1900 / 9 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 10 Jan 1900 18:00:01 GMT) scan diff

3) sich zwar gestellt, über ihr Militärverhältniß aber noch keine endgültige Entscheidung erhalten haben und gegenwärtig innerhalb des Weichbildes hiesiger Residenz sich aufhalten, werden, soweit sie nicht von der persönlichen Gestellung in diesem Jahre entbunden sind, hierdurch auf Grund des § 25 der Deutschen Wehrordnung vom 22. No⸗ vember 1888 angewiesen: sich behufs ihrer Aufnahme in die Rekrutierungs⸗ Stammrolle in der Zeit vom 15. Januar bis 1. Februar d. J. bei dem Königlichen Polizei⸗ Leutnant ihres Reviers persönlich zu melden und ihre Geburts⸗ oder Loosungsscheine und die etwaigen sonstigen Atteste, welche bereits ergangene Ent⸗ scheidungen über ihr Militärverhältniß enthalten, mit zur Stelle zu bringen.

Die Geburtszeugnisse werden von den Standesämtern ausgestellt

Für diejenigen hiesigen Militärpflichtigen, welche zur Zeit abwesend sind (auf der Reise begriffene Handlungsgehilfen, auf See befindliche Seeleute ꝛc.), haben die Eltern, Vor⸗ münder, Lehr⸗, Brot⸗ und Fabrikherren die Anmeldung in der vorbestimmten Art zu bewirken.

Wer die vorgeschriebene Anmeldung versäumt, wird nach § 33 des Reichs⸗Militär⸗Gesetzes vom 2. Mai 1874 mit einer Fülbsrafs bis zu 30 oder mit Haft bis zu drei Tagen

estraft.

Reklamationen (Anträge auf Zurückstellung bezw. Be⸗ freiung von der Aushebung in Berücksichtigung bürgerlicher Verhältnisse § 32 2 a— g der Deutschen Wehrordnung —) sind bezüglich aller Militärpflichtigen, auch der Einjährig⸗ Freiwilligen, vor dem Musterungsgeschäft, spätestens aber im eieterusgetermine anzubringen; nach der Musterung ange⸗ brachte Reklamationen werden nur dann berücksichtigt, wenn die Veranlassung zu denselben erst nach Beendigung des Musterungsgeschäfts entstanden ist.

Berlin, den 10. Januar 1900.

Die Königlichen Elatee r der Aushebungs⸗Bezirke

Berlin.

Dr. von Lepell.

Personal⸗Veränderungen.

6 Königlich Preußische Armee.

Offiziere, Fähnriche ꝛc., Ernennungen. Beförderungen und Versetzungen. Im aktiven Heere. Berlin, 4. Januar Lindenberg, Lr. im Jaf. Regt. Ne. 131, in das Inf Regt. Nr. 171

versetzt. 6. Janurnr. Lucke, Oberlt. im Magdeburg. Jäger⸗

Berlin, n TP 1 Bat. Nr. 4, in das Jaf. Regt. Herzog Friedrich Wilhelm von Berlin,

Braunschweig (Ostfries) Nr. 78 veis tzt. Abschiedsbewilligungen. Im aktiven Heere.

6. Januecr. Graf p. Pückler u. Limpurg, Lt. im 5. Garde⸗Regt. z. F, der Abschied bewilligt. v. Karmainsky, Major a. D., zuletzt Bezirks⸗ Offizier beim Landw. Bezirk Oels, mit der Erlaubniß zum ferneren Tragen der Uniform des Gren Regtas. König Friedrich Wilbelm II. (1. Schles.) Nr. 10, zu den mit P nsion zur Disp. gestellten Offizieren zurückversetzt.

8 Königlich Bayerische Armee.

Beamte der Militär⸗Verwaltung.

23. und 29. Dezember. Srautner, Intend. und Baurath der Intend. II. Armee⸗Ko ps, der Titel und Rang eines Geheimen Bauraths, Trier, Rechnungsrath, Geheimer expedierender Sekretär im Kriegs⸗Ministerium, der Titel eires Gebeimen Rechnungsraths, Meyer, Holl, Geheime expe ierende Sekretäre im Kriege⸗Ministerium, der Titel eines Rechnungsraths, rerliehen. Bauer, Lazareth⸗ Ober⸗Insp. des Garn. Lazareths Landau, der Titel eines Rechnungs⸗ raths, Haller, Geheimer Registrator im Kriegs⸗Ministerium, der Titel eines Kanzleiraths, Nieberl, Proviantmeister, Rechnungsrath des Proviantamts Augsburg, der Titel eines Propiantamts⸗Direktors, Peuppus, Stabshoboist des 2. Inf. Regts. Kronprinz, der Titel Königlicher Musikmeister, verliehen.

MNiicchtamtliches. Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 10. Januar.

Seine Majestät der Kaiser und König begaben Sich heute Morgen 9 ¼ Uhr nach Stettin, um der Taufe und dem Stapellauf des auf der Werft des „Vulcan“ im Bau be⸗ findlichen Dampfers „Deutschland“ beizuwohnen. 8

Die vereinigten Ausschüsse des Pundesraths für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Handel und Verkehr hielten heute Sitzung. .“

Im Monat November v. J. sind auf deutschen Eisenbahnen ausschließlich der bayerischen 11 Ent⸗ gleisungen auf freier Bahn (davon 4 bei Personenzügen), 22 Entgleisungen in Stationen (davon 2 bei Personen⸗ zügen), 3 Zusammenstöße auf freier Bahn (davon 1 bei Per⸗ sonenzügen), 28 Zusammenstöße in Stationen (davon 5 bei Personenzügen) vorgekommen. Dabei wurden 4 Bahn⸗ bedienstete getödtet, 17 Reisende und 25 Bahnbedienstete verletzt. 1““ ““

]

Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Irene“, Kommandant: Fregatten⸗Kapitän Stein, am 8. Januar in Pagoda Anchorage eingetroffen und beabsichtigt, am 16. Januar wieder in See zu gehen.

