1900 / 11 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 12 Jan 1900 18:00:01 GMT) scan diff

seits gegen die Regi esonnen sein wird; agen, diese Männer

g eine andere 1- einzunehmen und die Wähler dieser änner werden haben wir als unabhängig und zuverlässig erkannt, die wählen wir wieder. Jedenfalls hätte die Regierung nichts gewonnen, wenn sie auf diesem Wege ein paar Freisinnige mehr in das Haus bekäme. Die Heilighaltung der Verfassung war ein liberales Parteiziel. Jetzt haben allerdings zahlreiche liberale Blätter, die „Danziger Zeitung’, die „National⸗Zeitung“, der „Hannoversche Courier“ und vor allem die „Kölnische Zeitung“, im Chorus auf die Reaierung eingeredet, sie müßten die unbotmäßigen Beamten maßregeln, sie zur Disposition stellen. Und dabei handelte es sich nicht um eine politische, sondern um eine rein materielle Frage. Diesen Zeitungen sollte einmal der Kopf gewaschen und ihnen klar gemacht werden, daß es ein Unterschied ist zwischen dem Mammon und den Idealen, welche die liberale Partei verfolgt. Täglich wird peroriert, daß diese konservativen und ostelbischen Agrarier darauf ausgehen, die Herrschaft in ihre zu bekommen. Nicht ein Bischen davon ist wahr. Wissen Sie nicht, daß der große König sieben Jahre lang nur durch die Ostelbier den gesammten Heeren Europas widerstand? Wissen Sie nicht, daß 1812 die ostpreußischen Stände unter Führung eines Dohna die ersten waren, welche die Fahnen des Freiheitskampfes erhoben? Wissen Sie nicht, daß, als es sich um die Reorganisation der Armee handelte, die Konservativen die einzigen waren, welche dafür eintraten und nicht rasteten, bis das irregeleitete Volk, welches sie so reduziert hatte, daß sie in einer Droschke nach Hause fabren konnte, eines Besseren besann? Diese erprobte Stütze des Landes glaubt man ab⸗ schütteln zu können wie einen alten Mantel. Königstreu sind die Konservativen bis auf die Knochen. Wie die Buren werden wir uns erheben, um die Rechte des Königs zu vertbeidigen. Die Frage, ob die vielen Millionen für den Kanal gut angewandt werden, zu prüfen und nach unserer Ueberzeugung zu beantworten, haben wir Konfervativen nicht bloß das Recht, nein, einfach die Pflicht. Es ist bei uns jedem überlassen gewesen, nach seiner Ueber⸗ zeugung zu stimmen, kein Fraktionszwang ist ausgeübt worden, wir sind in diesem Punkt ebenso verfahren, wie die anderen Parteien. Es ist auch garnicht einmal wahr, daß alle Agrarier gegen den Kanal waren. Auch ist es ganz falsch zu sagen, daß es sich hier um einen Kampf zwischen Landwirthschaft und Industrie handle. Wenn dem so wäre, wenn der Kanal das Getreide verbilligte, würde gerade die westelbische Landwirthschaft den Nachtheil haben, denn sie müßte ihr Korn billiger verkaufen. Wir fragen nun die wie sie ihre Maßnahmen mit der Verfassung in Einklang zu bringen gedenkt.

Reichskanzler und Präsident des Staats⸗ Ministeriums Fürst zu Hohenlohe:

Meine Herren! Die Interpellation, welche Sie an die Staats⸗ regierung gerichtet haben, berührt eine Frage, welche seit dem Schluß der letzten Session dieses hohen Hauses bereits den Gegenstand scharfer Angriffe in der Presse gebildet hat. Es muß der Staats⸗ regierung daran liegen, jenen Angriffen gegenüber gleich beim Beginn der Session die wirkliche Bedeutung ihrer Maßnahmen hier im Hause festzustellen, und sie benutzt daher gern die hierzu gebotene Gelegenheit. Sie wünscht von vorneherein Klarheit darüber zu schaffen, daß es sich für sie lediglich um einen durch sachliche Rücksichten ge⸗ botenen Schritt gehandelt hat. Von einer disziplinaren Bestrafung derjenigen Beamten, welche im vergangenen Sommer hier gegen die Kanalvorlage ihre Stimmen abgegeben haben, kann keine Rede sein; eine solche ist schon durch die Verfassung ausgeschlossen. Der Staats- regierung liegt jeder Gedanke eines Eingriffs in die parlamentarischen Rechte des einzelnen Abgeordneten fern. Was sie gethan hat, charakterisiert sich gesetzlich als eine Verfügung im Interesse des Dienstes, welche nach ausdräcklicher Vorschrift des § 87 des Gesetzes vom 21. Juli 1852 nicht Gegenstand eines Disziplinarverfahrens ist. Wenn man der Regierung also den Vor⸗ wurf einer Bestrafung der Beamten macht, so widerspricht dieser Vorwurf dem Gesetz. Das Recht der Regierung, einen Beamten im Interesse des Dienstes zur Verfügung zu stellen, wird durch das Recht

des Beamten, in diesem Hause nach seiner Ueberzeugung zu stimmen, aicht beeinträchtigt. Seit Erlaß der Verfassung hat die preußische Staatsregierung diesen Standpunkt stets inne gehalten.

Meine Herren, soll eine einheitliche Aktion der Staatsregierung möglich sein und die Autorität der Regierung im Lande gewahrt bleiben, so ist es unerläßlich, daß die in erster Linie zur Vertretung der Politik der Regierung berufenen Beamten, nämlich die politischen Beamten, die Anschauungen der Regierung in entscheidenden Fragen auch im Lande politisch zu vertreten Willens und in der Lage sind.

Dies anzunehmen, ist nicht möglich bei politischen Beamten, die im Landtage selber eine der Staatsregierung entgegengesetzte Haltung öffentlich bekundet haben. Von ihnen war nicht zu erwarten, daß sie diejenige Auffassung, welche sie im Landtage bekämpft haben, nachher dem Lande gegenüber wirksam vertreten würden.

