Die Personal⸗Veränderungen in der A befinden sich in der Ersten Beilage.
Preußen. Berlin, 25. Oktober.
Seine Majestät der Kaiser und König hörten im] Neuen Palais heute Vormittag den Vortrag des Chefs des Zivilkabinets, Wirklichen Geheimen Raths Dr. von Lucanus.
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Während des Vierteljahrs vom 1. Juli bis 30. Sep⸗
tember 1899 haben 8123 Schiffe (gegen 8559 Schiffe in demselben Vierteljahre 1898) mit einem Netto⸗Raumgehalt vou 1 021 520 Register⸗Tons (1898:943130 Reg.⸗Tons) den Kaiser Wilhelm⸗Kanal benutzt und, nach Abzug des auf die Kanalabgabe in Anrechnung zu bringenden Elblootsgeldes, an Gebühren 516 286 ℳ (1898: 465 755 ℳ) entrichtet. Davon entfielen auf den Monat September d. J. 2476 Schiffe (1898: 2584 Schiffe) von 361 973 Reg.⸗Tons 307 198 Reg.⸗Tons) und 178 381 ℳ (1898:150 199 ℳ) Gebühren. 8 8
8 8 1 ““
Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Geier“,
Kommandant: Korvetten⸗Kapitän Jacobsen, am 23. Ok⸗ ober in San Francisco eingetroffen und beabsichtigt, am 8. November nach Acapulco in See zu gehen.
S. M. S. „Irene“, Kommandant: Fregatten⸗Kapitän Obenheimer, ist gestern in Nagasaki eingetroffen.
S. M. S. „Hertha“, Kommandant: Kapitän zur See von Usedom, ist gestern in Shanghai angekommen und mit S. M. S. „Iltis“, Kommandant: Korrvetten⸗Kapitän Lans, heute von da nach Nanking in See gegangen. 3
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Bayern.
In der gestrigen Sitzung der Kammer der Ab⸗ geordneten wurde die Besprechung der Interpellation über die Gründe, aus denen die bayerische Regierung im
Bundesrath dem Gesetzentwurf zum Schutz des ge⸗ werblichen Arbeitsverhältnisses zugestimmt habe, fortge⸗ etzt. Der Abg. Dr. Schädler erklärte, wie die M. „Allg. Ztg.“ erichtet, namens des Zentrums, daß dieses gegenüber dem Gesetzentwurf an dem die Vorlage ablehnenden Standpunkt onsequent festhalte, da diese Vorlage das Koalitions⸗ echt der Arbeiter beschränke und nur im Interesse der Arbeit⸗ geber liege. Der Abg. Casselmann lliberal) behauptete, daß die Arbeitswilligen durch die bestehenden Gesetze schon ausreichend ge⸗ chützt seien. Das Koalitionsrecht der Arbeiter müsse gewahrt leiben; freilich dürfe daraus nicht sozialdemokratischer Koalitions⸗ wang werden. Der Abg. Segitz (Sozialdemokrat) suchte an inzelnen Beispielen nachzuweisen, daß die v“ einen chlimmeren Terrorismus ausübten als die Arbeitnehmer. Der Minister der Justiz Dr. Freiherr von Leonrod und er Minister des Innern Freiherr von Feilitzsch bekämpften iese Auffassung, wobei Letzterer betonte, daß die bayerischen Arbeiter keineswegs in ihrer Gesammtheit hinter den sozial⸗ emokratischen Führern ständen. 88 8
Württemberg. 1
Ihre Königliche Hoheit die Herzogin von Albany ist,
ie „W. T. B.“ meldet, mit Ihren Königlichen Hoheiten der rinzessin Alice und dem Prinzen Eduard gestern zum interaufenthalt in Stuttgart eingetroffen. .“
Deutsche Kolonien.
„English Trading Company“ in London ist dem
er'schen Bureau“ zufolge vorgestern ein Brief ihres ertreters am Rio del Rey im deutschen Schutzgebiet Kamerun vom 19. September eingegangen, in welchem dieser mittheilt, neuere ihm zugegangene Nachrichten bewiesen, daß die Eingeborenen in ihren Mittheilungen über die angebliche Niedermetzelung einer deutschen Expedition alles übertrieben hätten. Sowohl der Leutnant von Queis als auch Herr Loh⸗ mevyer sei am Leben; auch seien alle Faktoreien wieder geöffnet.
Oesterreich⸗Ungarn.
In der gestrigen Sitzung des österreichischen Ab⸗ geordnetenhauses theilte zunächst der Präsident mit, daß ein Antrag des Vorsitzenden im Ministerrath Grafen von Clary eingegangen sei, die Wahlen zur Quoten⸗ Deputation vorzunehmen. Die sozialdemokratischen Abgeordneten überreichten sodannn einen Antrag auf Versetzung des Ministeriums Thun in den Anklage⸗ zustand wegen Verletzung der Staatsgrundgesetze durch die Ver⸗ ordnungen auf Grund des § 14 der Verfaffang. Unter den eingelaufenen Interpellationen befindet sich eine der Abgg. Dr. Groß und Genossen über die in mehreren Orten Mährens vorgekommenen Ausschreitungen. Die Interpellanten heben hervor, daß unter dem Vorwande politischer Kundgebungen Sicherheit und Eigenthum von Mitbürgern, namentlich israeli⸗ tischen, gefährdet worden seien. Die Interpellanten verlangen Vorkehrungen gegen derartige Ausschreitungen und die Heran⸗ ziehung der schuldtragenden Gemeinden zum Schadenersatz. Hierauf begann die Debatte über die Erstaärung der Re⸗ gier Eüet Ueber den Verlauf derselben berichtet „W. T. B.“:
Der Abg. Hofmann von Wellenhof führte aus, die Deut⸗ schen hätten nicht gegen die Person des jeweiligen Minister⸗Präsidenten, sondern gegen das System, welches die Deutschen nach und nach aus ihren einzelnen Positionen habe verdrängen wollen, Stellung genommen, Dem 1 Volk gebühre nach der Lage der Dinge ein maßgebender Einfluß in Oesterreich. Von diesem Standpunkt aus werde die Partei des Redners die Regierungserklärung beurtheilen. Die Behauptung, die hätten durch die Aufhebung der Sprachenverordnungen einen großen Sieg errungen, sei unrichtig. Es sei nur der Zustand wieder⸗ bergestellt worden, wie er vor 2 ½ Jahren bestanden habe. Bezüglich der angekündigten reichsgesetzlichen Regelung der Sprachenfrage müsse abgewartet werden, wie die Regierung die Sache anfasse. Die benage Sprache sei die Vermittelungssprache und müsse es bleiben. Die Regierung hätte feierlich erklären müssen, daß sie den § 14
