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Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 76. Sitzung vom 16. Juni 1899.
Auf der Tagesordnung steht zunächst die Verlesung der Interpellation der Abgg. Roeren und Dr. Hitze:
Aus welchen Gründen hat die Königliche Staatsregierung den in der Thronrede am 16. Januar d. J. angekündigten Gesetzentwurf, betreffend die Besteuerung der Waarenbhäuser, dem Land⸗ tage noch nicht vorgelegt, und für wann ist die Vorlegung zu erwarten?
Der Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗ Minister Dr. von Miauel erklärt sich bereit, die Interpella⸗ tion sogleich zu beantworten.
Zur Begründung der Interpellation erhält das Wort „Abg. Roeren (Zentr.): Ich will bei der Geschäftslage des Hauses die ganze Frage nicht aufrollen. Die Interpellanten beabsichtigen nur, Klarheit darüber zu schaffen, weshalb dieser Entwurf trotz der außer⸗ gewöhnlichen Ausdehnung der Session noch immer nicht vorgelegt ist. Bei Beginn der Session war bereits ein Entwurf ausgearbeitet, der sich an die unwirksame französische Steuer anschloß. Die Handel⸗ und Gewerbetreibenden des Mittelstandes versprechen sich nur von der Einführung einer Umsatzsteuer etwas Ersprießliches, wie sie auch in dem bayerischen Gesetz vorgesehen ist. Die Riesengeschäfte und Bazare haben in den letzten Jahren einen immer größeren Umfang angenommen, sie umspannen das ganze Land mit einem Netz von Filialen und verkaufen jetzt schon Kolonialwaaren, Romane, Semmel u. s. w. Sie errichten Restaurants mit regelmäßigen Kon⸗ zerten. Bei dem riesigen Umsatz dieser Geschäfte werden Tausende von kaufmännischen, soliden und altrenommierten Geschäften ruiniert. Diese Geschäftskreise sind in einer sehr gedrückten Stimmung, und sie befürchten, daß die Vorlage auf die lange Bank geschoben werden kann. Will die Staatsregierung diese Kreise beruhigen, so mag sie eine bestimmte Erklärung abgeben, daß die Sache bei ihr, wie ich überzeugt bin, nicht ruht, sondern daß sie den Gesetzentwurf in der nächsten Session vorlegen wird.
Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:
Meine Herren! Der Herr Interpellant will wissen, wie es mit der beabsichtigten Gesetzgebung auf dem fraglichen Gebiet augenblicklich steht. Er sagt es wäre in der Thronrede versprochen, den Gesetz⸗ entwurf über die Besteuerung der Waarenhäuser noch in dieser Session vorzulegen. So bestimmt drückt die Thronrede sich aber nicht aus, sondern sie sagt, es werde hoffentlich gelingen, noch in dieser Session einen Gesetzentwurf, betreffend die Besteuerung der Waarenhäuser, dem hohen Hause vorzulegen. (Sehr richtig! rechts.) Meine Herren, diese Hoffnung ist leider, wie ich wohl sagen kann, auch für die Zukunft dieser Session nicht erfüllbar gewesen, und diese Thatsache beruhtlediglich auf der außerordentlichen Schwierigkeit dieser Gesetzgebung. Wir haben im Finanz⸗Ministerium, schon ehe das hohe Haus durch den auf Grund des Antrags — von Brockhausen, glaube ich — gefaßten Be⸗ schlusses und der verschiedenen Anschauungen, die hier im Parlamente hervortraten, vor allem aber auf Grund unserer eigenen Ueberzeugung, daß die bestehende Gewerbeordnung auf diese neue Entwickelung im Kaufmannsstande nicht vollständig genügend zugeschnitten sei, einen Entwurf ausgearbeitet, welcher aber dieses Stück der Gewerbesteuer nicht verstaatlichen sollte, sondern eventuell in denjenigen Gemeinden, welche — wozu die Gemeinden vollkommen befugt sind — nach dem Kommunalabgabengesetz in einer bestimmten Zeit nicht eine nach ihren besonderen Verhältnissen zugeschnittene Besteuerung der Waarenhäuser mit dem Zweck, den die Regierungsvorlage verfolgte, eingeführt haben würden, in Kraft treten sollte.
Meine Herren, das hohe Haus erinnert sich ja, aus welchen Gründen bei der Steuerreform die staatliche Gewerbesteuer gänzlich aufgegeben und den Gemeinden überlassen wurde; das hohe Haus erinnert sich auch, daß nach dem Kommunalabgabengesetz die Gemeinden nicht bloß die Freiheit haben, die staatliche Gewerbesteuer zu einer wirk⸗ lichen Kommunalsteuer umzugestalten, was sie gegenwärtig nach unserer Meinung, wie ich das hier oft ausgesprochen habe, nicht ist, sondern daß auch die natürliche Aufgabe der Kommunalbesteuerung und der Bildung der Formen dafür den Gemeinden nach dem Gesetz geradezu obliegt. Das hohe Haus weiß aber, daß von diesen Befugnissen und kommunalen Aufgaben in den Gemeinden Preußens wenigstens nur ein sehr geringer Gebrauch gemacht ist und in den großen Städten auf dem Gebiete des Kauf⸗ mannswesens überhaupt nicht. Auch alle Versuche der Staats⸗ regierung, durch Aufstellung von Musterbesteuerungen die Ge⸗ meinden anzuregen, auf diesem Gebiete legislatorisch thätig zu sein, haben sehr wenig gefruchtet. Es sind nur ein paar Gemeinden, namentlich eine in Oberschlesien, die in dieser Beziehung, selbstverständlich mit Genehmigung des Staats⸗Ministeriums, vor⸗ gegangen ist. Daraus haben wir allerdings mit dem hohen Hause, wenigstens im Finanz⸗Ministerium, die Ueberzeugung schöpfen müssen, daß auf diesem Wege nicht weiter zu kommen sein würde, daß es eines staatlichen Einschreitens bedürfe. Aber mit Rücksicht auf die kommunale Natur der Gewerbesteuer und die eigenartigen Verhältnisse in den einzelnen Kommunen wollten wir doch durch eine Staatssteuer nicht mechanisch egalisieren, sondern den Ge⸗ meinden, namentlich den Städten noch die Zeit lassen, innerhalb einer bestimmten Frist ihrerseits sich den Bestimmungen des Staats⸗ gesetzes zu entziehen, wenn sie selbst annähernd auf kommunalem ihren besonderen Verhältnissen entsprechend das Erforderliche leisten. .
