1899 / 116 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 18 May 1899 18:00:01 GMT) scan diff

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Am vorigen Nuaam Markttage Markttage 85 (Spalte 1) Durch⸗

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11,75 11,60 14,50 14,00 13,50 13,00 13,25

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Bemerkungen.

14,40 13,00 14,80

14,00 14,00 15,50 12,00

12,00 14,70 14,00 13,50

Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswerth auf volle Mark abgerundet mitgetheilt.

Noch: Hafer. 12,50 12,75 12,20 12,40 15,00 15,00 14,20 14,40 15,00 15,10 13,67 13,67 14,00 14,00

15,00 14 40 13,60 15,20 14,40 15,60 13,10 14,80 15,30 16,00 13,00

13,00 12,80 15,50

14,40 400 1öö99 15,000 33 A 8 1498359 I11 15,0 bSaern. 13,30 14,80 EEIET11“ 16,09 8500 13,20 ““ 2

12,25 12,00 14/,70 14,20 14,10 13,33 13,50

11,80 14,00 13,33

14,70 14,00 15,34 12,70 14,50 15,00 15,80 12,50

14,60 13,80 14,80

14,00 14,00 15,50 12,30

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Ein liegender Strich (—) in den Spalten für Preise hat die Bedeutung, daß der betreffende Preis nicht vorgekommen ist, ein Punkt (.)

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14,20

13,52 14,45 15,00 14,80 14,00 14,86 14,00

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15,75

15,78

Der Durchschnittspreis wird aus den unabgerundeten Zahlen b net in den letzten sechs Spalten, daß entsprechender Bericht fehlt.

2 e“ Deutscher Reichstag. n 8 84. Sitzung vom 17. Mai 1899, 1 Uhr. 8 Die zweite Berathung des Entwurfs eines Inva⸗ lidenversicherungsgesetzes wird fortgesetzt.

Nach § 22 sollen nach der Höhe des Jahresarbeitsver⸗ dienstes der Versicherten folgende 5 Lohnklassen gebildet werden: I. bis 350 jährlich, II. 350 bis 550 ℳ, III. 550 bis 850 ℳ, IV. 850 bis 1150 und V. über 1150 (Bisher bestanden nur 4 Lohnklassen; die vierte umfaßte alle Jahresarbeitsverdienste über 850 ℳ) Für die Zugehörigkeit der Versicherten. zu den Lohnklassen ist aber nicht der thatsächliche Jahresarbeitsverdienst maßgebend, sondern Durchschnittsbeträge, nach denen die Versicherung egen Krankheit in den Orts⸗, Betriebs⸗, Bau⸗ und Innungs⸗ bänkentassen ꝛc. erfolgt, oder der dreihundertfache Betrag der ortsüblichen Tagelöhne. Der Versicherte kann sich höher als nach diesen es chicetss ete versichern, der Arbeitgeber ist dann aber nur zu dem Beitrag der gesetzlich maßgebenden Lohnklasse verpflichtet. 1

Die Sozialdemokraten beantragen, die Lohnklassen nach dem Wochenverdienst abzugrenzen, und zwar I bis 7 ℳ, II von 7 bis 11, III von 11 bis 17, IV von 17 bis 24 und 7über 24 wöchentlich; falls dies abgelehnt werden sollte, wollen sie die Mitglieder der eingeschriebenen Hilfskassen nach dem 300 fachen ihres wirklichen Tagsarbeitsverdienstes versichern lassen. H 8 Abg. Molkenbuhr (Soz.) bemängelt, daß nach dem jetzigen Verfahren die Arbeiter garnicht nach ihrem wirklichen Arbeitsverdienst versichert würden, sondern schablonenmäßig nach äußeren Merkmalen, wobei die Arbeitgeber an Beiträgen sparten. Besonders empfiehlt Redner eine Berücksichtigung der Verbältnisse der Seeleute.

Abg. von Salisch (d. kons.): Die Vorlage kommt den Wünschen der Arbeiter entgegen, indem sie eine Versicherung in einer höheren Klasse zuläßt. Darüber sollte man nicht hinausgehen; denn es ist zweifelhaft, ob die Industrie überhaupt noch mehr Beiträge zahlen kann. 8

22 wird unverändert angenommen. 1 1

Nach § 26 sollen die Grundbeiträge der Invalidenrenten betragen 60, 70, 80, 90, 100 für die erste bis fünfte Lohn⸗ klasse; für jeden Wochenbeitrag soll die Steigerung in den fünf Lohnklassen 3, 6, 8, 10 und 12 betragen.

§ 26 wird angenommen, ebenso ohne Debatte § 26a, wonach die Altersrente, soweit sie die Versicherungsanstalten aufbringen, 60, 90, 120, 150 und 180 in den fünf Lohn⸗ klassen betragen soll, und § 30, betreffend die Erstattung der Beiträge im Falle der Verheirathung. 8 Abg. Dr. Hitze (Zentr.) beantragt, einen neuen § 30a einzuschalten, wonach auch derjenige, der infolge des Bezugs einer Unfallrente den Anspruch auf Invalidenrente verloren habe, die Hälfte der für ihn entrichteten Beiträge zurückerhalten solle. 1

