1899 / 51 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 28 Feb 1899 18:00:01 GMT) scan diff

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vor Ankunft des Arztes erforderlichen Verbandmittel und Arzneien nach den Anordnungen der bauleitenden Bebörde bereit zu halten. Die banleitenden Beamten sind berechtigt, die ordnungsmäßige Aus⸗ führung dieser Anordnungen zu überwachen.

Für die Bewachung seiner Gerüste, Werkzeuge, Geräthe ꝛc. sowie seiner auf der Baustelle lagernden Materialien Sorge zu tragen, ist lediglich Sache des Unternehmers.

Mitbenutzung von Rüstungen.

Die von dem Unternehmer hergestellten Rüstungen sind während ihres Bestehens auch anderen Bauhandwerkern unentgeltlich zur Be⸗ nutzung zu überlassen. Aenderungen an den Rüstungen im Interesse der b quemeren Benutzung seitens der übrigen Bauhandwerker vorzu⸗ nehmen, ist der Unternehmer nicht verpflichtet.

§ 11. Beobachtung polizeilicher Vorschriften. Haftung des Unternehmers für seine Angestellten ec.

Für die Befolgung der für Bauausführungen bestehenden polizei⸗ lichen Vorschriften und der etwa besonders ergehbenden polizeilichen Anordnungen ist der Unternehmer für den ganzen Umfang seiner ver⸗ tragsmäßigen Verpflichtungen verantwortlich. Kosten, welche ihm dadurch erwachsen, tönnen der Staatskasse gegenüber nicht in Rechnung gestellt werden.

Der Unternehmer trägt insbesondere die Verantwortung für die gehörige Stärke und sonstige Tüchtigkeit der Rüstungen, Trans port⸗ brücken ꝛc. Dieser Verantwortung unbeschadet, ist er aber auch ver⸗ pflichtet, eine von dem bauleitenden Beamten angeordnete Ergänzung und Verstärkung der Rüstungen, Transportbrücken ꝛc. unverzüglich und auf eigene Kosten zu bewirken.

ür alle Ansvrüche, die wegen einer ihm selbst oder seinen Be⸗ vollmächtigten, Gehilfen oder Arbeitern zur Last fallenden Vernach⸗ lässigung polizeilicher Vorschriften an die Verwaltung erhoben werden, hat der Unternehmer in jeder Hinsicht aufzukommen.

Ueberhaupt haftet er in Ausführung des Vertrags für alle Handlungen seiner Bevollmächtigten, Gehilfen und Arbeiter persönlich.

r hat insbesondere jeden Schaden an Person oder Eigenthum zu vertreten, welcher durch ihn oder seine Organe Dritten oder der Staatskasse zugefügt wird.

Krankenversicherung der Arbeiter.

Der Unternehmer ist verpflichtet, unter Beachtung der Vor⸗ schriften des Krankenversicherungsgesetzes vom 15. Juni 1883/10. April 1892 (R.⸗G.⸗Bl. 1892 S. 477 ff.) die Versicherung der von ihm bei der Bauausführung beschäftigten Personen gegen Krankheit zu bewirken.

Auf Verlangen der bauleitenden Behörde hat der Unternehmer gegen Bestellung ausreichender Sicherheit eine den Vorschriften der §8§ 69 bis 72 des Krankenversicherungsgesetzes unterliegende Bau⸗ Krankenkasse entweder für seine versicherungspflichtigen Arbeiter und Angestellten allein oder mit anderen Unternebmern, welcen die Ausführung von Arbeiten auf eigene Rechnung über⸗ tragen wird, gemeinsam zu errichten. Eine für den ständigen Betrieb des Unternehmers bereits bestehende Betriebs⸗Krankenkasse kann unter den in § 70 des Krankenversicherungsgesetzes vorgesehenen Bedingungen für das von dem Unternehmer bei der staatlichen Bau⸗ ausführung verwendete Personal als Bau⸗Krankenkasse anerkannt werden.

Errichtet die bauleitende Behörde selbst eine Bau⸗Krankenkasse, so gehören die von dem Unternehmer bei der Bauausführung beschäftigten versicherungepflichtigen Personen mit dem Tage des Eintritts in die Beschäftigung der Bau⸗Krankenkasse als Mitglieder an. Befreit von dieser Zugehörigkeit sind nur diejenigen Personen, welche einer gemäß Absatz 6 als Bau⸗Krankenkasse anerkannten Krankenkasse oder einer den Anforderungen des § 75 des Krankenve sicherungsgesetzes ent⸗ sprechenden Hilfskasse als Mitglieder angebören. Der Unternehmer erkennt das Statut der von der bauleitenden Behörde errichteten Bau⸗Krankenkasse als für ihn verbindlich an. Zu den Kosten der Rechnungs⸗ und Kassenführung hat er auf Verlangen der bauleitenden Behörde einen von dieser antheilig festzusetzenden Beitrag zu leisten.

Unterläßt es der Unternehmer, die Krankenver sicherung der von ihm beschäftigten versicherungspflichtigen Personen zu bewirken, so ist er verpflichtet, alle Aufwendungen zu erstatten, welche etwa der bau⸗ leitenden Behörde hinsichtlich der von ihm beschäftigten Personen durch Erfüllung der aus dem Krankenversicherungsgesetze sich ergebenden Verpflichtungen erwachsen. 16

Etwaige in diesem Falle von der Bau⸗Krankenkasse statutenmäßig Unterstützungen sind von dem Unternehmer gleichfalls zu ersetzen.

62 Unternehmer erklärt hiermit ausdrücklich die von ihm ge⸗ stellte Kaution auch für die Erfüllung der sämmtlichen vorstehend bezeichneten Verpflichtungen in Bezug auf die Krankenversicherung baftbar.

§ I1a.

Haftpflicht des Unternehmers bei Eingriffen desselben in die Rechte Dritter.

Für Beschädigungen angrenzender Ländereien, insbesondere durch Entnahme, durch Auflagerung von Erd⸗ und anderen Materialien außerhalb der schriftlich dazu angewiesenen Flächen oder durch un⸗ befugtes Betreten, ingleichen für die Folgen eigenmächtiger Ver⸗ sperrungen von Wegen und Wasserläufen baftet ausschließlich der Unternehmer, mögen diese Handlungen von ihm oder von seinem Be⸗ vollmächtigten, Gehilfen oder Arbeitern vorgenommen sein.

