1899 / 55 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 04 Mar 1899 18:00:01 GMT) scan diff

48. Sitzung vom 3. März 1899, 1 Uhr. 8 1 Die zweite Berathung des Reichshaushalts⸗Etats für 1899 wird bei dem Etat für die Verwaltung des Reichsheeres, und zwar bei dem Titel „Gehalt des Kriegs⸗Ministers“, fortgesetzt. . Abg. Dr. Paasche (nl): Die preußischen Ober⸗Realschulen, welche die neueren Sprachen, die Mathematik und Naturwissenschaften besonders berücksichtigen, geben die Berechtigung zum Studium der Mathematik und Naturwissenschaften, des Ingenieurwesens ꝛc, aber nicht zur Offizierscarriére im Heere und in der Marine. Nach dieser Richtung hin sollte die Berechtigung ausgedehnt werden. Redner wendet sich dann gegen den Abg. Bebel, der die Ursache der Verrohung in den wirthschaftlichen Verhältnissen, namentlich in der Fabrikarbeit der verheiratheten Frauen erblicke, und fährt dann fort: Daran liegt aber die hh nn der Vorbestrafungen der Rekruten nicht; denn in dieser Weise haben sich seit 1882 die Verhältnisse in Bezug auf Frauen⸗ arbeit ꝛc. nicht verschlechtert; auch die Schulen leisten mehr als früher, der Fortbildungsunterricht ist ausgedehnter geworden. Es ist die wachsende rreligiosität, die schuld ist. (Vize⸗Präsident Schmidt: Ich kann den Zusammenhang zwischen der Irreligiosität und dem Gehalt des Kriegs⸗ Minnisters nicht entdecken.) Das bedauere ich. Herr Bebel hat behauptet, daß die Irreligiosität nicht daran schuld sei. Ich will das Gegentheil beweisen, und Herr Lingens hat das bereits auch gethan. Die jungen Leute wagen nicht mehr, einen Glauben zu bekennen. Ich habe als Student die schändlichen Lieder gehört, die gegen den Glauben ge⸗ sungen wurden. Die Leute, die diese Lieder damals gesungen haben, schicken heute ihre Kinder in die Armee. Glauben Sie, daß diese Kinder noch Religion besitzen? Sie (zu den Sozialdemokraten) wissen garnicht, was Sie dem Volke rauben, wenn Sie ihm den Glauben rauben. (Zuruf: Das sagen Sie, ein Nationalliberaler2) Ja, das sage ich, der nationalliberale Abg. Dr. Paasche. Mißhandlungen der Soldaten wurden diesmal nicht vorgebracht, es wurde über Klassenjustiz Klage geführt. Das paßt besser zum Löbtauer Fall. Die Anklagen des Herrn Bebel stehen in den sozialdemokratischen Zeitungen, aber die Erklärungen des Kriegs⸗Ministers werden todtgeschwiegen. Es heißt da, keine der wuchtigen Thatsachen hätte der Kriegs⸗Minister entkräften können. Der Fall des Rittmeisters Grafen Stolberg hat sich aber ganz anders herausgestellt, als Herr Bebel ihn vorgetragen. Daß der Vorgesetzte manchmal bis aufs Blut gereizt wird, dafür haben Sie (die Sozialdemokraten) keine Empfindung. „Wenn aber einmal ein junger Mensch von den älteren Soldaten ein paar übergezogen bekommt, dann erheben Sie ein großes Geschrei. Bezüglich des Hazardspiels sollten die Kommandobehörden ihre Pflicht gegenüber ihren jüngeren Untergebenen thun und sie vor Versuchung bewahren. Der Kriegs⸗Minister sprach von der Strafbarkeit der Bethätigung der sozialistischen Gesinnung Da wurde von den Sozialdemokraten zwischen⸗ gerufen: Verleitung zum Meineid. Der Reserve⸗Unteroffizier wurde nicht unter seinem Eide gefragt, ob er Sezialdemokrat sei; das war eine private Frage. Wir wollen jeder sozialistischen Agitation, jedem sozialistischen Einfluß in der Armee entgegentreten. Wir sind der festen Ueberzeugung, daß die Armee in wachsendem Maße eine Schule der Zucht und Ordnung sein wird und nicht, wie hier gesagt wurde, eine Schule der Unzucht. Es wird noch manches zu thun sein, aber wir erkennen an, daß die Kriegsverwaltungen das ihnen gesteckte Ziel ge⸗ fördert haben.

8 Abg. Gröber (Zentr.): Wir danken dem Vorredner für seine Ausführung und hoffen, daß er seine ganze Fraktion dabei hinter sich hat. (Zuruf bei den Nationalliberalen: Immer!) Das war nicht immer.

Wo waren die Nationalliberalen, als der Kulturkampf begann, als gegen

die „Pfaffen“ gehetzt wurde? Als ehrwürdige Priester und Bischöfe in das

Gefängniß geworfen wurden? Wenn die Autorität der Kirche gelitten hat, dann suchen Sie die Schuld nicht bei den Sozialdemokraten

allein, dann schlagen Sie sich an Ihre Brust: Mea culpa, mea

maxima culpa! Wenn von den vielen Tausenden von Offizieren und Unteroffizieren sich Einige Verfehlungen zu schulden kommen lassen und man darüber hier so spricht wie Herr Bebel, so trägt das nicht zur Stärkung des Ansehens des Reichstages und des Ansehens des Heeres bei Der Fall des Reserve⸗Unteroffiziers Kriese in Elbing, der vor Gericht zur Antwort gab, daß er in Zivil Sozialdemokrat sei, verdient doch einige Beachtung. Die Frage erfolgte, nachdem die Sache aufgerufen war, wenn auch vor der Vereidigung. Da giebt es keine private Anfrage mehr. Der Zeuge steht unter der Polizeigewalt des Richters, der eventuell Zwang ausüben kann. Ein Grund zur Verweigerung der Aussage lag nicht vor. Bei der großen grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage möchte ich den Kriegs⸗Rinifter doch bitten, dieselbe noch einmal zu prüfen.

