belasten. Dieser Gesichtspunkt kann in gewisser Weise maßgebend sein, aber auch nur in gewisser Weise, wenn man die Reform als eine wahre Landesmelioration ansieht. (Sehr richtig!)
Meine Herren, ich habe meine allgemeinen Anschauungen über die Agrarreform hier schon so oft entwickelt, daß ich jetzt nicht weiter darauf zurückkommen mag; aber so diel ist mir immer klar gewesen, daß die rechtliche Seite, die Rechtsderhältnisse, unter denen der Grund und Boden lebt und vererbt wird, für die Erhaltung eines leistungs⸗ fähigen Grundbesitzes vielleicht ven diel größerer, entscheidender Be⸗ deutung ist als manche Maßregel, die unmittelbar nur die reine Seite der Landesmelioration und den Schutz der Landwirthschaft im Auge hat. (Sehr richtig!) Meine Herren, die Verschuldung in ihrer jetzigen Höbe kommt nach meiner Uebderzeugung nicht vorzugsweise von der ungünstigen Lage der Landwirthschaft (Zuruf des Grafen von Mirbach), man kann vielleicht umgekehrt sagen, daß in Zeiten, wo es der Landwirthschaft am besten gedt, die Verschuldung am stärksten wächst, und das liegt in der Erdtheilung. Wenn gute Zeiten da sind, wird nicht bloß der Werth des Grund und Bodens bei Verkäufen und Erbübergängen überschätzt, sondern die ganze Lebenshaltung, namentlich die Höhe der Abfindung der Miterben wird nach einer Schätzung des Grund und Bodens vorgenommen, welche auf die Dauer falsch ist (sehr richtig!), und daraus entstehen wesentlich die Verschuldungen.
Meine Herren, wenn es im Osnabrückischen, meiner Heimath, hunderte und aber hunderte Bauern giebt, die drei⸗ bis vierhundert Jahre in derselben Familie das Bauerngut besitzen, so liegt das wesentlich daran, daß bei jeder Erbtheilung die Frage gestellt wird — mit Zustimmung der Geschwister, sie wissen und wollen es auch nicht anders —: Kann sich der Hof bei dieser Belastung des Anerben kalten oder nicht? — und darnach schränken alle übrigen Erben ihre Forderungen ein. Wenn diese Frage bei allen Erbübergängen gestellt würde, dann würde es um die Verschuldung viel besser stehen.
Auf die Frage, welche Form die beste ist, um die stets wachsende Verschuldung einzuschränken, will ich nicht tiefer eingehen. Ich bleibe aber bei der Ansicht stehen, daß das Fideikommißrecht, welches für große Güter zweckmäßig ist, für mittlere Bauerngüter in den meisten Fällen gerade nicht besonders zweckmäßig ist, und daß der Bauer sich daher scheuen wird, allzuviel Fideikommißbildungen für mittlere oder größere Bauerngüter zu machen. Man sollte doch einmal anfangen, das in Westfalen eingeführte Intestaterbrecht auch hier auf die Gegenden auszudehnen, wo noch die alten deutschen Sitten der Ver⸗ erbung bestehen, und da habe ich immer bedauert, wenn ich aufrichtig sein soll, daß die führenden Elemente, namentlich die landwirthschast⸗ lichen Vereine, sich viel zu wenig dieser Frage angenommen haben. Manche Vorurtheile gegen das Anerbenrecht bestehen noch. Wieviel Bauern sind da, die überhaupt wissen, was das Anerbenrecht ist! Man stellt es ihnen vor als eine absolute sklavische Gebundenheit. Man verheimlicht ihnen, daß beim Anerbenrecht die Veräußerlichkeit im Ganzen und in Theilen durchaus zulässig ist. Man stellt es so dar, als wenn man die Bauern wieder in mittelalterliche Gebundenheit zurückführen wolle. Da muß man in den landwirthschaftlichen Kreisen aufklären, das ist ein sehr wichtiges Bedürfniß, und damit würde man sehr viel erreichen, ob⸗ gleich ich mit dem Herrn Fürsten von Bismarck einverstanden bin, wenn er sagt: Alles ist damit noch längst nicht gethan; aber wenn man den Hauptgrund der wachsenden Verschuldung in dem bäuerlichen und ländlichen Erbrecht findet, so sollte man damit anfangen. Wir, die wir aus einer Gegend des Anerbenrechts sind, wir haben ja doch so viele Jahrhunderte beobachten können, wie das Erbrecht wirkt, und da legen wir großes Gewicht darauf, daß man erst damit an⸗ fängt und nachher weitergeht. Dann wird es sich finden, ob man eine Verschuldungsgrenze festsetzen kann, und dabei ist jedenfalls vorausgesetzt, daß der ländliche Personalkredit so entwickelt ist, daß die Nothwendigkeit, neue Schulden in der Form von Realkredit zu machen, in der Regel entsällt. Mein Ideal ist eine gute Organi, sation des Personalkredits in jedem Dorfe, und wir sind in dieser Beziehung in der vollen Entwickelung.
Meine Herren, die Zentral⸗Genossenschaftskasse hat in dieser Be⸗ ziehung — möchte ich sagen — schon Wunder gewirkt. Ich bin er⸗ staunt, wie wir in dieser Beziehung namentlich mit dem ländlichen Genossenschaftswesen schon vorwärts kommen. Ist diese Voraussetzung gegeben, dann kann man nach meiner Ueberzeugung, aber auch nur unter dieser Voraussetzung, an die Frage einer Verschuldungsgrenze überhaupt erst herangehen, wobei ich bemerke, daß unsere Bauern aus den östlichen Provinzen ja erst seit dem Jahre 1846 volle Ver⸗ schuldungsfreiheit haben. Bis dahin durfte unter Friedrich dem Großen und nachher unter der Stein⸗Hardenbergischen Gesetzgebung nur ein Viertel, dann die Hälfte und dann drei Viertel Verschuldung eintreten. Man soll sich klar machen, was die seit 1846 bestehende volle Verschuldungsfreiheit in dieser kurzen Zeit bewirkt hat. Dann wird man sich der kolossalen Wichtigkeit der Frage, über die ich per⸗ sönlich gegenwärtig noch gar keine Meinung äußern will, bewußt werden.
Herr von Ploetz bittet die Regierung, die Vorlage einzubringen, da die jetzigen Zustände sehr ungünstig seien.
Nach einer kurzen Bemerkung des Freiherrn von Durant schließt die Debatte. Damit ist die Interpellation erledigt.
Das Haus stimmt darauf dem Gesetzentwurfe, be⸗ treffend die Verpflichtung der Gemeinden der Provinz Sachsen zur Bullenhaltung, mit der Maßgabe zu, daß derselbe am 1. Oktober 1899 in Kraft neten soll, und be⸗ schließt, die Regierung zu ersuchen, für das nächste Etatsjahr die nöthigen Mittel zur Durchführung des Gesetzes bereitzustellen.