Für den Fall einer solchen widerrechtlichen und nach rflichtmäßiger Ueberzeugung der Verwaltung dem Unternehmer zur Last fallenden Beschädiaung erklärt sich derselbe damit einverstanden, daß die bau⸗ leitende Behörde auf Verlangen des Beschädigten durch einen nach Anbörung des Unternehmers von ihr zu wählenden Sachverständigen auf seine Kosten den Betrag des Schadens ermittelt und für seine Rechnung an den Beschädigten auezahlt, im Falle eines rechtlichen Bahluno inen e, aber hinterlegt, sofern die Zahlung oder Hinter⸗ egung mit der Maßgabe erfolgt, daß dem Unternehmer die Rück⸗ forderung für den Fall vorbebalten bleibt, daß auf seine gerichtliche Klage dem Beschädigten der Ersatzanspruch ganz oder theilweise ab⸗ erkannt werden sollte.

§ 12.

Aufmessungen während des Baues und Abnahme.

Der baulettende Beamte ist berechtigt, zu verlangen, daß über alle später nicht mehr nachzumessenden Arbeiten von den beiderseits zu bezeichnenden Beauftragten während der Ausführung gegenseitig an⸗ zuerkennende Notizen geführt werden, welche demnächst der Berechnung zu Grunde zu legen sind.

Von der Vollendung der Arbeiten oder Lieserungen hat der Unternehmer dem bauleitenden Beamten durch eingeschriebenen Brief Anzeige zu machen, worauf der Termin für die Abnahme mit tbun⸗ lichster Beschleunigung anberaumt und dem Unternebmer schriftlich gegen Behändigungsschein oder mittels eingeschriebenen Briefes bekannt gegeben wird.

Ueber die Abnahme wird in der Regel eine Verhandlung auf⸗ genommen; auf Verlangen des Unternehmers muß dies geschehen.

Die Verhandlung ist von dem Unternehmer bezw. dem für den⸗ selben etwa erscheinenden Stellvertreter mit zu vollziehen.

Von der über die Abnahme aufgenommenen Verhandlung wird dem Unternehmer auf Verlangen beglaubigte Abschrift mitgetheilt.

Erscheint in dem zur Abnahme anberaumten Termin, gehöriger Benachrichtigung ungeachtet, weder der Unternehmer selbst noch ein Bevollmächtigter desselben, so gelten die durch die Organe der bauleitenden Behörden bewirkten Aufnahmen, Notierungen ꝛc. als anerkannt. 1

Auf die Feststellung des von dem Unternehmer Geleisteten im Falle der Arbeitsentziehung 9) finden diese Bestimmungen gleich⸗ mäßige Anwendung. 1

Müssen Theillieferungen sofort nach ihrer Anlieferung abge⸗ nommen werden, so bedarf es einer besonderen Benachrichtigung des Unternehmers hiervon nicht, vielmehr ist es Sache desselben, für sein Anwesenheit oder Vertretung bei der Abnahme Sorge zu tragen.

e

§ 183. Rechnunasaufstellung. Bezüglich der formellen Aufstellung der Rechnung, welche in der Henfs Ausdrucksweise, Bezeichnung der Bautheile resp. Räume und eihenfolge der Positionsnummern genau nach dem Verdin, ungs⸗ anschlag einzurichten ist, hat der Unternehmer den von der bauleitenden Behörde bezw. dem bauleitenden Beamten gestellten Anforderungen zu entsprechen.

Etwaige Mehrarbeiten sind in besonderer Rechnung nachzuweisen unter deutlichem Hinweis auf die schriftlichen Vereinbarungen, welche

bezüglich derselben getroffen worden sind.

Tagelohnrechnungen.

Werden im Auftrage des bauleit nden Beamten seitens des Unter⸗ nehmers Arbeiten im Tagelohn ausgeführt, so ist die Liste der hierbei beschäftigten Arbeiter dem bauleitenden Beamten oder dessen Vertreter behufs Prüfung ibrer Richtigkeit täglich vorzulegen. Etwaige Aus⸗ stellungen dagegen sind dem Unternehmer binnen längstens acht Tagen mitzutheilen.

Die Tagelohnrechnungen sind länastens von zwei zu zwei Wochen dem bauleitenden Beamten einzureichen

§ 14. EE 11.

Die Schlußzahlung erfolgt auf die vom Unternehmer einzu⸗ reichende Kostenrechnung alsbald nach vollendeter Prüfung und Fest⸗ stellung derselben. *

Abschlagszahlungen werden dem Unternehmer in angemessenen Fristen auf Antrag nach Maßgabe des jeweilig Geleisteten bis zu der veh bauleitenden Beamten mit Sicherheit vertretbaren Höhe gewährt.

Bleiben bei der Schlußabrechnung Meinungsverschiedenheiten zwischen dem bauleitenden Beamten oder der bauleitenden Behörde und dem Unternehmer bestehen, so soll das dem letzteren unbestritten zustehende Guthaben demselben gleichwohl nicht vorenthalten werden.

Verzicht auf spätere Geltendmachung aller nicht aus⸗ drücklich vorbehaltenen Ansprüche.

Vor Empfangnahme des von dem bauleitenden Beamten oder der bauleitenden Behörde als Restguthaben zur Auszablung angebotenen Betrags muß der Unternehmer alle Anspeüche, welche er aus dem Vertragsverhältniß über die behördlicherseits anerkannten hinaus etwa noch zu haben vermeint, bestimmt bezeichnen und sich vorbehalten, widrigenfalls die Geltendmachung dieser Ansprüche später ausge⸗

geschlossen ist. Zahlende Kasse.

Alle Zahlungen erfolgen, sofern nicht in den besonderen Be⸗ dingungen etwas Anderes festgesetzt ist, aus der Kasse der bauleitenden ö“ 88

§ 15. Gewährleistung. 8

Die in den besonderen Bedingungen des Vertrags vorgesehene, in Ermangelung solcher nach den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften sich bestimmende Frist für die dem Unternehmer obliegende Gewährleistung für die Güte der Arbeit oder der Materialien beginnt mit dem Zeit⸗ punkt der Abnahme der Arbeit oder Lieferung.

