1899 / 68 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 20 Mar 1899 18:00:01 GMT) scan diff

oder welche sie sich nicht durch besonderen Beschluß vorbehalten hat. An⸗ träge und Gutachten, welche von dem Vorstande ausgegangen sind, müssen, soweit nicht nach Lage der Sache eine Geheimhaltung erforderlich ist, der Landwirthschaftskammer zur Kenntnißnahme vorgelegt werden.

Der Vorstand der Landwirthschaftskammer führt seine Legitimation durch eine Bescheinigung des

Die von der Landwirthschaftskammer ausgehenden Bekannt⸗ machungen sind unter deren Namen zu erlassen und vom Vorsitzenden oder dessen Stellvertreter zu unterzeichnen.

Die Bekanntmachungen erfolgen durch die „Kölnische Zeitung“ und die „Kölnische Volkszeitung“; sollte eins dieser Blätter eingehen, ehe auf dem Wege der hierfür ein Ersatz bestimmt worden ist, so erfolgen sie für die Zwlschenzeit durch den „Staats⸗ Anzeiger“. Z 612

Aenderungen der Satzungen müssen vom Vorstande oder von mindestens einem Viertel der Mitglieder beantragt und von mindestens der Hälfte aller ordentlichen Iöö angenommen sein.

Die nicht auf Kündigung angestellten Beamten der Landwirth⸗ schaftskammer haben im auf Pension nach Maßgabe der für die unmittelbaren Staatsbeamten geltenden Pensionsgesetze. Ueber die Berechnung der Dienstzeit ist im Anstellungsvertrage Bestimmung zu treffen.

In Betreff der Dienstvergehen der Beamten finden die Vor⸗ schristen des Gesetzes vom 21. Juli 1852 (Gesetz⸗Samml. S. 465) Anwendung. 1“ 8

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Bexglaubigt:

Der Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten. Freiherr von Hammerstein.

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8 Deutscher Reichstag. 58. Sitzung vom 18. März 1899, 1 Uhr.

Auf der Tagesordnung steht die zweite Berathung des

Reichshaushalts⸗Etats für 1899. Das Haus erledigt zunächst die aus der Militärvorlage sich ergebenden Aenderungen des Militär⸗Etats voll⸗ ständig nach den Anträgen der Kommission, nachdem der Berichterstatter Abg. Bassermann (nl.) darüber berichtet hat.

Bei den einmaligen Ausgaben des preußischen Etats, und zwar bei der Forderung für eine Artilleriekaserne in Allenstein bittet

Abg. von Queis (d. kons.), die kleineren Städte auch mit Gar⸗ nisonen zu bedenken, damit nickt die großen Städte die Mannschaften nach Ableistung ihrer Dienstzeit an sich zögen. Er bittet speziell, die innerhalb eines Tagemarsches von Allenstein liegenden kleineren Städte zu berücksichtigen.

Preußischer Generalmajor von der Boeck: Die Angelegenheit, die der Herr Vorredner hier eben zur Sprache gebracht hat, ist in den letzten Tagen hier wiederholt, sei es im Hause oder in der Kommission, behandelt worden. Der Herr Kriegs⸗Minister hat zu⸗ gesagt, auch künftig die kleineren Städte bei Belegung mit Garnisonen noch mehr wie bisher zu berücksichtigen. Ich darf darauf hinweisen, daß die Provinz Ostpreußen, für die der Herr Vorredner plaidiert hat, in letzter Zeit vielfach mit Garnisonen neubelegt worden ist und dort gerade die kleineren Städte Berücksichtigung gefunden haben. Ich darf hinweisen auf die Belegung von Rastenburg, Sensburg und Bischofsburg, ferner darauf, daß die Gegend, die der Herr Vorredner speziell angeführt hat, Allen⸗ stein, Dt. Eylau u. s. w., vor noch nicht so langer Zeit überhaupt keine Garnison hatte und die starken Garnisonen, die sich dort be⸗ finden, erst in den letzten Jahrzehnten dorthin gelegt worden sind. Was speziell Allenstein betrifft, so ist diese Frage gestern in der Budgetkommission eingehend erörtert worden, und der Herr Referent hat ebenfalls vorhin diese Sache beleuchtet. Ich darf mich deshalb in Bezug hierauf kurz fassen und nur nochmals hervorheben, daß Allenstein demnächst das Stabs⸗ quartier einer Division wird, was bedingt, daß die Garnison eine bestimmte Stärke haben muß. Dann wird Allenstein wie bisher der Zentralpunkt für den Grenzschutz im füdwestlichen Theil der Provinz Ostpreußen sein. Die Truppen müssen hier gewissermaßen konzentriert werden, um auf dieser ganz offenen Grenzstrecke zum Schutze der Grenze möglichst versammelt zu sein. Ferner sprechen für Konzentration in Allenstein das Vorhandensein der Schießplätze, Exerzierplätze, kurz alle Einrichtungen, welche für die Ausbildung der Truppen nothwendig sind. Wollten wir diese Ein⸗ richtungen in mehreren kleinen Orten der dortigen Gegend treffen, so würde das ganz bedeutende Mehrkosten verursachen. Des Ferneren hat der Herr Vorredner darauf hingewiesen, daß die Bevölkerung Ost⸗ preußens vielfach belästigt wurde durch die Märsche aus der starken Garnison Allenstein nach dem Schießplatz Arys. Diese Verhältnisse werden sich demnächst bessern, nachdem durch Verbilligung des Militär⸗ tarifs die Möglichkeit gegeben wird, die Truppen mehr wie bisher auf den Eisenbahnen nach den Uebungsplätzen zu befördern. Was den Bau einer Eisenbahn von Allenstein nach dem Truppenübungsplatz Arys betrifft, so möchte ich den Herrn Vorredner darauf aufmerksam machen, daß in den letzten Jahren gerade in der Provinz Ostpreußen zum großen Theil aus militärischen Rücksichten umfangreiche Vervoll⸗ ständigungen des Eisenbahnnetzes mit Reichsmitteln stattgefunden haben. Ich erinnere speziell daran, daß von Johannisburg nach Arys eine Eisenbahn projektiert ist. Was die übrigen Wünsche des Herrn Vorredners anbetrifft, so wird die Militärverwaltung dieselben in wohlwollende Erwägung zieben.

