1900 / 64 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 13 Mar 1900 18:00:01 GMT) scan diff

werden Sie in jedem einzelnen Lande finden,

eingeführt und nach 20, 30, 40 Jahren, wenn sie sich im Verkehr icht bewährt hatte, wieder abgeschafft worden ist. Die französische egierung hat lange Jahrzehnte hindurch goldene Fünffrankenstücke eprägt; jetzt sind sie fast zur Rarität geworden. Die Regierung der

Vereinigten Staaten hat Ein⸗ und Dreidollarstücke aus Gold ge⸗ rägt; jetzt sind sie nicht mehr zu finden, sie sind abgeschafft worden.

In der englischen Währung existieren eine Menge Münzen auf dem

Papier, von denen alljährlich einige Dutzend geschlagen werden, nur mesie gewissermaßen theoretisch weiter bestehen zu lassen. In Wirk⸗ ichkeit existieren sie garnicht mehr, beispielsweise die Zweipence⸗ und ie Vierpencestücke. Also eine Inkonsequenz dieser Art, wenn sie vor⸗ anden wäre, wäre jedenfalls sehr ungefährlich, denn schließlich ist as Hauptmerkmal einer guten Münzverfassung das, daß der Verkehr ur solche Münzen erhält, welche er wirklich braucht, und solche muß r haben.

Dann hatte der Herr Abg. Dr. Arendt wiederholt hervorgehoben, ie Regierung schiene von der Nothwendigkeit einer erweiterten Prä⸗ ung der Fünfmarkstücke selber nicht überzeugt zu sein, denn sie präge a auch viele Zweimarkstücke. Ich habe in der ersten Lesung und benfalls in der Kommission wiederholt hervorgehoben, daß garnicht ie Rede davon ist, dieses ganze Quantum der Mehrprägung, die in iesem Gesetze beabsichtigt ist, in Fünfmarkstücken auszubringen; es oll ein reichlicher Theil auch in Zweimarkstücken ausgeprägt werden, eil diese gerade außerordentlich beliebt sind. Daß die Umprägung er Zwanzigpfennigstücke nur in Zweimarkstücke stattgefunden hat nd noch stattfindet, ist eine Sache, die mit der Münznovelle nicht as Geringste zu thun hat. Es waren gerade in den etzten Jahren für 28 ½ Millionen Mark Silbermünzen auf Grund der Vermehrung der Bevölkerung zu prägen, und von iesen ist ein runder Theil auf die Fünfmarkstücke und ein

anderer runder Theil auf die Zweimarkstücke gefallen. Als die Umprägung der Zwanzigpfennigstücke begann, fand sich, daß einzelne Staaten, beispielsweise Sachsen und Württemberg, für ihre Kassen och nicht genug Zweimarkstücke hatten, und es war deshalb nöthig, die leine Summe, welche durch die Menge der einzuziehenden Zwarnzig⸗ fennigstücke begrenzt wird, in Zweimarkstücke umzuprägen. Also eine Inkonsequenz liegt hierin auch nicht.

Ferner hatte der Herr Abg. Dr. Arendt sich geäußert, bei der rsten Lesung sei von diesem Tische aus dem Hause mitgetheilt worden, ronen seien beliebt, Kronen sollen ausgeprägt werden, sie könnten

aber nicht ausgeprägt werden, solange der Diskont so hoch sei. Das ist vollkommen richtig; aber gerade auf den Wunsch einer sehr großen Anzahl von Handelskammern ich weiß nicht, wie viel es waren, es aren wahrscheinlich über 40 und auf die aus diesem hohen Hause eäußerten Wünsche hin hat der Bundesrath beschlossen, den Herrn Reichskanzler zur Prägung von 20 Millionen Mark in Kronen, also n goldenen Zehnmarkstücken, zu ermächtigen. Die Ermächtigung ist a, die Ausführung kann selbstverständlich nicht auf einen Schlag ge⸗ chehen. Begonnen werden wird damit in nächster Zeit; wann aber die anze Summe von 20 Millionen Mark in Kronen ausgeprägt sein wird, das wird von den Diskontsätzen abhängen. (Zurufe rechts.) Ja, es ist möglich, daß „man“ das annimmt; es fragt sich nur, wer er „man“ ist. (Wiederholte Zurufe rechts. Glocke des Präsidenten.)

Dann hat der Herr Abg. Dr. Arendt noch bemerkt, die Thaler wären allgemein beliebt, er hätte aus dem ganzen Reiche nicht von iner Stelle Kenntniß davon erhalten, daß die Thaler irgendwo un⸗ eliebt seien. Das Faktum steht aber fest, und dieses Faktum ist eitens der Reichsbank in den Kommissionsverhandlungen näher er⸗ äutert worden, daß alle Versuche, Thaler in größeren Mengen in den Verkehr zu bringen, gescheitert sind die Thaler sind immer wieder urückgeflossen.

Das Fünfmarkstück, sagt der Abg. Dr. Arendt, sei nicht beliebt, uch nicht einmal in den rheinisch⸗westfälischen Industriekreisen. Dem⸗ gegenüber stelle ich nun wieder das Faktum fest, daß gerade aus den Industriekreisen, sowohl Rheinlands und Westfalens, wie anderer Industriezentren des Reichs, fortwährend Anforderungen nach silbernen Fünfmarkstücken zu Lohnzahlungen an die Reichsbank ergehen, und die Reichsbank nicht im stande ist, diesen Anforderungen voll zu ntsprechen.

g. Dr. Schoenlank (Soz.): Wir werden für Artikel I und IV. der Kommissionsbeschlüsse stimmen; jedenfalls würden wir dem An⸗

Herold⸗Schwarze die Kommissionsfassung des Artikels IV vor⸗ . Wir haben aber auch keinen Anlaß, etwa das Amendement

