eit.) Das war nun ein Fehler. Denn einmal sind die Aeuße⸗ rungen hervorragender Politiker immer von Bedeutung (Heiterkeit), und dann hatte dieses Stillschweigen den Nachtheil, daß es in der Presse zu einer Niederlage aufgebauscht wurde, die der Reichskanzler rlitten haben sollte. Der Herr Abg. von Kardorff hat damals ver⸗ chiedene Angriffe gegen mich gerichtet, und ich habe mich darüber nicht gewundert, weil zwischen ihm und mir manche Punkte bestehen, i denen wir verschiedener Meinung sind. Ich erinnere nur an die Währungsfrage. (Heiterkeit.) Der Herr Abg. von Kardorff ist Bimetallist; ich halte an der Goldwährung fest und bin der Meinung, daß das Aufgeben unserer bestehenden Währung zu Kalamitäten ersten Ranges in finanzieller Beziehung führen würde. (Sehr richtig! links.) 8 Ich bestreite dann, daß, was die Landwirthschaft anbetrifft, die Regierung nicht alles gethan habe, was innerhalb des Bereichs der Möglichkeit liegt. Was geschehen kann, ist nach meiner Ueberzeugung geschehen. Freilich für den Kanitz'schen Antrag habe ich mich da⸗ mals so wenig wie die verbündeten Regierungen erwärmen können. Heiterkeit.) Man hat auch meine Aeußerung über den Industriestaat, die eine einfache Konstatierung der Thatsachen war, in die Debatte gezogen und mich darüber angegriffen. Man hat das sogar weiter verbreitet, und in einer Versammlung, die im Hannöverschen stattgefunden hat, ist vor einigen Tagen eine ganz eigenthümliche Resolution angenommen worden. Es heißt da: „Und ganz besonders stimmen sie
— die dortigen Mitglieder des Bundes der Lanbwirthe —8 ihrem Abgeordneten bei, wenn er es unbegreiflich findet, wenn die Abgeordneten, die auf das Programm des Bundes gewählt sind, ein Vertrauensvotum der nationalliberalen Partei unterschreiben, welches demselben Reichskanzler Anerkennung ausspricht, der Deutsch⸗ land, über die Landwirthschaft hinweggehend, jum Industriestaat machen will.“ G
Ich führe das an als charakteristisch, aber ohne die Absicht zu haben,
darauf irgendwie weiter eiazugehen.
Eigenthümlich berührten mich damals in der früheren Debatte die Vorwürfe des Herrn Abg. von Kardorff oder des Grafen Limburg⸗ Stirum, daß ich die Machtmittel des Staates preisgäbe. Ich bin ein ebenso entschiedener Gegner aller revolutionären Bestrebungen wie die beiden Herren; ich halte es aber nicht für zweckmäßig, wenn die konservative Partei oder einzelne ihrer Mitglieder solche Machtmittel in Form von Gesetzentwürfen zu Nutz und Frommen der sündigen Menschheit jahraus jahrein an die Wand malen, besonders wenn diese Entwürfe schließlich die Zustimmung des Reichs⸗ tages nicht finden. Ich halte den Ausdruck, den ich neulich einmal gelesen habe, für einen sehr weisen, daß die Sozialdemokratie eine vorübergehende Erscheinung sei. (Hört, hört!) Dagegen kann ich das Gegentheil der Weisheit in dem Satz der „Hamburger Nachrichten“ finden, welche verlangen, daß die Regierung der Sozialdemokratie an
die Gurgel springen solle, um sie zu erwürgen. — Das hat übrigens mein verehrter Herr Nachbar früber schon genügend zurückgewiesen. 8 Als eine Preisgebung der Machtmittel des Staats wird es auch angesehen, daß wir das Verbindungsverbot aufgehoben haben, und zwar unmittelbar, nachdem das Arbeitswilligengesetz in einer für die Staatsregierung peinlichen Weise zurückgewiesen worden war. Die Herren vergessen aber, daß für uns gar keine Wahl blieb. Ich klatte im Jahre 1896 im Namen der verbündeten Regierungen die Erklärung abgegeben, um das Zustandekommen des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht zu gefährden, daß das Ver⸗ bindungsverbot vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs aufgeboben werden würde. Daß es nicht früher geschehen ist und daß es ohne Kompensationen geschehen ist, das ist nicht meine Schuld. Nun stand der 1. Janvar vor der Thür, der preußische Landtag war nicht versammelt, es blieb uns also garnichts Anderes übrig, als den Weg der Reichsgesetzgebung sofort zu beschreiten.
Das sind ungefähr die Punkte aus den letzten Debatten, die ich zu berühren hatte.