Die einmaligen Ausgaben werden ohne weitere Debatte genehmigt, ebenso die bege. Quoten.

ei dem Kapitel „Bankwesen“ bringt

Abg. Rickert (fr. Vgg.) die Frage zur Sprache, ob nicht die sehr hohen Kautionen der Reichsbankbeamten ebenso wie die der Reichs⸗ und preußischen Staatsbeamten aufgehoben werden könnten, wie dies auch bei den meisten großen Privatbanken geschehe.

Das Kapitel wird bewilligt, ebenso der Rest des Etats einschließlich der Anleihe und der Matrikularbeiträge, ferner das Etatsgesetz.

Es folgt die Abstimmung über den Antrag des Abg. Prinzen ses Schönaich⸗Carolath (nl.) wegen Gewährung eines Zu⸗ chusses von 50 000 zur Errichtung eines Goethe⸗ Denkmals in Straßburg.

Die Zählung ergiebt, daß 79 Abgeordnete gegen und 75 für den Antrag gestimmt haben. Das Haus ist bei Anwesen⸗ heit von 154 Mitgliedern nicht beschluügfahig Die Sitzung wird daher abgebrochen und die nächste Sitzung auf 3 ½ Uhr angesetzt. E111““

Das Haus nimmt in zweiter Berathung den Gesetz⸗ entwurf, betreffend die Aufnahme einer Aailit⸗ ür Zwecke der Verwaltungen des Reichsheeres, der arine und der Reichs⸗Eisenbahnen, ohne Debatte an, ebenso in zweiter Berathung den Gesetzentwurf wegen Verwendung überschüssiger Reichseinnahmen aus dem Rechnungsjahr 1899 zur Schuldentilgung. Auf Antrag der Geschäftsordnungs⸗Kommission wird ein sozialdemokratischer Antrag auf Einstellung eines gegen vL 8 1 111“

Falle ihrer Dienstunfähigkeit einen Anspruch

den Abg. Stadthagen (Soz.) schwebenden Straf⸗ verfahrens ohne Debatte durch Uebergang zur Tages⸗ ordnung erledigt. Schluß 3 ¾¼ Uhr. Nächste Sitzung Montag 1 Uhr. (Rechnungsvorlagen und dritte Berathung des Etats.)

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Preußischer Landtag.

Haus der Abgeordneten. 43438. Sitzung vom 18. März 1899.

den ersten Theil der Sitzung ist schon berichtet worden.

Nach Beendigung der dritten Lesung des Staatshaushalts⸗ Etats für 1899 geht das Haus zur ersten Berathung des vom Herrenhause herübergekommenen Gesetzentwurfs, betreffend Schutzmaßregeln im Quellgebiete der linksseitigen Zufluͤsse der Oder in der Provinz Schlesien, über.

Abg. Seydel⸗Hirschberg (nl.): Es kommt darauf an, die Niederschlagswässer im Quellgebiete zurückzuhalten. Darum begrüßen wir dieses Gesetz mit Freuden. Ich möchte die Regierung darauf aufmerksam machen, daß das Knieholz im Riesengebirge sich mehr und mehr vermindert. In den letzten Jahren ist die Verwaltung dem entgegengetreten, leider aber mit minimalen Erfolgen. Wir ver⸗ missen in der Vorlage eine Bestimmung über die Bebauung der Windflächen; dabei wird auch die Frage des schlesischen Auenrechts zu erledigen sein. In der Beitragspflicht hat das Herrenhaus er⸗ freulicher Weise dem Staate —auferlegt. Leistungsunfähige Gemeinden sollten von der Beitragspflicht überhaupt entbunden werden. Daß die des Gesetzes in eine Hard gelegt ist, ist erfreulich. Ich beantrage im Namen meiner Freunde die Ueberweisung der Vorlage an eine besondere Kommission von 14 Mitgliedern.

Abg. Graf von Strachwitz (Zentr.): Das Gesetz ist in Schle⸗ sien mit großer Freude begrüßt worden. Der Nutzen des Gesetzes kommt zum geringsten Theil den Anliegern zu gute. Den Nutzen haben vielmehr die unten liegenden Ortschaften, also die Allgemeinheit. Darum kann kein Zweifel darüber sein, wer den größten Theil der Kosten zu tragen hat. Leider hat der Landwirthschafts⸗Minister die Uebernahme der Hauptbeitragspflicht auf den Staat im Herrenhause abgelehnt, obgleich diese Vorlage dem allgemeinen öffentlichen In⸗ teresse dienen soll. stei Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer⸗

ein:

Die Wildbachverbauungsfrage bildet nicht den Gegenstand dieses Gesetzes. Es ist ja bekannt, daß eine große Zahl von Maßnahmen im schlesischen Hochgebirge in Aussicht genommen sind, welche be⸗ zwecken, die Gefahren des Hochwassers sowohl im schlesischen Hoch⸗ gebirge wie in dem unterliegenden Gelände zu beseitigen; zu diesen Maßnahmen gehören auch die Wildbachverbauungen. Aus formellen Gründen schon würde es jetzt nicht möglich sein, diese Frage in das Gesetz hineinzubringen, da bekanntlich über ein Provinzialgesetz der Provinzial⸗Landtag gehört werden muß; dies ist geschehen hinsichtlich des Inhalts des Gesetzes, das Ihnen jetzt vorliegt. Würde diese neue Frage nun noch in das Gesetz hineingetragen, so würde meines Erachtens der Provinzial⸗Landtag erneut gehört werden müssen.

