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Die bei dem Etat der Zölle und Verbrauchssteuern vorliegenden Anträge wegen der Mühlenkonten und des Verbots der Surrogatverwendung bei der Bier⸗ bereitung werden an eine Kommission von 21 Mitgliedern überwiesen.
b5 8 dem Etat der Reichs⸗Postverwaltung beschwert er
Abg. Schwarze (Zentr.) darüber, daß ihm gestern auf seine Klage keine Antwort gegeben worden sei.
Staatssekretär des Reichs⸗Postamts von Podbielski:
Ich muß den Vorwurf des Herrn Abg. Schwarze unbedingt zurückweisen. Ich glaube, er hätte wohl ein Recht, diesen Vorwurf zu erheben, wenn jetzt bei dem Etat der Reichs⸗ Postverwaltung ihm nicht eine bezügliche Antwort zu theil geworden wäre; der Herr Prä⸗ sident wird mir bestätigen können, daß mein Herr Kommissar, ehe der Herr Abgeordnete seine Rede begonnen, sich bereits zum Worte ge⸗ meldet hatte.
Direktor im Reichs⸗Postamt Kraetke erklärt, daß die Post im Kreise Lippstadt seit dem 1. Oktober aufgehoben sei, ohne daß das Publikum sich darüber beschwert hätte. . 3
Abg. Schwarze geht auf die speziellen Verhältnisse ein und wird vom Präsidenten Grafen von Ballestrem darauf aufmerksam gemacht, daß diese Einzelheiten wohl nicht zur dritten Lesung gehörten.
Abg. Schwarze erklärt, daß er zur Vorbringung dieser Einzel⸗ heiten nur durch den Vertreter des Reichs⸗Postamts veranlaßt sei.
Präsident Graf von Ballestrem: Der Redner hat sich erst beschwert darüber, daß er keine Antwort bekommen habe, und jetzt be⸗ schwert er sich über die Antwort selbst. 1
Abg. Dr. Müller⸗Sagan (fr. Volksp.): Der Staatssekretär des Reichs⸗Postamts hat uns über die Umrisse der Personalreform Mittheilung gemacht, aber nicht über den Zeitpunkt, wann diese Reform in Kraft treten soll. Es sollen Pest⸗Assessoren geschaffen werden, die ein mehrjähriges Studium durch⸗ machen sollen. Wie lange soll das Studium dauern und wo soll es erledigt werden? Für die mittlere Laufbahn soll die Reife für Üntersekunda gefordert werden. Das würde ich für höchst bedauerlich halten; denn diese jungen Leute besitzen keine in sich abgeschlossene Bildung. Erfreulich ist es, daß den bewährten Assistenten die Zulassung zur Postsekretär⸗Prüfung offen stehen soll.
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Redner wendet sich dann den Stellenzulagen zu und empfiehlt, dieselben
als pensionsfähig zu erklären.
Staatssekretär des Reichs⸗Postamts von Podbielski: Der Herr Abg. Dr. Müller fragt mich zunächst, wann die in Aussicht gestellte Personalreform in Wirksamkeit trete. Ich hoffe, mit dem nächsten Jahre. Aber man glaubt immer, ich könnte alles umstürzen und neue Stellen schaffen. Darüber darf keine Täuschung obwalten: eine derartige Personalreform braucht zu ihrer Durch⸗ führung 15, 20 Jahre. (Sehr richtig!) Wir sind heute noch nicht mit der Personalreform des Jahres 1873 zu Ende gelangt. Das ist ganz naturgemäß bei der großen Beamtenhierarchie: da können nicht plötzlich Stellen frei gemacht werden nach oben für die Assistenten, sondern das kann nur Schritt für Schritt durchgeführt werden. Ich habe schon in der Kommission erklärt, daß wir im Herbst Post⸗ gehilfen werden annehmen müssen, aber Posteleven noch auf Jahre hinaus nicht; damit sind die großen Momente klar ge⸗ legt. Die Neuen werden naturgemäß unter den neuen Verhältnissen angenommen.
Was weiter den Vorwurf der nicht abgeschlossenen Bildung für die Assistentenlaufbahn betrifft, so gebe ich dem Herrn Abg. Müller zu, es wäre wünschenswerther, daß die Vorbildung in der Jugend, in der Schule, einen gewissen Abschluß erreichte. Ich wäre erfreut, wenn in allen zum Reichs⸗Postgebiet gehörigen Ländern ein einheit⸗ liches Schulsystem, namentlich die neunklassige Mittelschule, die einen gewissen Abschluß der Bildung bewirkt, durchgeführt wäre, und wenn ich mich darauf stützen könnte. Bei der Vielgestaltung unseres Schulwesens in den einzelnen Ländern ist es thatsächlich nicht möglich, irgend eine ganz bestimmte Linie zu zieben. Ich habe sie versucht zu ziehen mit der Reife für Unter⸗Sekunda. Ich möchte auch den Herrn Abg. Müger darauf hinweisen, was auch von vielen Anderen beobachtet worden ist, daß sehr viele, die sogar das Reifezeugniß einer höheren Schule erlangt und nicht allein das Examen für den ein⸗ jährig⸗freiwilligen Dienst bestanden haben, nachher, wenn si⸗ die Assistentenlaufbahn eingeschlagen haben, Unbefriedigung fühlen; sie kennen und verstehen mehr und können ihre Fähigkeiten nicht genügend zur Geltung bringen, da es die Laufbahn nicht zuläßt. Ich bin nicht gegen höhere Bildung, aber man dacf diese Verhältnisse nicht beurtheilen nach unseren westlichen Landstrichen. Es ist unzweifelhaft die Beobachtung gemacht worden, daß die Schalbildung der Afsistenten im Westen höher ist als z. B. in Posen. Darüber möchte ich dem Herrn Abg. Müller aber keinen Zweifel lassen: die Festsetzung der Bedingungen für die Anstellung ist nur Sache der Verwaltung. Ich habe die Grundsätze der zukünftigen Personalreform dem Hause unterbreitet, damit namentlich auch die Schulen, die den Wunsch hatten, es zu wissen, erfahren konnten, woran sie sind.