Abg. Rickert (fr. Vogg.): Herr von Kardorff hat hier wenigstens die auswärtige Politik des Reichskanzlers gebilligt. Aber im Lande reisen die Agitatoren des Bundes der Landwirthe herum und halten Reden, welche den Kanzler aufs Heftigste wegen seiner aus⸗ wärtigen Politik angreifen. Ja, wenn Fürst Bismarck noch da wäre, heißt es, dann wäre es nicht zu dem Samoa.Streit gekommen. Aber wie ehrenvoll hat Graf von Bülow diesen Streit beendet. Es ist ein schweres Unrecht, welches der Bund der Landwirthe der auswärtigen Politik anthut mit seiner gehässigen Treiberei, wie sie niemals die äußerste Linke gegen den Fürsten Bismarck gewagt hat. Herr von Kardorff sucht der Regierung das Verdienst an dem Börsen⸗ zesetz zu rauben. In unseren Augen ist dies G⸗setz ein Manko der Regierung; die jetzt zu befriedigendem Abschluß gelangenden Vorhand⸗ lungen wegen der Wiederhberstellung der Berliner Produktenbörse be⸗ weisen, daß das Gesetz kein Ruhmestitel für die Regierung ist Ist es nicht ein wahrer Jammer, daß der erste Staatsmann des Deutschen Reiches sich hier wiederholt wegen der Einhaltung eines feierlichen Versprechens vertheidigen muß? Wo kommen denn unsere Sitten hin? Ohne jene Erklärung hätten wir hbeute das große Werk des einheitlichen deutschen Zivilrechts nicht. Genützt hat überdies das Verbindungsverbet nur den Sozialdemokraten. Wenn der Kanal abgelehnt wird, meint Herr von Kardorff, dann bekommen wir ein liberales Ministerium. Weiß der Reichskanzler schon etwas davon, und kann er uns etwas darüber sagen? Käme der Kanal vor den Reichstag, ich hätte nichts dagegen; hier würde er die kulturfeindlichen Hindernisse nicht finden, an denen er bisber im Abgeordnetenhause gescheitert ist. Die Sozialdemokratie hat das ungeheuere Glück, von der falschen Politik der Konservativen a ßerordentlich gefördert zu werden; ändern Sie (rechts) ihre Politik, dann wird die Sozialdemokratie nicht mehr wachsen. Solange die Regierung die Konservativen verhätschelt und ihnen gegenüber Schwäche an den Tag logt, wird es nicht besser werden. Ich möchte also der Re⸗ gierung dringend rathen, dieser Politik der Schwäche zu entsagen. 8 Hee Tausende von zu Grunde gehenden Bauern existieren nur in der Pbantasie des Herrn von Kardorff. Die Landwirtbschaftskammern erkennen in ihren Berichten ausdrücklich an, daß sich die Lage der Landwirthschaft in den letzten Jahren gebesset hat. Je mehr Sie die Agrarier verhätscheln, desto saurer werden sie Ihnen, Rerr Reichs⸗ kanzler, das Leben machen und schließlich in einem Grade, daß Sie für das Weiterregieren danken. Ich hoffe, daß es nicht dahin kommen wird. Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner: Ich bedauere, meine Herren, daß ich Herrn von Kardorff in diesem Augenblick nicht an seinem Platz sehe, da es immer peinlich ist, einem abwesenden Gegner zu antworten, nach dem bekannten
Grundsatz: der Abwesende hat leicht Unrecht.
†
indem er betonte, er habe schon 20 Jahre früher sich mit wirthschaft⸗
lichen Fragen beschäftigt, ehe ich überhaupt auf der Bildfläche des
Reichstages erschienen sei. Ich kann dem Herrn von Kardorff
erklären, daß ich mich auch schon sehr viel früher mit wirth⸗
schaftlichen Fragen beschäftigt habe, wenn auch nicht in der
Arena des Reichstages. Manchmal ist eine stille, objektive, parteilose
Beschäftigung mit wirthschaftlichen Fragen fruchtbringender, als fort⸗
gesetzte parteipolitische Reden. (Sehr richtig!) Ich glaube also,
meine Herren, darüber, ob jemand politisch die richtige Bahn ein⸗
schlägt, entscheiden nicht Fragen der parlamentarischen Anciennität,
sondern die Frage, wer hat die beste Information? Wer kann das
gesammte Leben des Landes am besten übersehen? Wer zieht
parteilos aus dieser Lage die richtigen Schlüsse für seine
politische Haltung? (Sehr richtig! in der Mitte.) Der Herr
Abg. von Kardorff hatte bekanntlich gesagt, — und das hatte
mich veranlaßt, ihm zu entgegnen, und ich glaube, er wird es
gerechtfertigt finden, wenn ich auf einen solchen schweren An⸗
griff entgegnet habe, — die Regierung mache bald ein Kompliment
vor dem Großkapital, bald vor der Sozialdemokratie. Heute hat
Herr von Kardorff diesen Angriff noch verschärft, indem er erklärte,
es gäbe ein Großkapital, welches segensreich wirkte, und ein schlechtes
Großkavital, und folglich, dedusierte er, wir machten ein Kompliment
vor dem schlechten Großkapital. Meine Herren, ich bin der Erste, der
vollkommen und aufrichtig anerkennt, welch große Verdienste
sich der Herr Abg. von Kardorff um die wirthschaftliche
Entwickelung unseres Vaterlandes, insbesondere unserer
Industrie durch Begründung des Zentralverbandes
der deutschen Industriellen erworben hat; aber wenn der
Herr Abg. von Kardorff hier ins Land ein solches Wort herauswirft
und heute noch verschärft, die Regierung machte Komplimente vor
dem Großkapital, so kann das im Lande keinen anderen Eindruck machen, als das, was der Herr Abz. Singer sagte (sehr richtig!
links), die Regierung sei der Kommis des Großkapitals und der Unternehmer. Nach außen müssen diese beiden Worte vollkommen
den gleichen Eindruck machen (sehr wahr! links), und der Herr
Abg. von Kardorff mag mir verzeihen, wenn ich ihm sage, das sind Schlagworte aus Luft geprägt, Münzen, geprägt mit dem Stempel der Parteipolitik, hinausgeworfen durch die offenen Fenster des Reichstages unter die urtheilslose Menge, die Fürst Bismarck einmal mit Recht als den blinden Hödur bezeichnet hat. (Lebhafter Beifall links.)
Herr von Kardorff ist auch heute wieder auf das Börsengesetz zurückgekommen. Ich könnte mir in der That nicht denken, daß ein Politiker einen unglücklicheren Augenblick wählte, auf das Börsen⸗ gesetz zurückzukommen, Angriffe gegen das Börsengesetz zu richten, als in dem Momente, wo wir vor der Möglichkeit stehen, daß eine Einigung über die schwebenden Streitfragen stattfindet. (Sehr richtig! links.) Ich habe für mich das Verdienst des Börsengesetzes nicht in Anspruch genommen, ich konnte es auch nicht, denn bekanntlich hat mein Herr Vorgänger es entworfen und im hohen Hause ver⸗ theidigt. Ich war damals noch nicht in meiner jetzigen Stellung, es gehörte garnicht zu meinem Ressort, aber in einer monarchischen Regierung legen eben die Regierungen die Gesetzentwürfe vor, und wenn die Regierung einen solchen Gesetzentwurf vorlegt, den die konservativen Parteien verlangt haben, so muß sie auch hierfür von den konservativen Parteien entschieden Anerkennung finden und darf dieserhalb nicht Gegenstand des Angriffs sein.