Ich kann die Herren übrigens darüber beruhigen: die Wildbach⸗ verbauungsfrage bildet neben der Frage der Thalsperren und einer großen Zahl anderer Maßnahmen den Gegenstand sorgsamer Er⸗ wägungen und Verhandlungen mit dem schlesischen Landtage sowohl als auch mit dem Brandenburgischen Provinzial⸗Landtage. Zweifellos wird diese Frage angemessen geordnet werden.

Meine Herren, der Haupteinwand, der gegen dieses Gesetz sowohl im Herrenhause, wie heute hier erhoben worden ist, bezieht sich auf § 7, welcher lautet:

Soweit die Zurückhaltung des Niederschlagwassers oder die Verhütung der Entstehung von Wasserrissen, Bodenabschwemmungen, Hangrutschungen, Geröll⸗ oder Geschiebebildungen es erfordert, kann der Regierungs⸗Präsident

ich bitte, das zu beachten, es heißt nicht: „muß“ der Regierungs⸗ Präsident, sondern es heißt: „kann“ der Regierungs⸗Präsident 1) die Entwässerung von Moorflächen, 9) die Beackerung und die Beweidung von Grundstücken auf Hochlagen oder an Gebirgshängen— untersagen oder einschränken, 111A4“

3) die Verlegung oder Beseitigung vorhandener Gräben fordern. 1“

Die durch diese Maßnahmen erwachsenen Kosten das liegt in der Natur der Sache werden einen erheblichen Umfang kaum er⸗ reichen. Und nun bestimmte die Regierungsvorlage:

Für die den Grundbesitzern oder Nutzberechtigten hieraus

also aus den eben verlesenen Bestimmungen v entstehenden Nachtheile und Kosten hat die Gemeinde (der Guts⸗ bezirk) Entschädigung zu leisten. 1

Also die Staatsregierung hatte in Aussicht genommen, die Ent⸗ schädigung, die hiernach für diese Maßnahmen zu erfolgen hatte, solle von den Gemeinden getragen werden. Bei den Verhandlungen im Herrenhause hatte man in Aussicht genommen, diese Kosten allein der Staatsverwaltung aufzubürden. Ich bin in der Lage gewesen⸗ Stellung zu dem Antrage zu nehmen, den Herr Professor Intze im Herrenhaus gestellt hat, der bezweckte, diese Kosten zu dritteln, also ein Drittel der Gemeinde, ein Drittel dem Provinzialverbande und ein Drittel der Staatskasse aufzuerlegen. Ich habe keine Bedenken ge⸗ tragen, meine persönliche Stellung zu dieser Frage dahin zu prä⸗ zisieren, daß ich glaube, annehmen zu dürfen, daß ein solcher Beschluß des Herrenhauses bei der Staatsregierung keine Beanstandung finden werde, weil dieser Beschluß bestehenden Verwaltungsgrundsätzen ent⸗ spreche. Meine Herren, es handelt sich hier zweifellos um eine Melioration, und zwar um eine Melioration, die kaum über den Rahmen der Provinz hinausgeht, und für solche Meliorationen ist es feststehender Grundsatz der Staatsregierung, die Kosten zu einem Drittel den Betheiligten in diesem Fall den Gemeinden —, zu einem Drittel den betheiligten Provinzialverbänden und zu einem Drittel der Staatslasse aufzuerlegen. Ich habe aber schon im Herrenhause Ver⸗ anlassung gehabt, die ganz bestimmte Erklärung abzugeben, daß, wenn über diesen Rahmen in der Beschlußnahme des § 7 hinausgegangen würde, voraussichtlch die Staatsregierung den Gesetzentwurf wegen dieses Beschlusses nicht werde annehmen können, und ich bin ermächtigt und verpflichtet, auch heute hier dieselbe Er⸗ klärung abzugeben. Die äußerste Konzession auf diesem Gebiete, zu der sich die Staatsregierung bereit finden lassen kann, ist, daß ein Drittel der Kosten von den Betheiligten, in diesem Falle den Ge⸗ meinden, ein Drittel von dem Provinzialverbande und ein Drittel von der Staatskasse getragen wird; daß aber ein Beschluß des

Landtages, die ganzen Kosten der Staatsregierung aufzuerlegen, für

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die Staatsregierung unannehmbar ist. Nicht wegen der Bedeutung der Frage in sinanzieller Beziehung nimmt die Königliche Staats⸗ regierung den ablehnenden Standpunkt ein. Ich habe schon vorhin darauf hingewiesen, daß ich der Ueberzeugung bin, daß die Kosten einen erheblichen Umfang überall nicht annehmen werden. Die prinzipielle Bedeutung der Frage ist es, welche die Staatsregierung zu dem ablehnenden Standpunkt veranlaßt. Ein Nachgeben der Staatsregierung in dieser Frage führt zu Konsequenzen für eine ganze Reihe von Angelegenheiten, welche die Regierung abzulehnen berechtigt und verpflichtet sich erachtet.