Daß von dem Herrn Abg. Dr. Müller (Sagan) die Verbältnisse nicht richtig beurtheilt werden, das geht daraus hervor, daß er sagt, das Examen allein muß entscheiden. Nein, meine Herren, es kann ein Postassistent vollgepfropft sein mit Wissen bis über die Schultern hinaus und im praktischen Dienst ist er doch unbrauchbar. (Sehr chtig!) Also meines Erachtens muß man eist wissen, daß er sich n Geschäft bewährt. Dann erst lasse ich ihn zum Examen zu. Diese äuschung ist sehr oft in den Kreisen vorhanden, die der Herr Abg.
Müller vertritt, daß sie meinen, allein das Examen solle entscheiden.
a kann ich nur den Satz immer wiederholen, der nicht nur in der Armee, sondern im ganzen Geschäftsleben überall sich bestätigt, daß nur der nachher befähigt ist zu befehlen, der zuerst geborchen gelernt hat. (Sehr richtig! rechts.) Wer das nicht kann, ist nachber auch nicht ein Vorgesetzter, der mit Wohlwollen den Untergebenen gegen⸗ übertritt, wie ich es von dem Vorgesetzten in der Verwaltung
ange.
Sodann hat der Herr Abg. Müller angeführt, welche Verhält⸗ nisse früher bei der Anstellung der Assistenten in der Verwaltung maßgebend gewesen sind. Ich brauche darauf nicht näher einzugehen; ich möͤchte nur konstatieren, daß die Verhältnisse für die Anstellung
der mittleren Laufbahn nicht so ungünstig zur Zeit liegen,
je sie z. B. im Jahre 1890 waren, daß vielmehr thatsächlich in der Postverwaltung das Avancement zu diesen Stellen besser ist als in irgend einer anderen Verwaltung.
Die gehobenen Unterbeamtenstellen weiter anlangend, wird mir immer mein Vorgänger, Excellenz Stephan vorgeritten hinsichtlich der Berurtheilung der Zulagen. Ich glaube, er hat, wie auch der Abg. Müller ganz zutreffend gesagt hat, diese seine Kritik angelegt an den vorhergehenden Titel, wo im Dispositiv nicht ganz klar festgelegt ist,
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wer zum Empfang dieser Stellenzulagen berechtigt ist, während hier genau ausgesprochen ist, für welche Dienstverrichtungen Stehen⸗ zulagen gewährt werden sollen. Ich möchte nicht auf die Details eingehen; die habe ich der hohen Kommission unter⸗ breitet, ich möchte aber einen Fall Ihrer Kritik unterwerfen. Denken Sie sich, es bekommt heute ein Geldbesteller diese Zulage; der Mann ist gut und tüchtig und hat Anspruch auf dieselbe. Jetzt wird der Mann ein Trinker. Glauben Sie, daß ich den Mann noch im Geldbestelldienst belassen kann? Wie oft muß die Verwaltung aus gewissen Stellen herausnehmen solche Beamte, gegen die sonst das Disziplinarverfahren eingeleitet, die sonst aus ihrem Amte gebracht und deren ganze Familie in Kummer und Elend versetzt werden müßte. Meine Herren, da ist es oft viel besser, ich gebe einem solchen Manne nicht eine verantwortliche Stelle, wo er mit Geld zu thun hat; er wird dann vielleicht noch im inneren Be⸗ triebe verwendet und muß selbstverständlich dann die Zulage verlieren. (Sehr richtig!) Das sind die Verhältnisse der Praxis. Auf andere Fälle möchte ich noch hinweisen. Es kommen auf der Bahnpost — ein Geschäftsbetrieb, der ebenfalls zu den gehobenen Unterbeamten⸗ stellen rechnet — Briefe und Packete weg. Ich kann es dem Mann vielleicht zwar direkt nicht beweisen, ich nehme ihn indessen auf den Verdacht hin einfach lieber heraus und gebe ihm eine andere Beschäftigung, in der er besser überwacht werden kann. Ich bin gern bereit, dem Wunsche der Kommission auf Festlegung dieser Zulagen im nächsten Jahre vollkommen zu entsprechen; aber wir werden dann doch zuvor gemeinschaftlich darüber verhandeln müssen, um die Kautele zu schaffen, daß wir nicht immer mit der ganzen Härte und Schärfe gegen die Leute vorzugehen brauchen. Ich will den einzelnen Fall der Budgetkommission gern unterbreiten; denn es liegt mir nichts ferner, als eine Kriecherei nach solchen gehobenen Unterbeamtenstellungen hervorzurufen. Wir beschreiten m. E. jetzt einen Mittelweg, während gerade die Herren, die heute so drängen, auf der andern Seite unter Umständen große Härten für solche Beamten erzengen könnten. (Sehr richtig!) Ich glaube, das sind die Punkte gewesen, die der Abg. Müller berührt hat.
Abg. Dr. Müller⸗Sagan: Die Grenzlinie für die Ausbildung ist von der Reichsschulkommission gezogen; man sollte nicht eine neue Grenzlinie nach Belieben einführen.
Abg. Singer spricht die Hoffnung aus, daß den jetzigen Assistenten am ersten die Personalreform zu gute kommen möge, und kommt dann auf die Maßregelung der Unterbeamten, der Zeitung des Verbandes derselben und des Verbandes selbst zurück, wobei er eine angebliche neue Maßregelung aus Hamburg anführt.