Meine Herren, diese Steuer beruhte allerdings nicht auf dem Prinzip, das, wie der Herr Vorredner eben ausgeführt hat, in Bayern persucht ist: auf dem Prinzip der Umsatzsteuer. Meine Herren, der Herr Vorredner ist der Meinung, daß wirksam nur durch die Ein⸗ führung einer Umsatzsteuer geholfen werden könnte. Wir haben aber auch aus den Kreisen des Kleingewerbes die dringendsten Bitten erhalten, mit einer Umsatzsteuer nicht vorzugehen, weil sie auch dem Kleingewerbe in vielen Beziehungen höchst gefährlich sei. (Sehr richtig! Hört, hört!) Aker, meine Herren, ganz abgesehen
daven — denn die Ansichten laufen derartig auf diesem Gebiete
auseinander, daß man auf solche einzelne Meinungsäußerung über⸗ haupt nicht viel geben kann — ist die Einführung einer Umsatz⸗ steuer bei uns viel schwieriger als in Bavyern. Das anze bayerische Steuersystem, namentlich die Gewerbe⸗ geuer ist eine grundsätzlich verschiedene von der jetzigen preußischen
GSFewerbesteuer, und ich glaube nicht, wenn ich Ihnen einen Gesetz⸗
entwurf vorlegte, genau wie der bayerische Gesetzentwurf, wo es beißt: Mit einer Umsatzsteuer sind zu belegen Betriebe von außergewöhnlich großem Umfange, und solche, die eine ungewöhnliche Art des Ee⸗
—
schäftsbetriebes haben —, daß dieses hohe Haus dem preußischen Minister
eine solche unbeschriebene Latitude und diskretionäre Gewalt in die Hand geben würde. Aber, meine Herren, wenn es geschähe, welche Kriterien hätte das Ober⸗Verwaltungsgericht, die Streitfragen zu entscheiden, die sich daraus entwickeln würden? In Bayern ent⸗ scheidet meines Wissens der Ministter, aber bei uns würde das Ober⸗ Verwaltungsgericht entscheiden. Meine Herren, der ungewöhnliche Umfang ist für jede Gemeinde, richtig behandelt, eigentlich ver⸗ schieden. (Sehr wahr!) Was in Berlin ein gewöhnlicher Umfang des Geschäftsbetriebes ist, ist es entfernt noch nicht in Liegnitz. Wie würde da wohl ein Gericht die Frage entscheiden können, ob ein der Steuer unterworfenes Geschäft überhaupt vorliege, geschweige denn, mit welcher Steuer es zu belegen ist? Also dieses bayerische Vorgehen will ich nicht kritisteren, aber es hat sich in der Praxis noch nicht bewährt, vorläufig steht es noch auf dem Papier — die Einstimmigkeit des Landtages wurde wahrscheinlich auch dadurch bedingt, daß hiervon das Zustandekommen der ganzen bayerischen Steuerreform abhing.
Meine Herren, diese Umsatzsteuer ist an und für sich — man kann den Ausdruck wohl gebrauchen — eine etwas rohe Steuerform, es giebt sehr viele Geschäfte, die mit vollem Recht, ohne daß man sie irgend als unsolide und verwerfliche Geschäfte behandeln kann, es vorziehen, einen großen Umsatz mit geringem Verdienst im einzelnen zu haben als einen kleinen Umsatz mit hohen Preisen für das Einzelne. Das ist durchaus nicht immer tadelnswerth, kommt auch durchaus nicht allein vor auf dem Gebiet der als unsolide bezeichneten großen Ramschbazare oder wie die Bezeichnungen sonst lauten. So haben wir den Versuch gemacht, denselben Zweck auf andere Weise zu erreichen, indem wir uns klar machten: worin liegen die großen Vortheile dieser Verwendung des Großkapitals auf dem Gebiet des Kleinhandels? — sie liegen nach unserer Ueberzeugung u. a. in der Höhe des Lokalpreises. Der große Bazar, der bis in den vierten Stock hineingeht, wird, wenn man die Kosten seines Lokals ver⸗ gleicht mit der Summe der Ausgaben derjenigen kleinen Geschäfte, welche an der Straße theure Läden miethen müssen, ganz kolossale Vortheile haben.
Aehnlich liegt es aber mit der Verschiedenheit der Branchen. Gerade die Ausdehnung des Großgeschäfts auf alle möglichen Arten von Waaren, alle möglichen Arten von Waarenbranchen macht sehr viele Mißbräuche möglich, die ich hier nicht näher zu schildern brauche.
Endlich, meine Herren, kommt die Zahl der Personen in Betracht, die als abhängige Diener an die Stelle selbständiger Geschäfte treten. Das ist auch in Beziehung auf die Besteuerung, wenn das Eingehen einer Summe selbständiger kleiner Geschäfte infolge der Unmöglichkeit der Konkurrenz mit den großen Bazaren eintritt, von sehr erheblicher Bedeutung für die kommunale Besteuerung und für die Einnahmen aus dem Gewerbebetrieb.
An diese Merkmale hat unser Entwurf vorzugsweise an⸗ geknüpft, er ist aber allerdings recht ungünstig beurtheilt worden. Wir haben eine Reihe Sachverständiger gehört: sie waren nur theilweise einverstanden! Der Herr Handels⸗ Minister hat entsprechend dem Handelskammergesetz die Handelskam⸗ mern gehört. Der Herr Vorredner hat schon ziemlich richtig dar⸗ gelegt, wie diese Handelskammern sich geäußert haben: nur ein mäßiger Theil hat allerdings die Berechtigung des Staates und der Kommunen anerkannt, eine besondere Besteuerung der großen Waaren⸗ häuser eintreten zu lassen — sie haben dann theilweise eine Umsatz⸗ steuer gefordert, theilweise sich allerdings auf den Boden des Entwurfs gestellt. Der bei weitem überwiegende Theil der Handelskammern hat jede besondere Besteuerung auf diesem Gebiet verworfen, welche Stellungnahme nach Maßgabe der Anschauungen der Handelskammern auch nicht allzu sehr zu verwundern war. (Oho! links; sehr richtig! rechts.) Anderntheils haben die kleinen Gewerbe⸗ betriebe im großen Ganzen sich auch nicht befriedigt durch den Ent⸗ wurf erklärt, sie haben meistens die Umsatzsteuer gefordert, und auf diesem Boden stehen sie auch wohl noch beute.