Konnte hiernach die Staatsregierung in diesen Beamten die ge⸗ eigneten politischen Organe für die Durchführung ihrer Intentionen nicht erblicken, so blieb nur übrig, auf ihre Dienste in politischen Stellungen zu verzichten, unbeschadet der gesetzlichen Möglichkeit,

ieselben in anderen nicht politischen Stellungen wieder zu beschäftigen.

Meine Herren, es ist ein unhaltbarer Zustand, daß die Re⸗

ierung bestimmte Ziele verfolgt, während die pflichtgemäß zu ihrer Unterstützung berufenen politischen Beamten diese Ziele bekämpfen. Um solchen Zuständen vorzubeugen, hat das Gesetz der Regierung die Befugniß gegeben, von der sie jetzt Gebrauch gemacht hat. Der Königlichen Staatsregierung ist der Entschluß zu er getroffenen Maßregel nicht leicht geworden; sie bedauert s lebhaft, gezwungen gewesen zu sein, tüchtige Beamte, deren Amtsführung anzuerkennen sie Anlaß hat, aus ihrer dermaligen Dienststellung abzuberufen. Aber die Rücksicht auf diese Beamten ann nicht so weit gehen, um die politische Autorität der Regierung Seiner Majestät des Königs zu gefährden.

Hiernach glaube ich, daß die Staatsregierung, unter voller Wah⸗ rung der verfassungsmäßigen Rechte der Volksvertretung, nur gethan hat, was das von ihr wahrzunehmende Staatsinteresse ihr zur Pflicht

macht. Auf Antrag des Abg. Grafen zu Limburg⸗Stirum (kons.) tritt das Haus in eine Besprechung der Interpellation ein.

Abg. Dr. Krause (nl.): Die Rede des Herrn von Köller haben wir mit großer Aufmerksamkeit und mit dem schuldigen Respekt an⸗ gebört. Es muß aber doch gewisses Rankenwerk entfernt werden, welches mit der Sache nicht im steht. Es war nicht nöthig, auf den Kanal einzugehen, der ein Kultur⸗

werk ersten Ranges ist. Mit dem an ihm bekannten guten Humor hat Herr von Koöller ausgeführt, die Regierung würde sich schließlich bei der Ablehnung beruhigt und dann den schönen Sieg über sich selbst erfochten haben; man könnte dann aber doch auch den Kanal⸗ gegnern rathen, diesen Sieg über sich selbst einmal an sich selber zu versuchen. Die Politik des Fürsten Bismarck war niemals auf diesen Sieg über sich selbst gerichtet. Wenn jetzt lediglich der Minister⸗Präsident angeredet wird, so haben doch andere Minister ebenso wichtige Erklärungen abgegeben, und

Was soll ferner die Hervorhebun

der Königstreue auf einer Seite? Wir alle königstreu bis auf die Knochen, und von Königstreue sollte in diesem Hause überhaupt nicht mehr gesprochen werden. Die Interpellanten setzen voraus, daß die Regierung der Ueberzeugung ge⸗ wesen ist, die Verfassung sei nicht verletzt. Ich habe meinerseits die allergrößten und schwersten Bedenken, ob nicht die Verfassung wirklich durch die getroffenen Maßregeln verletzt ist. Wenn dieses Vorgehen gegen die Beamten unmittelbar nach ihrer Abstimmung erfolgte, wenn es sich bloß gegen einen Theil der Beamten richtete, während andere ebenso gesinnte nicht zur Rechenschaft gezogen worden sind, so komme ich logisch zu der Meinung, daß zwischen der Maßregelung und der Abstimmung ein Zusammenhang bestand. Unzweifelhaft liegt ein disziplinarisches Einschreiten vor; den geaentheiligen Aus⸗ führungen des Minister⸗Präsidenten kann ich nicht folgen. Sonst müßte man ja zu der Ansicht kommen, daß bei Beamten eine solche Maßregel jederzeit zulässig ist, also auch dann, wenn sie als Ab⸗ geordnete gegen die Regierung gestimmt haben. Damit würden eben die Vorschriften der Verfassung für Beamte als Abgeordnete außer Kraft gesetzt. Der Umstand, daß das Disziplinargesetz nach der Ver⸗ fassung erlassen ist, hat übrigens die Bedeutung nicht, welche Herr von Köller ihm beileat. Auf die Ausführungen, daß gewissen liberalen Zeitungen der Kopf gewaschen werden müsse, weil sie keine Ver⸗ fassungsverletzung in der Maßregelung erkannt haben, möchte ich nicht weiter eingehen; die Preßerzeugnisse stehen in jweiter Linie. Es kommt vor allem auf die Entscheidung der Vertreter der Par⸗ teien hier im Hause an, auch hat wohl die „National⸗Zeitung“ sich nicht mit der behaupteten Bestimmtheit geäußert. Aber auch abgesehen von der Frage der Verfassungsmäßigkeit, ist die Maßregel eine kleine und halbe Maßregel gewesen, welche die Autorität der Regierung in keiner Weise gestützt hat. Es ist kaum anzunehmen, daß die Herren Beamten in der That glauben mußten, daß es sich um eine so ernste Absicht der Regierung handelte. Es war vielfach die Meinung vertreten, daß es den Beamten zum mindesten nicht schaden würde, wenn sie nicht mit der Regierung gingen. Eine solche Energie ist sonst von der Regierung nicht gegen Beamte, welche gegen sie Politik treiben, angewendet worden. Sollte das in Zukanft anders werden, so läge das sicher im Interesse des Landes; aber es ist wohl nicht an der richtigen Stelle ein⸗ gesetzt worden. Derjenige, der zu dieser Maßregel rieth, hat keinen guten Katb ertheilt, und im Interesse des Landes wäre es von jedem polttischen Standpunkte aus besser gewesen, wenn eine solche Maßregel unterblieben wäre. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit erledigt aber die Sache nicht. Stehen die Beamten unter solchem Druck, daß die Regierung jeden Augenblick zu einem solchen Vorgehen berech⸗ tiat wäre, so sind sie als Abgeordnete nicht mehr frei. Hier liegt also ein Konflikt vor, der irgendwie gelöst werden muß. Wäre die Maßnahme nicht verfassungsmäßig, dann läge vor, was nicht eintreten dürfte, daß die Regierung sich gefallen lassen müßte, daß von den politischen Beamten der Regierung gegen ihre Politik frondiert werde. Also auch hier Unvereinbarkeit der einen Bestimmung mit der anderen. Das Staatsinteresse erfordert, 78 die Regierung ihrer politischen Beamten bezüglich der Aus⸗ führung der Gesetze sicher sein muß, daß sie nicht im eigenen Lager einen Feind hat. Der Wahlerlaß des Ministers Grafen Eulen⸗ burg, eines gewiß konservativen Mannes, spricht das ganz vorbehalt⸗ los aus. Es geht nicht ohne strenge Disziplin. Eine Parteifrage liegt hier nicht vor. Die Lösung des Konflikts kann aber nicht auf Grund der heutigen Gesetzgebung gefunden werden; deshalb hat die Angelegenheit eine schwerwiegende prinzipielle Bedeutung. Sie führt direkt zur Erörterung der Frage der Wählbarkeit der Beamten. Die Konservativen wollten seiner Zeit die Richter ausschließen; die Liberalen wendeten sich dagegen, und der Ausschluß kam nicht zu stande. Daß politische Beamte wählbar sein müssen, halte ich nicht mehr für eine Doktrin des Liberalismus; aus liberaler Parteipflicht heraus wird diese Forderung jedenfalls nicht mehr aufrecht zu erhalten sein; die andere Frage, ob Beamte für die Parlamente nothwendig sind, will ich hier nur streifen; diese Nothwendigkeit an sich kann ich persönlich auch nicht mehr anerkennen. Die fort. geschrittene politische Bildung der Bevölkerung läßt die Meinung nicht mehr aufkommen, daß den Parlamenten etwas Wesentliches fehle, wenn nicht die Erfahrung und Leistungsfähigkeit der Beamten einer ihrer Bestandtheile sei. Auch konservative Staatsrechtslehrer sind dieser Lösung nicht abgeneigt; so erklärt der konserpative peoftsser Zorn die Frage bereits für diskutierbar. Zwei Rücksichten müssen wir hier hochhalten: die Verfassung muß heilig gehalten werden, man darf sie nicht antasten, besonders dann nicht, wenn die Auslegung zweifelhaft ist; andererseits muß die Regierung stark und gerecht sein, keine Parteiregierung.