werde. Die est abgegebene Erklärung der Regierung könne ihn nicht befriedigen; er und seine Partei würden die Entwickelung der Dinge abwarten; die Deutschen seien zum Frieden bereit, aber dieser Friede müsse ein dauernder sein. Gestützt auf die deutsche Bevölkerung, die in nationaler Beziehung wieder erwacht sei, würden die deutschen Abgeordneten auch die schärfsten Waffen zu führen wissen, wenn dies nöthig sein sollte. Der Abg. Pergelt bemerkte, seine artei wolle nichts Anderes, als daß die Deutschen endlich zusammen⸗ tänden, um allen Uebergriffen gegen ihre Rechte in Zukunft vorzubeugen. Die nationale Noth habe die Deutschen national fühlen und denken gelehrt. Auch die Vertreter der katholischen Volkspartei würden sich diesem Zuge auf die Dauer nicht entziehen können. Dieser nationale Zug sei größer, als die Gegner glaubten. Die Versicherung der Re⸗ gierung, daß sie die Verfassung hochhalten werde, genüge nicht, so lange der § 14 wie bisher gehandhabt werde. Er erwarte, daß den dringlichen Anträgen auf Aufhebung dieses Paragraphen vom ganzen Hause Rechnung getragen werde. Zum Schluß sagte der Redner: „Nach Aufhebung der Sprachenverordnungen halten wir eine parlamentarische Thätigkeit für möglich und sind bereit, uns daran zu betheiligen. Solange die Regierung, die sich als neutral vorgeftellt hat, diese Haltung beobachtet, wollen wir ihr ohne Vor⸗ eingenommenheit und streng sachlich gegrnüberstehen. Sollte diese oder eine spätere Regierung von diesem Wege abweichen, so werden wir den Kampf, unter Umständen die Obstruktion, wieder aufnehmen.“ Der Abg. Dr. Lueger erklärte, das Ministerium sei neu, aber sein Programm sei alt. Der Unterschied zwischen dem neuen und dem alten Ministerium liege nur in der Aufhebung der Sprachenverordnungen. Der Angelpunkt der Situation set aber der Ausgleich mit Ungarn. Der Redner gab der Hoffnung Ausdruck, daß weder die Deutschen noch die Czechen für den Ausgleich mit Ungarn sein würden. Die Partei des Redners werde die Regierung bei dem Bestreben, das Parlament lebensfähig zu machen, kräftigst unterstützen, denn es litten derzeit der Gewerbestand und die Bauern ebenso wie die Fabrikanten. Das Interesse der Bauern zwinge sie, dahin zu wirken, daß im Parlament endlich erfolgreiche Arbeit geleistet werde. Aus der gemeinsamen Arbeit werde vielleicht auch der Friede zwischen den Nationalitäten hervorgehen und damit auch ein starkes und einiges Oesterreich. Sodann sprach der Abg. Dr. Baernreither und führte aus, der verfassungstreue Großgrundbesitz wolle ruhig abwarten, wie die Re⸗ gierung ihr Programm durchführen werde. Die gesetzliche Feststellung einer Vermittelungssprache, welche als unabweisbares Erforderniß der Verwaltung und als ein Kulturbedürfniß des Staats, nicht aber als Hegemoniegelüste der Deutschen aufgefaßt werden sollte, sei noth⸗ wendig. Würde es gelingen, den großen deutsch⸗slavischen Gegensatz, welcher einen europäischen Charakter habe, in Oesterreich zu lokalisieren, dann würden beide Theile die Früchte dieser Arbeit ernten. Der Abg. Kinck erklärte, die freie deutsche Vereinigung stehe auf dem Boden der Versöhnung der Völker Oesterreichs, und er begrüße das Bestreben der Regierung, den Frieden herzustellen. Der Abg. Hanisch sagte, die Versöhnung der Nationalitäten sei einer der Programmpunkte der sozialdemokratischen Partei. Von Regierungs⸗ erklärungen hielten die Sozialdemokraten nichts. Der Abg. Wolf gab dem Verlangen Ausdruck, daß vor allem der Ausgleich nochmals im Hause berathen werde. Im Svrachengesetz müsse die Geltung der deutschen Sprache als Staatssprache festgesezt, und der § 14 müsse auf Fälle von Elementar⸗ schäden beschränkt werden. Redner verlangte schließlich eine Thron⸗ rede und erklärte, daß er und seine Partet der Regierung nach wie vor mit Mißtrauen gegenüberstaͤnden; solange nicht Garantien für eine Besserung der Verhältnisse gegeben würden, werde seine Partei gerüstet bleiben. Die Rede Wolf's wurde von den Czechen wiederholt durch Zwischenrufe unterbrochen. Der Präsident Dr. von Fuchs verlas hierauf eine Interpellation der Abgg. Pacak, Graf Pallfy und Genossen, in welcher hervorgehoben wird, daß ein Erlaß des Justiz⸗Ministeriums vom 16. Oktober 1899, betreffend die Wiedereinführung der ausschließlich inneren deutschen Amtssprache bei den Gerichten in Böhmen, ungesetzlich sei und beweise, daß das Ministerium das czechische Volk provozieren und demüthigen wolle. Die Verordnung sei ein Faustschlag gegen das czechische Volk und ein Zeugniß vollkommener Unkenntniß der Verbältnisse. Die Interpellanken fragen, durch welches Gesetz diese Verordnung gerechtfertigt sei. Die Verlesung der Interpellation gab zu großem Lärm Anlaß; die Ciechen begleiteten sie mit heftigen Schmährufen gegen den Justiz⸗Minister, den sie mit Papierschnitzeln bewarfen, während die Deutschen dem Justiz⸗Minister applaudierten. Infolge des Lärms mußte der Präsident die Sitzung schließen.
