so liebende Nation diesen Grundsatz nicht auch in ihre aus⸗ wärtigen Beziehungen übertragen sollte; sonst würde der angelsächsische Grundsatz des „fair play“ nicht durchgeführt sein. Aus meinen amtlichen Erinnerungen kann ich nur hervor⸗ heben, daß Besprechungen mit amerikanischen Staatsmännern und Diplomaten immer koulant verlaufen sind. Da ich bei den amerikanischen Staatsmännern angelangt bin, komme ich auf das politische Gebiet, welches Herr Lieber berührt hat: man soll wirth⸗ schaftliche und politische Dinge nicht miteinander vermengen. Das hat der frühere Reichskanzler Fürst Bismarck auch mehrfach aus⸗ gesprochen. Ich erinnere noch an eine andere Rede des Fürsten Bismarck vom Jahre 1884. Der Staatssekretär von Bülow wird sich wahr⸗ scheinlich in derselben Weise über die amerikantschen Beziehungen aus⸗ sprechen, wie damals Fürst Bismarck. Die Rede wies auf die An⸗ erkennung der Vereinigten Staaten durch Friedrich den Großen hin und auf die tüchtige Vertretung unserer Interessen während des französischen Krieges. Es wird befriedigend sein, wenn wir von der offiziellsten Stelle hören sollten, daß die Verhältnisse dieselben geblieben sind wie damals. Ich wüßte nicht, wo sonst die Ursache zu einer Trübung der Verhältnisse liegen sollte, als in einer plan⸗ mäßigen Verhetzung. Fürst Bismarck sagte damals, man dürfe niemals sagen, daß von Revpressalien nicht die Rede sein könne. Dadurch würde die Aktionsfähigkeit der Regierung gelähmt werden Die Diplomatie ist ein so schwieriges Gewerbe, daß es wünschens⸗ werth ist, daß im Reichstage volle Einigkeit herrscht. In der ganzen Art der Verhandlung sollte zum Ausdruck kommen das Vertrauen, daß die amerikanische Regierung es unserer Regierung nicht zu schwer machen wird, zu einer Verständigung zu gelangen.
Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats⸗Minister von Bülow:
Von zwei Seiten, meine Herren, sind die politischen Beziehungen zwischen uns und Amerika und unser Verhalten gegenüber dem spanisch⸗ amerikanischen Kriege zur Sprache gebracht worden. In letzterer Hin⸗ sicht beziehe ich mich auf das, was ich während der ersten Lesung des Etats gesagt habe, nämlich, daß unsere Haltung während der ganzen Dauer des spanisch⸗amerikanischen Krieges eine streng neutrale und absolut loyale war. Allerdings haben wir es für unsere Pflicht ge⸗ halten, unsere Staatsangehörigen in den spanischen Kolonien, den dortigen deutschen Handel, die dortigen deutschen Kauf⸗
häuser, Betriebe und Firmen so weit vor Schaden zu
bewahren, als dies der Kriegszustand und der Stand unserer Macht⸗
mittel zur See zuließen. Deshalb, und nur deshalb, haben wir nach
dem Ausbruch der Feindseligkeiten zwischen Spanien und Amerika keinen
Anstand genommen, zeitweise die chinesische Küste zu degarnieren und
eeinen Theil unseres ostasiatischen Geschwaders nach Manila zu schicken,
wo sich der deutsche Handel seit lange eine geachtete Position gemacht
hat, und zahlreiche Deutsche in angesehener Stellung leben. Die An⸗
wesenheit unserer Schiffe vor Manila, für deren Entsendung, das be⸗
tone ich mit ganz besonderem Nachdruck, kein anderes Motiv maß⸗
gebend war als die legitime Verpflichtung, deutsches Leben und Eigen⸗
thum zu schützen (Bravo!), hat sich, ohne den kriegführenden Re⸗
gierungen irgend welchen Anlaß zu Ausstellungen zu geben, als nützlich
und nothwendig herausgestellt, nicht nur für unsere eigenen Landsleute,
ondern auch für diejenigen Unterthanen fremder Staaten, deren Re⸗
gierungen spontan unseren Schutz nachgesucht hatten. Unserer
Pflicht ehrlicher Neutralität sind wir auch in
Manila nicht einen Augenblick untreu geworden.
(Bravo!) Wenn uns ein Theil der ausländischen Presse fälschlich
ine andere Haltung nachgesagt hat, so ändert das nichts an der ab⸗
soluten Korrektheit unseres thatsächlichen Verhaltens. (Bravo!) Was
6““ der fremden Presse gesagt und verbreitet worden ist: über angeb⸗
lsiche deutsche Absichten auf die Philippinen oder über eine den Tagalen
n ihrem Widerstand gegen die amerikanische Occupation von deutscher
Seite gewährte Unterstützung, erkläre ich hier ausdrücklich für dreiste Unwahrheit. (Bravol)
Was die, ich weiß nicht, in welchem ausländischem Journal auf⸗ etauchte Behauptung angeht, daß unser Generalkonsul in Hongkong n die Filipinos Waffen verkauft haben soll, so ist das eine der fettesten
Enten, die jemals aus irgend einem trüben Pfuhle aufgeflogen ist. (Große Heiterkeit.) Und ich möchte bei dieser Gelegenheit, wo ich ine Reihe von Fabeln als Fabeln zu bezeichnen genöthigt bin, auch rwähnen, daß der Verkehr zwischen unseren Seeoffizieren und den merikanischen Seeoffizieren vor Manila nicht nur frei war von jeder Spannung, sondern getragen vom Geiste gegenseitiger Courtoisie. Daß nsere Seeoffiziere sich auch in Manila in immer durchaus tadelloser nd einwandfreier Weise benommen haben, brauche ich wohl nicht besonders hervorzuheben. Aber die amerikanischen Offiziere sind ihnen n ebenso ritterlicher Weise entgegengekommen. (Bravo!) Wo wir ber, meine Herren, ohne das Völkerrecht zu verletzen, im Rahmen des Völkerrechts deutsches Leben und Eigenthum vor Beeinträchtigung ahren, sind wir meines Erachtens in unserem guten Recht (Bravo!) nd üben nur unser gutes Recht aus. Indem wir so handelten, aben wir lediglich eine neutrale Pflicht erfüllt (sehr wahr! in der Mitte), eine Pflicht, welche jedes Staatswesen gegenüber seinen An⸗ ehörigen in der Fremde in bedrängter Lage hat (sehr wahr! rechts); nd wir werden uns niemals abhalten lassen, dieses unser Recht und diese unsere Pflicht mit ruhiger Besonnenheit, aber auch in vollem Umfang wahrzunehmen. (Lebhaftes Bravo!)