Der Einwand nicht rechtzeitiger Anzeige von Mängeln gelieferter Waaren (Art. 347 des Handelsgesetzbuchs) ist nicht statthaft. Sicherheitsstellung. Bürgen. Bluürgen haben als Selbstschuldner in den Vertrag mit einzutreten.

Kautionen.

Kautionen können in baarem Gelde oder guten Werthpapieren oder sicheren gezogenen Wechseln oder Sparkassenbüchern bestellt werden.

Die Schuldverschreibungen, welche von dem Deutschen Reich oder von einem deutschen Bundesstaat ausgesteltt oder garantiert sind, sowie die Stamm⸗ und Stamm⸗Prioritäts⸗Akrien und die Prioritäts⸗ Obligationen derjenigen Eisenbahnen, deren Erwerb durch den preußischen Staat gesetzlich genehmigt ist, werden zum vollen Kurswerthe als Kaution angenommen. Die übrigen bei der Deutschen Reichsbank beleihbaren Effekten werden zu dem daselbst beleihbaren Bruchtheil des Kurswerths als Kaution angenommen.

Die Ergänzung einer in Werthpapieren bestellten Kaution kann gefordert werden, falls infolge eines Kursrückgangs der Kurswerth bezw. der zulässige Bruchtheil desselben für den Betrag der Kaution nicht mehr Deckung bietet.

Baar hinterlegte Kautionen werden nicht verzinst. Zinstragenden Werthpapieren sind die Talons und Zinsscheine, soweit bezüglich der letzteren in den besonderen Bedingungen nicht etwas Anderes bestimmt wird, beizufügen. Die Zinsscheine werden so lange, als nicht eine Veräußerung der Wertbpapiere zur Deckung entstandener Verbindlich⸗ keiten in Aussicht genommen werden muß, an den Fälliskeitsterminen dem Unternehmer ausgehändigt. Für den Umtausch der Talons, die Einlösung und den Ersatz ausgelooster Werthpapiere, sowie den Ersatz abgelaufener Wechsel bat der Unternehmer zu sorgen.

Falls der Unternehmer in irgend einer Beziehung seinen Ver⸗ bindlichkeiten nicht nachkommt, kann die Behörde zu ihrer Schadlos⸗ haltung auf dem einfachsten, gesetzl ch zulässigen Wege die hinterlegten Werthpapiere und Wechsel veräußern dezw. einkassieren.

Die Rückgabe der Kaution, soweit dieselbe für Verbindlichkeiten des Unternehmers nicht in Anspruch zu nehmen ist, erfolagt, nachdem der Unternehmer die ihm obliegenden Verpflichtungen vollständig erfüllt hat, und insoweit die Kaution zur Sicherung der Garantieverpflichtung dient, nachdem die Garantiezeit abgelaufen ist. In Ermangelung anderweiter Verabredung gilt als bedungen, daß die Kaution in ganzer Höhe zur Deckung der Garantieverbindlichkeit einzubehalten ist.

Uebertragbarkeit des Vertrags.

7 8 Ohne Genehmigung der bauleitenden Behörde darf der Unter⸗

nehmer seine vertragsmäaßigen Verpflichtungen nicht auf Andere über⸗ tragen. Verfällt der Unternehmer vor Erfüllung des Vertrags in Konkurs, so ist die bauleitende Behörde berechtigt, den Vertrag mit dem Tage

der Konkurseröffnung aufzuheben.

Bezünlich der in diesem Fall zu gewährenden Vergütung sowie der Gewährung von Abschlagszahlungen finden die Bestimmungen des § 9 sinngemäße Anwendung.

Für den Fall, daß der Unternehmer mit Tode abgehen sollte, bevor der Vertrag vollständig erfüllt ist, hat die bauleitende Bebörde die Wahl, ob sie das Wertragsverhältniß mit den Erben desselben fort⸗ setzen oder dasselde als aufgelöst betrachten v 8

§ 18. Gerichtsstand.

Für die aus diesem Vertrage entspringenden Rechtsstreitiskeiten hat der Unternehmer unbeschadet der im § 19 vorgesehenen Zu⸗ ständigkeit eines Schiedsgerichts bei dem für den ausführung zuständigen Gericht Recht zu nehmen.

§ 19. Schiedsgericht.

Streitigkeiten über die durch den Vertrag begründeten Rechte und Pflichten sowie über die Ausführung des Vertrags sind zunächst der vertragschließenden Behörde zur Eascheivung vorzulegen.

Die Entscheidung dieser Behörde gilt als anerkannt, falls der Unternehmer nicht binnen vier Wochen vom Tage der Zustellung der⸗ selben der Behörde anzeigt, daß er auf schiedsrichterliche Entscheidung

antrage.

Lie Fortführung der Bauarbeiten nach Maßgabe der von der Verwaltung getroffenen Anordnungen darf hierdurch nicht aufgehalten werden.

Auf das schiedsrichterliche Verfahren finden die Vorschriften der Deutschen Zivilprozeßordnung vom 30. Januar 1877 §§ 851 bis 872. Anwendung.

Falls über die Bildung des Schiedsgerichts durch die besonderen Vertragsbedingungen abweichende Vorschristen nicht getroffen sind,

ernennen die Verwaltung und der Unternehmer je einen Schiedsrichter. Dieselben sollen nicht gewählt werden aus der Zahl der unmittelbar Betheiligten oder derjenigen Beamten, zu deren Geschäftskreis die Angelegenheit gehört hat.

Falls die Schiedsrichter sich über einen gemeinsamen Schiedsspruch nicht einigen können, wird das Schiedsgericht durch einen Obmann ergänzt. Derselbe wird von den Schiedsrichtern gewählt oder, wenn diese sich nicht einigen können, von dem Präsidenten derjenigen benachbarten Provinzialbehörde desselben Verwaltungszweigs erxnannt, x1.*. Sg dem Sitze der vertragschließenden Behörde am nächsten gelegen ist.

„Der Obmann hbat die weiteren Verhandlungen zu leiten und

darüber zu befinden, ob und inwieweit eine Ergänzung der bisherigen Verhandlungen (Beweisaufnahme u. s. w.) stattzufinden hat. Die öE”“ über den Streitgegenstand erfolgt dagegen nach Stimmen⸗ mehrheit. Bestehen in Beziehung auf Summen, über welche zu entscheiden ist, mehr als zwei Meinungen, so wird die für die größte Summe abgegebene Stimme der für die zunächst geringere abgegebenen hinzu⸗ gerechnet.