S. M. S. „Habicht“, Kommandant: Korvetten⸗Kapitän Kutter, ist am 8. Januar in Kapstadt angekommen.

Der Transport der abgelösten Besatzungen S. M. SS. „Deutschland“, „Kaiserin Augusta“, „Hertha“, „Irene“ und „Gefion“ ist am 8. Januar unter Führung des Fregatten⸗Kapitäns Obenheimer mit dem Dampfer „König Albert“ in Genua eingetroffen und hat gestern unter Führung des Kapitänleutnants Grapow die Reise nach C*“

Stettin, 10. Januar. Seine Majestät der Kaiser traf, wie „W. T. B.“ meldet, heute Vormittag 11 ½ Uhr mittels Sonderzuges hier ein. Allerhöchstderselbe wurde von dem komman⸗ dierenden General von Langenbeck empfangen und begab Sich sofort zu Fuß mit dem Gefolge nach dem Bollwerk, um von dort auf dem Regierungsdampfer „Dresel“ nach der Werft des „Vulkan“ zu fahren. uniform und wurde von der zaͤhlreich berbeiße strömten Menschenmenge mit großem Jaubel begrüßt. Um 12 Uhr traf Seine Majestät auf der Werft des „Vulkan“ ein. Am Landungssteg, wo eine vom Grenadier⸗Regiment König Friedrich Wilhelm IV. gestellte Ehren⸗Kompagnie aufgestellt war, wurde Allerhöchstderselbe von den Direktoren und dem Aufsichtsrath des „Vulkan“ empfangen. Nach dem Abschreiten der Front der Ehren⸗Kompagnie begab Sich Seine Majestät in den hergerichteten Pavillon und wohnte dem Stappellauf des Dane e „Deutschland“ bei. Den Taufakt vollzog der Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats⸗Minister Graf von Bülom, dessen Ansp ache, dem „W. T. B.“ zufolge, etwa folgenden Wortlaut hatte:

„Eure Majestät! Meine Herren! Vor 52 Jahren, im Jahre 1847, wurde in Hamburg eine Gesellschaft gegründet zum Zvecke der Segelschiffahrt zwischen Hamburg und New York. Sie wurde mit einem Kapital von nur 450 000 gegründet. Heute ist ihr Aktienkapital angewachsen auf 65 Millionen Mark Der Raumgehalt ihrer Schiffe hat längst die Zahl von 400 000 t überschritten. Sie beschäftigt auf ihren Seedampfern, auf ihren Flußfahrzeugen und am Lande 9000 Personen. Im veV flossenen Jahre legten ihre Scheffe fast 4 Milliosen Seemeilen zursck Vor wenigen Wochen ist für dieselbe Gesellschaft auf derselben Werft der Reichs⸗Postdampfer „Hamburg“ von Stavpel gelaufen, mit welchem die Gesellschaft in den Reichs⸗Postdienst mit dem fernen Osten eingetreten ist, den sie gemeinsam mit ihrem Bremer Bruder, dem „Norddeutschen Lloyd“, betreiben wird. Diese Gesellschaft, die während des letzten halben Jahrhunderts mit dem „Bremer Lloyd“ zur größten Rhederei⸗Gesellschaft der Welt emporstieg, ist die „Hambarg⸗ Amerika⸗Linie“, deren Flotte heute ein neues Schiff eingereiht werden soll für die Fahrt auf jener Hochstraße des nordatlantischen Ver⸗ kehrs, die uns mit dem befreundeten Volke der Vereinigten Staaten von Amerika verbindet. Dieses Schiff ist erbaut worden auf der Werft des Vulkan“, der seine Laufbahn einst in ebenso be⸗ scheidener Weise begonnen hat wie die „Hamburg⸗Amerika⸗ Linie“ und heute auf seinen sieben Hellingen mit 8000 Arbeitern nicht nur unserer Marine, sondern auch den Marinen fremder Nationen alle Schiffstypen vom Torpedoboot bis zum stärksten Panzer und vom Flußschiff bis zum größten Ozean⸗Schnelldampfer liefert. Das vom „Vulkan“ erbaute Schiff der „Hamburg⸗Amerika⸗ Linie“, welches wir heute seinem Element übergeben wollen, soll das mächtigste Schiff der Welt werden und an Schnelligkeit alle heute in Fahrt befindlichen Schiffe übertreffen. Es ist ein langer und müh⸗ samer Weg, der von kleinen Anfängen bis zu diesem stolzen Fahrzeug geführt hat. Und wie sich die „Hamburg⸗Amerika⸗Linie“ in immer großartigerer Weise entwickelte, wie der Stertiner „Vulkan“ seine Leistungsfähigkeit mehr und mehr steigerte, so hat während dieser selben Periode unser Vaterland begonnen wiederzugewinnen, was seit den Tagen der Hansa verloren gegangen war beit dem Untergange der Hansa, die zu Grunde ging, weil das alte Reich sie nicht genügend stützte, weil damals der deutsche Kaufmann keine genügende staatliche Rückendeckung fand, wandte sich Deutschland von der See ab. Während dreier Jabhrhunderte ging es uns wie dem Peter in der Fremde unserer alten Erzählung, dem es vor der Fahrt über das Meer gruselte, uns, die wir einst fremde Länder mit Kolonien besetzt, Barbaren zur Gesittung geführt, den Ero⸗ ball mit unseren Faktoreien überzogen hatten. Erst als die Nation durch unseren großen Kaiser, durch die unsterblichen Berather unseres großen Kaisers, durch die Opferwilligkeit und Vaterlandsliebe aller Stämme und Schichten des deutschen Volks ihre staatliche Einheit wiedererrungen hatte, besann sie sich wieder auf das alte Hanseatenwort: „Mein Feld ist die Welt“ und betrat sie wieder das Theater der Weltpolitik Denn unsere gegenwärtige überseeische Politik ist hervorgegangen aus unserem gewaltigen wirthschaftlichen Aufschwung, der wiederum die Folge war der Schaffung des Reichs. Als deutsche Arbeit sich ihre Stellung auf dem Weltmarkt erobert hatte, mußte unsere auswärtige Politik der Entfaltung unserer wirthschaftlichen Kräfte folgen. Unsere heutige überseeische Politik und unsere heutige Weltpolitik haben sich aus unserem wirthschaftlichen Wachsthum mit Nothwendigkeit ergeben. Heute fühlen wir mehr und mehr, daß ein Volk, das sich von der See abdrängen läßt, im Weltgetriebe bei Seite steht wie der Statist, der sich im Hintergrunde herumdrückt, während vorn auf der Bühne die großen Rollen agieren. Deutschland, dessen Handel sich während der letzten vier Jahrzehnte von 2 ½ Milliarden im Jahre 1860 auf 8 ½ Milliarden im Jahre 1897 gehoben, das seit 30 Jahren die Tonnage seiner Hanudelsmarine verfünfzehnfacht hat, das in Handel, Verkehr und Schiffahrt an die zweite Stelle aufgerückt ist, Deutschland darf weder im wirthschaftlichen noch im politischen Wettbewerb zurückbleiben. Deutschland, das dem Meer so ungeheure Werthe anvertraut hat, welches längst nicht mehr nur Binnenvolk im Herzen Europas, sondern auch Welt⸗ handelsmacht im Vordertreffen der Konkarrenz ist, muß auch zur See stark genug sein, um deutschen Frieden, deutsche Ehre und deutsche Wohlfahrt überall wahren zu können. Und wenn wir auf diesem uns vom Schicksal vorgezeichneten Wege Hindernisse zu überwinden und schwierige Stellen zu passieren haben, so wird uns das weder irre machen noch niederbeugen. Muthig, stetig und energisch müssen und wollen wir dem Endziele entgegen⸗ schreiten. Und nun soll dieses schöne Schiff seinen Namen er⸗ halten. Der Name, den diese; Schiff erhalten soll, ist der Name, den auch das erste Schiff der Hamburg⸗Amerika⸗Linie“ getragen hat, jenes kleine Segelschiff, das am 15. Oktober 1848 von Hamburg nach New York mit 220 Passagieren in See stach, ist derjenige Name, der von allen irdischen Namen uns der theuerste ist, der höchste und heiliste der Name Deutschland! Ich taufe Dich auf den Namen Deutschland“. „Segne Gott dieses Schiff, das den Namen unseres Landes trägt, er schütze es auf allen seinen Fahrten, er schütze Freundschaft und Ver⸗ kehr zwischen uns und den Vereinigten Staaten, er schütze deutsche Arbeit, deutschen Fleiß und deutsche Tüchtigkeit, er gebe uns Frieden und Eintracht im Innern, sichere Wehr, Macht und Stärke nach Außen, er schirme und segne Deutschland. Und’ wie dieses Schiff den anderen Schiffen über sein soll, so viele ihrer die Meere durch⸗ queren, so möge immerdar für jeden Deutschen Deutschland über Alles sein, über Alles auf der Welt. Wir aber vereinigen uns in dem Rufe, der zusammenfaßt, was wir fühlen, hoffen und erstreben: Der Führer der Nation, Seine Majestät der Kaiser und