Kaiserlicher Geheimer Regierungs⸗Rath Dr. Kaufmann: Ich empfehle Ihnen die Ablehnung des Antrages, der schon in der Kom⸗ mission in ähnlicher Fassung gestellt, aber abgelehnt wurde. Im Kommissionsbericht sind die Gründe pro und contra ausführlich mit⸗ getheilt, worauf ich mich beziehen kann. Ich will hier nur kurz ein vaar Hauptbedenken hervorheben. Die Gesetzgebung ging bisher grundsätz⸗ lich davon aus, die Entschädigung der Unfallinpaliden gehöre nicht zu den Aufgaben der Invaliditäts⸗ und Altersversicherung, vielmehr solle es in diesem Falle bei der Fürsorge der Träger der Unfallversicherung bewenden; man aing davon aus, daß die verschiedenen Zweige der

ersicherung nur Theile einer einheitlichen sozialpolitischen Fürsorge bil⸗

eten, weshalb es genüge, wenn der erwerbsunfähig Gewordene aus iner dieser Anstalten Mittel erhalte, um seine Lebensunterhaltung bescheidenen Grenzen fortzusetzen. Das hohe Haus hat durch An⸗ ahme des Antrags Dr. Lehr zu § 9 Abs. 2 diesen Grundsatz schon etwas eingeschränkt und den Verstcherungsarstalten neue Lasten auf⸗ legt; es hat durch Annahme jenes Antrags ausgesprochen, daß die Versicherungsanstalten demnächst das Plus der Inpaliden⸗ rente neben der Unfollrente zu zahlen haben. Durch Annahme des Antrags Hitze würden Sie aber von der bisherigen Rechtslage och weiter abrücken vnd den Versicherungsanstalten wieder neue

1 Wie hoch die Belastung sein wird, läßt sich ngefähr ziffernmäßig berechnen. Bei Arnnahme des Antrags des Herrn Abg. Dr. Hitze würde im Jahre 1900 eine Mehrbelastung von 360 000, im Jahre 1901 eine solche von 396 000 und im Jahre 1902 eine solche von 432 000 entstehen; schließlich würde die Belastung ugefähr auf 1 Million jährlich sich belaufen. Man kann in der That zweifeln, ob die Beiträge, wie sie der Entwurf vorsieht, aus⸗ eichen werden, um alle die verschiedenen Lasten, die man an dieser und jener Stelle den Versicherungsanstalten auferlegt, zu erfüllen. Nun hat der Antrag des Herrn Abg. Dr. Hitze noch folgendes Bedenken. Man beschreitet mit ihm eine Bahn, auf der man schließlich dahin gelangen könnte, die Erstattung der Beiträge in allen Fällen zu verlangen, wo Renten nicht erworben werden. Es müßten dann die Mittel zur Zahlung der Renten schließlich allein von denjenigen beschafft werden, die zum Genuß einer Rente gelangen. Das ist unmöglich. Die Versicherungsanstalten werden, ohne auch die sogenannten guten Risiken zu beziehen, überhaupt nicht in der Lage

der Versicherten selbst. Aus der Praxis der Unfallversicherung lassen sich zahlreiche Fälle anführen, wo ein zunächst als dauernd erwerds⸗ unfähig Erklärter nachher sich erheblich bessert, auch völlig wiederher⸗ gestellt wird. Dann würde dem Versicherten auf Grund des § 65 der Unfallversicherung die Rente verkürzt oder entzogen werden; der Mann hat sich aber die Beiträge erstatten lassen, und das würde dann den

Effekt haben, daß, wenn er später aus einem mit dem Unfalle nicht zusammenbängenden Grunde erwerbsunfähig wird, er auch keine In⸗ validenrente erbält, sondern völlig ins Freie fällt. Ob das eine Ver⸗ besserung der Rechtslage der A beiter ist, ist mir doch zweifelhaft. Aus allen diesen Gründen möchte ich Sie bitten, den Antrag Hitze abzulehnen. 88 4

Abg. Sachse (Soz.) schließt sich dem Antrage an, während

Abg. Freiherr von Richthofen⸗Damsderf (d. kons.) ihn bekämpft, weil er das Versicherungsprinzip völlis preisgebe.

Der Antrag wird gegen die Stimmen der Konservativen

angenommen. t 8 68.8

Nach § 31 a können die Versicherungsanstalten, welche Ueberschüsse ihres Vermögens haben über den zur Deckung ihrer Verpflichtungen erforderlichen Bedarf hinaus, andere als die gesetzlich vorgesehenen Leistungen im wirthschaftlichen Interesse der Rentenempfänger, der Versicherten oder ihrer Angehörigen übernehmen.

Die Sozialdemokraten beantragen, diese Vor⸗ schrift zu streichen oder höchstens die Ueberschüsse zur Ver⸗ stärkung der Angehörigenunterstützung beim Heilverfahren zu

verwenden. Abg. Schrader (fr. Vgg.) weist darauf hin, daß die Versiche⸗

rungsanstalten nach dieser Vorschrift das Geld zu ie Ver⸗ anstaltungen ausgeben könnten; er spricht aber die Hoffnung aus, daß dadurch nicht der § 129 beeinträchtigt werde, wonach die Anstalten ihr Vermögen zu einem jgewiffen Theile zum Bau von Arbeiter⸗ 2 enden könnten.

EE“ Nach dieser Vorschrift können sich die Versicherungsanstalten als Wohlthäter aufspielen, und zwar auf Ge⸗ bieten, die mit Arbeiterfreundlichkeit nichts zu thun haben. Man hat in diesem Zusammenhang von der Seßhaftmachung der Arbeiter ge⸗ sprochen, woran doch nur die Arbeitgeber ein Interesse haben Es muß festgelegt werden, daß die Ueberschüsse nur im Interesse der Versicherten verwendet werden dürfen, nicht um die Arbeiter seßhaft zu machen und in ihrer Freizügigkeit zu beeinträchtigen. Die Gelder der Versicherungsanstalten sind leider schon vielfach nicht an Arbeiter⸗ Baugenossenschaften, sondern an die Arbeitgeber gegeben worden.

Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:

Meine Herren! Ich möchte zur Aufklärung des Sachverhältnisses bemerken, daß § 31 a, der sich auf die Nebenleistungen zu Gunsten der Rentenempfänger und ihrer Angehörigen bezieht, und § 129, der die Anlage des Vermögens der Versicherungsanstalten betrifft, mit einander nicht in innerem Zusammenhange stehen. Durch § 31 a sollte nur crreicht werden, daß die Anstalten, wenn sie in der Lage sind, über die Vorschriften des Gesetzes hinaus den Renten⸗ empfängern Wohlthaten zu erweisen, hierin nichkt verschränkt würden. Ein irgendwie politischer Gesichtspunkt nach der Richtung, die Arbeiter seßhaft zu mochen, hat den verbündeten Regierungen bei Abfassung des § 31 a vollkommen ferngelegen. Ich gestehe gern zu ich halte es für keine Schande, ein Versehen zuzugestehen —, daß das Beispiel in den Motiven, wonach den Arbeitern auch Dar⸗ lehne gewährt werden könnten, um sich eigene Wobnungen zu er⸗ richten, unglücklich gewählt ist und nicht hierher gehört. (Hört! hört! links.) Wenn man ein solches Beispiel wählen wollte, so hätte man es lediglich bei § 129 anbringen können, welcher von der Anlage des Vermögens der Versicherungsanstalten handelt (sehr richtig! links), aber nicht bei § 31 a. Ich gestehe diesen Irrthum ohne weiteres zu; bei der wiederholten Bearbeituns der Motive und den vielscchen Gesetzesänderungen kann schon einmal ein solcher Lapsus mituvnterlaufen. Der Gedanke des § 31 a war der, daß Anstalten einer besonders wohlhabenden Gegend, die ein großes Sondervermögen arzusam meln in der Lage sind, neben den gesetz⸗ lichen Leistungen nech Nebenleistungen zu gewähren vermögen in der Richtung, daß entweder die Invalidenrente noch bis zu einem gewissen Betrage weiter gewährt wird, wo gleichzeitig Unfallrente bezogen wird, oder eine Erhöhung des Krankengeldes gewährt werden kann, oder endlich auch den Hinterbliebenen in Form von Begräbniß⸗ und Sterbegeldern Beträge zugewendet werden können.

Ich glaube, noch dieser Erklärung werden die Bedenken, die von zwei Seiten des Hauses geäußert worden sind, im wesentlichen behoben sein, und ich bitte Sie, den Paragraphen anzunehmen, der den besonders günstig gestellten Anstalten ermöglicht, Aufwendungen zu machen zum Besten der Versicherten und eventuell auch ihrer Angehörigen über die Minimalleistungen des Gesetzes

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sein, die Verpflichtungen zu erfüllen, die das Gesetz ihnen auferlegt. Fn mzcie ich noch auf Folgendes bhinweisen. Wenn Sie, wie der Antrag Hitze vorsieht, die Leistungen aus der Unfall⸗ versicherung mit denen der Invalidenversicherung kumulieren, so werden Sie dadurch die allgemein als wünschenswerth bezeichnete organische Verbindung der Invaliden⸗ und der Unfallversicherung noch

hinaus.

Abg. Richter (fr. Volksp.): Es wäre richtiger, wenn die Ver⸗ wendungszwecke im Gesetze besonders erkenntlich und nicht von der Genehmigung des Bundesraths abhängig gemacht würden. Man sollte

Abg. Wurm hält den Eventualantrag aufrecht, den der

mehr erschweren. Schließlich noch folgende Bedenken vom Standpunkt

Abg. Richter als zu eng gefaßt bezeichnet.

den § 31 a jetzt streichen und ihn in dritter Lesung anderweit gestalten.

Königlich württembergischer Ministerial⸗Direktor von Schicker: Meine Herren! Wenn der Herr Abg. Richter meint, daß es zu schwerfällig sei, eine Genehmigung des Bundesraths zur Verwendung solcher Ueberschüsse zu fordern, 2 kann ich das witcklich nicht ver⸗ stehen; denn die Verwendung von Ueberschüssen zu weiteren Leistungen wird nicht über Nacht zu beschließen sein, sondern das ist ein Vor⸗ gang, der reiflich zu überlegen sein wird. Man wird eine Berechnung anstellen müssen, und wenn man die dazu nothwendige Zeit verwenden kann, hat man auch noch Zeit, sich an den Bundesrath zu wenden und dessen Genehmigung einzuholen. Daß aber die An⸗ forderung der Genehmigung des Bundesraths durchaus noth⸗ wendig ist, dürfte doch aus dem ganzen System des Gesetzes hervorgehen. Der Bundesrath beschließt über die Höhe der Einnahmen, er ist auch wesentlich an der Leistungsfähigkeit der einzelnen Versicherungsanstalten interessiert und ist daran interessiert, daß nicht Leistungen gewährt werden, die dem Zwecke des Gesetzes fern stehen und die als Mehrleistungen nicht zweckmäßig erscheinen dürfen. Also muß man unbedingt daran festhalten, daß die Ge⸗ nehmigung des Bundesraths zu erfordern sei. Nur unter dieser Be⸗ dingung ist es auch gelungen, im Bundesrath den Antrag auf die Zulassung der Gewährung von Mehrleistungen durchzubringen. Nun hat der Herr Abg. Wurm diese Genehmigung des Bundesraths, so⸗ viel ich verstand, auch nicht beanstandet. Die Herren von seiner Partei sind, wie es scheint, auch nicht gewillt, den Antrag auf völlige Streichung dieses Paragraphen aufecht zu er⸗ halten, ein Antrag, der nach meinem Dafürhalten überhaupt ganz unmöglich ist, denn man kann der Versicherungsanstalt nicht zumuthen, daß sie, wenn sich bei Verschiedenheit der Verhältnisse, bei Gleichheit der Beiträge und bei Ungleichheit der Einnahmen Ueberschüsse in einer Anstalt ergeben, diese Ueberschüsse einfach liegen läßt und admassiert, ohne daß sie zu einem nützlichen Zweck ver⸗ wendet werden. Daß überhaupt der § 31 a angenommen wird, ist meines Erachtens eine mathematische und logische Nothwendigkeit. Nun hat der Herr Abg. Wurm beantragt, wenigstens den Eventual⸗ antrag anzunehmen. Dieser Antrag enthält zweierlei Verwendungen, die der Herr Staatssekretär des Innern bereits als zulässig gekenn⸗ zeichnet hat, aber es ist gegen den Antrag Wurm einzuwenden, daß diese zwei Verwendungen nicht genügen, daß es nothwendig wäre, wenn man überhaupt auf eine solche Speziaälisierung eingeht, noch eine weitere Mehrleistung einzuführen; er müßte „nach Unfallrente’ wenigstens noch hineinsetzen: sowie Zur Ge⸗ währung von Sterbegeldern an Hinterbliebene.“ Ich glaube, es kann doch keinem der Antragsteller einfallen, diese Verwendung als unzulässig zu bezeichnen. Ich für meine Person gestehe, daß ich jede Spezialisierung für unzweckmäßig halte, man kann nicht wissen, wie sich aus der Praxis noch andere Verwendungszwecke vielleicht von viel geringerem Umfange als zweckmäßig erweisen, und nun sehe ich ein, warum man von vornherein eine Schranke nach der Richtung setzen soll, daß bei vernünftigem Ermessen auch noch irgend eine andere