Ueber die Tragung der Kosten des schiedsrichterlichen Verfahrens entscheidet das Schiedsgericht nach billigem Ermessen.

Wird der Schiedsspruch in den im § 867 der Zivilprozeßordnung

bezeichneten Fällen aufgehoben, so hat die Entscheidung des Streitfalls

im ordentlichen Rechtswege zu erfolgen. 20

Kosten und Stempel. 8

Briefe und Depeschen, welche den Abschluß und die Ausführung

des Vertrags betreffen, werden beiderseits frankiert.

Ddie Portokosten für solche Geld⸗ und sonstige Sendungen, welche Interesse des Unternehmers erfolgen, trägt der etztere.

Die Kosten des Vertragsstemvpels trägt der Unternehmer nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen.

Die übrigen Kosten des Vertragsabschlusses fallen jedem Theile zur Hälfte zur Last.

Vorstehende Bedingungen werden hiermit öffentlich bekannt gemacht. Berlin, den 18. Februar 1899. Königliche Ministerial⸗Baukommission. Kayser.

Deutscher Reichstag. 43. Sitzung vom 27. Februar 1899, 1 Uhr.

Tagesordnung: Fortsetzung der zweiten Berathung des Reichshaushalts⸗Etats für 1899 bei dem Etat des Reichs⸗Eisenbahnamts, und zwar bei den Ausgaben für die Betriebsverwaltung.

Die Abgg. Hauß (b. k. F.) und Riff (fr Vgg.) treten für die Besserstellung der Eisenbahnbeamten ein; Letzterer behauptet, daß bei der Neuregulierung der Gehaltsverhältnisse einzelne Kategorien schlechter gestellt worden seien als diejenigen, mit denen sie bisher die gleichen Gehälter bezogen hätten.

Abg. Werner (Reformp.) verwendet sich für die Eisenbahn⸗ telegraphisten und für die Lokomotipführer, sowie für die Betriebs⸗ Sekretäre.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Auf die Ausführungen der drei Herren Vorredner, die darin gipfelten, für gewisse Kategorien der Reichs⸗Eisenbahnbeamten für die Zukunft eine bessere Gestaltung ihrer Gebaltsverhältnisse herbeizu⸗ führen, gestatte ich mir, ganz kurz folgendes Thatsächliche anzuführen: Erstens die Betriebssekretäre: Ich möchte insbesondere dem Herrn Abg. Werner hier wiederholt entgegenhalten, daß die Kate⸗ gorie der Betriebs⸗Sekretäre eine Beamtenklasse ist, die auf dem Aussterbe⸗Etat steht, die in Zukunft nicht mehr existieren wird; daß wir ferner in der weitgehendsten Weise Wohlwollen gegen die alten Betriebs⸗Sekretäre geübt haben, indem wir ihnen sagten, wir wollen euch in formloser Weise zum Eisenbahn⸗ Sekretär⸗Examen zulassen und mit thunlichstem Entgegenkommen auch womöglich durch dieses Examen durchlassen. Leider hat eine geringe Zahl von Betriebs⸗Sekretären sich gesagt: wir brauchen das Examen nicht; wir werden ja wohl auch dazu gelangen, dasselbe Gehalt wie die Eisenbahn⸗Sekretäre zu bekommen, ohne das Examen. Meine Herren, ich würde es im Interesse des Dienstes und namentlich im Interesse der Disziplin nicht verantworten können, wenn ich meiner⸗ seits weiter gehen wollte, als es bisher der Fall gewesen ist.

Was nun zweitens die Eisenbahn⸗Telegraphisten anbetrifft, so möchte ich mir die Bemerkung gestatten, daß dieselben allerdings bei der Hessischen Ludwigsbabn zu den Subalternbeamten gehört haben; daß aber dort ihr Dienstkreis ein anderer war als in dem Organismus der Reichseisenbahnen und auch der preußischen Staats⸗ eisenbahnen. Im übrigen darf nicht vergessen werden, daß die Tele⸗ graphisten der Hessischen Ludwigsbahn allerdings bei der Ueberführung in den preußischen Dienst aus der Subaltern⸗ beamtenklasse in die Unterbeamtenklasse gekommen sind; daß aber trotzdem für sie damit eine sehr erhebliche Gehalts⸗ verbesserung verbunden war. Diese ist, wie mir aus den Kreisen der Verwaltung selbst mitgetheilt worden ist, außerordentlich dankbar an⸗ genommen worden. Natürlich würden die Herren es noch lieber ge⸗ sehen haben, wenn sie neben der Gehaltsverbesserung auch noch in die Klasse der preußischen Subalternbeamten aufgenommen worden wären. Ich habe indeß wiederholt, sowohl hier im Reichstage wie im preußischen Landtage, ausgeführt, daß der Dienst der Eisenbahn⸗ telegraphisten mit dem Dienst der Telegraphisten der Reichs⸗ postverwaltung nicht vollständig identisch ist, ja in vielen und großen Beziehungen davon abweicht. Insbesondere sind die Anforderungen, welche die Reichs⸗Telegraphenverwaltung an ihre Telegraphisten in Bezug auf allgemeine und Fachbildung stellt, höher als diejenigen, welche die Eisenbahnverwaltung an diese Beamten⸗ kategorie stellt.

Die dritte Kategorie, für die namentlich der Herr Abgeordnete Werner sich sehr interessiert hat, ist die Kategorie der Lokomotiv⸗ führer. Ich kann meinerseits versichern, daß ich diese Kategorie von Beamten für einen ganz besonders ehrenwerthen Zweig unserer Verwaltung halte und auf das lebhafteste die großen Verdienste anerkenne, die der Lokomotivführerstand der Ver⸗ waltung bei Tag und Nacht, bei gutem und bei schlechtem Wetter, in Krieg und Frieden allezeit geleistet hat und, wie ich fest überzeugt bin, auch ferner leisten wird. Die Lokomotivführer sind aber wieder⸗ holentlich nicht unerheblich aufgebessert worden, und wenn der Herr Abg. Werner für sie ein Höchstgehalt von 2500 unter Wegfall der Prämien beantragt, so würde das ein entschiedener Rückschritt für diese Beamten sein; denn sie haben jetzt schon 2500 außer den Prämien. Das Maximum des Einkommens des Reichs⸗