Der Herr Abg. von Kardorff ist auch wieder zurückgekommen auf seine Behauptung, das „Berliner Tageblatt“ wäre ein offiziöses Blatt und es schiene doch manches vorzugehen in der Wilhelm⸗ straße, was der Stellvertreter des Reichskanzlers nicht wüßte. Der Herr Abg. von Kardorff hat darin durchaus Recht, es geht sehr viel vor in der Wilhelmstraße, wovon der Stellvertreter des Reichskanzlers nichts weiß. (Heiterkeit.) Daraus folgt aber noch lange nicht, daß das „Berliner Tageblatt“ ein offiziöses Blatt ist. (Sehr gut! Heiter⸗ keit.) Das mag ja sein, der Herr Abg. von Kardorff kennt die Dinge so gut wie ich, daß da und dort auch einmal ein Reporter oder ein Redakteur des „Berliner Tageblatts“ empfangen wird und ein solcher Mann auch einmal Informationen bekommt. Ich per⸗ sönlich kann ihm versichern, ich habe mit dem „Berliner Tageblatt“ absolut keine Beziehungen; es sind wenige Blätter in Deutschland gewesen, die meiner Ansicht nach mich so ungerecht und so scharf an⸗ gegriffen haben, wie jenes Blatt, und es wirkt deshalb die Situation fast komisch auf mich, daß ich als Vertheidiger des „Berliner Tage⸗ blatts“ auftreten muß. (Sehr richtig! links, Heiterkeit.) Ich kann Herrn von Kardorff versichern, zwischen Informationen, die das „Ber⸗ liner Tageblatt“ vielleicht in manchen Aemtern gelegentlich bekommt, und einem offiziösen Blatte ist doch noch ein ganz gewaltiger Unter⸗ schied.
Der Herr Abg. von Kardorff hat auch geglaubt, wiederum die Aufhebung des Verbindungsverbots bekämpfen zu müssen und hat sich namentlich an dem Ausdruck gestoßen, den ich einmal hier gewählt hatte: „Dieses Verbindungsverbot sei bereits ein ausgepustetes Ei ge⸗ wesen“. Ja, Herr Abg. von Kardorff, haben Sie nicht Ihre eigene Presse gelesen, haben Sie nicht die Aeußerungen Ihrer Parteifreunde gehört, die übereinstimmend erklärt haben, das Verbot sei inhaltslos geworden — und noch Herr von Kröcher hat es bei dem letzten Angriff, den er gegen die Regierung richtete, ausgesprochen, er müsse ja zugestehen, eine große praktische Bedeutung habe dieses Verbindungsverbot überhaupt nicht mehr gehabt und da muß ich allerdings sagen — und das unterscheidet uns beide in unserer politischen Anschauung — ich bin der Ansicht, daß eine Regierung stets von sittlichen Gesichtspunkten ausgehen muß (sehr richtig!) und daß, wenn eine Regierung der Ansicht ist, ein Verbot, eine Repression ist nicht mehr am Platz, sie nicht aus taktischen Gründen eine solche Repression aufrecht erhält, sondern ich möchte sagen, gentlemanlike das thut, was verständig und recht ist (sehr richtig! links), und das haben wir gethan! (Zurufe rechts.) Meine Herren, Sie scheinen sich immer noch über das Verbindungsverbot aufzuregen! Wenn Sie das aber wollten, mußten Sie erklären, die Aufhebung des Verbindungsverbots sei gefährlich, weil es noch große politische Bedeutung habe. Das haben Sie aber in Ihrer Presse nicht gethan — das kann ich urkundlich nachweisen —, und Sie haben selbst in diesem hohen Hause denselben Standpunkt eingenommen. Sie haben also den Trumpf bereits ausgespielt, den Sie jetzt noch zur Geltung bringen wollen!