Abg. Büsing (nl) (sehr schwer verständlich, weil er fast durch⸗

weg der Tribüne abgewendet spricht): Der Thaler kursiert draußen im Lande lediglich als Scheidemünze, davon, daß er die Goldwährung aufrecht erhalten hilft, hat man keine Vortheile. Daß er so außer⸗ ordentlich beliebt und seine Erhaltung Bedürfniß ist, bestätigen meine Erfahrungen nicht. Unsere Goldreserve ist kolossal, und jede Be⸗ fürchtung in dieser Beziehung unbegründet, wenn nicht künstlich auf⸗

gebauscht. 8 Präsident des Reichsbank⸗Direktoriums Dr. Koch: Meine Herren! Der Herr Abg. Herold hatte ganz Recht, daß die Vorlage dejenigen, welche die Doppelwährung wünschen, nicht präjudiziert. Es st eine Vorlage, die aus dem praktischen Bedürfniß hervorgegangen ist; ch brauche mich deswegen auf die Prophezeiung des Herrn Abg. Rettich, daß die Goldwährungzusammenbrechen werde, so wenig als auf die des Herrn Abg. Dr. Arendt, daß die Goldproduktion abnehmen werde, nicht weiter einzulassen. Bis jetzt sind ja die Herren Bimetallisten im Prophezeien nicht sehr glücklich gewesen. Der Gedanke der Vorlage ist sehr ein⸗ fach. Es ist nachgewiesen, daß ein Bedürfniß nach einer Vermehrung der Reichssilberscheidemünzen im Verkehr bervorgetreten ist, da un⸗ geachtet der großen Pränungen die Bestände der Reichsbank an Silbermünzen stetig abgenommen haben, während Thaler von dem Verkehr bei weitem nicht in gleichem Maße aufgenommen worden sind. Hieraus leitet die Vorlage mit Recht ab, daß mehr Scheide⸗ münzen, geprägt werden müssen. Sie weist nach, daß die Kopfquote von 10 nicht mehr genügt, weil einschließlich des er⸗ forderlichen Betriebsfonds der Reichsbank von 180 Millionen Mark, dessen Höhe aus sorgfältigen umfassenden Beobachtungen entnommen ist, schon jetzt beinahe 15 pro Kopf an Silber sich dauernd im Umlauf erhalten. Nun hat der Herr Abg. Dr. Arendt zu bestreiten versucht, daß ein solches Bedürfniß nachgewiesen sei; er sagt, es habe sich wohl eine Abnahme gezeigt bei den kleinen Silbermünzen, bei den 20⁄. Pfennig⸗ und den 50⸗Pfennigstücken, dagegen eine Zunahme bei den größeren, und beruft sich dabei auf eine Nachweisung, die wir n der Kommission felbst gegeben haben. Dabei sind ihm aber einige Irrthümer begegnet. Er erkennt zwar an, daß die Einmarkstücke bei dder Reichsbank sich vermindert haben, fügt⸗ aber hinzu, die Prägungen seien damals längere Zeit sus pendiert gewesen. In der That haben gerade in den letzten Jahren sehr bedeutende Ausprägungen statt⸗ gefunden: im Jahre 1899 sind an Einmarkstücken beinahe 3 ½ Mil⸗ ionen geprägt worden, 1898 1 Million, 1896 4 Millionen u. s. w. Nichtsdestoweniger hat aber der Durchschnitt der bei der Reichs⸗ bank befindlichen Einmarkstücke sehr abgenommen; er ist nämlich

Münze heute

9 noch 17,1 % der Nettoausgabe betrug, gefallen auf etwa 11 % im Jahre 1899. Ganz ähnlich verhält es sich mit den Zwei⸗ und Fünfmarkstücken. Herr Dr. Arendt weist auf die von der Reichsbank mitgetheilte Nachweisung ihrer Bestände an jedem 31. Dezember der letzten Jahre hin. Hier findet ch allerdings eine Zunahme; das kommt aber nur daher, weil karz vorher bedeutende Früsunamn stattgefunden haben. Natürlich zeigt sich folgeweise in der