Eisenbahn⸗Lokomotivführers beträgt 2500 Gehalt, 240 Zuschus

und 819 durchschnittliche Prämien, das macht 3559 ℳ, also rund 3560 Meine Herren, ich bitte dabei zu berücksichtigen, daß das Beamte sind, die aus der Werkstätte vom Schlosser allmählich durch ihre Tüchtigkeit bis zum Lokomotivführer heraufgekommen, die dann aber meines Erachtens mit 3560 verhältnißmäßig gut gestellt sind. Wo sollen wir hinkommen, wenn an der Leiter der Beamteng halts⸗ erhöhung immer einer an den andern sich anklammert und auf dessen Schultern höher zu kommen strebt? Wenn die Lokomotivführer höher kommen, müssen naturgemäß auch die Gehälter der Zugführer, müssen die Gehälter der Rangiermeister, müssen die Gehälter der Telegraphisten erhöht werden! Der Herr Abg. Werner wird sagen: um so besser; aber meines Erachtens muß doch eine Grenze einmal eingebalten werden. Bei dieser Gelegenheit möchte ich eine Bemerkung des Herrn Abg. Riff hier berichtigen: ich habe in der vorigen Sitzung nicht ge⸗ sagt, daß meinerseits streng daran festgehalten werden solle, es sei nunmehr ein endgültiger Abschluß in der Gehaltsverbesserung der Be⸗ amten für alle Zukunft erreicht; ich habe in der vorigen Sitzung weder positiv noch negatis mich zu dieser Frage ausgesprochen. Aber ich will gerne heute hier hinzufügen, daß überhaupt ein definitiver Ab⸗ schluß für alle Zeiten unmöglich und ein Unding ist. Die Verhält⸗ nisse ändern sich, und es wird immer wieder eine Periode kommen, in der wir die Beamtengehälter in Einklang bringen müssen mit dem Werth des Geldes und mit den allgemeinen Bedingungen der Lebenshaltung. Also wenn ich mich resümieren darf, so bin ich der Meinung, daß zur Zeit keine Veranlassung vorliegt, weder mit Gehaltsaufbesserungen vorzugehen, noch auch den von der Verwaltung der Eisenbahnen früher den Betriebs⸗Sekretären gegenüber eingenommenen Standpunkt zu ver⸗ lassen. Im übrigen theile ich vollständig die Auffassung des Herrn Abg. Riff, daß es viel zweckmäßiger ist, wirklich berechtigte Ansprüche der Beamten von vornherein zu konzedieren, als sie sich im Wege langwieriger Petitionen abpressen zu lassen.

Abg. Bargmann (fr. Volksp.) tritt ebenfalls für eine Ver⸗

besserung der Beamtengehälter, namentlich auch für die Betriebs⸗ Sekretäre ein.

Abg. Bueb (Soz) erklärt, er schließe sich den Vorrednern an, und empfiehlt die e der Lage der Lokomotivführer, der Betriebs⸗Sekretäre, der Telegrapbisten, der Lademeister ꝛc. Redner bemängelt ferner die Länge der Arbeitszeit des Fahr⸗ und Stations⸗ versonals, wodurch dasselbe übermüdet werde, was dann zu Unglücks⸗ fällen führe. 1

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

8 Ich möchte mir nur gestatten, einige thatsächliche Irrthümer des Herrn Vorredners richtig zu stellen. Der Herr Vorredner hat gemeint, die Thatsache, daß für das nächste Jahr in dem Etat eine große Vermehrung der Stellen vorgesehen werde, beweise, daß das bisherige Beamtenpersonal zu gering bemessen gewesen sei und daß infolge dessen unqualifizierte Hilfskräfte in verantwortliche Stellen des Zug⸗ und Stationsdienstes hätten eingestellt werden müssen. Meine Herren, das ist nicht der Fall. Wir haben für den normalen Verkehr ein vollständig ausreichendes Personal in etatsmäßigen Stellen; wir haben aber kein etatsmäßiges Personal für außergewöhn⸗ liche Verhältnisse und außergewöhnlichen Verkehrszuwachs. Das letztere Personal nehmen wir aus denjenigen genügend vorgebildeten Anwärtern, welche nach Maßgabe der vom Bundesrath erlassenen Bestimmungen geprüft und befähigt befunden worden sind. Es kann und darf niemals vorkommen, daß ein unvorgebildeter, einfacher Arbeiter als Heizer auf eine Lokomotive gestellt wird. Das ist einfach unmöglich. Derjenige Beamte, der einen derartigen Mann auf die Lokomotive als Heizer kommandierte, würde sich vor dem Strafrichter verantwortlich machen. Andererseits ist es aber auch nothwendig, daß aus dem Anwärterpersonal die Leute für ihren dem⸗ nächstigen Dienst praktisch herangebildet werden; daß also der Schlosser, der sein Heizerexamen gemacht hat, auch als Heizer fährt, daß der Schaffner, der Zugführer werden will, auch praktisch in den Zugführer⸗ dienst eingeführt wird u. s. w. Es wird mithin niemals zu ver⸗ meiden sein, auch aus Zweckmäßigkeitsgründen niemals ver⸗ mieden werden können, daß der Dienst einer höheren Charge von einem Beamten der zunächst niederen Charge wahrgenommen wird. Die Mittheilungen, die hiervon abweichend dem Herrn Abg. Bueb von seiten eines Zugbeamten gemacht worden sind, müssen irrthümlich sein; denn wenn sie nicht irrthümlich wären, so würde der Beamte, der die betreffende Anordnung getroffen hat, sich wie gesagt strafbar gemacht haben.

Aber ebenso irrthümlich sind die Angaben, die dem Herrn Abg. Bueb gemacht sind dahin, daß jedes Mal, wenn den Lokomotipführern eine Gehaltsaufbesserung zugekommen sei, ihnen dafür andererseits eine Kürzung in ihren Neben⸗ emolumenten widerfahren sei. Die Lokomotipführer⸗Nebenbezüge sind seit den Jahren 1875 bezw. 1882 nicht geändert worden die Zahlen beziehen sich auf verschiedene Nebenemolumente also seit geraumen Zeiten sind die Nebenbezüge vollständig unverändert geblieben. Der⸗ jenige Lokomotivführer, der wirklich anstreben würde, auf die Bezüge der Bureau⸗A sistenten gebracht zu werden, hat den Personal⸗Etat sich nicht genügend angesehen. Er würde daraus ersehen haben, daß er sich durch diese Gleichstellung falls seine dermaligen Nebenbezüge in Wegfall kämen um ungefähr 320 verschlechtern würde.