Die Kontrolversammlung der Landwehr in Skutsch am 23. Oktober wurde, wie dem „W. T. B.“ aus Hohenmauth mitgetheilt wird, durch Verweigerung der vor⸗ geschriebenen Meldung in deutscher Sprache vereitelt. Den auf die Inhaftierung eines Mannes folgenden Straßenkund⸗ gebungen wurde ohne Waffengebrauch ein Ende gemacht. Nach der Abreise des die Kontrolversammlung leitenden militärischen Funktionärs trat Ruhe ein. 1““
Großbritannien und Irland.
Der Parlaments⸗Sekretär des Kriegsamts Wyndham machte, wie „W. T. B.“ meldet, in der gestrigen Sitzung des Unterhauses die Mittheilung, daß der Oberbefehls⸗ haber der Armee, Lord Wolseley die jetzige Lage auf dem Kriegsschauplatz folgendermaßen zusammenfasse: „General. YNule habe sich zurückgezogen, um sich mit dem General White zu vereinigen, und am Montag Abend ungefähr 16 Meilen südlich von Dundee sein Lager aufgeschlagen. Er sei auf dem Marsche von Dundee nirgends auf den Feind gestoßen. General White sei am Dienstag auf dem Wege, der von Ladysmith nach Negwcastle
führe, mit Truppen des Oranje⸗Freistaats in ein Gefecht
geraͤthen, das für ihn einen glücklichen Ausgang genommen habe; er sollte am Abend mit dem General Yule Fühlung gewinnen. General Nule theile noch mit, daß die Verwundeten, die er mit sich führe, sich verhältnißmäßig wohl befänden. Die verwundeten Buren, die in britische Hände gefallen seien, würden ebenso behandelt wie die britischen Verwundeten, und man habe allen Grund anzunehmen, daß die Buren die in ihre Hände britischen Verwundeten in derselben mensch⸗ lichen eise behandeln würden“. Er (Redner) möchte das Haus daran erinnern, daß Transvaal der Genfer Konvention Feernen sei. Das Kriegsamt habe ferner von dem General alker, dem Oberbefehlshaber der Truppen der Kapkolonie, um 2 ½ Uhr folgendes, aus Kapstadt, 24. Oktober, 1 Uhr 5 Minuten Nachmittags datiertes Tele⸗ ramm erhalten: „Nach der letzten Nachricht, die aus imberley, 22. Oktober, 2 Uhr Nachmittags, ein⸗ gelaufen, ist dort alles in bester Ordnung.“ Nach dieser Mittheilung wurden die vorgestern gefaßten Beschlüsse über die Ausgabe von Schatzamtnoten in zweiter Lesung mit 237 gegen 25 Stimmen angenommen. Sodann begann die erste Lesung der Appropriationsbill. Der Erste Lord des Schatzamts Balfour sprach die Hoffnung aus, daß das Parlament am 27. Oktober werde vertagt werden önnen.
Wie das „Reuter'sche Bureau“ vernimmt, hat das Kolonial⸗ amt gestern Abend eine Depesche erhalten, welche meldet, der Präsident des Oranje⸗Freistaates Steijn habe eine Pro⸗ klamation erlassen, durch welche er einen hane der Kap⸗
Versafsung in verfafsungswidrigem Sinne nicht anwenden
kolonie, nördlich vom Vaalflusse, annektiere.
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Frankreich.
n dem gestern abgehaltenen Ministerrath wurde ein von dem Kriegs⸗Minister, General de Galliffet vorgelegtez Dekret unterzeichnet, welches die Organisation des Obersten Kriegsraths dergestalt abändert, daß derselbe in Zukunft nur noch aus Offizieren besteht, welche für den Kriegsfall zu Kommandeuren von Armeen bestimmt und in Friedens⸗ zeiten an die Spitze eines Armee⸗Korps gestellt sind. Der General Lucas ist zum Mitglied des Obersten Kriegsraths, der General Grisot zum Kommandeur des XIX. Armee⸗Korps ernannt worden. Der Kabinetsrath genehmigte ferner die Vorlage, welche die Berufssyndikate betrifft und ihnen die Rechte einer juristischen Person verleiht, sowie die zivilrecht⸗ lichen und strafrechtlichen Bestimmungen festsetzt, welche den Syndikaten eine unbehinderte Wirksamkeit ermöglichen.
Rußland.
Wie dem „W. T. B.“ aus Wiborg gemeldet wird, be⸗ richten die dortigen Zeitungen, daß der finländische Senat die Verordnung des russischen Ministers des Innern über die Einführung russischer Postmarken im finländischen Gouverne⸗ ment abgelehnt und seinen Beschluß damit motiviert habe, daß die betreffende Maßregel eine Verletzung der autonomen Rechte des Reichstages sei. Der General⸗Gouverneur erklärte seinerseits, daß der Beschluß des Senats mit dem be⸗ stehenden Senatsgesetz im Widerspruch stehe, da der Senat 1890 das Manifest des Kaisers über das Postwesen anerkannt
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ESpanien Der Gouverneur der Bank von Spanien Graf Torreanaz ist, wie „W. T. B.“ meldet, zum Justiz⸗Minister ernannt worden. Das Dekret, durch welches die konstitutionellen Rechte in der Provinz Barcelona aufgehoben werden, ist gestern veröffentlicht worden. 88
Bulgarien. Der Fürst Ferdinand ist vorgestern von Varna Sofia eingetroffen. 8
Amerika.
Wie das „Reuter'sche Bureau“ aus Washington er⸗ fährt, hätte die russische Regierung jetzt eingewilligt, daß der seit acht Jahren schwebende Streit mit den Ver⸗ einigten Staaten über ihre Ansprüche wegen der Beschlag⸗ nahme russischer Segelschiffe im Beringsmeer einer schieds⸗ gerichtlichen Entscheidung unterbreitet werde. Das Protokoll hierüber sei von beiden Regierungen bereits aufge⸗ nommen worden; die Verhaͤndlungen über die endgültigen Formalitäten würden, wie man erwarte, im nächsten Monat zum Abschluß gelangen. Es werde wahrscheinlich nur ein Schiedsrichter in der Sache entscheiden, und zwar der holländische Jurist Dr. Asser.