König lebe hoch!“ Der Stapellauf der „Deutschland“

von statten.

ging glücklich

Württemberg.

Seine Majestät der König hatte, wie der „St.⸗A. f. W.“ meldet, Seiner Majestät dem Kaiser von der Ueber⸗ nahme des Protektorats über den Landesausschuß für Württem⸗ berg des deutschen Flottenvereins durch nachstehendes Telegramm Mittheilung gemacht: 8 8

Seiner Majestät dem Kaiser und König 1 Berlin.

Eurer Majestät darf ich die Meldung abstatten, daß sich dieser Tage der Landesausschuß für Heeeee des deutschen Flotten⸗ vereins unter Vorsitz meines Vetters Fürst Karl von Urach gebildet

Seine Majestät trug Generals⸗

hat und daß ich mit h utigem Tage das Protektorat über genannte Landesausschuß übernommen habe. Wir hoffen nach besten Kräͤften zum Wohle des Vaterlandes auf diesem wichtigen Gebiete wirken 8 können und der Sache natzbringend zu dienen. 2 Wilhelm.

Hierauf ist von Seiner Majestät dem Kaiser an Seine Majestät den König nachstehende telegraphische Ant⸗

wort eingetroffen:

Seiner Majestät dem König von Württemberg, Stuttgart.

Ich danke Dir aufrichtig dafür, daß Du durch Uebernahme des Protektorats über den württ embergischen Landesausschuß des deurschen Flottenvereins einen erneuten Beweis davon gegeben hast, daß Deutschlands Fürsten bei allen Bestrebungen zum Wohl unserez Vaterlandes vorangehen, und bitte Dich,. dem Fürsten Karl von Urach meinen Dank dafür zu übermitteln, daß er sich an die Spitze des Landesausschusses gestellt hat. Ich hoffe, daß die Vorgänge der letzten Tage immer weitere Kreise davon überzeugt haben, daß nicht nur Deutschlands Interessen, sonder: auch Deutschlands Ehre in fernen Meeten geschützt werden und daß hiezu Deutschland auch zu Wasser stark und mächtig dast 2

Deffterreich⸗Ungarn.

