1900 / 56 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 03 Mar 1900 18:00:01 GMT) scan diff

schont werden. Von der Danziger Werft kann ich be ätigen, daß dort mit größter Vorsicht vorgegangen wird. Die unter Herrn von Stosch ergangene Vorschrift, Arbeiter über 40 Jahre nicht zu engagieren, existiert auch meines Wissens garnicht mehr. Ueber die Zulage denke ich nicht so geringschätzig wie der Abg. Singer. In Dannig ist das Gerücht verbreitet, die Werft habe angeordnet, kein Arbeiter dürfe mehr als 30 % über den Tagelohn durch Accord verdienen. Ich das soll unrichtig sein, wenigstens wisse man nichts in Berlin 1 die Werftdienstordnung in diesem Punkte geändert worden

ei; der Arbeiter darf nach wie vor 50 % mehr verdienen.

Staatssekretär des Reichs⸗Marineamts, Staats⸗Minister, Vize⸗Admiral Tirpitz:

Das Gerücht, daß die Ueberverdienste herabgesetzt werden auf das Eineinhalbfache des Lohnes an dem betreffenden Platz, ist nicht zu⸗ treffend, auch ist in Danzig nichts derartiges seitens der Werft⸗ verwaltung angeordnet worden. Ich habe, weil eine derartige Angabe in den Zeitungen stand, die Werften zum Bericht aufgefordert, und habe diesen Bericht bekommen. Thatsache ist nur Folgendes: Einige Accordsätze sind herabgesetzt worden, und zwar im Ganzen nur um 4 %. Es ist immerhin noch der Höberverdienst durch Accordarbeit 32 % gewesen in der Werft Dannig, also noch ein reichlicher Ueber⸗ verdienst. Das vertheilt sich auf Einige, die über 32 % haben, und Einige, die unter 32 % haben. An der Bestimmung, daß bis zu 50 % Ueberverdienst gestattet ist, ist nichts geändert worden.

Das Kapitel wird bewilligt, desgleichen die Ausgaben für Waffenwesen und Befestigungen, Kassenwesen. Bei den Ausgaben für Küsten⸗ und Vermessungs⸗

wesen verlangt der

Abg. Schwar (Soz.) größere Vorsicht und die Verwendung rößerer und widerstandsfaähtgerer Fahrzeuge bei der Ausführung von Veumeffum karbeiten bei hoher See. Er führt einen Fall an, wo in⸗ folge der Verwendung einer kleinen Jolle drei Männer durch eine

Sturzwelle ihren Tod gefunden hätten.

Staatssekretär des Reichs⸗Marineamts, Staats⸗Minister, Vize⸗Admiral Tirpitz:

Meine Herren! Bei einem so großen Institut wie der Marine, und bei einem so gefährlichen Beruf kommen ab und zu Unglücksfälle vor. Ich wäre dem Herrn Vorredner dankbar gewesen, wenn er nicht so lange gewartet hätte mit der Zur⸗Sprache⸗Bringung dieses Falles; denn zwei Jahre später kann man sich der Einzelheiten weniger erinnern, als wenn die Angelegenheit gleich beim nächsten Etat zur Sprache gebracht wird.

Soweit ich über den Fall orientiert bin, kann ich Folgendes sagen: erstens werden die sog. Peilboote bei den Vermessungen nicht zu den Flottenmanövern herangezogen. Indessen ist es wohl möglich, daß in einem einzelnen Falle, wenn die Küstenbeobachtungsstationen mit in Benutzung genommen worden sind, ein derartiges Dampf⸗ Peilboot gebraucht worden ist. Ich kann nicht mehr sicher übersehen, ob in dem zur Sprache gebrachten Falle aus einer derartigen Veran⸗ lassung das Dampf⸗Peilboot in Anspruch genommen worden ist; aber dieser Umstand hat mit dem Kentern der Jolle jedenfalls nichts zu thun, denn wenn eine Pinasse versucht hätte zu landen in dem Augenblick, wo eine Ruderjolle kentert, so würde sie wahrscheinlich noch schlechter weggekommen sein; das hat mit dem Verhalten eines Bootes in der Brandung selbst nichts zu thun. Ich weiß und habe kon⸗ statieren können, daß die Jolle nicht überlastet war; in wie weit der

Versuch, mit dem Boot durch die Brandung durchzugehen, als zu⸗

gefährlich zu erachten war, kann ich auch nicht genau übersehen; indeß hat es von dem Ermessen des betreffenden Vorgesetzten abgehangen ob er die Vermessungsarbeiten fortsetzen wollte oder nicht. Es würde also lediglich entweder ein Mangel in der Beurtheilung der Gefahr vorliegen oder eine Kombination von ungünstigen Wellenumständen, wie sie bei derartigen Brandungen stets vorkommen werden.

Der Rest des Ordinariums wird angenommen; ebenso ohne Debatte das Extraordinarium für 1900, darin zu Schiffs⸗ bauten und Armierungen 69 535 000

Zu den sonstigen einmaligen Ausgaben und bei der Forde⸗ rung von 25 000 zur Gewährung von Beihilfe an die in ungünstigen steuerlichen Verhältnissen befindlichen emeinden Gaarden und Ellerbeck beantragt die Budgetkommission die Annahme folgender Resolution:

„Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, die Beihilfe für die beiden Gemeinden dem Bedürfnisse entsprechend zu erhöhen.“

Abg. Dr. Stockmann (Rp.) befürwortet dagegen die Annahme 5 Antrags: „Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, dem eichstage möglichst noch in dieser Session einen Gesetzentwurf vor⸗ zulegen, durch welchen die Beitragspflicht der Reichsbetriebe zu den Kommunallasten grundsätzlich anerkannt und gleichzeitig der Maßstab festgestellt wird, nach welchem die Beitragspflicht zu bemessen ist’. Redner weist auf die wiederholten vergeblichen Versuche hin, die in dieser Richtung im Reichstage gemacht worden seien. Die Schwierigkeiten, in welche namentlich Spandau, Gaarden und Gllerbeck durch die Ausdehnung der militärfiskalischen Betriebe in ihrem Bereich ge⸗ riethen, seien immer bedenklicher geworden; den beiden Kieler Nachbar⸗ gemeinden sei bis jetzt nichts als die wiederholt im Etat ausgeworfene Beihilfe zu theil geworden. Dieselbe reiche aher nicht aus, müsse viel⸗ mehr mindestens um 20 000 erhöht werden. Der Staatsekretär Graf Posadowsky habe i. J. 1896 ausdrücklich anerkannt, daß hier 85 nobile officium des Reichs vorläge, den Gemeinden ju Hilfe zu ommen.