Nun, meine Herren, komme ich zu dem Verhalten gegenüber der
—
Der Herr Abz. von Kardorff hat geglaubt, das, was ich in früheren Reden im Reichstage ausgeführt habe, zu diskreditieren,
Frage etwas amplius behandeln, wie ist denn die Sozialdemokratie überhaupt entstanden? Die Soztaldemokratie ist bei uns entstanden
der Massen auf einzelne Punkte. Dadurch hat sich das Selbstgefühl, das Solidaritätsgefühl der Massen gehoben, und mit der wachsenden Volksbildung sind auch naturgemäß die Ansprüche der Massen an die Lebenshaltung gestiegen, und dieser Stimmung der Massen, die aus ihrem wachsenden Selbstbewußtsein hervorgegangen ist und aus ihren größeren Ansprüchen an die Lebenshaltung, haben sich allerdings Agitatoren bemächtigt und haben aus einer zunächst rein wirthschaft⸗ lichen Frage zum theil politische Fragen gemacht und diese sozial⸗ wirthschaftliche Bewegung zu einer politischen gestempelt. Das Un⸗ recht der Agitatoren gegenüber den Massen, die ihnen folgen, besteht darin, daß sie vor den gläubig folgenden Massen den rothen Mantel ausbreiten und behaupten: „wir sind in der Lage, Euch gegen alles Ungemach, gegen alles Mißgeschick dieses Lebens zu schützen, wir allein können es!“
Dieses sozialdemokratische System würde aber nie die Bedeutung bekommen haben, wenn nicht zwei andere Faktoren hinzukämen: erstens, daß in dem heutigen Staat eine ungeheure Menge von Menschen von dem Staat abhängig sind, daß demnach auch ihr Ge⸗ deihen von den Handlungen des Staates abhängig ist, daß sie deshalb, sobald sie irgendwie wirthschaftlich oder in ihrem Lebensberuf scheinbar Unglück haben, dafür den Staat ver⸗ antwortlich machen; aus dieser eigenthümlichen Abhängig⸗ keit großer Massen von dem heutigen modernen Staat ergiebt sich, daß auch Leute, die innerlich garnicht daran denken, die Grund⸗ prinzipien der Sozialdemokratie zu vertreten, doch der Sozialdemokratie wohlwollend gegenüberstehen und die Sozialdemokratie bei den Wahlen unterstützen, weil sie Ranküne gegen den bestehenden Staat empfinden: alle diese Unzufriedenen finden eben in der Sozialdemokratie irgend eine Schnittfläche für ihre eigene Unzufriedenheit. 1 Und dann kommt die dritte Verstärkung, die dritte Hilfstruppe. Das sind eine Anzahl Gelehrte, die in vollkommen wirthschaftlichem Mißverständniß dessen, was der Staat leisten kann und was überhaupt Menschen leisten können, zu beweisen suchen, historisch, philosophisch; die Sozialdemokratie ist eine nothwendige Erscheinung, sie muß sein, sie ist sogar ein Heil für das deutsche Vaterland.
Aus diesen drei Faktoren entwickelt sich die Macht der Sozial⸗ demokratie. Gegenüber dieser Bewegung und gegenüber einer Partei, die eine solche Ausdehnung gewonnen hat, muß eine kluge Regierung zunächst produktiv zu wirken suchen, und, meine Herren, das ist der Standpunkt der Kaiserlichen Erlasse: wir müssen das Menschen⸗ möglichste zu thun suchen, das Loos der arbeitenden Klassen zu heben, die irregeleiteten Massen von ihren Führern zu trennen (Bewegung bei den Sozialdemokraten) und so den irregeleiteten Massen das Bewußtsein beizubringen, daß nicht die Agi⸗ tation ihnen helfen kann, sondern nur die bestehende Staatsordnung und die bürgerlichen Parteien. Und darnn, meine Herren, kommt allerdings dazu eine negative Seite, das ist die Repression. Wir haben das versucht, und der Versuch ist ja wieder⸗ holt gemacht worden. Ich habe aber nicht erklärt — und das ist ein Irrthum des Herrn von Kardorff, von dem er sich überzeugen muß, wenn er das Protokoll nachliest —, die Sozialdemokratie sei vollkommen gleichberechtigt zu behandeln, sondern ich habe nur erklärt, wir können die Sozialdemokratie nur auf Grund der bestehenden Gesetze be⸗ handeln und bekämpfen. (Sehr wahr!) Das ist ein erheblicher Unter⸗ schied, Herr von Kardorff, von dem, was Sie deduziert haben; und ich habe ferner ausgeführt, daß, wenn die Regierung augenblicklich keine gesetzlichen Möglichkeiten sieht, Ausschreitungen der Sozialdemokratie entgegenzutreten, sie klug daran thut, zu warten, bis die gesetzgebenden Körperschaften und die bürgerliche Gesellschaft besser informiert sind und selbst zu der Ueberzeugung kommen, daß es unter Umständen nothwendig wird, Abwehrgesetze zu machen, und ein solches Abwehr⸗ gesetz, meine Herren, gegen den Terrorismus vorzugsweise von sozial⸗ demokratischer Seite, war das Gesetz zum Schutze der Arbeitswilligen, das ich heute noch sachlich für vollkommen berechtigt erachte.
Der Abg. von Kardorff hat auch geglaubt, auf die Kanalvorlage eingehen zu müssen und auf die Disziplinierung einer Anzahl preußischer Landräthe. Ich halte mich nicht dazu für verpflichtet, hier bei diesem politischen Koulissenwechsel mitzuschieben. Meine Herren, der Kanal ist eine preußische Angelegenheit, er wird in Preußen ver⸗ handelt. Die Beschwerden über die Disziplinierung einer Anzahl preußischer Landräthe, die Herr von Kardorff vorgebracht hat, hängen mit der Vorlage zusammen, und ich meine, der Reichstag ist nicht der Ort, hier diese Frage zu verhandeln, nachdem sie im Abgeordnetenhaus bereits so ausführlich erörtert worden ist
Herr von Kardorff hat auch wieder Beschwerde geführt, daß wir nicht Genügendes für die Landwirthschaft gethan hätten. Ich will nicht wiederholen, was ich bereits erklärt habe. Als ich aber seiner Zeit die Interpellation wegen des Fleischschaugesetzes vertrat, fand ich den lebhaften Beifall des Hauses, und man erklärte mir, ich stände auf dem richtigen Standpunkte, und man freue sich, daß ich so warm⸗ herzig die berechtigten Interessen der Landwirthschaft vertrete. Ebenso, glaube ich, wird sich Herr von Kardorff erinnern, daß ich auch eine Anzahl anderer Gesetze hier im Reichstage vertreten und durchgebracht habe, die zum Heil der Landwirthschaft ausgeschlagen sind. Aber Eines können die Herren nicht von uns verlangen: die Handels⸗ verträge bestehen und die müssen wir halten. Verträge brechen können wir nicht. (Sehr wahr! links und in der Mitte.) Irgend ein anderes Universalmittel, der Landwirthschaft zu helfen, ist uns bis jetzt von keiner Seite unterbreitet worden. Im übrigen kann ich Herrn von Kardorff versichern, daß wir im wirthschaftlichen Aus⸗ schusse eifrig bemüht sind, die Maßregeln zu überlegen, die noth⸗ wendig sind, um die Landwirthschaft in ihrer schwierigen Lage in Zukunft zu schützen, und daß gestern noch einer der hervorragendsten Vertreter landwirthschaftlicher Interessen erklärt hat, er freue sich über den Anfang, der auf diesem Gebiete gemacht werde. Es sieht deshalb sehr eigenthümlich aus, wenn heute der Herr Abg. von Kar⸗ dorff solche Vorwürfe gegen die Regierung richtet, ohne Mittel anzu“
geben, wie dem bestehenden Zustande zur Zeit abzuhelfen sei. (Sehr wahr! in der Mitte.)