eichsbank an diesen Tagen eine Zunahme. Man muß aber, um ein richtiges Bild zu gewinnen, den Durchschnitt der vollen Jahre ins Auge fassen. Ich habe die betreffenden Nachweisungen hier und kann Ihnen daraus zeigen, daß auch bezüglich der Zweimarkstücke eine wesentliche Abnahme statigefunden hat. Die Zweimarkstücke der Reichsbank, welche 1894 im Durchschnitt 15,4 % der Neitoausgabe betrugen, sind trotz der Ausprägung von über 20 Millionen auf 12 % der Nettoausgabe gefallen. Aach bei den Fünfmarkstücken ist der Bestand der Reichsbank, der 1894 sich auf 9,4 % der Nettoausgabe dieser Münzen belief, ungeachtet sehr großer Prägungen von über 23 Millionen Mark, nur sehr wenig gewachsen. Dann können die Gegner der Vorlage doch sicher auch die Thatsache nicht aus der Welt schaffen, daß fortwährend aus den Industriebezirken von uns mehr Scheidemünzen verlangt worden sind, als wir haben abgeben können; wir haben sehr oft er⸗ klären müssen, wir haben nichts weiter. Im Dezember v. J. waren wir ganz und gar nicht im stande, die Nachfrage zu befriedigen. Augenblicklich sind wir wieder mit den Fünfmarkstücken fast ebenso weit. Nun rühmt Herr Dr. Arendt gegenüber der Scheide⸗ münze die Thaler und sagt: warum giebt man den Leuten nicht Thaler? Sie haben doch die vorzügliche Eigenschaft der Zwangs⸗ zahlkraft. Mein Herr Amtsvorgänger, dessen Ansichten ich sonst sehr hochschätze, soll früher einmal gesagt haben, daß die Thaler zur Abwehr übermäßiger Goldansprüche zu Zeiten recht nützlich sein könnten. Eine solche Aeußerung ist vielleicht für eine Zeit berechtigt gewesen, wo der Goldwerth der Thaler erheblich größer war; aber ich bitte die Herren zu bedenken, daß die Unterwerthigkeit der Thaler fort und fort zugenommen hat, sodaß jetzt ein Thaler sich nur wenig in seinem inneren Werthe von drei Einmarkstücken unterscheidet. Das Publikum betrachtet jetzt den Thaler nur als eine Anweisung auf Gold, wie eine Scheidemünze. Da ist es doch wirklich ehrlicher und offener, wenn man den Leuten eine Münze in die Hand giebt, welche sich auch ausdrücklich „Scheidemünze“ nennt, als eine Münze, die nach einem anderen, etwas besseren Fuße ausgeprägt ist, nämlich um ein Zehntel innerlich besser ist, aber sich doch weit von dem Gold⸗Nennwerth entfernt, und außerdem nicht in das Dezimal⸗ system paßt, die man auch wenigstens gesetzlich in Gold umzu⸗ tauschen nicht das Recht hat. Das ist nicht allein von mir aus⸗ gesprochen worden, sondern in ähnlicher Weise auch von dem Herrn Grafen von Posadowsly im Jahre 1894, bei Gelegenheit einer Diskussion im Reichstage über vermehrte Prägung von Silber⸗ münzen, in seiner damaligen Eigenschaft als Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts. Ich will nicht seine ganze Deduktion hier mit⸗ theilen, er betonte aber besonders, es sei moralischer, eine Scheide⸗ münze auszugeben, die über 20 hinaus niemand in Zahlung zu nehmen brauche, welche aber jederzeit gegen Gold an den Bank⸗ anstalten des Reichs umgewechselt werden könnte, als Thaler, die man in vollem Betrage in Zahlung nehmen müsse und die nicht gegen Gold eingelöst zu werden brauchen. Das ist auch heute vollkommen zutreffend. Man hat nun gesagt: der Thaler sei beliebt, im Verkehr bestehe eine gewisse Anhänglichkeit an die Thaler. Aber, die Thaler sollen ja nicht mit einem Schlage beseitigt werden, sondern man will aus den Thalern das Material gewinnen, um daraus Scheidemünzen allmählich je nach dem fortschreitenden Bedürfniß des Verkehrs zu prägen; man will eben den Silberumlauf nicht ver⸗ mehren und die Solidität unseres Geldwesens nicht gefährden. Der Antrag Herold will den Nennwerth des Silberumlaufs vermehren, indem nur so viel Thaler eingezogen werden sollen, als zur Aus⸗ prägung der Silbermünzen nöthig sind. Er weicht in dieser Be⸗ ziehung von Artikel IV des Münzgesetzes ab, welcher bei jeder Aus⸗ gabe von Silbermünzen die Einziehung einer dem Werthe nach gleichen Menge grober Landessilbermünzen vorschreibt. Die Regierung bleibt in dieser Beztehung auf dem Boden des Münggesetzes; sie will den Nennwerth des Baarumlaufs vollständig erhalten und geht nur insofern etwas weiter, als sie den bei den Neuprägungen erzielten Münzgewinn dazu verwenden will, den Goldbestand der Reichsbank ein wenig aufzubessern, also völlig ohne Kosten ihren Goldbestand etwas zu vermehren. Der Silber⸗ umlauf und die Unterwerthigkeit werden danach nicht vermehrt, sondern bleiben, wie sie sind. Der Antrag Schwarze dagegen, den zu meinem Erstaunen heute der Herr Abg. Arendt aufgenommen hat, ist das totale Gegentheil; er verläßt das Prinzip, daß man bei Aus⸗ prägung von Scheidemünze eine dem Werthe nach gleiche Menge von Thalern einziehen soll; er will vielmehr neben den umlaufenden Thalern noch vier Millionen Mark Scheidemünze aus anzukaufenden Barren ausprägen. Wenn man das annimmt und wir zehn Jahre weiter denken, so würden bei 15 pro Kopf der dann auf etwa 60 Millionen gewachsenen Be⸗ völkerung im Ganzen noch circa 385 Millionen Mark ausgeprägt werden können; diese würden dann neben den Thalern und den bis jetzt ausgeprägten circa 515 Millionen zirkulieren oder doch zirkulieren wollen. Das wäre ein Zustand, der für die Regierung absolut un⸗ annehmbar ist. Denn es würde dadurch der unterwerthige Silber⸗ umlauf, den ja früher die Bimetallisten stets so außerordentlich be⸗ klagt haben, in kolossaler Weise vermehrt werden; die Unterwerthigkeit des gesammten deutschen Silberumlaufs würde, wenn man die jetzigen Silberpreise zu Grunde legt, um mehrere hundert Millionen bis an 700 Millionen heranwachsen. Das verstößt gegen den Grundsatz jeder Münzpolitik, die Menge der Scheidemünzen nur nach dem Maße des Bedürfnisses zu bemessen. Thut man Letzteres, wie der Gesetzentwurf es will, so hält sich die Scheidemünze auch im Verkehr selbst in kritischen Zeiten. Wir haben alsdann nicht zu befütchten, daß große Massen zur Einlösung präsentiert werden. Der Verkehr hat aber fortwährend ansehnliche Beträge darin nöthig; es werden zuweilen kleine Quantitäten zur Umwechselung gegen Gold präsentiert werden, aber sicher nicht hunderte von Millionen auf ein Mal. Das war also eine total unberechtigte Befürchtung, wie ich glaube, des Abg. Arendt Nun hat der Herr Abgeordnete Rettich den Entwurf auch deshalb bemängelt, weil der Augenblick der Einbringung unglücklich gewählt sei. Ich möchte fragen: weswegen? Wir wollen ja unsere Gold⸗ bestände nicht schmälern, wir wollen auch den deutschen Silberumlauf in keiner Weise vermehren. Es soll so bleiben wie bisher. Der Ausgleich ist ein vollständiger, kostenloser. Es ist nur eine äußere Veränderung, die vorgenommen werden soll. Der Herr Abgeordnete wies auch auf den schwachen Status der Reichsbank am 31 Dezember v. J. hin. Die Gründe, die diese Schwäche, um mich so auszudrücken, verschuldet haben, liegen ganz wo anders, als der Herr Abg. Rettich meint. Es ist die große, gewaltige Welle des Verkehrs, die sich darin bemerkbar macht. Die großen Ansprüche der Industrie, die vielen Emissionen und manche andere Erscheinungen auf zahlreichen Gebieten haben dahin geführt, daß die Goldbestände der Zentralbanken abgenommen haben, und daß viel mehr ungedeckte Noten ausgegeben sind. Ich will heute nicht auf diese verwickelten Dinge näher eingehen. Indessen möchte ich darauf hinweisen, daß sich seit dem 31. Dezember 1899 der Tag, den der Herr Abg. Hettich anführte ver Goldbestand der Reichsbank um 114 Millionen erhöht hat. Die Metalldeckung der Banknoten, die damals auf 51,6 % herab⸗ gesunken war, beträgt heute 81,6 %. Das sind eben wechselnde Zu⸗ stände. Die Zeitpunkte, wo die Bank am meisten in Anspruch ge⸗ nommen ist, sind gewöhnlich der 30. September und der 31. De⸗ zem ber; dann ebbt die Welle stets zurück. Jetzt sind allerdings die Verhältnisse noch etwas gespannt, und zwar aus verschiedenen Gründea. Daraus aber irgend welche Momente gegen das vorliegende Gesetz herzuleiten, ist nicht der mindeste Grund. Ich bitte, die Vorlage un⸗ Hrsaet Pehtnehmen, 8 Abg. Fi eck (fr. Volksp.) spricht sich für die Kommissions⸗ beschlüsse unter Adoptierung des Antrags Herold aus. fs