Geheimer Ober⸗Regierungsrath im Reichs⸗Schatzamt Plath: Der preußische Staatsfiskus unterliegt der Kommunalsteuerpflicht aus seinen eigenen Betrieben, Eisenbahnen, Bergwerken ꝛc., die Kaiserlichen Werften in Gaarden und Ellerbeck sind keine Ge⸗ werbebetriebe. Es fehlt also an einer Grundlage für das Reich, auf welcher es steuerpflichtig gemacht werden könnte. Daß der gegenwärtige Zustand der Billigkeit widerspricht, unterliegt keinem

weifel, deshalb auch die einmalige Ausgabe, wie sie der Etat enthält. Sollte eine nochmalige Prüfung ergeben, daß sie eine wirksame Er⸗ leichterung nicht für diese Gemeinden bietet, so würde weder die Marine⸗, noch die Finanzverwaltung sich gegen die Konsequenz sträuben. Ob aber auf der 11en. des Antrags Stockmann sich eine Verständigung erreichen läßt, möchte ich bezweifeln.

Abg. Dr. Pachnicke (fr. Vgg.): Wenn das Haupterforderniß, der gute Wille der Verwaltung, nicht fehlt, so dürfte sich sehr leicht eine Form für die Heranziehung des Reichs zu den Kommunallasten

nden lassen. Lediglich mit formellen Einwänden, wie dem, daß es

ch hier nicht um gewerbliche Anlagen mit Gewinnabsicht bandelt, kommen wir nicht weiter. Was für die beiden Kieler Nachbar⸗ emeinden zutrifft, gilt auch für Spandau in besonders hobem Maße.

ort sind ca. 10 000 Arbeiter vom Reichsfiskus beschäftigt; sie belasten die ohnehin nicht reichen Gemeinden nur um so empfiadlicher; schon im Jahre 1898 betrug die Armenlast 68 000, die Schullast 277 000 (Der Präsident Graf von Balle⸗ strem ersucht den Redner, auf die Spandauer Verhältnisse nicht so ausführlich einzugehen, da diese zum Milttär⸗Etat gehörten) Der An⸗ trag Stockmann ist ja ganz allgemein gefaßt, doch genügt schon der bloße Hinweis auf die analog liegenden Verhältnisse Spandaus. Im Jahre 1874 hat Fürst Bismarck Bedenken gegen ein solches Vorgeben

auf dem Wege des Antrags die Neuregelung der Verhältnisse herbei⸗ geführt wird Die Beihilfe allein, auch die erhöhte, löst die Frage nicht. Abg. . Fih hält dem Kommissar gegenüber an seinem t ã est.

8— ib n raf Udo zu Stolberg⸗Wernigerode (d. kons.): Meine Fraktion ist durchaus mit der Unterstützung der Gemeinden und auch mit der Erhöhung der Unterstützung einverstanden. Im allgemeinen aber an dem bisherigen Rechtszustand etwas ju ändern, halten wir hier incidenter nicht für angezeigt. Die betreffenden Ge⸗ meinden würden doch auf die Werkstätten und Institute der Marine nicht verzichten wollen.

Abg. Dr. Pachnicke nimmt von diesem ablehnenden Votum der Deutschkonservativen Akt; die Begründung dafür sei aber herzlich schwach gewesen.

Abg. Dr. Graf Udo zu Stolberg⸗Wernigerode: Es steht doch fest, daß die Gemeinden von solchen fiskalischen Instituten die größten Vortheile haben, sie reißen sich ja gerade darum.

Abg. Kirsch (Zentr.): Die Frage ist allerdings so wichtig, daß 2 hier so gelegentlich nicht zur Erledigung gebracht werden kann. Auch in seiner allgemeinen Fassung dürfte der Antrag nicht ohne weiteres für das Haus annehmbar sein.

Abg. Dr. Sattler (nl.) beantragt die Ueberweisung des An⸗ trages an die Budgetkommission. Abg. Dr. Stockmann: Der Antrag wiederholt nur, was der Reichstag schon mehrfach materiell beschlossen hat, das Haus wird alfo nicht unvorbereitet vor eine Entscheidung gest llt. Ich bitte, die Resolution anzunehmen, für die sich früher auch Herr Lingens vom Zentrum erklärt hat.

Abg. Singer äußert sich in demselben Sinne.

Abg. de Wirtt⸗Köln (Zentr.): Ich werde mit dem Kollegen Lingens auch für den Antrag stimmen. 8

Abg. Dr. Müller⸗Sagan (fr. Volksp.) wünscht auch Kom⸗ missionsberathung, eventuell würden seine Freunde den Antrag Stock⸗ mann annehmen. 1 1

Der Titel wird bewilligt, die Resolution der Budget⸗ kommission angenommen, desgleichen der Antrag Stockmann nach Ablehnung des Antrages auf Ueberweisung an die Budgetkommission. 8

Im außerordentlichen Etat wird für den Bau eines Bassins auf der Holminsel bei Danzig (Anschlag 3 243 000 ℳ) eine erste Rate von 700 000 verlangt.

Auf eine Anfrage des Abg. Rickert erklärt der

Staatssekretär des Reichs⸗Marineamts, Staats⸗Minister, Vize⸗Admiral Tirpitz:

Ich glaube, daß die Befürchtung, die laut geworden ist, daß der Verkehr auf der Weichsel bei Danzig durch die neue Anlage der Kaiserlichen Werft geschädigt werden könnte, nicht zutrifft. Jedenfalls während der Bauperiode ist gar keine Veranlassung dazu. Nach Be⸗ eendigung des Baues lassen sich die Verhältnisse nicht genau über⸗ sehen; aber auch da glaube ich, daß eine wesentliche Beeinträchtigung des Verkehrs nicht stattfinden wird, da wir ja hereingehen in den Holm und eine Verbreiterung des Fahrwassers geschaffen werden soll. Sollte indessen das nicht zutreffen, so würde selbstverständlich die Marineverwaltung mit Wohlwollen einen entsprechenden Ersatz oder

eine Aushilfe zu finden suchen, um die Schädigung auszugleichen.