Abg. Schilling (kons.) hätte gewünscht, daß das Gesetz ein Wiederaufforstung der abgeholzten Flächen in Aussicht gecheen. hätte, und bittet die Regierung, diese Frage nicht aus den Augen zu verlieren. Bedauerlich sei auch, daß das Quellgebiet der Neisse nicht berücksichtigt sei. Die Regierung möge mit Oesterreich in Verhand⸗ lung treten, um auch diese Frage zu regeln. Der Gesetzentwurf ent⸗ halte zweifellos Eingriffe in das Hepeteae Der Provinzial⸗ Landtag habe sich dafür entschieden, daß der Staat allein die Kosten zu tragen habe; das Herrenhaus habe einen Mittelweg vorge⸗ schlagen. Es wäre, fährt Redner fort, zu bedauern, wenn lediglich an der Kostenfrage dieser wichtige Gesetzentwurf scheitern würde. Wir werden zunächst an dem Herrenhausbeschluß festhalten. Hoffentlich gelingt es uns, in der Kommission eine Verständigung mit der Re⸗ gierung zu erzielen. Der vom Minister proklamierte Grundsatz ist vom Hause niemals anerkannt worden. Die Entwässerung von Moorflächen, die Beackerung und Beweidung von Grundstücken auf Hochlagen und die Verlegung oder Beseitigung vorhandener Gräben ind überhaupt keine Melioration im gewöhnlichen Sinne, sondern andespolizeiliche Maßregeln kraft des Hoheitsrechts des Staats im Interesse der Unterlieger. Allerdings haben auch die Gemeinden und Gutsbezirke eine Interesse an der Durchführung dieser Maß⸗ regeln, aber erst in zweiter Linie, darum könnte ihnen höchstens ½ der Kosten auferlegt werden. Die Regelung der Zuständigkeit durch den Präͤsidenten und Ober⸗Präsidenten garantiert eine schnelle Erledigung der zu treffenden Maßregeln. Es ist aber fraglich, ob dem Regierungs⸗ Präsidenten die nöthigen technischen Hilfskräfte zur Seite stehen, um das Gesetz schnell durchzuführen. Unsere jungen Forst⸗Assessoren sollten in Se für die Thätigkeit im schlesischen Gebirge vorgebildet werden.

Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:

Hier handelt es sich prinzipaliter bei § 7 um die richtige Ver⸗ theilung der Lasten, die durch die Maßregeln, die hier vorgesehen sind, entstehen können. Der Herr Vorredner hat gemeint, es handle sich hier garnicht um Meliorationen. Ich will um das Wort vorläufig nicht streiten; daß es sich aber um Maßregeln handelt, die den Nächstbetheiligten wesentliche Vortheile gewähren oder Schäden ab⸗ wenden sollen, das kann gar keinem Zweifel unterliegen. Es ist dieses ein Gesetz für besondere Verhältnisse einer Provinz; den Grund⸗ eigenthümern dieser einen Provinz soll dadurch geholfen werden. Da gilt der allgemeine Grundsatz, den wir beispielsweise beim Kom⸗ munalabgaben⸗Gesetz, bei der Regulierung der Lasten, die aus Sekundärbahnen hervorgehen, bei der Vertheilung der Lasten bei Kanälen, auf vielen anderen Gebieten theils durchgeführt, theils wenigstens mit dem Munde stets bekannt haben. Darauf beruht die Vertheilung der Lasten unter den Verbänden des Staates und dem Staate selbst. Hier liegt das Verhältniß nun gerade in der aller⸗ schärfsten Weise vor. Ob man den Namen Meliorationen gebraucht oder nicht, ist nach meiner Meinung dabei völlig gleichgültig, denn hier hgben wir eine ganz bestimmte Zahl von Anliegern an den Flüssen, deren Grundstücke vor Schaden behütet werden sollen, die den vorzugsweisen Vortheil haben. (Zuruf: Nein!) Wer hat denn anders, wenn man Ueberschwemmungen ver⸗ hüten will, den Vortheil als diejenigen Grundstücke, die von der Ueberschwemmung allein betroffen werden können? Worauf beruht denn die ganze Deichlast? Wenn Sie diese Prinzipien nicht an⸗ erkennen, dann müssen Sie die ganze Deichlast derjenigen Grund⸗ besitzer, welcher durch die Deiche geschützt werden, aufheben und die Last einfach auf den Staat übertragen.

Es liegt hier wirklich eine Melioration vor. Wenn Sie Schaden verhindern, so ist das ebenso eine Melioration als eine positive Verbesserung von Grundstücken.

Nun sagt der Herr Vorredner zweitens: das ist ja nie anerkannt, daß der Staat und die Provinz jeder ein Drittel bei Meliorationen be⸗ zahlen soll. Ja, meine Herren, wie liegt denn aber die Sache? Das hat wohl der Herr Vorredner vergessen? Fast alle diese Meliorationen zu welchen der Staat heute ein Drittel bezahlt, fallen nach dem Do⸗ tationsgesetz ausschließlich den Provinzen zur Last; denn in dem Do⸗ tationsgesetz heißt es, es werden bestimmte Summen für Landesmeliorationen hergegeben, und nur dann soll der Staat konkurrieren, wenn die Bedeutung der Meliorationen erheblich über die Grenzen der Provinzen hinausrescht; sonst müssen die Provinzen die Meliorationen nach dem Dotations⸗ gesetz ganz allein tragen. Manche Provinzen haben lange Zeit hin⸗ durch die von ihnen für Meliorationszwecke übernommenen Dotations⸗ gelder zum theil nicht einmal in vollem Maße für Meliorationen verwendet, und es hat eines starken Druckes seitens des landwirth⸗ schaftlichen Ministeriums bedurft, um überhaupt die Provinzen dazu zu bringen, daß sie die Gelder zu dem Zwecke verwendeten, zu welchem sie sie bekommen haben. In vielen anderen Fällen stellte sich heraus, daß die Provinz sich gänzlich ablehnend gegen eine Melioration ver⸗ hielt, indem sie der Melioration keine wesentliche Bedeutung beilegte. Und da sind wir nach und nach dazu übergegangen, um das Meliora⸗ tionswesen im Staat zu verstärken, zu verbessern und zu beschleunigen, der Provinz den Vorschlag zu machen: der Staat wolle auch ein Drittel bezahlen oder wenigstens den gleichen Betrag wie die Provinz⸗ wenn die Provinz das gleiche thäte. Dadurch hat sich allmählich ein gewisser Grundsatz gebildet, nicht zu Gunsten, sondern zu Lasten des Staats und zu Gunsten der Provinzen, welche, wie gesagt, in fast allen Fällen eigentlich berufen wären, allein die Meliorations⸗ kosten zu tragen. So liegen die Dinge in Wirklichkeit.

