hat, — ein Beispiel aus einer rheinischen Stadt angeführt, wo man dem Zensiten gesagt hat, er solle eine Police — wenn ich recht verstanden habe — vorlegen, widrigenfalls das und das angenommen würde. Wir haben vom Finanz⸗ Ministerium ausdrücklich generell vorgeschrieben, daß solche Präjudizien unzulässig sind. (Sehr gut! links.) Wenn nun einmal ein einzelner Kommunalbeamter dagegen handelt, so ist das ja wohl bei diesen Tausenden von Beamten, Staats⸗ und Kommunalbeamten, die da mitwirken, nicht ein so schweres Verbrechen. Falls der Zensit sich be⸗ schwert, so wird er in diesem Punkte beim Finanz⸗Ministerium sein volles Recht finden.
Meine Herren, es wird überhaupt in den Zeitungen doch mannig⸗ fach der Finanz⸗Minister ganz unschuldig angegriffen. (Heiterkeit.) Ich kann nicht verhindern, und das wird niemand können, daß mal bei einem solchen großen Werke mangelhafte Gesetzkunde oder Uebereifer oder Taktlosigkeit einzelner Personen, denen die Ausführung obliegt, vorkommen. Soviel es möglich ist, suche ich es zu verhindern, und das ganze Verfahren lebt sich doch immer mehr und mehr ein. Sonder⸗ bare Wünsche werden dabei erhoben.
Man hat z. B. verlangt, man sollte diesen Aerger und Verdruß, den die Deklarationen verursachen, doch dadurch herabmindern, daß die Veranlagung nur alle drei Jahre stattfände. Sehen Sie sich mal die Entwickelung der Einkommensteuer in den letzten drei Jahren an, so werden Sie bald erkennen, welche außerordentlichen Ungleichheiten in der Steuerveranlagung durch einen solchen Zeitraum eintreten und welche dem Staate zustehende Beträge — dem Fiskus — entgehen würden. Ich bin doch der Meinung, daß das Deklarieren den Zensiten (Zuruf links: Sehr gesund ist! — Heiterkeit) immer leichter werden muß — auf das Gesunde komme ich gleich. (Heiterkeit.) Denn wenn einmal die Deklaration gründlich und mit gutem Willen aufgestellt und von den Behörden als richtig anerkannt ist, so wird dem Zensiten es in Zukunft immer leichter werden, nur die Ver⸗ änderungen einzutragen, die sich bei ihm einstellen. Die schwierigsten waren ja die ersten Jahre. Das haben wir alle hier gewußt im Landtage, daß ein solches Steuersystem nur mit einem so gebildeten Volk, wie das deutsche, überhaupt durchzuführen ist — und ich füge hinzu, mit einem im Ganzen so gerecht denkenden Volke. Man sieht auch doch an der stetigen Verminderung der Berufungen (trotz der ge⸗ stiegenen Zahl der Zensiten) und der Beschwerden, daß sich das Ganze doch immer mehr und mehr einbürgert.
Nun sagt Herr Rickert: das Deklarieren ist für die Zensiten sehr gesund. (Heiterkeit.) Meine Herren, im Staatsrath hat ein ganz hervorragender Mann einmal ausgesprochen, daß das größte Verdienst des Finanz⸗Ministers — das ist ja natürlich nicht personell genommen — es soll heißen, der Staatsregierung und des Landtages darin bestehe, daß man die Zensiten und namentlich die auf dem Lande durch dies Steuersystem gezwungen hat zu rechnen, sich klar zu machen über ihre eigene wirthschaftliche Lage, was früher sehr vielfach, auch bei allen Ständen, nicht der Fall war. Ich will z. B. die Aerzte anführen. Ja, so ein Arzt wurde früher eingeschätzt je nach dem Einkommen, das man bei ihm vermuthete. Man hat aber an die Kosten, die er für den Betrieb seines Geschäfts verausgaben muß, früher kaum ge⸗ dacht, und selbst die Aerzte wußten oft nicht, welche Kosten zur Füh⸗ rung ihres Geschäfts abgezogen werden konnten, welchen Reinertrag sie eigentlich hatten. Vor kurzem hat mir noch ein hervorragender Arzt gesagt: Früher habe ich davon keine Ahnung gehabt, und ich bin wie aus den Wolken gefallen, als ich nun nachrechnete, welche Selbstkosten mir abgingen, ehe ich überhaupt zu einem Reinertrage kommen konnte. Ich brauche das nicht weiter auszuführen; leider ist ja diese Wirkung des Gesetzes noch keineswegs durchgedrungen, und viele Zensiten auf dem Lande fangen erst an zu rechnen, wenn sie glauben, übermäßig hoch veranlagt zu sein.