Ohne Debatte nimmt das Haus ferner, entsprechend dem Antrage seiner Finanzkommission, den Gesetzentwurf wegen Ankaufs der Bernsteinwerke der FirmaStantien u. Becker zu Königsberg i. Pr. an.
Ebenfalls ohne Debatte genehmigt das Haus den Gesetz entwurf, betreffend die Erweiterung der Stadt gemeinde und des Stadtkreises Cassel.
Ueber eine Petition des Hofbesitzers Steinhauer in Obermühle bei Köslin um gerechtere Vertheilung der Schullasten zwischen Gutsbezirk und Landgemeinde berichtet Herr von Schöning und beantragt namens der Petitionskommission den Uebergang zur Tagesordnung.
Ober⸗Bürgermeister Bender⸗Breslau bezeichnet die Verhältnisse auf dem Gebiete des Schulwesens, die Vertheilung der Schullasten zwischen Gutsberren und Landgemeinden als ganz unhaltbar. Da ihm der Inhalt der Petition nicht genau bekannt sei, könne er nicht darauf eingehen. Aber die Rechtsverhältnisse seien unklar und müßten un⸗ bedingt geändert werden.
.. von Reinersdorff und Graf von Pfeil⸗Haus dorf betonen, daß die Gutsherrschaften nicht überall von sämmtlichen Lasten
8* 1““
1 8 “ 8 8
frei seien. Der letztere erklärt sich für eine gesetzliche Regelung der Schullasten.
Herr von Hertzberg⸗Lottin erkennt an, daß in Pommern die Schullasten ungerecht vertheilt seien; die Frage solle unabhängig von einem allgemeinen Schulgesetz für Pommern geregelt werden.
Graf von Klinckowstroem: Die Regelung dieser Frage ist nicht so einfach und kann nicht allgemein für die ganze Monarchie geschehen. Bei der Regelung muß auch der konfessionelle Charakter der Schule festgelegt werden.
Ober⸗Bürgermeister Struckmann: Ueber die Nothwendigkeit der Aenderung sind alle einig; die Regierung hat den Gutsbesitzern ihre Lasten abgenommen. Es handelt sich nur um die Frage, ob die Aenderung in einem allgemeinen Schulgesetze oder durch ein besonderes n; geschehen soll. Redner stellt einen Antrag in letzterer Richtung.
ber⸗Bürgermeister Bender: Die Frage muß geregelt sein; sie politische Bedeutung und sollte nicht zur Parteifrage gemacht werden.
Graf von Klinckowstroem erklärt sich gegen den Antrag Struckmann; die Frage müsse in einem allgemeinen Schulgesetze geregelt werden.
Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath von Bremen: Die Regierung hat den Gutsbesitzern die Lasten abnehmen müssen, weil die bestehenden Bestimmungen nicht durchzuführen waren.
Die Petition wird durch Uebergang zur Tagesordnung erledigt. Das Gleiche geschieht mit den Petitionen um gesetz⸗ liche Regelung der Verhältnisse der Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlichen nicht staallichen höheren Mädchenschulen.
Bezüglich der Petition des Vorstandes des Provinzial⸗ vereins für Hebung der Fluß⸗ und Kanalschiffahrt in der Provinz Posen um östliche Linienführung des zu erbauenden Großschiffahrtsweges von Stettin nach Berlin be⸗ antraat die Kommission die Ueberweisung an die Regierung als Matertal.
Graf Udo zu Stolberg⸗Wernigerode fragt an, wann die technische Prüfung der Ostlinie abgeschlossen sein werde.
Ein Regierungs⸗Kommissar erklärt, daß diese noch einen Monat dauern werde. Die Westlinie sei auf 39 Millionen veranschlagt. Die Ostlinie werde 30 — 40 Millionen Mark theurer sein.
Ober⸗Bürgermeister Witting⸗Posen bedauert, daß die Ostlinie, die doch auch im Interesse der Landwirthschaft des Ostens liege, so wenig Aussicht habe.
Ein Regierungs⸗Kommissar theilt mit, daß die Staats⸗ regierung noch keine Stellung zu der Frage genommen habe, ob die Ost⸗ oder die Westlinie ausgeführt werden solle.
Geheimer Kommerzien⸗Rath Schlutow: Die Kanalvorlage wirft ihre Schatten voraus. Die Vorlage über die Wasserstraße Berlin— Stettin unterliegt noch der Prüfung der Regierung, zu der wir das vollste Vertrauen haben können.
Graf Udes zu Stolberg⸗Wernigerode: Die Frage des Baues dieser Schefffahrtsstraße hat mit dem Mittellandkanal gar nichts zu thun. Mit der östlichen Linie würde es gelingen, das Oder⸗ bruch zu entwässern.
Schluß 4 ½ Uhr. Nächste Sitz (Staatshaushalts⸗Etat.) 85
“ Haus der Abgeordneten. “ 51. Sitzung vom 22. März 1899, 11 Uhr.
Zur Berathung gelangt zunächst der Antrag der Abgg.
von Mendel⸗Steinfels (kons.) und Genossen: die Staats⸗ regierung zu ersuchen, für das Etatsjahr 1900 zur Förde⸗ rung der Landeskultur und insbesondere der Vieh⸗ zucht größere, den Anforderungen der Gegenwart entsprechende Mittel in Aussicht zu nehmen.
Nach der Begründung des Antrags durch den Abg. von Mendel⸗Steinfels, über die schon berichtet worden ist, nimmt das Wort der
Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miquel: .
Meine Herren! Ich bin zuvörderst erfreut, daß der Herr Vor⸗ redner zugestanden hat, daß in dem letzten Jahrzehnt für die Zwecke der Landwirthschaft aus staatlichen Mitteln bedeutend mehr geschehen ist als in früheren Zeiten, und ich kann ihm ja durchaus nachfühlen, daß er der Meinunz ist, es müsse auch in Zukunft in dieser Weise fortgefahren werden, ich werde darauf noch zurückkommen. Herr von Mendel hat aber in dem Zahlenmaterial sich doch etwas geirrt. Er hat richtig dargestellt die Verwendung für die drei Zwecke, die hier bauptsächlich in Frage kommen: die Pferdezucht, Viehzucht, Landkultur, aber nach den Zahlen, welche aus dem Etat bervorgehen. Das ist aber nicht dasjenige, was thatsächlich für diesen Zweck geschehen ist; denn er hat übersehen, daß für die Hebung der Landwirthschaft für die östlichen Provinzen ein Fonds von über 700 000 ℳ und für die westlichen Provinzen jetzt wohl ein solcher von 260 000 ℳ ausgebracht ist. Aus diesem Fonds sind die Etatspositionen für die Zwecke, die hier in Frage” kommen, stark ergänzt worden. Beispielsweise wurden für die Pferdezucht im Jahre 1891/92 180 000 ℳ verwandt, für das Etatsjahr 1899 kommen aber zur Verwendung 365 000 ℳ; es ist also hier — und zwar in acht Jahren — eine Steigerung von über 100 % vorhanden. Ich komme auf die Viehzucht. Da liegt es so, daß im Jahre 1891/92 310 000 ℳ zur Verwendung gekommen sind. In dem Etat von 1899 sind dagegen 610 000 ℳ vorgesehen, also auch hier liegt eine Steigerung von 100 % vor. Für die Landkultur sind im Jabre 1891/92 ver⸗ wendet 380 000 ℳ, nach dem gegenwärtigen Etat sollen 895 000 ℳ verwendet werden; also auch hier liegt wieder eine Steigerung von erheblich mehr als 100 % vor.