Staatssekretär des Reichs⸗Postamts von Podbielski:
Ich weiß nicht, was dem Herrn Abg. Singer zu dem Ausdruck Veranlassung gegeben hat, zu sagen: es wird fortgewurstelt in der Postverwaltung. Nein, meine Herren, nach einem ganz bestimmten, festen Prinzip handle ich, und davon seien Sie überzeugt: so lange, wie Seine Majestät befiehlt, das ich an dieser Stelle stehe, werde ich nach diesem Prinzip verfahren. Ich wurstle nicht, sondern ich handle (Heiterkeit), und gerade das, was der Herr Abg. Singer mir vorwirft, ist wieder ein Zeichen dafür, daß ich ganz ruhig unentwegt auf diesem Gebiete fortschreite. Meine Herren, es handelt sich nicht um eine so harmlose Sache, wie der Herr Abg Singer sie beliebt, Ihnen vorzustellen: ein entlassener Pest chaffner aus Braunschweig fährt nach Hamburg, er findet dort einen ehemaligen Kollegen, der ist ihm behilflich, eine Wirtbschaft zu pachten, und wie ich das höre, versetze ich diesen Postschaffner. Nein, meine Herren, so liegt der Fall nicht; sondern dieser entlassene Postschaffner Schmidt aus Braunschweig fährt nach Hamburg uund wendet sich an den dor⸗ tigen Verband — es handelt sich nicht um den allgemeinen Verband, sondern um den lokalen Verband in Hamburg, an dessen Spitze sechs Unterbeamte stehen. An diese wendet er sich, und diese sechs Unter⸗ beamten übernehmen einer Brauerei gegenüber die Zablungsverpflich⸗ tung für den Verband betreffs des Bieres, welches dieser Mann entnimmt. Ich halte zurxächst die Haftung eines solchen Verbandes von Unter⸗ beamten, die nicht im stande sind, die ganzen Verhältnisse zu über⸗ sehen, für falsch. Aber weiter, meine Herren, dieser Uaterbeamten⸗ verein ist dem Mann auch noch behilflich, gerade gegenüber der Ober⸗ Postdirektion den Laden aufzumachen. Ist das nicht eine Verhöhnung der vorgesetzten Behörde, wie man sie gar nicht größer sich denken kann? (Sehr richtig!) Wenn ich mir das gefallen lasse, so seien Sie überzeugt, so würde ich sehr bald am Ende der Verwaltung seien. (Sehr richtig!) Es handelt sich hier ganz einfach darum: sind diese Unterbeamten berechtigt, für den Verband solche Beitrags⸗ verpflichtungen einzugehen, und zweitens, wie kommen sie dazu, gerade gegenüber der Ober⸗Postdirektion in Hamburg das Lokal zu miethen. Ich habe aus dieser Handlung entommen, daß diese Unterbeamten den Willen batten, gegen die vorgesetzte Behö de zum Ausdruck zu bringen, daß sie nicht mit der gegen Schmidt gefallenen Entscheidung einverstanden waren. Für das Formular, welches dort vorgelegt ist, bin ich nicht verantwortlich; das ist in Hamburg entworfen worden. Ich habe von hier aus bestimmte Wei⸗ sung ergehen lassen: erstens, der Vorsitzende, der das Dokament für die Brauerei unterschrieben hat, wird nach Oppeln versetzt, und der Herr Abg. Singer hat ganz Recht: es ist keine Beförderungs⸗, sondern eine Strafversetzung, d. b. ich kann es nicht als Strafe ansehen, sondern es hat nur den Sinn einer Strafe, wenn er von Hamburg nach Oppeln versetzt wird. Zweitens: Bei einem Verein, der in solcher Weise die Vertretung ausübt, kann ich nicht mehr die Mit⸗ gliedschaft der betreffenden Unterbeamten zulassen. Es haadelt sich also garnicht um die Maßregelung des gesammten Unter⸗ beamten verbandes, sondern um den Unterbeamtenverein in Hamburg. Ich habe nur den aktiven Beamten — es giebt ja auch inaktive Bramte — untersagt, daß sie noch Mitglieder dieses Vereins sind.
Damit ist für mich diese Sache erledigt.
Ich glaube, daß das hohe Haus aus meiner Darlegung ersehen wird, daß die Sache doch etwas anders liegt. Es ist wirklich — und ich hoffe, die Herren werden davon überzeuzt sein — mein Bestreben, auf der einen Seite mit voller Gerechtigkeit den Beamten gegenüber aufzutreten; aber seien Sie auch überzeugt — ich möchte mich speziell auf den Herrn Abg. Bebel und seine Schrift berufen — er hat selbst da vom Zukunftsstaat gesagt, es müsse Dienstzucht sein für die Beamten der Post und Telegraphie (Widerspruch bei den Sozial⸗ demokraten); doch, es steht darin, ich bis bereit, das Buch vorzulegen. Es geht auch garnicht anders in diesem großen Beamtenverbande.
Aber damit Sie sehen, wie weit wir schon gekommen sind, und
wie die Verhältnisse liegen, wihl ich Ihnen einen weiteren Fall an⸗
führen. Man kann doch nicht sagen, daß ich irgend etwas gegen den Verband der Postassistenten gethan habe; im Gegentheil, ich lasse den Verband als solchen in Ruhe, aber ich verlange, daß die Dienst⸗ zucht erhalten bleibt. Heute Morgen, ehe ich hierher kam, siel mir die „Deutsche Postzeitung“ in die Hand. Darin befindet sich ganz öffentlich ein Bericht des Belirksvereins Leipzig, in dem der Bezirks⸗ verein Leipzig, bestehend aus Assistenten des Ober⸗Postdirektions⸗ bezirks Leipzig, mir offiziell ein Mißtrauensvotum ertheilt. (Hört! hört! und Heiterkeit rechts und bei den Nationalliberalen.) Ich werde mir erlauben, es vorzulesen. Nach einem Bericht über die ganzen Verhandlungen heißt es:
Im Hinblick auf die gegen den Redakteur der „Deutschen Postzeitung“, Herrn Hubrich, gelegentlich der Reichstagsverhand⸗ lungen zu Tage getretenen Anschauungen der Postverwaltung über dessen Thätigkeit im Dienst des Verbandes faßte der Bezirkstag folgende Resolution: Die hiesigen Mitglieder haben in dem Auf⸗ treten des Herrn Hubrich in Leipzig nichts gefunden, was einer wüsten Agitation auch nur entfernt gleich geachtet werden könnte.