Nun meint der Herr Vorredner, die Kommunalsteuerreform hätte auf dem Lande nicht so günstig gewirkt als in den Städten. So allgemein ausgedrückt, kann man eigentlich nicht viel darüber sagen; aber das ist sicher, daß die Kommunalsteuerreform auf deng Lande viel weniger Umwälzungen in den bisherigen Umlagen der Kommunen hervorgerufen hat als in den Städten, und zwar einfach deswegen, weil das Grundprinzip, daß die Kommunalsteuern wesentlich beruhen sollen auf den von der Gemeinde unzertrennlichen, mit ihr auf Gedeih und Verderb stehenden Realobjekten, auf dem Lande von alter Zeit her schon viel stärker durchgeführt war als in den Städten. Die Summe der Lasten, die der Grundbesitz in den Kom⸗ munen schon trug, war schon vorher verhältnißmäßig größer als in den Städten, und da hier gerade das umwälzende Prinzip gelegen hat, so hat umgekehrt wie der Herr Vorredner meint, gerade die Kommunalsteuerreform auf dem Lande sehr nützlich gewirkt; sie schloß sich da mehr an das Bestehende an als in den Städten.
Meine Herren, diese Debatten, die wir jährlich bei der Steuer führen, werden weitergehen, mögen sie in manchen Punkten das Gesetz verbessern oder nicht — wie ich anerkenne, ist es nach den Erfahrungen in einzelnen Punkten verbesserungsfähig; aber nach meiner Ueber⸗ zeugung ist die Zeit einer allgemeinen Revision noch nicht gekommen, wir werden von Jahr zu Jahr in dieser Beziehung sicherer werden — aber dessen können Sie sich versichert halten: machen wir auch ein noch so schönes Gesetz, revidieren wir immer von neuem, die Klagem über einzelne Fälle werden immer bleiben, die kann weder die Re⸗ gierung noch der Landtag aus der Welt schaffen. (Sehr richtig! und Bravo!)
Abg. Schmitz⸗Düsseldorf (Zentr.) weist darauf hin, daß seit dem Erlaß des neuen Einkommensteuergesetzes die Zahl der Lebensversicherungen zugenommen habe, weil die Versicherungsbeiträge bis 600 ℳ abzugs⸗ fäbig selen. Leider nähmen an diesem nationalökonomisch wichtigen Prinzip der Sparsamkeit die Bewohner des platten Landes nur in ve Grade theil. Allerdings liege dies mit daran, daß die länd⸗ ichen Bewohner die Prämien nicht aufbringen könnten. Sie be⸗
schwerten sich auch darüber, daß die les. Füs⸗ nicht Serele seien. Man sollte eventuell an eine Aenderung des
A1A““ 8
Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:
Die Frage, die der Herr Vorredner angeregt hat, ist hier schon sehr oft behandelt. Wir erkennen die Schwierigkeit der Sache an. Es giebt so viele Formen der allmählichen Vermögensansamm⸗ lung aus einem Reineinkommen, daß dieses Prinzip, generell durchgeführt, eine wahre Revolution in dem ganzen System machen würde und der Hinterziehung der Steuer nach allen Richtungen hin Thür und Thor öffnen würde. Ich würde ja selbst von meinem agrarpolitischen Standpunkte aus es sehr gern sehen, wenn man neue Anreizungen gäbe, sich selbst von den Schulden mehr und mehr zu entlasten. Aber allein ein solches System bei der Landwirthschaft anzuwenden, halte ich für geradezu unmöglich. Ich muß anerkennen, daß die ausnahmsweise Zurechnung von 600 ℳ bei der Lebens⸗ versicherung ein Einbruch in das System war (sehr richtig!), und damals habe ich — die Besteuerung ist durch einen Antrag des Landtages in das Gesetz gekommen, in unserer Vorlage stand es nicht — darauf genügend aufmerksam gemacht. Trotzdem hat der Landtag es be⸗ schlossen, und ich muß allerdings erkennen, daß eine stärkere Verbrei⸗ tung der Gewohnheit, das Leben zu versichern, gerade für die Land⸗ wirthe — wenn es uns gelingt, ein richtiges Erbrecht zu machen, wie es für die Landwirthe paßt, — von der allergrößten Bedeu⸗ tung ist.