8 Nachdem der Kriegszustand zwischen Amerika und Spanien be⸗ endet ist, haben wir unsere Schiffe bis auf einen Kreuzer von den Philippinen zurückgenommen; denn wir sind überzeugt, daß die Sicher⸗
heit unserer Landsleute unter amerikanischem Schutz nicht gefährdet st, wie wir auch gern annehmen, daß unser Handel sich auf den
Philippinen und in Westindien unter amerikanischer Herrschaft unge⸗ tört wird fortentwickeln können.
Wir haben übrigens Schiffe nicht nur nach den Philippinen ge⸗ chickt. Auch von den Deutschen in Cuba und Portorico war uns er dringende Wunsch ausgesprochen worden nach Entsendung von eutschen Schiffen, und dieser Wunsch war von sehr angesehener Bremer Seite — ich sehe leider den Herrn Abg. Frese nicht in diesem ohen Hause, er würde das, was ich jetzt sage, bestätigen können — ebhaft unterstützt worden. Trotz der geringen Anzahl der disponiblen Kriegsfahrzeuge sind wir auch diesem Wunsche nachgekommen, und während der blutigen Ereignisse, welche sich im Frühling und Sommer
in jenen Meeren abgespielt haben und durch welche Leben und Sicher⸗
heit mancher Deutscher gefährdet wurden, hat S. M. Schiff „Geier“
gezeigt, was die Manneszucht, die Pflichttreue und die Menschenliebe unserer braven Seeleute zu leisten vermögen. (Bravo!)
Meine Herren, ich komme jetzt zu den politischen Beziehungen zwischen Deutschland und Amerika. Sie werden es verstehen, und ch glaube, gerade der Herr Vorredner, dem ich übrigens sehr ver⸗ pflichtet bin für die freundliche Art und Weise, in der er sich aus⸗
sprochen hat über die Staatssekretäre im Allgemeinen und über
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meine Wenigkeit im Besonderen (Heiterkeit linke) — ich glaube, gerade der Herr Vorredner wird es verstehen, daß ich mich in meiner amtlichen Stellung über diese Seite der Frage nur einigermaßen diplomatisch auslassen kann. Ich will aber doch nicht z u diplomatisch sprechen, denn ich glaube, daß zwischen zwei starken und männlichen Völkern Offenheit und Gradheit die beste Politik sind (Bravo!) und die beste Medizin für mehr eingebildete als wirkliche politische Ver⸗ stimmungen. (Sehr gut! in der Mitte.) Ich stelle zunächst fest, daß die Beziehungen zwischen der deutschen Regierung und der amerikani⸗ schen Regierung gute und freundliche sind (Bravo! rechts) und nie aufgehört haben, gute und freundliche zu sein. Der ausgezeichnete Vertreter der Vereinigten Staaten in Berlin, Mr. White, hat dies in einer Rede, die er, wenn ich nicht irre, am amerikanischen Un⸗ abhängigkeitstage, am 4. Juli, hielt, in einer Weise anerkannt, die zwar nur den thatsächlichen Sachverhalt zum Ausdruck brachte, uns aber mit Befriedigung erfüllen mußte. (Bravo!) Mr. White führte damals aus — ich zitiere aus dem Gedächtniß, aber er führte etwa aus — daß das Verhalten aller derjenigen, welche die Ehre hätten, Deutschland gegenüber Amerika zu vertreten, während des ganzen Verlaufes des spanisch⸗amerikanischen Krieges alles gewesen sei, was von amerikanischer Seite nur irgend hätte erwartet werden können. Ich konstatiere meinerseits, daß das politische Verhalten der amerika⸗ nischen Regierung uns keinen Anlaß zu Ausstellungen geboten hat. Vom Standpunkt einer verständigen Politik ist gar kein Grund vor⸗ handen, warum nicht Deutschland und Amerika in den besten Be⸗ ziehungen zu einander stehen sollten. (Sehr richtig! in der Mitte.) Ich sehe keinen Punkt, wo sich die deutschen und die amerikanischen Interessen feindlich begegneten, und auch in der Zukunft sehe ich keinen Punkt, wo die Linien ihrer Entwickelung sich feindlich zu durchkreuzen brauchten. (Sehr richtig!) Wir wissen aber alle, meine Herren, daß in unserer Zeit für das Verhältniß zwischen zwei Staaten die Beziehungen zwischen den beiderseitigen Regierungen nicht mehr allein maßgebend sind, sondern daß auch die Stim⸗ mungen und die Verstimmungen der Völker schwer ins Gewicht fallen. Stimmungen und Verstimmungen haben die Eigenthümlich⸗ keit — und darin liegt ihre Gefahr —, daß gegen sie mit lozischen Gründen gewöhnlich schwer anzukommen ist. (Sehr richtig! rechts und in der Mitte.) Das weiß ja Jeder aus eigener Erfahrung, ob wir nun einen Anderen von seiner Verstimmung zu kurieren bemüht gewesen sind, oder einmal selbst verstimmt waren. Ich glaube aber doch, meine Herren, daß es nützlich ist, gegenüber solchen Gefühls⸗ stimmungen die Sprache der kühlen Vernunft zu führen. In Amerika wird vielfach angenommen, daß in Deutschland Groll und Abneigung gegen Amerika herrsche, während bei uns vielfach die Ansicht ver⸗ breitet ist, daß die Amerikaner von besonders abgünstigen Gesinnungen gegen uns beseelt wären. Woher kommen diese Mißsverständnisse? Ich sage Mißverständnisse, denn nur um Mißverständnisse handelt es sich. Ich