Für die drei Zwecke, die hier hauptsächlich in Frage kommen und auf welche der Herr Vorredner ja das Hauptgewicht gelegt hat, bat von 870 000 ℳ im Jahre 1891/92 eine Steigerung auf zwei Millionen im Etat für das Jahr 1899 stattgefunden. Diese Zahlen zeigen doch, daß gerade die Ausgaben für die Landwirthschaft eine ganz besonders große und schnelle Steigerung erfahren haben. Es ist kein Jahr vor⸗ handen, wo nicht etwa eine Million für allgemeine landwirthschaft⸗ liche Zwecke mehr veranschlagt worden ist, sodaß auch das, was ich hier bezüglich der prozentualen Steigerung für diese besonderen Zwecke gesagt habe, insgesammt zutrifft.
Ich habe es schon bei der Generaldebatte gesagt, daß der land⸗ wirthschaftliche Etat im Ganzen um über 100 % in acht Jahren gestiegen ist. Man sieht daraus, daß die Staatsregierung den, ernsten Willen gehabt hat, der Landwirthschaft in der unzweifelhaft sehr schwierigen Lage, in der sie sich befindet, thunlichst unter die Arme zu greifen, und daß selbst in den Zeiten, wo wir Desizitjahre hatten, der landwirthschaftliche Etat im Gegensatz zu vielen anderen Etats immer weiter entwickelt worden ist. Heute ist das Landwirthsschafts⸗ Ministerium ein ganz anderes Ministerium, als es früher war; es hat sich in seiner Bedeutung immer weiter erhöht und nicht bloß gleichen Schritt mit den übrigen Ministerien, abgesehen vom Kultus⸗Etat, ge⸗ halten, sondern ist rascher vorwärts gediehen. 18 4
vC “
Wie ich schon bei der Generaldebatte gesagt habe, leite ich hlera indessen durchaus nicht her, daß nun von Staatswegen für die Hebung der verschiedenen Zweige der Landwirthschaft genug geschehen s 5
6 n sei. Ich bin vollst indig davon durchdrungen, daß wir ein großes, nicht bloß wirthschaftliches, sondern soziales Interesse ersten Ranges haben die Landwirthschaft mit den uns zu Gebote stehenden Mitteln weiter m fördern, und daß auch die kommenden Etats, je nachdem die Mittel es gestatten, in dieser Beziehung so verfahren müssen, wie es bisher geschehen ist. Ich brauche die Gründe dem hohen Hause nicht weiter zuent⸗ wickeln; sie sind von dem Herrn Vorredner ja ganz klar dargelegt worden. Ich theile im allgemeinen die Ansichten, die er ausgesprochen hat, und ich glaube, das ganze Staats⸗Ministerium wie auch die große Mehrheit dieses hohen Hauses steht auf diesem Standpunkt, ich will also auf die Details nicht weiter eingehen.
Der Herr Vorredner hat sehr richtig gesagt, daß der Staat im wesentlichen doch nur stützend, fördernd und anregend wirken kann. Die Hauptsache wird immer die Selbstthätigkeit der Betheiligten sein. (Sehr richtig!) Die Selbsthilfe ist immer weit wichtiger als die Staatshilfe, aber ich habe von jeher auf dem Standpunkt gestanden und das auch gezeigt bei Gründung der Zentralgenossenschaftskasse: daß es Fälle giebt, wo ohne Anregung und erste Mitwirkung seitens des Staats die Selbstverwaltung sich nicht entwickeln kann, und da ist nach meiner Meinung gerade die finanzielle Hilfe nicht ent⸗ behrlich; die moralische, von welcher der Herr Vorredner gesprochen hat, stelle ich auch sehr hoch, aber, wie die Welt nun einmal ist, die moralische Einwirkung, das bloße Belehren und Reden, das mündliche und schriftliche Anregen allein thut es oft nicht. Da muß der Staat in solchen Fällen mit besonderen Mitteln, wenigstens im Anfang, wo die Sache sich erst in der Entwickelung befindet, vorgehen. Nach diesem Grundsatz ist auch das landwirth⸗ schaftliche Ministerium immer verfahren. Es ist ja natürlich da eine Grenze, die der landwirthschaftliche Minister auf seine Verantwort⸗ lichkeit nehmen und genau beobachten muß. Bei diesen Subventionen für landwirthschaftliche Produktionszwecke muß der Staat natürlich nur da eingreifen, wo ein gemeines Interesse vorliegt, und man muß sich sehr wohl hüten, was ja sehr leicht auch unbewußt und wider Willen sogar kommen kann, daß man nicht bloß die Zwecke einzelner dabei fördert. Es dürfen nur solche Maß⸗ regeln getroffen werden, die in ihrer Weiterverbreitung und Entwicke⸗ lung der Landwirthschaft überhaupt zu gute kommen.
Herr von Mendel hat durchaus anerkannt, daß die landwirth⸗ schaftliche Verwaltung in diesem Sinne stets verfahren ist, und es sind hier Klagen über Begünstigung Einzelner meines Wissens noch niemals hervorgetreten. Wir im Finanz⸗Ministerium interessieren uns sehr für die landwirthschaftliche Verwaltung, und wir können das Zeugniß ablegen, daß die staatlichen Mittel nur für allgemeine Zwecke der Landeskultur zur Verwendung gekommen sind.