Ein Anerbensystem durchzuführen, ist außerordentlich schwer, fast unmöglich bei Bevölkerungen, die die Sache nicht aus langjähriger Tradition gewohnt sind. Ein Anerbenrecht kann ja, obwohl ich für die Dauer anderer Ansicht bin, die jüngeren Kinder hart treffen, und gerade deswegen wäre es so wichtig, daß es durch eine Versicherung des Lebens des Vorbesitzers ergänzt würde, aus welcher der abgehende Gutsherr, der Bauer dann die abgehenden Erben entschädigen könnte, da der Anerbe selbst die nothwendigen Vorzugsrechte, wenn man die Güter erhalten will, haben muß. Dies fängt auch in Westfalen beispielsweise sehr lebhaft an sich zu regen, wie es auch dort hoffentlich bald gelingen wird, die Rente, die nach dem Anerbengesetz den Abfindlingen zfällt' durch eine bestimmte Organisation zu ihren Gunsten in Kapital zu ver⸗ wandeln. Also ich lege gewiß persönlich den allergrößten Werth darauf, daß diese Lebensversicherung gerade auf dem Lande sich mehr und mehr verbreitet; und man kann nicht leugnen, daß dieser aus⸗ nahmsweise Schritt, welchen wir bisher gemacht haben, dies sehr befördert. Man kann aber auch nicht leugnen, wie dies schon einmal der verehrte Abgeordnete für Melle geklagt hat, daß die Lebens⸗ versicherung auch oft aus dem Streben entstehe, die Steuer herab⸗ zubringen und dadurch die übrigen Kreiseingesessenen bei gleichen Zuschlägen auf die Kreissteuern geschädigt werden. Es sind mir auch von anderen Landestheilen Klagen in dieser Beziehung entgegengetreten. Aber das muß man jetzt hinnehmen. Das können wir augenblicklich nicht mehr ändern. Man muß, wenn wir zu einer allgemeinen Revision des Gesetzes schreiten, sehen, wie man hier den richtigen Weg findet. Hier steht sich Vortheil und Nachtheil gegen⸗ über; Billigkeit und Unbilligkeit. Das ist garnicht zu bestreiten. Der Mann, der sein Geld auf die Sparkasse bringt, muß es besteuern; der sein Geld in der Police anlegt, ist frei von den Steuern; und 600 ℳ Abzug ist ein schon ziemlich hoher Betrag.
Ich will also durchaus nicht bestreiten, daß das ein inkorrekter Zustand ist, den wir gegenwärtig haben. Aber bisweilen ist auch das Inkorrekte nützlich (sehr richtig!), und wir werden ja später, wenn wir grundlegend an die Sache wieder gehen, diese Frage nach allen Richtungen erwägen und ich hoffe, daß dies nicht bloß die Regierung thut, sondern auch die verehrten Herren, die hier diese Diskussion mit anhören.
Abg. Schmieding (nl.) beschwert sich über die Einmischung der Steuerbehörden in die Vermögensverhältnisse der Zensiten und tritt der Ansicht bei, daß es für die Landwirthe außerordentlich schwierig sei, ihre Vermögensverhältnisse richtig anzugeben, da sie in der Hauptsache auf Schätzung angewiesen seien. rotzdem müsse er anerkennen, daß der Finanz⸗Minister mit Erfolg bemüht sei, die schwächeren Schultern der Steuerzahler nach Möglichkeit zu entlasten. Die mittleren Einkommen könnten allerdings noch mehr entlastet werden. Sehr erwünscht wäre es gewesen, wenn die Kommunal⸗ zuschläge der ländlichen Kreise ebenso zurückgegangen wären, wie die der Stadtkreise. Hier bleibe noch viel zu thun übrig. Die kleineren Gemeinden würden bedrückt durch die Schul⸗, Wege⸗ und Armenlasten. Darum müßten die kleinen Gemeinden durch die größeren Verbände entlastet werden. Der Fee, meh be⸗ solle mit dem Minister des Innern eine Reform dieser Steuer in die Wege leiten.
Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:
Meine Herren! Auf die Frage, wie ein allgemeines Gesetz wirkt, namentlich wenn man von den ländlichen Verhältnissen spricht, kann man fast sagen: das bezieht sich überhaupt nicht mehr auf Rheinland⸗Westfalen: denn die ländlichen Verhältnisse, namentlich in der Gegend, welche der Herr Abg. Schmieding wahrscheinlich haupt⸗ sächlich im Auge gehabt hat, haben sich derartig verändert und einen solchen industriell⸗städtischen Charakter angenommen, daß man daraus aus den dortigen Verhältnissen keine Schlüsse auf die ganze Monarchie ziehen kann. Daß die Zuschläge zu der Einkommensteuer sich verhältnißmäßig in den Städten stärker als auf dem Lande reduziert haben, kommt daher, daß vor der Steuer⸗ reform die Heranziehung des Grund und Bodens auf dem Lande ver⸗ hältnißmäßig stärker war als in den Städten; folglich konnte auch da ein solcher Rückgang in den Zuschlägen der Einkommenstener nicht stattfinden.
Wir haben in Rheinland und Westfalen ja Städte, die bis zur Reform alle ihre Steuern lediglich auf die Einkommensteuer geworfen hatten, und zwar Städte mit den allerstärksten Ausgabe⸗Etats. Ich erinnere nur an Elberfeld und Barmen und andere Orte, die den Grund und Boden und den Gewerbebetrieb entweder garnicht oder nur in sehr geringem Maße heranzogen. Die Unzufriedenheit mit der Heranziehung des Gewerbebetriebes bezw. des Grund und Bodens ist in diesen Städten deshalb so stark, weil ihnen die Sache ganz ungewohnt war; aber sie werden sich klar machen müssen, daß das bisherige System doch so ungerecht und irrationell war, wie man es
1“ 8 .“ “ (Schluß in der Zweiten Beilage.)