Meine Herren, wenn wir wiederum auf das gesetzliche alte System zurückgehen sollen, wenn die Provinzen das wünschen, könnte der Staat, wenn er nicht ein zu starkes Interesse an der Melioration des Landes hätte, finanziell sehr gern darauf eingehen; dann würde die Last wieder allein in den vom Gesetz bezeichneten Fällen bei den Provinzen stehen. Ich bitte den verehrten Herrn, sich mal die be⸗ treffenden Gesetze und auch die frühere Praxis anzusehen; er wird finden, daß diese Darstellung die richtige ist.

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(Schluß in der Zweiten Beilage.)

ist; denn ich glaube,

¹ (üSchluß aus der Ersten Beilage.)

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In der Festhaltung von Grundsätzen in dieser Richtung muß die Staatsregierung, wenn sie die zukünftige Entwickelung des Landes ohne Rücksicht auf Popularität im Auge behalten will, jetzt doch noch fester sein als früher; denn das wachsende Bestreben der Bevölkerung, der kleinen Verbände, der großen Verbände, alle Lasten auf den Staat zu wälzen, führt schließlich zu den allerverderblichsten Konsequenzen. (Sehr richtig!) Es ruiniert die Selbstverwaltung, es macht alle Ver⸗ hände von der Benevolenz der Bureaukratie abhängig; es führt zu einer Zentralisation, deren Kosten und Folgen nicht ab⸗ zusehen sind. Dem Landtage liegt eine ganze Fülle solcher Gesetze vor, wo genau dasselbe Bestreben wieder zum Vorschein kommt, und da kann die Staatsregierung, wenn sie ihre Pflicht gegen die zukünftige Entwickelung des Staates und der Gesellschaft im Auge behalten will, selbst ganz ohne Rücksicht auf Finanzfragen, nicht anders als grundsätzlich das Widerspiel halten. Wenn wir diese Frage nicht grundsätzlich behandeln, sondern bloß als eine Geldfrage ansehen, sehe ich voraus, welche Konsequenzen bezüglich anderer Fälle in anderen Provinzen daraus hergeleitet werden. Wir verlieren allen festen Boden und lösen alle schwierigen Fragen dadurch, daß man einfach den Staat heranzieht, der mag zahlen, wird dann aber auch regieren.

Meine Herren, im Herrenhause hat man gesagt von einer Seite: wenn das Gesetz scheitere, solle es scheitern an einer Geldfrage, weil dann klar wäre, daß wesentlich aus Geldrücksichten diese wichtige Gesetzgebung fiele. Ja, meine Herren, das ist doch eine höchst kurzsichtige Auffassung dieser Frage. (Sehr richtig!) Die Geldfrage ist hier wirklich unbedeutend. Wir glauben garnicht, daß durch diese im § 7 bezeichneten Maßregeln wesentliche Ausgaben von erheblicher Bedeutung entstehen werden. Er handelt sich hier nicht um bloße Geldfragen, sondern um eine prinzipielle Frage, die die größten Konsequenzen auf anderen Gebieten des Staatslebens herbeiführen muß.

Nun kann man ja allerdings zweifeln, ob die Vertheilung der Last, selbst wie sie in der Regierungsvorlage wäre und ich bin auf diesen Zweifel noch mehr gekommen durch die Debatten im Herrenhause, wonach grundsätzlich die Gemeinden, in denen diese Meliorationsarbeiten vorgenommen werden, die Träger der ganzen Last sein sollen, und nur im Falle des Unvermögens Beihilfen zu leisten wären. Man kann ja wohl vertheidigen die Anschauung, die auch das Mitglied des Herrenhauses, Prof Intze, geltend gemacht hat, daß von den Maßregeln im § 7 vielfach die Gemeinde, in der sie vorgenommen werden, am allerwenigsten Vortheil hat (sehr gut!), sondern daß das Schwergewicht auf die Unterlieger meistens, wenigstens

sehr oft fällt. (Sehr richtig! rechts.) Mannigfach wird es ja auch anders sein. Es kann daher sehr wohl gedacht werden, daß man dem Vorschlag, den derselbe Professor Intze⸗ im Herrenhause gemacht hat, zustimmt, diese Lasten zu dritteln; denn man kann ja im einzelnen Falle Vortheile und Lasten nicht erst zahlenmäßig feststellen, ehe man die Lasten vertheilt, sondern man muß irgend eine Regel aufstellen: zwei Drittel trägt die Gemeinde und ein Drittel trägt die Provinz und der Staat. Meine Herren, dann geht der Staat schon über seine Aufgabe wesentlich hinaus, denn von jeder Verminderung der Nachtheile infolge Herunterstürzens des Wassers von den Gebirgen hat die Provinz in erster Linie den Vortheil (sehr richtig! rechts), und die Provinz ganz frei zu lassen, nachdem man die Gemeinde auf ein Drittel entlastet hat, das wäre gegen alle Prinzipien ich hätte fast gesagt, gegen alle Kleiderordnung.

Meine Herren, wenn in der Weise eine Verständigung erzielt werden könnte das hat ja auch der Herr Landwirthschafts⸗Minister schon angedeutet —, so würde, glaube ich, das Gesetz keine Schwierig⸗ keiten haben. Aber ich kann nur wiederholen mit dem Herrn Land⸗ wirthschafts⸗Minister: wenn dieser Versuch, diese Kosten lokaler und provinzieller Meliorationen allein dem Staate zuzuweisen, hier in diesem Hause fortgesetzt wird, so kann die Staatsregierung nicht anders, als mit dem größten Bedauern das Gesetz fallen lassen.