n 1894, w

Abg. Freiberr von Schele⸗Wunstorf (b. k. F.) spricht sich den Antrag Arendt, Silberbarren zu kaufen, aus. t

Abg. Brömel (fr. Vgg) erklärt, ebenfalls für die Vorlage e auch wenn zu Artikel IV der Antrag Herold angenommen würde.

Abg. von Kardorff: Daß die Goldwährung sich bei uns be⸗ währt hat, wird von allen Freunden derselben behauptet, aber keine kann diese Behauptung beweisen; daß sie sich in Friedenszeiten be⸗ währt hat, wird man doch nicht für einen Beweis ausgeben wollen Den Antrag Herold halten wir für eine relative Verbesserung der Vorlage und werden ihm zustimmen; dem ganzen Gesetze aber stehe ich nach wie vor ablehnend gegenüber.

Abg. Kirsch (Zentr.): Nach meinen Erfahrungen möchte Wcch mich doch dahin aussprechen, daß gegenüber dem Fünfmarkstück der Thaler das beliebtere Geldstück ist; ich würde daher wünschen, daß 1 Fünfmarkstücke als Zweimarkstücke zur Vermehrung des Scheidemünzenumlaufs ausgeprägt werden möchten. Die Einziehung der goldenen Fünfmarkstücke soll nach dem Wortlaute des Artikels 1 „nach Anordnung des Bundesraths“ erfolgen; dieser Ausdruck ist doch nicht ganz korrekt, es müßte Näheres über den Termin an⸗ gegeben sein.

Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts Dr. Freiherr von Thielmann:

Obgleich Art. II und III des Gesetzentwurfs noch nicht zur Dis⸗ kussion stehen, möchte ich dem Herrn Abg. Kirsch, der sie eben ange⸗ schnitten hat, doch erwidern, daß die Anordnung des Bundesraths sich natürlich an erster Stelle auf den Zeitpunkt der Außerkurssetzung richten wird und auf die Maßnahmen, welche auf die der Außerkurs⸗ setzung vorhergehende Einziehung der Stücke Bezug haben. Es ist absichtlich bei dem Präklusivtermin der Ausdruck „Anordnung der Außerkurssetzung“ gewählt worden; der damit verfolgte Zweck war

der, jede Unklarheit im Publikum auszuschließen.

Abg. Dr. Hahn (b. k. F.): Oesterreich und Rußland baben roße Mengen Gold an sich gezogen. Das konnte der Reichsbank⸗ räsident kommen sehen und hätte damals, zur richtigen Zeit, durch

eine Diskonterhöhung der Anspannung des deutschen Geldmarktes vor⸗ beugen können. Das ist aber nicht geschehen, und nun werden uns Oesterreich und Rußland gerade als Beispiele dafür angeführt, daß man auch dort die Vortheile der Goldwährung erkannt habe. Das stimmt nun keineswegs. Es sind in beiden Ländern nur ganz bestimmte Kreise, in Oesterreich vor allem die Bantjuden, die Geldhandel treiben und für ihre Handelszwecke diese Goldbeträge an sich gezogen haben. Die unrichtige Diskontopolitik der Reichsbank und die un⸗ günstige passive Handelsbilanz haben den Reichsbank⸗Zinsfuß hochge⸗ trieben und allen Produzenten in Deutschland das Geld vertheuert. Trotz aller unserer Bitten läßt sich ja der Herr Reichsbank⸗Präsident nicht belehren, das französische Beispiel zum Schutze des Goldbestandes nachzuahmen. Als guter Leiter der Bankpolitik hat sich der Herr Präsident Koch ebenso wenig bewährt, wie als richtiger Beurtheiler der wirthschaftlichen Verhältnisse Deutschlands. Seine Münzpolitik aber trifft in ibren unheilvollen Wirkungen gerade die Produzenten und den Mittelstand.

Nachdem die Abgg. Gamp (Rp.) und Dr. Arendt zu kurzen Bemerkungen das Wort ergriffen haben, schließt die Diskussion.

Die Abstimmung schlägt der Präsident Graf von Ballestrem (aängesichts des noch immer nicht beschlußfähig gewordenen Hauses) auf einen späteren Zeitpunkt zu vertagen vor.

Da der Abg. Dr. Arendt, der noch einen neuen Artikel IVa in die Vorlage aufzunehmen beantragen will, gegen den Vorschlag des Präsidenten Widerspruch erhebt, wird über den letzteren die Abstimmung vorgenommen; es ergiebt sich für die Aussetzung der Abstimmung eine große Mehrheit.