glaube, meine Herren, daß man sich in Amerika vielfach ganz im Unklaren ist über die Empfindungen, mit denen die deutsche öffentliche Meinung dem amerikanisch⸗spanischen Kriege gegenüber⸗ gestanden hat. (Sehr richtig!) Die deutsche öffentliche Meinung war nie ungerecht oder blind für die tüchtigen und glänzenden Eigenschaften des amerikanischen Volkes, und sie ist, wenn ich sie nicht ganz falsch beurtheile, frei von jeder Voreingenommenheit gegen das amerikanische Volk. Sie ist, wie der verehrte Herr Abg. Dr. Lieber soeben mit Recht hervorgehoben hat, weit entfernt, den Amerikanern die Früchte und den Lohn ihrer Anstrengungen und Siege zu mißgönnen. Aber die deutsche öffentliche Meinung hat auch dem spanischen Volke, das auf eine lange und ruhmvolle Geschichte zurückblickt — sie hat auch dem tapferen und schwer geprüften spanischen Volke den Ausdruck menschlicher Sympathie nicht verweigert. (Bravo! und Sehr gut! rechts und in der Mitte.) Und dieser Ausdruck menschlicher Sym⸗ pathie würde auch in den Vereinigten Staaten nicht falsch ver⸗ standen worden sein, wenn derselbe nicht, darauf hat nicht ohne Grund Fürst Bismarck angespielt, von gewissen fremden Preßorganen in tendenziöser — und ich nehme gar keinen Anstand zu sagen — hier und da in der perfidesten Weise entstellt worden wäre (Bravo! rechts und in der Mitte), um Mißtrauen gegen uns in Amerika zu erregen, und falsche Vorstellungen über uns in Amerika zu erwecken. (Sehr wahr! rechts und in der Mitte.) — Ich sage, falsche Vorstellungen. Denn weder der Gesammtgang unserer auswärtigen Politik, noch der Gesammtstand unserer Be⸗ ziehungen zu Amerika konnte und durfte dadurch ernstlich alteriert werden. Die Beziehungen zwischen Deutschland und Amerika datieren nicht von gestern. Fürst Bismarck hat soeben daran erinnert, daß es der große Preußenkönig war, der vor allen anderen europäischen Souveränen als Erster die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten anerkannte. Ich möchte diese Reminiscenz dadurch vervollständigen, daß ich daran erinnere, wie es während der schwersten Krisis, welche
die Vereinigten Staaten durchgemacht haben, während des Sezessions⸗
krieges, das deutsche Volk war, das vor allen anderen Nationen nicht mit Worten, sondern durch die That, indem es den Nordstaaten die Mittel vorstreckte für Fortführung des Krieges, seine Zuversicht be⸗ kundete in die Zukunft und Fortdauer der Schöpfung von George Washington. Wir können es ganz ruhig aussprechen, in keinem anderen Lande hat Amerika während des letzten Jahrhunderts besseres Verständniß und gerechtere Anerkennung gefunden als in Deutschland. (Sehr richtig! rechts und in der Mitte.) Die Bande, welche Deutsch⸗ land und Amerika verknüpfen, sind zu mannigfacher Natur, und sie sind in materieller wie in ideeller Beziehung zu werthvoller Natur, als daß sie leichten Herzens preisgegeben werden sollten. Wir sind mit Amerika verbunden durch schwerwiegende politische Interessen, durch den gewaltigen Güteraustausch, auf den ich vorher hin⸗ gewiesen habe. Wir geben uns der Hoffnung hin, daß schon im Hinblick auf die steigende amerikanische Ausfuhr nach Deutschland, die schon weit über ½ Milliarde hinaus gewachsen ist, sich in Amerika die Stimmen mehren werden, die in richtiger Würdigung dieses Verhältnisses und in richtiger Würdigung des Interesses, welches eine ungestörte Fortdauer des Handels⸗ verkehrs zwischen Deutschland und Amerika auch für Amerika hat, darauf hinweisen werden, daß wirthschaftliche Reibungen zwischen dem deutschen und amerikanischen Volke nicht dem richtig verstandenen ökonomischen Interesse des amerikanischen Volkes entsprechen, und daß auch auf wirthschaftlichem Gebiet das Wort gilt: Wenn Du nehmen willst, so gieb! (Bravol rechts und in der Mitte.) Wir sind ferner mit Amerika verbunden durch Millionen deutscher Landsleute, die jenseits des Ozeans eine zweite Heimath gefunden haben, welche dieser Heimath treu anhängen und dabei doch ihr Mutterland nicht vergessen, und
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unter denen sich Männer befinden, auf welche beide Länder gleich stolz sein können, und auch die alten geistigen Beziehungen zwischen Deutsch⸗ land und Amerika möchte ich nicht vergessen, die geistigen Fäden, die seit langem von Deutschland nach Amerika und von dort zu uns herüberführen: den regen und in vieler Beziehung fruchtbaren litera⸗ rischen und wissenschaftlichen Gedankenaustausch. Alle diese Bande wollen wir nicht zerreißen lassen, und werden wir, soweit an uns liegt, nicht zerreißen lassen. Die deutsche Politik wird die gerade Straße, welche ihr das nationale Interesse und die nationale Würde vorzeichnen, auch in Zukunft verfolgen, ohne Provokation und ohne Schwäche. (Bravo!)