Ich bitte das Haus, diese Gesichtspunkte bei der Weiterberathung des Gesetzes zu beachten. Ich muß doch auch darauf hinweisen, meine Herren, daß die einzelnen Abgeordneten hier im Hause nicht allein die Vortheile und Nachtheile der einzelnen Provinz oder ihres Wahl⸗ kreises zu vertreten bezw. abzuwehren haben, sondern daß sie den Gesammtstaat vertreten, und daß die Konsequenzen, die aus solcher verkehrten Behandlung einer richtigen Vertheilung der öffentlichen Lasten entstehen, nicht der Regierung allein, sondern der ganzen Be⸗ völkerung und dem ganzen Staat zur Last kommen.

Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer⸗

sttein:

Meine Herren! Ich gestatte mir, auf drei Punkte einzugehen, die

G6 der Herr Vorredner angeregt hat.

Zunächst hat er im allgemeinen den Wunsch ausgesprochen, daß der Zwang zur Wiederaufforstung entwaldeter Flächen vom Staate gesetz⸗

lich geregelt werde. Die landwirthschaftliche Verwaltung erkennt das Be⸗ dürfniß, im Wege der Gesetzgebung vorzugehen, in vollstem Umfange

an. (Sehr gut! rechts.) Der gegenwärtige Gesetzentwurf beabsichtigt nicht diese Frage zu regeln, er ist ein Versuch, der zunächst für Schlesien gemacht werden soll, um Hochwasserschäden zu begegnen. Die Königliche Staatsregierung nimmt in Aussicht, auch in den übrigen Theilen der Monarchie, beispielsweise in Westfalen, in der Rheinprovinz, wo ähnliche Verhältnisse wie in Schlesien vorliegen, die Hochwassergefahren durch ein ähnliches Gesetz zu bekämpfen. Andererseits denkt die Königliche Staatsregierung ernstlich daran und dafür liegt zweifellos ein Bedürfniß vor —, die Frage der Wiederaufforstung von Oedländereien durch Private, auch die fehler⸗ hafte Behandlung dex Privatwaldungen im Wege der Gesetzgebung zu regeln und zu bessern. (Bravo! rechts.) Dazu ist aber allerdings erforderlich, daß der Landtag und namentlich das hiesige hohe Haus eine etwas günstigere Stellung zu ähnlichen, in das Privatrecht eingreifenden Gesetzentwürfen einnimmt, wie das bei früheren Anlässen geschehen die Königliche Staatsregierung wird sich erst

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Berlin, Montag, den 20. März

dann zu einer solchen Gesetzesvorlage entschließen, wenn die Garantie vorliegt, daß nicht ein Schlag ins Wasser erfolgt, daß vielmehr eine Wahrscheinlichkeit der Annahme eines solchen Gesetzes vorliegt. Ich weise noch besonders darauf hin: daß also dieser Gesetzentwurf nicht allein für die Provinz Schlesien bestimmt ist, daß vielmehr ähnliche Provinzialgesetze auch für andere Landestheile zu erlassen beabsichtigt wird. Um so bedenklicher ist es, von dem Prinzip abzustehen, welches die Königliche Staatsregierung hier heute vertreten hat, daß unter allen Umständen die Betheiligten und die Provinzen an den Kosten betheiligt werden.

Dann hat der Herr Vorredner gebeten, man möge er⸗ wägen, ob das Quellgebiet der Neisse, das außerhalb Preußens liege, nicht in ähnlicher Weise geschützt werden könne, wie das durch dies Gesetz für die übrigen schlesischen Gebirgsflüsse geschehen soll. Es sind Kommissare der land⸗ wirthschaftlichen Verwaltung in das böhmische Gebirgsgebiet gereist, um diejenigen Maßnahmen kennen zu lernen, die der österreichische Staat und die österreichischen Provinzen zur Abwendung von Hoch⸗ wassergefahren in weit größerem Maße ergriffen haben, als das bisher in der preußischen Monarchie geschehen ist. Ich glaube, den geehrten Herrn Vorredner beruhigen zu dürfen. Aehnliche und vielleicht noch tiefer einschneidende Maßnahmen, wie wir beabsichtigen, sind in Oester⸗ reich für alle Quellgebiete, also auch für das Quellgebiet der Neisse, in der Ausführung begriffen, zum großen Theil schon ausgeführt worden. Wenn es sich als nothwendig herausstellen sollte, durch Verhandlungen mit der österreichischen Staatsregierung auf Verbesserung dieser Ver⸗ hältnisse hinzuwirken, wird die preußische Staatsregierung keinen An⸗ stand nehmen, in dieser Richtung dem Wunsche des Herrn Vorredners zu entsprechen.

Schließlich hat der Herr Vorredner den Wunsch ausgesprochen, daß sofort, nachdem dieses Gesetz verabschiedet sei, dem Herrn Re⸗ gierungs⸗Präsidenten die nöthigen Kräfte zur Verfügung gestellt werden, damit dieselben mit der Ausführung rasch vorzugehen in die Lage kommen. Auch in der Beziehung glaube ich vollständig beruhigen zu können. Der größere Theil der nothwendigen Vorarbeiten liegt be⸗ reits vor, das nöthige technische Personal von jüngeren Forst⸗ und Meliorationsbeamten wird sofort, wenn das Gesetz erlassen ist, dem Re⸗ gierungs⸗Präsidenten zur Verfügung gestellt werden, damit möglichst rasch die guten Wirkungen des Gesetzes eingeerntet werden.

8 kons.): Die Kosten müssen allerdings möglichst auf 14 8 vrensgit 1es In ücn, Falle sind aber die Gemeinden nicht zu den Interessenten zu rechnen. Wenn die Unterlieger den Hauptvortheil haben, so ist es eine Ungerechtigkeit, die oben liegenden Gemeinden zu den Kosten heranzuziehen. Hier soll aber die Be⸗ nutzung von Moorflächen zc. untersagt werden, und es greift der Grundsatz der Verfassung Platz, daß rivateigenthum nur bei voller Errschädfgung entzogen werden kann. Staat und Provinz müssen sich an der Sache betheiligen, allenfalls könnte man noch den Kreis daran

betheiligen. Im höchsten Grade ungerecht würde es sein, wenn der bre⸗ auer auch die Kosten für die Ableitung des Wassers in Stich⸗

räben bezahlen müßte.