Soz'aldemokratie; bei dieser Gelegenheit möchte ich doch einmal die 5 1
durch die enorme Entwickelung der Industrie, durch das Konzentrieren
zum Deutschen Reichs⸗An
Dritte Beilage
8
zeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
1900.
No. 18.
(Schluß aus der Zweiten Beilage.)
Nun, meine Herren, will ich mich mit einigen Worten zu den
Ausführungen wenden, die Herr von Kröcher vor der Vertagung des Reichstages gegen mich gerichtet hat, und die ich damals in der späten Stunde und bei der Ferienstimmung des Hauses leider nicht wider⸗ legen konnte. Herr von Kröcher erhob diese Angriffe gegen mich aus Anlaß der Erklärungen, die ich gegenüber Herrn von Kardorff ab⸗ gegeben hatte. Er konnte zunächst meiner Ausführung zu⸗ stimmen, daß man in konstitutionellen Staaten die Gesetze nur mit Majoritäten machen kann; er fand es aber falsch, wenn ich erklärte: es können Verhältnisse vorliegen, die eine Regierung dazu nöthigen, vorläufig einmal die Dinge laufen zu lassen, bis die Mehrheit der Bevölkerung und die Mehrheit der gesetz⸗ gebenden Körperschaften nach ihrer Auffassung besser informiert ist und sich mehr Aussicht bietet, die Grundsätze gesetzlich festzulegen, die die Regierung für richtig hält. Meine Herren, meines Erachtens wäre doch, nachdem Herr von Kröcher zugestanden hat, daß man Gesetze nur mit Majoritäten machen kann, der Angriff des Herrn Abgeordneten nur begründet gewesen, wenn er den Nachweis grführt oder es auch nur wahrscheinlich gemacht hätte, daß wir durch eine Auflösung einen Reichstag bekommen würden, der das Gesetz bewilligt, das von der gegenwärtigen Majorität abgelehnt ist. Dieser Beweis ist aber auch nicht im entferntesten an⸗ getreten, es ist nicht einmal eine derartige Behauptung aufgestellt. Nun werden Sie mir eins zugestehen: eine Regierung soll nur einen Reichstag auflösen und an die besser informierten Wähler appellieren, wenn sie einigermaßen die Autsicht hat, bei den Wahlen einen Reichstag zu erhalten, der eine andere Mehrheit unter den gegebenen politischen Verhältnissen darstellt. (Sehr wahr! links.) Wenn man aber diese Aussicht für den abgelehnten Gesetzentwurf unter den gegebenen Verhältnissen nicht hat, so treibt man zum Konflikt, und daß der Herr Abg. von Kröcher selbst an einen Konflikt gedacht hat, und zwar an einen Konflikt mit dem denkbar unglücklichsten Ausgang, ergiebt sich daraus, daß er jenes Wort des Fürsten Bismarck zitierte: „Ich kann mir denken, daß unter Umständen (hört! hört! links) der Tod auf dem Schaffot der ehren⸗ vollste Tod wäre, den ich erleiden könnte.“ (Zurufe rechts.) Ich alte das für etwas ziemlich Selbstserständliches in einem Lande, wo die allgemeine Wehrpflicht besteht und auch der letzte Musketier sein Leben unter Umständen für das Vaterland opfert. Aber der damalige Konflikt ist friedlich gelöst worden durch ein außerordentlich glückliches Zusammentreffen großer geschichtlicher Ereignisse. In einem Bundesstaat ist aber ein Konflikt noch eine ganz andere Sache, wie in einem Einzel⸗ staat (lebhafte Zustimmung links), und das wolle sich jeder überlegen, der sich mit solchen Gedanken tragen will. Ich will aber auf den verfassungsmäßigen Unterschied, der zwischen einem Konflikt in dem Einzelstaat Preußen und in einem Bundesstaat besteht, nicht weiter eingehen. Meine Herren, was folgt also daraus? Wenn wir wegen Ablehnung des Arbeitswilligengesetzes jetzt an die Wähler appelliert und damit doch mindestens die Gefahr eines Konflikts heraufbeschworen hätten und wir hätten nicht die Sicherheit gehabt, selbst bei wiederholten Auflösungen einen Reichstag zu bekommen, der in seiner Mehrheit dieses Gesetz bewil⸗ ligte, so wären wir meines Erachtens Wege gegangen, deren Ende ich nicht abzusehen vermag. (Sehr richtig! links.) Ich wundere mich, daß Herr von Kröcher diese Ausführungen gemacht hat, nachdem Herr von Kardorff in seiner Rede vom 1 Dezember selbst dieses Gesetz als ein so gleichgültiges, so unwirksames hingestellt hat. Damals, am 1. Dezember vorigen Jahbres, sagte Herr von Kardorff: „Wenn ich meine persönliche Stellung zu dem Gesetz zum Schutz der Arbeitswilligen noch einmal sagen soll, so habe ich dieses Gesetz für ein sehr schwächliches gehalten (hört, hört! links), und bei der Verhandlung leinen Ton dazu gesprochen. Mit solchen halben Maßregeln kommt man der Sozialdemokratie nicht bei.