Artikel II. und III, welche die Außerkurssetzung der Zwanzigpfennigstücke in Silber und Nickel vorschreiben, werden ohne Debatte erledigt, die Abstimmung wird ausgesetzt.

Abg. Dr. Arendt beantragt folgenden neuen Artikel IVa: „Niemand ist verpflichtet, Fünfmarkstücke im Betrage von mehr als 1000 und die übrigen Reichs⸗Silbermünzen im Betrage von mehr als 50 in Zahlung zu nehmen“.

Der Abg. Dr. Arendt beantragt weiter, die Diskussion bis nach AFelüter Abstimmung über Artikel IV auszusetzen. Der Präsident Graf von Ballestrem giebt diesem Antrage keine Folge.

Nach kurzer Begründung des durch den

Abg. Dr. Arendt, der darauf hinweist, daß die Schwierigkeiten des Geldumlaufs innerhalb der Goldwährung sich erst in ihrer ganzen Wucht zeigen würden, wenn die unbeschränkte Zahlkraft der Thaler nicht mehr existiere,

wird die Abstimmung auch über Artikel IVa verschoben.

Die Kommission hat folgenden neuen Artikel dem Ge⸗ setzentwurf angefügt:

„Der Artikel 11 (der die Ausprägung von Denkmünzen als umlaufsfähige Scheidemünzen verbietet) des Münzgesetzes von 1873 wird aufgehoben.“ b

Dem Artikel 3 § 2 dieses Gesetzes wird folgender Absatz 2 hinzugefügt:

„Der Bundesrath wird ermächtigt, Fünfmarkstücke und Zwei⸗ markstücke als Denkmünzen in anderer Prägung herftellen zu lassen.“

Abg Fischbeck (fr. Volksp.) beantragt die Streichung dieses Seesmissse aedahe Die Ausprägungsfreiheit für Denkmünzen würde bald zu einer Unsitte und zur Belbstisung des Geldverkehrs führen.

Abg. Kirsch tritt für den zweiten Theil des Kommissions⸗ antrags ein und ersucht um getrennte Abstimmung über die beiden Theile desselben.

Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts Dr. Freiherr von Thielmann:

Ich glaube, daß der Herr Abgeordnete Kirsch, dem ich betrefes des ersten Absatzes des Artikels VI vollkommen beipflichte, in seinem soeben verlesenen Antrage doch etwas übersehen hat. Er will über den ersten Absatz besonders abstimmen lassen und hofft jeden⸗ falls, daß dieser erste Absatz abgelehnt wird. Dann aber schwebt die Ueberschrift des zweiten Absatzes, mag die Fassung nun heißen „Art. III § 2 dieses Gesetzes“ oder mag sie heißen nach Ziffer 65 A. der Drucksachen „Art. III § 2 des vorbezeichneten Gesetzes“, vollkommen in der Luft. Das hat der Herr Abgeordnete übersehen. Wenn der Herr Präsident wünscht, dem Herrn Abg⸗ Kirsch Gelegenheit zu einer Abänderung seines Antrages zu geben, dann kann ich ja. später das Wort weiter ergreifen, sodaß der Herr

Abg. Kirsch Gelegenheit hat, seinen Antrag zu modifizieren.

Nach einer kurzen Erwiderung des Abg. Kirsch be⸗ merkt der

Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts Dr. Freiherr von Thielmann:

Nun komme ich zur Sache selber. Ich möchte das hohe Haus bitten, den Artikel VI, sei es mit, sei es gegen den ersten Absatz, nicht anzunehmen. Die Vielfältigkeit unserer Münzen, was die Prägung anlangt, ist bereits eine sehr große das hat der Herr Abg. Fischbeck richtig hervorgehoben und es erscheint nicht woͤnschenswerlh, sie weiter zu vermehren. Wenn einst ein großer nationaler Freudentag kommt, so bleibt immer die Möͤg⸗

neuen Artikels IVa

naket, durch

ein besonderes Gesetz eine Siegesmünze, oder was es

ist, zu schaffen. Es erscheint aber nicht zweckmäßig, im Rahmen sonst igen Bundesverfaffung die Sache allgemein zuzulassen. Jeder der je Bundesstaat, allerdings mit Genehmigung des Bundesraths, imvln die Möglichkeit, für besondere Ereignisse ein Zwei⸗ oder

n

müd als Denkmünze zu schlagen.

5 Außerdem kann ich dem hohen Hause mittheilen, daß diejenigen en, welche eigene Münzstätten besitzen, nicht die

ierung Dunndesrc⸗ diese ihre Münzstätten solchen Denkmünzen zu öffnen.

en, gösicht beg t der Herr Abg⸗Kirsch gesagt: Werden die Denkmünzen

lich ha s m Maße ausgeprägt, so werden sie sofort von den Sammlern

nit Beschlag belegt und es geschieht damit kein Schaden. Der Zweck iner Währungsmünze ist nun aber nicht, in den Sammlungen zu beben sondern im Verkehr umzulaufen, und es würde also ihrem

ventlichen Zweck nicht genügt. 8 bitte Sie also, den Art. 6 mit oder ohne ersten Absatz

bzulehnen. ab; Abg. Gamp befürwortet lebhaft die Annahme des Kommissions⸗ rags. Im Volke würde die Ausprägung von Fünf⸗ und Zwei⸗ marksticken mit dem Bildnisse des Kaisers Friedrich bezw. mit den Blüdrifsen der drei Kaiser mit Freuden begrüßt werden. Natürlich ürden nur große nationale Anlässe den Anstoß zu solchen Aus⸗ mäͤgungen geben. Ein Mißbrauch sei nicht zu befürchten. na Auch über Art. VI wird die Abstimmung ausgescht. Schluß 5 Uhr. Nächste Sitzung Dienstag 1. Uhr. Rechnungsvorlagen, dritte Lesung des Gesetzentwurfs, be⸗ treffend Aenderungen und Ergänzungen des Strafgesetbäuchs, gbstimmung über die Münzgesetznovelle.)

Haus der Abgeordneten. 44. Sitzung vom 12. März 1900, 11 Uhr.