ehrleistung soll gewährt werden können. Daß der richtige Rahmen eingehalten wird, daß nicht unzulässige Nebenzwecke verfolgt werden, davon kann der Herr Abg. Wurm fest überzeugt sein; ch glaube, dazu genügt doch auch die Genehmigung des Bundesraths. Wenn man aber eine solche nach meinem Dafürhalten unzweckmäßige Be⸗ schränkung aufnehmen will, so müßte ich doch mindestens dringend empfehlen, daß in dem Eventualantrag der Herren Wurm und Ge⸗ nossen noch eingefügt werde: „zur Gewährung von Sterbegeldern an die Hinterbliebenen.“

Abg. Gamp (Rp.) schließt sich diesen Ausführungen an und bsantragt, die Sterbegelder einzufügen. 1 b b

Abg. Roesicke⸗Dessau (b. k. F.) hält es für unzweckmäßig, die Versicherungsanstalten irgendwie zu binden, da man die Bedurfnisse garnicht zu übersehen im stande sei, welche sich im Laufe der Zeit hier einstellen könnten. 8 3 1

Abg. Schrader: Es handelt sich also pur um laufende Leistungen, welche nach § 31 a. gemacht werden können, nicht um Kapitalsanlagen.

Königlich württembergischer Ministerial Direktor von Schicker: Ich glaube, der Herr Abg. Schrader hat keine Veranlassung zu dem Mißverständniß gehabt, welches bei ihm mituntergelaufen ist; denn ich möchte wissen, wie § 31 a irgendwie dazu Anlaß geben könnte, an⸗ zunehmen, daß künftig die Versicherungsanstalt wicht Krankenhäuser, s sollte bauen können. Wenn eine Versicherungsanstalt ein Sanatorium baut, so nimmt sie ein Kapital, um das, was sie mit diesem Kavpital herstellt, für die laufenden Zwecke zu verwenden. Das war bis jetzt schon, obwobl jetzt von der Verwendung von Ueberschüssen im ganzen Gesetz nicht die Rede war. Also auch künftig wird, wenn eine Versicherungsanstalt ein Sanatorium bauen will, dafür nicht § 31a, sondern § 129 maß⸗ eberd sein. Die Versicherungsanstalt wird ganz unbehindert sein und 852 dazu auch keiner Genehmigung des Bundesraths, daß sie ein Sanatorium baut und für ihre Zwecke ve wendet. Das hat mit dem § 31a lediglich garnichts zu schoffen. Der § 312 enthält, wie ganz deutlich in ihm steht, eine Erhöhung oder Ver⸗ mehrung der einzelnen Leistungen zu Gunsten der Versicherten oder ihrer Angehörigen, also wenn man zu den regelmäßigen Renten⸗ gewährungen noch einzelne Unterstützungen gewährt, sind das Mehr⸗ leistungen, Mehrleistungen für laufende Zwecke, aber nicht Mehr⸗ leistungen, die individuell sein sollen, sondern Mehrleistungen, die all⸗ gemein zuzängig gemacht werden, wenn die Anstalt zu solchen Mehr⸗ leistungen im stande ist. Deshalb, weil es sich nicht um individuelle Mehrleistungen zu Gunsten einzelner Personen handelt, sondern um eine Erweiterung ihrer Leistungen überhaupt, darum ist die Sacht von hoher finanzieller Bedeutung, und darum kann es nicht angehen, solche Leistungen zuzulassen ohne die Genehmigung des Bundesraths.

Abg. Wurm zieht den Eventualantrag vorläufig zurück. § 31 a wird unverändert angenommen, ebenso die Vor⸗

Sanatorien u. s. w.

schriften über das Erlöschen der Anwartsch der Rente und das Ruhen der Rente.

Außerdem wurden 8

1 & überschläglicher

die Entziehuns

Es folgt der Abschnitt I: „Organisation.

Die Vorlage hatte in § 51 ff. die örtlichen Rentenstellen vorgeschlagen. Die Kommission hat einen neuen Abschnitt § 40 a ff. über die Mitwirkung der Landesbehörden eingefuͤgt.

Abg. von Loebell (d. kons.) bittet, alle diese Paragraphen in der Debatte miteinander zu verbinden, wogegen

Abz. Richter unter Bezweiflung der Beschlußfähigkeit des Hauses Widerspruch erhebt.

Abg. von Loebell zieht seinen Antrag zurück.

Es kommt also zunächst nur § 40 a zur Verhandlung.