Der in der gestrigen Nr. d. Bl. gemeldete Ausbruch einer Revolution in Columbien hat, dem „W. T. B.“ zufolge, die Verhängung des Belagerungszustandes und die Sus⸗ pendierung der Postverbindung mit dem Auslande zur Folge gehabt. 2
Aus Caräcas berichtet das „Reuter’'sche Bureau“, daß der General Castro die Regierung übernommen und ein neues Ministerium gebildet habe. Francisco Castello habe das Ministerium des Innern, Anduego Palacio das des Aeußern, Tello Mendoza das Finanz⸗Ministerium, Ignacio Pulido das Kriegs⸗Ministerium, Manuel Hernandez das Handels⸗ Ministerium, Victor Rodriguez das Ministerium der öffent⸗ lichen Arbeiten und Clemente Urbaneja das Kultus⸗ Ministerium erhalten.
In London eingetroffenen Meldungen aus Oruro vom gestrigen Tage zufolge hat der bolivianische Kongreß den General Pando zum Präsidenten und den Obersten öö“ zum Vize⸗Präsidenten der Republik gewählt.
Afrika.
Das brilische Kriegsamt hat, wie „W. T. B.“ meldet, das nachstehende Telegramm des Generals White aus Ladysmith von gestern Abend 9 Uhr erhalten: „Eine am Montag eingegangene Meldung ergab, daß sich die Buren in beträchtlicher Zahl in ausnehmend starker Stellung westlich der Fenpesraße von Ladysmith nach Dundee festgesetzt hätten. Ich er⸗ hielt ebenso die Nachricht, daß unsere Truppen in Dundee, welche jetzt vom General Nule befehligt werden, nach Ladysmith auf dem Wege über Beith und die Thäler des Waschbank⸗ und Sonntagsflusses zurückgingen und heute am Sonntags⸗ flußthal eintreffen sollten. Ich zog mit einer starken Kolonne aus, um die Bewegungen des Generals Nule zu deecken. Der Feind wurde etwa 7 Meilen von Ladysmith entfernt in einer von Natur besonders starken Stellung westlich der Straße entdeckt. Als der Feind die Vorbereitungen sah, eröffnete er mit großer Präzision das Feuer aus einem Ge⸗ schütz. Unsere Arküllerie erwiderte bald und brachte das Ge⸗ schütz zum Schweigen. Unsere Truppen wurden sodann be⸗ ordert, einen Höhenzug parallel zu der Stellung des Feindes, aber näher an der Straße, zu besetzen. Ich beschränkte mich darauf, den Feind genügend zu engagieren und somit zu ver⸗ hindern, gegen die Truppen des Generals Yule etwas zu unternehmen. Gegen 2 Uhr war das Feuern im wesentlichen beendet.“ Der „Daily Mail“ wird aus Kapstadt berichtet, daß der General Yule seine Vereinigung mit dem General White etwas nördlich von Ladysmith bewirkt habe.
Nach einem Telegramm des „Daily Telegraph“ aus De Aar vom 23. Oktober soll der General Cronje, nachdem er weimal von Mafeking zurückgeworfen sei, auf Kimberley mar⸗ Bw. und Mannschaften, Vorräthe und Munition auf britischem Gebiete requirieren. Der General Cronje habe eine kleine Ab⸗ theilung zur Belagerung von Mafeking zurückgelassen. Die Freistaat⸗Buren seien 88 dem Marsche nach Westen, um sich mit dem General Cronje zum Fageh auf Kimberley zu ver⸗ einigen. — Eine über Lourenço Marques in Kapstadt eingetroffene Meldung besagt, da Mafeking eine gute gewesen sei.
Der „Daily Mail“ wird aus Kapstadt berichtet, daß die Regierung der eeh Republik fünf schwere Ge⸗ schuße na mele ug geschickt habe.
ine Depesche des Gouverneurs der Kapkolonie Sir Alfred Milner an den Staatssekretär für die Kolonien Chamberlain besagt, die Bemühungen, die Basutos ruhig zu erhalten, seien erschwert worden dur das Verhalten der Buren an der Grenze, die vor und na
Beginn der Feindseligkeiten offen gedroht hätten,
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Aufbesserung der Löhne im Verhältniß zu den hohen K
am 20. d. M. die Lage in
und andere Stationen anzugreifen. Sie hätten auch versucht, den Gehorsam der Basutos gegen England zu erschüttern und die Bemühungen zu vereiteln, sie in Ruhe zu halten. Die Buren seien daher verantwortlich dafür, daß sich Besorgnisse vor Einfällen der Eingeborenen geltend machten.
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Statistik und Volkswirthschaft.
Heilstätten für Lungenkranke. Die Lungen heilstätte des Rothen Kreuzes, welche vom
8 Provinzialverbande der Vaterländischen Frauenvereine in der Provinz
Sachsen für lungenkranke Frauen im Sommer d. J. in der Rähe von Gommern eröffnet wurde, hatte, wie die „Heilstätten⸗ Korr.“ mittheilt, in den letzten Monaten durchaus günstige Erfolge zu verzeichnten. Die unter der Leitung von Dr. Schudt stehende Anstalt hat bis jetzt insgesammt 127 Kranke verpflegt und z. Z. einen Bestand von 53 Pfleglingen. Das Haupt⸗Verwaltungsgebäude der Heilstätte, die bisber in der Hauptsache aus den in Grabowsee bewährten transportablen Döcker'schen Baracken bestand, geht seiner Vollendung entgegen, und es soll demnächst mit dem Bau von Kranken⸗ pavillons nach den neuesten Erfahrungen begonnen werden. Die Pläne hierzu sind von dem Stadt⸗Baurath Peters⸗Magdeburg ent⸗ worfen worden.
Auch in Halle a. S. ist ein Verein zur Bekämpfung der Schwindsucht ins Leben getreten. Bereits sind für Heilstättenbehand⸗ lung Schwindsüchtiger und zur Unterstützung der Famtlien dieser Kranken 5000 ℳ aufgewendet worden. Ein erneuter Appell soll demnächst an den gemeinnützigen Sinn der Bürger von Halle gerichtet werden. Die Anmeldung von Kranken ist fortwährend 11,. Der Vorstand des Vereins besteht aus den Herren Stadtrath Pütter, Professor C. Fränkel, Direktor Stieber, Rechtsanwalt Dr. Rüffer, Kommerzienrath Lehmann und Privatdozent Dr. Reinboth, der als Oberarzt der medizinischen Klinik zugleich Vertrauensarzt ist. Einem größeren Ausschuß gehören die angesehensten Bürger der Stadt und eine Anzabl Damen an.