Diese Stellungnahme der Nächstinteressierten zum Entwurf hat denjenigen Anschauungen Boden gegeben, welche nunmehr sagen: der Entwurf hat keinen Theil für sich; er wird von allen Seiten ver⸗ worfen, und infolge dessen ist es wohl das Klügste, man steht von dieser Besteuerung überhaupt ab. In Frankreich hat sich obendrein gezeigt, daß sie unwirksam ist. In Deutschland ist noch keinerlei Er⸗ fahrung gemacht, daß sie wirksam wäre. Bedenken in der technischen Ausführung sind in großem Maße vorhanden; die einen verweisen sogar auf die Reichsbesteuerung, indem sie ausführen, die Besteuerung in einem einzelnen Staate würde nicht viel helfen, sogar für den be⸗ treffenden Staat gefährlich sein, indem diese Geschäfte sich dann in solchen Bundesstaaten niederließen, wo eine Besteuerung nicht existierte. Mit einem Worte: die Schwierigkeit der Ausführung der ganzen Sache sei immer größer geworden.
Diese Schwierigkeiten, die allerdings, wie man unbedingt an⸗ erkennen muß, in der Sache selbst liegen, führen nun auch innerhalb der Regierung zu Meinungsverschiedenheiten und zu einer Neigung, wie ich garnicht bestreiten will, entweder andere Wege zu suchen, oder ganz von der Sache abzugehen. (Bravo! links. Heiterkeit.)
Aber so liegt die Sache im Staats⸗Ministerium doch nicht. Das Staats⸗Ministerium bleibt bei der Anschauung, daß an und für sich ein Gebot der ausgleichenden Gerechtigkeit in dieser Besteuerung liegt, und daß eine besondere Heranziehung in stärkerem Maße, wie das die allgemeine, staatliche Gewerbesteuer zuläßt, dieser großen Betriebe ein⸗ treten zu lassen sei.
Was mich persönlich betrifft, so sage ich allen diesen Meinungs⸗ verschiedenheiten gegenüber: man soll doch einmal die Sache ver⸗ suchen. Viele sind der Meinung, daß eine Umsatzsteuer erst recht ein Drängen, eine noch stärkere Ausdehnung des Umsatzes in diesen groß⸗ kapitalistischen Betrieben herbeiführen würde, um dadurch die Steuer auf den einzelnen Umsatz zu erleichtern. Ich bedauere im Interesse der kleinen Kaufleute, was sie heute zum theil auch einsehen, daß sie den ausgearbeiteten Entwurf so scharf kritisieren. Sie hätten das größte Interesse gehabt, einen Gesetzentwurf überhaupt mal in dieses Haus eingebracht zu sehen; dann konnten die Meinungen sich klären, dann hatte das Haus die Möglichkeit, bestimmte Stellung zur Sache zu nehmen; das wäre nach meiner Meinung politisch klüger ge⸗ wesen. Wie gesagt, fallen gelassen ist die Sache keineswegs. Die Staatsregierung wird die Erörterungen und Verhandlungen, um zu einem gedeihlichen Resultat zu kommen, fortführen, und dann wird schließlich ja auf diesem Gebiet die durchaus natürliche Meinungsverschiedenheit
auf die Steuer z. B.
unter den einzelnen Ressorts im Staats⸗Ministerium zur Erledigung kommen. Daß das in der gegenwärtigen Session nicht mehr möglich ist, werden die Herren mir zugeben; das Haus ist ja doch noch so sehr
mit hochwichtigen anderen Vorlagen belastet, daß das schon aus diesem Grunde nicht rathsam sein würde. Wir wollen hoffen, daß es gelingt, in der nächsten Session gleich in der ersten Zeit des Zusammentritts
des Hauses einen Gesetzentwurf hier zur Berathung vorzulegen. Ich
halte wenigstens diese Hoffnung fest. 1
Meine Herren, ich möchte aber noch einen Gesichtspunkt zum
Schluß hervorheben. Das hohe Haus, wenn es an die Berathung eines Gesetzentwurfs geht, muß sich die Konsequenzen klar machen eines Gesetzes, welches den Zweck verfolgen würde, durch Gestaltung Entwickelungen bedenklich!),
der Besteuerung soziale und wirthschaftliche zu ändern (Zuruf des Abg. Gothein: Sehr und welche schließlichen Konsequenzen das auf allen denkbaren Ge⸗ bieten haben könnte. (Abg. Gothein: Sehr richtig!) Es ist daher rathsam, soweit es irgend möglich ist, als Grundlage einer solchen Besteuerung die in unserer Gesetzgebung generell angestrebte ausgleichende Gerech
tigkeit festzustellen, und da bleibe ich allerdings immer bei der Mei⸗ nung stehen, daß unsere heutige, allerdings ja mehr oder weniger progressive Gewerbesteuer, die die Kommunen gar nicht verändert haben, die si
einfach meist wohl aus Bequemlichkeit — man kann es kaum anders ausdrücken — (sehr richtig! rechts) pure acceptiert haben, diesem
Gebote einer gleichmäßigen, gerechten Besteuerung des Großen und des Kleinen gegenwärtig noch nicht gerecht geworden ist, und daß man durchaus berechtigt ist, in dieser Beziehung, wenn die Kommunen nicht frei⸗ willig vorgehen, durch eine solche Vorlage einen staatlichen Druckauszuüben.
Man kommt nach meiner Meinung sehr wohl zum Ziel, wenn man die bezeichnete Grundlage wesentlich festhält. Wenn man durch eine
richtige, gleichmäßige Besteuerung gegenüber einer ungleichmäßige Besteuerung, die die großen Unternehmungen gegen die kleinen privi⸗
legiert, die Konkurrenzmöglichkeit der kleinen mehr wiederherstellt oder wenigstens erleichtert, so ist das eine ganz berechtigte Folge. Aber die
Vorlage darf nicht unmittelbar und allein den sozialen Zweck haben. Meine Herren, wir haben unsere ganze Besteuerung in Preußen auf dem Prinzip der Leistungsfähigkeit eingerichtet: wir haben die
wohlhabenden Klassen infolgedessen sogar progressiv oder degressi — wie man das nennen will — schärfer herangezogen als die kleinen.