Der Herr Vorredner hat soeben an die Einmüthigkeit dieses hohen Hauses appelliert. Ich bin gewiß, daß ich mich in Ueberein⸗ stimmung mit dem ganzen Hause befinde, wenn ich der Hoffnung und dem Wunsche Ausdruck gebe, daß auf der Basis voller Reziprozität, gegenseitigen Entgegenkommens und gegenseitiger Achtung, daß im Zeichen jener Gerechtigkeit und Billigkeit, welche die Voraussetzung und Grundbedingung sind für ein richtiges Verhältniß zwischen zwei großen und selbstbewußten Völkern, die Beziehungen zwischen dem deutschen Volke und dem amerikanischen Volke immer ruhige,
sichere und freundschaftliche sein mögen. (Allseitiges lebhaftes Bravo.) 6
Abg. Freiherr Heyl zu Herrnsheim (nl.): Wir geben dem Vertrauen gegenüber der Reichsregierung in ihrer jetzigen Zusammen⸗ setzung Ausdruck, daß sie mit der gebotenen Energie die deutschen Interessen wahren wird. Der Abg. Fürst Bismarck hat angeregt,
man solle die Verhandlungen nicht stören. Schon bei der Inter-. pellation von 1897 haben die Interpellanten erklärt, daß allzugroße Nachgiebigkeit gegen Amerika durch einseitige Zugeständnisse nicht die Förderung des Exports oder die Herbeiführung der Einigung bewirken würde. Die Verhandlungen mit Amerika werden schon seit fünf Jahren geführt und zwar ohne jeden Erfolg. Wenn der Staatssekretär auf Klarheit und Offenheit als die beste Medizin hinwies, so glaube ich, die
Grundsätze des Fürsten Bismarck in handelspolitischen Fragen haben zu seinen großen Erfolgen gegenüber Amerika beigetragen, und mit
der Politik der Nachgiebigkeit hat sich das Blatt in der That ge-
wendet. Die jetzige Regierung ist ja von dieser Politik vollständig
freizusprechen. Es ist jetzt ein Fleischschaugesetz in Aussicht. Aber 1
es heißt den amerikanischen Kaufmann unterschätzen, menn man mit kleinen Chikanen hervorragend tüchtige Kaufleute durch kleine Nadel⸗ stiche zu schädigen sucht; damit gleicht man die großen, früher ge⸗ machten Fehler nicht aus, und, wie schon mehrfach thatsächlich er⸗ wiesen ist, erreicht man damit nichts als Mißstimmungen auf beiden Seiten; ich erinnere nur an die Frage der Versicherungsgesell⸗ schaften. Amerika erkennt offenbar den Vertrag von 1828 nicht mehr
an. Das Saratoga⸗Abkommen hat mit der Klarstellung der Trag⸗
weite der Meistbegünstigung gar keinen Zusammenhang. Es entstand wegen des Einfuhrverbots p
während der Verhandlungen darüber wurden, entgegen den Bestim⸗ mungen des Vertrages von 1828, den Amerikanern die Begünstigungen au
dem österreichischen Handelsvertrage ohne Entgelt v. e.9 Se
dieser Abmachung ist uns Schlag auf Schlag versetzt worden. Im Juli läuft das Provisorium mit England ab. 1
werden dann mit den englischen Kolonien außer Verbin⸗ dung kommen und wir werden dann auch schließlich keinen autonomen Maximaltarjif zur Verfügung haben. Frankreich und die Schweiz haben durch ihre Maximaltarife erreicht, daß sie Handelsverträge abschließen konnten, Frankreich mit Amerika und Spanien, während wir trotz des Zollkrieges mit Spanien nichts erreichen konnten. Ich bin der Meinung, daß die Verhandlungen mit Amerika auf Grund des Abschnitts 4 des Dingley⸗Tarifs geführt werden müssen. Seit 1894 ist der Meistbegünstigungsvertrag zwischen Deutschland und Amerika aufgehoben, er wird nicht gehandhabt. Die Unterbilanz Deutschlands gegenüber Amerika hat sich um 326 verschlechtert, hauptsächlich wegen des Rückganges der Ausfuh
nach Amerika, und zwar sind in manchen Artikeln die fuhrmengen um 50 bis 60 v. H. zurückgegangen. Ich bin auch kein Anhänger des Zollkriegg. Wenn wir den Vertrag von 1828 als aufgehoben ansehen, dann sind wir Herren unserer Gesetzgebung im
eigenen Lande. Bezüglich des Petroleums sind wir glücklich bei dem
Monopol des Herrn Rockefeller angelangt. Wenn man bedenkt, daß die Monopolinhaber einen Reingewinn von 30 bis 40 Millionen machen, die hauptsächlich von den kleinen Leuten getragen werde
müssen, so ist das nicht ohne Bedeutung. Wenn der Vertrag
von 1828 als aufgehoben gilt, so hindert uns nichts, das
Petroleum gegenüber Amerika zu differenzieren zu Gunsten des russischen Petroleums. Dem jetzt seit fünf Jahren bestehenden Zustande muß ein Ende gemacht werden; man kann ihn nicht länger bestehen lassen, nachdem Deutschland sich äußerst maßvoll verhalten hat. Die Arbeiter haben ein ganz hervorragendes Interesse an de
Herbeiführung fester Verhältnisse; das hat Herr Schippel in Stutt⸗ gart auf dem Parteitage der Sozialdemokratie anerkannt. Wenn in
irgend einer Füre⸗ die Interessen der Landwirthschaft und der In- dustrie gemeinsame waren, so ist es bei dieser Interpellation. Ich
hoffe, daß die Regierung energisch die Interessen beider Erwerbs⸗ zweige schützen wird, und das beste Mittel sehe ich in der Aufstellung eines Maximaltarifs. Abg. Richter (fr. Volksp.): Die politischen Ausführungen des Staatssekretärs haben unseren vollen Beifall. Die deutschen und amerikanischen Interessen kreuzen sich in keinem Punkte. Er hat die Stimmung in Deutschland und in Amerika durchaus richtig geschildert. Wir haben uns gewundert, wie es überhaupt möglich war, die deutsche Regierung gegenüber den Amerikanern so zu verdächtigen. Wir haben trotz aller Aufmerksamkeit nichts gefunden, was die Verdächtigungen hätte rechtfertigen können. Diese Angriffe machten von vornherein den Eindruck, daß sie unbegründet sind. Wir können nur wünschen, daß die Ausführungen des Staatssekretärs jenseits des großen Wassers das Verständniß und die Bedeutung finden werden, die sie ver⸗ dienen. Das Interesse, den Stand der Verhandlungen zu kennen, ist lebhaft. Das hat mich bewogen, bei der ersten Berathung des Etats eine Frage zu stellen, die auch in allgemeinen Umrissen beantwortet ist. Ich entnehme daraus, daß zur Zeit eine weitere Fragestellung wenig Zweck hat. Die heutige Antwort enthält auch wenig mehr als das, was wir schon wußten. Ich konstatiere mit Genug thuung, daß der Staatssekretär im Gegensatz zum Grafen Kanitz an dem Vertrag von 1828 festhält. Der Vertrag ist nur mit Preußen geschlossen. Aber viele preußische Verträge sind nachher auf den Zollverein übertragen worden. Ich konstatiere dies mit um so größerer Genugthuung, weil sonst unsere Beziehungen zu Amerika vollständig ins Unsichere gestellt würden. Mit der Regierung bin ich der Meinung, daß die Vorenthaltung der Vergün⸗ stigungen, die Frankreich gewährt sind, nicht mit diesem Vertrage übereinstimmt. Man solle die Sache freilich nicht überschätzen, wei die Artikel, auf welche sie sich beziehen, für Deutschland nicht be⸗ sonderes Interesse haben. Daß man mit dem Vertrage von 1828 nichts erreicht habe, wie Herr von Heyl behauptet, ist durchaus un⸗
1114143“
richtig. Die Behandlung des Zuckers ist eine alte Streitfrage. Aus
dem Vertrage folgt nicht die Aufhebung der Zuschlagszölle; dafür berufe ich mich auf den Reichslanzler Fürsten Bismarck. Die letzten Verhandlungen haben bezüglich des Zuckers zur Abstellung berechtigter Beschwerden geführt. Bezüglich der Legalisierung der Ursprungszeugnisse hat die Regierung eine Antwort nicht gegeben. Auch die Werthdeklaration ist nicht klargestellt; in der Presse hat aber verlautet, daß in Amerika eine Abhilfe zugesichert sei. Bezüglich der amerikanischen Versichev⸗- rungsgesellschaft ist von der preußischen Regierung zu bureaukratisch verfahren worden; das gehört aber in den preußischen Landtag.