In Anwesenheit des Kaisers, fast aller Mitglieder des Kaiserlichen Hauses, der Hof⸗ und Staatswürdenträger, der Generalität, des diplomatischen Korps und des hohen Adels fand, wie „W. T. B.“ berichtet, gestern ein Hofball statt. Der Kaiser führte die Herzogin von Cumberland, Allerhöchst⸗ demselben folgten der Herzog von Cumberland mit der Erzherzogin Maria Josepha, der Erzherzog Franz Ferdinand von Oester⸗ reich Este mit der Kronprinzessin⸗Wittwe, Erzherzogin Stephanie und sodann paarweise die übrigen Mitglieder des Kaiserlichen Hauses. Während des Tanzes machte der Kaiser einen Rund⸗ gang durch den Saal und zeichnete zahlreiche Persönlichkeiten durch Ansprachen aus. Vor dem Eintritt in den Saal hatten der Kaiser und die Erzherzogin Maria Josepha die Vorstellung zahlreicher Herren und Damen des diplomatischen Korps ent⸗ gegengenommen.

Der Erzherzog Eugens ist seit einigen Tagen leidend. Ein gestern ausgegebenes Bulletin besagt, der Erzherzog sei seit mehreren Tagen an Influenza, welche mit Schüttelfrost eingesetzt habe, erkrankt. Neben diffuser Bronchitis habe sich ein handtellergroßer Verdickungsherd in der rechten Seite ent⸗ wickelt. Die Temperatur, welche an den zwei vorher⸗ gegangenen Tagen 38,50° nicht überschritten, habe gestern früh 36,5 °betragen.

In der gestrigen Pisnarstzscg der österreichischen Dele⸗

gation kam der Präsident auf die letzte Rede des Delegirten Gregr zurück und mißbilligte die Ausdrücke, welche dieser be⸗ züglich der österreichischen Beamtenschaft gebraucht hatte. Der Delegirte Pacak interpellierte über die Ausweisung österreichischer Staatsbürger czechischer und polnischer Nationalität aus dem Deutschen Reiche. Die Delegation ging alsdann zur Berathung des Ordinariums und des Extra⸗ ordinariums des Armeebudgets über. Nachdem der Bericht⸗ erstatter Walterskirchen das Ordinarium begründet hatte, erklärte der Delegirte Pacak, die Czechen würden gegen das Heeresbudget stimmen, und schloß mit der Erklärung, daß dies keine Feindseligkeit egen das Heer, sondern nur den Ausdruck des ißtrauens gegen den in der Heeresverwaltung herrschenden Geist bedeute. Der Delegirte Kaftan besprach die Zde⸗Frage und betonte die große Bedeutung des nationalen Gedankens im Heere, wobei er auf die Kriege unter Napoleon I. und auf die Er⸗ folge Deutschlands im Jahre 1870 hinwies. Der deutsch⸗ fortschrittliche Delegirte Goetz sprach über das Anwachsen der Militärlasten in Oesterreich und erklärte, daß seine Partei für den Dreibund eintreten werde; denn der Dreibund bedeute eine Politik des Friedens. Der Delegirte Dr. Stransky ing ebenfalls auf die Zde⸗Frage ein und hob hervor, daß hie Einheitlichkeit des Heeres nicht die heiligsten Gefühle des Soldaten verletzen dürfe. Er gab sodann der Ansicht Ausdruck, daß Deutschland sich in die inneren Angelegenheiten Oester⸗ reichs, einmische, und zitierte ein Hamburger Blatt, welches den deutschen Soldaten als das einzige zuverlässige Element des österreichischen Heeres, den slavisähen Soldaten als zur Desertion bereit bezeichne. Der Redner sprach sein Bedauern darüber aus, daß die Slaven gegen einen solchen Angriff keinen Schutz gefunden hätten. Nachdem noch mehrere Redner für das Armeebudget gesprochen hatten, de die itzung vertagt 88

Frankreich.

In dem gestern abgehaltenen Ministerrath wurde, dem „W. T. B.“ zufolge, beschlossen, die Besetzung von Ain⸗Salah aufrechtzuerhalten.

Die diesjährige ordentliche Session des Parlaments wurde gestern eröffnet. Der Senat wählte Fallidres mit 89 von 100 abgegebenen Stimmen zum deeeortch

räsidenten und Magnin mit 81 von 100 abgegebenen Stimmen zum provisorischen Vize⸗Präsidenten. Sodann vertagte sich der Senat bis zum 1. Februar. Die Deputirtenkammer wählte Deschanel mit 308 Stimmen gegen 221 Stimmen, welche auf Brisson fielen, zum Prä⸗ sidenten. Zu Vize⸗Präsidenten wurden Faure mit 322, Cochery mit 316, Mesureur mit 289 und Aynard mit 281 Stimmen wiedergewählt. Von den Gegenkandidaten er⸗ hielt de Mahy 179, Déroulède 81, Marcel Habert 54 und de Ramel 50 Stimmen.

Für das Abhalten der großen Uebungen im Jahre 1900 sind, der „France militaire“ zufolge, die nachstehenden Bestimmungen erlassen: Armeemanöver werden unter der Oberleitung des Generals Jamont, Vize⸗Präsidenten des Ober⸗Kriegsraths, zwischen zwei Parteien stattfinden, von denen die eine, dem General Brugdre unterstellte aus dem IV. (Le Mans) und dem X. (Rennes) Korps unter Beigabe der 1. Kavallerie⸗Division (Paris) bestehen, die andere aus dem V. (Orléans) und dem IX. (Tours) Korps nebst der 5. Kavallerie⸗Division (Melun) unter dem General Lucas zusammengesetzt werden wird. Schauplatz der Uebungen wird vermuthlich die Umgegend von Chäteaudun sein. Die großen Uebungen des V. und IX. Korps waren im Nehre 1899 ausgefallen, das IV. und X. Korps waren an der Reihe, zu solchen herangezogen zu werden. Vierzehn⸗ tägige Divistonsmanöver sind für sieben Korps, nämlich für

das I. (Lille), II. (Amiens), III. (Rouen), VII. (Besangon)