Gewiß ist in vielen einzelnen Fällen noch viel zu thun. Die Förderung der Geflügelzucht z. B. bedarf, wie der Herr Vorredner bereits erwähnt hat, wohl noch erhebliche weitere Mittel, aber es wird hier so gehen, wie in allen Fällen, wo das land⸗ wirthschaftliche Ministerium auf die landwirthschaftliche Pro⸗ duktion einwirkt: man kann anuch dabei zu schnell vorgehen. Eine stetig fortschreitende, allmähliche Entwickelung garantiert allein die Wirksamkeit und richtige Verwendung der Mittel. Wenn man einen bestimmten Zweig der Landwirthschaft glaubt plötzlich durch einen Segen von oben rasch fördern und entwickeln zu können, dann läuft man leicht Gefahr, die Staatsgelder nicht richtig verwendet zu sehen. Man läuft Gefahr, daß die Betheiligten alles vom Staat erwarten, an ihre eigene Intelligenz, an ihre eigene Leistungsfähigkeit immer weniger zu denken sich gewöhnen, und das wäre eine sehr schlimme Folge. Wenn man z. B. für die Geflügelzucht dem Herrn Land⸗ wirthschafts⸗Minister eine halbe Million gäbe, so bin ich überzeugt, daß er nicht wüßte, wie er sie richtig verwenden solle. Wir müssen also Schritt für Schritt vorgehen. In der Sache sind wir wohl ganz einig: Radikalmittel giebt es nicht, um plötzlich die Lage der Landwirthschaft von Grund auf zu rerbessern. Die große, schwierige Situation, in die die Landwirthschaft gekommen ist, hängt vielfach von Gründen ab, die außer der Einwirkung des Staats stehen. Aber daß wir fortschreitend die Lage der Landwirthschaft als eine der wichtigsten Aufgaben des Staats betrachten müssen, dessen können Sie, glaube ich, versichert sein, einerlei, wer momentan Minister ist. Das ist jetzt die Grundanschauung fast in allen Parteien, und jedenfalls die Grund⸗ anschauung der Staatsregierung, die sich nach meiner Meinung über⸗ haupt garnicht mehr ändern kann. (Bravo!)
Abg. Gamp (fr. kons.): Ich kann mich diesen Ausführungen Ich hoffe, daß sowohl der Finanz..
im allgemeinen nur anschließen. Minister wie der Landwirthschafts⸗Minister zum Segen der Land⸗ wirthschaft noch recht lange im Amt bleiben werden. Die Landes⸗ kultur und Viehzucht verdienen aber nicht allein eine größere Staats⸗ unterstützung. Die Vizinalwege des Ostens und die Verschuldung der Landwirthschaft verdienen nicht geringere Fürsorge des Staats. Ich bitte die Minister, einmal den Osten zu besuchen und ihre eigenen Pferde ju benutzen, dann würden sie finden, daß sie nur fahren können, wenn jemand alle hundert Schritt die Räder reinigt. Ostpreußen hat viele Millionen für Kunf⸗ straßen bereits ausgegeben, während z. B. die Rheinprovinz viel weniger dafür aufgewandt hat und weniger Kommunalsteuern bezahlt. Sollen in Berlin statt 100 % 105 % Kommungalabgaben bezahlt werden, so erhebt die Presse ein großes Geschrei. Bei uns im Osten werden für Armen⸗, Wege⸗ und Schullasten bis zu 1000 % Abgaben gezahlt. (Präsident von Kröcher bittet den Redner, nicht zu sehr von der Sache abzuschweifen.) Der Antrag ist nicht ganz richtig formuliert. Wir im Osten haben die Pferde⸗ und Rindriehzucht aus eigenen Mitteln auf eine bedeutende Höhe gebracht, und das können andere Provinzen auch. Der Minister warnte vor einem zu schnellen Tempo. In Bezug auf die Geflügelzucht halte ich diese Besorgmß für unbegründet, obwohl wir mit Frankreich und Italien schwerlich werden konkurrieren können. Dagegen möchte au ich vor einer Ueberstürzung der Schweineproduktion warnen. Di ferdezucht wird sich nur heben, wenn die Militärverwaltung für die emonten angemessene Preise bezahlt. Dasselbe gilt auch von anderen . von Mastvieh ꝛc. Eine Vermehrung der Produktion hat olange keinen Zweck, als wir nicht auf die ausländischen Produkte einen böheren Zoll legen. Der Finanz⸗Minister berief sich auf die Zunahme der Staatsunterstützung nach Prozenten. Zieht man aber die wirkliche absolute Summe in Betracht, so kommt dabei doch sehr wenig heraus. 8 Geheimer Regierungs⸗Rath Dr. Mueller theilt mit, daß ein Be richt über die Vertheilung des Fonds zur Förderung der Landwirthschaft erscheinen werde. Eine Musteranstalt zur Förderung der Geflügelzucht solle errichtet werden, sobald sich die Landwirthe über die Einrichtung dieser Anstalt geeinigt haben. —2 Beinhauer (nl.) erklärt, daß seine Freunde dem Antrag spompathisch gegenüverstedeenn. I“
“
8 sei auch bei der ae
seinem Tode im Lande verbrannt zu werden.
Abg. Herold (Zentr.): Die Mittel zur Hebung der Landwirth⸗
schaft sind in den letzten Jahren allerdings erheblich gewachsen, aber
sie reichen doch nicht aus. Die Qualität und Quantität des Vieb⸗ bestandes muß gesteigert werden, wenn wir dem Ausland überhaupt Konkurrenz machen wollen. An einer Ueberproduktion leiden wir bis heute nicht. Ich kann nur wünschen, daß der Antrag möglichst ein⸗ stimmig angenommen wird. * 88
Abg. Wenzel (fr. Volksp.) erklärt namens seiner politischen
nde, daß sie für den Antrag stimmen werden. Auch für die
iegenzucht sei bisher wenig vom Staate geschehen.
G beimer Regierungs⸗Rath Dr. Mueller bestreitet dies, giebt
ber zu. daß auf diesem Gebiete noch mehr geschehen könne.
Abg. Freiherr von Eynatten (Zentr.) empfiehlt besonders die Förderung der Pferdezucht in der Rhei provinz. Den Privatbesitzern werde das Halten von Hengsten sehr erschwert. Bei der Ankörung der Hengste der Privatbesitzer werde mit verschiedenen Maßen gemessen. Die Körkommission habe über Höhe und Alter der Hengste unrichtige Angaben gemacht.
Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer⸗ stein:
Die Darlegungen des geehrten Herrn Vorredners stehen mit dem Antrage des Herrn Abg. von Mendel kaum in einem direkten Zu⸗ sammenhang. Es sind Beschwerden über die Handhabung der Körordnung und anscheinend auch Beschwerden gegen deren Ausführung durch den Regierungs⸗Präsidenten. Ich empfehle dem Herrn Vorredner, dahin zu wirken, daß bei der Wahl der Mitglieder der Körungskommission vorsichtiger verfahren wird, denn im Großen und Ganzen gehen die Wahlen der Körungskommissionsmitglieder direkt von den Betheiligten aus. Wenn die Herren glauben, daß sie Beschwerden über die Hand⸗ habung von stiten der Staatsorgane zu führen haben, so sind solche Beschwerden zunächst nicht hier im Hause vorzubringen, sondern erst dann, wenn der Instanzenweg erschöpft ist. Endlich glaube ich, daß die Angelegenheit beim Gestüts⸗Etat viel zweckmäßiger vorgebracht worden wäre, denn dann wäre der Herr Ober⸗Landstallmeister zugegen gewesen, welcher vielleicht im stande gewesen wäre, auf die angeregten Fragen eingehender als ich zu antworten.