Dagegen stimme ich mit dem Herrn Abg. Bueb darin gern überein, daß die Verwaltung thunlichst dafür sorgen muß, einmal, daß das Fahr⸗ und Lokomotivpersonal unterwegs an den Stellen, wo es Aufenthalt bekommt, ein vollständig allen Ansprüchen genügendes Unterkunftslokal findet, und zweitens, daß dafür gesorgt werden muß, die Leute nach Beendigung ihres Dienstes thunlichst in die Heimath zu bringen oder viel⸗ mehr ihren Dienst in der Heimath endigen zu lassen. Das wird neuerdings mit allen Mitteln erstrebt, sowohl bei den Reichseisenbahnen, wie bei den preußischen Staatseisenbahnen. Wenn Sie sich die Dienstpläne ansehen, werden Sie finden, daß dem schon Rechnung getragen ist in einer ganz außerordentlichen Zahl von Dienstplänen.

Nun kommt aber die Kehrseite von der Sache. Die Leute be⸗ schweren sich nämlich darüber, daß infolge dieser Anordnungen ihre Kilometergelder und sonstigen Nebengebühren in verschiedenen Fällen geringer würden. Sie würden zweifellos mehr verdienen, wenn sie draußen blieben und mehr führen, und wenn sie dann noch die Ueber⸗ nachtungsgelder bekämen. Wieder ein Beweis dafür, daß man es ganz recht niemandem machen kann. Aber ich stimme meinerseits mit dem Herrn Abg. Bueb darin überein, thunlichst dafür zu sorgen, daß der Beamte in seiner Heimath seinen Dienst beendigt.

Was nun die Telegraphisten betrifft, so ist darüber schon soviel gesagt worden und wird auch noch wohl mehr gesagt werden, daß ich mich ganz kurz fassen kann. Ich kann nur wiederholen, de

Telegraphist ist in seiner Vorbildung und Beschäftigung u. s. w. ein ganz anderes Menschenkind, als der Telegraphist bei den Reichs⸗ eisenbahnen, und dieser wiederum ein ganz anderer, als bei der Reichs⸗ Telegraphenverwaltung. Wenn Sie sich darüber unterrichten wollen, sehen Sie sich die Anforderungen durch, die an die einzelnen Kategorien gestellt werden, und auch welche Arbeitsleistung von den Leuten ver⸗ langt wird. Sie werden dann mit mir zu der Ueberzeugung kommen, daß sie zwar alle Telegraphisten heißen, aber im einzelnen ganz ver⸗ schiedene Dinge ausführen, und daß von den einen doch mehr verlangt wird, als dies bei den anderen der Fall ist.

Abg. Werner tritt nochmals für die Telegraphisten ein und empfiehlt dieselben für eine spätere Gehaltsaufbesserung, da die jetzige doch noch nicht abgeschlossen sei. 1

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen: 1“

Meine Herren! Ich bedaure, Ihre Zeit nochmals in Anspruch nehmen zu müssen; es wird aber sehr kurz sein. Wenn ich den Herrn Abg. Werner vorhin bezüglich des von ihm empfohlenen Gebaltssatzes für die Lokomotivführer falsch verstanden habe, so hat der Herr Abg. Werner mich noch viel mehr falsch verstanden in dem, was ich über den Abschluß der Regulierung der Beamtengehälter gesagt habe. Ich habe mich dahin ausgesprochen, daß allerdings zur Zeit ich einen Ab⸗ schluß annehme, daß das aber nicht so zu verstehen sei, daß nun für alle Zukunft jede Aenderung der Gehaltssätze ausgeschlossen wäre. Für alle Zukunft wird wohl niemand eine Behauptung aufstellen und eine Verpflichtung übernehmen wollen.

Dann aber hat der Herr Abg. Werner mich auch darin falsch verstanden, daß ich von verschiedenen Fähigkeiten der Telegraphisten gesprochen hätte. Ich habe nicht von Fähiskeiten gesprochen, sondern von verschiedenen Funktionen, die die Telegraphisten der verschiedenen Verwaltungen auszuführen haben. Ich habe gesagt, der bayerische Telegraphist ist eben ein anderer als der elsaß⸗lothringische Telegraphist in den Aufgaben, die ihm gestellt werden, in der Vorbildung, die von ihm verlangt wird, und in der Karridre, die er verfolgen kann. Ich habe aber auch zu wiederholten Malen schon darauf hingewiesen, daß, was die Fähigkeiten anbetrifft, den Telegraphisten mit besseren Fähigkeiten ja die Thür zum Weiter⸗ kommen offen gemacht ist; sie können in den Staatsdienst eintreten; sie brauchen dazu nur das vorgeschriebene Examen zu machen und damit zu dokumentieren, daß sie eben fähig sind.

Abg. Schmidt⸗Warburg (Zentr.) meint, man könne diese Frage besser bei den Petitionen behandeln.

Die Gehälter für die Betriebsbeamten werden bewilligt. Bei den einmaligen Ausgaben wird, entsprechend dem Antrage der Budgetkommission, die Forderung von 400 000 ℳ, als erste Rate für eine elektrische Zentralstelle in Mülhausen, gestrichen.

Im übrigen werden die einmaligen Ausgaben ohne er⸗ hebliche Debatte bewilligt.

Die Einnahmen werden bewilligt.