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
ür amerikanisches Schweinefleisch, und
Berrlin, Montag, den 13. Februar
nzeiger und Königlich Preußis
8
chen
1899.
err von Heyl hat ein Schreckensbild von den vertragslosen Zeiten ent⸗ die uns bevorstehen. Bezüglich Englands denke ich, werden wir zur Verlängerung des Provisoriums kommen. Die Zahlen, welche Graf Kanitz und andere Herren angeführt haben, beweisen nichts; denn die Steigerung der Einfuhr hat immer stattgesunden vor dem Inkrafttreten höherer Einfuhrzölle. Graf Kanitz hat sich als ein Freund der Industrie hingestellt, aber es ist ihm die Wendung entschlüpft, daß man den Kupferzoll gegenüber Amerika erhöhen kann. Dabei hat er wenig Rücksicht auf die Industrie genommen. Graf Kanitz macht den Amerikanern zum Vorwurf, was er selbst predigt. Was die Amerikaner thun, ist Geist von Ihrem Geist (nach rechts deutend). Die Auf⸗ rechterhaltung der amerikanischen Zölle durch Kompromisse ist das, was man in Deutschland Sammelpolitik nennt. Die Amerikaner müssen zu der Erkenntniß kommen, daß die Schutzzollpolitik sie selbst schädigt. Diese Einsicht bricht sich schon Bahn in dem Wilson⸗Tarif. Die Wechsel gehen in Amerika schneller vor sich als bei uns. Die Hamburger Handelskammer hat mit Recht gesagt, daß man die Sache nur ohne Animosität behandeln möge. Animosität war hüben und drüben. Daß nicht die Konsumenten, sondern die Kon⸗ kurrenten auf die Gesundheitsgefährlichkeit der Einfuhr aufmerksam
gemacht haben, erweckt den Anschein, daß lediglich das Konkurrenz⸗
interesse bei allen Maßregeln maßgebend ist. Die bestehenden Ver⸗ tragsverhältnisse sind nicht geeignet, sichere und dauernde Verhältnisse zu begründen. Meistbegünstigungsverträge reichen nicht aus, wir müssen zu Tarifperträgen kommen und die handelspolitischen Verhält⸗ nisse so konsolidieren, wie es den Beziehungen beider Reiche entspricht.
Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:
Meine Herren! Der Herr Graf von Kanitz hat eine Anzah Zahlen über unseren Waarenaustausch mit den Vereinigten Staaten von Amerika angeführt. Der Herr Abg. Richter ist auf diese Zahlen zurückgekommen und hat geglaubt, sie zum theil entkräften zu müssen. Bei der Wichtigkeit, welche in dieser ganzen Frage unserer bandels⸗ politischen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von Amerika die Thatsachen haben, halte ich es für nützlich, einige authentische Angaben zu machen aus der Entwickelung der Handelsbilanz von Amerika über⸗ haupt, einschließlich des Jahres 1898, und insbesondere aus der Entwickelung der Handelsbilanz zwischen Amerika und Deutschland. Ich will hierbei vorausschicken: ich gebe diese Zahlen, um in einer Beziehung keinen Irrthum aufkommen zu lassen — es ist selbstverständlich, daß ein Staat wie Amerika, der sich so kolossal ent⸗ wickelt hat, dessen Bevölkerung so wesentlich zugenommen hat, auch auf industriellem Gebiet eine steigende Expansivkraft ausübt. Wenn man also diese Zahlen kritisch betrachtet, darf man nicht die ganze Entwickelung allein auf die Zollgesetzgebung Amerikas schieben (sehr richtig!) und auf die Auslegung der Verträge, sondern einen Theil dieser Entwickelung muß man, wenn man vollkommen gerecht sein will, auch auf die natürliche Erschließung der Produktionskraft eines so großen Staats schieben. (Sehr richtig!) Meine Herren, ich gestatte mir also zunächst zu bemerken, daß im Kalenderjahre 1890 die Ver⸗ einigten Staaten von Amerika einen Gesammtaußenhandel in Einfuhr und Ausfuhr von 1670 Millionen Dollars hatten, und daß dieser Gesammthandel im Jahre 1898 auf 1889 Millionen Dollars ge⸗ stiegen ist. Während der Ueberschuß der Ausfuhr des Gesammthandels von Nord⸗Amerika über die Einsuhr im Kalenderjahre 1890 nur 40 Millionen Dollars betrug, stieg er 1898 auf 621 Millionen. (Hört! hört!.) Meine Herren, wir sehen in Amerika in den letzten sieben bis acht Jahren, allerdings auch, wie ich meine, infolge des streng durchgeführten Schutzzollsystems, ein fortgesetztes Sinken der Einfuhr, ein fortgesetztes Steigen der Ausfuhr und infolge dessen eine fortgesetzt aktivere Handelsbilanz. Vom Jahre 1895 bis 1898 sank infolge dieser Bewegung die Einfuhr Amerikas um 21 %, während die Ausfuhr um 52 % stieg. Der Ueberschuß aber der Ausfuhr über die Einfuhr stieg in dem gleichen Zeitraum um die Kleinigkeit von 2600 %. (Hört! hört!) Dadurch ist Amerika dahin gekommen, daß seine Ausfuhr jetzt ungefähr doppelt so groß ist wie seine Einfuhr, und daß es für seine Ausfuhr den riesenhaften Werth von 1 ¼ Millarde Dollars liquidieren kann.