Abg. Bebel (Soz.) führt aus, daß in Einzelheiten jedem Menschen Irrthümer unterlaufen könnten, sei selbstverständlich. Herr Paasche sei aber päpstlicher als der Papst gewesen; er habe die Vor⸗ kommnisse mehr in Schutz genommen, als der Kriegs⸗Minister nach seiner Kenntniß der Dinge gethan habe. Daß die wirthschaftlichen Verhältnisse an der Verrohung schuld seien, sei klar. Seit 1882 sei die Zahl der in Gewerbe und Landwirthschaft beschäftigten weib⸗ lichen Personen von 4 ½ auf 6 Millionen gestiegen. In einzelnen Bezirken sei die Steigerung noch viel größer gewesen, und zwar namentlich in den letzten Jahren. Die Sozialdemokratie wolle den ausgedehntesten Arbeiterinnenschutz; wenn derselbe nicht vorhanden sei, so seien daran die anderen Parteien schuld. Der Kulturkampf habe die Macht der katholischen Kirche nur gefestigt. Die Spott⸗ und Hohnlieder, auf die sich der Abg. Paasche berufen habe, könnten ja kaum gedruckt bestehen vor der Gesetzgebung im Reiche. (Zuruf des Abg. Dr. Paasche: Ich werde sie Ihnen schwarz auf weiß zeigen. Präsident Graf von Ballestrem bittet, die Zwischenrufe zu unterlassen.) Nicht die ganze Armee solle durch solche Vorkommnisse belastet werden, sondern die Sozialdemokraten wollten durch die Kritik eine Besserung herbei⸗ führen. Die Statistik weise nach, daß die schweren Körperverletzungen in den Bezirken am wenigsten vorkämen, wo die Sozialdemokraten die Mehrheit hätten. Berlin, Hamburg und das Königreich Sachsen hätten sehr viel weniger schwere Körperverletzungen als die ländlichen Bezirke. Die Sozialdemokratie habe noch keinen Schritt ge⸗ than, um in der Armee die Oberhand zu gewinnen. Daß aber mit ihrem Anhang im Volke auch ihre Anhängerschast in der Armee zu⸗ nehme, sei selbstverständlich; man müßte denn die Sozialdemokraten von dem Dienste in der Armee ausschließen. Redner wendet sich schließlich gegen einzelne Ausführungen des Kriegs⸗Ministers und er⸗ örtert nochmals den Fall Kriese⸗Elbing.

Abg. von Tiedemann (Rp.): Herr Bebel meinte, Irrthümer könnten Jedem passieren, im allgemeinen wären aber alle seine Aus⸗ führungen richtig. Ein Irrthum des Herrn Bebel ist es, daß Graf Stolberg den Sergeanten erstochen habe. (Zuruf: erschlagen!) Das ist doch ein sehr greifbarer Irrthum. Die

Behauptung geht im „Vorwärts“ in die Welt. Warum bringt Herr Bebel den Fall zur Sprache, daß eine Stadt⸗ verwaltung Soldaten beschäftigen wollte? Es ist ja sofort Remedur eingetreten. Was hat der „Klub der Harmlosen“ mit dem Kriegs⸗Minister und der Armeeverwaltung zu thun? (Zuruf: Budgetkommission!) Ich halte es auch für überflüssig, daß diese Dinge in der Kommission zur Sprache gekommen sind. Offiziere sind daran sehr wenig betheiligt. Gegen das Spiel der Offiziere wird sehr streng eingeschritten. Daß Herr Bebel den Fall Brüsewitz wieder ausgegraben hat, zeigt, wie dürftig sein Material war. Das beweist, daß die Haltung des Offizier⸗Korps im allgemeinen tadellos ist. Solche Debatten sind

anz gut, weil sie einen Effekt haben, den Herr Bebel nicht beab⸗ ichtigte. Die Diskreditierung des Offizier⸗Korps ist nicht selangen. Die übrigen Parteien werden sich immer mehr zusammenschl 2 zur Erhaltung des Staats und der Gesellschaftsordnung gegenüber der Sozialdemokratie.

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¹„ Der Herr Abg. Bebel hat mir heute ein relativ gutes Zeugniß ausgestellt. (Heiterkeit.) Ich lege auch Werth darauf, daß anerkannt wird, daß die Verhandlungen meinerseits mit größter Objektivität geführt werden. Ich bin verpflichtet, den Angehörigen jeder Partei objektiv Auskunft zu geben über das, was mein Ressort angeht. Wenn Herr Bebel aber daraus schließt, daß ich mit seiner Art der Anfrage und seiner Behandlung der Angelegenheiten der Armee einverstanden bin, dann befindet er sich in einem großen Irrthum.

Bei seinen gestrigen Ausführungen hat sich von neuem gezeigt, daß er seine Anfragen an mich nicht richtet, auch wenn er mir dieses wie jetzt geschehen vorher mittheilt —, um Aufklärung zu er⸗ halten, sondern um an seine Darstellungen alsbald Ausführungen und Folgerungen zu knüpfen, welche für das Ansehen der Armee schädlich sind. (Lebhafte Zustimmung rechts.) Ja, er begnügt sich auch hiermit noch nicht einmal, sondern er giebt auch gleich das Urtheil und zwar in der schroffsten Form, ohne abzuwarten, was von mir etwa in ob⸗ jektiver Form vorzubringen sein wird. (Sehr richtig! rechts.) Mit dieser Art der Taltik werde ich mich niemals einverstanden erklären. & Wenn der Abg. Bebel angenommen hat er betonte hierbei nech besonders, daß die Vorgänge ja auch im „Vorwärts“ gestanden hätten —, seine Angaben wären eigentlich vollkommen richtig gewesen, so kann ich diese Auffassung nicht theilen. Im Gegentheil, ich stelle hiermit fest, daß bei einer objektiven Auffassung der Verhältnisse in allen Fällen eine wesentliche Abweichung vom Sachverhalt stattgefunden hat. Bezüglich des Leutnants a. D. von Brüsewitz ist eine falsche Strafdauer angegeben und daraus ebenso fälschlich geschlossen worden, die Begnadigung sei vor Verbüßung der Hälfte der Strafe ein⸗ getreten. Diese Angabe ist unrichtig. Von dem Rittmeister Grafen zu Stolberg ist erneut behauptet worden, er habe seinen Burschen erstochen. Diese Angabe ist falsch. Auch daß der Sergeant Scheinhardt nicht erstochen worden, sondern an Gehirnerschütterung infolge eines Schlages mit einem stumpfen Gegenstand gestorben ist, ging aus meiner gestrigen Darstellung klar hervor. Er ist einem unglücklichen Zufall zum Opfer gefallen, der allerdings mit einer schweren Mißhandlung in Zusammenhang steht. Ebenso unhaltbar ist die Angabe, Scheinhardt sei angetrunken oder betrunken gewesen. Das kriegsgerichtliche Verfahren hat ausdrücklich ergeben, daß wohl von einer starken Erregung des Scheinhardt, aber nicht von einer Angetrunkenheit desselben die Rede sein könne. Die Art, wie der Fall des Hauptmanns Licht hier vorgebracht worden ist, läßt die Annahme zu, es sei geschehen, um in diesem Hause Zweifel an der Be⸗ strafung des Genannten hervorzurufen. Hauptmann Licht ist be⸗ straft worden. Auf eine bezügliche an mich gerichtete Anfrage wäre jeder Zweifel ohne weiteres ausgeschlossen gewesen. Im Fall Rupp wurde angedeutet, die Veranlassung zum Schlagen sei nicht auf die Vorgesetzten zurückzuführen. Auch diese An⸗ gabe ist nicht haltbar. Wenn der Herr Bebel aber sagt, Rupp hätte so wie es geschehen verfahren und, um sich zu wehren, sich mit einem Messer versehen müssen, so verkennt er doch die Verhältnisse in der Armee sehr. Solche Angaben können nur verderblich und schädlich auf die Ordnung in der Armee einwirken. Rupp ist zu feige ge⸗ wesen, sich rechtzeitig zu beschweren; hätte er dieses gethan, wäre der ganze Vorgang vermieden worden. Sie sollten Ihrerseits dahin wirken wie ich das früher schon einmal erbeten habe —, daß die Leute den Muth haben, zur rechten Zeit den gesetzlichen Weg einzuschlagen, d. h. sich zu beschweren.