Abg. Ehlers (fr. Vgg.): Auch ich stehe dem Antrage sym⸗ pathisch gegenüber. Die Regierung ist ja nicht abgeneigt, die Mittel zu vermehren, allerdings mit der Vorsicht, die solche Unternehmungen bedingen. Bis jetzt hat nur Herr Gamp den Antrag bekämpft. Er hat gewissermaßen den Gegenantrag gestellt, die Landwirthschaft des Ostens ertragreicher zu machen. Er will der Konkurrenz des Aus⸗ landes entgegentreten. Das führt aber dahin, daß die einzelnen Be⸗ zirke sich gegen die Konkurrenz der anderen wehren. Dieser Gedanke ist in dem Antrage von Mendel nicht enthalten. Er müßte geschäfts⸗ ordnungsmäßig an eine Kommission verwiesen werden.
Abg. von Eynern (nl.): Die Handelsverträge haben der Land⸗ wirthschaft keine wesentliche Wunde geschlagen; denn auch in anderen Staaten, wo solche Verträge nicht bestehen, ist die Landwirthschaft in
einer schwierigen Lage. Wir werden aber für den Antrag stimmen,
weil auch wir der Landmwirthschaft helfen wollen. Mit der Thätigkeit des Landwirtbschafts⸗Ministers sind wir auf diesem Gebiete vollständig zufrieden. Die rechte Seite hat sich glückricherweise dazu entschlossen, mäßige Forderungen zu stellen. Die Agitation der Landwirthe hat nicht zum Ziele geführt, wie der Antrag Kanitz und die Forderung der Silberwährung keweist. Was hätten wir erst zu erwarten, wenn Herr
. Gamp Finanz⸗Minister würde!
Abg. Pobl (fr. Vgg.) äußert sich über den Antrag unter be⸗ sonderem Hinweis auf die Verhältnisse Ostpreußens, bleibt aber im einzelnen auf der Journalistentribüne unverständlich.
Abg. Gamp erklärt, daß er durchaus nicht gegen den Antrag sei, sondern ihm nur eine größere Tragweite geben wolle. Die Handels⸗ verträge hätten leider unsere Zölle gebunden. Er denke garnicht daran, Finanz⸗Minister zu werden 1 1
Abg. Dr. Arendt (fr. kons.): Nur wer gegen die Bindung der Getreidezölle eintreten wird, wird von sich sagen können, daß er ein Freund der Landwirthschaft ist. Der Antrag Kanitz hat den Cha⸗ rakter einer Nothstandsmaßregel. Jetzt, wo die Geltungsdauer der Handelsverträge sich ihrem Ende naht, liegt die Sache ganz anders. Die Silberwährung hat niemals irgend jemand von uns gefordert. Wir sind nur für den internationalen Bimetallismus eingetreten. Man sollte die kleinen Mittel nicht gegen die großen Mittel aus⸗ spielen. Beide müssen mit einander im Einklang stehen.
Nach einem kurzen Schlußwort des Abg. von Mendel⸗ Steinfels, in welchem er namentlich darauf hinweist, daß gerade die Landwirthschaftskammer Ostpreußens seinen Antrag unterstützt habe, wird dieser Antrag an die Budgetkommission verwiesen.
Es folgt die Berathung des Antrags der Abgg. Dr. Langerhans (fr. Volksp.) und Genossen: die Staatsregie⸗ rung zu ersuchen, die zur Einführung der fakultativen Feuerbestattung in Preußen erforderlichen gesetzgeberischen
Maßregeln zu treffen.
Abg. Dr. Langerhans, sehr schwer verständlich, weist zur Be⸗
gründung seines Antrages darauf hin, daß in anderen Ländern, auch in anderen deutschen Staaten, die fakultative Feuerbestattung bereits eingeführt sei. Die Einwendungen, die man in Preußen gegen diese
Art der Bestattung gemacht habe, würden hinfällig werden, wenn man die oblisatorische Leichenschau einführen würde. Der Pietät Leichenverbrennung der weiteste Spielraum die Asche der Verstorbenen in einer Urne ge⸗
da ja Wie man aber auch darüber denken möge, unmöglich
ammelt werde.
8 könne man es jemand verwehren, daß er die Verfügung treffe, nach 1 Bei größeren Epide⸗ mien würde die Verbrennung ein wirksames Mittel sein, der Ver⸗
breitung der Seuchen entgegenzuwirken. Auf die Dauer könnten die Gemeinden die Kosten für die Friedhöfe gar nicht mehr aufbringen. Abg. Mies (Zentr.) bemerkt, daß die Antragsteller konsequenter Weise die obligatorische Leichenverbrennung hätten beantragen Pefe Durch die Verbrennung würden allerdings die Bakterien und sonstige Krankheitserreger vernichtet; bei der bisherigen Art der Leichenbestat⸗ tung, namentlich bei richtiger Auswahl der Friedhöfe, sei aber nach dem Urtheil des Direktors des Kaiserlichen Gesundheitsamts das Gleiche der Fall, selbst zur Zeit der Epidemien, wie das Beispiel der Pest in
Indien beweise. Hervorragende wissenschaftliche Autoritäten hätten sich
für die Unschädlichkeit der bisherigen Begräbnißplätze ausgesprochen. Selbst als die Cholera in Hamburg geherrscht habe, sei nicht der Schatten eines Beweises dafür erbracht worden, daß der dortige Begräbnißplatz hygienisch bedenklich und durch Infektion gefährlich ewesen sei. Die Verbrennung vermindere auch garnicht die An⸗ Seene. cbr⸗ denn der Bazillus sei am lustigsten, wenn der Patient noch am Leben sei. Kosten könnten für die Gemeinden nur erspart werden, wenn die obligatorische Feuerbestattung eingeführt würde; an diese dächten die Antragsteller ja auch im Falle einer Epidemie. Wie würde man aber in Berlin im Falle einer Eyidemie die große Zahl der Leichen verbrennen können? Ein Apparat verbrenne pro Stunde nur eine Lesche. Die Leute würden auswandern müssen, weil sie die ausströmenden Gase nicht ertragen könnten. Für Berlin würden 200 Oefen kaum ausreichen. Und nun denke man an den Kriegsfall! Da sei die Leichenverbrennung garnicht durchführbar. Die katholischen Soldaten, die an das Fegefeuer glauben, brauchten ja sich davor nicht zu fürchten. Aber christlich⸗religiöse Gründe würden auch dagegen sprechen. Nach christlichem Begriff sei die Ver⸗ wesung in der Erde die Folge der Sünde der Eva im Paradiese. Dem Richterspruch Gottes zu widerstreben, sei nicht christlich.