Justiz⸗Minister Schönstedt:

Meine Herren! Ich kann den Schlußworten (Vielfache Rufe links: Lauter! Tribüne!) (Der Justiz⸗Minister begiebt sich auf die Tribüne. Lebhaftes Bravo.)

Meine Herren! Ich kann den Schlußworten des Herrn Abg. Krause, daß die Verfassung heilig gehalten werden müsse, nur in vollem Maße auch im Namen der Königlichen Staatsregierung zu⸗ stimmen. Ich kann aber zugleich die Erklärung abgeben, in Bestätigung dessen, was seitens des Herrn Minister⸗Präsidenten Ihnen bereits vor⸗ getragen ist, daß die Königliche Staatsregierung ihrerseits glaubt und davon überzeugt ist, in der Maßregel, die den Gegenstand der heutigen Diskussion bildet, gegen die Verfassung nicht verstoßen zu haben. (Widerspruch.)

Meine Herren! Der Wortlaut der Interpellation beschränkt sich auf Vorgänge, die vor der Schlußabstimmung über die Kanalvorlage liegen, und er beschränkt sich auf die rechtliche Seite dieser von der Königlichen Staatsregierung getroffenen Maßregeln. Sowohl bei der Begründung der Interpellation ist der Herr Abg. von Köller, wie bei den späteren Ausführungen der Herr, der soeben diese Tribüne ver⸗ lassen hat, über diesen Rahmen hinausgegangen; es ist die politische Seite der Frage hereingezogen, die politische oder vielmehr die angeb⸗ lich nicht politische Seite der Kanalvorlage; es sind Vorschläge de lege ferenda gemacht worden ven dem Herrn Abg. Krause. Auf alle diese Punkte glaube ich nicht eingehen zu sollen. Ich würde mich auch an erster Stelle garnicht für berufen halten, in eine Erörterung dieser Fragen, die nicht innerhalb des Rahmens dieser Interpellation liegen, einzutreten; dazu wären andere Herren an erster Stelle berufen. Meine Aufgabe wird nur die sein, mit kurzen Worten auf die recht⸗ liche Seite der Frage einzugehen, die nach meiner Meinung in der Begründung der Interpellation und auch von dem Herrn Abg. Krause etwas stiefmütterlich behandelt worden ist.

Herr Abg. von Köller hat, wenn ich ihm richtig gefolgt bin, die nach seiner Meinung vorliegende Verfassungswidrigkeit der getroffenen Maßregel im wesentlichen daraus hergeleitet, daß das Gesetz vom Jahre 1852, von dessen Befugnissen die Königliche Staatsregierung Gebrauch gemacht hat, jünger sei als die fassungsurkunde, daß diese Bestimmung des § 87 mit den Vorschriften der Verfassung nicht in Einklang stehe, daß bei dem Erlaß des Gesetzes von 1852 eine Ab⸗ änderung der Verfassung nicht beabsichtigt gewesen sei, daß eine solche Abänderung auch einer wiederholten Abstimmung nach der vor⸗ geschriebenen Frist von 21 Tagen bedurft haben würde.

Nun, meine Herren, glaube ich, in thatsächlicher Beziehung fest⸗ stellen zu sollen, daß § 87 älter ist als die Verordnung von 1852; er ist einer oktroyierten Verordnung von 1849 entnommen, die ziemlich

Sowohl die oktroyierte Verfassung wie die oktroyierte Verordnung enthalten dieselbe Bestimmung, und niemand hat einen Widerspruch eine Unvereinbarkeit dieser Bestimmungen mit einander angenommen, und gerade der Umstand, daß, nachdem inzwischen die geltende Ver⸗ fassung gesetzlich sanktioniert war, bei dem späteren Erlaß des Ge, fetzes von 1852 man nicht für nothwendig gehalten hat, den § 87 zum Gegenstand einer wiederholten Abstimmung zu machen, spricht dafür, daß niemand an einen Widerspruch mit der Verfassung gedacht hat, sondern daß man innerhalb der Verfassung die Ausführung dieser Befugniß seitens der Königlichen Staatsregierung als zulässig und als geboten erachtet hat.