Das Extraordinarium des außerordentlichen Etats und die Einnahmen der Marine⸗Verwaltung werden bewilligt. Eine von der Kommission vorgeschlagene Resolution:

„Die Erwartung auszusprechen, daß künftig Umgestaltungen von Schiffen wie des Küstenpanzerschiffes „Hagen“ nicht ohne vorherige besondere etatsmäßige Bewilligung vorgenommen werden“,

gelangt ohne Debatte zur Annahme. Der Etat für Kiautschou wird na dem Antrage Eickhoff der Budgetkommission über⸗

wiesen. Schluß 5 ¼ Uhr. Nächste Sitzung Sonnabend 1 Uhr.

(Etat der Zölle, Verbrauchssteuern und Stempelabgaben.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 8 36. Sitzung vom 2. März 1900, 11 Uhr.

Das Haus setzt die zweite Berathung des Etats der Eisenbahnverwaltung für 1900 und zwar die Diskussion über die Einnahmen aus dem Personen⸗ und Gepäckverkehr und den Antrag des Abg. Dr. Wiemer (fr. Volksp.) auf Ermäßigung der Personentarife fort.

Abg. Macco (nl.): Meine Freunde schließen sich der Aner⸗ kennung der günstigen Lage unseres Eisenbahnwesens an. Wir freuen uns auch, daß die Syndikate jetzt allseitig warme Anerkennung finden. Die Syndikate müssen sich aber ihrer Ver⸗ antwortung bewußt bleiben und nicht eine Vergewaltigung einzelner Industrien oder Industriellen versuchen. Unsere Stellung auf dem Weltmarkt bat sich in den letzten Jahren gekräftigt. Der zunehmenden Konkurrenz Amerikas in Halbfabrikaten und Roh⸗ materialien müssen wir in vorsichtiger Weise vorbeugen, um uns den inländischen Markt zu erhalten und den ausländischen noch zu erweitern. Mit dem Bau von Voll⸗ und Nebenbahnen müssen wir wie bisher fortfahren. Dem Antrag Wiemer können sich meine Freunde zur Zeit wenigstens nicht anschließen. Eine Ver⸗ einfachung der Personentarife ist aber nothwendig. Wenn diese mit einer Verminderung der Selbstkosten verbunden sein wird, so kann auch eine Tarifermäßigung eintreten. Jede Feertficnag der Tarife ist mit einem Risiko verbunden, und deshalb dürfen wir die Sache nicht übereilen Den Gründen der Kon⸗ servativen gegen die Tarifermäßlgung stimmen wir aber in keiner Weise bei. Die Platzkarten wollen wir nicht abschaffen; aber für diese Gebühr kann man auch verlangen, daß die Wagen der D⸗Züge in gutem Zustande und mit allem Komfort ausgestattet werden. Die Vermehrung des Ladegewichts der Güterwagen ist dem Verkehrsbedürfniß ent⸗ sprechend erfolgt; die beabsichtigte Prüfung des Güterverkehrs in bestimmten Relationen wird hoffentlich auch zu einer Ver⸗ besserung des Verkehrs führen. Zur dauernden wissenschaftlichen Untersuchung der Leistungsfähigkeit der Lokomotiven müssen Lokomotiv⸗Prüfungsstationen eingerichtet werden, wie sie Frankreich hat. In manchen Beziehungen kann Preußen nicht den ersten Rang im ET beanspruchen. In Bezug auf die Verwendung der Elektrizität sind uns andere Staaten weit voraus. Bei uns überläßt man die ersten Versuche einer Privatgesellschaft. Die Aufwendung großer Kapitalien für die Bahnanlagen dürfen wir nicht scheuen; es 28 ein richtiger Grundsatz: theure Anlagen, billiger Betrieb; nur mit guten Anlagen läßt sich ein billiger Betrieb erzielen. In die Ver⸗ waltungsstellen müssen mehr Techniker hineinkommen, nicht aber lauter Juristen; denn jene haben einen viel besseren Ueberblick über das Eisenbahnwesen als die Juristen. Die Kanalpolitik der Kon⸗ servativen ist eine falsche. Der Westen braucht den Kanal. Die Vortheile, welche der Osten von den Eisenbahnen hat, hat er auf Kosten des Westens; denn dieser muß zu den Kosten der Eisenbahnen im Osten beitragen, weil diese selbst nicht rentabel sind. Wir sind aber trotzdem immer dafür eingetreten, daß unser Eisenbahnwesen auf die höchste Stufe der Vervollkommnung gebracht werde.

Abg. Dr. Rewoldt (fr. kons.): Es steht fest, daß der Personen⸗ verkehr nur gerade die Selbstkosten deckt. Verschiedene der bisherigen Vergünstigungen, z. B. die Rundreisehefte, müssen wegen der Dezentralisation der großen Städte beibehalten werden. Eine Vereinfachung der Personentarife ist wünschenswerth; aber wenn

mann und Politiker nicht auch eine Verbilligung Es ist ja ganz leicht, sich im Publikum als kluger Mann hinzu⸗ stellen, der das Reisen verbilligen will. Aber der Standpunkt: immer ausgeben und nichts einnehmen, ist höchstens im sozialdemokratischen Zukunftsstaat dS-n in dem es überhaupt kein Geld mehr giebt. Der Minister sagt, die Eisenbahn⸗ einnahmen seien entscheidend für die Lage der allgemeinen Staats⸗ finanzen; diesen Grundsatz erkennen wir an. Wir sind nicht gegen das Kanalsystem an sich, aber wir werden bei jedem Kanal prüfen, ob dieser xöö ist. Die Güterwagen ges g. vergrößert werden. Der Minister hat in der Kommission gesagt, 8 eine allgemeine Erhöhung des Ladegewichts auf 50 t nicht msoglich sei. Eine solche hat auch niemand verlangt. Aber zum theil sind größere Wagen nöthig, und man sollte darüber nicht immer bloß Er⸗ wägungen anstellen, sondern Ulezmatsf mit der Vergrößerung vorgehen. Der Eisenbahnverkehr im Ruhrgebiet ist an der Grenze seiner Leistungs⸗ fähigkeit angekommen. Mit den jetzigen kleinen Wagen lassen