Auch die Angaben über Halberstadt waren unrichtig. Ich habe keineswegs eingegriffen; es hat dieses vielmehr der Garnisonsälteste von Halberstadt aus eigener Initiative gethan, nachdem der Hergang in der Stadtverordneten⸗Versammlung zu seiner Kenntniß gekommen war. Die Arbeiter sollten einen neuen Weg zum Exerzierplatz, der im Interesse der Garnison und zur Erleichterung des Dienstes nöthig war, ausführen, das Ansuchen wurde jedoch aus prinzipiellen Gründen abgelehnt.

Schließlich hat der Herr Abg. Bebel noch das Anwachsen der Selbstmorde hervorgehoben. Die Zahl der Selbstmorde hat sich aber 1898 wesentlich verringert, sodaß auch diese Angabe der Be⸗ gründung entbehrt.

Ueber den Fall des Reservisten Kriese mögen die Ansichten vom juristischen Standpunkt aus getheilt sein. Die Annahme des Herrn Abg. Bebel aber, daß es sich hier um eine Barbarei handle, ist zurückzuweisen. Ich habe den Fall genau so vorgetragen, wie es lag, bin aber gern bereit, die Sache nochmals zu prüfen und mit dem be⸗ treffenden General⸗Kommando in Verbindung zu treten. Die An⸗ gelegenheit selbst ist nur zur Sprache gekommen durch die sozial⸗ demokratische Presse, die mit dem Mann aus diesem Anlaß Reklame trieb. (Oh! links.) Ich habe die „Volkstribüne“ aus Königsberg vor mir, die die Sachlage in gewissem Sinne als Verherrlichung des Mannes darstellt. Der Wortlaut ist folgender:

„Bemerkenswerth aus der Verhandlung war auch noch folgen⸗ der Zwischenfall. Einer der als Zeugen geladenen Genossen ist gegenwärtig als Reserve⸗Unteroffizier zu einer Uebung eingezogen und war, zum Termin beurlaubt, in Uniform erschienen. Der Vorsitzende fragte ihn, bevor er ihn vernahm, ob er Sozialdemokrat sei, worauf er die prompte Antwort erhielt: „In Zivil, ja.“ Das soll ihn, wie uns berichtet wird, zu der sonderbaren Bemerkung: „Machen Sie sich doch nicht zum Narren“, veranlaßt haben.“

Aus der Antwort „In Zivil, ja“ ergiebt sich ohne weiteres, daß der Mann wohl wußte, er dürfe sich als Soldat nicht als Sozial⸗ demokrat bekennen. Hierin liegt eine Art Spitzfindigkeit, die jedem, der die Sache liest, sofort auffallen muß. Der Mann war sich also seines Unrechts klar bewußt.

In Beireff der juristischen Beurtheilung der Angelegenheit, wie sie der Herr Abg. Gröber entwickelt hat, bin ich zur Zeit außer stande, Auskunft zu geben. Doch will ich diese Seite der Frage vom militär⸗juristischen Standpunkt gern nochmals erwägen. Nach unseren militärischen Anschauungen halte ich die Strafe für völlig gerechtfertigt.

Der Herr Abg. Bebel hat sich dann noch dahin ausgesprochen, er gebe seinen Anfragen an den Kriegs⸗Minister deshalb die gewählte Form, weil er beabsichtige, bessernd auf die Armee einzuwirken. (Heiterkeit rechts.) Ich glaube nicht, daß die Art und Weise, wie er die einzelnen Fälle geschildert hat, zur Besserung der Armee dienen würde. Diese Methode kann meines Erachtens nur zur Verbitterung und Verschlechterung der Disziplin in der Armee führen. (Sehr richtig! rechts.) Ich kann ihn daher nur ersuchen, sein Wohlwollen der Armee gegenüber in anderer Form zum Auesdruck zu bringen.

Den Anspruch auf Dankbarkeit, den er fordert, wird ihm die Armee jedoch niemals zuerkennen. (Heiterkeit rechts. Sozialdemokraten.)

Wie ein rother Faden geht es heute wieder durch seine Aus⸗ führungen, Untergebene und Vorgesetzte würden mit verschiedenem Maß gemessen. Für diese Behauptung ist er den Beweis schuldig geblieben. Ich kann dieselbe nur auf das ernst⸗ lichste bedauern und muß sie auf das allerentschiedenste hier⸗ mit zurückweisen. Das ist ein Versuch, in die Unparteilichkeit unserer Militärgerichte Bresche zu legen, und auf diese Weise das Vertrauen zu untergraben, der nicht scharf genug gekennzeichnet werden kann. Wenn Herr Bebel übrigens die Bestimmungen des

Zuruf von den

Militär⸗Strafgesetzbuches kennte, so würde er eine Reihe von Para- graphen in demselben finden, wie z. B. den § 98, in denen für Unter⸗ 8

gebene ausdrücklich besondere Milderungsgründe, Ermäßigung der

Strafe bis zur Hälfte und weniger ꝛc. vorgesehen sind, wenn eine

Reizung oder dergleichen durch Vorgesetzte Es liegt also keine Veranlassung vor, anzunehmen, daß in der Militärjustiz mit verschiedenem Maße gemessen werde. Schließ⸗ lich hat er noch darauf hingewiesen, daß bei dem Anwachsen der Sozialdemokratie sich auch die Armee derselben nicht mehr würde entziehen können. In dieser Beziehung kann ich ihn nur auf das verweisen, was er auf dem Parteitag in Stuttgart selbst ausgeführt hat. Hiernach ist er mit dem Resultat der letzten Jahre betreffs Zunahme seiner Partei durchaus unzufrieden. Er sagt wörtlich: das Resultat der letzten Jahre war durchaus nicht ein sehr er⸗ freuliches. Ich bin, wie ich das hier schon oft ausgeführt habe, der Ueber⸗

stattgefunden hat

zeugung, daß die Sozialdemokratie auf Illusionen beruht und daß sie

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von selbst zu Grunde gehen wird. (Bravo rechts, Heiterkeit links.)