Ich sage: als geboten. Der Herr Abg. von Köller hat selbst erklärt, die Königliche Staatsregierung bedürfe gegenüber den politischen Beamten solcher Befugnisse, wie sie ihr der § 87 giebt, und wenn ein Gesetz dieses Inhalts nicht bestände, dunn würde er der erste sein, der für den Erlaß eines solchen einträte. Aber ich habe in den Aus⸗ führungen des Abg. von Köller den Nachweis vermißt, weshalb die Königliche Staatsregierung dieser Machtbefugniß nicht bedürfen soll gegenüber den politischen Beamten, die in ihrer parlamentarischen Thätigkeit sich in grsßen, wichtigen Fragen in Widerspruch mit der Auffassung der jeweiligen Königlichen Staatsregierung setzen.

Meine Herren, die Auffassung, die der Herr Abg. von Köller hier vertreten hat, ist meines Erinnerns nicht immer diejenige der kon⸗ servativen Partei gewesen. (Sehr wahr! links.) Als in der Konflikts⸗ zeit der Ober⸗Regierungsrath von Bockum⸗Dolffs (höct! hört! links) mit Rücksicht auf seine parlamentarische Thätigkeit nach Gumbinnen, glaube ich, versetzt wurde, hat diese Maßregel allerdings von der liberalen Partei eine sehr lebhafte Anfechtung erfahren, aber meines Wissens ich glaube mich nicht darin zu täuschen (sehr richtig! links) ist ihre Verfassungsmäßigkeit niemals bestritten worden, und am allerwenigsten von der konservativen Partei, die im Gegentheil für die Zulässigkeit dieser Bestimmung eingetreten war. (Sehr richtig! links) Allerdings handelte es sich damals nur um eine Versetzung in ein anderes Amt. Aber, meine Herren, diese Versetzung in ein anderes Amt steht gesetzlich vollständig auf demselben Boden mit der Stellung der polttischen Beamten zur Disposition, und weder das eine noch das andere ist eine Disziplinarmaßregel. Das Gesetz von 1852 wird im gewöhnlichen Leben regelmäßig als ein Disziplinargesetz bezeichnet. Es ist das auch seinem Hauptinhalt nach; aber es ist nicht nur ein Disziplinargesetz, es beschäftigt sich auch mit Materien, die nicht inner⸗ halb des Rahmens der Amtsdisziplin im engeren Sinne, also im Sinne der Strafdisziplin liegen. Das ergiebt schon der Titel des Gesetzes, welcher lautet: Gesetz, betreffend die Dienstvergehen der nichtrichterlichen Beamten, die Versetzung derselben auf eine andere Stelle oder in den Ruhestand. Mit diesen beiden letzteren Maß⸗ regeln, die, wie ich behaupte, nicht Gegenstand der Disziplin im straf⸗ rechtlichen Sinne sind, beschäftigt sich der achte Abschnitt, dessen Ueber⸗ schrift uns schon von dem Herrn Abg. Krause verlesen worden ist: „Verfügungen im Interesse des Dienstes, welche nicht Gegenstand eines Disziplinarverfahrens sind.“ Der Herr Abg. Krause hat gesagt: allerdings sind sie nicht Gegenstand eines Disziplinarverfahrens, aber sie sind Gegenstand der Disziplin. Ich bestreite das letztere: sie sind auch nicht Gegenstand der Disziplin in diesem engeren Sinne; es sind Bestimmungen über Befugnisse der Staatsregierung gegenüber gewissen Kategorien von Beamten, denen nicht eine absolute Selbständigkeit und Unabhängigkeit gesetzlich hat eingeräumt werden können, Be⸗ fugnisse, die in diesem selben Gesetze der Regierung beigelegt sind, gehen über den Rahmen der eigentlichen Disziplinarvergehen hinaus. Meine Herren, in diesem § 87 wird an erster Stelle behandelt die Versetzung in ein anderes Amt von nicht geringerem Range und etatsmäßigem Diensteinkommen, zweitens die einstweilige Versetzung in den Ruhestand mit Gewährung von Wartegeld und drittens noch die Versetzung in den Ruhestand wegen eingetretener Dienstunfähigkeit. Der letztere Punkt interessiert hier nicht, die beiden ersten Punkte stehen aber hier gleichwerthig nebeneinander. Und wenn damals der Ober⸗Regierungsrath v. Bockum⸗Dolffs nicht zur Disposition gestellt, sondern an eine andere Regierung an der russischen Grenze versetzt worden ist, so hatte das seinen Grund lediglich darin, daß nach dem in den alten Provinzen unverändert auch heute noch geltenden Gesetz Ober⸗Regierungsräthe dieser Zurdispositionsstellung nicht ausgesetzt sind, sondern nur versetzt werden konnten. Ich habe gar keinen Zweifel, daß die damalige Regierung, wenn ihr die Befugniß der Zurdispositionsstellung auch gegenüber einem Ober⸗Regierungsrathe zugestanden hätte, davon rücksichtslos Gebrauch gemacht haben würde.

Nun, meine Herren, der Herr Abgeordnete v. Köller hat gemeint, die Regierung sei ja in der Lage und müsse in der Lage sein, für ihre Auffassungen im Lande Propaganda zu machen im Wege der Presse, im Wege der Aufklärung, Belehrung u. s. w., durch alle ihr zu⸗ stehenden Mittel. Aber das wesentliche Mittel, auf das die Re⸗ gierung nicht glaubt verzichten zu können, ist doch dasjenige, daß die ihr unterstellten politischen Beamten, die an erster Stelle berufen sind, die Auffassungen der Königlichen Staatsregierung im Lande zu vertreten und aufklärend, belehrend im Sinne der Auffassungen der Königlichen Staatsregierung zu wirken, daß diese politischen Beamten auch nach dieser Richtung hin der Regierung zu Gebote stehen müssen. Auch dann, wenn sie den Parlamenten angehören und wenn sie als Mitglieder des Landtages sich in großen Fragen in einen schroffm Widerspruch mit der Königlichen Staatsregierung gesetzt haben (Rufe rechts: Abstimmung!), auch durch eine Abstimmung, (Ah, ahl rechte) die ja gewiß der allerunzweideutigste Ausdruck des Widerspruchs mit der Königlichen Staatsregierung ist, dann muß die Staatsregierung in der Lage sein, wenn sie sich sagt, sie könne von diesen politischen Beamten in ihrem Amte, im Lande eine den Absichten, Wünschen und Anträgen der Regierung entsprechende Vertretung ihrer Auffassungen nicht erwarten, dann muß also die Regierung in der Lage sein, diese politischen Beamten durch andere zu ersezten.

es wäre richtiger, sich lediglich an das Staats⸗Ministerium zu halten.

gleichzeitig oktroyiert wurde mit der damaligen Verfassungsurkunde.