Die Sozialdemokraten beantragen dazu, eine Reichs⸗Versicherungsanstalt einzurichten

Abg Bebel (Soz.) behauptet, daß die Invalidenversicherung sich ganz anders gestaltet hätte, wenn eine Reichs⸗Versicherungsanstalt eingerichtet worden wäre. Die Erfahrungen der zehn Jahre seit Erlaß des Ge⸗ setzes hätten gezeigt, daß die ganze Novelle überhaupt nur nothwendig geworden sei durch die Verschiedenartigkeiten, welche innerhalb der einzelnen Landes⸗Versicherungsanstalten sich herausgestellt hätten, und die jetzt künstlich ausgeglichen werden müßten.

Der Antrag wird abgelehnt. Die Vorschriften über die Mitwirkung der unteren Verwaltungsbehörden werden an⸗ genommen.

Ein weiterer Antrag der Sozialdemokraten geht dahin, die dabei mitwirkenden Arbeiter⸗ und Arbeitgeberbeisitzer durch direkte Wahlen statt durch die Vorstände der Kranken⸗ kassen wählen zu lassen.

Abg. Wurm begründet den Antrag; man müßte einmal fest⸗ stellen, wo diejenigen säßen, welche den Arbeitern die Mitwirkung an der Verwaltung dieser ihrer Angelegenheiten beschränkten.

Abg. Roesicke⸗Dessau erkennt an, daß die Krankenkassen⸗Vor⸗ stände nicht immer die geeigneten Organe für diese Wahlen seien; er sei aber mit seinem Antrage nicht durchgedrungen.

Der Antrag der Sozialdemokraten wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, der Freisinnigen und des Abg. Roesicke⸗ Dessau abgelehnt.

Die Bestimmungen über die Mitwirkung der unteren Ver⸗ waltungsbehörden und über die Landes⸗Versicherungsanstalten, deren Statuten und Organisation, werden ohne erhebliche Debatte angenommen.

Es folgt der Abschnitt über die örtlichen Renten⸗ stellen (§8 51 ff).. 4

Nach dem Beschlusse der Kommission soll die Wahr⸗ nehmung der den unteren Verwaltungsbehörden obliegenden Geschäfte mit Zustimmung des Ausschusses der Landes⸗ Versicherungsanstalten den Rentenstellen übertragen werden können. Die Landes⸗Zentralbehörden können die Errichtung von Rentenstellen anordnen.

Abg. von Loebell beantragt, daß zur Errichtung von Rentenstellen auch die Zustimmung der Landes⸗Zentralbebörde erforder⸗ lich sein solle, daß ferner die Rentenstellen in der Regel nur für Bezirke mit besonders dichter oder vorwiegend industrieller Bevölkerung errichtet werden sollten; sie sollten Organe der Versicherungsanstalt sein und die Eigenschaft einer öffentlichen Behörde haben.

Abg. Richter beantragt die Vertagung der Berathung; sein Antrag wird aber nicht genügend unterstützt und kommt deshalb nicht zur Abstimmung.

Abg. von Loebell empfiehlt seinen Antrag, der den Bedenken entgegenkomme, welche den Rentenstellen gegenüber geltend gemacht seien. Es sollte sowohl über die Einrichtung der Rentenstellen wie über die Bestellung der Vorsitzenden eine Vereinbarung zwischen den betheiligten Behörden erfolgen. Es werde auch besonders vorgeschlagen, die Rentenstellen da einzurichten, wo die unteren Verwaltungsbehörden nicht mehr im stande seien, die Verhältnisse zu übersehen.

Abg. Richter wiederholt seinen Vertagungsantrag, der darauf gegen 5 ½ Uhr angenommen wird.

Nächste Sitzung Donnerstag 11 Uhr. zweiten Berathung der Invalidenversicherung.)

Prreußischer Landtag. 1““ Haus der Abgeordneten.

68. Sitzung vom 17. Mai 1899.

Auf der Tagesordnung steht zunächst die zweite Be⸗ rathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Vertheilung der öffentlichen Lasten bei Grundstückstheilungen und die Gründung neuer Ansiedelungen oberhalb von Bergwerken.

Ueber den Beginn der Debatte ist schon berichtet worden. ger Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer⸗

ein:

Anknüpfend an die letzte Aeußerung des Herrn Grafen Kanitz, möchte ich dem Herrn Grafen anheimgeben, bei der heutigen Be⸗ rathung seinen Antrag zurückzuziehen und ihn zu demjenigen Gesetz zu stellen, wohin er gehört. Ich werde mir gestatten, das näher aus⸗ einanderzusetzen.

Meine Herren, das Gesetz vom Jahre 1876 über die Vertheilung von öffentlichen Lasten kennt zwei Verwaltungsakte, je nachdem eine einzelne Ansiedelung errichtet wird oder eine größere Zahl von An⸗ siedelungen, die nach dem Begriffe des Gesetzes als Kolonie bezeichnet werden, den Verwaltungsakt der Ansiedelungsgenehmigung und den Verwaltungsakt der Genehmigung zur Anlegung einer Kolonie. Der erstere geht von der Orts⸗Polizeibehörde aus. Gegen die Ertheilung der Ansiedelungsgenehmigung unter Zurückweisung von Einwendungen, sowie gegen die Versagung der An⸗ siedelungsgenehmigung ist das Verwaltungsstreitverfahren zulässig. Dann geht die Klage zunächst an den Kreis⸗Ausschuß, von da an den Bezirks⸗Ausschuß und von diesem an das Ober⸗Verwaltungsgericht. Wenn eine Kolonie errichtet werden soll, so ist die Genehmigung zur Errichtung einer solchen vom Kreis⸗Ausschuß im Beschlußverfahren zu ertheilen. Wird Klage gegen diesen Beschluß des Kreis⸗ Ausschusses erhoben, so hat der Kreis⸗Ausschuß zum weiten Male darüber zu entscheiden und zwar im Verwaltungs⸗ streitverfahren. Gegen diese Entscheidung des Kreis⸗Ausschusses im Verwaltungsstreitverfahren ist Berufung an den Bezirks⸗Ausschuß zu⸗ lässig bezw. an das Ober⸗Verwaltungsgericht.