XIII. (Clermont⸗Ferrand), XIV. (Lyon), XV. (Marseille), soiche von zwölftägiger Dauer für das VI. (Chalons sur Marne), von zehntägiger für das XX. (Nancy) in Aussicht genommen. Beim VIII. (Bourges), XI. (Nantes), XII. (Limoges), XVI. (Montpellier) und XVII. (Toulouse) Korps sind vierzehn⸗ tägige Brigadeübungen anberaumt. Beigadeübungen von acht⸗ tägiger Dauer werden bei den Kavallerie⸗Brigaden des VI., VII., VIII., XI., XII., XIII., XIV., XV. und XX. Korps sowie bei der 2., 3., 4., 6. und 7. Kavallerie⸗Division abgehalten werden. Größere Reiterübungen werden von den Kavallerie⸗Brigaden des I., II. und III. Korps unter Leitung des Inspekteurs des 1., von den Kavallerie⸗ Brigad’n des XVI, XVII. und XVIII. Korps unter Leitung des Jaspekteurs des 6. Kavalleriebezirks vorgenommen Nach dem „Progrés militaire“ werden an den Uebungen ihrer Re⸗ imenter auch die vierten Bataillone theilnehmen, mit Aus⸗ nahme jedoch derjenigen des IX., X. und XII. Korps, welche in den zum Militar⸗Gouvernement von Paris gehörenden Forts stehen, sowie derjenigen des VI., VII und XX. Korps, welche einen Theil Besatzungen in d Ostforts bilden. 8 8

Für den am 10. Juli v. J. verstorbenen Großfürsten⸗ Thronfolger Georg fand, wie „W. T. B.“ aus St. Peters⸗ burg meldet, gestern in der Peter Pauls⸗Kathedrale in Gegen⸗ wart des Kaisers, der Kaiserin, der Kaiserin⸗Wittwe und der in St. Petersburg weilenden Großfürsten und Großfürstinnen sowie aller Hof⸗Chargen eine Trauer⸗ messe statt.

Amerika.

Das amerikanische Kriegsschiff „Machias“ hat, wie „W. T. B.“ meldet, den Befehl erhalten, sich von San Juan nach San Domingo zu begeben, um dort im Falle von Unruhen die amerikanischen Interessen zu schützen. Dabei wird ausdrücklich hervorgehoben, daß dasselbe sich nicht in den Streit zwischen Frankreich und San Domingo mischen solle. Eine in New York eingetroffene Depesche aus San Domingo besagt, der Präsident Jimenes habe den französischen Admiral empfangen. 1t

Afrika.

Aus Aden berichtet das „Reuter'sche Bureau“, daß der Postdampfer „General“, welcher fceigelassen worden sei, gestern Abend von dort seine Reise fortsetzen sollte. Es seien auf demselben einige Chemikalien und Radachser gefunden worden, sonst nichts. Auf einem österreichischen Lloyd⸗ dampfer (dessen Name in dem Telegramm nicht ange⸗ geben wird) sei eine Menge Mehl vorgefunden worden, welches, wie man annehme, für Transvaal bestimmt sei. Das Mehl werde zurückgehalten, bis das Prisengericht eine Entscheidung getroffken habe. Nach einem Telegramm des „Standard“ aus Durban vom 7. d. M. wird die Ladung des Postdampfers „Bundesrath“ gelöscht. Bisher sei nichts gefunden worden, was irgendwie verdächtig sei. Der Postdampfer „Herzog“ wurde, dem „Reuter'schen Bureau“ zufolge, im Norden der Delagoa⸗Bay beschlagnahmt und dann dem Prisengericht überantwortet. Der portugiesische Gouverneur des Zambesi⸗Distrikts befand sich unter den Passagieren, die nach der Delagoa⸗Bay gehen wollten. Die Seebehörden boten ihm an, die Reise dorthin auf einem britischen Regierungsschiff fortzusetzen. Der „Herzog“ ist gestern von den britischen Behörden freigegeben worden.

Die Regierung der Südafrikanischen Republik hat, wie das „Reuter'sche Bureau“ aus Washington erfährt, der Regierung der Vereinigten Staaten mitgethellt, daß sie dem amerikanischen Konsul in Pretoria nicht gestatten werde, die britischen Jaͤteressen in Transvaal zu vertreten. Der Grund hierfür sei der, daß die Regierung von Transvaal in ihrem Territorium eine Vertretung britischer Interessen nicht wünsche.

Demselben Bureau wird aus Lourenço Marques vom 6. d. M. berichtet, daß aus Colenso vom 3. d. M. die Nach⸗ richt eingetroffen sei, es sei bei Klipriver Drift ein allgemeiner Kriegsrath unter dem Vorsitz des Gencrals Joubert ab⸗ gehalten worden, in welchem der weitere Feldzugsplan fest⸗ gestelt worden sei.

In London ist amtlich bekannt gemacht worden, der General French habe am 7. d. M. berichtet, daß er am Morgen des genannten Tages mit einer Schwadron Garde⸗ Kavallerie eine Rekognoszierung gegen die östliche Flanke des Feindes auf der Landstraße nach Achterang gemacht habe. Er sei dabei auf beträchtliche Streitkräfte des Feindes gestoßen, der sich um seine Verbindungen mit Norwalspont eerhs ezeigt erluste des Generals French in den Tagen vom 1. bis 6. Januar be⸗ trügen einschließlich des dem Suffolk⸗Regiment zugestoßenen Unfalls: 4 Offiziere todt, 6 vermißt; 35 Mann todt, 69 ver⸗ wundet und 107 vermißt.