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2 No. 33.
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Zweite Beilage
nzeiger und Königlich Preußisch
Berlin, Dienstag, den 7. Februar
iger. 1899.
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Die Uebelstände, die der Herr Abg. Schmieding namentlich in den Industriebezirken beklagt hat, kommen nicht von der Kommunal⸗ steunerordnung, sondern davon, daß, wie er ganz richtig ausgeführt hat, die Leistungsfähigkeit dieser kleinen Gemeinden heute nicht mehr den Aufgaben, die ihnen bei der kommunalen Entwickelung auferlegt werden, entspricht. Ich bin mit ihm ganz der Meinung, daß wir hierin eine Resorm vornehmen und kräftigere Gemeinden bilden müssen, als sie gegenwärtig vorhanden sind; aber ich habe auch bereits im vorigen Jahre den Herrn Abg. Schmieding auf die kolossale Schwierigkeit solcher Maßnahmen aufmerksam gemacht. Man würde ja zu Gesammtgemeinden kommen; aber solche zu bilden, ist gegen⸗ über den eingewurzelten historischen Verhältnissen fast in allen deut⸗ schen Staaten gescheitert. Ich habe schon in Hannover, als es noch ein selbständiges Königreich war, immer an dieser Sache herumgearbeitet. In einzelnen Landestheilen ist es ge⸗ lungen, in anderen nicht. Hierüber ist bei der Berathung der Kommunalverfassung auch diese Diskussion eingehend geführt worden. Es ist eine sehr schwierige Aufgabe. Vielleicht mag es dort infolge des Druckes der Verhältnisse noch leichter sein als in anderen Landestheilen. Ich bin, wie gesagt, trotz alledem der Meinung, daß wir in Rheinland und Westfalen leistungsfähigere, größere Gemeinde⸗ körper bilden müssen. Das muß die Aufgabe mal sein; darüber kann kein Zweifel bestehen.
Abg. Kirsch (Zentr.) befürwortet ebenfalls eine Erleichterung
der mittleren Einkommen und eine Vereinfachung des Voreinschätzungs⸗ verfahrens.
Abg. von Arnim (fr. kons.) erachtet es für besser, es in dieser Beziehung beim Alten zu lassen und an dem Gang des Einschätzungs⸗ verfahrens nichts zu ändern. Die Einschätzungskommissionen seien ohnehin schon überlastet. Redner kommt auf seinen vorjährigen Vor⸗ schlag zurück, auch die Tilgungebeiträge für angesammelte Amorti⸗ S⸗ bei Landschaften abzugsfähig zu machen. Diese Fonds
ildeten ein der Verfügung des belasteten Grundbesitzers vollständig
entzogenes Kapital. Bei einer Revision des Gesetzes solle man diesen Punkt im Auge behalten.
Gebeimer Ober⸗Finanz⸗Rath Wallach hält im Gegensatz zu dem
Abg. Kirsch das gegenwärtige Voreinschätzungs⸗ und Veranlagungs⸗ “ verfahren für einwandfrei.
Das Einnahmekapitel wird bewilligt, ebenso das Aus⸗
gabekapitel
Es folgt der Etat der indirekten Steuern.
Bei der Einnahme aus den Zöllen bemerkt „Gebeimer Finanz⸗Rath Enke auf eine Anregung des Abg. Metzner (Zentr.), daß den Hauptzoll⸗ und Steuer⸗Assistenten eine Gehaltsverbesserung zu theil geworden sei. Ihre Beförderungsaus⸗ sichten hätten sich ebenfalls in der letzten Zeit etwas gebessert.
Abg. von Sanden⸗Tissit (nl.) beschwert sich darüber, daß in einem bestimmten Falle kurze Latten als gehobelte und gespundete Bretter betrachtet und die Beamten für den entgangenen Zoll regreß⸗
pflichtia gemacht worden seien.
General Direktor der direkten Steuern Dr. Fehre erwidert,
daß dieser Spezialfall gegenwärtig dem Ministerium vorliege und sicherlich nach den gesetzlichen Bestimmungen werde entschieden werden.
1 Abg. Krause⸗Waldenburg (fr. kons.) fragt an, ob und wann die Regierung die in Aussicht gestellte Vorlage, betreffend den Fidei⸗ kommißstempel, einbringen werde.
1 Eine Antwort erfolgt nicht.
Der Etat der indirekten Steuern wird bewilligt, ebenso die Etats der Staats⸗Archive und des Kriegs⸗Ministeriums
ohne Debatte.