die großen Massen Steinkohlen, die z. B. die Schiffahrt gebraucht, aller⸗ dings nicht schnell genug befördern. Man könnte mindestens zu einem Typus von 20 30⸗Tonnen⸗Wagen kommen. Der Aufschwung in der Industrie ist nicht voa gestern und heute, und doch kommt man über die Erwägungen nicht hinaus. Man sagt einfach: wir sind an der Grenze der Leistungsfähigkeit angekommen, kann sich aber nicht dazu aufschwingen, zu einem einfachen und praktischen Radikalmittel zu greifen: die Wagen zu vergrößern. Den Gründen, welche der Minister in der Kommission gegen eine Aufhebung der Ausnahmetarife für die Ausfuhr von Kohlen angegeben hat, können wir uns nicht anschließen. Der Minister sagte, daß langsichtige Verträge vorliegen; dann brauchten die Zechen nur immer lange Verträge ab⸗ zuschließen, und dann könnten wir niemals unsere Tarife ändern. Wäre es nicht sogar rathsam, ein Ausfuhrverbot für Kohlen zu er⸗ lassen? Eine Kohlennoth läßt sich voraussehen, deshalb muß man vorbeugende Maßregeln ergreifen und nicht warten, bis sie in aller Schärfe auftritt. Wenn der Bedarf im Inland nicht gedeckt ist, darf man dem Ausland nicht Ausnahmetarife gewähren; dann haben Ausnahmetarife ihre innere Berechtigung verloren. Ein Einfluß läßt sich auf die Zechen auch auf Grund des § 65 des Nergoesepfe in Bezug auf die Deckung des inländischen Bedarfs aus⸗ üben. Zahlreiche Winzustrielle Werke steben zur Zeit wegen der Kohlen⸗ noth ställ; deshalb kann man verlangen, daß die Erwägungen endlich zu Thaten werden. Meine Freunde können die Maßregeln der Re⸗ gierung nicht als im Verhältniß zu der Schärfe der Situation stehend erachten, und wir müssen hoffen, daß die Regierung von Erwägungen bald zu Thaten übergeht. Wo ein Wille ist, da it auch ein Weg.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Thielen:

Meine Herren! Es sind zwei Punkte, die mich zu einer etwas eingehenderen Entgegnung auf die Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Rewoldt nöthigen. Das ist die Frage der größeren offenen Wagen und die Frage der Ausfuhrtarife. Ich habe erwartet, daß diese Frage

Beide Fragen, die der Herr Abg. Dr. Rewoldt hier vorweggenommen hat, sind auch nur als ein Vorspiel für die Kanalvorlage aufzufassen.

wagen sind wir seit Jahren sehr erheblich vorgegangen. Die Zahl unserer Güterwagen ist in den letzten vier Jahren um 22,6 % gestiegen, das Lade⸗

Wagen mit größerer Ladefähigkeit gebaut worden sind. Die Gründe, welche im allgemeinen gegen eine Vergrößerung des Ladegewichts sprechen, sind in meinen gedruckten Erklärungen, die den Herren vorliegen, in

knapper Form skinziert. züglich der großen Wagen da. Wir haben vor einigen Jahren probe- weise 100 Wagen mit 30 t Ladefähigkeit gebaut; die Wagen sind einige Zeit im Betrieb gewesen, wir haben sie dann aber umgebaut in Plateauwagen,

dagegen ausgesprochen, daß unter gewissen Vorbedingungen die Ver⸗ wendung großer Wagen zweckmäßig sein könne. weise ein großes Hüttenwerk, sagen wir mal die Ilseder

Hütte, wöchentlich ein oder zwei Sonderzüge mit Kohlen empfängt,

sammten Einrichtung, vortheilhaft und zweckmäßig sein, dafür große Wagen zu verwenden.

Ländern eine beschränkte ist.

Wagen mit 12 und 15 t überhaupt eine große Ausnahme bilden. Meine Herren, die Engländer laden viel mehr größere Dampf⸗

zuweisen. durch Prähme, die längsseits der Schiffe anlegen, und nur zum ge⸗

Hier kann also der große Wagen garnicht von Einfluß sein.

uns besonders in den großen Kohlenrevieren keine Erleichterung, sondern eine Erschwerung des Betriebes verursachen wird. Denn der

herausrangiert werden und wieder in den betreffenden Zug einrangiert werden, in dem er gebraucht werden kann. Das ist alles

bei dem ganz gleichmäßigen Typus unserer jetzigen Wagen

viel weniger leicht zu bewegen als unser jetziger Wagentypus. Das

Grade für den Versender und für den Empfänger der betreffenden

geäußert; es werde schließlich dann jeder das Reichsfaß anbohren wollen. Aber die Steuerhoheit des Reichs wird nicht angetastet, wenn

man diese haben will, kann man als praktischer Geschäfts⸗

bei der Vorlage des Mittelland⸗Kanals zur Erörterung kommen würde. Mit der Vergrößerung der Ladefähigkeit unserer offenen Güter⸗ 1 gewicht aber um 31,3 %; hieraus geht hervor, daß eine erhebliche Zahl

Ausspruch in England kein Gebiet von so dichtem Verkehr bestände

Wir stehen auch nicht ohne Erfahrung be- wie an der Ruhr, so hat er wohl meinen Ausspruch mißverstanden. Es

weil die Wagen weder von den Versendern noch von den Empfängern * 3 gewünscht wurden und sich im Betriebe als unzweckmäßig erwiesen haben. Ich habe in meiner Erklärung mich durchaus nicht prinzipiell

Wenn beispiels.

so kann es immerhin vielleicht, wenn die Kohlenzechen in der Lage 3 sind, die großen Wagen beladen zu können ohne Aenderung der ge⸗