— Ich habe das ausgesprochen, wie Sie sich erinnern werden, meine
Herren. — Sie schenken ihm nach wie vor volles Vertrauen und können auch aus seiner Vergangenheit, insbesondere in Anbetracht der Hand⸗ lungen, die zu seiner Entlassung aus dem Postdienst geführt haben, nicht zu den Folgerungen gelangen, vermöge deren er nicht würdig sein könnte, ihm für seine Thätigkeit im Dienst unserer Sache volle Anerkennung zu zollen.
Also, meine Herren, Sie sehen, ich habe damals dem Hause das unterbreitet, was ich dem Verband sagte: einen Beamten, der wegen Vertrauensbruchs entlassen wäre, zum Ehrenmitglied zu machen, sei doch immerhin eine etwas zweifelhafte Maßregel. Ich habe damals den Erlaß vorgelesen und glaube, kein Mensch wird sagen können, daß ich etwa den Verband sehr hart angelassen hätte. Jetzt kommen die Beamten einfach und erklären dem gegenüber, was hier im Reichstag erklärt ist: wir sind voll⸗ kommen anderer Meinung! Meine Herren, daß diese Sache in den nächsten Tagen ihre Erledigung finden wird, davon dürfen Sie über⸗ zeugt sein! (Bravo! rechts und bei den Nationalliberalen)
Abg. von Kardorff: Das ganze Reich wird dem Herrn Staatssekretär dankbar sein, daß er in seinem großen Beamtenheer die Disziplin aufrecht erhält. Wohin sollten wir denn auch sonst kommen? Die Verwaltung ist über ihre Rechte und Pflichten in keiner Weise hinausgegangen. 8
Abg. Singer: Der Vorredner scheine es nicht zu begreifen, daß man gegen einen Terrorismus der Verwaltung vorgehe. (Vize⸗ Präsident Dr. von Frege: Den Ausdruck Terrorismus köͤnne er nicht dulden.) Der Staatssekretär werde zu wählen haben zwischen dem Danke des Herrn von Kardorff und dem Mißtrauen der Beamten. Was der Staatssekretär von dem Assistentenverband mitgetheilt habe, beweise nichts für die Unrichtigkeit seiner Behauptung Der Staatesekretär habe eine menschlich rurchaus berechtiste Handlung als für die Beamten unzu⸗ lässig bingestellt. Disziplin müsse sein, das sei richtig; jedoch nur innerhalb des Dienstes, den die Beamten zu thun verpflichtet seien, darüber hinaus aber nicht. Eine solche Handlungsweise könne er nicht anders bezeichnen denn als eine wirthschaftliche Ausbeutung der Nothlage der Leute, die nicht um ihren Posten kommen wollten. Kein verständiger Privatindustrieller würde es wagen, aus solchen Anlässen eine Maßregelung eintreten zu lassen.
2½
Vize⸗Präsident Dr. von Frege: Diese Kritik war unzulässig!
Staatssekretär des Reichs⸗Postamts von Podbielski:
Meine Herren! Es ist zunächst schwierig, mit dem Herrn Abg. Singer darüber zu streiten, ob nicht das Wort Dienstzucht die deutsche Uebersetzung des Wortes Disziplin ist. (Sehr richtig! rechts.) Und, meine Herren, ob ich sage: in disziplinärer Beziehung oder in Bezug auf die Dienstzucht, ich glaube, daß das identisch ist. Ich kann nur immer darauf hinweisen, meine Herren, wie der Abg. Singer selbst zugegeben hat, die Dienstzucht oder die Disziplin, wie Sie es zu nennen belieben, sind Sie, die Führer, bestrebt, mit aller Macht auf⸗ rechtzuerhalten, sonst würden die Massen Sie sehr bald im Stich lassen. (Zwischenrufe links.) — Gewiß, Herr Bebel, die Ge⸗ schichte lehrt aber auch, daß diese Herren, wenn sie einmal diese Macht in Händen haben, ganz zweifellos den schärfsten — ich will keinen andern Ausdruck brauchen — Terrorismus ausüben. (Unruhe links.)
Meine Herren, ich bin vollständig davon durchdrungen, daß, wenn Sie, was ich einerseits unbedingt nicht hoffe und andererseits, soweit meine Kräfte reichen, unbedingt bekämpfen werde, je die Macht bekommen — Sie keinen anderen Beamten als einen waschechten Sozialdemokraten anstellen werden. So wenig Sie das bestreiten können — der Herr Abg. Liebknecht schüttelt mit dem Haupte — ich bin überzeugt, daß Sie es auch so meinen, ich glaube nur nicht, daß Sie es erleben werden, Herr Abg. Liebknecht, ebenso wenig können Sie aber von dem Staat, der zu Recht in Deutschland besteht, erwarten, daß er Sozialdemokraten als seine Beamten dulde. (Zwischenrufe links.) Sie haben mir den Vorwurf gemacht, Herr Abgeordneter Singer, ich hätte kein Recht, mich um die Beamten außerdienstlich zu kümmern. Deutschland hat ein Gesetz für die Beamten, und wenn der Herr Abgeordnete Singer so oft meint, die Gesetze des Landes zu kennen, so möchte ich ihm doch einmal empfehlen, das Beamtengesetz zu lesen, worin steht:
Jeder Reichsbeamte hat die Verpflichtung, das ihm ůber · tragene Amt der Verfassung und den Gesetzen entsprechend, gewissenhaft wahrzunehmen und durch sein Verhalten in und außer dem Amte der Achtung, die sein Beruf erfordeit, sich würdig zu zeigen. (Zwischenrufe links.)