Damit ist die Tagesordnung erledigt. Abg. Dr. Sattler (nl.) bringt wieder die mangelnde Akustik des
Sitzungssaales zur Sprache. Auch die heutige Verhandlung habe für
die meisten Mitglieder fast unter Ausschluß der Oeffentlichkeit statt⸗ gefunden. Es empfehle sich die Anbringung eines Vorhangs vor der Nische über dem Präsidentensitz.
Präsident von Kröcher theilt mit, daß dieser Vorhang bisher nur deshalb noch nicht angebracht sei, weil nach der Meinung des Baumeisters nicht ausreichendes Zeug von derselben Farbe in Berlin zu besch ffen gewesen sei. Er theile diese Meinung nicht und habe die Hoffsung, daß der Vorhang schon in der nächsten Zeit fertiggestellt und angebracht werden könne. 1
Schluß 2 ½ Uhr. Nächste Sitzung Dienstag 11 Uhr. (Antrag Mies und Antrag Weyerbusch wegen Abänderung des Kommuralabgabengesetzes und Antrag Langerhans, be⸗ treffend die Verpflichtung der Kirchengemeinden zum Bau von
Kirchen u. s. w.)
Parlamentarische Nachrichten.
Dem Reichstage ist der nachstehende Entwurf eines Gesetzes, S einige Aenderungen von Bestimmungen über das Postwesen, zugegangen: 4 8 Artikel 1.
Das Gesetz über das Posttaxwesen im Gebiete des Deutschen Reichs vom 28. Oktober 1871 (Reichs⸗Gesetzbl. S. 358) wird dahin
eändert: 6 I. An die Stelle des § 1 treten folgende Vorschriften:
Porto für Briefe. 1 3 Das Porto beträgt für den frankierten gewöhnlichen Brief 8 bis zum Gewichte von 20 g einschließlich. 10 ₰ 8 bei größerem Gewichte 20
. 8 lc. 5 ₰ Bei unfrankierten Briefen tritt ein Zuschlagvorto von 10 ₰,
ohne Unterschied des Gewichts des Briefes, hinzu. Dasselbe Zuschlag⸗ porto wird bei unzureichend frankierten Briefen neben dem Ergänzungs⸗ porto erboben. “ 1b
Portopflichtige Dienstbriefe werden mit Zuschlagporto nicht belegt, wenn ihre Eigenschaft als Dienstsache durch eine von der Reichs⸗
estverwaltung festzustellende Bezeichnung auf dem Umschlage vor der ostaufgabe erkennbar gemacht worden ist.
II. Als § 1a wird folgende Vorschrift eingestellt:
Nachbarortsverkehr.
Der Reichskanzler ist ermächtigt, den Geltungsbereich der Ortstaxe § 50 des Gesetzes über das Postwesen des Deutschen Reichs vom 28. Okrober 1871) auf Nachbarorte auszudehnen. 8 III. An die Stelle des § 10 treten folgende Vorschriften:
Zeitungsgebühr.
Die Zeitungsgebühr beträgt:
a. 10 ₰ für jede Bezugszeit ohne Rücksicht auf deren Dauer,
b. 15 ₰ jährlich für das wöchentlich einmalige oder seltenere
Erscheinen 8b 15 ₰ jährlich mehr für jede weitere Ausgabe i W
c. 10 ₰ jährlich für jedes Kilogramm des Jahresgewichts, mindestens sedoch 40 ₰ jährlich für jede Zeitung.
Das Gewicht der Zeitungen wird alljährlich von der Postbehörde für einen Zeitraum von zwei Wochen ermittelt. Die Festsetzung der Zeit dieser Ermittelungen, die für alle Zeitungen gleichzeitig zu be⸗ wirken sind, sowie die Bestimmung über die Gewichtsermittelung für die in der allgemeinen Ermittelungszeit nicht erscheinenden Zeitungen stehen der Postverwaltung zu.
Das Jahresgewicht wird durch Vervielfältigung des ermittelten Gewichts mit 26 oder der der Erscheinungsweise entsprechenden anderen Zahl gewonnen. Bruchtheile eines Kilogramms werden als ein volles Kilogramm gerechnet.
Auf Grund des Ergebnisses der Ermittelungen wird die Post⸗ zeitungsgebühr vom 1. Januar des nächsten Jahres ab neu festgestellt.
Bei neuen Zeitungen erfolgt die erstmalige Festsetzung der Gebühr 828 den Angaben der Verleger über das voraussichtliche Gewicht der
eitungen.
Wenn innerhalb des Jahres im Gewicht einer Zeitung wesent⸗ liche Aenderungen eintreten, ist die Postverwaltung berechtigt, für diese Zeitung eine außergewöhnliche Gewichtsermittelung vorzunehmen und danach vom Beginne der nächsten Bezugszeit ab die Zeitungsgebühr anderweit festzusetzen.