Die zweite Berathung des Staatshaushalts für 1900 vird im Etat des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegenheiten bei dem Kapitel der höheren Lehranstalten fortgesetzt.

Abg. Dr. Glattfelter (Zentr.) tritt für eine angemessene Aus⸗ nönung der Erwerbsmöglichkeit für die Frauen durch erleichterte Zu⸗ lisong zu den Universitätsstudien, ferner für die Abschaffung der sog. Abschlußprüfung ein. Die Denkschrift der Regierung über die Sterb⸗ lihktitsverhältnisse der Oberlehrer begrüßt der Redner als Anregung u weiteren Forschungen auf diesem Gebiet. Man müsse dafür sorgen, daß die Lehrer ihre Arbeitsfreudigkeit behalten.

Abg. Dr. Goebel (Zentr.) hebt in längerer Darlegung die Be⸗ deutung der humanistischen Bildung für die Stärkung des nationalen Empfindens und die Erhaltung des Idealismus hervor und wendet sch segnadie Ueberbürdung der Lehrer, bleibt aber im weiteren un⸗ verständlich.

ünh⸗ von Knapp (nl.) wünscht eine erhebliche Erhöhung der Keisestivendien für die Lehrer der höheren Lehranstalten, um nicht alhusehr hinter dem Auslande in dieser Beziehung zurückzustehen.

Abg. Dr. Kropatscheck (kons.): Ich bin stets dafür eingetreten, unsere humanistische Bildung nicht herabgemindert werde. Den Ausführungen des Herrn von Heydebrand will ich nur einige Be⸗ werkungen hinzufügen. Haben die humanistischen Gymnasien ihren zweck so schlecht erfüllt, daß man sie als reformbedürftig ansehen nüßte? Sie sollten eine Vorbildung für das wissenschaftliche Studium auf der Universität geben. Wenn ich mich umsehe in allen Zweigen des öffentlichen Lebens, von den ersten Staatsmännern bis zu den Größen auf medizinischem und naturwissenschaftlichem Gebiet, die ale ihre Vorbildung auf dem humanistischen Gymnasium erhalten haben, kann ich nicht zu dem Schluß kommen, daß das humanistische EGymnasium seinen Zweck nicht erfüllt habe. Man hätte die Mängel abstellen, aber nicht an dem Fundament rütteln sollen. Gerade die unselige Konkurrenz auf dem Gebiete des Berechtigungs⸗ wesens hat dem Gymnasium geschadet. Das alte Realgymnasium solte nicht ein Konkurrent des humanistischen sein, sondern sollte eine praktische Ausbildung für das künftige Berufsleben geben. Bei den Reformen begann man alle Fächer gleichartig u behandeln. Seit 1882 ist die Stundenzahl des lateinischen Unterrichts um 28 % herabgemindert worden. Ich bin nicht dafür, inß man alle Augenblicke an dem Fundament des Unterrichts rüttelt. Man schlägt für den Anfang des Lateinischen alle möglichen Klassen dor bis zur Untertertia. Aehnlich ist es mit dem Griechischen. enn man alle zehn Jahre reformieren will, wo bleibt da die Stetigkeit der Entwickelung? Es wird nur die Unruhe und die Un⸗ scherheit bei den Lehrern, Schülern und im ganzen Lande um so mößer werden. Jeder der Reformvorschläge ist mir empfohlen worden nit der Behauptung, daß ebensoviel wie bisher geleistet werden würde. Das ist nicht richtig. Es ist unglaublich, wieviel weniger jetzt die Studierenden die alten Sprachen kennen als früher. Man hätte viel befser zethan, die Lehrpläne der einzelnen Anstalten zu differenzieren, mstatt sie immer mehr anzunähern. Seit 1892 sind noch das Reform⸗ voanasium und Realgymnasium hinzugekommen. Statt dessen hätte man nur unterscheiden sollen zwischen dem scharf ausgeprägten humanistischen Gymnasium, in welchem die alten Sprachen die Grundlage bilden, und den anderen Anstalten, welche für das dattsche Leben vorbereiten. Die Frage des Realgymnasitums ft eigentlich nur eine preußisch’, in den anderen Bundes⸗ taaten giebt es viel weniger Realgymnasien, und diese Frage st bei uns erst aufgetaucht, als das Rea'gymnasium aufhörte, das zu ein, was es ursprünglich sein sollte. Der Dezemberkonferenz macht um wegen der Einführung des Abgangsexamens in Sekunda un⸗ ndiente Vorwürfe; diese Prüfung sollte durchaus keinen schwierigen Fbonꝛkter erhalten, und sie ist auch in der That nicht schwer zu retehen, wenn nicht etwa einmal von einem Ordinarius geirrt wird, ens ja vorkommen kann. Was Herr Dr. Schröder über ie Ueberbürdung sagt, ist auch schon alles in der Dezember⸗ vif gesagt worden. Die vielgeschmähte Dezemberkonferenz dit ihr Möglichstes gethan, um die Reform unseres Schul⸗ 2 in gedeihliche Bahnen zu lenken. Ich will nur wünschen, 8 die weitere Deformierung unseres Schulwesens später ebenso sechtfertigt dasteht wie die Dezemberkonferenz. Herr Schröder hat uner Form seiner Schrift allerdings gefehlt, aber ich mache ihm

bu keinen so großen Vorwurf. Sonst führt er in seiner nähett nur die Klagen vor, die auch alljährlich in diesem Hause ev- worden sind. Der Kultus⸗Minister hat sich ja bereit er⸗ 9 an der Verbesserung der beklagten Zustände weiter zu ar⸗ 5* 8. Der Normal⸗Etat befriedigt im Ganzen niemanden. Man 8 87 Grundsatz anerkannt, daß die Lehrer mit den Richtern erster ficbt nz gleichgestellt werden müssen, daß ferner die Lehrer der

dUratlichen Anstalten mit denen der staatlichen Anstalten gleich⸗ 89 werden müssen; aber schließlich hat man immer wieder gesagt: ae 0 weit können wir doch nicht gehen. Der Redner empfiehlt gelt een von ihm mit Unterstützung der konservativen Partei Antrag: die Königliche Staatsregierung zu ersuchen: ie die weiten Nachtrag zum Normal⸗Etat in dem Sinne abzuändern, daat feste Zulage 1 a. a. O.) den Oberlehrern an den vom zalegnrterstützten Anstalten nach denselben Grundsätzen wie den nehrern an den vom Staat unterhaltenen Anstalten gewährt werde,