Niach Empfehlung der am Sonnabend mitgetheilten Re⸗ solution, betreffend die Bahnhofsbauten in Straßburg und Colmar, durch den Abg. Riff erklärt der

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Gegen die Annahme der von der Budget⸗ kommission vorgeschlagenen Resolutionen durch den Reichstag haben wir unsererseits keine Bedenken zu erheben. Was zunächst die Ge⸗ staltung der Verhältnisse des Güterbahnhofs Straßburg anbetrifft, so hat die Reichs⸗Eisenbahnverwaltung bereits anerkannt, daß hier eine Aenderung eintreten müsse, um dem bedeutend angewachsenen Verkehr gerecht werden zu können. Sie hat deshalb von einer Gesammtforderung von 15 Millionen und darüber hinaus eine erste Rate von 2 Millionen in den nächstjährigen Etat bereits aufgenommen, um mit diesem Betrage den Grunderwerb für einen großen Rangierbahnhof in der Nähe von Straßburg zu bestreiten. Dieser Rangierbahnhof wird einen Theil der Gleise des jetzigen Güterbahnhofs in Straßburg freistellen, der jetzt für Rangierzwecke in Anspruch genommen ist. Ferner erkennen wir an, daß die Verhältnisse der Verbindungsbahn zwischen Straßburg und Kehl bei dem Orte Neudorf, der sich aus einem Dorf in verhältnißmäßig kurzer Zeit zu einer Stadt von etwa 20 000 Einwohnern entwickelt hat, geändert werden müssen, daß der Eisenbahn⸗ und Straßenverkehr durch die dort vorhandenen Ueberwege in immer steigendem Maße belästigt wird und dort mit der Zeit Abhilfe unbedingt nöthig ist. Wir sind daher bereit, im Einvernehmen mit der Stadt Straßburg und womöglich auch mit dem Militärfiskus an die Sache heranzutreten. Es ist auch bereits überschläglich festgestellt worden, welche Kosten entstehen würden, und dieser vorläufige Anschlag schließt mit einer Summe von 6 ½ bis 7 Millionen ab.

Bei meiner Anwesenheit in Straßburg im vorigen Herbst bin ich unter Führung des Herrn Bürgermeisters von Straßburg an einem schönen Sonntag in Neudorf gewesen und habe mir die Verhältnisse dort angesehen; ich bin fernerhin an dem folgenden Wochen⸗ tage dagewesen und habe allerdings die Ueberzeugung gewonnen, daß Sonntags und Wochentags der über die Ueberwege sich bewegende Verkehr ein ganz außerordentlicher ist. Aber die daraus sich ergebenden Mißstände sind nicht bloß durch die Eisenbahn hervorgerufen, sondern auch durch die Verhältnisse der Stadt, und es bedarf daher einer gemein⸗ schaftlichen Arbeit, um jene Mißstände zu beseitigen. Es kommt das dar⸗ auf hinaus, daß die Stadt Straßburg sich mit einem angemessen Beitrage zu den Kosten, die ich eben auf 7 Millionen angegeben habe, betheiligt. Die Verhandlungen werden meinerseits in der allernächsten Zeit ein⸗ geleitet werden, und da wird sich ja finden, inwieweit sie zu einer beiderseitigen Befriedigung führen werde. Auch mit dem Militärfiskus habe ich Verhandlungen darüber angeknüpft, ob derselbe bereit sein wird, Ansprüche fallen zu lassen oder zu ermäßigen, die, aus einer Verschiebung der fortifikatorischen Verhältnisse, wie sie durch eine Höherlegung der Bahn entstehen würde, sich herleiten lassen. Ich glaube daher, daß, wenn der hohe Reichstag diese Resolutionen beschließt, er damit die Operationen der Reichs⸗Eisenbahnverwaltung nicht hindert, sondern eher noch fördert, immer unter der Voraus⸗ setzung, daß auch die Stadt Straßburg sich veranlaßt sehen wird, auf Grund des Reichstagsbeschlusses nunmehr ebenfalls in ihren Saͤckel hineinzugreifen, und zwar nach meiner Meinung möglichst tief.

Abg. Riff stellt fest, da dis Stadt Straßburg der Ansicht sei, daß sie keinen Zuschuß zu leisten habe; dieser Ansicht sei auch die Budgetkommission gewesen.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen: Meine Herren! Der Eindruck den ich in Straßburg selbst, an

Ort und Stelle, gewonnen habe, ging allerdings dahin, daß die Stadt

zur Umgestal der Wegeanlagen beim B Neudorf t

erhebliche Beiträge leisten wolle, daß sie sich aber auch nicht absolut verneinend verhalten werde. Dasselbe hat übrigens der Herr Abg. Hauß in der Bludgetkommission gesagt. Ich glaube, daß der Standpunkt, den heute der Herr Abg. Riff ein⸗ nimmt, den anzuknüpfenden Verhandlungen nur schädlich und nicht nützlich sein kann. Ich hoffe aber immer noch, daß auch die Stadt sich der Einsicht nicht verschließen wird, daß gerade die Entwickelung der städtischen Verhältnisse in dem Orte Neudorf wesentlich zu den bestehendenden Uebelständen beigetragen hat.

Abg. Gamp (Rp.) erklärt, er halte es für bedenklich, den Reichs⸗ tag darauf festzulegen, daß Straßburg keinen Beitrag zahlen solle.

Die Resolution wird angenommen. Ebenso wird de Etat des Rechnungshofes ohne Debatte bewilligt 8

Es folgt der Etat des Reichs⸗Schatzamts.

Bei dem Titel „Gehalt des Staatssekretärs weist Abg. Dr. Pachnicke (fr. Vgg.) darauf hin, daß der Veredelungs⸗ verkehr eine große Ausdehnung erlangt habe; die Ausfuhr veredelter Gegenstände habe einen Umfang von 126 Millionen Mark erreicht. In Preußen sei die Veredelung von Wollgarn durch Färben nicht mebhr gestattet, während dies z. B. in Hamburg noch der Fall sei. Die Berliner Wäschefabrikation sei auf das feine irische Leinen angewiesen, welches die inländische Leinenindustrie nicht herstelle. Der Zoll darauf sei sehr hboch, so daß die Interessenten eine Ermäßigung oder wenigstens die Rückgewähr des Zolles bei der Ausfuhr wünschten, Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts Dr. Freiherr von Thielmann: Meine Herren! Die thatsächlichen Mittheilungen des Herrn Vor redners sind mit Ausnahme einer ganz unbedeutenden, lediglich for mellen Abweichung, die ich nicht weiter zu erörtern brauche, richtig Es ist namentlich richtig, daß die ganze Frage des Veredelungsverkehr seitens der Landesregierungen gehandhabt wird. Aber ich möchte hin⸗ zufügen, über diesen Landesregierungen steht, soweit es sich um An⸗ ordnungen allgemeiner Art handelt, der Bundesrath, der in einem solchen Falle von Verschiedenheiten, wie sie der Herr Vorredner eben bezüglich der Wollgarne anführte, wo in Preußen der Veredelungsverkeh aufgehoben wird, in Hamburg gestattet bleibt, schließlich einen Aus gleich herbeiführen kann. In diesem Falle, ich meine den Fall der Wollgarne, ist ein solcher Ausgleich augenblicklich in Anbahnung be griffen. Das Reichs⸗Schatzamt hat dem preußischen Finanz⸗Ministerium die Beweggründe, aus denen Hamburg den Verkehr weiter gestatten

will, mitgetheilt, und es werden weitere Verhandlungen stattfinden,

die, wie ich hoffe, sei es zwischen den Einzelstaaten, sei es schließli durch den Bundesrath, zu einer Einigung führen und dadurch den Mangel beheben werden, über den der Herr Vorredner mit