Das „Reuter'sche Bureau“ meldet aus Rensburg vom 5. d. M.: Sir John Milbank, Mitglied des Unterhauses,

und seine Truppen zurückgezogen habe. Die

sei bei einem Patrouillenritt in der Nähe von Colesberg,

leicht am Bein verwundet worden.

Parlamentarische Nachrichten. Die Berichte über die gestrigen Sitzungen des Reichs⸗

tages und des Herrenhauses befinden sich in der Ersten

Beilage.

In der heutigen (124.) Sitzung des Reichstages, welcher der Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. Graf von Posadowsky beiwohnte, begann die zweite Be⸗ rathung des Reichshaushalts⸗Etats für 1900 mit dem Spezial⸗Etat des Reichstages.

Der letztere wurde nach kurzer Debatte bei Schluß des Blattes angenommen.

In der heutigen (2.) Sitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten, welcher der Vize⸗Präsident des Staats⸗ Ministeriums, Dr. von Miquel, der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen, der Justiz⸗ Minister Schönstedt und der Minister für Handel und

ewerbe Brefeld beiwohnten, zunächst der Prã ent

der vorigen Session von Kröcher zu folgender Mittheilung das Wort:

Das Präsidium hat an der Neujahrscour theilgenommen und G legenheit gehabt, Seiner Majestät dem Kaiser und König die Glückwünsche des Hauses auszusprechen. Seine Majestät hat die Gnade gehabt, diese Glückwünsche anzunehmen und freundlichst zu erwidern. Gestern früh ist Ihre Königliche Hobeit die Gemahlin Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Heinrich von Preußen von einem Peinzen entbunden worden Ich schlage vor, das Präsidium zu ermächtigen, Seiner Majestät dem Kaiser und König und Seiner Königlichen Hoheit dem Prinzen Heinrich die Glückwünsche des Hauses zu üb ermitteln.

Damit ist das Haus einverstanden.

Der Präsident theilt weiter mit, daß seit dem Schluß der vorigen Session die Abgg. Jebsen und Herper ver⸗ sorben sind. Das Haus ehrt deren Andenken in der üblichen

eise.

Auf der Tagesordnung steht zunächst die Wahl des ““ der beiden Vize⸗Präsidenten und der Schrift⸗ ührer.

Abg. Stengel (fr. kons.) schlägt vor, den Präsidenten der vorigen Session, den Abg. von Kröcher, durch Zuruf wiederzuwählen. Gegen diesen Vorschlag wird ein Wider⸗ spruch nicht erhoben.

Abg. von Kröcher: Ih nehme die Wahl mit verbind!ichstem Dank für das mir abermals erwiesene Vertrauen an.

Zum Ersten Vize⸗Präsidenten wird auf Vorschlag des Abg. Stengel der Abg. Freiherr von Heereman, zum Zweiten Vize⸗Präsidenten der Abg. Dr. Krause wieder⸗ gewählt. Beide nehmen die Wahl mit Dank an.

Zu Schriftführern werden gewählt die Abgg. von Bockel⸗ berg, von Detten, Im Walle, Jürgensen, Weyer⸗ busch, Wetekamp, von Wrochem und Zimmermann.

Zu Quästoren beruft der Präsident die Abgeordneten Letocha und Busch.

Damit ist das Haus konstituiert. Der Präsident wird davon Seiner Majestät dem König und dem Herrenhause die vorschriftsmäßige Anzeige machen.

Alsdann nimmt zur Einbringung des Staatshaushalts⸗ Etats für das Etatsjahr 1900 der Vize⸗Präsident des Staats⸗ Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miquel das Wort, dessen Rede morgen nachgetragen wird.

Zur Geschäftsordnung Abg, von Eynern (nl.): Obwohl der Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums sich alle Mühe gegeben hat, laut zu sprechen, haben wir hier auf dieser Seite nur abgebrochene Stücke vernommen. Die Akustik ist leider in diesem Hause trotz der inzwischen vorgenommenen Verbesserungen ebenso schlecht, wie sie vorher war (sehr wahr!), und ich weiß nicht, wie in einem solchen Saale, bei so mangelnder Akustik, die Verhandlungen überhaupt ge⸗ deihlich geführt werden sollen.

Präsident von Kröcher: Die nächste Sitzung schlage ich vor, morgen um 11 Uhr Vormittags abzuhalten mit der Tagesordnung: Verlesung der Interpellation der Abgg. Arendt und Genossen wegen der Zurdispositionsstellung verschiedener Beamten. .

Damit ist das Haus cinverstanden. Schl f 1 Uhr.

Nr. 49 des „Eisenbahn⸗Verordnungsblatts“, heraus⸗ gegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 30. Dezember, enthält einen Erlaß des Ministers der öffentlichen Arbeiten, vom 20. Dezember 1899, betr. Allgemeine Vertransbedingungen für die Ausführung von Staatsbauten und für die Ausführung von Leistungen oder Lieferungen. h““

Zur Arbeiterbewegung.

Wie in einer Versammlung der ausständigen Bauanschläger Berlins am Montag, der „Dt. Warte“ zufolge, berichtet wurde, haben ungefähr 170 die Arbeit zu den neuen Bedingungen wieder auf⸗ genommen, die gleiche Zahl ist noch ausständig. In der Verhandlung der Arbeitervertreter mit den Innungsdelegirten ist eine Einigung bis auf wenige Punkte erzielt worden (vergl. Nr. 4 d. Bl.).

Eine Versammlung der hiesigen Bäcker hat, wie die „Volks⸗ Ztg. mittheilt, am Dienstag beschlossen, gemeinsam mit den Bäckerei⸗ arbeitern anderer Städte folgende Forderungen an die Meister zu stellen: 1) Abschaffung von Kost und Logis beim Meister, 2) Minimal⸗ lohn von 21 p o Woche, 3) Bezahlung der nach der Bundesraths⸗ verordnung zulässigen Ueberstunden mit 50 pro Stunde und 4) Beseitigung des Gesellenbuches der Germania⸗Innung.