So waren die Verhältnisse geordnet in dem Gesetz über die Ver⸗ theilung öffentlicher Lasten von 1876. Nun, meine Herren, kam das Rentengutsgesetz von 1891, welches eine neue Art von Kolonien und An⸗ siedelungen begründet hat: nämlich eine einzelne Ansiedelung als Renten⸗ gut oder eine größere Zahl von Rentengütern als Kolonien. Nun sagt das Gesetz von 1891 in dem § 12: „Die Begründung des Rentenguts kann auf Antrag eines Betheiligten durch Vermittelung der General⸗ Kommission erfolgen.“ Dann heißt es: „Auf das Verfahren und das Kostenwesen finden die für Gemeinheitstheilungen geltenden Vor⸗ schriften mit folgenden Maßnahmen Anwendung', die hier nicht weiter in Betracht kommen.

Es entstand nun der Zweifel: wenn ein Rentengut als einzelne Ansiedelung oder eine größere Zahl von Rentengütern als Kolonie er⸗

(Fortsetzung der

richtet würde, ob dann nach der Bestimmung „auf das Verfahren finden die Bestimmungen über Gemeinheitstheilungen Anwendung“ zu ertheilen habe, oder ob sie von der Ortspolizei bezw. dem Kreis⸗Ausschuß zu ertheilen sei. Einmal aus Zweckmäßigkeitsgründen, weil man glaubte, daß die General⸗Kommission, welche die ganze wirthschaftliche Frage der Errichtung der Rentengüter zu prüfen habe, auch die ge⸗ eignete Behörde sei, um die Ansiedelungs⸗, bezw. Koloniegenehmigung zu ertheilen, damit nicht zwei verschiedene Behörden, die eine vielleicht vor, die andere hinter den Wagen gespannt werde, anderntheils, weil Zweifel in diesen gesetzlichen Bestimmungen lagen, haben die drei Minister, der Minister des Innern und worauf ich noch besonders Werth lege der Justiz⸗Minister und der Landwirthschafts⸗Minister die Bestimmungen im § 12 des Gesetzes von 1891 authentisch inter⸗ pretiert. Es ist durch diese authentische Interpretation festgestellt, daß unter der Bestimmung: auf das Verfahren u. s. w. finden die Be⸗ stimmungen für Gemeinheitstheilungen Anwendung zu ver⸗ stehen sei, daß in dem Falle, wenn eine einzelne An⸗ siedelung als Rentengut errichtet würde, bezw. wenn eine Kolonie aus Rentengütern errichtet werden solle, die General⸗ Kommission die zuständige Behörde für die Genehmigung sowie für die Klage in erster Instanz sei. Für das weitere Prozeßverfahren und darauf, bitte ich, meine Herren, wohl Acht zu geben tritt nun naturgemäß nach dieser Entscheidung in zweiter Instanz das Ober⸗ Landeskulturgericht ein. Also erstinstanzlich ist eine quasi gerichtliche Behörde und zweitinstanzlich das Ober⸗Landeskulturgericht ent⸗ scheidende Behörde. Darüber kann doch gewiß gar kein Zweifel sein, daß damit kein rechtloser Zustand hergestellt ist. Ich muß annehmen, daß diese beiden Behörden, das Ober⸗Landes⸗ kulturgericht und die General⸗Kommission, umsomehr geeignet sind, in diesen Fragen eine durchaus sachgemäße Entscheidung abzugeben, als durch eine vom landwirthschaftlichen Ministerium angeordnete Ver⸗ fügung bestimmt ist, daß sie für die Prüfung der Einsprüche gegen die Errichtung von Einzelansiedelungen bezw. Kolonien den Kreis⸗Ausschuß bezw. landwirthschaftliche Sachverständige zu hören haben, um zugleich auf die Erweiterung des Gesetzes von 1876 ein⸗ zugehen, wo unter Umständen auch bergpolizeiliche Rücksichten in Be⸗ tracht kommen in bergpolizeilichen Fragen das Gutachten des Bergrevierbeamten einzuholen haben werden.

Bei der Gelegenheit will ich jetzt schon auf eine Bemerkung eingehen, die Graf Kanitz rücksichtlich dieses letzteren Punktes gemacht hat. Er sagte, man müßte erwarten, daß in dem oberschlesischen Ober⸗Bergamtsbezirk, für den speziell gerade diese Erweiterungs⸗ bestimmungen zum Gesetz von 1876 in Geltung treten werden, ebenfalls die Errichtung von Rentengütern als Einzelansiedlung oder als Kolonien stattfinden würde. Nach der Prüfung, die in dieser Richtung vorgenommen ist und nach Anhörung der General⸗Kommission für Schlesien ist es unwahrscheinlich, daß in dem Bezirk des Ober⸗ Bergamts Schlesien Rentengüter und besonders ganze Kolonien werden errichtet werden.

Nun, meine Herren, zu dem vorliegenden Gesetzentwurfe, der eine Ergänzung des Gesetzes von 1876 beabsichtigt, hat der Herr Graf Kanitz den Antrag gestellt:

Dem § 17 Absatz 2 wird hinzugefügt:

Insoweit es sich um die Errichtung von Rentengütern handelt (Gesetz vom 7. Juli 1891, Gesetz⸗Samml. S. 279), ist über die auf Grund von §§ 15 und 15 a erhobenen Einsprüche gleichfalls im Verwaltungsstreitverfahren zu entscheiden.