Abg. Dr. Krause (nl.): Hygienische Gründe sind für den An⸗ trag garnicht in erster Linie vorgebracht worden, ebensowenig Gründe für die obligatorische Feuerbestattung. Gegen die fakultative Leichen⸗ verbrennung läßt sich vom Standpunkte des Strafrechts einwenden,
1 “ “ 1
daß es schwer sein würde, die Identität der Person festzustellen. Als Korrelat müßte ihr die amtliche Leichenschau zur Seite stehen, und damit würde der wesentlichste Grund gegen die Leichenverbrennung weg⸗ fallen. Ueber die Aesthetik dieser Bestattung läßt sich streiten. Der wichtigste Scheingrund gegen die Verbrennung ist der religiös⸗ dogmatische. Eine solche Leichenverbrennung ist aber schon in anderen deutschen Staaten unter Assistenz christlicher Geistlichen üblich. Weder die heilige Schrift noch sonstige Heilswahrheiten des Christen⸗ thums lassen sich gegen die Leichenverbrennung anführen. Der christ⸗ lichen Sitte messe auch ich eine große Bedeutung bei, und deshalb würde ich gegen die obligatorische Feuerbestattung sein. Diese wird aber garnicht gewünscht, noch weniger soll jemandem der Glaube an die Auferstehung geraubt werden. Bei der fakultativen Feuerbestattung bleiben ja die Kirchhöfe bestehen. Das Entscheidende ist die Frage der Gewissensfreiheit und Toleranz. Die Sitte der Feuerbestattung hat sich nun einmal ausgebildet; warum wollen Sie den Leuten wehren, dieser Sitte zu folgen? Christlich ist, auch den Standpunkt der Anderen gelten zu lassen. Abg. Schall (kons.): Im Großen und Ganzen kann man sagen, daß nur ein kleiner Theil der Bevölkerung die Feuerbestattung wünscht. In den vier deutschen Krematorien sind im vorigen Jahre nur 133 Leichen verbrannt worden. Wer das Bedürfniß nach Ver⸗ brennung hat, kann sich verbrennen lassen, ebenso wie sich jeder be⸗ graben lassen kann. Es heißt hier: principiis obsta! Läßt man erst die fakultative Verbrennung zu, so werden die Vereine die obligatorische Verbrennung fordern. Wir müssen aber im christlichen Interesse an der Erdbestattung festhalten. Der Kirchentag in Eisenach hat zwar an⸗ erkannt, daß die Verbrennung nicht dem Christenthum widerspricht, aber er hat darauf hingewiesen, daß dies der Tradition und der Kirchenordnung widerspricht. Das vordringende Christenthum hat überall an die Stelle der Verbrennung die Erdbestattung gesetzt. Die Leichenverbrennung wäre also nicht ein Kulturfortschritt, sondern eradezu ein Kulturrückschritt. Auch bei den alten Germanen war die Hebeemaeng nur ein Privilegium der Reichen, der alten Helden. Die heilige Schrift spricht immer nur von der Beerdigung. Die Auferstehung aus den Gräbern ist uns tief ans Herz gewachsen. Die Erdbestattung ist christliche Sitte, an sie knüpft sich die Verehrung und Pietät der Angehörigen während des ganzen Jahres und namentlich am Todtensonntage. Das ist für unser Volk ein Kleinod, und daran dürfen wir nicht rütteln. Auf dem Friedhofe liegt Grab an Grab, in den Kolumbarien allerdings Urne an Urne, aber lassen Sie uns doch unsere Gefühle. (Zuruf links: Wollen wir ja auch!) Wir Geistlichen sind nicht intolerant, aber wir dürfen durch unsere Autorität, durch amtliche Theilnahme an solchen Leschenbestattungen diese Sitte nicht gutheißen. Ich bin überzeugt, daß auch die General⸗Synoden in diesem Sinne entscheiden würden. Man müßte übrigens bei Leichenverbrennungen von Ein⸗ äscherung, nicht von Feuerbestattung reden. Besonders wichtig sind die kriminellen Bedenken. Leichenexhumierungen zur Feststellung von Verbrechen und zur Rekognoscierung sind garnicht selten. Ueber die hygienischen Bedenken kann man verschiedener Meinung sein, aber die Stadt Berlin nimmt bei ihren Rieselfeldern auf die Um⸗ wohner auch keine Rücksicht. Die Rieselfelder sind benutzt worden zu Heilstätten für Lungenkranke. Das Wasser auf dem Span⸗ dauer St. Johannes⸗Kirchhofe ist das beste der Stadt. Die Wünsche nach Leichenverbrennung gehen aus Kreisen hervor, die materialistisch oder wenigstens kirchlich liberal gesinnt sind. Diese materialistische Gesinnung zu unterstützen, haben wir keine Veranlassung. Wir wollen nichts dazu thun, um in einer Zeit, wo schon von vielen Seiten an dem alten Bestehenden gerüttelt wird, eine Neuerung zu fördern, die nur ein Privilegium der Reichen uand Vornehmen ist. Halten wir fest an der alten Sitte! b
Abg. Dr. Barth (fr. Vgg.): Diese Einwendungen richten sich, im Grunde genommen, nur gegen die obligatorische Feuerbestattung. Wir behaupten garnicht, daß die Erdbestattung schädlich, sondern nur, daß die Feuerbestattung nicht schädlich ist. Wenn man den Vorredner hörte, müßte man fast glauben, nur die Friedbefe hätten gutes Wasser. Wir gönnen ihnen ja die riedhöfe mit ihrem guten Wasser. Wir fordern auch nicht von der Geistlichkeit, daß sie die Bewegung fördere, sondern wir ver⸗ langen nur vom Staate die Wegräumung eines Hindernisses der Feuerbestattung im Inlande. Die Herren sprechen von der Schonung der Gefühle. Dasselbe verlangen wir auch für unser Gefühl, nämlich Toleranz. Oder soll etwa bei uns der Grundsatz herrschen: cuius regio, eius religio? Die Folge der Ablehnung unseres Antrages würde nur sein, daß außerhalb Preußens noch mehr Leichen verbrannt werden. Die Art aber, wie die Särge auf den Eisenbahnen wie Kolli behandelt werden, muß jedes feinere Gefühl verletzen. Ihr Widerstand wird die Bewegung nur stärken.
Abg. Dr. Dittrich (Zentr) erklärt sich vom christlich⸗dogmatischen Standpunkte aus und im Interesse der Erhaltung der alten guten christlichen Sitte gegen den Antrag. .