Der Einigungsvorschlag in dem Kölner Formstecher⸗Aus⸗ stande (vergl. Nr. 8 d. Bl), welcher sowohl der Prinzipalität, wie der Gehilfenschaft unterbreitet werden soll, lautet: Der Mindestlohn beträgt 21 ℳ, jedoch für diejenigen, welche die Lehrzeit noch keine zwei Jahre beendet haben, 18 ℳ, und zwar unter Zuschlag von 15 % sfür diejenigen, deren Lohn jetzt bereits 18 und mehr beträgt. Die Frühstuͤcks⸗ und Vesperpausen währen zusammen eine Viertelstunde außerhalb der 10 stündigen Arbeitszeit. Die Vertreter beider Parteien versprechen, diese Einigungsvorschläge ihren Mandatgebern zu unter⸗ breiten und zur Annahme zu empfehlen. Am Feeitag soll abermals eine Verhandlung vor dem Einigungsamt, zwecks endgültiger Beschluß⸗ fassung, stattfinden.

Kunst und Wissenschaft.

4† Im Kunstsalon von Keller und Reiner hat die Ver⸗ einigung „Freie Kunst“, zu der sich vier Maler, Otto Heinrich Engel, Carl Langhammer, Gustav Meng⸗Trimmis und Max Schlichting, mit dem Bildhauer Martin Schauß ver⸗ bunden haben, eine Sonderausstellung veranstaltet. Während Engel und Lanaghammer vorwiegend landschaftliche Vorwürfe wählten, vertritt Schlichting den ariser Pleinairismus der acht⸗ ziger Jahre mit vielem eschick; Meng⸗Trimmis hat sich schon auf früheren Ausstellungen als Porträtmaler vortheilhaft bekannt gemacht. Engel's Arbeiten zeigen eige natür⸗ liche, gesunde Auffassung, der es auch an der Fähigkeit, landschaftliche Stimmung festzuhalten, nicht mangelt. An die Kraft seiner Figuren⸗ komposition, die auf der Sezessionsausstellung dieses Sommers Auf⸗ merksamkeit erregte, reichen die hier vertretenea kleineren Arbeiten aber nicht heran. Langhammer'’s Landschaften, die sich in recht willkürlicher Farben⸗ und Formengebung gefallen, wirken etwas zu schwer im Ton.

Mehr Aufsehen dürften die absonderlichen Schöpfungen des auf Java geborenen Holländers Jan Toorop erregen, der von dem Verein als Gast eingeladen wurde. Es sind Visionen einer an

ic en Träumereien genährten Einbildungskraft,

die der Maler uns vorführt. Die lemurenhaften Gestalten, die durch allerlei graphische Symbole mit einander in Verbindung gesetzt werden, besitzen so gut wie gar feinen künstlerischen Reiz. Es scheint, als operiere Toorop ganz absichtlich und verstardesmäßig gegen alles, was bisher künstlerische Vernunft geheißen. In den Inhalt dieser grillen⸗ haften Erfindungen einzudringen, wird wohl nur dem Beschauer mög⸗ lich sein, der von dem Maler dazu eine besondere Anleitung erhält. Damit sind sie als Kunstwerke verfehlt. Es ist bedanerlich, daß ein fein organisiertes Talent, wie es Toorop in einem Männerporträt und einer kleinen Interieurscene offenbart, so völlig in sklavische Abhängigkeit von einer durchaus unkünstlerischen Idee gerathen ist. Wie frei und souverän beherrscht dagegen Lud⸗ wig von Hofmann, der ebenfalls in der Ausstellung mit einer Reihe neuerer Arbeiten vertreten ist, seine Kunst! Seine serene Empfindung, seine reiche Farbenphantasie spricht sich in diesen arkadischen Scenen, die er nicht müde wird, immer wieder und wieder zu variieren, ungehemmt aus. Der Neigung, mit den reich quellenden Einfällen zu spielen, dürfte Hofmann am ehesten Herr werden, wenn er an einer großen dekorativen Aufgabe seine Kräfte zu erproben Gelegenheit fände. Fast jede seiner Schöpfungen läßt aufs neue be⸗ dauern, daß diese ungewöhnliche Begabung für Monumentalmalerei brach liegen bleibt. Unter den ausgestellten Bildern wecken besonders die „badenden Frauen“, die Serpentintänzerinnen, und die naio glück⸗ liche Darstellung des Paradieses aufrichtige Bewunderung.

„Die anthropologische Gesellschaft in Stockholm hat, wie dem „W. T. B.“ von dort gemeldet wird, beschlossen, daß die schwedischen Schiffe, welche im Frübjahr nach Spitzbergen ab⸗ geben, um die schwedische Gradmessungs⸗Expedition abzuholen, nach König Karls⸗Land gehen sollen, um Untersuchungen über die dort gefundene Pol⸗Boje Andrée'’s anzustellen. 8

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Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ ͤb“ X“

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Hinterindien.

Durch Bekanntmachung der Kolonialregierung in Singapore vom 13 v. M. ist der Hafen von Saigon für cholera verseucht erklärt worden.

Alle von Saigon kommenden Schiffe werden bis zum neunten Tage nach der Abfahrt von Saigon oder nach dem Datum des lotzten an Bord vorgekommenen Falles der Erkrankung oder bis zur Freigabe durch den Gesundheitsbeamten der Kolonie in Quarantäne gehalt werden. v

Madrid, 10. Januar. (W. T. B.) Amtlich wird bestätigt, daß die Pest in Manila auftritt.

Mannigfaltiges. Berlin, den 10. Januar 1900.