“ Ich konstatiere, daß; die Behauptung des Herrn von Kardorff richtig ist, daß er sich nicht an den Verhandlungen betheiligt hat (Heiterkeit), und, meine Herren, die konservative Presse selbst, die doch auch die Auffassungen des Herrn von Kröcher vertritt, steht auf demselben Standpunkt. Die „Kreuzzeitung“ sagte am 11. Januar dieses Jahres: „Neue Versuche, dem Umsturze auf gesetzlichem Wege zu Leibe z gehen, sind allerdings nach den jüngsten Erfahrungen nicht zu er⸗ warten, und wir selbst könnten zu einer Wiederholung nicht rathen, da sie nach der Lage der Dinge nur zu abermaligen Mißerfolgen führen würde.“ (Hört, hört! links.) Meine Herren, ich möchte auch mit einem Worte des Fürsten Bismarck schließen. Fürst Bismarck bezeichnete einmal die Politik als die Kunst des Möglichen. Die Politik, die uns die Herren von Kardoff und von Kröcher ansinnen, ist die Kunst des Unmöglichen! (Sehr richtig! und Bravol links.) Sta Abg. Liebermann von Sonnenberg: Die Erklärungen des afssefretärs Grafen von Bülow zu der Interpellation sind durch⸗ aus nicht geeignet gewesen, die große Aufregung des deutschen Volkes über die englischen Uebergriffe zu beschwichtigen. Pie wahre Gesinnung uns gegenüber ist in einer Form zum Ausdruck gekommen, lehren müßte, schäͤrfer auf unserer Hut zu sein, als sich rage⸗, und Antwortspiel erkennen läßt, das sich heute vor uns dargestellt hat. So wie ich denken auch zahlreiche unabhängige een eitungen, welche dem Deutschen Reichstage keine gute Zensur bat . 1e ertheilen. 99* Petersburger „Invalide“ Schif durchsuach 85 - eeee F achricht, daß. ein russisches ce vüfget ucst ei, 8 sehr 12 5 “ geführt: Rußland cincgens Mr 3 ea” andeln. Unsere . haben e ie ses S aeszegen⸗ Iht solle doch ja nicht einverstanden hüsst soll gs arf Mot se -e I dinterlist en, 0 deah ins Deut che ü ersetzen und von dem “ England sprechen. Fürst Bismarck unter⸗ sehr genau, ob Augenblicksstimmung oder wahre Er⸗
regung der Volksseele vorhanden war. Damit ha sseel . t er seine großen Erfolge erreicht. Der jetzige Reichskaniler sollte sich bemühen,
Berlin, Sonnabend, den 20. Januar
kann auf die Dauer keine Politik gemacht werden. Im Deutschen Reichskanzler sich in seinen Aeukerungen Reserve auferlegen zu müssen glaubt; übrigens würde ich ihn fuür meine Person für jedes scharfe Wort, das er gebrauchte, entlasten. Schon bei der Samca⸗Inter⸗ pellation habe ich zwar keine Hetzrede gegen England, aber eine War⸗ nungsrede vor England halten wollen; aber das Haus vereitelte diese meine Absicht Der heutige Tag pwigt, wie berechtigt meine Absicht war. Wie konnten die englischen Behörden die Uaverschämtheit haben, die deutsche Post zwei Monate lang in Kapstadt zurückzuhalten? Noch am 12. Januar hat Herr Chamberlain bei einem parlamentarischen Diner eine Rede gebalten, welche von Beleidigungen gegen Deutsch⸗ land strotzte. Darnach sind die Beschlagnahmen planmäßig vorbereitet gewesen; Deutschland habe einen Denkzettel bekommen sollen, die deutsche öffentliche Meinung möge sich aufregen, das habe nichts auf sich, denn bei den friedfertigen Absichten Deutsch⸗ lands konne es über die Beziehungen zwischen Deutsch⸗ land „und England nur heißen: all right! Wenn solche Dinge ohne deutschen Widerspruch veröffentlicht werden können, dann wäre Mißtrauen gegen die deutsche Politik nur zu berechtigt. Auf, den deutschen Dampfern waren zahlreiche englische Spione; auf dem „Herzog“ fünf, auf dem ihm vorangehenden Dampfer zwei, welche so behandelt wurden, daß sie in Port Said ins Lazareth mußten. Die Frage, was noch geschehen muß, ist viel wichtiger als die, was geschehen ist. Alles muß ver⸗ mieden werden, was uns irgendwie ins Unrecht setzen kann. Anderer⸗ seits muß die Entschädigung unnachsichtig eingetrieben werden. Es kann nicht zulässig sein, daß Rothe Kreuz⸗Exvpeditionen und Frei⸗ willigen⸗Ambulanzen am Landen verhindert werden. Das Eingreifen des Dr. Pannwitz hat das Rothe Kreuz geschädigt, insdesondere das offizielle Rothe Kreuz. Ich habe erfahren, das dessen Expedition mit ganz unglaublichem Luxus ausgestattet war, die Herren Chef⸗Nerzte hatten sogar einen Frack mitgenommen. Von einer deutschen Firma wie Krupp kann ich absolut nicht annehmen, daß sie den Engländern Waffen lieferte. Bei einem Ludwig Löwe würde man eine soiche Handlung vielleicht aus der Rassenzugehörigkeit verstehen, aber bei einem Krupp eine so ehrlose, vaterlandslose Gesinnung voraus⸗ zusetzen, das ist eine Unmöglichkeit. Jetzt hört man, daß Italien eine ganz eigenthümliche Zavorkommenheit gegen England an den Tag legt, und Italien soll bei Krupp große Millionen⸗Bestellungen gemacht haben. In der anstralischenglischen Kolonie Victoria hat man sich mit herzerfrischender Deutlichkeit über diesen elenden Spekulanten⸗, Gauner⸗ und Judenkrieg gegen Transvaal ausgelassen. Unrein