Aus der Fassung dieses Antrages muß ich entnehmen, daß der Herr Graf Kanitz beabsichtigt, den Verwaltungsakt der Genehmigung ent⸗ weder der einzelnen Ansiedlung oder einer ganzen Kolonie bei der General⸗Kommission zu belassen (Widerspruch rechts), daß er nur die Absicht hat, die Entscheidung über erhobene Ein⸗ sprüche gegen diesen Verwaltungsakt in das Verwaltungsstreitver⸗ fahren zu verweisen. Also würde die General⸗Kommission, wenn der Antrag angenommen wird, sowohl wenn es sich um ein einzelnes Rentengut, als auch wenn es sich um eine größere Anzahl von Renten⸗ gütern, also eine Kolonie, handelt, die Genehmigung hierzu ertheilen, und gegen diese Entscheidung soll nun das Verwaltungsstreitverfahren stattfinden.

Wie gestaltet sich denn nun die Sache, wenn diese meine Auf⸗ fassung richtig ist, wie man sie nur nach der wörtlichen Interpretation des Antrags gewinnen kann? Dann entscheidet über die Genehmigung der einzelnen Ansiedlung oder einer Kolonie die General⸗ Kommission. Weist sie die Einsprüche ab und der Einspruchs⸗ berechtigte erhebt Klage, dann ginge die Sache an den Kreis⸗ Ausschuß. Dann würde, nach der Entscheidung einer mittleren Behörde, die Sache an ein Organ unterer Instanz abgegeben, um über diesen Einspruch zu entscheiden und eventuell die Ent⸗ scheidung der General⸗Kommission wieder aufzuheben. Wenn nun aber die General⸗Kommission die Genehmigung zur Errichtung eines Rentenguts oder einer Rentengutskolonie versagt hat, weil, was sie doch prüfen muß, die Verhältnisse nicht geeignet sind, auf die Renten⸗ bank die Renten zu übernehmen, und weil die Sicherheit für den Staat nicht vorhanden ist, dann würde gleichfalls die Klage gegen die Entscheidung der General⸗Kommission beim Kreis⸗Ausschuß einzulegen sein, und der Kreis⸗Ausschuß wäre somit in der Lage, die abweisende Entscheidung der General⸗Kommission aufzuheben und damit die General⸗ Kommission in die schwierige und verantwortliche Lage zu bringen, daß, während sie einerseits die Verantwortung für die Errichtung von Rentengütern übernimmt, sie andererseits gezwungen wird, Renten⸗ güter zu errichten, deren Uebernahme auf die Rentenbank nicht für zulässig zu erachten ist.

Meine Herren, aus dem Gesichtspunkt der Behördenorganisation, wonach in der Regel daran festgehalten wird, daß eine Behörde unterer Instanz nicht eine Entscheidung abzugeben hat über einen Verwaltungsakt oder eine sonstige Entscheidung einer Behörde mittlerer Instanz, wäre dies doch eine merkwürdige Anomalie. Und die merkwürdigste Anomalie wird nach dem Antrage dadurch noch verstärkt, daß die General⸗ Kommission gezwungen werden könnte, gegen ihre Verantwortung Rentenkolonien zu errichten, während sie gerade den staatlichen In⸗ teressen bei Errichtung der Kolonien Rechnung tragen soll.

Herr Abg. Graf Kanitz hat auch schon in seinem Vortrag darauf hingewiesen, daß die eigentliche sedes materiae für seinen Antrag nicht in dem vorliegenden Gesetzentwurf, sondern in dem Rentengutsgesetz liege. Und nun muß ich nach den von mir ausgeführten Darlegungen in vollstem Maße die Behauptung aufrecht erhalten, daß es ein ganz

wunderbares Verfahren wäre, wenn man in diesem Gesetz, das

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lediglich eine Ergänzung des Gesetzes von sein soll, eine An⸗ ordnung trifft, die in dies Gesetz nicht hineingehört. Da nun Herr Graf Kanitz selber anerkannt hat, daß, wenn eine solche Anordnung getroffen werden soll, sie nicht in den vorliegenden Gesetzentwurf hineingehört, ich glaube, so kann ich den Herrn Grafen nur bitten, den Antrag heute zurückzuziehen, und wenn er wirklich glaubt, daß ein innerer, sachlicher Grund für eine Aenderung der Gesetzgebung vorliegt, dann seinen Antrag zu demjenigen Gesetz zu stellen, wo der Antrag hingehört. Ich erinnere mich sehr wohl der Verhandlungen, die hier gepflogen sind auf die Initiative, wenn ich nicht irre, des Herrn von Zedlitz, der damals auch glaubte, es wäre vielleicht richtiger, die Entscheidung über die Errichtung von Einzelansiedelungen und von Kolonien, bezw. die Entscheidung über die dagegen erhobenen Einsprüche den General⸗Kommissionen bezw. dem Ober ⸗Landeskulturgericht zu entziehen und sie in das Verwaltungsstreitverfahren zu verweisen. Der sachliche Grund, der nach dieser Richtung früher geltend gemacht worden ist, ist nach meiner Auf⸗ fassung nicht stichhaltig, da wir landwirthschaftliche Beiräthe den General⸗Kommissionen beigegeben haben. Die Mitglieder des Kreis⸗ Ausschusses sind häufig selbst betheiligt, wenn sie z. B. Einsprüche gegen die Ansiedlung erhoben haben. Daher ist der Kreis⸗ Ausschuß vielleicht eher als befangen zu erachten in der Entscheidung solcher Fragen als die General⸗Kommission, eine quasi richterliche Behörde, und als das Ober⸗Landeskulturgericht, eine zweifellos durch⸗ aus objektive Behörde. Die General⸗Kommissionen wie das Ober⸗ Landeskulturgericht haben dem Kreis⸗Ausschuß gegenüber noch einen weiteren Vorzug; sie sind einmal mit den ganzen Verhältnissen der Rentengutsgesetzgebung genauer bekannt. Auch sind die Mitglieder beider Behörden, des Ober⸗Landeskulturgerichts wie der General⸗ Kommission, für den landwirthschaftlichen Beruf besonders vor⸗ gebildet, während das im Kreis⸗Ausschuß nicht immer der Fall ist (oho! rechts) oder wenigstens nicht immer der Fall sein kann.