Die Diskussion wird geschlossen. wendet sich
Abg. Dr. Langerhans gegen die Ausführungen des Abg. Schall und bestreitet, daß die Krankheits⸗ und Sterblichkeitsziffer in der Nähe der Rieselfelder bei Berlin größer sei als irgendwo anders. Auch mit den Sanatorien auf den Rieselgütern habe man sehr günstige Er⸗ folge erzielt. Mehrere Kantone der Schweiz hätten sich ebenfalls für die fakultative Leichenverbrennung ausgesprochen. 9
Der Antrag Langerhans wird gegen die Stimmen der beiden freisinnigen Parteien, der Nationalliberalen und einiger Freikonservativen abgelehnt. 1
Schluß 3 ½ Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag 11 Uhr. (Kleinere Vorlagen und Petitionen.)
Im Schlußwort
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 22. d. M. gestellt 15 370, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen. In Oberschlesien sind am 21. d. M. gestellt 5187, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen; am 22. d. M. sind gestellt 5641, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen.
Nachweisung über verlangte und gestellte Wagen für die in den Eisen⸗ bahn⸗Direktionsbezirken Magdeburg, Halle und Erfurt belegenen Kohlengruben. Am 1. März wurden verlangt 2764, gestellt 2761 Wagen zu 10 t, am 2. März verlangt 2796,
gestellt 2796, am 3. März verlangt 2712, gestellt 2712, am 4. März verlangt 2763, gestellt 2763, am 5. März verlangt 51, gestellt 51, am 6. März verlangt 2634, gestellt 2634, am 7. März verlangt 2772, gestellt 2771, am 8. März verlangt 2788, gestellt 2779, am 9. März verlangt 2728, gestellt 2728, am 10. März verlangt 2728, gestellt 2726, am 11. März verlangt 2731, gestellt 2731, am. 12. März verlangt 45, gestellt 45, am 13. März verlangt 2665, gestellt 2665, am 14. März verlangt 2622, gestellt 26022, am 15. März verlangt 2556, gestellt 2553; im Ganzen wurden vom 1. bis 15. März verlangt 35 355, gestellt 35 340 Wagen zu 10 k. Konkurse im Auoblande. 4 Galizien. 5b
Konkurseröffnung über das Vermögen des zu Audrychôw ver⸗ storbenen, nicht protokollierten Kaufmanns Julius Schnitzer mit⸗ tels Bescheides des K. K. Kreisgerichts, Abtheilung I, in Wadowice vom 15b. März 1899 — Nr. S. 1/99. Provisorischer Konkursmasse⸗ verwalter Advokat Dr. Johann Malec in Andrychw mit Substitution des Advokaten DDr. M. Homme in Andrychw. Wahltagfahrt (Termin zur Wahl des definitiven Konkursmasseverwalters) 29. März 1899,
Vormittags 9 Uhr. Die Forderungen sind bis zum 10. Mai 1899 bei dem genannten Gerichte anzumelden; in der Anmeldung ist ein in Andrychöw wohnhafter Zustellungsbevollmächtigter namhaft zu machen. Liquidierungstagfahrt (Termin zur Feststellung der Ansprüche) 24. Mai 1899, Vormittags 9 Uhr.
Zwangsversteigerungen.
Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin gelangten die nachbezeichneten Grundstücke zur Versteigerung: Kurfürsten⸗ straße 149, dem Kaufmann G. Hantscheck u. Gen. gehörig; Fläche 13,76 a. Nutzungswerth 37 650 ℳ Mit dem Gebot von 536 000 ℳ wurden die vier Geschwister Sarre in Berlin Ersteher. — Proskauerstraße 35, dem Zimmermeister Aug. Rudolph ge⸗ hörig. Fläche 7,69 a. Nutzungswerth 9000 ℳ Meistbietender blieb der Kaufmann L. Hammerstein, Niederwallstraße 2, mit dem Gebot von 168 000 ℳ — Wrangelstraße 67, Ecke Ufer 7, dem Rentner F. F. Mitau u. Gen. gehörig. Fläche 8,27 a. Kutzungswerth 14 390 ℳ Mit dem Gebot von 208 400 ℳ blieben Frau Ober⸗Inspektor M. Oemler, geborene Brosse, in Schöneberg, Barbarossastraße 81, und Frau Witte, geborene Brosse, in Chorin, Meistbietende.
Beim Königlichen Amtsgericht II Berlin, Hallesches Ufer 26, I. Grundstück zu Weißensee, Berlinerstraße 144 belegen, der Wittwe F. Kothe gehörig. Fläche 27,80 a. Nutzungswerth 880 ℳ Für das Meistgebot von 49 800 ℳ wurde die Genossen⸗ schaftsbank für Weißensee u. Umgegend, e. G. m. b. H, Ersteherin. — Grundstück zu Weißensee, Langhansstraße 9 belegen, dem Schlossermeister K. Dörr gehörig. Fläche 4,27 a. Nutzungs⸗ werth 300 ℳ Für das Meistgebot von 11 500 ℳ wurde der Schlächtermeister Aug. Hoffmann in Berlin, Brunnenstraße 16, Ersteher. — Grundstück zu Schöneberg, Kyffhäuserstraße 5 belegen, dem Maurermeister Wilh. Thümen gehörig. Fläche 7,32 a, Nutzungswerth 10 200 ℳ Far das Meistgebot von 140 000 ℳ wurde die Grunderwerbs⸗Gesellschaft für Berlin u. Vororte G. m. b. H. in Berlin, Dorotheenstraße 95, Ersteherin.