ist dieser Krieg wie seine Ursachen. Herrn Chamberlain sind die schlimmsten Vorwürfe wegen seiner Immoralität, des Bestechens der Gerichte, gemacht worden. Diese Vorwürfe hat man in Eag⸗ land nicht entkräftet, und ich möchte den deutschen Minister sehen, der diesen englischen Kollegen hier im Reichstage gegen diese Vorwürfe vertheidigt. Der dunkle Delagoa⸗Vertrag, den wir mit diesem Heren abgeschlossen haben, müßte jetzt gekündigt werden, das verlangt das deutsche Volk, namens dessen Mehrbeit ich hier spreche. Von der Gesinnung Englands sind wir ausreichend unterrichtet; ihr gegenüber muß man auch in Deutschland klar sein und klar sehen. England be⸗ müht sich krampfhaft, uns in Konflikt zu bringen, und möchte gern sein stark erkranktes Nationalgefühl an uns gesund schießen. Warum zögern wir noch mit der Verstärkung unserer Flotte? Die guten Beziehungen mit Rußland hat man ja endlich wieder auf⸗ genommen; aber die Haltung unserer Staatsmänner wird nach wie vor in Rußland mit Mißtrauen betrachtet Darum muß auch im Reichstag einmal ein deutliches Wort in diesem Sinne gesprochen werden. Man sollte einen neuen Draht nach Rusland legen. Rußland ist eine große EEö England dagegen hat nur ein Interesse daran, die Völker durch Opium und Branntwein zu demoralisieren. Rußland dient einer großen Kulturmission, England schädigt dieselbe. Der Volksempfiadung entspricht es durchaus, daß hier endlich einmal ein deutsches Wort gesprochen wird; schreibt man mir doch, daß es nöthig wäre, damit man sich nicht zu schämen brauche, ein Deutscher zu sein. Man unterstellt sogar der deutschen Diplomatte, Herr von Senden sei nach England gereist, um schon im voraus um gut Wetter zu bitten, wenn hier ein scharfes Wort gesprochen werden sollte. Ich glaube. die deutschen Staatsmänner werden diese Unterstellung entrüstet zurück⸗ weisen. Was bringt zu Ehren? Sich wehren! sagt Goethe.
Abg. Graf von Oriola (nl.): Ich glaube der Zustimmung der großen Mehrheit des Pauses sicher zu sein, wenn ich mich enthalte, auf diese Rede einzugehen. Wir briagen nach wie vor dem Reichs⸗ kanzler unser vollstes Vertrauen entgegen, wir stehen alle auf diesem Standpunkt, obwobl in unserer Partei die größten wirthschaftlichen Gegen⸗ sätze vorhanden sind. Herr Rickert verlangt, daß die Agrarter nich: mehr gehätschelt werden; ich sage dagegen, wir wüaschen die Erhaltung eines gesunden Bauern⸗ und Mittelstandes; darin seben wir das beste Mittel, die Sozialdemokratie zu verhindern, auf das platte Land zu komm;n. Was Herr von Kardorff aber hier vorgebracht hat, waren 5 Gründe für ein politisches Mißtrauensvotum gegen den Reichs⸗ anzler.
MNach 5 Uhr wird die Fortsetzung der Berathung auf Sonnabend 1 Uhr vertagt. 1
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ 1 88 Maßregeln. 9 Nachweisung 86 G
über den Stand von Thierseuchen im Deutschen Reich am 15. Januar 1900.
(Nach den Berichten der beamteten Thierärzte zusammengestellt im Kaiserlichen Gesundheitsamt.)
Nachstehend sind die Namen derjenigen Kreise (Amts⸗ ꝛc. Bezirke) verzeichnet, in welchen Rotz, Maul⸗ und Klauenseuche, Lungenseuche oder Schweineseuche (einschl. Schweinepest) am 15. Januar herrschten. Die Zahlen der betroffenen Gemeinden und Gehöfte sind — letztere in Klam⸗ mern — bei jedem Kreise vermerkt; sie umfassen alle wegen vorhandener Seuchenfälle oder auch nur wegen Seuchenverdachts gesperrten Ge⸗ höfte, in welchen die Seuche nach den geltenden Vorschriften noch nicht fuͤr erloschen erklärt werden konnte.
Notz (Wurm). Preußzen. Reg.⸗Bez. Gumbinnen: Lötzen 1 (1). Stadt⸗ kreis Berlin 1 (8). Reg.⸗Bez. Potsdam: Templin 1 (1), Ruppin 1 (1), Westprignitz 1 (1). Reg.⸗Bez. Stettin: Randow 1 (1). Reg.⸗Bez. Posen: Schrimm 1 (1), Kempen i. P. 1 (1). Reg.⸗Bez. Bromberg: Kolmar i. P. 1 (1), Witkowo 1 (1). Reg.⸗Bez. Breslau: Breslau Stadt 1 (1). Reg.⸗Bez. Oppeln: Beuthen 1 (2), Kattowitz 2 (2), Falkenberg 1 (1), Grottkau 2 (2). Reg.⸗Bez. Merseburg: Naumdurg 1 (1). Reg.⸗Bez. Hildesheim: Peine 1 (1), Gött ngen 1 (1). Reg⸗Bez. Stabe: Achim 1 (1). Reg.⸗Bez. Minden: Wiedenbrück 1 (1). Reg.⸗Bez. Arnsberg: Schwelm 1 (1). Reg.⸗Bez. Düsseldorf: Essen 1 (1). Reg⸗Bez. Aachen: Düren 1 (1). Bayern. Reg.⸗Bez. Oberbayern München Stadt 1 (1). Reg.⸗Bez. Schwaben: Neuburg a. D. 1 (1). Württemberg. Donaukreis: Ehingen 1 (1), ÜUlm 1 C(I1).
eser Politik nackzueifern. Gegen die Gesammtstimmung des Volkes
Reichstag sollte deutlich und deutsch gesprochen werden, auch wenn der
Bez. Mannheim: Heidelberg 1 (1). Braunschweig. 1 (1). Hamburg. Geestlande 1 (1). Ober⸗Elsaß: Mülhausen 1 (1). gemünd 4 (7).