Die Verwendung der großen Wagen wird aber immerhin eine beschränkte bleiben müssen, wie sie auch in anderen Ich kann hier nur darauf hinweisen, daß England, das vielmehr Anlaß hätte, andere Einrichtungen u treffen, nicht einmal die Ladefähigkeit besitzt, die wir haben, sondern daß die meisten englischen Wagen zur Zeit noch 6, 7, 8; t haben und 8

schiffe als wir in Deutschland; ich brauche nur auf die Statistik hin-⸗ Dann macht sich der Herr Abg. Dr. Rewoldt, da ich gerade beim Verladen von Bunkerkohle bin, offenbar ein ganzes falsches Bild davon wie diese Verladung vor sich geht. Sie geht meistens vor sich ringeren Theil durch Heranfahren der Wagen an die Landseite. Meistentheils liegen die Schiffe, die Bunkerkohlen einnehmen, auf dem Strome und werden auf dem Strome durch Prähme versorgt. Dann möchte ich darauf aufmerksam machen, daß die Einführung des größeren Typus zunächst eine Spezialität von Wagen schafft, die

Wagen muß als Individuum behandelt werden, aus dem großen Zug

nicht nothwendig. Sodann ist der Wagen durch seine Schwere schon

gilt nicht nur für die Eisenbahnverwaltung, sondern in viel höherem

Zweite Beilage

re

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

1900.

Berlin, Sonnabend, den 3. März

Meine Herren, auch für die Versorgung der großen Kohlenhäfen uisburg, Ruhrort, Hochfeld würde der Typus der 30⸗Tonnen⸗ Waggons vielleicht auch nicht zweckmäßig sein. Herr Dr. Rewoldt ist offenbar über diese Verhältnisse nicht unter⸗ richtet, sonst würde er wissen, daß das Kohlengeschäft, das auf dem Wasser sich vollzieht, ein Geschäft ist, das auf der Mischung von verschiedenen Sorten Kohlen beruht. Das ist mit den großen Wagen naturgemäß lange nicht so gut auszuführen wie mit den kleinen Wagen; denn der Schiffer bekommt mit einem Wagen unge⸗ mischt 30 t, während er jetzt nur 10 t bekommt. Das Mischgeschäft ist mit großen Wagen schwer, vielleicht garnicht auszuführen. Als wir seiner Zeit die 30⸗Tonnen⸗Wagen bauten und sie mit Trichtern versahen, wollten wir den Versuch machen, ob hierin eine wesentliche Erleichterung für den Betrieb zu finden sei; es war aber eine Errschwerung, und die Leute wollten diese Wagen überhaupt nicht haben. Aus diesem Grunde und einer Reihe anderer Gründe kann ich mich nicht dafür aussprechen, allgemein zu einem schwereren Typus der offenen Wagen überzugehen, abgesehen von den Kosten, welche uns und den Versendern wie Empfängern erwachsen würden, wenn wir unsern gesammten offenen Güterwagenpark in 30⸗Tonnen⸗ Wagen umwandeln wollten, und die ich höher schätze als die gesammten Kosten für den Mittelland⸗Kanal.

Dann hat Herr Dr. Rewoldt mich aufgefordert, ich möchte doch mal eine Kommission nach Amerika schicken, und zwar von Leuten, die englisch können. Unter unseren Technikern giebt es nur wenige, die nicht englisch können, das möchte ich nur nebenbei dem Herrn Abg. Rewoldt bemerken, dann aber ihm sagen, daß in den letzten Jahren kein Jahr vergangen ist, wo nicht Kommissare von mir

nach Amerika hinübergegangen sind, daß wir ständig dort vertreten sind durch einen technischen Sachverständigen, und zwar sowohl in Nord⸗Amerika, als auch neuerdings in Süd⸗ Amerika; denn Amerika ist nach sehr vielen Richtungen hin ein Land, von dem die Eisenbahntechnik und die Eisenbahnverwaltung noch manches lernen kann. Andererseits ist aber klar, daß nicht ohne weiteres amerikanische Einrichtungen auch auf Deutschland übertragen werden können. England ist, wie gesagt, bisher nur ganz vereinzelt zu einem Umbau in größere Ladefähigkeit übergegangen. Wenn Herr Dr. Rewoldt meint, das läge wohl daran, daß nach meinem eigenen

wird in England in verschiedenen Distrikten ein so reger Verkehr, namentlich

in der Kohlenversendung, entwickelt, wie das zusammengenommen in

Deutschland absolut nicht erreicht ist. Ich habe nur gesagt, ein geographisch so eng umgrenztes Gebiet mit so dichtem Verkehr wie

im Ruhr⸗Gebiet giebt es in England nicht. Ich muß daher dabei stehen bleiben, daß eine allgemeine Umwandlung unserer offenen Güterwagen, die ja auch Herr Dr. Rewoldt wohl nicht verlangt,

meines Erachtens ein verfehlter Schritt sein würde, der uns aus dem

jetzigen Zustand eines normalen gleichmäßigen Typus, der die Betriebs⸗ kosten außerordentlich vermindert, wieder in die alte Buntscheckigkeit unserer Wagen zurückführt.

Dann komme ich auf die Ausfuhrtarife; auch in der Beziehung darf ich mich wohl beziehen auf die Erklärungen, die ich im Reichstag und in der Budgetkommission bereits abgegeben habe. Theoretisch haben die Herren anscheinend Recht, wenn sie in den Zeiten der Kohlennoth, der Kohlenknappheit darauf dringen, daß das Inland vor dem Auslande versorgt werde, und daß die Versorgung des Aus⸗ landes nicht noch mit Prämien durch die Eisenbabnverwaltung in Form ermäßigter Ausfuhrtarife begünstigt wird. Es entsteht nun die Frage, ob eine sofortige Aufhebung der Ausfuhrtarife überhaupt in Bezug auf die Kohlennoth oder Kohlenknappheit irgend welchen Einfluß aus⸗ üben würde. Meine Herren, keiner, der die Verhältnisse kennt, kann diese Frage bejahen (sehr richtig!); das Inland würde kein Kilogramm Kohlen mehr bekommen, wenn wir morgen mit einem Ukas die

Es ist unmöglich; denn die Kohlen, die das

bekommt es auf Grund der bestehenden Ver⸗

Sowohl das Kohlensyndikat an der Ruhr wie die großen

Handeltfirmen in Oberschlesien, die ja unter sich mit der Zentral⸗

verwaltung der fiskalischen Gruben ebenfalls ein Syndikat der Sache

nach bilden, haben mir die Versicherung abgegeben, daß sie über die

laufenden Verträge hinaus dem Ausland keine Kohlen liefern, und

daß sie insbesondere keine Ermäßigung dem Ausland neuerdings bewilligen.