Berlin, 22. März. Marktpreise nach Ermittelungen des Königlichen “ (Höchste und niedrigste Preise.) Per Doppel⸗Ztr. für: *Weizen 15,90 ℳ; 15,00 ℳ — Roggen 14,10 ℳ; 13,30 ℳ — Futtergerste 13,20 ℳ; 12,90 ℳ — Hafer, gute Sorte, 15,20 ℳ; 14,70 ℳ — Mittel⸗Sorte 14,60 ℳ; 14,00 ℳ; — geringe Sorte 13,90 ℳ; 13,40 ℳ — Richtstroh 4,16 ℳ; 3,66 ℳ — Heu 6,80 ℳ; 4,50 ℳ — „Erbsen, gelbe, zum Kochen 40,00 ℳ; 25,00 ℳ — **Speisebohnen, weiße 50,00 ℳ; 25,00 ℳ — *eLinsen 70,00 ℳ; 30,00 ℳ — Kartoffeln 6,00 ℳ; 4,00 ℳ — Rindfleisch von der Keule 1 kg 1,60 ℳ; 1,20 ℳ — dito Bauchfleisch 1 kg 1,20 ℳ; 1,00 ℳ — Schweinefleisch 1 kg 1,60 ℳ; 1,20 ℳ — Kalbfleisch 1 kg 1,60 ℳ; 1,00 ℳ — Hammelfleisch 1 kg 1,60 ℳ; 1,00 ℳ — Butter 1 kg 2,60 ℳ; 2,00 ℳ — Eier 60 Stück 4,00 ℳ; 2,40 ℳ — Karpfen 1 kg 2,20 ℳ; 1,20 ℳ — Aale 1 kg 3,00 ℳ; 2,00 ℳ — Zander 1 kg 2,60 ℳ; 1,00 ℳ — Hechte 1 kg 1,80 ℳ; 1,00 ℳ — Barsche 1 kg 1,80 ℳ; 0,80 ℳ — Schleie 1 kg 3,00 ℳ; 1,40 ℳ — Bleie 1 kg 1,40 ℳ; 0,80 ℳ — Krebse 60 Stück 12,00 ℳ; 4,00 ℳ 1 1
* Ermittelt pro Tonne von der Zentralstelle der preußischen Land⸗ wirthschaftskammern — Notierungsstelle — und umgerechnet vom Polizei⸗Präsidium für den Doppelzentner. “
** Kleinhandelspreise. 8 ““
Ausweis über den Verkehr auf dem Berliner Schlachtviehmarkt vom 22. März. Zum Verkauf standen: 393 Rinder, 2115 Kälber, 1001 Schafe, 8271 Schweine. Markt⸗ vreise nach den Ermittelungen der Preisfe setzungs⸗Kommission: Bezahlt wurden für 100 Pfund oder 50 kg Schlachtgewicht in Mark (bezw. für 1 Pfund in Pfg.): Für Rinder: Ochsen: 1) vollfleischig, ausgemästet, höchsten Schlachtwerths, höchstens 7 Jahre alt, — bis —; 2) junge fleischige, nicht ausgemästete und ältere ausgemästete — bis —; 3) een genährte junge und gut genährte ältere — bis —; 4) gering genährte jedes Alters — bis —. — Bullen: 1) voll⸗ fleischige, höchsten Schlachtwerths — bis —; 2) mäßig genährte füngere und gut genährte ältere — bis —; 3) gering genährte 44 bis 43. — Färsen und Kühe: 1) a. vollfleischige, ausgemästete Färsen böchsten Schlachtwerths — bis —; b. vollfleischige, aus⸗ gemästete Kühe höchsten Schlachtwerths, höchstens 7 Jahre alt, — bis —; 2) aältere ausgemästete Kühe und weniger gut ent⸗ wickelte füngere — bis —; 3) mäßig genährte Färsen und Kühe 46 bis 47; 4) gering genährte Färsen und Kühe 42 bis 44. Kälber: 1) feinste Mastkälber (Vollmilchtnast) und beste Saugkälber 73 bts 76; 2) mittlere Mastkälber und gute Saugkälber 69 bis 72; 3) geringe
Saugkälber 64 bis 68; 4) ältere gering genährte Kälber 37 bis 39 Schafe: 1) Mastlammer und jüngere Mast 22e. 56 bis 58; 2) öltere Masthammel 51 bis 54; 3) mäzig genährte Hammel und Schafe (Merzschafe) 44 bis 48; 4) Holsteiner Niederungs⸗ en⸗ — bis —, auch pro 100 Pfund Lebendgewicht — bis — ℳ
chweine: Man zahlte für 100 Pfund lebend (oder 50 mit 20 % Tara⸗Abzug: 1) vollfleischige, kernige Schweine feinerer en und deren Kreuzungen, höchstens 1 ¼ Jahr alt: a. bis 49, b. (Käser) — bis —; 2) fleischige Schweine 47 dis 48; gering entwickelte 45 bis 46, Sauen 43 bis 44 ℳ
— Beim „Nordstern“, Lebens⸗Versicherungs⸗Aktien⸗ Gesellschaft zu Berlin, sind im Jahre 1898 neue Anträge ein⸗ gegangen über 22 473 315 ℳ Kapital und 65 454 ℳ jährliche Rente, von welchen Anträge über 16 680 914 ℳ Kapital und 64 121 ℳ Rente angenommen wurden und in Kraft traten. Der reine Zuwachs stelte sich auf 10 203 786 ℳ Kapital und 54 066 ℳ Rente, der Versicherungsbestand Ende des Jahres unter Zuziehung des von der Schlesischen Lebens⸗Versicherungs⸗Aktien⸗Gesell⸗ schaft übernommenen und am Ende des Jahres in Kraft der⸗ bliebenen Bestandes auf 204 288 533 ℳ Kapital⸗ und 328 964 ℳ Renten⸗Versicherungen. Die Generalversammlung ist auf den 29. April d. J. einberufen; die Dividende der Aktionäre soll, wie im Jahre 1897, 137 ℳ auf jede Aktie betragen. — Beim „Nordstern, Unfall⸗ und Alters⸗Versicherungs⸗Aktien⸗Gesellschaft“ erbdödte sich die Prämien⸗Einnahme in der Unfall⸗Abtheilung von 728 583,08 ℳ auf 1 417 925,16. ⸗ Es wird die Zahlung der Maximal⸗Dividende von 10 % gleich 90 ℳ auf jede Aktie beantragt werden.
— Auf Veranlassang detheiligter Gewerbetreidender datte sich der Vorstand des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller an den Minister für Handel und Gewerbe mit der Bitte gewandt, die Namen geeigneter Agentur⸗ und Exportfirmen in Kiautschon und Tsintau bekannt zu geben. Der Minister dat Nu Vorstande die Namen der in Tsintau besindlichen dentschen Erperd⸗ firmen, gemäß dem Bericht des deutschen Gencral⸗Koafuik in Shanghat, übermittelt. Interessenten erfadren die in Betracdt kom⸗ menden Namen bei genügender Legitimatten im Baroau der Veretnk Berliner Kaufleute und Industrieller, Krausenstraße 58.
— Der Reingewinn der Hanziger Pridat⸗Aktiendauk im Jahre 1898 betrug 374 829 % (e d ᷑ n. T) md folgende Verwendung finden; 7 Dededende An dae Nore⸗ KAlerd 315 000 ℳ (i. V. 6 e., gleich 750 ). Tantdenen BI (i. V. 35 918 ℳ), Dotterung des Neservefends II 11 oe ℳ G. X. 9623 4ℳ6) und Uedertrag 88 Ni GC. X 8ö ℳ).
Königsbergt. 8 B. Maich. (W. T. B) Der Aa ratd der Ostpreuzischen Säddadn descletz, der auf den 24. einberufenen Generaldersammlung doerzus Magen, dee Deüredende r dae Stamm⸗Priorttäts Akkten anf d 0. Ne Bramm⸗Akken Auf e festzusetzen und saͤr die Medädende dem ErnewevangSend 0.42 —&
zu entnehmen. N Mlw. (. T1. B) Epirirnee dede
Grettin,
88 80 bep Vreslau, R. Mih. (W. F. B) KN
84 % . Pgde. 18. A. . üebaet G