Zusammen: 38 Gemeinden und 49 Gehöfte.
Lungenseuche. Preußen. Reg.⸗Bez. Magdeburg: Wanzleben 2 (. Zusammen: 2 Gemeinden und 8 Gehöfte.
Maul⸗ und Klauenseuche und Schweineseuche (einschl. Schweinepest).
Bezick Lothringen: Saar⸗
Preußische Provinzen, ferner Bundes⸗ staaten, welche in Regierungs⸗ Bezirke getheilt sind.
und Klauen⸗
V Regierungs⸗ ꝛc. Bezirke, 3 8 seuche
C. 2 8 8 8½ 8.
₰
928
Kreise ꝛc 5. Gemeinden 8 Gehöfte
n Regierungs⸗Bezirke getheilt sind.
Laufende Nr. Kreise ꝛc. Gemeinden
Gehöft
—2
vo
— 1
3.
Königsberg. Gumbinnen Danzig 8 Marienwerder. Berlin
otsdam Frankfurt Stettin Köslin Stralsund Posen 2 Bromberg 3 Breslau. Liegnitz 45 Oppeln.. 13 154,642 Magdeburg. 11 78 391 Merseburrg .15100 247 Erfurt G“ 56 ,6 6 19 Schleswig 7 8 20 Hannover. 28]74 21 Hildesheim. 25 66 22 Lüneburg 11 161 — 23 Stade. 5 13 24 Osnabrück 22 41 25 Aurich. 8 26 Münster. 26] 43 27 Minden . 55 153 28 Arnsberg. 50ʃ104 29 Cassel. 50 249 30 Wiesbaden. 23 91 31 / Koblenz. 57164 32 Düsseldorf 92 291 33 Köln. 35 92 34 Trier. 56/159 35 Aachen 38 195 36 Sigmaringen 19 81 37 Oberbayern. 79 203 38 Niederbayern 12 12 39 Pfalz.. 59 318 40 Oberpfalz 16 29 41 Oberfranken.. 28 48 42 Mittelfranken. 28 60 43] Unterfranken 41 85 44 Schwaben 1057415 45 Bautzen. 21 22† 46 Dresden. 39 60 47 Leipzig. 72 128 övbbe““ 67 89 49 Neckarkreis . 35 /114 50 Schwarzwaldkreis. 68 462 51 Jagstkreis 47 132 52] Donaukreis. 187 701
V 53 Konstanz. 61 220
— — “
1.
—= — [290
—
Ostpreußen Westpreußen — -
1
1 18 16 81 156 16 86/158 11 63/119 10 91 201 20 77 ,109 13 176 301 21] 79/104 1³ 34 42
Brandenburg
œ aAce oede bo
Pommern
Posen
Schlesien
—,—,— —
92 288
Sachsen
Schl.⸗Holstein
— —, — —
Hannover
Soœtoooto bo coeceEe
Westfalen
II
Hessen⸗Nassau
— — — 0— 02
— —
Rheinland
ʒD
2
Hohenzollern
—,— — — AFSboIeN
— C0
00 2
Sachsen
— —JO —
Württemberg
— — O8 b0
54 Freiburg. 73 471 55 Karlsruhe
56 Mannheim.
57 Starkenburg
58 Oberhessen..
59 Rbeinhessen... 60 Mecklenburg⸗Schwerin 61 Sachsen⸗Weimar.. 62 Mecklenburg⸗Strelitz. [6s Oldenburg 1“ 64 Lübeck..
65 Birkenfeld .
66 Braunschweig ..
67 Sachsen⸗Meiningen
68 Sachsen⸗Altenburg
(s8 2646“*“ J* 11146“ 72 Schwarzburg⸗Sondersh. 73 Schwarzburg⸗Rudolstadt eueneI“ 75 Reuß älterer Linie
76 Reuß jüngerer Linie. 77 Schaumburg⸗Lippe
80 Bremenn 1 81 Hamburg. 8 [82 Unter⸗Elsaß. 83 Ober⸗Elsaß.. 84 Lothringen.
Betroffene Kreise ꝛc. ¹)
“ 2. Maul⸗ und Klauenseuche.
1: Fischhansen 14 (15), Gerdauen 1 (4), Rastenburg 4 (4 Friedland 3 (3), Pr.⸗Eylau 2 (2), Heilsberg 1 (1), Rö A 1 c. Allenstein 10 (12), Neidenburg 24 (79), Österode i. Ostpr. 68 (188), Mohrungen 23 (38), Pr.⸗Holland 5 (20). 2: Stallupönen 2 (2), Gumdianen 1 (1), Darkehmen 8 (I1), Goldap 2 (2), Lötzen 1 (1), Sensburg 3 (3). lbing 7 (9), Marienburg i. Westpr. 18 (25), Danziger (2),
57 242 67 ,547 43 104 49 328 40 231 23 40 40 31 1 2 2 22 47 112 39 24 3 6
— ꝓ0 0o
Sachsen⸗ Cob.⸗Gotha
80 —,— — 5 S=82
Iboede SeeessWrhe ueö
— —2ꝗS —
8 Lothringen ’
Niederung 2
Baden. Landeskom.⸗Bez. Konstanz: Bonndorf 1 (1). Landeskom.⸗
¹) An Stelle der Namen der Regierungs⸗ ꝛc. Bezirke ist di entsprechende lfde. Nr. aus der vorstehenden Tabelle aefasfälhrt. 8
2* b
1 Holzminden Elsaß⸗Lothringen. Bezirk
te
K
Angerburg 2 u 8219 9 2 (4)