Das Deutsche Zentral⸗Comité zur Errichtun Heilstätten für Lungenkranke trat heute Vormittag unter dem Ehrenvorsitz des Reichskanzlers Fürsten zu Hohenlohe⸗Schillings⸗ fürst im Kongreßsaal des Palais desselben zur diesjährigen Generalversammlung zusammen. Erschienen waren der Staats⸗ Minister Freiherr Lucius von Ballhausen, die Ober⸗Praͤsidenten, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher und Nasse, der Unter⸗Staatssekretär D. Dr. von Bartsch, der Ministerial⸗Direktor Dr. Althoff, der General⸗ Stabsarzt der Armee Dr. von Coler, der Vize⸗Ober⸗Zeremonien⸗ meister von dem Knesebeck, der Präsident des Kaiserlichen Gesundheitsamts Dr. Köhler, der Präsident des Reichs⸗Versicherungsamts Gäbel, der bayerische Gesandte Graf von Lerchenfeld und Andere. Auch die Prinzessin Elisabeth zu Hohenlohe wohnte den Verhandlungen bei. Der Reichskanzler eröffnete die Verhandlungen mit einer Ansprache, in welcher er dem Bedauern Ausdruck gab, daß Ihre Majestät die Kaiserin leider durch Unwohlsein behindert sei, an der Sitzung theilzunehmen. Der Ehren⸗ Vorsitzende knüpfte daran den wärmsten Dank für die rege Theilnahme, welche Ihre Majestät dem Unternehmen der Heeilstätten⸗ fürsorge fortgesetzt widme. Mit dem bisherigen Gang der Dinge könne das Zentral⸗Comité wohl zufrieden sein: es seien zahlreiche Vereine für die Aufgaben der Heilstättenfürsorge neu gebildet und ebenso zahlreiche Heilstätten erbaut worden. Die Grundlage der Bestrebungen bilde die Allerhöchste Botschaft vom Jahre 1881, welche in Seiner Majestät dem jetzt regierenden Kaiser ihren warmherzigen Erfüller gefunden habe. Allerhöchst⸗ derselbe habe auch die Thätigkeit des Zentral⸗-Comités unter Seinen Schutz genommen, wofür Ihm inniger Dank gebühre. Sodann übergab der Reichskanzler den Vorsitz dem Präsidenten des Zentral⸗ Comités, dem Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. Grafen von Posadowsky⸗Wehner, welcher den verstorbenen Mitgliedern Worte ehrender Anerkennung widmete.

Den Geschäftsbericht erstattete nunmehr der General⸗Sekretär des Zentral⸗Comités, Ober⸗Stabsarzt Dr. Pannwitz. Wohl selten hat eine gemeinnützige Vereinigung die Genugthuung gehabt, den Zielen, die sie sich bei ihrer Begründung gesteckt hatte, in verhältnißmäßig kurzer Zeit so nahe zu kommen, wie das Zentral⸗Comité. In wenig mehr als vier Jahren konnte es das Verständniß für die Nothwendig⸗ keit der Tuberkulosebekämpfung im besten Sinne des Worts zum Ge⸗ meingut des deutschen Volks machen. Den Mittelpunkt der Thätigkeit des letzten Jahres bildete die Organisation und Durchführung des denk⸗ wurdigen Tuberkulose⸗Kongresses. Was den Stand der planmäßigen Heilstättenfürsorge für Lungenkranke anlangt, so stehen z. Z. zur Aufnahme von Lungenkranken aus der minder⸗ und unbemittelten Bevölkerung 33 Volksheilstätten bereit. Zur speziellen Behandlung Lungenkranker sind außerdem noch 16 Privbvatanstalten in Deutschland vorhanden. Im Jahre 1900 werden voraussichtlich 11 weitere Heilstätten eröffnet werden, darunter die Heilstätte der Landesversicherungs anstalt Brandenburg bei Kottbus für lungenkranke Frauen, und für das Jahr 1901 ist die Eröffnung von ferneren 14 Heilstätten zu erwarten, darunter befinden sich die Berliner städtische Heilstätte in Buch, die beiden Heilstätten der Landesversicherungs⸗ anstalt Berlin bei Beelitz für männliche und weibliche Kranke und die Heilstätte der Pnsionskasse für die Arbeiter der preußischen Staatseisenbahnverwaltung. Endlich sind noch 13 Heilstätten geplant, außerdem sind Ansätze zu neuen Vereinsbildungen aus vier Städten gemeldet worden. Nach einer angestellten Umfrage stehen z. Z. ca. 3000 Betten für Lungenkranke bereit, diese Zahl wird sich bis zum Schlusse des Jahres 1901 auf ca. 5500 erhöhen. Der Redner konnte seine darauf bezüglichen Ausführungen mit den stolzen Worten schließen: „Mit dem Beginn des neuen Jahrhunderts wird es in Deutschland möglich sein, auf Grund der einzig dastehenden deutschen Arbeiter⸗ versicherung, d. h. auf öffentliche Kosten, alljährlich mindestens 20 000 Heilbedürftige den in den schönsten Lagen des deutschen Vaterlandes errichteten Heilstätten zu dreimonatlichen Behandlungskursen zuzuführen“. Der Redner verwies sodann auf die von neuem bestätigte Erfahrung, daß es nicht nöthig ist, Lungenkranke in ausländische Kurorte mit klimatischen Vorzügen zu enisenden, daß es sich vielmehr empfiehlt, den Kranken da der Kur zu unterziehen, wo er nach derselben leben und arbeiten soll, d. h in seiner Heimath. Der Redner gedachte sodann der erfolgreich in die Wege geleiteten Fürsorge 22 die An⸗ ehörigen der Pfleglinge und der Arbeitsvermittelung für die aus Heil⸗ flütten Entlassenen. Es geht in letzterer Beziehung das vev der Leiter von Heilstätten dahin, die während der Kur unerläßliche

Pfleglinge im Sinne eines etwaigen Berufswechsels