Abg. Hoch (Soz.) beschwert sich über die angebliche Belastung der Bevölkerung durch die Einquartierung und die Flurschäden aus Anlaß der Manöver, speziell der Kaisermanöver in der Nähe von Frankfurt. Wenn der Kriegs⸗Minister meine, daß ein Soldat feige sei, wenn er den Beschwerdeweg nicht betrete, so kenne der Kriegs⸗Minister die Verhältnisse nicht. Jeder, der den Be⸗ schwerdeweg betrete, werde auf alle Weise belästigt. Redner kommt dann auf den Prozeß eines Garnisonverwaltungsbeamten in Hanau zu sprechen, der eine Menge Dinge gestohlen habe, ohne daß die vor⸗ gesetzte Behörde etwas davon bemerkt habe, weil keine genügende Kontrole vorhanden gewesen sei.

Kriegs⸗Minister, Generalleutnant von Goßler:

Meine Herren! Wenn der Herr Vorredner auf Vorgänge in Hanau während der Herbstmanöver eingegangen ist, so ist die Militär⸗ verwaltung daran sehr wenig betheiligt. Wir haben das größte Interesse daran, Flurentschädigungsgelder möglichst bald auszuzahlen. Das Geld wird auf die Regierungs⸗Hauptkassen und von diesen durch die Steuer⸗ oder Kreiskassen den Kommunen angewiesen. Dort hebt der Ortsvorsteher die Beträge ab und bringt sie zur Auszahlung. Mit Ausnahme von 6400 ℳ, über die eine Nachricht noch nicht vor⸗ liegt, sind übrigens sämmtliche Beträge längst ausgezahlt.

Dem Wunsch, daß es den Zivilbehörden gelingen möge, das

ganze Abfertigungsverfahren rascher zu gestalten, kann ich nur bei⸗

treten. Dieserhalb bin ich mit dem Herrn Minister des Innern in Verbindung getreten. Für den Kreis Hanau allein waren sieben Kommissionen für die Abschätzung der Flurschäden thätig. Die Orts⸗ behörden haben allerdings mangelhaft gearbeitet, und das Verfahren wurde dadurch besonders schwierig, weil die Einwohner die in Frage kommenden Felder vor dem Eintreffen der Kommission zum theil ab⸗ geerntet hatten, sodaß weitläufige Zeugenvernehmungen nothwendig

wurden. Im übrigen ist alles geschehen, um die Entschädigungs⸗

ansprüche möglichst rasch zu erledigen. Was den Lazareth⸗Inspektor Krüger anlangt, so finde ich in

meinen Akten eine Meldung vom 30. August 1888, nach welcher

derselbe infolge von im Amte begangenen Unregelmäßigkeiten vom Amte suspendiert und sofort verhaftet worden ist. Die Verhand⸗ lungen haben öffentlich stattgefunden und ich habe aus den Zeitungen

ersehen, daß dieselben inzwischen zu Ende geführt worden sind. Ich

erwarte das Urtheil, um danach die entsprechenden Maßregeln zu

treffen. Auch ich glaube, daß sich eine schärfere Kontrole der Lazareth⸗ verwaltungen empfehlen werde.

Wenn der Herr Vorredner von dem Lazareth⸗Inspektor Krüger dann auf den Absolutismus gekommen ist, so darf ich mir wohl ver⸗

sagen, darauf einzugehen. (Bravo! rechts.)

Abg. Graf von Klinckowstroem (d. kons.): Herr Hoch hat sich

im ersten Theil seiner Rede als erster sozialdemokratischer Agrarier

gezeigt. Geradezu herzerfrischend war die Rede des Herrn g. 18

Herr Gröber hätte sich ebenfalls darüber freüen und nicht einen ge⸗

wissen Mißton in die Debatte bringen sollen, den ja Herr Bebel sofort

benutzt hat.

Herr Bebel leugnet, Angriffe auf die Armee gemacht zu

haben. Er sprach von himmelschreienden Widersprüchen in der Militär⸗ Rechtepftege; er sprach auch heute von zweierlei Maß bei der Rechts⸗

e. e beweist garnichts; sie wird vielmehr

iede des Teperaments und sonstiger Charaktereigenschaften be⸗ schee: Tre⸗ der allergrößten Mühe hat Herr Bebel nur 7 bis 8 Fälle vorbringen können. Giebt es ein glänzenderes Zeugniß für die große deutsche Armee? Herr Bebel greift die Armee, die Schule, die Landwirthschaft an, ja sogar das von den Sozial⸗ demokraten so viel geliebte Ostpreußen. Ich möchte nur Gelegenheit

Giebt es einen schärferen Angriff? Die Statistik der Körper⸗ durch Unter-

ben, die Märchen von dem ostpreußischen Arbeitgeber einmal so 129h, . zu führen. Die Arbeit der Frauen in der Land.

wirthschaft wird immer geringer. berg wir alle, aber wir haben auch Mitleid mit ihm. Die sozialdemokratische Presse wollte mit dem forschen Genossen Kriese⸗Elbing Reklame machen; dabei ist dieselbe hineingefallen. Wenn die Sozialdemokraten einmal ihren Zukunftestaat mit Gewalt

durchzuführen versuchen wollen, so werden ihre Genossen in Uniform 8 1

aasche, 8

e niederschießen. ü vner Skadthagen (Soz.) wendet sich gegen den Abg. Pac der früher in idemohnatischen Versammlungen, dann Freihändler ewesen und jetzt Schutzzöllner sei. 1 - Freg Das gehört doch wohl nicht zum Gehalt des Kriegs⸗Ministers.) Redner geht dann auf den Kriese⸗Elbing ein. Es sei Ansichtssache, pflege mit zweierlei Maß gemessen werde. hätten jedenfalls dasselbe Recht im Staat wie alle anderen Parteien. Solle niemand in der Armee sozialdemokratische Gesinnung

ob bei der

dokumentieren, dann solle man die Sozialdemokraten aus der Armee

überhaupt ausschließen. Die anderen Parteien sollten ihrerseits auch elg in der Armee aufzudecken und nicht diefelben zu vertuschen versuchen.