9.ie B t sonstigen technischen, der Elementar⸗ und Vorschullehrer dahin

estimmungen über die Besoldungen der Zeichenlehrer, dknüsdern, daß a. denjenigen fest angestellten und voll beschäftigten derer ün Lehrern, welche die vorgeschriebene Prüfung als Zeichen⸗ dugtthät öhere Schulen bestanden haben und an der Anstalt ihrer

igkeit den rollen lehrplanmäßigen Zeichenunterricht, jedoch

weniger als 12 Stunden wöchentlich, ertheilen, die in § 1 Nr. 4 des Entwurfs des dritten Nachtrags zum Normal⸗Etat vorgesehenen Gehaltssätze gewährt werden, b. die im § 1, 5 a des Normal⸗Etats nach der Fassung des ersten Nachtrags für die technischen, die. Elementar⸗ und Vorschullehrer vorgesehenen Ge haltesäb⸗ auf die Stadtkreise Schöneberg, Charlottenburg und Rixdorf ausgedehnt

werden.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Studt: Meine Herren! Ich gestatte mir im Anschluß an die Erklärung,

die ich vorgestern in diesem hohen Hause abzugeben die Ehre hatte,

nur noch hervorzuheben, daß es bei der bevorstehenden Berathuug über eine Aenderung in der Organisation unseres höheren Schulwesens nicht die Absicht der Unterrichtsverwaltung sein kann, an den Grund⸗ lagen der Reform, wie sie durch die Dezemberkonferenz von 1890 ein⸗ geleitet und durch die Normalpläne von 1892 zum Abschluß gebracht worden ist, im wesentlichen eine Aenderung eintreten zu lassen. Es handelt sich in der Hauptsache darum, gewisse moderne Richtungen, die inzwischen in einem ganz überraschenden und damals nicht geahnten Umfange sich entwickelt haben, in den Kreis ernster Erwägungen zu ziehen, sodann aber auch, die Mannigfaltigkeit der Gestaltung einzelner Unterrichtsanstalten, die, wie ja hier schon vielseitig geltend gemacht worden ist, schließlich einen buntscheckigen und zu Uebelständen Ver⸗ anlassung gebenden Zustand herbeigeführt haben, womöglich in ein einheitliches System hineinzubringen.

Im übtigen kann ich an den Erklärungen nur festhalten, die ich vorgestern hier abgegeben habe, und gestatte mir in Bezug auf das, was der Herr Vorredner soeben hervorgehoben hat, nur noch zu be⸗ merken, daß er doch wohl nicht ganz in seinen Ausführungen konse⸗ quent geblieben ist, wenn er auf der einen Seite das quieta non movere betont und auf der anderen Seite Uebelstände hervorgehoben hat, die seiner Ansicht nach einer Remedur bedürfen. Gerade diesen Ausführungen glaube ich auch ein Argument dafür entnehmen zu müssen, daß die Unterrichtsverwaltung nunmehr die Aufgabe hat, einen Zustand herbeizuführen, der hoffentlich aus dem gegenwärtigen System der Unruhe etwas Ruhiges und Dauerndes geschafft. (Bravo!)

Abg. Dr. Arendt (fr. kons.): Das humanistische Gymnasium kann nicht die Vorbereitung für alle Berufszweige sein; es geht zu Grunde, wenn man an dem Berechtigungsmonopol festhält. Deshalb muß die Berechtigung der anderen, für das praktische Leben vorbereitenden Anstalten erweitert werden. Das Reform⸗ gymnasium bietet große Vortheile. Wenn das humanistische Gymnaͤsium für alle gelehrten Berufszweige vorbereiten soll, und wenn man an dem Berechtigungsmonopol festhält, dann wird das humanistische Gymnasium nicht umhin können, immer weitere Konzessionen an das moderne Leben zu machen. Der Redner unterstützt den Antrag des Abg. Kropatscheck und bittet den Minister um seine Fürsorge für den Lehrerstand.

Abg. Dr. Dittrich (Zentr.) wünscht, daß das in Münster zu errichtende Progymnastum konfessionellen Charakter erhalte, ermahnt auch die Gemeinden, den paritätischen Charakter ihrer höheren Schulen mehr und mehr aufzugeben, und tritt überhaupt allgemein für die Konfessionalität der höheren Lehranstalten ein.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Studt:

Ich bin zu meinem Bedauern genöthigt, die thatsächlichen Dar⸗

legungen des Herrn Vorredners in einigen Punkten zu berichtigen. Zunächst handelt es sich nicht, wie der Herr Vorredner sich ausdrückte, um erst neuerdings befslgte Grundsätze der Königlichen Staatsregierung und um Nachklänge aus der Aera Falk, sondern die Praxis, welche die Unterrichtsverwaltung hinsichtlich der Festlegung des konfessionellen Charakters der höheren Unterrichtsanstalten seit langen Jahren stets befolgt hat, steht im Einklang mit einem bereits im Jahre 1862 ge⸗ faßten Beschlusse des Abgeordnetenhauses und hat also mit der Aera Falk nichts zu thun.