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Zweite Beilag e zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußi

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Die Herren haben mir zugerufen: Abstimmung! Darin liegt eben der Widerspruch gegen meine Auffassung. Für die Abstimmung sollen sie nicht zur Rechenschaft gezogen werden können. Gewiß. aber hier handelt e8 sich nicht um ein Zarrechenschaftziehen (Lachen rechts), meine Herren, keiner von den Herren ist zur Rechenschaft ge⸗ zogen worden; es ist eine Maßregel, die ohne Mittheilung von Gründen ergrifßen wird. Als das Gesetz im Herrenhause seiner Zeit berathen wurde, ist aus der Mitte des Hauses der Antrag gestellt worden, es sollte diese Zurdispositionsstellung auch mit Gründen versehen und dem Betreffenden mitgetheilt werden. Auf den Widerspruch der Regierung ist dieser Antrag im Herrenhause abgelehnt worden, und zwar gerade mit der Motivierung, daß für eine solche Maßregel, die im diskretionären Ermessen der Regierung liegen müsse, Gründe seitens der Staatsregierung nicht anzugeben seien. Und deshalb sage ich: von einem Zurrechenschaftziehen der Beamten kann hier nicht die Rede sein. Bei einer anderen Gelegenheit, als das Reichsbeamten⸗ gesetz im Reichstage berathen wurde, hat der damalige Staatssekretär im Reichs⸗Justizamt auseinandergesetzt, und ich glaube ohne Widerspruch zu finden, daß diese Maßregel gerade im Interesse der politischen Beamten geboten sei, um sie aus der Schwierigkeit zu befreien, in die sie bei einem Wechsel der politischen Anschauungen der Regierung etwa versetzt werden können zwischen ihrer Amtspflicht und der Pflicht, nach ihrer freien Ueberzeugung im Landtage zu handeln, zu reden und zu stimmen. Gerade die Befreiung von diesem Konflikt im Interesse der Beamten ist wesentlich mit angeführt worden als ein Grund für die Nothwendigkeit einer solchen Bestimmung.

Nun, meine Herren, von einem Vorgehen der Regierung gegen die konservative Partei als solche ist ja bei dieser Maßregel in keiner Weise die Rede gewesen. Es war eben der zufällige Umstand, daß die Gegner der Vorlage fast ausschließlich auf den konservpativen Bänken saßen. Wenn politische Beamte den anderen Parteien ange⸗ hört und in gleicher Weise abgestimmt hätten, dann würde sie ohne allen Zweifel dieselbe Maßregel getroffen haben. Es ist das also lediglich ein Zufall; von irgend einem Vorgehen gegen eine Partei ist garnicht die Rede, und deshalb glaube ich, daß auch kein Grund vorhanden war seitens des Herrn Abg. von Köller, die seitens der Königlichen Staatsregierung niemals verkannten hohen Verdienste der konservativen Partei um Krone und Staat hier noch besonders her⸗ vorzuheben. Also das ist nicht seitens der Königlichen Staats⸗ regierung irgendwie beabsichtigt gewesen. .

Meine Herren, die Auffassung, die ich vor Ihnen vertreten habe, ist meines Wissens von keinem Staatsrechtslehrer bekämpft worden; mir ist wenigstens kein Handbuch des preußischen oder deutschen Staatsrechts bekannt, in welchem der Satz vertreten würde, daß der § 87 ·gegen politische Beamte, welche Parlamentarier sind, nicht zur Anwendung gebracht werden könne, wenn sie sich mit der Politik der Staatsregierung durch ihre Aeußerungen oder ihre Abstimmung in Widerspruch gesetzt haben. Ich weiß nicht, ob ich die Literatur voll⸗ ständig übersehe; es würde mir von Interesse sein, wenn mir später nachgewiesen würde, daß ich mich darin geirrt habe. Ich erinnere mich nur einer kurzen Bemerkung in einem Kommentar zum Straf⸗ gesetzöbuch, in welchem gesagt worden ist, der § 11 des Strafgesetz⸗ buchs, der eigentlich den hier in Rede stehenden ersten Absatz des § 84 der Verfassung ersetzt hat, schließe auch eine Zurdispositionsstellung der Beamten aus. Es ist das nur eine beiläufige Bemerkung ohne nähere Begründung.

Ich schließe mit der Bemerkung, mit welcher ich begonnen habe. Der Regierung hat es durchaus fern gelegen, sich irgendwie mit den Vorschriften der Verfassung in Widerspruch setzen zu wollen. Sie hat nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt in der Ueberzeugung, daß sie von einer Befugniß Gebrauch mache, die ihr verfassungsmäßig zusteht. Ueber die politische Bedeutung der Frage kann man ver⸗ schiedener Auffassung sein; darüber mögen ja die Auffassungen weit auseinandergehen. Für die Interpellation existiert die politische Frage nicht. Vom juristischen Standpunkt aus ist der Vorwurf, der ver⸗ steckt in dieser Interpellation liegt, daß die Königliche Staatsregierung durch ihre Maßregeln sich in Widerspruch mit der Verfassung gesetzt habe, unbegründet.