Die Direktion des Deutschen Privat⸗Beamten⸗Ver⸗ eins hat in der letzten Hauptversammlung in Görlitz den Beschluß gefaßt, eine größere Heilstätte für lungenkranke Vereinsmitglieder mit ca. 120 Betten zu errichten. ö“
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Zur Arbeiterbewegung.
UMeber 1500 Berliner Toöpfer waren, der „D. Warte“ zufolge, am Dienstag versammelt, um über ihren allgemeinen Ausstand zu be⸗ rathen (vergl. Nr. 251 d. Bl.). Es wurde beschlossen, den ursprüng⸗ lich von den Gehilfen ausgearbeiteten Tarif — als Hauptforderung — fallen zu lassen und den von den Meistern bewilligten Aufschlag von 8 % auf den Innungstarif anzunehmen. Damit wäre der Ausstand beigelegt; die Arbeit soll, nachdem heute die näheren Bevingungen vor dem Einigungsamt des Gewerbegerichts festgelegt sein werden, am Donnerstag wieder aufgenommen werden. Der neue Tarif soll jedoch seine Gültigkeit nur bis zum 1. Januar 1900 besitzen. Für die spätere Zeit sollen die Löhne durch weitere Verhandlungen zwischen Meistern und Gesellen festgelegt werden und einem Lohnaufschlage von 12 % auf den Innungstarif entsprechen.
Ein allgemeiner deutscher Steinsetzer tag soll, wie die „Germ.“ berichtet, vom 4. bis 6. Februar 1900 in Berlin stattfinden. Er ist vom Zentralverband deutscher Steinsetzer, Pflasterer und Berufs⸗ genossen einberufen und wird sich hauptsächlich mit der Frage der Schaffung einer Tarifgemeinschaft mit den Arbeitgebern im Steinsetz⸗ gewerbe befassen. Außerdem soll der Versuch gemacht werden, eine Steinsetzer⸗Produktivgenossenschaft ins Leben zu rufen. 8
Aus Krefeld theilt die „Köln. Ztg.“ mit, daß die Einigungs⸗ verhandlungen zwischen den ausständigen Färbern und den beiden Großfärbereien vor dem Königlichen Gewerbegericht ergebnißlos verlaufen sind. Die Arbeiter hatten das Gewerbegericht als Einigungsamt angerufen. Das aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern bestehende Gericht erkannte einstimmig die Forderungen der Ausständigen als ungerechtfertigt. Es war der Ansicht, daß man von den Färbereien nicht verlangen könne, daß sie sämmtliche . wieder einstellten. Die Färber er⸗ klärten darauf, daß sie auf dieser Forderung bestehen müßten. (Vergl. Nr. 229 d. Bl.) 1“
In einer zahlreich besuchten Webermeister⸗Versammlung zu Rheydt wurde, nach der „Rh.⸗Westf. Ztg.“, als Glied einer die Webermeister des ganzen Industriebezirks umfassenden Vereinigung ein Ortsverband gegründet im Anschluß an den vor kurzem gegrün⸗ deten M.⸗Gladbacher Verband (vergl. Nr. 228 d. Bl.). Zweck des Verbandes ist gegenseitige Unterstützung in solchen Fällen, in denen Webermeister infolge von Weberausständen wegen Mangels an Arbeit entlassen werden.
Aus Lüttich berichtet die „Köln. Ztg.“, daß auf den Kohlen⸗ gruben Bellevue et Bienvenue zu Herftal und Wsrister bei Herve ein Ausstand ausgebrochen ist. Die Arbeiter verlangen 17 % ige Lohnerhöhung. Die Bergarbeiter⸗Vereinigung des Lütticher Beckens ersuchte gleichfalls verschiedene Grubenleitungen berelne 8
enpreisen.
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Kunst und Wissenschaft.
Der Verein bildender Künstler Münchens „Secession“ hat an Stelle des nach Karlsruhe berufenen Herrn Professors Ludwig Dill Herrn Professor Fritz von Uhde zu seinem Ersten Präsidenten gewählt und dieser die Wahl angenommen.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
Der Ausbruch der Maul⸗ und Klauenseuche unter Rindervieh⸗Ueberständern ist dem Kaiserlichen Gesundheitsamt gemeldet worden vom Schlacht⸗Viehhofe zu Magdeburg am 23. Oktober, der Ausbruch der Maul⸗ und Klauenseuche in der Abtheilung für Schweine vom Schlacht⸗Viehhofe zu Nürnberg am 24. Oktober.
.“ Spanien. Dursrch Königliche Seg ea,; vom 18. d. M. sind die unter dem
24. August d. J. wegen der Beulenpest angeordneten Maßregeln egen Louren Co⸗Maraques (vergl. „Reichs⸗Anzeiger“ Nr. 204 vom 0. August d. J.) unter den üblichen Bedingungen und zwar mit der
Maßgabe aufgehoben worden, daß die nach dem 17, September von
dort abgegangenen Herkünfte als rein zu behandeln sind.
Wegen Auftretens der asiatischen Pest in Santos (Brasilien) ist durch eine Königliche Verordnung vom 19. Oktober d. J. gegen
Schiffe, die von dort nach dem 30. September 1899 abgefahren sind, in Spanien strenge Qvarantäne verhängt worden. Zugleich sind die in gerader Linie weniger als 165 km von Santos entfernten Häfen
für verdächtig erklärt. . Niederlande.
Der Königlich niederländische Minister des Innern hat in An⸗ betr c† des Nih. ahes der Pest in Santos mittels Verordnung vom 20. d. M. verfügt:
1) daß Santos als von der Pest verseucht zu betrachten ist;
2) daß die im Artikel 8 des Gesetzes vom 28. März 1877, ab⸗ geändert durch Verordnung vom 8. April 1893, vorgeschriebene Be⸗ obachtungszeit für verdächtige Schiffe auf zehn Tage festgesetzt wird.
Uruguay.
Der National⸗Gesundheitsrath in Montevideo hat zur Ver⸗ hütung der Einschleppung der Pest aus Paraguay unter dem “ folsende, von der uruguayischen Regierung genehmigte
ung erlassen. 1 Art. k. Jedes aus den Häfen Paraguays kommende Schiff oder n solches, welches in paraguapischen Hafen angelegt hat, soll in dem
Lazareth der Insel Flores untersucht werden, woselbst die für Monte⸗ video bestimmten Reisenden behufs Desinfektion ihrer Kleidung und ihres Gepäcks auszuschiffen sind.