„Für die Selbstverpackung der Zeitungen durch die Verleger kann diesen eine Vergütung von 5 ₰ für je 100 verpackte Zeitungsnummern gezahlt werden. Ueberschießende Nummern werden für volle hundert gerechnet. .
8 Artikel 2.
Das Gesetz über das Postwesen des Deutschen Reichs vom 28. Oktober 1871 (Reichs. G setzbl. S. 347) wird dahin geändert:
I. Als § 1 a wird folgende Vorschrift eingestellt:
Die §§ 1, 27, 28, 30 bis 33 dieses Gesetzes finden auch Anwen⸗ dung auf verschlossene und solchen gleichzuachtende Briefe, die innerhalb der Gemeindegrenzen ihres mit einer Postanstalt versehenen Ursprungs⸗ orts verbleiben.
II. An die Stelle des § 2 treten folgende Vorschriften:
Die Beförderung von Briefen und politischen Zeitungen (§ 1) gegen Bezahlung durch expresse Boten oder Fuhren ist gestattet. Doch darf ein soscher Expresser nur von Einem Absender abgeschickt sein, postzwangepflichtige Gegenstände nur bis zum Gesammtgewicht von 5 kg befördern und dem Postzwang unterliegende Gegenstände weder von Anderen mitnehmen, noch für Andere zurückbringen. Wäh⸗ rend der Beförderung darf ein Wechsel in der Person des Bote nicht stattfinden
III. Als § 2a werden folgende Vorschriften eingestellt:
Die Beförderung von verschlossenen Briefen im Ursprungsorte (§ 1 a) gegen Bezahlung durch Boten, welche weder die Einsamm⸗ lung von Briefen. Karten, Drucksachen, Zeitungen und Zeitschriften oder Waarenproben gewerbsmäßig betreiden, noch im Dienst einer Privatbeförderungsanstalt stehen, ist ohne die im § 2 vorgeschriebenen Einschränkungen gestattet.
Privatbeförderungsanstalten dürfen in eigener Angelegenheit ver⸗ schlossene Briefe auch durch ihre Bediensteten befördern lassen.
Artikel 3.
Anstalten zur gewerbsmäßigen Einsammlung, Beförderung oder Vertheilung von unverschlossenen Briefen, Karten, Drucksachen und Waarenproben, die mit der Aufschrift bestimmter Empfänger versehen sind, dürfen im Reichs⸗Postgebiete nur mit Genehmigung des Reichs⸗ kanzlers, in Bayvern und Württemberg nur mit Genehmigung der Landes⸗Zentralbehörde errichtet oder weiter betrieben werden.
Zuwiderhandlungen werden mit Geldstrafe bis zu eintausend⸗ fünfhundert Mark oder mit Haft oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft. “
Artikel 4. “
Den vor dem 1. April 1898 eingerichteten und seitdem bis zur Verkündigung dieses Gesetzes ohne Unterbrechung betriebenen Privat⸗ Briefbeförderungsanstalten und ihren Bediensteten, die infolge dieses Gesetzes Schaden erleiden, sind Entschädigungen nach den folgenden Bestimmungen zu gewähren:
A. Der den Anstalten zu ersetzende Schaden umfaßt auch den ent⸗ gangenen Gewinn. Die Feststellung des entgangenen Gewinns richtet sich nach § 252 des Bürgerlichen Gesetzbuchs; jedoch darf die Ent⸗ schädigung für den entgangenen Gewinn in keinem Falle das Acht⸗ fache des jährlichen Reigewinns übersteigen, den die Anstalt im Durchschnitte der vor dem 1. April 1898 liegenden drei letzten Geschäftejahre erzielt hat. Hat die Anstalt bis zum 1. April 1898 noch nicht drei Jahre bestanden, so wird der durch⸗ schnittliche Jahresbetrag des Reingewinns in der Weise gebildet, daß der im Durchschnitt für den Monat erzielte Reingewinn mit zwölf vervielfältigt wird. Als Reingewinn gilt die Roheinnahme aus der Beförderung der ihrem Betrieb auf Grund dieses Gesetzes entzogenen Gegenstände nach Abzug des dem Verhältn ß dieser Einnahme zur Roheinnahme aus dem gesammten Beförderungsgeschäft entsprechenden Theils der Geschäftskosten. Zu den Geschäftskosten werden auch ge⸗ rechnet die Abnutzung der der Anstalt gehörenden Gebäude und Be⸗ triebsmittel, soweit sie dem Beförderungsgeschäft dienen, und vier⸗ prozentige Zinsen des Anlage⸗ und Betriebskapitals.