Endlich kommt in Betracht darüber ist das hohe Haus doch von Anfang an sowohl bei Erlaß der Rentengutsgesetzgebung, wie auch bei allen Verhandlungen, die in neuerer Zeit gepflogen sind, nicht im Zweifel gewesen —, daß thunlichst die Errichtung von Renten⸗ gütern in Rentengutskolonien zu fördern ist. Aber, meine Herren, ich richte an diejenigen, die im praktischen Leben stehen, die Frage: ist es denkbar, daß eine solche Förderung stattfindet, wenn man ganz verschiedene Organe einerseits mit der Ertheilung der Genehmigung zur Errichtung der Rentengüter u. s. w., und andererseits mit den Entscheidungen im Verwaltungsstreitverfahren befaßt? Dann kann wohl der Fall eintreten, daß die einen für und die anderen gegen die Sache sind. Das Zweckmäßige ist und das hat auch die bisherige Erfahrung ergeben —, daß man thunlichst den ganzen Zusammenhang der Verwaltungsthätigkeit in diesen Fragen in eine Behörde legt, die nach einheitlichen Gesichtspunkten entscheidet, ohne dadurch eine Gefährdung der privaten Rechtsansprüche u. s. w. herbeizuführen

Also, meine Herren, nach Prüfung der Anschauungen, wie sie früher hier hervorgetreten sind, und der Ansichten, welche der Herr Graf Kanitz heute vorgetragen hat, bin ich besonders aus formellen Gründen nicht im Zweifel, daß zu dem vorliegenden Gesetzentwurf der Antrag garnicht gestellt werden sollte, weil er in diesen Entwurf nicht hineingehört. Aber auch aus sachlichen Gründen empfiehlt sich eine Aenderung in dieser Beziehung nicht.

Zu meinem Bedauern muß ich der Behauptung des Herrn Grafen Kanitz auf das entschiedenste widersprechen, daß die Ent⸗ scheidungen, welche die drei Minister über den Zweifel, der in den Bestimmungen des Rentengutsgesetzes von 1891 liegt, gefällt haben, ein Rechtsbruch sei. Gerade dasjenige Ressort, welches zu dieser authentischen Interpretation das berufenste ist, der Justiz⸗ Minister, ist in dieser Frage mit thätig gewesen, und ich muß der Behauptung des Herrn Grafen Kanitz entgegentreten, daß man durch diese Interpretation einen Fehlgriff gethan habe. Ueber den Zweifel in dem Gesetz ist durch die zuständigen Staatsbehörden entschieden worden, und dazu lag eine formale wie auch eine sachliche Berechti⸗ gung vor.

Ich knüpfe an diese Darlegungen die Bitte an das hohe Haus, wenn Herr Graf Kanitz seinen Antrag nicht zurückziehen sollte, denselben abzulehnen hauptsächlich aus dem Grunde, weil die sedes materiae für diesen Antrag nicht in dem Gesetz von 1876 ruht, sondern in dem Rentengutsgesetz von 1891. Soll die Sache geändert werden, so muß der Antrag zu § 12 des Rentenguts⸗ gesetzes gestellt werden. Es scheint mir nach den Aeuße⸗ rungen des Herrn Grafen Kanitz kaum weifelhaft, daß er ju einer solchen Zurückziehung bereit ist. Ich glaube, daß dann die Aussichten für das Zustandekommen der von ihm ge⸗ wünschten Aenderung weniger ungünstig sind, als wenn jetzt das hohe Haus darüber zu entscheiden hat.

Sollte der Antrag heute nicht zurückgezogen werden, so muß ich zu meinem Bedauern das hohe Haus dringend ersuchen, den Antrag so, wie er jetzt gestellt ist, abzulehnen.

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (fr. kons.) hält es für unzulässig, die Zuständigkeit anderer Behörden zu Gunsten der General⸗Kommission zu beseitigen. Eine authentische Interpretation einer Gesetzesbestimmung könne in der übereinstimmenden Meinung dreier Minister nicht gefunden werden, sondern nur in dem Votum der gesetzgebenden Faktoren. stei Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer⸗

ein:

Meine Herren! Zunächst hat der Herr Graf ausgeführt, daß nach seiner Auffassung es sehr wahrscheinlich und sehr denkbar sei, daß in dem Ober⸗Bergamtsbezirk Dortmund einzelne Ansiedelungen als Renten⸗ güter oder größere Rentengutskolonien entstehen würden. Das Gesetz über die Beförderung der Errichtung von Rentengütern hat den Zweck, mittlere und kleinere Güter zu errichten; die Errichtung von Arbeiterstellen und um solche handelt es sich wahrscheinlich in den meisten Fällen im Ober⸗Bergamtsbezirk Dortmund soll nicht Gegenstand der Rentengutsbildung sein. Es hat die General⸗ Kommission aus den praktisch hinter ihr liegenden Er⸗ fahrungen die Ueberzeugung geschöpft, daß voraussichtlich in Berg⸗ werksdistrikten ganze Rentengutskolonien oder einzelne Rentengüter nicht entstehen werden, und diese Ansicht halte ich für berechtigt.

Dann hat Herr Graf Kanitz ausgeführt, es sei ihm unerklärlich, wie man für die General⸗Kommission eine besondere Stellung beanspruchen könne, die doch nicht einmal die Ansiedelungs⸗Kommission habe. Die Ansiedelungs⸗Kommission aber ist bei der Ausgabe von Ansiedelungsgütern Partei, sie ist betheiligt, sie ist Eigenthümer der

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