Recht geklagt hat. Wenn der Herr Vorredner indeß weitergeht, wenn ich ihn recht verstanden habe, und den Wunsch ausspricht, die ganze Frage des Veredelungsverkehrs solle ein für alle Mal einheitlich vom Reiche geregelt werden, so möchte ich Sie bitten, die Erfüllung dieses Wunsches jedenfalls bis zum Inkrafttreten des neuen Zolltarifs, also noch auf einige Jahre, aufzuschieben, weil möglicherweise und, wie ich sagen möchte, sogar wahrscheinlicherweise gleichzeitig mit dem neuen Zolltarif eine neue Regelung dieser Materie eintreten wird.

Der Etat des Reichs⸗Schatzamts wird angenommen.

Es folgt der Etat der Zölle und Verbrauchssteuern.

Bei der Einnahme aus den Zöllen (442 376 000 ℳ) behauptet der 8

Abg Graf von Schwerin (d. kons.), daß durch die Abfertigung bei der Ausfuhr von Mehl erhebliche Verluste für die Reichskasse ent⸗ standen seien, und daß die kleineren Mühlen mit einem schlechteren Ausbeutungsverhältniß dadurch erheblich geschädigt würden. Die Ab⸗ fertigung des Mehles erfolge auf Grund einer vollständig falsch aufge⸗ stellten Type von Mehl, das aus Mehl und Mehlabgängen hergestellt sei, welches daher nicht den Durchschnitt der Ausbeute darstelle, sondern die äußerste Grenze. Auf Grund dieses Verfahrens hätten die großen Exportmühlen auf Kosten der Staatskasse ungeheure Mengen von Mehl exportiert; drei Viertel der ganzen Mehlausfuhr bestehe aus diesem geringwerthigen Futtermehl, das billiger sei als der Roggen, aus dem es hergestellt werde. Redner berechnet, daß über 2 ¼ Millionen Mark mehr vergütet worden seien, als das aus⸗ geführte Mehl hätte beanspruchen können. Diese Vergütung ver⸗ theile sich auf einige 20 Mühlen, also erhalte jede derselben etwa 100 000 Das sei ein recht annehmbarer Gewinn. Dazu kämen die zinsfreien Zollkredite und die billigen Eisenbahntarife für Mühlen⸗ fabrikate. Alle diese Dinge zusammen müßten einen vernichtenden Einfluß auf die Kleinmüllerei ausüben. In 13 Jahren seien die kleinen Mühlenbetriebe um 33 % zurückgegangen. Die kleinen Mühlen bäten daher dringend um Einführung der staffelförmigen Umsatzsteuer für die großen Mühlen. Die Landwirthschaft sei interessiert an der Aufrechterhaltung des Mühlengewerbes, welches für die kleinen Landwirthe der beste Abnehmer sei; die Landwirthschaft habe auch ein großes Interesse daran, daß die Futtermehle nicht vertheuert würden, daß sie im Inlande blieben und nicht ausgeführt würden. Sowohl die Interessen der Reichskasse wie die Interessen der Landwirthschaft forderten eine schleunige Beseitigung dieses Mißstandes. Redner weift auf die vom Deutschen Landwirthschaftsrath gefaßten Selase hin. Ueber die Art und Weise der Durchführung würde sich eine Verständigun zwischen den Sachverständigen sehr leicht erzielen lassen. Ferner wei Redner darauf hin, daß große Mühlen sogar ihr einheimisches ungereinigtes Getreide auf das Freilager nähmen und sich dasselbe als Ausfuhr auf ihr Zollkonto anschreiben ließen; nachher nähmen sie nur das gereinigte Getreide in die Mühle zurück und verdienten daran also die Zoll⸗ vergütung für den Schmutz. Das werde für eine Mühle allein auf 84 000 jährlich berechnet. Der Reichstag und die Einzellandtage hätten die Aufhebung der zollfreien Transitlager verlangt; aber der Bundesrath habe immer noch keinen Beschluß gefaßt.

Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts Dr. von Thielmann:

Meine Herren! Ich kann der vorgerückten Stunde halber nicht in der gleichen Vollständigkeit auf die verschiedenen Anregungen des Herrn Vorredners eingehen, wie es sonst wohl möglich gewesen sein würde. Ich hoffe, ihm aber das Noͤthige zu bringen.

Der Herr Vorredner sagte gegen die Mitte seiner Rede, er nehme an, daß bei einer etwaigen Neuregelung der Mehlfrage, das Reichs⸗ Schatzamt an erster Stelle das Interesse des Staatssäckels berücksichtigen würde. Ich kann ihm von meiner Person sagen, daß das nicht der Fall sein wird. Zuerst kommt das Wohl des Reiches, und wenn das Wohl des Reiches mit der Füllung des Staatssäckels vereindar ist, dann werde ich das gern thun.

Nun, meine Herren, werden Sie aus den Worten des Herrn Abgeordneten entnommen haben, daß es sich dier um eine außer⸗ ordentlich verwickelte Frage handelt, und es wird schwer sein, in wenigen Worten den Standpunkt der causs ot dontroveorsia klar⸗ zulegen. Ich will es gleichwohl vdersuchen.

Der Herr Abgeordnete bemängelte, daß dochwerthiges Mehl und geringwerthiges Mehl bei der Ausfudr gleich dehandelt wird. Meine Herren, das Gesetz macht keinen Unterschied zwischen hochwerthigem und geringwerthigem Mehl, sondern es spricht nur von Mühlen⸗

Nach dem Gesetz muß der Reicheskus für jedes aus⸗

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Freiherr