Art. 2: Sowohl die Reisenden als auch die Mannschaft dieser Schiffe sollen von dem visitierenden Arzte auf ihren Gesundheits⸗ zustand untersucht werden.
Art. 3: Die Reisenden haben eine zehntägige Beobachtung durch⸗ zumachen, wenn die Reisedauer weniger als 15 Tage betragen hat, und eine fünftägige Beobachtung, wenn die Reisedauer mehr als 15 Tage betragen hat. 1
Art. 4: Vor der Ankunft des Schiffes im Lazareth ist die sämmtliche Wäsche an Bord und in den Kabinen zu desinfizieren.
Art. 5. Die Einfuhr folgender Artikel ist verboten: Federn, Häute, Haare, Wolle, Hörner, Säcke mit Yerba, Taback in Ballen, Gewebe und jede andere Waare in Ballen oder Säcken.
Art. 6. Die der Beobachtung unterworfenen Schiffe, Dampf⸗ wie Segelschiffe, haben das Löschen auf der Außenrhede zu besorgen.
Art. 7. Nach dem Löschen der Schiffe sind die letzteren in dem Lazareth der Insel Flores einer gründlichen Desinfektion zu unter⸗ werfen und bleiben sodann noch so viel Tage in Beobachtung, als für die Reisenden festgesetzt worden ist, andernfalls das Schiff nicht frei⸗ gegeben wird. 1
Art 8: Die Postsachen werden in dem Lazareth der Insel Flores desinfiziert. 1 1
Art. 9: Schiffe, welche in der Argentinischen Republik die sanitäts⸗ polizeiliche Behandlung bereits durchgemacht haben, werden hier nach gesundheitspolizeilicher Besichtigung ohne weiteres zugelassen. Solche Schiffe, welche nur die in Formosa angeordnete Beobachtung durch⸗ gemacht haben, werden hier einer eingehenden Untersuchung ihrer Reisenden und Mannschaft unterworfen, um deren Gesundheitszustand festzustellen und sind, falls dieser zu weiterer Beobachtung keine Ver⸗ anlassung giebt, freizugeben.
Barcelona, 24. Oktober. (W. T. B.) Aus dem Orte Quero werden zwei Todesfälle infolge der dort herrschenden verdächtigen Krankheit gemeldet. v1AXX“
Verdingungen im Auslande.
Oesterreich⸗Ungarn.
6. November, Mittags. K. K. Staatsbahn⸗Direktion Wien: Lieferung von Eisenbahn⸗Oberbaumaterialien für das Jahr 1900. Näheres bei der Abtheilung 10 (Spezial⸗Beschaffungsbureau) der K. K. Staatsbahn⸗Direktion in Wien (Westbahnhof) und beim „Reichs⸗Anzeiger“.
Verkehrs⸗Anstalten. 8
Laut Telegramm aus Köln (Rhein) hat die zweite englische Post über Ostende vom 24. Oktober in Köln den Anschluß an Zug 31 nach Berlin über Hildesheim wegen Zugverspätung in England und Belgien verfehlt.
Bremen, 24. Oktober. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Dampfer „Maria Rickmers“, n. Galveston best., 23. Okt. Prawle Point passiert. „Kaiser Wilhelm II.“ 23. Okt., v. Genua kommend, in Gibraltar angek. und n. New York abgeg. „Ems“ 23. Okt., v. New York kommend, in Gibraltar angek. u. Reise n. Neapel fortges. „König Albert“, n. Ost⸗Asien best., 23. Okt. in Suez, „Königin Luise“ 24. Okt., v. New York kommend, in Bremerhaven angekommen.
— 25. Oktober. (W. T. B.) Dampfer ½Schönburg“, n. Bra⸗ silien best., 22. Okt. in Pernambuco, „Ellen Rickmers“, v. Ost⸗Asien kommend, 22. Okt. in Hamburg angek. „Crefeld“, v. Baltimore kommend, 23. Okt., und „Trave“, v. New York kommend, 24. Okt. Scilly passiert. „Bremen“, n. Australien best., 24. Okt. Reise v. Genua n. Neapel fortges. „Karlsruhe“, v. Australien kommend, 24. Okt. Gibraltar passiert. „Prinz Heinrich“, nach Ost⸗Asien best., 24. Okt. Reise v. Southampton n. Genua fortgesetzt.
Hamburg, 24. Oktober. (W. T. B.) Hamburg⸗Amerika⸗ Linie. Dampfer „Pennsylvania“ v. New York n. Hamburg 24. Okt. v. Plvmouth, „Patricia“, v. Hamburg über Plymouth n. New York 23. Okt. pv. Boulogne⸗sur⸗Mer, „Francia“ v. St. Thomas n. burg 22. Okt. v. Havre abgeg. „Polaria“ v. Hamburg über Havre n. Westindien 23. Okt. in Grimsby, Calabria“ 23. Okt. in Ham⸗ burg, „Georgia“ 23. Okt. in Genua angekommen.
London, 24. Oktober. (W T. B.) Castle⸗Linie. Dampfer „Doune Castle“ und „Pembroke Castle“ heute auf Heimreise in London angek. „Garth Castle“ Sonnabend auf Ausreise v. Southampton abgegangen. G
Rotterdam, 24. Oktober. (W. T. B.) Holland⸗Amerika⸗ linie. Dampfer „Spaarndam“, v. Rotterdam n. New York, gestern New York, „Statendam“, v. New York n. Rotterdam, heute Rotter⸗ dam angekommen. 8 1“
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Theater und Musik.
Neues Königliches Opern⸗Theater.