Generalleutnant von Viebahn: Der Herr Vorredner hat das Verlangen ausgesprochen welcher gegen die Bethätigung sezialdemokratischer Gesinnungen in der Armee ergangen ist. Es handelt sich um einen kriegsminifteriellen Erlaß vom 24. Januar 1894, welcher von Zeit zu Zeit öffentlich zur allgemeinen Kennkniß gebracht wird; unter anderem findet sich eine

Das Verhalten des Grafen Stol-

(Präsident Graf von Balle,⸗

all des Reserve⸗Unteroffiziers Rechts⸗ Die Sozialdemokraten

nach dem Wortlaut desjenigen Befehls,

Kenntniß der Verhältnisse der Armee ab. christliche Nächstenliebe Kameradschaft, und diese Kameradschaft sei in der

Ihnstrument unserer deutschen Einigkeit. 8 gessen.

mindestens bis zum 18. Lebensjahre. nicht Orte, an denen die jungen Leute, Knaben wie Mädchen, Abends zusammenkommen könnten, oder sich zu erholen. der Frauenarbeit verhindern; eine

8 morde

getragen

. ink vorgenommen.

derartige Publikation im amtlichen Theile des „Reichs⸗Anzeigers“ vom

9. August 1897.

Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): Ob Herr Bebel die Armee angegriffen hat, lasse ich dahingestellt; daß der „Vorwärts“ das gethan hat, ist bekannt; er hat von den „mordspatriotischen Erinne⸗ rungen“ an die Zeit von 1870/71 Redner wendet sich gegen eine frühere Behauptung des Abg. Stadthagen über den Londoner Dockerstrike, der neun Jahre zurückliege, während man nach dem Zusammenhange seiner Rede hätte annehmen müssen, daß er von dem Hamburger Ausstande gesprochen habe. Es handele sich um eine Londoner Korrespondenz, die ein Stimmungsbild enthalten habe. Herr Bebel, fährt Redner dann fort, hat mir Unrichtigkeiten vorgeworfen in Bezug auf Herrn Fink, dessen Be⸗ hauptungen ich hier vorägebracht habe. Herr Bebel behandelt alle Dinge, die er vorbringt, als Thatsachen, obwohl er dabei große Irrthümer begeht, wie ihm der Kriegs⸗Minister gestern schon in verschiedenen Fällen nachgewiesen hat, und wie in früheren Jahren ihm ebenfalls nachgewiesen worden ist. (Redner erinnert an verschiedene derartige Fälle.) Herr Bebel hat seine unrichtigen Behauptungen nicht widerrufen, sondern den stenographischen Bericht so korrigiert, daß etyms Anderes darin stand, als gesagt worden war. Ich habe hier keine Lüge vorgebracht, sondern etwas, was ich vorgebracht habe, hat sich nachher als eine Lüge heraus⸗ gestellt. So steht es auch in den gestohlenen, vom „Vorwärts“ ver⸗ öffentlichten Briefen. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Frechheit!)

Vize⸗Präsident Schmidt ertheilt wegen dieses Ausdrucks den Ordnungsruf. 8 1u“

Abg. Singer (Soz.) zur Geschäftsordnung: Bisher haben die

räsidenten diejenigen außerhalb des Hauses stehenden Personen, welche ich hier nicht vertheidigen können, gegen den Vorwurf, daß sie ge⸗ stohlen hätten, in Schutz genommen.

Vize⸗Präsident Schmidt: Das geschah nur, wenn es sich um be⸗ stimmt bezeichnete Personen handelte. Solche Personen sind aber nicht bezeichnet worden.

Abg. Graf von Oriola (nl.) spricht ebenfalls sein Bedauern darüber aus, daß die Flurentschädigungen so lange gedauert hätten. Aber die Betheiligten hätten die Opfer im Interesse der Armee gern gebracht. Herr Gröber, fährt der Redner fort, hätte seine Rede gegen Herrn Paasche nicht halten sollen; darüber haben sich nur die Sozialdemokraten gefreut. Daß wir an der Religion festhalten wollen, darin wird Herr Paasche niemals von den National⸗ liberalen desavouiert werden. Trotz aller Meinungsverschieden⸗ heiten sollten die Parteien die Schärfen gegen einander unterlassen und auf einander mehr Rücksicht nehmen. Die die Religon ver⸗ spottenden Lieder wird Herr Paasche nachher dem Hause vorführen. Sollte ein Nationalliberaler unpassende Lieder gedichtet haben, so würde er ebenso zu verurtheilen sein, wie die sozial⸗ demokratischen Dichter. Die schlechten Wohnungen in den großen Städten sind eine Ursache der Entsittlichung; ein Reichs⸗ Wohnungsgesetz ist durchaus gegen solche Schädigungen am Platze. Die Soztialdemokraten leugnen jeden Versuch, auf die Armee Einfluß zu gewinnen. Diejenigen, die damit zu thun haben, sehen das anders

an. Daß die Sozialdemokratie aber nicht die Oberhand in der Armee

8 dafür wollen wir staatserhaltenden Parteien sorgen durch die

Erhaltung der Religion. Abg. Dr. Paasche erklärt, er habe hier schwarz auf weiß ge⸗ druckt das frivole Lied über die Religion. Ferner zitiert derselbe aus einem Buche des Abg. Frohme vom Jahre 1873 eine blas⸗

phemische Stelle gegen Gott und das Papstthum. Er habe von der zuneh menden Mißachtung der Autorität gesprochen und das ganz

logisch ausgeführt. (Zuruf: Und die Lieder? Redner weist auf ein kleines Buch, das er in der Hand hält, hin.) Vize⸗Präsident Schmidt: Freiherr von Stumm hat nach dem Stenographischen Bericht von den vom „Vorwärts“ gestohlenen Briefen gesprochen. Er hat keine Person bezeichnet. „Abg. Singer: Sowohl Freiherr von Stumm wie der Herr Präsident weiß, daß drei Redakteure des „Vorwärts“ Mitglieder dieses

Pauses sind.

Vize⸗Präsident Schmidt: Wenn in dieser Bemerkung eine Kritik meines Verhaltens liegen soll, so muß ich sie mir verbitten. Außerdem muß ich bemerken, daß ich keine Kenntniß von den Re⸗

dakteuren des „Vorwärts“ besitze. Wenn vom „Vorwärts“ die Rede ist, so ist nicht von Redakteuren die Rede. nicht mehr das Wort ertheilen.