B. Die Bediensteten, die infolge des Eingehens oder der Be⸗ schränkung des Betriebs der Anstalten aus der Beschäftigung entlassen werden und mindestens drei Monate laug, vom Tage der Ver⸗ kündigung dieses Gesetzes rückwärts gerechnet, im Dienste der An⸗ stalten gestanden sowie ihren Erwerb ausschließlich oder überwiegend aus dieser Beschäftigung gezogen und vor dem Tage der Verkündigung dieses Gesetzes das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, erhalten, wenn die Beschäftigung gedauert hat:
3 Monate bis einschließlich 6 Monate mehr als 6 . . 1“”“ .„ 18ö86 3 8B 8 Jahre 111A4X*“ des innerhalb der letzten zwölf Monate bezogenen Gehalts oder Arbeitsverdienstes als einmalige Entschädigung. Besteht das Gehalt oder der Arbeitsverdienst ganz oder zum theil aus Antheilen an der Geschäftseinnahme oder am Geschäftsgewinne, so werden diese Antbeile mit dem Durchschnitt der vor der Verkündigung dieses Gesetzes liegenden drei Beschäftigungsjahre angesetzt.
Hat die Beschäftigung weniger als zwölf Monate gedauert, so wird der Berechnung der Entschädigung der Betrag zu Grunde gelegt, der nach dem durchschnirtlich für den Tag bezogenen Gehalt oder Arbeitsverdienste sich im Laufe eines Jahres ergeben hätte.
Die Postverwaltung ist ermächtigt, diese Entschädigung jedem Bediensteten, statt in Einer Summe, in monatlichen Theilbeträgen zu zahlen, die mindestens dem im letzten Monate seiner Beschäftigung bezogenen Einkommen entsprechen müssen.
Von der Entschädigung sind die Bediensteten ausgeschlossen, die von der Postverwaltung in eine ihrem bisherigen Beschäftigungsver⸗ hältniß entsprechende Dienststelle übernommen werden oder die An⸗ nahme einer solchen Stelle ohne ausreichenden Grund ablehnen. Ist mit dem Antritt einer derartigen Stelle ein Wechsel des Wohnorts
werden die Umzugskosten ersetzt. verbunden, so wer “ süs setz “ 6
Der Anspruch auf Entschädigung ist innerhalb einer Ausschluß⸗ frist von sechs Monaten bei einer Postbehörde schriftlich anzumelden. Die Frist beginnt mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes. Die Fest⸗ stellung der Entschädigung erfolgt für das Reichs⸗Postgebiet durch das
Reichs⸗Postamt, für Bayern und Württemberg durch die obere Post⸗
verwaltungsbehörde dieser Staaten. .
Die Postverwaltungen und deren Beauftragte sind befugt, unter Hinzuziehung eines vereideten Protokollführers Zeugen und Sach⸗ verständige eidlich zu vernehmen oder die Gerichte um deren Ver⸗ nehmung zu ersuchen. 28
Gegen den Bescheid der Pestbehörde, durch den der Entschädi⸗ gungsanspruch abgelehnt oder die Entschädigung festgestellt wird, findet die Berufung auf schiedsrichterliche Entscheidung statt. .
Die Berufung ist bei Vermeidung des Ausschlusses binnen vier 5 nach der Zustellung des Bescheides bei dem Schiedsgerichte zu erheben.
Der Bescheid der Postbehörde muß die Bezeichnung des für die Berufung zuständigen Schiedsgerichts und die Belehrung über die einzuhaltende Frist enthalten. 1
Das Schiedsgericht wird aus drei Mitgliedern des Reichsgerichts gebildet. Die Ernennung derselben und der Stellvertreter erfolgt für die Dauer ihres Hauptamts durch den Reichskanzler.
Auf die Beweisaufnahme im schiedsrichterlichen Verfahren finden die für das Verfahren vor den ordentlichen Gerichten geltenden Vor⸗ schriften entsprechende Anwendung.
Die Entschädigungssummen sind für das Reichs⸗Postgebiet aus den Mitteln der Reichs⸗Post⸗ und Telegraphen⸗Verwaltung, für Bayern und Württemberg aus den Landesmitteln zu bestreiten.
Artikel 6.
Dieses Gesetz tritt hinsichtlich des § 10 des Gesetzes über das Posttaxrwesen im Gebiet des Deutschen Reichs am im übrigen am .. v. in Kraft.
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Dem Herrenhause ist nachstehender Entwurf eines Ge⸗
setzes, betreffend Schutzmaßregeln im Quellgebiete der
linksseitigen Zuflüsse der Oder in der Provinz Schle⸗ sien, nebst Begründung e
Die land⸗ und forstwirthschaftliche Nutzung von Grundstücken der dem Gebirgs⸗ und Hügellande angehörenden Quellgebiete der links⸗ seitigen Zuflüsse der Oder in der Provinz Schlesien unterliegt den besonderen Bestimmungen diesfes Gesehes. 88
Eine forstwidrige Nutzung von Holzungen ist unzulässig. “
Eine forstwidrige Nutzung im Sinne dieses Gesetzes liegt vor wenn durch unwirthschaftliche forstliche Maßnahmen oder durch Unter⸗ lassung wirthschaftlich gebotener Handlungen die Zurückhaltung des Niederschlagwassers vereitelt oder erheblich erschwert, oder die Gefahr der Entstebung von Wasserrissen, Bodenabschwemmungen, Hang⸗ rutschungen, Geröll⸗ oder Geschiebebildungen herbeigeführt wird.