Gewiß, meine Herren, das Gesetz besteht aber jetzt zu Recht, das können Sie nicht bestreiten. Ich würde kein richtiger Verwaltung
sein, wenn ich nicht die Gesetze des Landes zur Ausführung brächte. “ “ 18
(Sehr richtig! rechts 8
zum Deutschen Reichs⸗ 70. (Schluß aus der Dritten Beilage.)
Weeiter, meine Herren, Sie belieben das immer so harmlos darzustellen. Erst war es bloß der Briefträger Schmidt, dem in Hamburg eine Wirthschaft besorgt werden sollte; jetzt thun Sie so, als wenn die betreffenden Beamten Unrecht gethan hätten, wenn sie nicht für den Unterbeamten eingetreten wären. Ja, ich hätte mir das wohl denken können — ich habe ein vollständiges menschliches Verständniß dafür —, wenn die Beamten in Braunschweig, wo der Mann im Dienst war, dafür eingetreten wären; ganz anders ist es aber, wenn der Mann von Braunschweig nach Hamburg verzogen ist und dort — — (lebhafte Zurufe von den Sozialdemokraten) —. Meine Herren, ich bitte, mich doch nicht zu unterbrechen, ich werde es Ihnen durch die That beweisen, daß ganz andere Verhältnisse vorliegen. Es liegt genau so, wie bei der Wahl, wo der betreffende Unterbeamte nur ge⸗ sagt haben soll: Wählt bloß! Man muß aber nicht an den einzelnen Worten deuten, sondern die That, die Handlung in Betracht ziehen. Ich kann nur sagen, ich habe die Ueberzeugung gehabt, daß in dem vorliegenden Falle die Absicht bestand, die Verwaltung zu verhöhnen. (Sehr richtig! rechts.) Und darum habe ich meine Mahßregeln getroffen. Ich bestreite keinem der hohen Abgeordneten, eine andere Auffassung zu haben; ich habe aber die Ueberzeugung ge⸗ wonnen, daß eine Verhöhnung der Postverwaltung beabsichtigt war, infolgedessen habe ich fest eingegriffen. (Sehr richtig! rechts.)
Ich bin noch dem Herrn Abg. Singer eine Antwort schuldig. Wenn er vorhin sagte, warum findet nicht für die Unter⸗ beamten ein Ausgleich innerhalb des ganzen Reichs⸗Postgebiets statt, dann muß ich ihm erwidern, daß wir diesen Versuch schon des öfteren gemacht haben, er aber immer mißglückt ist. Der Unterbeamte hängt mehr an der Scholle, als ein höherer Beamter. Ich kenne verschiedene Fälle von geborenen Mecklenburgern, die in das nahe Hamburg ver⸗ setzt worden sind, daß sie sehr bald den Wunsch geäußert haben, in ihre Heimath zurückversetzt zu werden; die Großstadt behagt ihnen eben nicht. Aehnlich sind die Verhältnisse, wenn die Leute aus dem Westen nach dem Osten versetzt werden. Es ist ganz naturgemäß, daß in den einzelnen Bezirken die Leute erst nach 11, in den anderen nach 14 Jahren Schaffner werden. Ich möchte doch von der lokalen Organisation nicht abgehen, denn eine große Zentralisierung bei einem so bedeutenden Unterbeamten⸗Personal für das gesammte Reichs⸗Post⸗ gebiet halte ich nicht für glücklich, eine Dezentralisation scheint mir richtiger zu sein. Wenn Herr Singer diese Angelegenheit näher prüfen würde, würde er die Ueberzeugung gewinnen, daß die Unter⸗ beamten sehr an der Scholle hängen. (Bravo!l rechts.)
Abg. von Kardorff erklärt sein Einverständniß mi Vor⸗ vbenee v eng- sein Einverständniß mit dem Vor „Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum (d. kons.): Ich bi Meinung, daß die Verwaltung in Hamburg Sre . 8 handelt hat. Es handelte sich dabei um eine Demonstration gegen die Verwaltung, der man entgegentreten mußte. Ich wünschte nur, daß
in allen Ressorts sich dieselbe Energie zeigen möchte. Der Etat des Reichs⸗Postamts und der Rest des Etats werden darauf angenommen, ebenso ohne Debatte das Etats⸗
gesetz, das Anleihegesetz und das Schuldentilgungs⸗
gesex
Schluß 5 ½ Uhr. Nächste Sitzung Dienstag, 11. April 2 Uhr. (Rechnungsvorlagen, Vorlage wegen des Flagge 6z der Kauffahrteischiffe, Wahlprüfungen) 9 8
Preußischer Landtag. Herrenhaus. 5. Sitzung vom 21. März 1899. L“
Ueber den Beginn der Sitzung ist schon berichtet worden.
Eine Reihe von Petitionen, die von der Petitions⸗ kommission zur Erörterung im Plenum nicht für geeignet 55 worden sind, erklärt das Haus ohne Diskussion für rledigt.
Ueber die Nachrichten von der Verwaltung der preußischen Staats⸗Bergwerke,⸗Hütten und⸗Salinen daden des 85 jahres 1897,98 referiert namens der 7 und Gewerbe⸗ Kommission Geheimer Kommerzien⸗Rath Frentzel. Der Kommissionsantrag, die Nachrichten durch Kenntnißnahme für S: zu erklären, gelangt ohne Debatte zur Annahme.
die über sichtliche Darstellung der Ergebnisse der im Jahre 1898 stattgehabten Verhandlungen des Landes⸗Eisenbahnraths wird ebenfalls durch Kenntnißnahme für erledigt erklärt.