Wir sind dann weitergegangen, dieses Prinzip der Leistungs⸗ fähigkeit auch anzuwenden auf die indirekte Besteuerung, so⸗ weit das thatsächlich möglich ist, namentlich aber auf unsere Verbrauchsabgaben im Reich. Sie brauchen sich nur die Besteuerung der Branntweinbrennereien zu denken. Ein solches Prinzip ist durchaus berechtigt, vor allem auf dem Gebiete der Besteuerung der Gewerbe⸗ betriebe, und ich glaube daher, daß man die grundsätzlichen Bedenken, die namentlich die Handelskammern und namentlich die großen Handelskammern gegen dieses Prinzip der Besteuerung erhoben haben, in keiner Weise theilen kann.
So halten wir die Hoffnung fest, daß es doch gelingen wird, auf diesem Gebiete den Wünschen und Hoffnungen der Kleingewerb⸗ treibenden und der kleineren Kaufleute, die zu erhalten ja offenbar ein großes Staatsinteresse ist, einigermaßen wenigstens entsprechen zu können. (Bravo! rechts.)
Auf Antrag des Abg. Hausmann (nl.), dem sich der Abg. Dr. von Heydebeand und der Lasa (kons.) anschließt, tritt das Haus in eine Besprechung der Interpellation ein.
Abg. Hausmann (sehr schwer verständlich): Die Form und Höhe der Steuer muß sich nach der Lage jedes einzelnen Geschäfts richten. Auf diesem Standpunkt stehen auch die Handelskammern in ihrer überwiegenden Mehrheit. Wir werden abwarten, was die nächste Session uns bringt.
Abg. von Brockbausen (kons.): Daß der Entwurf der Regierung auf Widerstand stoßen würde, war vorauszusehen. Eine eingehende Prüfung der Frage ist ea eern8 Wir hatten erwartet, daß die Zusage der Thronrede, wenn nicht in dieser, so doch in der nächsten Session erfüllt werden würde, und wir freuen uns über die heutige Erklärung des Finanz⸗Ministers, daß wir uns in dieser Erwartung nicht getäuscht haben. Daß irgend etwas geschehen muß, um die großen Waarenhäuser unschädlich zu machen, darüber berrscht kaum ein Zweifel. Sie schaden der Industrie, dem Grundbesitz, dem Staat, dem sie Steuern entziehen, den Angestellten und derr ganzen Volke. Die Sozialdemokratie hat ein Interesse daran, daß der Mittelstand ver⸗ nichtet wird durch die großen Bazare, und die freisinnige Partei leistet ihr in der Stärkung des Großkapitals Heeresfolge. In der bayerischen Kammer haben nur die Sozialdemokraten gegen das dortige Waaren⸗ häuser⸗Besteuerungsgesetz gestimmt. Wir müssen zugeben, daß es sehr schwer ist, die Merkmale für die Besteuerung herauszufinden. Mit dem Maßstab des Entwurfs der Regierung könnte ich mich bis auf die Zahl der Angestellten einverstanden erklären. Die Räume der großen Bazare sind äußerst feuergefährlich. Sie sollten wie die Theater behandelt werden. Bei grosen Ansammlungen, namentlich während der Weih⸗ nachtszeit, stehen Tausende von Menschenleben in Gefahr. Auch mit der Branchesteuer in Verbindung mit der Umsatzsteuer könnte ich mich einverstanden erklären. Ich würde dabei den Gemeinden eine gewisse Latitude einräumen. Die Besteuerung nach der Zahl der Angestellten dagegen könnte leicht zu einer Verminderung des Personals führen, wie das Beispiel Frankreichs zeigt. Die Lage dieser Angestellten ist nicht günstig. Sie müssen sich verpflichten, in kein anderes Waarenhaus einzutreten und finden sehr schwer in anderen Geschäften Stellung. Wünschenswerth wäre es, wenn die Einzelstaaten in der Besteuerung der Waarenhäuser möglichst übereinstimmend ver⸗ führen. Konsum⸗ und Offiziervereine, die verschiedene Waaren führen, würden ebenfalls unter das Gesetz fallen müssen. Ich habe zu dem Vize⸗Präsidenten des Staats⸗Ministeriums das Vertrauen, daß er seinen ganzen Einfluß aufbieten wird, um etwas Ersprießliches zu stande zu bringen, und daß er uns schon beim Beginn der nächsten Session einen Gesetzentwurf vorlegen wird.
Abg. Gothein (fr. Vgg.): Das Haus scheint an der Sache kein großes Interesse zu haben, denn es hat sich während der letzten und der anderen Reden laut unterhalten. Man hat gemeint, daß es kein Wunder sei, wenn die Handelskammern gegen den Entwurf seien, denn sie beständen aus Vertretern der Industrie und des Groß⸗ kapitals. Die Handelskammern werden aber doch von den Kauf⸗ leuten gewählt. Auch diese sind großentheils gegen die Umsatz⸗ steuer und die anderen Formen der Besteuerung, 3. B. die vielen Detaillisten des kaufmännischen Vereins in Breslau. Es ist nicht wahr, daß die Handelskammern keine Gegenvorschläge gemacht haben. Sie dürfen leider ihre Berichte nicht veröffentlichen. Die östlichen Handelskammern, auch die Breslauer, sind darin einig, daß die jetzige Gewerbesteuer eine ausgleichende Gerechtigkeit in der Heranziehung der großen Waarenhäuser nicht enthält. Die Anrechnung der Miethe
. wirkt höchst ungleich. Die Gewerbefteuer muß nicht bloß nach dem Ertrag, sondern nach dem Umfang von den Veranlagungskommissionen berechnet werden, nicht schematisch, sondern individuell. ir wollen alle dasselbe Ziel, aber keine Tendenzsteuer. Der Vorredner hat bereits die Sozialdemokratie herangezogen. Soll eine Steuer sozialpolitische Zwecke verfolgen, so kann auch die Grundsteuer dazu benutzt werden, um den ganzen Grund⸗ besitz unmöglich zu machen. Will man die Waarenhäuser in gerechter Weise heranziehen so darf dies nicht auf dem Boden einer Umsatz⸗ steuer, sondern muß im Rahmen der Gewerbesteuer geschehen. 8
Vize⸗ es Dr. von Miquel:
Meine Herren! Ich möchte auf die Einzelheiten auch nicht ein⸗ geben. Ich möchte nur nach den Ausführungen des Herrn Vorredners auf einen inneren Widerspruch aufmerksam machen, der namentlich auch in dem Gutachten der Handelskammer von Breslau und in deren ganzen Vorschlägen liegt und von Herrn Gothein hier wiederholt ist (bört, hört!), sonst würde ich mir natürlich nicht erlauben, hierauf zurückzukommen. Auf der einen Seite sagt der Abg. Gothein: Diese Frage ist ganz verschieden zu beantworten nach der Verschiedenheit der einzelnen Gemeinden (Widerspruch des Abg. Gothein), und zweitens sagt er: sie muß im Rahmen der allgemeinen Gewerbesteuer generell geregelt werden. Beides ist nach meiner Meinung nicht richtig. Ich beklage allerdings, daß die Thätigkeit unserer Kommunen so unfruchtbar gewesen ist in der Umwandlung der staat⸗ lichen, ihnen überwiesenen Gewerbesteuer in eine wirkliche Kommunalsteuer. Das ist gerade deswegen zu beklagen, weil eine allgemeine Gewerbesteuer, auch wenn sie reformiert wird, diese Aufgabe gar nicht lösen kann, weil eben die Verhältnisse in Beziehung auf die gewerbliche Ent⸗ wickelung und auf die Grundlagen einer verständigen Gewerbe⸗ besteuerung in den einzelnen Kommunen so verschieden sind, daß eine allgemeine, überall gleiche Gewerbesteuer diese Aufgabe niemals er⸗ fülee kann. Das ist ja der Grund gewesen, warum wir auf die staatliche Gewerbesteuer verzichtet haben, weil wir sie naturgemäß als Kommunalsteuer betrachten und diese Kommunalsteuer sich noch den besonderen Verhältnissen der einzelnen Kommunen richten muß. Daher kann ich von diesem Vorschlage keinen Gebrauch machen. Ich bin der Meinung: in einer allgemeinen generellen Aenderung der Gewerbesteuer würde die hier fragliche steuerliche Aufgabe niemals gelöst werven können. Wir haben deshalb zu einem generellen Gesetz gegriffen, welches sich aber auf das hier vorliegende besondere Verhältniß im Kaufmannsstande beschränkt, welches sich aber sehr vorsichtig nicht als ein allgemeines zwangsweise einführen will, sondern den Kommunen es überläßt, nach ihren be⸗ sonderen Verhältnissen auf diesem Gebiete vorzugehen und Lokalgesetze zu machen und nur einen Druck insofern ausübt, daß in allen Kommunen wenigstens etwas auf diesem Gebiet geschehen muß. Die Kommunen sollen in einer bestimmten Frist befugt sein, eine kommunale Besteuerung nach ihren besonderen Verhältnissen ein⸗ zuführen. Thun sie aber gar nichts, dann soll erst subsidiär das Staatsgesetz in Kraft treten, und wir hoffen, dadurch die Aktion der Kommunen, die bis jetzt gleich Null gewesen ist, auf diesem Gebiet zu beleben.
Meine Herren, in den Kommunen sind Manche auch wohl in der Verwaltung thätig, welche ein eigenes persönliches Interesse gegen diese Art von Besteuerung haben. (Sehr richtig!) Das ist auch schon ein Grund, warum man diese Frage nicht allein der jeweiligen Majorität in einer Kommune überlassen kann. Wenn da nun ein Gesetz dahintersteht, welches in Kraft tritt, wenn jede Thätigkeit der Kommunen auf diesem Gebiet abgelehnt wird, dann wird das dech sehr erheblich dahin wirken, daß in den Kommunen überhaupt in dieser Beziehung etwas geschieht.
Meine Herren, mit solchen allgemeinen Begriffen, die in con- greto nicht viel bedeuten, wie z. B. die Handelskammer in Breslau es vorgeschlagen hat, — es sollen alle möglichen Gesichtspunkte bei der Besteuerung in Betracht kommen, — mit solchen allgemeinen Be⸗ griffen, worunter der eine dies, der andere jenes verstehen kann, kann man keine Steuergesetze machen (sehr richtig!), aber wenn und soweit es möglich wäre, ist es eben nur auf lekalem und kommunalem Boden möglich, kann aber in einem allgemeinen Landesgesetz nicht gebraucht werden. Das wird, wenn hier mal die Sache zur Verhandlung kommt, nach meiner Meinung ganz klar werden.
Mit der Branchenbesteuerung, die wir in unserem Entwurf haben, und zwar nach der Zahl der Branchen progressiv, hat sich auch Herr Breckhausen zanz einverstanden erklärt, wenn ich ihn recht verstanden habe. Ebenso scheint es ihm richtig zu sein, nach dem Raum, der für das Handelsgeschäft dient, die Besteuerung eintreten zu lassen, und das ist auch ganz klar; denn der Umfang eines Detailgeschäfts, welches unmittelbar gegen Baarzahlung an den Liebhaber verkauft, wird am besten durch den Rauminhalt charakterisiert, auf dem sich das Geschäft vollzieht. (Zu⸗ ruf bei den Freisinnigen: Absolut nicht!) — Ja, man kann sagen, der Raum in einem Laden bestimmt zugleich die Personenzahl, welche im Laden bedient. Deswegen kann man vielleicht verzichten auf das Merkmal der Zahl der beschäftigten Personen, weil sie indirekt schon in einer Berücksichtigung des Raumes liegt; aber ich halte den Ein⸗ wand, den man so viel gemacht hat, namentlich auch seitens der kleineren Gewerbtreéibenden, daß die Besteuerung nach der Personen⸗ zahl dahin führen würde, die Zahl der beschäftigten Personen zu ver⸗ ringern und außerdem vielleicht sogar einen Theil der Steuer auf die unglücklichen Kommis zu werfen, für irrig; denn das Bedürfniß an Personenhilfe richtet sich naturgemäß und zwingend nach der Ausdehnung des Geschäfts. Auch heute haben diese großen Geschäfte nicht mehr Personal, als sie brauchen, ind das würde in Zukunft auch nicht der Fall sein.