Ich werde zu dieser Sache

Abg. Stoecker (b. k. F.) spricht den Sozialdemokraten jede In der Armee heiße die

deutschen Armee vorhanden. Wenn wir uns, fährt Redner fort, über die Stellung des Kriegs⸗Ministers in der Armee unterhalten, dann wird hier

in kleinlicher Weise ein Fall von Unterschlagung vorgetragen, und das Verzeichniß der unterschlagenen Sachen wird uns verlesen wie das Ver⸗

zeichniß eines jüdischen Trödlerladens. Das ist eine thörichte Art, die

Sachen zu behandeln, zumal dabei die Thatsachen nicht richtig ge⸗

würdigt werden. Von solchen Verhandlungen muß die Armee das

Gefühl haben: Was sind wir eigentlich? Sind wir wirklich die

große deutsche Armee, die von allen Staaten bewundert wird? Wenn die, jungen Leute nach fünf bis sechs Jahren un⸗ beaufsichtigten Lebens in die Armee eintreten, dann leistet die Armee etwas Vorzügliches in der Erziehung dieser Leute für den großen Zweck der vaterländischen Vertheidigung. Der Furcht vor unserer Armee verdanken wir die Erhaltung des Friedens. Es ist besser, die anderen Völker fürchten sich vor uns, als wir vor ihnen. Die Mißstände in der Armee sind Mißstände des ganzen öffentlichen Lebens. Die Selbstmorde in der Armee haben meist mit den militärischen Dingen garnichts zu thun. Es hat auch eine starke Abnahme der Selbst⸗ morde stattgefunden. Unsere Armee ist das Volk in Waffen, das Das sollten wir nicht ver⸗

Abg. Bebel erklärt, seine Partei erkenne an, daß junge Leute

1 zwischen 14 und 20 Jahren noch der Aufsicht und Erziehung be⸗

dürften, deshalb wolle sie die obligatorischen Fortbildungsschulen

Warum schaffe der Staat

Wum an ihrer Bildung zu arbeiten Seine Partei wolle ferner die Zunahme die Gewerbestatistik ergebe aber stetige Zunahme der Frauenarbeit. Die Abnahme der Selbst⸗ in der Armee sei eine wohlthätige Folge der zweijährigen Dienstzeit. Ein gottloses Lied habe Herr Paasche nicht vor⸗ Er solle ein Lied von Heine gemeint haben, das aber nicht in Musik gesetzt sei, also auch nicht gesungen werde. Freiherr von Stumm werfe ihm (Redner) vor, daß er den stenographischen Bericht korrigiert habe; das habe er gethan, weil ihm vor der Korrektur eine Richtigstellung des Verhältnisses mitgetheilt worden sei. Er (Redner) habe die Korrektur im Interesse des Herrn Zum Schluß wendet sich Redner gegen andere usführungen des Abg. Freiherrn von Stumm.

Mit seiner Ansicht wird Herr Bebel wohl Wenn man mit

Gröber: nur bei seinen Parteigenossen Anklang finden.

allen Ständen so ins Gericht gehen wollte wie mit der Armee, dann würden sich überall, die Arbeiter nicht ausgeschlossen, mindestens ebenso

viel tabdelnswerthe Fälle finden lassen. Wenn die Nationalliberalen die Religiosität wahren wollen, dann müssen sie entgegenkommender sein in der Ordensfrage und in anderen Fragen, die zum innersten Wesen der katholischen Kirche gehören. Geben Sie uns die volle

Freiheit des kirchlichen Lebens.

Nach einigen persönlichen Bemerkungen wird die Debatte

geschlossen und das Gehalt des Ministers bewilligt.

Schluß nach 6 Uhr. Nächste Sitzung Sonnabend, 1 Uhr. (Erste und eventuell zweite Berathung des Gesetz⸗ entwurfs, betreffend die Bildung eines besonderen bayerischen Senats beim obersten Militärgericht in Berlin, und Fort⸗ setzung der Berathung des Militär⸗Etats.) 8

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 34. Sitzung vom 3. März 1899.

Das Haus setzt die zweite Berathung des Staats⸗ haushalts⸗Etats bei dem Etat der Eisenbahnver⸗ waltung fort.

Ueber den ersten Theil der Debatte ist schon berichtet worden.

Die Einnahmen aus dem Güterverkehr sind auf 847 450 000 ℳ, 47 889 000 mehr als im Vorjahre, ver⸗ anschlagt. 55

Abg. Möller (nl.) berichtet über die empfohlenen Gütertarifermäßigungen.

Abg. Dr. Lotichius (nl., auf der Journalistenbühne sehr schwer verständlich) wünscht eine billigere Beförderung der Minette⸗Erze von Lothringen nach dem Niederrhein und eine Ermäßigung des inlän⸗

dischen Obsttarifs. Das Ausland transportiere sein Obst immer noch bict , gen, wir

8 inisterial⸗Direktor Möllhausen: Wir haben im Inlandstarif für Obst bereits eine Ermäßigung eintreten lassen. Die Frage de Feesichmg des Tarifs für Obst in Wagenladungen ist sehr schwer zu lösen.

Abg. Dr. Crüger (fr. Volksp.) beschwert sich darüber, daß der Bürgschaftsschein einer Kreditgenossenschaft für eine Frachtstundung im Eisenbahnbezirk Frankfurt von der Eisenbahn⸗Direktion abgelehnt worden sei, während der Bürgschaftsschein von Mitgliedern der Ge⸗ nossenschaft m. b. H., die einer Verbandskasse angehören und mit der Zentralgenossenschaftskasse in Verbindung stehen, angenommen werde. Damit würden die Bürgschaftsscheine der Kreditgenossenschaften als unsolide bezeichnet. Die Solidität einer Kreditgenossenschaft müsse von Fall zu Fall geprüft werden.

Ministerfal⸗Direktor Möllhausen erklärt, daß eine solche Prü⸗ fung von Fall zu Fall vorgenommen werde.

Abg. Freiherr von Willisen k(kons.) bedauert, daß die Regierung in der Ermaßigung der einheimischen Obsttarife nicht entgegenkommender sei, namentlich nicht in der Verbilligung des Tarifes für Obst in Wagen⸗ ladungen. Er sei nicht für eine einseitige künstliche Tarispolitik, durch welche Tausende von Existenzen gefährdet würden. Durch die billigen Ausnahmetarife für das ausländische Obst hätten die Obstproduzenten

der Nähe Berlins schwer zu leiden.

Die Einnahmen werden bewilligt.

Zu den dauernden Ausgaben für Besoldungen liegt folgender Antrag der Abgg. Dr. Goebel (Zentr.) und Ge⸗ nossen vor: G die Regierung aufzufordern, die sogenannten Haltestellen⸗Auf⸗ seher aus der Zahl der Weichensteller I. Klasse herauszuheben und als „Stations⸗Assistenten II. Klasse“ oder als „Haltestellen⸗Vor⸗ steher“ zu bezeichnen und diese Beamtenkategorie bei den Stellen⸗ zulagen in größerem Maße zu berücksichtigen.