Denselben Antrag befürwortet namens der Eisenbahn⸗ kommission der Referent, Ober⸗Bürgermeister Büchtemann bezüglich des Berichts über die Bauausführungen und Beschaffungen der Eisenbahnverwaltung während e . Bge. 1897 bis dahin 1898.
raf von rbach bedauert, daß auf der Thorn⸗Insterburge Bahn keine durchgehenden Schnellzüge S.len 858 68. sierbazger der Linie noch immer eingleisig ist. So lange keine Schnellzüge dort verkehren, solle die Verwaltung doch einige der guten, bequemen Wagen erster Klasse alter Konstruktion mehr in die Personenzüge
einstellen.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen: “
Ich war darauf gefaßt, daß Herr Graf von Mirbach, wie all⸗ jährlich, so auch in diesem Jahre für seine beliebten gelben Wagen eine Lanze brechen würde. Nun waren die gelben Wagen allmählich unseren modernen Ansprüchen an Wagen mit gutem Lauf und hin⸗ reichender Bequemlichkeit nicht mehr vollständig entsprechend. Wir haben deswegen die gelben zweiachsigen Wagen umgebaut und vier⸗ achsige daraus gemacht. Dadurch ist es möglich gewesen, die bei Herra Grafen Mirbach so beliebte innere Eintheilung der Wagen zu erhalten und sie trotzdem den modernen Ansprüchen gerecht zu machen. Die Wagen stehen auf dem Aussterbe⸗Etat, allein bis sie verschwunden sein werden, wird jedenfalls noch eine sehr lange Zeit vergehen, so daß Herr Graf Mirboch noch lange Jahre hindurch den Vorzug genießen kann, in diesen Wagen zu fahren. Ich möchte dabei nur bemerken, daß die Vorliebe ves Herrn
Berlin, Mittwoch, den 22. März
denn auf den anderen Linien werden unsere modernen Wagen diesen alten immer vorgezogen. Ich habe mir berichten lassen, daß das selbst in der allernächsten Rachbarschaft des Herrn Grafen Mirbach der Fall ist.
Was nun die Linie Thorn -Insterburg betrifft, so ist die aller⸗ dings nur theilweise zweigleisig. Sie ist theilweise zweigleisig ausgeführt, nicht weil der Verkehr es erheischt, sondern weil die Linie eine strategisch wichtige ist und es aus strategischen Gründen nothwendig war, die lange Strecke wenigstens theilweise mit zwei Gleisen auszustatten damit die Züge eventuell kreuzen können. 1
Es verkehrt allerdings kein Schnellzug, aber der Personenzug, von dem Herr Graf Mirbach vorhin sprach, ist mit einer Geschwindigkeit von 70 km in der Stunde ausgestattet, er geht also weit über die Ge⸗ schwindigkeit der gewöhnlichen Personenzüge hinaus. Nun stehen sich auf solchen Linien immer zwei Gattungen von Interessen gegenüber: diejenigen der Reisenden, die den Zug benutzen wollen, um auf weite Distanzen mit Anschlußzügen weiter zu fahren, und diejenigen der Reisenden, welche im wesentlichen ihre lokalen Interessen befriedigen wollen. Die letzteren wünschen natürlich, daß die Züge überall anhalten, die ersteren möchten gern über die ganze Linie hinwegfahren. Nun war bisher nach unserer Auffassung hier das Interesse der lokalen Reisenden ein größeres als das Interesse der Durchgangsreisenden, und darum haben wir einen Zug, der die Stationen überschlägt, auf dieser Linie bisher nicht eingerichtet. Ich bin aber fest überzeugt, daß all⸗ mählich der Verkehr auf dieser Strecke so zunehmen wird, quch durch den immer mehr sich vollziehenden Ausbau von Nebenlinien, daß demnächst auch Schnellzüge mit gelben Wagen oder mit den neuen Wagen auf der Linie Thorn— Insterburg fahren werden.
daß das Uebersteigen in Insterburg von denjenigen Zügen, die von Thorn kommen, bei schlechtem Wetter einigermaßen mit Unbequem⸗ lichkeiten verbunden ist. Die Thorner Züge fahren in die Kopfgleise ein und zwar ziemlich weit von dem eigentlichen Empfangs⸗ gebäude, und nur das Empfangsgebäude selbst ist mit Schutzdächern umgeben, sodaß man allerdings im Regen den Schirm aufspannen muß, um von dem Kopfgleise bis zu dem vor dem Empfangsgebäude stehenden Zuge zu gelangen (Zuruf: wie in Köln), ja, wie in Köln.
Daß in dieser Beziehung mit der Zeit auch bessere Zustände sich entwickeln werden, davon bin ich fest überzeugt.
Was nun die Hygiene anbetrifft, so ist die Fürsorge für die Hygiene in den Eisenbahnzügen überhaupt eine sehr schwere Sache. Die Auffassung darüber, was dem Menschen schädlich und was ihm nützlich ist, ist auch sehr ver⸗ schieden. Der eine hat gern frische Laft, der andere macht die Fenster zu, der eine hat es gern warm, der andere gern kalt. Von sonstigen Dingen will ich ganz schweigen, die auch zur Hygiene gerechnet werden, die aber doch, ich möchte sagen, allzu auffallend zu machen, wie be⸗ sonders das Hinstellen von mit Wasser gefüllten Spucknäpfen u. s. w., nicht jedermann angenehm berühren. Es haben namentlich in Bezug auf das Fernhalten von Tuberkelbacillen sehr weitläufige Erörte⸗ rungen beim Reichs⸗Gesundheitsamt stattgefunden. Zu irgend einem greifbaren Resultat haben sie nicht geführt, weil man sich doch über⸗ zeugen mußte, daß die Vorschriften, die man sonst wohl in Räumen für diese Art Hygiene giebt, für Eisenbahnzüge mehr oder minder unverwendbar sind. Im übrigen, glaube ich, besteht die beste Hygiene für die Reisenden auf Eisenbahnzügen darin, daß die Züge und die Wagenabtheile möglichst rein gehalten werden, und dafür geschieht alles, was in unseren Kräften steht, und wird auch kein Geld gespart.