Im übrigen hat sich eine kommunale Besteuerung nach der Zahl der von den besteuerten Unternehmungen beschäftigten Personen bei⸗ spielsweise in den großen Industriebezirken nach unserer Erfahrung recht gut bewährt. Die rheinischen und westfälischen Kommunen haben einfach deduziert: was ein großes Werk, ein Hüttenwerk oder eine große Zeche an Ausgaben verursacht, charakterisiert sich nach der Zahl der Personen. Daher kommen die Schullasten, die Armenlasten, und wir besteuern daher diese Werke nach der Befugniß, die uns das Kommunalabgabengesetz gewährt, wesentlich nach der Zahl der beschäftigten Personen. Diese Werke haben sich größtentheils selbst damit einverstanden erklärt, weil das ein ganz klares, greifbares Merkmal ist, und die Sache hat auch des⸗ wegen eine große Bedeutung, weil dann die Besteuerung nicht abhängt von der Höhe der Dividenden, die jeweilig be⸗ jahlt werden, sondern eine dauernde Thatsache repräsentiert, auch in ungünstigen Zeiten der Industrie, wo dann diese Lasten der Kommune aus diesen großen Gewerbebetrieben gerade die aller⸗ größten sind.
Aber ich will darauf nicht tiefer eingehen. Man kann, wie gesagt, verschiedener Meinung darüber sein. Ich werde, wenn dieser
etzentwurf zur Verhandlung kommen, und ich ihn vertreten sollte, auf diesem Gebiete, welches so viele verschiedene Meinungen zuläßt, durchaus nicht eigensinnig sein, sondern das Votum des hohen Hauses wird nach dieser Richtung die allergrößte Bedeutung haben.
aats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister
Nun hat Herr von Brockhausen noch gefragt, wie die Staats⸗ regierung sich zu der Frage der Feuersicherheit dieser großen Etablisse⸗ ments stellt. Ich kann ihm sagen, daß nach den Erfahrungen, namentlich in Braunschweig, wo ein schweres Brandunglück eingetreten war, der Minister der öffentlichen Arbeiten sofort die Frage in die Hand genommen hat, um auch in der Beziehung besondere sichernde Bestimmungen ähnlicher Art zu treffen, wie bei den Theatern und sonstigen großen Versammlungslokalen, und daß der Entwurf, den der Minister der öffentlichen Arbeiten aufgestellt hat, jetzt zur Be⸗ rathung in den Ministerien liegt, also wohl in dieser Beziehung das Erforderliche bald geschehen wird. Allerdings bei einem so großen Lagerhause mit 4 Stockwerken, wo eine ungezählte Masse Menschen sich befindet — wir haben hier Fälle gehabt, wo gewissermaßen die Polizei im Laden einschreiten mußte — und bei der doch leicht brenn⸗ baren Stoffmasse, die sich da befindet, ist es wohl klar, daß diese Art von Häusern eine besondere Feuersgefahr enthalten, und daß eingehende Bestimmungen nach dieser Richtung nothwendig sind. (Sehr richtig! rechts.)
Abg. Fuchs (Zentr.): Die Gegner des Mittelstandes und einer Besteuerung der Waarenhäuser gehen von dem Grundsatz aus: „Wasch mir den Pelz, aber mach ihn nicht naß“. Die Gewerbe⸗ freiheit ist für sie etwas Unantastbares, und darum bleiben sie auf halbem Wege stehen. Nicht die kleinen Kaufleute sind gegen die Besteuerung, sondern die großen Fabriken, die für die großen Waarenhäuser arbeiten. Die Waaren⸗ häuser drücken auf den Preis der Waaren und damit auf den Arbeitslohn. Gehen aber bei der Konkurrenz Waarenhäuser ein, so werden Tausende von Existenzen brotlos. Selbst die allergrößten, die keine großen Mittel haben, werden sich auf die Dauer nicht halten können. Von den Kommunen ist eine Besserung nicht zu erwarten, denn in ihnen besteht keine Vertretung des Mittelstandes. Darum follte die Regierung schon in der nächsten Session eine Vorlage einbringen, die sich als ein Mittelstandsgesetz charakterisiert. An dem guten Willen der Regierung zweifle ich nicht.
Abg. Roeren weist darauf hin, daß die Vorlage keine finanziellen Zwecke verfolgen dürfe, sondern nur die Nachtheile beseitigen solle, die der Großbetrieb dem Kleinbetriebe zufüge. Die Zahl der kleinen selbständigen Gewerbetreibenden nehme beständig ab und werde noch mehr abnehmen, wenn die großen Waarenhäuser ihre volle Wirkung ausüben würden.
Abg. Gothein: Ich habe nur verlangt, daß die Verschiedenheit der einzelnen Geschäfte von der sachverständigen Einschätzungskommission berücksichtigt werden sol. Die Größe des Raumes kann man nicht als Maßstab der Steuer annehmen. Ein Möbelhändler mit kleinem Umsatze braucht ein viel größeres Lokal als ein Juwelier mit Frgßern Umsatze. Durch eine so senatische Behandlung würden die größten Ungleichheiten geschaffen. Durch die Umsatzsteuer werden gerade die Kolonialwaarenhändler getroffen, und darum haben sich die meisten Detaillisten gegen dieselbe erklärt. Der soziale Nachtheil der großen Geschäfte ist auch nicht sehr groß. Die Ingenieure der industriellen Unternehmung und die Angestellten der Waarenhäuser stehen sich besser, als die kleinen Kaufleute und Gewerbetreibenden.