Abg. Wallbrecht (nl.) erörtert, wie in früheren Jahren, den angeblich unheilvollen Einfluß des Assessorismus auf die Eisenbahn⸗ verwaltung. Es müsse eine mittlere Karrière für die Bautechniker geschaffen werden.

Abg. Dr. Böttinger (nl.) empfiehlt eine größere Berück⸗ sichtigung der Wünsche der Betriebssekretäre, der Abfertigungsbeamten und der Diätare.

Abg. Dr. Kelch (fr. kons.) bedauert, daß die Betriebssekretäre 1 noch nicht zum Examen der Eisenbahn⸗Sekretäre zugelassen Miinister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Miine Herren! Auf die Aeußerung selbst möchte ich nicht ein⸗ gehen, ich möchte nur dem Herrn Abg. Kelch erklären, daß das, was ich gesagt habe und was er nach dem stenographischen Bericht mit⸗ getheilt hat, von mir im Reichstage gesagt worden ist bezüglich der Betriebs⸗Sekretäre der Reichs⸗Eisenbahnverwaltung.

Abg. Freiherr von der Goltz (kons.) beschwert sich darüber, daß die Konzessionierung der Kleinbahnen in der Provinz Pommern ent⸗ gegen den Anweisungen des Ministers außerordentlich lange binausgeschoben und daß den Kleinbahnen vom Fiskus große Opfer auferlegt würden bei Anschlüssen, bei der Mitbenutzung der Bahnhöfe u. s. w. Es würden an den Bau von Klein⸗ bahnen die wunderbarsten Anforderungen in Rücksicht auf die Sicherheit des Verkehrs gestellt. Die Staatsbahnverwaltung habe doch das größte Interesse daran, daß ihr durch die Kleinbahnen ein stärkerer Verkehr zugeführt werde. Die Provinz habe seit 1892 für Eisenbahnunternehmungen 30 Millionen ausgegeben und habe einen ge⸗ rechten Anspruch darauf, daß ihre Bestrebungen hinsichtlich der Klein⸗ und Nebenbahnen von untergeordneten Behörden nicht unterbunden würden. e1“

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Dieser eben ausgesprochenen Bitte des Herrn Abg. Freiherrn von der Goltz werde ich meinerseits sehr gern ent⸗ sprechen, ich glaube es aber auch bisher schon gethan zu haben, wie ja der Herr Vorredner auch in seinen Ausführungen bereits mehrfach ausgeführt hat.

Meine Herren, keine Provinz des ganzen Staats ist in Bezug auf die Kleinbahnen so vom Staate begünstigt worden als die Provinz Pommern. Die Provinz Pommern hat heute ein Kleinbahnnetz von 1200 km. Die nächstfolgende Provinz ist die Rheinprovinz mit einem Netz von 740 km. Von diesen 1200 km sind 499 km mit Staats⸗ unterstützung gebaut worden. Diese Staatsunterstützung hat bis auf heute betragen 3 191 000 Die Provinz Pommern kann also im allgemeinen keine Klage darüber führen, daß der Staat sie bei An⸗ lage ihres Kleinbahnnetzes nicht genügend unterstützt habe. Ich habe meinerseits wiederholentlich in den letzten Jahren schon darauf hin⸗ gewiesen, daß die Provinz Pommern in der Beziehung auch ihrer⸗ seits mehr gethan hat als irgend eine andere Provinz. Ich habe mir erlaubt, die Provinz Pommern verschiedenen anderen Provinzen, auch Nachbarprovinzen, als Musterbeispiel vorzuführen. WerEisenbahnen baut, muß sich auch auf Schwierigkeiten gefaßt machen. Leider Gottes ist noch vielfach die Meinung im Lande verbreitet, man brauche nur zu beschließen, eine Eisenbahn zu bauen, sie zu finanzieren, dann wird die Sache schon am nächsten Tage mit dem Spatenstich be⸗ ginnen. Die Erfahrungen bei den Staatseisenbahnen und auch bei den Privatbahnen weisen mit aller Deutlichkeit darauf hin, daß die Sache so einfach sich nicht abwickelt. Das Gesetz schreibt gewisse Normen vor, die bei der Prüfung des Konzessionsantrages erfüllt werden müssen. Bekanntlich ertheilt der Regierungs⸗Präsident die Konzession, und der Regierungs⸗Präsident in Verbindung mit der betreffenden Königlichen Eisenbahn⸗Direktion hat die Konzessions⸗ bedingungen seinerseits zu prüfen und etwaige Bedenken dem Minister der öffentlichen Arbeiten vorzutragen.

Nun wissen die Herren ganz genau, daß zunächst schon bei der Tracierung die verschiedenen Kirchthurmsinteressen sich geltend machen, die natürlich alle erst beim Regierungs⸗Präsidenten zum Austrag ge⸗ bracht werden müssen. Aber selten begnügen sich die Interessenten mit dieser Entscheidung, sondern sie suchen dann noch die Ent⸗ scheidung des Ministers nach. Wenn der Herr Vorredner hier ein

in der Kommission

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Beispiel angeführt hat, daß der Unternehmer Lenz einen Bahnunterbau

kommen hat, so ist das ein etwas riskantes Unternehmen gewesen

zu beseitigen. Es kommen bei der

dem Wege zu räumen, die dem Kleinbahnunternehmenn entgegenstehen Der Herr Vorredner hat dann ferner gerügt, daß eine ganze

den Forderungen der Eisenbahnbehörden erwachsen. Einzelheiten sind nur beispielsweise vorgebracht worden und auch nicht

dasjenige zu prüfen, was Kreisen der Interessenten an

dem Herrn

erwähnt, daß sogar der Kriegs⸗Minister einem Kleinbahnunternehmer

davon nichts bekannt; jedenfalls ist das in Pommern nicht passiert

selben für nothwendig erachtet.

bahnverwaltung überhaupt nicht betheiligt, sondern die Wegeüber⸗ überall da, wo er es im Landeskulturinteresse für nothwendig hält.

Freundin von vielen Wegeübergängen über die Schienen. Der Herr Vorredner hat dann ferner

Vermehrung der Beamten bei bei der Güter⸗Expedition u. s. w. Ja, meine Herren, auf diese Beschwerden kann ich unmöͤglich hier eine Antwort geben. Ich bitte, in dem einzelnen Fall, wo das Kleinbahnunternehmen

Abfertigung der Züge bezw.