Am Montag fand die erste Vorstellung einer französischen Schau⸗ spielgesellschaft unter Leitung des Herrn Henri Etiévant statt, deren Hauptmitglied, Fräulein Susanne Munte vom Thédtre Impérial Français in St. Petersburg an diesem Abend als „Zaza“ in der gleichamigen bekannten Komödie Berton's und Simon’'s auftrat. Obwohl die Genannte als Darstellerin von guten Mitteln, Intelligenz und Gewandtheit bezeichnet werden muß, gelang es ihr doch nicht, das Interesse der nicht allzu zahlreich erschienenen Zuschauer in besonderem Maße zu erwecken. Die Hemflsteit der Gastspiele ausländischer Künstler gerade in dieser Saison und der Umstand, daß sie zumeist in denselben Rollen auftreten, mag daran die Schuld tragen. — Mehr Aufmerksamkeit zog der gestrige zweite Abend auf sich, an welchem Alphonse Daudet's fünfaktiges Schauspiel „L'Arlésienne“ zur Aufführung ge⸗ langte. Aber auch hier war es weniger die dramatische Arbeit selbst und deren schauspielerische Wiedergabe als die von der Königlichen Kapelle unter Herrn Colonnes. des bekannten Pariser Dirigenten, Leitung zu Gehör gebrachte begleitende Musik Bizet'’s, welche das Publikum erwärmte. Der idyllische Inhalt des Dramas blieb den Meisten ziemlich unverständlich. Es handelt sich um die Liebe eines jungen Bauern zu einem im Drama selbst nicht vorkommenden Mädchen aus Arles, das er, weil es ihm angeblich die Treue brach, verläßt, um sich mit einer Anderen zu verheirathen. Allein am Hochzeitstage packt ihn die Reue und er e-en. freiwillig aus dem Leben. Die allzu unwahrscheinlichen Hauptrollen des Stücks wurden von Fräulein Munte und Herrn Joumard, von der „Comédie Française“ in Paris, recht gut dargestellt. Die hier aus den Konzertsälen bekannte, etwas ver⸗ altete, aber doch sehr reizvolle Bizet'sche Musik, welche die Handlung theils illustriert, theils melodramatisch das gesprochene Wort begleitet, wurde unter Herrn Colonne’'s feinfühliger Direktion mustergültig aus⸗ geführt. Das anmuthige Menuet mußte sogar auf Wunsch wiederholt werden.
Konzerte.
Das Programm des am Montag stattgefundenen zweiten Phil⸗ harmonischen Konzerts unter Herrn Arthur Nikisch's Leitung wurde zum Andenken an den vor hundert Jahren (31. Oktober 1799) verstorbenen Carl Ditters von Dittersdorf, dem Komponisten der Oper „Boktor und Apotheker“, mit seiner Sym⸗ phonie in C-dur eröffnet. Dieses liebliche Werk, welches einfacher ist als die schlichteste Symphonie von Haydn, trägt doch ein ganz individuelles Kolorit an sich und giebt volles Zeugniß von der Eigenart ihres Schöpfers. Wenn⸗ gleich eine besonders kunstreiche Durcharbeitung von Themen vergeblich darin gesucht wird, außer im Prestissimo des Finale, wo eine sae im doppelten Kontrapunkt durchgeführt wird, so spricht doch die freie Art der Behandlung der drei letzten, zu einem Ganzen vereinten Sätze als ein vom Gewohnten abweichender, origineller Gedanke angenehm an. Die Ausführung durch das Orchester ging einwandfrei von
tatten und wurde mit reichem Beifall aufgenommen. Vielen ver “ Beifall fanden ferner die treffliche Wiedergabe des zierlich⸗feine Entr'acte Nr. 2 zu dem Drama „Rosamunde“ von F. Schubert und de Vortrag einer Arie aus „Euryanthe“ durch den mitwirkenden Hof⸗ opernsänger Herrn Kraus. Den Gipfelpunkt des Programms bildete jedoch ohne Fweife Liszt's gewaltige „Faust“⸗Symphonie, ein grandioses Meisterwerk, das bisher zumeist nur auf Musikfesten zu Ge hör kam. Um so größeren Dank gebührt Herrn is dafür, es im Rahmen der philbarmonischen Konzerte Aufführung gebracht zu haben. Das Werk birgt Reichthum an poetischen Gedanken in sich, der geradezu Bewunderun erregen muß. Alle Leidenschaften, die nur überhaupt eine Menschen brust bewegen und durchwühlen können, kommen darin zu so leb baftem Ausdruck, daß der Hörer sie mitempfinden muß: vom bange Zweifel und düsteren Grübeln bis zur triumphierenden Sieges gewißheit, von unbefriedigter Hoffnungslosigkeit bis zum Jubel übe das erfüllte Sehnen, vom leidenschaftlichen Ringen der Seele bis zum erreichten Liebesglücke. Welch warm empfundene Aeußerung de Glücks tönt aus dem entzückenden Anfangsmotive des zweiten Theil („Gretchen“) Andante suave in As-dur heraus und welch dämonische Macht aus dem „Mephistopheles“ genannten Schlußsatze der in dem vom „Berliner Lehrer⸗Gesangverein“ in Gemeinschaft mi dem Köntglichen Sänger Herrn Kraus trefflich gesungenen „Choru mysticus so berubigend ausklang! Für die vollendete Interpretatio des Werks wie für die künstlerische Ausführung desselben durch di Mitglieder des Orchesters, unter denen diesmal besonders die Holz bläser zur Geltung kamen, wurde der wohlverdiente Beifall in reiche Maße gespendet. 1
Von den in den verflossenen acht Tagen gegebenen Konzerten ist zunächst desjenigen Erwähnung zu thun, welches der „Berline Liederkranz“ zur Feier des 25jährigen Dirigenten Jubiläums seines bewährten Leiters, Herrn Wilhelm Handwer am Mittwoch voriger Woche im vollbesetzten Beethoven⸗Saa veranstaltete und in welchem die Violinvirtuosin Fraͤulein vo Brennerberg und der Kontertsänger Herr Severin Solopartie übernommen hatten. Daß unter den vom Chor selbst vorgetragenen zwöl Programmnummern die Handwerg'schen Kompositionen obenan standen erschien ebenso angemessen, wie willkommen. Besonderen Beifall fand der in Musik gesetzte schöne Vereinswahlspruch: „Treu unser Herz — Wahr unser Wort — Deutsch unser Lied — Gott unser Hort sowie der gefühlvolle Vortrag einer „Serenade“ mit dem klangreichen Bariton⸗Solo des Herrn Severin. Das Auditorium spendete reichen Beifall und stimmte freudig in die Ovationen ein,
dem Dirigenten an diesem Ehrentage aus dem
des „Liederkranzes“ selbst dargebracht wurden. — Im Saal Bechstein gab an demselben Tage Fräulein Marie Nechanitzky im Verein mit dem Violinisten Herrn Aränyi aus Budapest ein Konzert. Die Sängerin besiti ohne Zweifel Kraft i der Stimme, aber nicht durchweg sympathischen Schmelz. Anfängli trat bei ihr eine gewisse Schwerfälligkeit in der Handhabun der Stimmmittel zu Tage, die aber wohl auf Befangenhe zurückzuführen sein dürfte, denn im Verlauf des Abend wurde der Ton merklich freier und der Vortrag lebendiger. Geradez tadellos war ihre Wiedergabe von Rubinstein’s: „Neue Liebe“ u des Cesek'schen Liedes: „Es geht ein lindes Wehen“, das auf Ver langen wiederholt werden mußte. Ihr Konzertpartner, Herr Aräny erwies sich als ein wackerer, gewandter Geiger, leider aber ohne jed besonders ausgeprägte Individualität. Die einfache, innige, Schlußsatz zierliche F-dur Sonate Nr. 7 von Mozart trug e ansprechend und stilgerecht vor. Weniger Eindruck machte dagegen di als zweite Nummer vorgeführte Ballade von Frank Gwyn; doch la das offenbar mehr an dem nach originellen Harmonien haschende Tonwerke selbst als an dessen Vortrag. Auch die beiden von dem selben Komponisten herrührenden und von ihm selbst am Klavier be gleiteten Lieder hatten dasselbe Gepräge.