Vize⸗Präsident der Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miquel. b
Meine Herren! Ich werde auf die kurze Rede des Herrn Abg. Gothein mich bemühen, noch kürzer zu antworten, indem ich ihn ein⸗ lade, den Versuch zu machen, — er ist ja in der Kommunal⸗ verwaltung ein bedeutendes Mitglied — die Gesichtspunkte, die er uns hier entwickelt hat, in Breslau zur Durchführung zu bringen. Wenn die Stadtgemeinde Breslau uns einen formulierten Entwurf vorlegte nach den von ihm bezeichneten Gesichtspunkten, würden wir ihn gern prüfen. Aber, meine Herren, das sage ich im voraus: wenn Sie nichts weiter haben als die allge⸗ meinen Begriffe ohne feste Merkmale, die Herr Gothein mechanische nennt, wird ein solcher Entwurf schwerlich in Breslau durchgehen und nie vom Staat genehmigt werden können, und wenn man es ver⸗ suchsweise thäte, würde das wahrscheinlich die größten Beschwerden hervorrufen. Wenn die Gewerbesteuer veranlagt werden soll in einer Kommune ohne alle festen Anhaltspunkte, ohne gesetzliche Kriterien,
bloß nach allgemeinen Gefühlen der Veranlagungskommission, so kann
ich mir nicht denken, daß man in Preußen, wo wir gewohnt sind, daß nach klaren Gesetzen regiert wird, sich das gefallen lassen wird. Aber man kann es ja in einer einzelnen Gemeinde mal versuchen. Ich würde garnicht abgeneigt sein, soweit es irgend möglich ist, einen solchen Entwurf für eine bestimmte Zeit wohlwollend zu prüfen. Wenn nun der Herr Abg. Gothein den Begriff des Ladenraums als unbrauchbares Kriterium bezeichnet, (Zuruf des Abg. Gothein) — oder als eine schematische Handhabung, und das beweisen will durch ein Beispiel in Bezug auf einen Möbelhändler, der einen großen Raum braucht, so sage ich hier: ein Möbelhändler, der sich nur mit dem Möbelhandel beschäftigt, hat eben keinen Großbazar; er kommt gar nicht in Betracht, er wird überhaupt nicht besteuert. Dasselbe gilt von einem Uhrenhändler oder Diamantenhändler. Das also will nicht viel beweisen. Das aber ist doch klar: stellen Sie sich tausend kleine Kaufleute vor, die ihren Laden unmittelbar parterre an der Straße haben müssen, und stellen Sie sich dem gegenüber ein Geschäft vor, welches bis in den vierten Stock hinauf jeden kleinen Raum ausnutzt, so werden Sie finden, welche großen Vortheile durch die geringere Belastung mit Raum⸗ kosten der Großbazar hat gegenüber diesen tausend kleinen Kauf⸗ leuten zusammen. Daß die Großbazare also in dieser Art des Geschäftsbetriebes einen ganz eminenten Vorjug nicht bloß in der Konkurrenz im Allgemeinen, sondern obendrein in der Besteuernng haben, und daß dieser Vorzug zu einer ungleichen und ungerechten Besteuerung führt, kann mir kein Mensch bestreiten.
Meine Herren, der Herr Abg. Roeren hat soeben einen Grundsatz aufgestellt, der doch in seinen Konsequenzen sehr weit führen würde, wenn wir ihn in die Gesetzgebung einführen, wenn wir die eigentlichen steuerlichen Gesichtspunkte, die Leistungsfähigkeit, gänzlich bei Seite ließen, sondern nur fragten: schadet der Größere dem Kleineren? — um dadurch sozialpolitische Gestaltungen entweder zu verhindern oder zu fördern, wohin würde dies führen? Wenn das im Kaufmanns⸗ stande richtig ist, dann könnte man auch gleich behaupten: es ist überhaupt, in der Industrie, unter verschiedenen Konkurrenten richtig. Das kann man in maßvoller Weise thun, so⸗ weit man es namentlich rechtfertigen kann durch ein richtiges steuer⸗ liches Prinzip der größeren Leistungsfähigkeit. Man ist vollkommen berechtigt, eine Gewerbesteuer progressiv zu gestalten, weil bei der Gewerbesteuer das Geschäft selbst zur Besteuerung kommt, und zwar nach seinem Umfang. Früher war unsere Gewerbesteuer, die Herr Gothein jetzt wieder zum theil einführen will, so mangelhaft, daß sie progressiv nach unten wirkte; während das Maximum der Gewerbesteuer in den heutigen Großbetrieben geradezu ein Minimum war, mußte der kleine Handwerker von seinem Umsatz,
von seinem Ertrage oft bis zu 4 % bezahlen. Heute ist unsere Gewerbesteuer umgekehrt progressiv nach oben, und wenn man genau zusieht, so ist es gar nicht einmal eine Progression, weil der größere Betrieb so bedeutende Vorzüge vor dem kleineren hat, daß es ungerecht wäre, sie nicht progressiv zu gestalten.
Nun ist der ganze Gedanke, der unserem Gesetz⸗ entwurf zu Grunde liegt, der, dieses allgemeine Prinzip der Gewerbeordnung auszudehnen nach Maßgabe der besonderen Natur dieser neuerdings — möchte ich sagen — erfundenen Groß⸗ betriebe im Kaufmannsstand. Dazu genügen die allgemeinen Regeln unserer Gewerbeordnung nicht. Die Kommunen hätten besondere Regeln machen sollen; sie mußten diese allgemein staatlichen Grund⸗ sätze nach der Lage der einzelnen Kommunen umändern. Das haben sie unterlassen, und wir wollen daher ihnen dazu durch ein allgemeines Gesetz, welches subsidiär in Kraft tritt, die nöthige Anregung geben. Das ist der Grundgedanke dieses ganzen Gesetzes.
Ich glaube, wir werden, wenn ein solches Gesetz einmal hier ver⸗ handelt wird, uns doch wohl untereinander verständigen, welche Form Sie auch wählen, ob Umsatz oder feste Merkmale — aber der Umsatz würde ja auch nur durch eine Deklaration festgestellt werden können, und welche Nachtheile es für viele Gewerbe hätte, den Umsatz zu deklarieren (sehr richtig! links), will ich zur Zeit nicht weiter erörtern. Ich meine, wir werden uns über den Weg wohl verständigen, weil wir im Ziele ja vollständig einig sind. “
Damit schließt die Besprechung. 11““
Es folgt die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Anstellung und Versorgung der Kom⸗ munalbeamten.
Abg. von Dallwitz (kons.) berichtet über die Kommissionsverhand⸗ lungen und beantragt die Annahme der von der Kommission nur in un⸗ wesentlichen Punkten abgeänderten Vorlage.
Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa schlägt mit Rück⸗
t p die Uebereinstimmung der Meinungen des Hauses und im Interesse eines schnellen Zustandekommens der Vorlage vor, dieselbe en bloc anzunehmen.
Abg. Wintermeyer (fr. Volksp.) will diesem Vorschlage nicht widersprechen, obwohl er einen Antrag eingebracht hat; auch die Abgg. Fritzen (Zentr.), Ehlers (fr. Vag.) und Dr. Böttinger (nl.) 5 ihre Wünsche zurück und schließen sich dem Antrage Heyde⸗ brand an.
Die Vorlage wird einstimmig en bloc angenommen.