Eisenbahn⸗Direktion beschwert fühlt, diese Beschwerde mir substantiiert vorzutragen; ich werde sie dann hier mit allem Wohlwollen gegen die Kleinbahnunternehmungen prüfen. Es ist durchaus nicht meine Ab⸗ sicht, daß jeder Groschen, jeder Pfennig minutiös nachgerechnet und

der Kosten eintritt, bin denjenigen heranzuziehen, der die Vermehrung verursacht; denn ich habe im Etat Nun kann man das ja im individuellen Fall häufig so

nennenswerthe Vermehrung pflichtet, da der Kosten

kein Mittel.

ich ver⸗

besteht die Auffassung bei mir, mit Wohlwollen derartige Dinge und

Vertrauen an mich wenden. Endlich hat der Herr Vorredner noch hervorgehoben, daß eine sehr unangenehme Erschwerung für den Betrieb der Kleinbahnen

Fahrkarten verweigert hätten.

Was den ersten Punkt anbetrifft, so habe holt Veranlassung gehabt, hier Budgetkommission mich hierüber auszusprechen und meinen Grundsatz dahin zu präzisieren, daß im allgemeinen die Kleinbahnen nicht als Eisenbahnen nach dem Gesetz anzusehen sind, sondern als Fuhrunternehmen, welche nach bestimmten Voraussetzungen, und zwar denjenigen des Gesetzes von 1892, beurtheilt werden müssen, daß aber die Staatseisenbahnverwaltung da, wo ein Verkehrsbedürfniß besteht, direkte Tarife zu machen, sich dem nicht entziehen wird und auch bisher nicht entzogen hat. Wir haben mit den Kleinbahn⸗ unternehmen eine Reihe von direkten Tarifen hergestellt und, was noch mehr besagen will, und worauf auch schließlich der Herr Vor⸗ redner noch großes Gewicht legen wird, direkte Tarife mit Darangabe der halben Expeditionsgebühr. (Sehr richtig!) Das ist nämlich dasjenige Moment, worauf es den Herren ankommt. Sie wollen aus den Staatseisenbahn⸗Einnahmen für sich eine kleine Abgabe haben, bestehend in der halben Expeditionsgebühr. Das ist auch in solchen Fällen nachgelassen worden, wo ein wirkliches Verkehrsbedürfniß anzuerkennen ist. Im allgemeinen wird aber doch daran festzuhalten sein: nach dem Gesetz von 1892, seinem Wortlaut und Sinne nach, sind die Kleinbahnen Lokalbahn⸗Unternehmungen, die nicht bestimmt sind, Glieder des großen Eisenbahnnetzes zu sein und zu werden.

Was die Herstellung direkter Fahrkarten betrifft, so bestehen in der Beziehung gar keine Vorschriften, sondern es ist da den Direktionen überlassen worden, je nach Bedürfniß die Sache zu regeln. Nun kenne ich den Fall von Finkenwalde nicht ich kenne Finkenwalde, das mich durch seine Schönheit seiner Zeit erfreut hat —; aber ich würde meinerseits, wenn jenes Verkehrsbedürfniß da besteht, kein Bedenken haben, direkte Fahrkarten auszugeben, voraus⸗ gesetzt, daß die Kleinbahn nun sich auch einigermaßen unseren Ein⸗ richtungen anpaßt. Wir können aber unmöglich für jede Kleinbahn zu denen gehören ja auch die elektrischen Bahnen und die Pferde⸗ bahnen überall direkte Tarife herstellen und direkte Fahrkarten ausgeben. Es kann das immer nur beschränkt werden auf wirklich vorhandenes Bedürfniß, und das mag ja in diesem Falle ich kenne ihn nicht genau, bin aber bereit, ihn näher zu prüfen vielleicht zutreffen.

Also ich darf mich wiederholen: es besteht hier in der Zentral⸗ Instanz die bestimmte Absicht, die Kleinbahnunternehmungen nicht mit unnöthigen Kosten zu belasten, sondern sie thunlichst günstig zu be⸗ handeln. (Bravo!)

Abg. Dr. Crüger befürwortet die Berücksichtigung der Wünsche der Eisenbahn⸗Telegrapbisten und Betriebs⸗Sekretäre und die Glesch⸗

stellung der technischen Eisenbahnbramten mit den juristischen

schon vollständig hergestellt habe, ehe er überhaupt die Konzession be⸗

Wir haben möglichst immer auch die Privatunternehmer über die Schwierigkeiten hinweggebracht, aber manche sind eben nicht so einfach landespolizeilichen Prüfung eine ganze Menge agrarischer und anderer Interessen in Frage; die Wirthschaftserschwerung der betroffenen Grundstücke, die Wegeverhält⸗ nisse, Ent⸗ und Bewässerungsverhältnisse erfordern meistentheils eine ziemlich langwierige und schwierige Voruntersuchung und Prüfung. 8 Ich habe wiederholentlich sowohl die Regierungs⸗Präsidenten wie die Königlichen Eisenbahn⸗Direktionen angewiesen, in Bezug auf diese Vorprüfung mit der thunlichsten Beschleunigung die Hindernisse aus

Reihe von Belastungen und Ausgaben den Kleinbahnunternehmern aus Meine Herren,

näher bezeichnet; ich bin also in dieser Beziehung nicht in der Lage, Vorredner aus den Material beigebracht worden ist. Der Herr Abg. Freiherr von der Goltz hat bei dieser Gelegenheit

eine fortifikatorische Anlage bei einem Einschnitt vorgeschrieben hätte. Meine Herren, in der Zentralinstanz des Arbeits⸗Ministeriums ist

Wenn es überhaupt vorgekommen ist, so betrifft das jedenfalls irgend eine Grenzbahn, die sich dem Bereiche einer Festung nähert. Die 8 Militärverwaltung ist abgesehen von dem Reichsrayongesetz auf

Grund des § 8 des Kleinbahngesetzes völlig in der Lage, berechtigt und verpflichtet, solche Anforderungen zu erheben, wenn sie die⸗

Auch bezüglich der Wegeübergänge ist meistentheils die Eisen⸗ gänge werden seitens des Regierungs⸗Präsidenten vorgeschrieben Die Eisenbahnverwaltung ist im großen Ganzen überhaupt keine 8 beklagt, daß eine Reihe von Kosten den Kleinbahnen zur Last gestellt würden, die eigentlich die Staatsbahnverwaltung ihrerseits übernehmen müßte. 1

Es sind da Beispiele angeführt worden von Kosten, die gefordert worden sind für Vermehrung der Bedienung in den Stellwerken, für

sich durch die Entscheidungen des Regierungs⸗Präsidenten oder der

den Kleinbahnunternehmern zur Last gestellt wird. Wo aber eine wirklich

dafür und so machen, das gebe ich von vornherein zu; aber im allgemeinen

Differenzen zu prüfen, und wo es nicht geschieht, möge man sich mit

daraus erwachse, daß wir die Herstellung direkter Tarife und direkter 2

ich wieder⸗ im Hause und in der

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