Was also in der Beziehung geschehen kann, das ist geschehen. Aber die Verträge laufen, solange Kohlen an große Konsumenten verkaust werden, überhaupt auf ein Jahr, zum theil sogar noch länger; halb⸗ jährige Verträge kommen auch vor, sind aber im Großen und Ganzen Ausnahmen; die Regel ist ein Jahr. Die Kohlen siad verschlossen vom 1. Januar, 1. April, 1. Juli dieses Jahres bis 1901. Diese Verträge müssen gehalten werden.

Wenn wir die Ausfuhrtarife aufheben, dann würde das bedeuten, daß die Eisenbahnverwaltung von diesen Kohlensendungen eine höhere Einnahme erhelte an und für sich ja durchaus nicht un⸗ erwünscht für die Eisenbahnverwaltung. Ob das aber richtig ist, das ist mir doch bei sehr vielen dieser Ausnahmetarife sehr zweifelhaft, und weil es eben so zweifelhaft ist, und weil Zeit nicht dabei ver⸗ säumt wird denn ich wiederhole: augenblicklich nützt die Auf⸗ hebung garnichts und weil, wenn man mit rauher Hand in diese Sache hineinfährt, man viel mehr Unsegen als Segen anstiftet, deswegen ist meines Erachtens es durchaus geboten, mit Vorsicht und individuell die Ausfuhrtarife sich anzusehen. Ich würde glauben, daß eine Aufhebung, z. B. der ober⸗ und niederschltsischen Ausfuhrtarife nach Oesterreich⸗Ungarn hin eine Maßregel wäre, die keinen Vortheil brächte, sondern nur Nachtheil. (Sehr richtig!) Niederschlesien ist darauf angewiesen, nach Wien und nach den ver⸗

Oberschlesien Flammkohle, Hausbrand⸗ und Lokomotivkohle u. s. w. Ein Drittel der schlesischen Produktion geht überhaupt nach dem Auslande.

Ich habe ferner darauf aufmerksam gemacht, muß es aber den Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Rewoldt gegenüber nochmals kurz wiederholen, daß ein großer Theil der Ausfuhrtarife den Interessen unserer deutschen Rhedereien dient, und zwar die Ausfuhrtarife nicht nur über unsere eigenen großen Häfen, Bremen, Hamburg, Stettin, Danzig, Königsberg, sondern auch für unsere eigenen deutschen Rhedereien nach Antwerpen und Rotterdam, namentlich nach Ant⸗ werpen. Ein sehr erheblicher Theil unserer großen deutschen Rhedereien nimmt Bunkerkohlen in Antwerpen. Sollen wir nun ohne weiteres diese Ausnahmetarife aufheben? Wir würden damit nur unsere eigene Rhederei schädigen und sie zwingen, statt der deutschen Kohle in Zukunft in Antwerpen belgische oder englische Kohle einzunehmen. (Sehr richtig!) Der Zustand, in dem wir uns jetzt befinden, ist positiv ein vorübergehender. Der Kohlenverein an der Ruhr nimmt an, daß er im nächsten Jahre in der Lage ist, 9 % mehr zu fördern, Oberschlesien etwa 8 %; die Saar hat 8 neue Schächte, die in ver⸗ hältnißmäßig kurzer Zeit in Förderung kommen. Es ist also anzu⸗ nehmen, daß wir aus diesem Zustande der Kohlenknappheit in abseh⸗ barer Zeit herauskommen.

Kohlennoth ist aus der Sache erst geworden, nachdem der Strike in Böhmen und Sachsen ausgebrochen ist. (Sehr richtig!) Ja Sachsen ist der Strike beigelegt und die Kohlenversorgung in Sachsen wird sich demnächst wieder normal gestalten. Das Gleiche wird in dem Theile Bayerns der Fall sein, der auf die Zwickauer Kohle mitangewiesen ist. Der böhmische Strike kann auch nicht mehr lange dauern; auf die eine oder andere Weise wird er beendigt werden. Dann kommt auch der andere Theil Bayerns und ein Theil Sachsens, der dieselbe Bezugsquelle hat, wieder in normale Verhältnisse hinein. Ich meine daher, daß es durchaus richtig ist, mit Vorsiht an diese Dinge heranzutreten und nicht mit Ueberstürzung. (Bravo!)

„Abg. Freiherr von Dobeneck (kons.): In Küstrin sind Gottes⸗ dienste für die Taubstummen eingerichtet, zu denen diese weither mit der Eisenbahn kommen. Die Bitte um Ermäßigung der Kosten dieser Fahrten ist von der Eisenbahn⸗Direkton abgelehnt worden, weil nach dem Wortlaut der Bestimmungen nur „An⸗ stalten“ eine Fahrpreisermäßigung gewährt werden dürfe, die religiösen Versammlungen in Küstrin aber keine Anstalt seien. In anderen Eiseabahn ⸗Direktionsbezirken sind solche Vergünstigungen gewährt worden. Ich bitte den Minister um An⸗ weisung an die Direktionen, den betreffenden Paragraphen nicht nur nach dem Worllaut auszulegen. Nach langen Jahren ist endlich die Bahn Berlin— Lichtenberg Jädickendorf im vorigen Jahre in Betrieb genommen worden. Aber wie? Der günstigste Zug braucht für die zehn Meilen von Königsberg i. N. bis Berlin sechs Stunden. Dabei wirft die Bahn 4 % ab; ich bitte also um einen besseren Betrieb.

Geheimer Ober⸗Baurath Wichert: Lokomotiv⸗Prüfunge⸗ anstalten haben wir allerdings nicht, dennoch stehen wir in der dauernden Kontrole des Materials keinem anderen Lande nach. Ueber die Verwendung der Elektrizität machen wir seit Jahren Versuche mit den verschiedensten Motoren, es hat sich aber noch nicht ergeben, daß der elektrische Betrieb wirthschaftlich genug ist.