Ober⸗Bürgermeister Struckmann mi i ; der Eisenbahnverwaltung häufig zu 1 . nutzt würden, und zwar zum Nachtheil der Schönbeit und zum Schaden des Publikums. In Süddeutschland arte diese Benutzung geradezu in eine Unsitte aus; man wisse oft nicht, ob eine Station Odol oder Maggi heiße. Redner warnt vor Nachahmung dieser Uebertreibung. “
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Die Bestrebungen, die Eisenbahnhallen und zum theil auch die Wagenabtheile zu Reklamezwecken zu benutzen, sind seit ungefähr 10 Jahren in Deutschland ganz außerordentlich hervor⸗ getreten, hauptsächlich wohl hervorgerufen durch die Erfolge, welche man mit dieser Art der Reklame in Amerika und England gemacht hat, — auch, wie Herr Ober⸗Bürgermeister Struckmann vorhin aus⸗ führte, in Oesterreich⸗Ungarn und in Süddeutschland. Wir sind nur sehr mäßig diesem Reklamebedürfniß gefolgt und haben namentlich ein sehr wachfames Auge darüber gehabt, daß sich nichts breit machte, was gegen die guten Sitten verstößt oder irgend einen politischen oder sonstigen unangenehmen Beigeschmack haben könnte.
Nichtsdestoweniger kann man ja, glaube ich, über diese Art von Fenz mit Recht manchmal sagen, daß sie das ästhetische Gefühl verletzt.
Auf der anderen Seite ist die Einnahme, die aus der Vermiethung — beispielsweise der Hallen und der Wagenabtheile hier auf der Stadtbahn — sich ergiebt, doch nicht unbedeutend. Zwar diejenigen Aussichten, die uns seiner Zeit gemacht worden sind von sehr namhaften Geldleuten und Bankinstituten, die uns säagten, es würden mindestens 1 ½ —2 Millionen Mark aus der Ver⸗ pachtung der Räume der Eisenbahnverwaltung zu Reklamezwecken sich ergeben können, haben sich bei weitem nicht erfüllt, indessen die Summen kommen doch in Betracht. Ich bin allerdings nach wie vor mit Herrn Ober⸗Bürgermeister Struckmann der Ansicht, daß man in der Beziehung doch ein gewisses Maß halten soll und namentlich alles dasjenige fernhalten, was sich mit den guten Sitten und mit dem — 8. möchte sagen, allgemeinen Geschmack der modernen Welt nicht verträgt.
MNach einer kurzen Erwiderung des Grafen von Mirbach schließt sich auch Graf von Klinckowstroem dem Wansche an, daß die Thorn⸗Insterburger Bahn zweigleisig ausgebaut werden möge. Der Kommissiongantrag wird angenommen.
Grafen Mirbach für die alten Wagen eine individuelle ist;
Dann muß ich dem Herrn Grafen von Mirbach darin Recht geben,
A. Borsig in Berlin, namens der an der Berlin⸗Tegeler Eisenbahn belegenen Fabrikationsbetriebe und der Ants⸗ vorsteher von Tegel, Dalldorf und Reinickendorf, um be⸗ chleunigten Ausbau eines zweiten und dritten Gleises der Berlin⸗Kremmener Eisenbahn der Regierung als Material zu überweisen.
Das Haus beschließt demgemäß ohne Debatte.
Der Bericht über die Ergebnisse des Betriebes der ver⸗ einigten preußischen und hessischen Staatseisenbahnen im Rech⸗ nungsjahre 1. April 1897/98 wird nach dem Bericht des Refe⸗ renten der Eisenbahnkommission Herrn von Graß durch Kenntnißnahme für erledigt erklärt.
Die Petition von Oberamtmann Negendanck in Herrnstadt und Anderen um den Bau einer Eisenbahn von Raudten über Köben nach Herrnstadt und von Köben nach Guhrau wird auf Antrag des Referenten Herrn von Graß der Regierung als Material überwiesen.
Die Petition von Hermann Vogel, Vorsitzendem des Ver⸗ bandes der Textilindustriellen von C schnelle billige Frachtverbindung zwischen den mitteldeutschen Industrie⸗ bezirken und England, hat die Eisenbahnkommission materiell zu berathen abgelehnt, weil sie von Nichtpreußen ausgeht; da es sich aber materiell um Verhältnisse der preußischen Eisenbahn⸗ verwaltung handelt, bittet die Kommission das Haus, die Geschäftsordnungskommission zu beauftragen, fest adens, ob Petitionen von Nichtpreußen im Herrenhause zur Verhandlun Pnecte dlrfen. Ohne Diskussion wird diesem Antrage gemä
Der Bericht über die weitere Ausführung von Eisenbahn⸗ Geseben wird durch Kenntnißnahme für erledigt UMeber die Petition des Lokomotiführers Lorenz in Hannover um Gehaltserhöhung geht das Haus zur Thͤges⸗ ordnung über.
Die Nachweise über die im Kalenderjahre 1898 statt⸗ ehabte Aus⸗ und Einrangierung in den Landgestüten des Staats und über die Betriebsresultate der Haupt⸗ und Land⸗ gestüte des Staats in den Jahren 1894/95 bis 1896/97 werden auf Antrag der Agrarkommission durch Kenntnißnahme für erledigt erklärt, ebenso die Ausführungsvorschriften zu dem Gesetze, betreffend das Anerbenrecht bei Landgütern in der Provinz Westfalen und einigen Kreisen der Rheinprovinz.