Schluß 2 ½ Uhr. Nächste Sitzung Montag 11. Uhr. (Kommunalbeamtengesetz;, Antrag Langerhans wegen der Kirchenbaulast; Antrag Kanitz wegen der Rentengüter; Petitionen.) 1 8 H 8lug an
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Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks 8 an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 16. d. M. gestellt 15 018, nicht recht⸗ zeitig gestellt 104 Wagen. In Oberschlesien sind am 16. d. M. gestellt 5460, nicht recht⸗ zeitig gestellt 23 Wagen.
Zwangsversteigerungen.
Beim Königlichen Amtsgericht 1 Berlin standen die nachbezeichneten Grundstücke zur Versteigerung: Petersburger⸗ straße 20, der Akt.⸗Ges. Dorotheenstädt. Kreditbank ge⸗ hörig; Fläche 9,49 a; Nutzungswerth 12 950 ℳ; für das Meistgebot von 195 000 ℳ wurde Kaufmann Eduard Bamberg, Oberwall⸗ straße 19, Ersteher. — Theilungshalber Kochstraße 33/34, dem Schlächtermeister Hermann Röder und dem Tischlermeister Gustav Enders gehörig; Fläche 1,41 a; Nutzungswerth 18 900 ℳ; Ersteber wurde Rentier Gustav Enders, Lintenstraße 242, für das Meistgebot von 340 000 ℳ — Aufgehoben wurde das Verfahren der Zwangs⸗ versteigerung des in der Bautzenerstraße 2 belegenen Grundstücks der Firma R. Heckert u. Co.
Beim Koͤniglichen Amtsgericht II Berlin stand das Grundstück Florastraße 61 in Pankow, dem Kaufmann Gustav Potolowsky in Berlin gehörig, zur Versteigerung; Fläche 10,65 a; Nutzungswerth 5600 ℳ; Ersteherin wurde Frau Sophie Radtke, geb. Kaulitz, in Charlottenburg, Gutenbergstraße 4, für das Meist⸗ gebot von 131 000 ℳ — Aufgeboben wurde das Verfahren der Zwangsversteigerung des in Steglitz, Schloßstraße 95, belegenen, dem Zimmermeister Karl Kosinsky gehörigen Grundstücks.
Berlin, 16. Juni. Marktpreise nach Ermittelungen des Königlichen Polizei⸗Präsidiums. (Höchste und niedrigste Preise.) Per Doppel⸗Ztr. für: “Weizen 16,45 ℳ; 15,20 ℳ — „Roggen 15,10 ℳ; 13,90 4 — Futtergerste 13,50 ℳ; 12,80 ℳ — Hafer, gute Sorte 15,60 ℳ; 15,10 ℳ — Mittel⸗Sorte 15,00 ℳ; 14,50 ℳ; — geringe Sorte 14,40 ℳ; 14,00 ℳ — Richtstroh 3,82 ℳ; 3,32 ℳ; — Heu 6,60 ℳ: 4,00 ℳ — *Erbsen, gelbe, zum Kochen 40,00 ℳ; 25,00 ℳ — **Speisebohnen, weiße 50,00 ℳ; 25,00 ℳ — „eLinsen 70,00 ℳ; 30,00 ℳ — Kartoffeln 6,00 ℳ; 4,00 ℳ — Rindfleisch von der Keule 1 kg 1,60 ℳ; 1,20 ℳ — dito Bauchfleisch — Kalbfleisch 1 kg 1,80 ℳ; 1,00 ℳ — Hammelfleisch 1 kg 1,60 ℳ; 1,00 ℳ — Butter 1 kg 2,40 ℳ; 1,80 ℳ — Eier 60 Stück 3,60 ℳ; 2,20 ℳ — Karpfen 1 kg 1,80 ℳ; 1,20 ℳ — Aale 1 kg 2,80 ℳ: 1,20 ℳ — Zander 1 kg 2,60 ℳ; 1,20 ℳ — Hechte 1 kg 2,40 ℳ; 1,20 ℳ — Barsche 1 kg 1,60 ℳ; 0,80 ℳ — Schleie 1 kg 2,50 ℳ; 1,20 ℳ — Bleie 1 kg 1,40 ℳ; 0,80 ℳ — Krebse 60 Stück 14,00 ℳ; 2,50 ℳ
„Ermittelt pro Tonne von der Zentralstelle der preußischen Land⸗ wirthschaftskammern — Notierungsstelle — und umgerechnet vom Polizei⸗Präsidium für den Doppelzentner.
** Kleinhandelspreise.
Berlin, 16. Juni. (Bericht über Speisefette von Gebr. Gause.) Burter: Bei der anhaltend starken Nachfrage für feine Butter wurde die Einlieferung wieder vollständig geräumt. Trotz ziemlich großer Zufuhren wurden der Marktlage entsprechend höhere Preise gefordert und bewilligt, und der Markt schließt in fester Stim⸗ mung. Die heutigen Notierungen sind: Hof⸗ und Genossens aftsbutter Ia. Qualität 86 ℳ, dito IIa. Qualität 84 ℳ, Landbutter nominell. — Schmalz: Wenngleich hier das Geschäft der Jahreszeit entsprechend als ruhig bezeichnet werden kann, so machte sich doch an den Märkten in Amerika eine festere Tendenz bemerkbar und die Presse verfolgten eine langsam steigende Richtung, sodaß die kleine Ab⸗ schwächung am Beginn der Woche bald überholt wurde; die Woche schlußt zu den höchsten Notierungen sehr fest. Die heutigen Notierungen sind: Choice Western Steam 33 — 33,50 ℳ, ameri⸗ kanisches Tafelschmalz 35 ℳ, Berliner Stadtschmalz 36 ℳ, Berliner Bratenschmalz 37 — 40 ℳ, S. ane.esftsehea 32 ℳ — Sypeck: Das Geschäft zeigte mehr Leben, zumal auch Amerika festere Preise meldete.
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Berliner Wollmarkt. 16. Juni, Abends. Vorbericht I.
Der Berliner Wollmarkt wird, wie im Vorjahre, auf dem städtischen 9
Zentral⸗Viehhof abgehalten werden und nimmt am 20. d. M. seinen Anfang. Die Einlagerung der Wollen beginnt am 18. d. M. früh, doch ist die Besichtigung erst am 20. Juni gestattet. Bis Mittag den 16. d. M. waren eiwa 1700 Ztr. zum offe Markt angemeldet.
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