Dabei vollzieht sich in Amerika — und wenn man die Dinge richtig ansehen will, muß ich darauf hinweisen — ein ganz eigen⸗ thümlicher Vorgang, der auch mit der natürlichen Entwickelung des Landes zusammenhängt, d. h. der fortgesetzte Rückgang der Ausfuhr von Landwirthschaftsprodukten und die fortgesetzte Steigerung der Ausfuhr von Fabrikaten. (Sehr richtig!) Während im Jahre 1890 die landwirthschaftliche Ausfuhr Amerikas noch 74,51 % seiner Aus⸗ fuhr betrug und die Ausfuhr industrieller Produkte nur 17,87 %, sank die Ausfuhr an landwirthschaftlichen Produkten im Jahre 1897 auf 66,23 %, während der Prozentsatz der Fabrikate auf 26,87 % stieg. (Hört, hört!) Für das Kalenderjahr 1898 habe ich leider nur die Werthzahlen zur Verfügung. Der Werth der Ausfuhr an landwirthschaftlichen Produkten betrug im Jahre 1898 64,8 % der gesammten Ausfuhr, während der Werth der übrigen Ausfuhr, die selbstverständlich überwiegend in Fabrikaten bestand, sich auf 35,2 % belief — also ein sichtbares Fortschreiten Amerikas von einem reinen Agrikulturstaat zu einem Industriestaat, eine Entwickelung, die, soweit landwirthschaftliche Interessen in Fragen kommen, für uns viel⸗ leicht eine willkommene sein kann. Allerdings hat diese Erscheinung auch eine Rückseite, indem die Einfuhr von Fabrikaten nach Amerika aus allen Staaten erheblich zurückgeht.
So sank beispielsweise der Werth der amerikanischen Einfuhr an Baumwollenwaaren von 1893 bis 1898 um 6 Millionen Dollars, die Einfuhr von Glaswaaren, Porzellan u. s. w. um 7 Millonen, von Eisen, Stahl und Stahlwaaren um 22 Millionen, von Metallwaaren um 23 Millionen und von Seidenwaaren um 15 Millionen.
Deutschland ist für die Handelsbeziehungen Amerikas nächst England das wichtigste Land. Deshalb zeigen sich die Erscheinungen, die in dem allgemeinen Waarenaustausch Amerikas von mir charakterisiert sind, auch in dem Verhältniß des Waarenaustausches zwischen Amerika und Dentschland. Im Fiskaljahr 1893 betrug die Einfuhr der Vereinigten Staaten aus Deutschland noch 99 Millionen Dollars; sie war dann im Jahre 1896 94 Mil⸗ lionen und im Jahre 1897 111 Millionen Dollars infolge der be⸗
kannten Zuckerverhältnisse, ist aber allerdings im Fiskaljahr 1898 auf 70 Millionen Dollars zurückgegangen. Dagegen ist die Ausfnhr der Vereinigten Staaten nach Deutschland, die im Jahre 1890 86 Millionen betrug, im Fiskaljahr 1898 auf 155 Millionen Dollars gestiegen.
Meine Herren, daraus folgt, daß, während wir im Jahre 1890 noch einen Ueberschuß der Ausfuhr nach Amerika oder vielmehr Amerika einen Ueberschuß der Einfuhr aus Deutschland von etwa 13 Millionen hatte, jetzt der Ueberschuß der Ausfuhr Amerikas nach Deutschland sich auf 85 Millionen Dollars beläuft.
Allerdings haben sich ähnliche Verhältnisse, wie sie sich zwischen Deutschland und Amerika entwickelt haben, auch im Verhältniß Amerikas zu anderen Staaten herausgebildet. So hat sich beispiels⸗ weise der Ausfuhrüberschuß Oesterreich⸗Ungarns nach Amerika, der im Jahre 1896/97 noch 4 Millionen betrug, Amerika gegenüber in eine Passivbilanz von 1 Million Dollars ver⸗ wandelt. Belgien hatte im Jahr 1896/97 nur einen Ueberschuß der Einfuhr aus Amerika von 19 Millionen Dollars, im Jahre 1897/98 dagegen von 39 Millionen Dollars, England im Jahre 1896/97 einen amerikanischen Einfuhrüberschuß von nur 315 Millionen Dollars, im Jahre 1897/98, von 432 Millionen. Aehnlich liegt es in Frankreich und den Niederlanden, die jetzt einen amerikanischen Einfuhrüberschuß von 41 bezw. 51 Millionen Dollars haben.
Wir sehen also, daß die Verschiebung in der Handelsbilanz zwischen Amerika und Deutschland sich ähnlich in anderen Ländern wiederholt. Allerdings kann man sagen, daß sich das Verhältniß für Deutschland jetzt noch ungünstiger gestaltet hat als für England, weil nach England überwiegend eingeführt sind Zerealien, Baum⸗ wolle, werthvolle Stoffe für die Fabrikation und den Zwischen⸗ handel, während Amerika bereits anfängt, in Deutschland in nicht unerheblichem Maße mit Industrieprodukten zu kon⸗ kurrieren. Besonders leidend ist in diesen Beziehungen — und darüber geben auch die Erhebungen der Produktions⸗ statistik, die im Reichsamt des Innern angestellt werden, lehrreiche Nachweise — die Textilindustrie, die immer mehr ihren Markt in Amerika verliert, die Industrie der Schuhwaaren, die Eisen⸗ und Stahlindustrie — bekanntlich hat die amerikanische Eisen⸗ und Stahl⸗ industrie schon und zum theil erfolgreich den Versuch gemacht, mit ihren Produkten auf deutschen Märkten zu konkurieren — und nament⸗ lich die Fahrradindustrie. In den ersten 8 Monaten des letzten Fiskal⸗ jahrs 1897/98 ist des gesammten amerikanischen Erports an Fahr⸗ rädern nach Deutschland ausgeführt worden, und das liegt einfach daran: daß in Amerika bekanntlich im Jahre 1895 die große Katastrophe in der Fahrradindustrie eintrat; Amerika hatte 500 Fahrradfabrikanten, infolge dessen mußte man diesen Ueberschuß à tout prix exportieren, und man konnte das machen, weil man in Amerika durch die hohen Zölle in der Lage war, die Preise im In⸗ lande hochzuhalten und infolge dessen erheblich billiger nach dem Aus⸗ lande zu exportieren. (Lebhafter Widerspruch links.) Bitte, meine Herren, vergleichen Sie im prozentualen Maßstabe unsere Zölle gerade auf dem Gebiet der Fahrradindustrie mit den Zöllen anderer Staaten, speziell Amerikas (sehr richtig! rechts), ich glaube, dann können Sie diesen Einwand nicht mit Recht erheben.