Zur einmaligen Schlußberathung steht der Antrag der Herren von Below⸗Saleske, von Levetzow und Ge⸗ Pner Fetasgerten⸗Rasß Schlutow: ie Staatsregierung aufzufordern, dahin zu wirken, ü die schulentlassene männliche Jugend bis 889 18. 1,5-as n b Aufenthalt in Schankstätten verboten wird, 2) die Kommunen bei gleichzeitiger Gewährung eines Zuschusses aus Staatsmitteln dazu angehalten werden, Einrichtungen zu treffen, um den genannten jungen Leuten es zu ermöglichen, an Sonn⸗ und Festtagen in an⸗
gemessener Weise eine erfrischende und veredelnde Unterhaltung zu erlangen.
Der Referent Graf von Pfeil⸗Hausdorf beantragt
den Antrag in folgender Fassung anzunehmen: — 1 die Staatsregierung aufzufordern, dahin zu wirken, daß 1) für die schulentlassene männliche und weibliche Jugend bis zum 18. Lebens⸗ jahre der Aufenthalt in Schankstätten verboten werde, 2) die Kom⸗ munen bei gleichzeitiger Gewährung eines Zuschusses aus Staats⸗ mitteln dazu angehalten werden, Aeltestenkollegien zu er⸗ richten, welche im Verein mit den Ortsgeistlichen beider christlichen Konfessionen Einrichtungen treffen, um den ge⸗ nannten jungen Leuten es zu ermöglichen, an Sonn⸗ und Fest⸗ tagen in angemessener Weise eine erfrischende und veredelnde Unterhaltung zu erlangen, 3) der Inhalt der Nummern 2 und 3 im
§ 119a des Reichsgesetzes vom 1. Juni 1891, betr. Abänderung der Gewerbeordnung (Lohnzahlung an Minderjährige betr.), auch auf die Gesindeordnung ausgedehnt werde, 4) schleunige Bestim⸗ mungen erlassen werden, wonach I. junge Leute unter 18 Jahren nicht ohne ausdrückliche Genehmigung derfenigen, unter deren väter⸗ licher oder vormundschaftlicher Gewalt sie stehen, aus ihrem Heimaths⸗ ort allein fortziehen dürfen, II. die Gemeinde zur Abweisung eines Neuanziehenden dann befugt ist, wenn derselbe nicht den Nachweis einer den sittlichen und hygienischen Anforderungen entsprechenden Wohnung erbringt. Hierbei ist das Schlafstellenunwesen zu be-. schränken. 8 Referent Graf von Pfeil⸗Hausdorf: Die Verrohung unserer Jugend hat einen Umfang angenommen, der alle Wohlgesinnten auf⸗ fordert, darüber nachzudenken, wie diesem Uebel entgegengearbeitet werden kann. Die Belämpfung eines so tiefen Uebels kann natürlich nur etappenweise erfolgen, und eine solche Etappe soll der vorliegende erweiterte Antrag bilden. Das Gesetz von 1878 über die Unter⸗ bringung verwahrloster Kinder hat viel Gutes geleistet. Es besteht aber in der Einwirkung des Staats auf unsere schulentlassene Jugend eine große Lücke, deren Vorhandensein auch staatliche Autoritäten bereits empfunden und zugegeben haben. Auch der jetzige Finanz⸗Minister Herr von Miquel befindet sich unter ihnen; er wird also, wenn es bei den Abweh maßregeln sich um die Bereitstellung von Mitteln handeln sollte, uns hoffentlich nicht mit den Worten ab⸗ weisen, die ihm ein hiesiges Blatt als ständige Wendung in den Mund legt: Geld, Kinder, giebt es nicht! Ein Hauptgrund des Uebels liegt darin, daß die Kinder, anstatt ins Handwerk und in die Familie des Meisters, jetzt in die Fabriken, in den Maschinenbetrieb kommen, daß sie den Anhalt und Zusammen⸗ hang der Familie verloren haben und mit der Entlassung aus der Schule in das Leben hinausgeworfen werden. Schuld daran ist die Entwickelung der sozialen Verhältnisse. Um hierin Wandel zu schafen, muß den jungen Leuten der Besuch der Schank⸗ stätten verboten, ihnen dafür aber die Möglichkeit geboten werden, sich an Sonntagen angemessener Erholung und Unterbaltung in geeigpeten Räumen zu erfreuen. Für die Bestrafung der Verbrecher st Sorge getragen, für die Bewa rung der Jugend vor einem Ver⸗ brechen nicht. Der Antrag soll die Moöͤglichkeit eines ersten energischen Schrittes, auch zur Leerung der Strafanstalten, schaffen. Eine weiterer Schritt wäre die Ergreifung von Maßregeln gegen die leichtsinnige, frivole Eheschließung der jungen Leute. Der Ueber⸗ handnahme der Trunksucht wukt entgegen die öffentliche Bekannt⸗ gabe der Namen der Trunkenbolde an die Gastwirthe mit dem Verbot der Verabreichung geistiger Getränke. Die Engländen haben vielfach den Alkobolgenuß 8a2 die Arbeiter in Staatsbetrieben durch verständige Maßnahmen beseitigt. Das Gleiche ist in Rußland zu konstatieren. Eine gewisse Verwahrlosung finden wir eigen⸗ tbümlicher Weise auch in Lehrerkreisen; es sind Fälle bekannt geworden, die einzelne Lehrer als höchst zweifelhaft für ihren Erzteber⸗ beruf qualifiziert erscheinen lassen. Wer die Jugend hat, hat die Zukunft; es muß also die moralische Befähigung viel gründlicher
Dieselbe Kommission empfiehlt ferner, die Petition von
als bisher bei den Lehrerprüfungen untersucht werden. Schliez⸗