8 Abg. Graf von Strachwitz: Die Kommission wird sich im wesentlichen mit der Frage zu beschäftigen haben, ob es sich um Meliorationen oder Polizeiverfügungen handelt. Es wird der Re⸗ gierung schwer werden, das erstere nachzuweisen. Von der Wieder⸗ aufforstung, die der Regierungs⸗Präsident anordnen kann, hat ja auch nicht der Besitzer, sondern die Allgemeinheit einen Vortheil.

Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:

Ich will dem Herrn Vorredner erwidern, daß Polizeiverordnung und Melioration gar keine Gegensätze sind. Wir haben in einer großen Anzahl von Fällen Zwangsmeliorationen, die nicht von dem freien Willen der Betheiligten abhängen, die nichtsdestoweniger Meliorationen sind. Also wenn die Kommission sich mit dieser Doktorfrage beschäftigen wollte, ob das Polizeiverordnung oder Melioration ist, so würde sie ganz unnütz ihre Zeit verbrauchen.

Meine Herren, der Herr Abg. Gamp hat die Gemeinden ganz freilassen wollen, wenn ich ihn recht verstanden habe. Wenn er den nächsten Kreis heranziehen will, so kann man das ebenso gut be⸗ kämpfen und vertreten, als wenn die Ursprungsgemeinden heran⸗ gezogen werden zu einem Theil dieser Kosten. Sie allein heranzu⸗ zlehen, dagegen kann man ja allerdings schwerwiegende Gründe an⸗ führen. Es giebt doch aber auch sehr viele Fälle, wo die ganze Ge⸗ meinde, in welcher die Maßnahmen getroffen werden, doch sehr be⸗ deutende Vortheile von diesen Maßnahmen hat. (Zuruf des Abg. Gamp: Vorbesteuerung!) Ja, das wäre auch ein Modus; aber das würde doch nur da möglich sein, wo der Vortheil sehr wesentlich ist, wo es sich um große Gemarkungen handelt, wo die Gemeinden viel⸗ leicht große Waldungen und Forsten haben. Die Gemeinden gan frei zu lassen, würde ich für bedenklich halten. Ob man den Kreis. heranziehen will, ist eine Frage, die man auch erwägen kann; jeden⸗ falls ist er einer der allernächst Betheiligten. Aber über diese Frage ist bis jetzt sehr wenig Differenz gewesen, sondern man hat es unbillig gefunden, wie es nach der Regierungsvorlage geschieht, die Gemeinden zu scharf heranzuziehen.

Man hat gesagt: bleibt ein großer Rest übrig, zwei Drittel oder drei Viertel, dann soll der Staat allein bezahlen, und ich freue mich, daß ich in dieser Beziehung die Unterstützung des Herrn Abg. Gamp habe, daß wir, entsprechend dem Grundsatze unserer Lasten⸗ vertheilung, handeln, nämlich daß bei Meliorationen oder Maßregeln zur Verhütung von Naturschäden die naͤchstbetheiligten Provinzen in dieser Beziehung jedenfalls mitwirken. Das würde die entscheidende Frage sein; die lediglich finanzielle Frage das kann ich betonen; in dieser Beziehung irrt sich Graf Strachwitz vollständig ist verhältnißmäßig unbedeutend und wird auch meistens vorübergehend sein. Also vom finanziellen Standpunkt in diesem einzelnen Falle gehe ich garnicht aus, und es ist sehr irrig, wenn Herr Graf Strachwitz glaubt, hier stecke wiederum der Finanz⸗Minister, das leidige Kastanienwäldchen, dahinter. (Heiterkeit.) Ja, meine Herren, man macht sich da ein ganz falsches Bild. Hänfig lese ich in den Zeitungen, namentlich auch in den Debatten des Reichstages, deren Mitglieder oft weniger Ahnung

(große Heiterkeit) von der inneren preußischen Verfassung und

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußi

Verwaltung haben —: da ist wieder der Finanz⸗Minister in Preußen 8 schuld, während es sich um Dinge handelt, von denen ich überhaupt noch gar keine Kenntniß bekommen habe, nie in der Lage gewesen bin, Stellung zu der Sache zu nehmen. Also ich sage auch in diesem Falle, Herr Graf Strachwitz irrt sich. Die wahren Motive, die die Regierung leiten, habe ich in genügender Weise auseinandergesetzt, und ich möchte die Herre bitten, den Ernst des Widerstandes der Regierung als sehr groß an zunehmen und nicht darauf zu rechnen, daß in dieser grundsätzlichen Frage die Regierung einfach den Wünschen der Nächstbetheiligten folgen wird. Die Kommission kann darauf nicht rechnen. Meine Herren, das Gesetz ist sehr wichtig, namentlich als Anfangsgesetz für eine weitere Gesetzgebung, die das ganze Land allmählich umfassen soll; und da kann die Regierung an sich, wo es sich nicht um ei 1 paar Groschen handelt, sondern um wichtige, festzuhaltende Grund⸗ sätze, nicht nachgeben.

Ich wollte noch eins nachträglich bemerken. Der Herr Ab Gamp hat gesagt: Wie kommt der Grundeigenthümer dazu, der hier durch Zwangsmaßregeln angehalten wird, bestimmte Maßnahmen treffen oder zu unterlassen, Entschädigungen zu zahlen? Aber er selbst soll gar keine Entschädigungen zahlen, sondern die Gemeinden; ihm werden ja die Kosten ersetzt, er soll ja volle Entschädigung haben, daher kann dieser Einwand nicht zutreffend sein.