Die für die Königliche Oper verpflichtete, von ihrem vori jährigen Gastspiel her bekannte Sängerin Frau Thea Ren ließ sich am Dennerstag im Saal Bechstein in einem Wohl⸗ thaͤtigkeits⸗Konzert hören. Sie verfügt über eine frische, ausgiebige und sympathische Stimme, die aber noch nicht biegsam genug und in der Höhe zuweilen etwas angestrengt erscheint. Das Piano ist jedoch besonders klangvoll und zart. Die Vokalisation ließ stellenweise noch zu wünschen, doch zeigte der Vortrag Tempera⸗ ment und war frei von jeder Künstelei. Besonderen Beifall fand die Wiedergabe zweier Lieder von A. von Fielitz, welche vom Komponisten sübft begleitet wurden. Hier kam auch. die dezente dramatische Vortragsweise der Künstlerin besonders angenehm zur Geltung. — Das dritte und letzte Konzert des Biolin⸗Virtuosen Herrn Henri Marteau, welches gleichzeitig im Beethoven⸗Saal stattfand, brachte ein durchweg französisches Programm; Kompositionen von Dubois, Gounod, Massenet, Lacombe und Saint⸗Saöns kamen zu Gehör, welche zwar die Virtuosität des Spielers in vortheilhaftem Lichte zu zeigen, weniger aber die Zuhörer zu erwärmen vermochten. Besonders vollendet war der Vortrag der Rhapsodie (op. 51) von Lacombe.
Der bekannte Hofpianist Herr Alfred Sormann veranstaltete am Freitag nach längerer Pause im Saal Bechstein einen Klavier⸗ Abend vor einer recht zahlreichen Zuhörerschaft und erwies sich gleich in der ersten Nummer seines gutgewählten Programms, in der D-moll-Toccata von S. Bach, wiederum als Meister der Technik wie des Vortrages. Sein weicher Anschlag machte sich insbesondere bei dem Andante molto cantabile der C-dur-Sonate Nr. 109 von Beethoven in wohlthuender Weise geltend und entschädigte die Zuhörer für die beiden ersten, etwas schwerer verständlichen Sätze. Weiterhin fand ic Künstler in dem Taubert'schen Cyelus sehr niedlicher, feiner Ton die als Suite bezeichnet sind, reiche Gelegenheit, sein fessel Spiel zu zeigen, und das gelang ihm in dem Maße, daß der als Epilog bezeichnete letzte Satz noch einmal begehrt wurde. Sehr fein interpretierte er im weiteren Verlaufe seines Programms Chopin’s Tonwerke, wenngleich hie und da etwas mehr Herzenswärme erwünscht gewesen wäre. Stürmischen Beifall erwarb er sich zum Schluß durch die tadellose Wiedergabe von Lifzt's Rhapsodie Nr. 12, in der sich Kraft und Zierlichkeit im Spiel harmonisch mit einander paarten. — Auch Herr Conrad Ansorge lieferte an demselben Freitag in der Sing⸗Akademie mit seinem zweiten Klavier⸗Abend wieder einen Beweis seines hervorragenden Könnens. Doch würde man nicht nur die zarte Feinheit seines Spiels, sondern auch die ihm eigene Kraft ebenso bewundern, wenn er nicht so lärmende Bravourstücke wie die zwei Konzert⸗Capricen von Noväcek in sein Programm aufgenommen hätte. Sonst war die Wahl der Stücke eine glückliche. Die vorzügliche Wiedergabe der Sonate (op. 5) von Coastantin Bürgel, einem fast unbekannten Komponisten, veranlaßte die Zuhörer zu einem wahren Beifallssturme. Besonders gut gelang dabei die ungemein klare Durch⸗ führung des Themas im Adagio. Auch die glänzende Ausführung der 13. und 14. Rhapsodie von Liszt krug dazu bei, den Abend zu einem genußreichen zu gestalten. — Im Beethoven⸗ Saal fand an diesem Abend ebenfalls eine musikalische Veranstaltung statt, welche ein größeres Auditorium versammelt hatte. Mitwirkende waren Fräulein Rose Ettinger aus Paris, der junge Baritonist Herr Francis Braun und das Philbee Orchester unter Musikdirektor Rebidek's Leitung. räulein Ettinger sang die Cavatine der Rosine aus dem „Barbier von Sevilla“: „Una voce poco fàa“ und die Arie „Care campagne“ aus der Oper „Die Nachtwandlerin“ von Bellini, in welcher sie ihre schon früher gerühmte technische Fertigkeit, namentlich in der Verwendung der Kopfstimme, glkänzen lassen konnte. Staccati, Triller, Läufe waren von perlender Klarheit, und bis zum leisesten Piano kam jede figurierte Stelle tadelloso zu Gehör. Der fast an Begeisterung grenzende Beifall nöthigte die Sängerin, drei Zugaben zu bewilligen, unter denen Schumann'’s reizvolles Lied: „Wenn ich früh in den Garten geh““ besonders ansprach. Herr Francis Braun sang aus dem Messias von Händel „Wer mag den Tag“ und eine Cavatine „Sous les pieds d'une feomme“ aus der Oper „I..
reine de Saba“ von Gounod. Seine Stimme war namentlich in