Nun stehen wir nach wie vor auf dem Standpunkt, daß die Grundlage des Vertragsverhältnisses zwischen uns und Amerika der mit Preußen abgeschlossene Vertrag von 1828 ist; ähnliche Ver⸗ träge sind von Amerika auch mit den anderen Seeuferstaaten ab⸗ geschlossen worden. Ich halte die Frage vorläufig nicht für geeignet, darauf einzugehen, inwieweit man gegen die Fortdauer dieser Verträge gegenüber dem Reich mit Recht irgendvelche staatsrechtlichen Bedenken erheben kann. Denn wir sind der Ansicht, daß die Verträge mit den Seeuferstaaten noch zu Recht bestehen; die amerikanische Einfuhr geht aber über die Zollstellen der Seeuferstaaten ein. Insbesondere auf Grund des Ver⸗ trages von 1828 mit Preußen halten wir prinzipiell daran fest, daß uns die unbeschränkte Meistbegünstigung in Amerika zusteht. In Amerika selbst ist man in Beziehung der Bedeutung der Meist⸗
begünstigungsklausel früher anderer Ansicht gewesen. Es liegt hierüber z. B. ein recht interessantes Schriftstück vor, ein Zirkular⸗ schreiben des Schatzsekretärs der Vereinigten Staaten vom 5. August 1844. Durch einen Akt des amerikanischen Kongresses im Jahre 1842 Sektion 8 § 5 waren österreichische Weine in Flaschen in Amerika höher tarifiert worden als die siilianischen Weine in Flaschen. Dagegen erhob die österreichische Regierung Einspruch. In jenem mir hier allerdings nur im Druck vorliegenden Zirkularerlaß des amerikanischen Schatzsekretärs wird darauf ausgeführt, daß diese Forderung Amerikas, den österreichischen Flaschenwein höher zu tarifieren als den sizilianischen, dem § 5 des Handelsvertrages nicht entspreche, der zwischen Oesterreich und den Vereinigten Staaten am 27. August 1829 abgeschlossen sei. Das Rundschreiben fährt fort: „Die vertragsmäßigen Abmachungen müssen mit der größten Treue ausgeführt werden. (Hört, hört!)
Die politische Loyalität der Vereinigten Staaten steht über jeder Geldfrage und über jedem Priiiklkl. Der Kongreß der Vereinigten Staaten, als er den Akt von 1842
annahm,
— das ist der Akt, über den sich Oesterreich beschwert fühlte, — hat ausdrücklich erklärt, daß keine Interpretation beliebt werden solle und keine Anwendung dieses Aktes stattfinden dürfe, welche geeignet wäre, die vertragsmäßigen Abmachungen, die mit fremden Staaten existieren, irgend wie zu verschieben.“
Nun, meine Herren, ist es interessant, daß dieser § 5 des im Jahre 1829 von der österreichischen Regierung mit den Vereinigten Staaten abgeschlossenen Handelsvertrages wörtlich übereinstimmt
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mit dem § 5 des zwischen Preußen und den Vereinigten Staaten im
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Jahre 1828 abgeschlossenen Handelsvertrages, und daß der öster⸗ reichische Handelsvertrag einen § 9 hat, der wörtlich überein⸗ stimmt mit dem § 9 des preußischen Vertrages mit Amerika. Die §§ 5 und 9 der beiden Verträge definieren aber die gegen⸗ seitige Meistbegünstigung. Hier ist also in einem amtlichen Aktenstück anerkannt, daß eine Differenzierung österreichischer Pro⸗ dukte gegenüber irgend einem anderen Staate auf Grund d 1 § 5 des Vertrages zwischen Oesterreich und den Vereinigt
Staaten nicht für zulässig zu erachten ist. Da aber beide Verträge in ihrem Wortlaut über die Meistbegünstigung identisch sind, glaube ich allerdings, daß die verbündeten Regierungen in ihrem Rechte sind, wenn sie grundsätzlich daran festhalten, daß auch deutsche Produkte gegenüber Amerika die allgemeine Meistbegünstigung besitze
(Sehr richtig! rechts.) Meine Herren, ich glaube, man würde zu weit
gehen, und ich glaube, man geht thatsächlich auch in der öffentlichen Meinung zu weit — ich habe das schon im Anfange meiner Ausführungen angedeutet —, wenn man die Verschiebungen, die in den Handelsverhält⸗ nissen, in dem Waarenaustausch zwischen Amerika und den europäischen Staaten eingetreten sind, lediglich auf die Schutzzollgesetzgebung
Amerikas schiebt. Ich bin der Ansicht: es ist zum theil die Folge 8
einer natürlichen Entwickelung, des Uebergangs eines reinen Agrikultur⸗ staats in einen zum theil industriellen Staat. Aber ich bin au
ferner der Ansicht, daß immerhin auf den Waarenaustausch zwischen den mitteleuropäischen Staaten und Amerika und besonders den Waarenaustausch zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten die Schutzzollgesetzgebung Amerikas einen nicht unwesentlichen Einfluß geübt hat. Thatsache ist, daß sich auch im letzten Jahre 1898 die Handelsbilanz zwischen uns und Amerika weiter verschlechte
hat. Die Ausfuhr Amerikas nach Deutschland hat im Jahre 1898 nach einer vorläufigen Feststellung, die ich habe anstellen lassen, und zwar der Art, daß ich die Waarenmengen des Jahres 1898 multipliziert habe mit den Einheitswerthen für 1897, weil die Einheitswerthe für 1898 noch nicht feststehen, die Höhe von 852 ½ Millionen erreicht (hört, hört!), während der Werth der Ein⸗ fuhr aus Deutschland nach Amerika auf 344 Millionen gesunken ist. (Hört, hört!) Wir würden uns also gegenüber Amerika in einer Unterbilanz von 508 ½ Millionen befinden. Meine Herren, ich Uesas8 das Bestreben der verbündeten Regierungen ist hiernach gerechtfertig — und wird als solches auch von der Regierung der Vereinigten Staaten anerkannt werden — eine paritätische Handhabung des