Der Gesetzentwurf wird einer Kommission von 14 Mit⸗

liedern überwiesen. der Denkschrift über die Aus⸗

Es folgt die Berathung “’“ Gesetzes vom 20. April 1898, betreffend die

Bewilligung von Staatsmitteln zur Beseitigung der durch die Hochwasser des Sommers 1897 herbei⸗ geführten Beschädigungen. 8 ] Abg. Seydel⸗Hirschberg bemerkt, daß die gewährten Beihilfen hinter den Ansprüchen zurückgeblieben seien. Er müsse allerdings an⸗ erkennen, daß es sehr schwer sei, derartige Ansprüche gerecht zu beurtheilen. Jeder ärgere sich, wenn der Nachbar mehr bekomme, als er selbst. Zu einer Ueberweisung der Denkschrift an eine Kommission liege aber keine Veranlassung vor. 1“ Abg. Langer (Zentr.) fragt an, ob die Beihilfen mit diesem Bericht abgeschlossen seien.

Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:

Der ganze Inhalt der Denkschrift zeigt, daß wir nicht berichten wollen über ein absolut abgeschlossenes Unterstützungswerk. Es ist ein vorläufiger Bericht, wie auch z. B. für die Provinz Sachsen wenn ich mich recht entsinne Zahlen noch gar nicht angegeben sind. Die Sache liegt so, daß im Großen und Ganzen die Staatsregierung die Sache als abgeschlossen betrachtet. Wenn aber in einzelnen Fällen ihr nachgewiesen wird, daß noch ein dringendes unbefriedigtes Bedürfniß vorliegt, daß die Ausführung hier und da nicht in genügender Weise vorgenommen ist, so werden wir solche Beschwerden nicht a limine abweisen mit der Bemerkung: Die Sache ist abgeschlossen, es ist kein Geld mehr da, sondern wir werden sie eingehend prüfen und erforder⸗ lichenfalls die nöthigen Mittel zur Disposition stellen.

Ich glaube, das wird den Herrn Vorredner vollständig beruhigen können, und es scheint mir aus dieser Stellungnahme der Staats⸗ regierung allerdings hervorzugehen, daß die kommissarische Berathung kaum von erheblicher Bedeutung sein wird. Aber ich möchte durch diese Bemerkung nicht das ganze Andrängen berechtigter und un⸗ berechtigter Forderungen hier wachrufen. Es kann nur in Ausnahmen, wo dringende Bedürfnisse übersehen und deßhalb nicht befriedigt sind, die Staatsregierung auf die Angelegenheit weiter eingehen.

Man muß, wie auch schon der Herr Abg. Seydel gesagt hat, bei derartigen Maßnahmen, wo man Unterstützungen zu vertheilen hat, höchst vorsichtig sein. Man kann schließlich auch, wenn man nicht vorsichtig ist, was voraussetzt, daß man im einzelnen Falle auch streng sein kann, ebensogut einen ich darf den Ausdruck wohl ge⸗ brauchen geradezu demoralisierenden Eindruck auf die Bevölkerung

hervorrufen. (Sehr richtig!)

Abg. von Kölichen (kons.) erkennt an, daß die Wünsche des Hauses von der Staatsregierung in der bereitwilligsten Weise erfüllt worden sind. Namentlich sei es erfreulich, daß die Regierung über die bewilligten 5 Millionen um 1 Million Hinsncgecacne sei. Den ausführenden Organen gebühre der wärmste Dank. Die Uferbefesti⸗ gung und andere Maßregeln seien in vorzüglicher Weise ausgeführt und damit der Regulierung der Mlusse vorgearbeitet worden. Zu letzterem Zweck seien noch weitere Mittel nothwendig. Daß die Ver⸗ theilung der Hamnegeeenhet erregt habe, sei in einer so delikaten Frage sehr erklärlich.

e 98 Werdeck (kons.) spricht die Erwartung aus, daß das neue Projekt der Regulierung der Spree einen besseren Erfolg haben möge, als das Projekt vor 15 Jahren. Wann werde das Projekt ausgeführt werden?

eühft werceRath Schröter: Ich darf kurz auf die Anfrage des errn Vorredners über das Spree⸗Regulierungsprojekt, dessen in der Herck nift gedacht ist, antworten. elbstverständlich kann ich keine Auskunft darüber geben, ob und wann das Projekt ausgeführt werden wird; denn darüber kann kein Zweifel sein, daß ein so großes Projekt, das, wie ich gleich erwähnen werde, so bedeutende Mittel erfordert, nicht allein auf Kosten des Staates ausgeführt werden kann. Da werden selbstverständlich noch Andere sich zu be⸗ theiligen und mitzureden haben, d. h. vor allen Dingen die Provinz und dann die Interessenten selbst. Von den Verhandlungen mit diesen Instanzen wird es abhängen, ob die Regulierung zu stande kommen wird. Das aber kann ich erklären, daß ein Projekt that⸗ sächlich aufgestellt ist, und zwar für die Spree von der sächsischen Grenze bis in die Nähe von Berlin. Dieses Projekt ist natürlich nicht in allen Einzelheiten ausgearbeitet, aber doch soweit, daß im wesentlichen übersehen werden kann, was geschehen soll und wieviel die Kosten betragen werden. Das Projekt schließt, wie ich weiter mittheilen kann, damit ab, daß für die nichtschiffbare Strecke der Spree bis Leibsch ein Kostenaufwand von 8 250 000 ver⸗ anschlagt ist und für die schiffbare Strecke ein solcher von 6 Millionen. Ob es möglich sein wird, durch Zusammenwirken des Staates, der Provinz und der Betheiligten so viel aufzubringen, daß das Projekt ausgeführt werden kann, das steht bei der sehr beträchtlichen Höhe dieser Summen dahin. 2 8 Der Bericht wird durch Kenntnißnahme für erledigt erklärt. In der hierauf folgenden ersten Berathung des Gesetz⸗

entwurfs über die Verle⸗ 8 der preußisch⸗öster⸗ reichischen Grenze längs des Przemsa Flu ses weist