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (freikons.): Wenn Herr Krause die Lösung des Konflikt nur in dem Ausschluß der Beamten von der Wählbarkeit sieht, so halte ich diese Lösung für falsch und auch für nicht nothwendig. Die Verfassung muß heeilig gehalten werden, und dieses Haus ist verpflichtet, der perletzten erfassung gerecht zu werden, soweit es in seiner Macht steht. ee der großen Mehrzahl meiner Freunde sehe ich die . gel formell rechtlich als einen Verstoß gegen die Ver⸗ assung nicht an, so schwere Bedenfen sie im übrigen hervor⸗ ruft. Es handelt sich, wie der Justiz⸗Minister richtig ausführte, um

regeln im Interesse des Dienstes; nach dem Gesetz von 1852

Maß sollen die zur Dtsposition gestellten Beamten in denjenigen Dienst⸗

stellen, für welche sie vorzugsweise geeignet sind, Verwendung finden. Füe dieser Se kann ich auch eine Zurdispositionstellung nee eeeee. im Hause als Verfassungsverletzung keit diesen ider edner macht dann Bedenken gegen die Zweckmäßig⸗

regel geltend. 8

Minister des Innern Freiherr von Rheinbaben: 8 Meine Herren, ich war bei den Worten (Cebhafte Rufe:

ribüne! Redner besteigt die Tribüne.)

Meine Herren, ich halte mich für verpflichtet, nur wenige Worte zu erwidern auf das, was der Herr Abg. v. Köller vorher aus⸗ hat. Ich war durch die Sitzung des Herrenhauses, durch dinde vea. des Gesetzentwurfs über die Zwangserziehung ver⸗ 8 der Berathung hier schon von Anbeginn beizuwohnen. Ich dct 8 3 nicht selber gehört, was der Herr Abg. v. Köller gesprochen hs ach dem Stenogramm hat er aber über die Besprechung miste Ffetg Amtsvorgängers mit den Landräthen und Regierungs⸗ Peings een eine Aeußerung gethan, die ich im Interesse meines Herrn

rgängers, und um im Lande nicht falsche Nachrichten auf⸗

Berlin, Freitag, den 12. Januar

v. Köller hat nach dem Stenogramm erklärt, der Herr Minister des Innern habe im Wesentlichen gefagt: stimmt für den Kanal, sonst werden die schlimmsten Maßregeln gegen euch ergriffen werden. Wie hat der Herr Minister des Innern sich dazu hergeben können! Wußte er denn nicht, daß das mit Art. 83 und 84 der Verfassung im Widerspruch steht? Meine Herren, ich habe zu erklären, nach dem, was mein Herr Amtsvorgänger mir positiv versichert hat, daß er eine derartige Auf⸗ forderung, für die Kanalvorlage zu stimmen, und eine derartige An⸗ drohung nicht gemacht hat. (Lachen rechts.)

Abg. Fritzen⸗Borken (Zentr.): Der Minister des 2

würde mit seiner Erklärung größeren Eindruck 1 er sich nicht auf die Negative beschränkt, sondern uns positiv gesagt bätte, was sein Amtsvorgänger den Herren eröffnet hat. Wir sind der Ansicht, es sei den Wählern zu überlassen, ob sie das Vertrauen zu einem politischen Beamten haben und ihn in die Volksvertretung wählen wollen oder nicht; haben sie das Vertrauen, so darf es ihnen nicht verwehrt werden, diesen Mann mit dem Mandat zu betrauen. Mit dem Ausschluß würde auch heute noch dem Parlament eine Menge von Sachkenntniß entgehen, die wir sehr gut gebrauchen können; wir würden zu gesetzgeberischen Maßnahmen in dem von Herrn Krause angedeuteten Sinne nicht die Hand bieten. Die Maß⸗ regel war politisch durchaus unrichtig. Wir gehen aber noch einen Schritt weiter, wir können die Maßregel auch mit dem Geiste der Verfassung nicht in Einklang bringen. Die Frage muß beurtheilt werden im Zusammenhang mit allem, was vorausgegangen ist. Wenn es künftig nur den Anschein hat, als ob ein Theil unserer Mitglieder nicht in voller Freiheit abstimmen darf dann fällt auf dieses ganze Haus ein Schatten, und es verliert einen Theil seiner Achtung im Lande, dann wird die Partei, zu der solche Beamte gehören, in Mitleidenschaft gezogen. Darum haben wir be⸗ dauert, daß die Regierung zu dieser Maßregel gegriffen hat.

Abg. Rickert (fr. Vgg.): Ich schließe mich der Ansicht an, da die getroffene Maßregel dem Geiste der Verfassung fha gn, 9 Allerdings bat die Regierung seit Bestehen der Verfassung immer denselben Standpunkt eingenommen. Anders die Parteien. Die Kon⸗ servativen können nicht diese Konsequenz für sich in Anspruch nehmen. Ich nenne nur Kirchmann, Möller, Schroeder, Karl Twesten; die gesammte konservative Partei hat der Maß⸗ regelung dieser liberalen Männer Beifall zugejauchzt. Jetzt sind Sie endlich konstitutionell geworden, und wenn diese Maßregel keinen onderen Erfolg hätte, dieser Erfolg ist ein günstiger fuür die ganze künftige Entwicklung unseres Vaterlandes, und wenn Sie noch einmal die Reden der Herren von Gottberg und von Minnigerode heran⸗ ziehen und damit die heutige Rede des Herrn von Köller vergleichen, so werden Sie sagen, es ist ein Unterschied wie Tag und Nacht. Auch 1882 haben die Konservativen dem Herrn von Puttkamer zugejubelt, als es sich um den Wahlerlaß handelte. Das ist jetzt anders geworden. Wenn Herr von Köller die „Danziger Zeitung“ beschuldigt, die Maßregel für gerechtfertigt erklärt zu haben, so befindet er sich im Irrthum. Sie hat die Maßregel getadelt, aber sie hat allerdings verlangt, daß die Regierung nicht dulde, daß Land⸗ räthe und Amtsvorsteher ihre Amtsgewalt mißbrauchen zu Gunsten einer Partei. Das wollen wir nicht; die Staatsgewalt soll auch nicht zu Gunsten des Bundes der Landwirthe von diesen Herren gemißbraucht werden. In dem „Deutschen Adelsblatt“ wird zutreffend ausgeführt, daß die Stellung des politischen Beamten mit der Volkevertretung unvereinbar sei; diese Stimme von rechts stimmt also unserer Forderung zu. Ich hoffe, daß das Zentrum bei seiner angedeuteten Stellung zu dieser Frage nicht beharren und die Ge⸗ sammtheit der Liberalen hier im Hause sich noch in dieser Session über die Formulierung dieser Forderung einigen wird. Gleiches Licht und gleiche Sonne für alle Parteien! Nur dann wird die wahre Meinung des Volkes zum Ausdruck kommen.

Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa (kons.): Der Vorredner und auch der Justiz⸗Minister haben der konservativen Partei Inkonsequenz vorgeworfen. Es ist niemals geschehen, daß meine Partei vertheidigt hätte, daß ein Beamter wegen seiner Abstimmung gemaßregelt wurde. Es ist etwas ganz Anderes, wenn ein Beamter sich zu Agitationen hinreißen läßt, als wenn er ohne jede Agitation hier seiner Pflicht genügt und abstimmt. Dann ist es auch mißlich, einseitig auf verganzene Zeiten zu exemplifizleren; das Privilegium, nichte aus“ der. Geschichte zu lernen, über⸗ lassen wir anderen Parteien. Es muß dem Minister⸗ Präsidenten angenehm sein, daß diese Anfrage von einer Partei kommt, die trotz alledem immer fest entschlossen ist, für eine starke Königliche und Regierungsgewalt einzutreten. Die Begründung der getroffenen Maßregel ist nun nicht so überzeugend ausgefallen, wie sch gewünscht hbätte. Ob Strafe, ob Disziplinarmaßregel, gleichviel; ob die verfassungsmäßige Freiheit der Abstimmung gewährleistet gewesen ist, überlasse ich dem Urtheil des Hauses. Ich verstehe und achte, daß der Minister des Innern seinen Amtsvorgänger decken will. Aber thatsächlich hat eine Beeinflussung stattgefunden, welche nicht mit der Freiheit der Abstimmung vereinbar war. Es ist mir eine große Freude gewesen, daß das ganze Haus diese Sache nicht als Parteisache, sondern als Sache der Wahrung der Stellung des freien Nannes angesehen hat. Es ist doch auch eine ganz eigenthümliche Klassifizierung der Beamten, wenn man diejenigen, welche in zwei Lesungen gegen den Kanal, in der dritten aber dafür stimmten, un⸗ behelligt ließ. Auch das Disziplinarrecht hat seine Grenzen. Mit diesem Verbalten macht die Regierung den polttischen Beamten als Vertreter des Volks ganz unmöglich; und das erachte ich als einen schweren Nachtheil für dea Staat. Weil wir durchaus Werth darauf legen, daß die politischen Beamten nicht bloß dem Abgeord⸗ netenhause, fondern auch dem Herrenhause angehören, darum haben wir durch die Interpellation die Besprechung herbeigeführt. Namens meiner Partei betone ich nochmals, den Bereich der Königlichen Ge⸗ walt wollen wir bis zum Aeußersten vertheidigen, dann aber müssen auch die Grenzen dieses Rechts klar liegen. Wenn das nicht der Fall ist, ist uns die Vertheidigung nicht möglich, und ihr auch nicht einmal die volle Wahrnehmung der ihr übertragenen Rechte.

Abg. Dr. von Jazdzewski (Pole): Wir könnten uns freuen, daß jetzt auch einmal eine Regierungspartei erkannt hat, wie schwer es zu ertragen ist, als Staatsbürger zweiter Klasse behandelt zu werden. Alle Parteien müssen aber besonders dann einmüthig zu⸗ sammenstehen, wenn es sich um die Rechte oder Pflichten der Ab⸗ geordneten handelt. Die Verfassung spricht mit dücren Worten aus, daß die Volksvertreter für ihre Abstimmung nicht verantwortlich ge⸗ macht werden können; man braucht also auf den Geist der Ver⸗ faffung. von dem so vielfach die Rede war, garnicht erst zurückzugreifen. Den Beamten, die so treu und gewissenhaft ihrer Ueberzeugung gemäß abgestimmt haben, müssen wir auch als Fraktton unsere volle Anertennung aussprechen.

Abg. Richter (fr. Volksp.; Rufe: Tribüne!): Ich weiß, daß ich, auch wenn ich vom Platze aus rede, verstanden werde. Wenn Sie es unbedingt zur Regel machen mollen, hon der Tribüne zu sprechen, so würden wir uns die Verhandlung außerordentlich erschweren. Ich habe mich etwas zurückgehalten, weil der Genuß, solche konststutionellen Reden von der

regeln der Regierung Ostelbier, die Herr wir verwahren uns dagegen, als ob in Ostelbien nur Konserbvative wohnen; da wohnen auch andere tüchtige Leute. Die Verdienste Ostelbiens mit der konfervativen Partei zu identifizieren, wäre ebenso unrecht, als die Zeit von 1806 mit derfelben Parter in Verbindung zu bringen, obgleich hochkonservative Namen mit dem Unglück von 1806 und mit der Uebergabe der Festungen an die Franzosen in Verbindeng stehen. Der Kreis der politischen Beamten ist nach meiner Meinung im Gesetz von 1852 zu weit gegriffen; ob es möglich sein wird, einmal die Landräthe davon auszuscheiden, stebt dahin. Weil aber die Regierung mit diesen politischen Beamten rechnen muß, ist die Stellung derselben mit der des Abgeordneten unvereinbar. In der Praxis hat diese Maß⸗ regelung den Wählern gegenüber sehr zur Klärung beigetragen. Ich habe in Mühlhausen allerdings ausgeführt, daß die Landrätve nach⸗ dem durch dee Mes esitg offenkundig geworden sei, daß sie vor allem die Regierungspolitik zu vertreten hätten, am wenigsten zu Volksvertretern taugten. Aber so lange sie Abgeordnete sind, müssen sie gleichgestellt sein allen anderen und pöllig frei stehen in ihrer Ab⸗ stimmung. Freiherr von Rheinbaben hat Recht, Freiherr von der Recke hat nie gesagt, wenn sie nicht dafür stimmten, sollten sie einmal sehen, sondern: wenn sie nicht dafür stimmen könnten, sollten sie ihr Mandat niederlegen; und Herr von Hasselbach zog daraus sofort die Konsequenz. Die Regierung ist nar eingeschritten gegen die landräthlichen Kanalgegner, nicht gegen die Landräthe überhaupt, also nur gegen die Gegner der Regierung, und darum liegt eine Be⸗ strafung vor. Die gegentheilige Ausführung des Justiz⸗Ministers hat keine Beweiskraft. Was Herr von Köller gegen den Freiherrn von der Recke geltend machte, ist ganz zutreffend, aber es soll nicht geltend gemacht werden gegen den abwesenden, sondern gegen alle Minister, auch gegen die neuen Männer in der Regierung. Alle jene Be⸗ merkungen darüber, daß die Krone nicht gut berathen sei u. s. w., treffen das Ministerium in seiner Gesammtheit und auch den Herrn von Miquel.

Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miquel: L

Meine Herren! Ich bin in dem seltenen Fall, einmal mit Herrn Abg. Richter einverstanden zu sein. Er hat vollständig Recht, wenn er sagt: Die Verantwortlichkeit für diese Maßregel treffe alle Minister, die das Staats⸗Ministerium damals bildeten, gleich. Ich habe auch nie auf einem anderen Standpunkt gestanden. Selbst der Minister, der mit einer Maßregel, die das Staats⸗Ministerium als Ganzes beschließt. nicht ganz einverstanden ist, ist für die Maßregel, wenn er im Ministerium bleibt, genau so verantwortlich, als wenn er dafür gestimmt hätte; darüber kann gar kein Zweifel sein, und das braucht uns Herr Richter nicht erst zu lehren. Die Staatsminister übernehmen alle in gleicher Weise die Verantwortlichkeit für eine solche Maßregel. Wenn sie sie nicht hatten ausführen wollen, so war es ihre Pflicht, Seine Majestät um ihre Entlassung zu bitten.

Meine Herren, ich finde in der Debatte einen inneren Wider⸗ spruch, namentlich in den Ausführungen des Herrn Abg. Richter. Er sagt: Aus dieser Maßregel gegen die politischen Beamten geht hervor, daß dieselben für unwählbar in den Landtag erklärt werden müssen. Er muß dann der Meinung sein, daß hier zwei Rechtsvorschriften „Rechtsvorschriften“ miteinander in Widerspruch stehen; sonst könnte er darauf garnicht kommen.

Wenn er aber sagt: Diese Maßregel ist verfassungswidrig, dann stehen zwei Rechtsvorschriften nicht gegeneinander; dann muß diese angeblich verfassungswidrige Maßregel in Zukunft unterbleiben, und der Konflitkt fällt weg. Wenn er aber sagt, es stehen hier zwei wirk⸗ liche Rechtsvorschriften gegeneinander, so ist seine Deduktion, daß die Regierung verfassungswidrig gehandelt, irrig, woraus aber noch nicht folgt, daß den Beamten die Wählbarkeit entzogen werden muß. Meine Herren, ich bin der Meinung: was die reine Rechtsfrage betrifft, bestehen allerdings zwei Vorschriften, die nicht vom rechtlichen Standpunkt, aber thatsächlichen Standpunkt in einer Person mit⸗ einander in Konflikt gerathen können. Es giebt in unserem konstitu⸗ tionellen Leben aber eine ganze Menge ähnlicher Fälle, wo, auf die Spitze getrieben, bestehende Vorschriften, beide rechtsgültig, zu den größten Konflikten, ja zu wirklichen, grundlegenden Streitfragen über die Fortdauer der konstitutionellen Verfassung führen können und führen müssen.

Das ist hier nicht der einzige Fall. Gewiß hat der einzelne Abgeordnete das Recht und sogar die Pflicht, nach seiner Ueberzeugung zu stimmen. Aber andererseits kann man nicht der Staatsregierung die generelle Befugniß bestreiten, die Frage, ob ein politischer Beamter noch weiter qualifiziert ist, die Intentionen der Staatsregierung durch⸗ zuführen, aufzuwerfen und zu beurtheilen auch nach Maßgabe des Ver⸗ haltens des betreffenden Beamten im Landtage; denn nirgends ist dieser Fall ausgeschlossen. Gewiß kann hier ein innerer Konflikt eintreten, und der Konflikt kann nur dadurch beseitigt werden, daß entweder der Beamte sein Mandat niederlegt, oder, was man in jedem anderen Falle doch auch vielfach stillschweigend im Landtag gestattet hat, mit Rücksicht auf einen solchen Konflikt sich der Abstimmung enthält, oder aber, daß er sein Amt niederlegt. Ich kenne solche Fälle, wo ein Abgeordneter, der zugleich ein politischer Beamter war, direkt seinem Vorgesetzten erklärt hat: ich werde gegen die Maßregel der Regierung stimmen und finde es in der Ordnung, wenn ich zur Disposition gestellt werde. Solche Fälle können vorkommen, sie kommen aber doch im Ganzen sehr selten vor, und ich gebe auch zu, daß auf beiden Seiten in dieser Beziehung Maß gehalten werden muß, daß man nicht wegen einer in einer unbedeutenderen Sache kundgegebenen Abweichung der Meinung eines Landraths oder auch eines Regierungs⸗Präsidenten Veranlassung nehmen kann, eine Zur⸗ dispositionsstellung eintreten zu lassen.

Meine Herren, die Interpellation ist lediglich auf die rechtliche Seite gestellt. In dieser Beziehung haben nach meiner Meinung nicht, wie Herr von Heydebrand meint, die Erklärungen der Redner der verschiedenen Parteien darin übereingestimmt, daß die Maßregel die Verfassung verletze, vielmehr hat selbst der Herr Abg. Dr. Krause, der in dieser Beziehung sich der letzteren Meinung zuneigt, die Zweifelhaftigkeit dieser Ansicht anerkannt und zugleich zugegeben, daß

richten sich von Köller

nicht

so herausgestrichen hat;

ommen zu lassen, nicht unwidersprochen lassen darf. Der Herr Abg.

Rechten zu hören, so ganz besonders selten ist. Die Maß⸗

er keineswegs der Regierung den guten Glanben in dieser Frage be⸗ streiten wolle. ““ 1b öI1““ 8