Wird eine forstwidrige Nutzung durch den Regierungs⸗Präsidenten festgestellt, so hat dieser dem Eigenthümer oder dem Nutzungsberech⸗ tigten die künftige 1“ vorzuschreiben.
Die Rodung von Holzungen darf nur mit Genehmigung des Regierungs⸗Präsidenten erfolgen.
Die Genehmigung darf nicht ertheilt werden, wenn die Erhaltung des Grundstückes als Holzung für die Zurückhaltung des Niederschlag⸗ wassers oder die Verhütung von Wasserrissen, Bodenabschwemmungen, Hangrutschungen, Geröll⸗ oder C“ erforderlich ist.
Wenn eine Holzung ohne Genehmigung ganz oder theilweise ge⸗ rodet worden ist, so kann der Regierungs⸗Präsident die Wiederauf⸗ forstung der gerodeten Fläche 88
Die Neuanlage offener Gräben an Gebirgshängen in der Hauptgefällrichtung ist unzulässig. .
Wird eine solche von dem Regierungs⸗Präsidenten festgestellt, so hat dieser ihre Beseitigung anzuordnen.
6.
Das auf zu Thal führenden Wegen abfließende Wasser ist, soweit es nach den örtlichen Verhältnissen ohne wirthschaftliche Nachtheile geschehen kann, von den Besitzern der angrenzenden Grundstücke in Stichgräben abzuleiten und, wo dazu Gelegenheit geboten ist, in Gruben (Schlammfängen) aufzufangen. 8
Die Anlage von Stichgräben hat auch zur seitlichen Ableitung des in Einfaltungen der Gebirgshänge abfließenden Wassers zu erfolgen.
Die Stichgräben und Gruben sind von dem Grundbesitzer jederzeit offen zu halten.
Soweit die Zurückhaltung des Niederschlagwassers oder die Ver⸗ hütung der Entstehung von Wasserrissen, Bodenabschwemmungen, Hangrutschungen, Geröll⸗ oder Geschiebebildungen es erfordert, kann der Regierungs⸗Präsident
1) die Entwässerung von Moorflichen,
2) die Beackerung und die Beweidung von Grundstücken auf
Hochlagen oder an Gebirgshängen untersagen oder einschränken, 5 89) die Verlegung oder Beseitigung vorhandener Gräben 8 ordern.
Für die den Grundbesitzern oder Nutzungsberechtigten hieraut entst henden Nachtheile und Kosten hat die Gemeinde (der Gutsbezirk) Entschädigung zu leisten.
§ 8.
Mangels gütlicher Vereinbarung wird die Entschädigung durch den Regierungs⸗Präsidenten festgesetzt. 1
Für Nachtheile dauernder Art kann die Entschädigung nach Wahl der Gemeinde durch Zahlung von Jahresbeiträgen oder eines Kapitals zum fünfundzwanzigfachen Jahresbetrage erfolgen. G
Für ein erforderlich werdendes Verwendungsverfahren sind die Vorschriften der §§ 47 und folgende des Gesetzes über die Enteignun 8- “ vom 11. Juni 1874 (Gesetz⸗Samml. S. 22 ff. maßgebend.
§ 9.
Die zu den Quellgebieten zu rechnenden Gemarkungen und Ge⸗ markungstheile, die darin vorhandenen Holzungen und diejenigen Grundstücke, auf welche die Vorschriften der §§ 5 bis 8 Anwendung finden, werden durch eine von dem Regierungs⸗Präsidenten zu be⸗ rufende Kommission ermittelt. Die Kommission besteht aus einem Vertreter des Regierungs⸗Präsidenten, als Vorsitzendem, einem Forst⸗ sachverständigen, einem Landwirth, dem Meliiorations⸗Baubeamten und einem vom Provinzial Ausschuß zu wählenden Vertreter der be⸗ theiligten Gemeinden und Gutsbezirke.
Das Ergebniß der Ermittelung wird in den betheiligten Ge⸗ meinden und Gutsbezirken mindestens vier Wochen lang ausgelegt. Der Ort und die Dauer der Auslegung sind in ortsüblicher Weise in den betheiligten Gemeinden und Gutsbezirken, sowie durch das Kreisblatt bekannt zu machen. In der Bekanntmachung ist eine mindestens auf vier Wochen zu bemessende Frist anzugeben, in der etwaige Einwendungen bei dem Regierungs⸗Präsidenten geltend zu machen sind. v“ 8 “
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