Abg. Schmitz⸗Düsseldorf (Zontr.): lehne ich aus sozialen und volkswurthschaftlichen Gründen ab. Eine Verbilligung der Reise wünsche ich nur für die militärpflichtigen Mannschaften. Zur Garde nach Berlin kommen Mannschaften aus allen Provinzen, wenigstens einmal während des Dienstes sollte ihnen ein Heimathsurlaub mit freier Eisenbahnfahrt gewährt werden. Das würde zur Volksthümlichkeit des Militärdienstes nur beitragen. Uasere Beamten bekommen für ihre Urlaubsreisen freie Fahrt, sogar nach dem Ausland, wenn dieses Gegenseitigkeit gewährt. Ich erhebe daraus keinen Vorwurf, aber die Soldaten sollten dieselbe Ver⸗ günstigung erhalten. Das allgemeine Bild der Entwickelung unseres Eisenbahnwesens ist hoch erfreulich, und der Minister hat große Ge⸗ sichtspunkte, aber den Gemeinden gegenüber werden zu sehr siskalische, nicht volkswirthschaftliche Gesichtepunkte beobachtet. Auf die Industrie wird mehr Rücksicht genommen als auf die Landwirthschaft. Wenn es sich um die Befriedigung des Verkehrsbedürfnisses einer hilf⸗ losen kleinen Gemeinde handelt, geht die Sache außerordentlich langsam vorwärts. Viele kleine Linien bleiben lange he unaus⸗ geführt, weil der Staat sie selbst bauen will und den Privaten keine Konzession ertheilt. In solchen Fällen muß der Staat wenigstens schleunigst den Bau ausführen. Die kleine rheinische Gemeinde Oberbuch erbat die Anlage einer Haltestelle, die Eisenbahn⸗Direktion Köln verlangte einen Zuschaß von 3 bis 4000 Trotz ihrer Leistun gs⸗ unfähigkeit ging die Gemeinde sofort darauf ein. Da stellte die Direktion neue Forderungen, welche die Gemeinde zur Tragung von 40 000 Kosten verpflichteten, und legte ihr einen außerordentlich harten Ver⸗ trag vor, der mir typisch zu sein scheint. (Der Redner verliest den Vertrag.) Wenn eine Bahn aus sich heraus rentiert, hat eine Beitragsleistung der Gemeinden keine Berechtigung. Die Bestrebungen des Landwirthschafts⸗Ministers nach Hebung der Landwirthschaft müssen von den anderen Ressorts unterstützt werden, auch durch Stellung besserer Verkehrsbedingungen.

Ministerial⸗Direktor Wehrmann setzt die Gründe auseinander, weshalb eine vom Vorredner gewünschte Bahn von Heinsberg nach der holländischen Grenze nicht gebaut sei, und begründet die Noth⸗ wendigkeit der Heranziehung der Gmeinden zu Beiträgen.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Thielen:

Auf Wunsch des Herrn Abg. Schmitz möchte ich mich kurz äußern zu der Berechnung, die er bezüglich der ermäßigten Fahrpreise für die beurlaubten Soldaten gegeben hat. Ich bemerke von vorn⸗ herein, daß die Frage nicht hier im preußischen Landtage ausgeglichen werden kann, sondern daß sie eine Reichsangelegenheit ist, zu der der Bundesrath Stellung nehmen muß. Ich möchte hier nur über’die finanzielle Seite eine Mittheilung machen. Ich habe die Zahlen für ein halbes Jahr hier. Die Einnahmebeträge der preußischen Staats⸗ bahn für Dienstreisen der Soldaten, also zum Satz von 1 pro Kilometer, betragen 1 726 374 ℳ; für die Beurlaubungsreisen der Soldaten zu 1,5 ₰, also zu dem noch 5 billigeren Satze als die vierte Klasse, dem sogenannten Militärpreis, betragen sie 2 520 000 Abg. Freiherr von Wangenbeim (kons.): Die Landwirth⸗ schaft ist trotz des Gesetzes über die Kleinbahnen noch immer benach⸗ theiligt gegenüber den Bezirken mit Indust ie; denn bei den haupt⸗ sächlich für die Landwirthschaft in Betracht kommenden Klein⸗ bahnen haben in erster Linie die Interessenten die Kosten zu tragen, was bei den Staatsbahnen nicht der Fall ist. Der

bei dem durchaus wünschenswerthen Anschluß der Kleinbahnen an die Staatsbahnen nöthige Veortrag enthält sehr harte

Den Antrag Wiemer⸗

Kleinbahnen, die lange Zeit keine Verzinsung bringen, erst vie

Gegenden erschließen. Die Staatsbahnen wollen sich nicht sin 88 Kleinbahnen auf einen einheitlichen Tarif einigen, und viele Orte, di in der Nähe von Staatsbahnen liegen, lassen sich überhaupt nicht in Verhandlungen wegen Kleinbahnen ein. Die zurückkommenden leeren Spiritusfässer werden unter Ermäßigung versandt, wenn das aber gerad neue Fässer sind, so muß ein höherer Tarif für sie bezahlt werden. Der Redner beklagt sich noch über einige Erschwernisse des lokalen Verkehrs in Pommern und über den langen Aufenthalt der von Berlin kommen⸗ den Züge in Stargard, von wo man erst nach Stunden nach Hinter⸗ pommern weiterfahren könne. Ich will, fährt er fort, nicht sagen, daß die Eisenbahnen nur des Publikums wegen da seien, aber ein ge⸗ wisses Recht hat dieses doch auch. Die Ausnahmetarife für aus⸗ ländischen Zucker und ausländisches Getreide schädigen die heimische Landwirthschaft. Auf die Kanalfrage kann erst später bei der Vorlage eingegangen werden, die ja der Minister wieder vertreten wird, aber meine Freunde sind der Ansicht, daß die Eisenbahnen besser sind als Kanäle. Wenn die Nationalliberalen für die Ermäßigung der Güter⸗ tarife eintreten wollen, so müssen sie bedenken, daß die bloßen schönen Versprechungen nichts nützen. Die Landwirthe sind allerdings nicht allein auf der Welt, aber sie sind auch noch da, und deshalb dürfen sie auch eine wohlwollende Berücksichtigung verlangen.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Thielen:

Meine Herren! Ich habe mich im Reichstage über die Wünsche der Landwirthschaft im allgemeinen durchaus nicht ablehnend aus⸗ gesprochen; im Gegentheil, ich habe versichert, daß wir nach wie vor bemüht sind, der wirthschaftlichen Lage der Landwirthschaft thunlichst Rechnung zu tragen, und daß wir uns auf eine Menge von That⸗ sachen berufen können, die dem Ausdruck geben. Ich habe mich nur darüber beklagt, daß von agrarischer Seite gegen eine Tarifmaßregel angekämpft würde, die lediglich dazu bestimmt ist, Transporte, die ohnedies gehen und zu denselben Preisen gehen, von der russischen Station Libau nach der preußischen Station Danzig zu verlegen. (Sehr richtig! rechts)) Nur aus diesem Grunde habe ich gesagt, die Herren möchten bedenken, daß sie nicht allein in der Welt wären, sondern daß die Danziger Rhederei doch auch eine gewisse Existenzberechtigung habe. Lediglich aus diesem Grunde habe ich das gesagt; auf irgend etwas Anderes hat sich meine Bemerkung nicht bezogen.

Nun weiß ich recht wohl, wie alle anderen Mitglieder des Staats⸗ Ministeriums, daß die Kleinbahnen dazu bestimmt sind, der Land⸗ wirthschaft die Produktionskosten zu verbilligen. Aus dem Verzeichniß der Kleinbahnen, welches ich mir erlaubt habe, Ihnen bei der Sekundärbahnvorlage zu überreichen, werden Sie entnehmen, daß dieser Zweck in großartigem Maßstabe erreicht worden ist, und daß, wenn man die Straßenbahnen herausnimmt; der überbleibende Theil der Kleinbahnen überwiegend der Landwirthschaft zu gute kommt. Daneben giebt der Staat reichliche Unterstützungen und fast nur dort, wo die Landwirthschaft erheblich betheiligt ist. Meine Herren, wir haben, so lange dieses System der Unterstützung der Kleinbahnen existiert, noch niemals auch nur einen Nickel an die Rheinprovinz ge⸗ zahlt, trotzdem die Entwickelung der Kleinbahnen in der Rheinprovinz weit größer ist als in irgend einer anderen Provinz (hört! hört!), sondern wir haben mit vollem Recht und vollem Bewußtsein die Unter⸗ stützungen dahin gegeben, wo sie nöthig waren, und in erster Linie den weniger bemittelten Landestheilen im Osten. Diese Unterstützungen haben von Jahr zu Jahr zugenommen, wir haben in Ost⸗ und West⸗ preußen, sowie in Posen sogar theilweise das Doppelte gegeben als das, was die Provinz giebt. (Abg. von Wangenheim: Wir haben unsere ersten Kleinbahnen ohne jede Beihilfe gebaut!) Die Provinz Pemmern ist vielleicht ein bischen zu früh gekommen, Herr von Wangenheim, als es noch nichts gab; nachdem aber der Staat sein Portemonnaie geöffnet hat, bekommt die Provinz Pommern ihren Antheil ebenso gut wie jede andere Provinz. Ich bin mir auch darüber vollständig klar, daß man auch in der Ausführunz des Kleinbahngesetzes an diesem Standpunkt fest⸗ halten muß, daß man auch in der Ausführung keine unnöthigen Schwierig⸗ keiten denjenigen Landestheilen, Gemeinden oder Kreisen bereiten soll, die bereit sind, das große Opfer des Baues einer Kleinbahn auf sich zu nehmen. Wenn der Staat auch große Unterstützungen nicht kleine, Herr von Wangenheim, sondern im großen Ganzen sind es sehr erhebliche auf sich nimmt, so ist der Rest für die Kreise, oder wer es sonst ist, doch immerhin noch außerordentlich bedeutend, und ich muß leider mit Herrn von Wangenheim anerkennen, daß manche Kreise in der Beziehung vielleicht zu weit gegangen sind und größere Lasten übernommen haben,

als für ihre Verhältnisse vielleicht gut, ist, daß es daher nur Pflicht

ist, auch bei der Ausführung an diesem Grundsatz festzuhalten, den betreffenden Unternehmern die Sache möglichst zu erleichtern. Wir sind in der Beziehung von Periode zu Periode fortgeschritten, wir 56 immer weitere Schritte nach der Richtung der Erleichterung gethan.

Was der Herr Abg. von Wangenheim vorhin an Ausführungs⸗ bestimmungen vorgelesen hat, bezieht sich auf den Fall, daß die Staatsbahnverwaltung die Ausführung der Anschlüsse für die Klein⸗ bahnunternehmer übernimmt; dann rechnet sie ihre 5 % Verwaltungs⸗ kosten, wie es nach den Bestimmungen der Ober⸗Rechnungskammer überhaupt nöthig ist. Wenn die Kleinbahn die Ausführung selbst über⸗ nimmt, dann berechnen wir naturgemäß auch keine Verwaltungskosten, denn wir haben jrnichts geleistet. Im übrigen werden nur die Selbstkosten zur Last gestellt. Aber über die Selbstkosten des Eisenbahnbaues haben vielfach die Leute, namentlich auf dem Lande, noch ganz falsche Vor⸗ stellungen. Sie wissen nicht, welch große Kapitalien erforderlich sind, um eine Bahnhofserweiterung vorzunehmen, um Gleise zu strecken u. s. w., und finden sich dann durch die Rechnung, die ihnen gemacht wird, aufs höchste und unangenehmste überrascht. Aber ich kann versichern, daß wir nur unsere Selbstkosten nehmen und selbst die nicht einmal. In der von mir gegebenen Anweisung steht ausdrücklich, daß, wenn wir ein Terrain auf einem Bahnhof haben, das von uns z. Zt. nicht benutzt wird, dieses Terrain zu einem ganz billigen Rekognitionssatz der Kleinbahn zu überlassen ist. Es steht ferner darin, daß wir den Dienst für die Kleinbahn in den ersten fünf Jahren nach der Betriebseröffnung um⸗

schiedensten andern österreichischen Städten die Gaskohle zu liefern,

Bedingungen für die Kleinbahnen. Und dabei müssen doch die

sonst übernehmen, wenn es nicht nothwendig wird, neue Dienstkräfte