für uns zu Recht bestehenden Vertrages von 1828 zu erlangen. (Leb⸗
hafter Beifall.) Abg. Dr. Roesicke⸗Kaiserslautern (b. k. F.): Wir wollen gleiches Maß für Alle, für Handel, Industrie und Landwirthschaft. olitik und Wirthschaft muß dabei auseinandergehalten werden. 8n wirthschaftlichen Fragen steht Deutschland Amerika gegen⸗ über auf einem ungünstigen Boden, und zwar hauptsächlich zum Schaden der deutschen Vndustrie. Es beginnt schon das B streben, daß die deutsche Industrie nach Amerika auswander dadurch verlieren unsere deutschen Arbeiter ihre Arbeit. Haben wir in Amexika die Meistbegünstigung? Fran reich hat Konzessionen erreicht durch differentielle Zölle. Wir werde differentiell behandelt bezüglich des Zuckers. Die Zöͤlle werden nicht nach dem Weltmarkiswerth der Wazren entrichtet, sondern nach dem Marktwerth des Ortes unter Zuschlag der dort zu erhebenden Steuern. Die Meistbegünstigung ist nicht nur verletzt durch den Zuschlagszoll auf Zucker, sondern schon durch den Werthzoll auf
Zucker. Es müßte also der Meistbegünstigungsvertrag als verletzt
elten, und wir müßten unsern Generaltarif in Kraft setze
Amerika gegenüber. Selbst das „Berliner Tageblatt“ hat strenge Maßregeln Amerika gegenüber verlangt. Proteste genügen Amerika gegenüber nicht. Wir müßten aus dem Vorgehen Frankreichs lernen, welches sich die Kampfmittel durch Erhöhung der Zollsätze erst wäh⸗ rend der Verhandlungen geschaffen hat. Der Protest sollte von Hand⸗ lungen begleitet sein, namentlich von der Anwendung des Genera
tarifs. Ich wünsche, daß die Arbeiten werden. Wir haben da
Vertrauen, daß die verbündeten Regierungen ihre Zusage, die sie heute hier gegeben haben, erfüllen werden, im Interesse der Industrie und Arbeiter und im Interesse der Landwirthschaft und des
Mittelstandes. 8 Um 5 ¼ Uhr wird ein Schlußantrag abgelehnt.
Abg. Münch⸗Ferber 92 weist auf die Art der Behandlun hin, welche namentlich die Textilindustrie in Amerika erfahre, die m fast einem Drittel ihrer Produktion an dem Export dorthin b. theiligt sei, und fährt dann fort: Diese Behandlung hat geradez eine Erbitterung hervorgerufen, weil die Klagen der Textilindustr bei der deutschen Regierung gar keine Beachtung finden. Die Protection Union herrscht unumschränkt, und die Konsuln, welche in dem kleinsten Industriestädtchen Deutschlands sitzen, stehen in ihrem Dienste. B der Deklaration müssen die Kosten von Kette und Schuß, de Webelohn, der Färbelohn, die Generalkosten und auch noch der
Geschäftsgewinn genau angegeben werden. Alle diese Angaben dienen 88 lediglich zur Information der amerikanischen Produzenten. Die
Konsuln drohen ganz offen, daß sie keine deutschen Waaren meh
nach Amerika einlassen werden. Beim Streitfall entscheidet das
Schiedsgericht, welches sich um die Beglaubigung der Waaren⸗ preise seitens deutscher Sachverständiger nicht gekümmert, sondern die Preise willkürlich höher gesetzt hat. Deutsche Waaren werden absichtlich höher angesetzt als die französischen. Redne
führt mehrere Fälle von Willkürlichkeiten der appraisers a
bezüglich der Texkilwaaren, denen gegenüber die deutschen Importeure machtlos seien, so daß die Fabrikanten anfingen, zum Schaden de
Arbeiter, ihre Fabriken nach Amerika zu verlegen. Die Furcht vor dem amerikanischen Zollamt, führt er weiter aus, ist bei dem ameri⸗ kanischen Kaufmann so groß, daß er gar keine deutschen Waaren mehr kauft. Das amerikanische Zollamt ist die modernste Folterkamme
Es vergeht kein Tag, wo nicht die vellow press die gehässigsten Dinge gegen die Deutschen in die Welt setzte. Aller Widerspruch dagegen verhallt vollständig wirkungslos. Es wird sicher ganz segensreich wirken, daß der Staatssekretär hier von dieser Stelle aus seine Ansicht ausgesprochen hat. Die Textilindustrie ist der An⸗ sicht, daß der Export an der Höhe des Zolls nicht scheitert, daß abe
die Chikanierung bei der Zollerhebung geradezu einem Einfuhrverbot
gleichkommt. Es sollte dahin gewirkt werden, daß die Konsular beamten ihre behördlichen Funktionen nicht im weiteren Umfange aus⸗ üben, als nach den Gesetzen zugelassen ist. Die Werthfeststellung der Konsularbeamten sollte ferner unanfechtbar sein. Durch solche Maß⸗ regeln würde sich die Regierung um die Textilindustrie und deren Arbeiter ein großes Verdienst erwerben. 1b 2 Abg. Broeme)] (fr. Vgg.): Die Herren, die sich jetzt über Amerik beschweren, sind für Deutschland die Lobredner desselben Systems. Graf Kanitz hat darüber geklagt, daß die Hamburger Handelskammer
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