In Bezug auf den hier vorliegenden Fall habe ich nur auf die Erklärung meines Herrn Amtsvorgängers aus dem März v. J. dahin Bezug zu nehmen, daß eine vertragsmäßige Fest⸗ legung des konfessionellen Charakters der neu zu gründenden staatlichen Lehranstalt nach allgemeinen Verwaltungsgrundsätzen nicht zugestanden werden kann. Es steht ja hier, wie ich ausdrücklich hervorheben muß, nicht eine selbst⸗ ständige Entschließung der Königlichen Staatsregierung in Frage, sondern es soll mit der Stadt Münster in ein vertragsmäßiges Ver⸗ hältniß eingetreten werden hinsichtlich der Hergabe des Platzes für das neu zu errichtende staatliche Progymnasium. Aus allgemeinen politischen und staatsrechtlichen Gründen ist es aber nicht angängig, daß eine vertragsmäßige Festlegung des konfessionellen Charakters einer neu zu gründenden höheren Unterrichtsanstalt seitens der König⸗ lichen Staatsregierung irgend einer Stadtgemeinde gegenüber erfolgt, weil eine solche Festlegung zu ganz unberechenbaren Konsequenzen für den Fall veränderter Verhältnisse führen müßte.

Kann ich, wie bemerkt, in dieser Frage eine jetzt beinahe vierzig⸗ jährige Praxis der Staatsregierung für mich in Anspruch nehmen, so darf ich wohl weiter hervorheben, daß für die höheren Unterrichts⸗ anstalten auch ganz andere Gesichtspunkte hinsichtlich des konfessionellen Charakters in Betracht kommen als für die Volksschule, und daß eine Parallele in dieser Beziehung nicht statthaft ist, zumal eine möglichste Berücksichtigung der konfessionellen Verhältnisse bei den Volksschulen schon in der Verfassung angedeutet wird, während dies bezüglich der höheren Unterrichtsanstalten nicht der Fall ist.

Ich will auf dieses Gebiet nicht weiter eingehen; es würde zu nichts führen, hier die grundsätzliche Seite, die der Herr Vorredner berührt hat, von neuem zu erörtern, besonders da einige von ihm er⸗ wähnte Beispiele auch in thatsächlicher Hinsicht nicht ganz zutreffen. Was z. B. das Gymnasium in Warendorf betrifft, dessen Verhältnisse mir von früher her genau bekannt sind, so ist allerdings in der Urkunde, mittels deren die Unter⸗ richtsverwaltung die Anstalt, die früher eine kommunale war, auf den Staat übernommen hat, die Möglichkeit vorgesehen, daß bei veränderten Verhältnissen die Anstalt später einmal in eine paritätische verwandelt werden könnte. Thatsächlich hat eine solche Umwandlung bisher nicht stattgefunden; auch ohne vertragsmäßige Bindung der Unterrichtsverwaltung ist der konfessionelle Charakter der Schule nicht geändert worden, das gesammte Lehrerkollegium ist nach wie vor ein katholisches.

Was die Verhandlungen mit der Stadt Münster betrifft, so ist mir zum tbeil auch in den Zeitungen ein Vorwurf gemacht worden, als hätte ich gleich nach Uebernahme meines gegenwärtigen Ressorts veranlaßt, daß die Forderung der städtischen Behörden, die Anstalt konfessionell zu gestalten, abgelehnt und der Schule ein paritätischer Charakter beigelegt werde. Das ist voll⸗ ständig unrichtig. Es haben schon in dem Jahre 1898 Verhandlungen mit den städtischen Behörden stattgefunden,

deren Ergebniß in einem Erlaß vom 4. März v. J., also noch unte meinem Herrn Amtsvorgänger, dahin festgelegt worden ist, daß von einer vertragsmäßigen Fixierung des konfessionellen Charakters de Anstalt nicht die Rede sein könne, daß aber beabsichtigt werde, that sächlich die Anstalt als eine evangelische zu behandeln und bis au weiteres nur evangelische Lehrer an derselben anzustellen.

Diesen Standpunkt haben dann, worauf ich außerdem hinweisen darf, die städtischen Behörden in ihren Beschlüssen vom 5. Juli v. J. und vom 1. März d. J. einhellig acceptiert und dadurch das Zu standekommen der Anstalt in entgegenkommender Weise gesichert. Ich glaube nicht, daß es wohlgethan wäre, diese von den städtischen Be hörden angenommene Grundlage zu verlassen. Der Herr Vorredne hat ja auch seinerseits eine Aenderung der Kommissions beschlüsse, die Schule in der von der Staatsregierung beantragten und befürworteten Weise zu errichten, nicht in Antrag gebracht.

Nun kann ich den Herrn Vorredner aber in Bezug auf den Appell, den er am Schlusse seiner Ausführungen an mich gerichte hat, vollständig beruhigen. Die Anträge der städtischen Behörden hinsichtlich der anderweitigen Gestaltung des höheren Unterrichts wesens in Münster und namentlich hinsichtlich der Umgestaltung de dortigen Realgymnastums sind zwar erst heute früh hier eingegangen, 8 aber ich habe schon jetzt aus einer flüchtigen Lektüre dieser Verhand⸗ lungen entnehmen können, daß sie eine geeignete Grundlage geben werden für eine Gestaltung der Verhältnisse, wie sie den Wünschen der städtischen Behörden entspricht. (Bravo! im Zentrum.) Es sollte mich freuen, nicht bloß aus dem Gefühle der Dank barkeit heraus, die ich der Bürgerschaft der Stadt München schulde, sondern auch aus allgemeinen Gründen sollte es mich wirklich in hohem Maße mit Freude erfüllen, wenn es möglich wäre, den An trägen und Wünschen der städtischen Behörden in vollem Umfange stattzugeben. Was meinerseits nach der Richtung hin geschehen kann, soll ganz entschieden geschehen.

Abg. von Riepenhausen (kons.): Herr von Heydebrand hat unsere Stellung dargelegt, und sie wird nicht durch die Erklärung des Ministers beeinflußt. Ich kann auch nicht finden, daß sich Herr Kropatscheck widersprochen hat. Ich möchte auf die Ueberlastung einiger Lehrer an dem Königlichen Pädagogium in Putbus hinweisen. Den guten Ruf des Gymnasiums in Putbus verdanken wir der Auf opferung des Lehrkörpers, aber wir dürfen an die Lehrer nicht solch Ansprüche stellen, daß Krankheiten die unausbleiblichen Folgen sind. Ich bitte den Minister um eine baldige Remedur.

Abg. Daub (nl.) tritt dafür ein, daß den Oberlehrern die Hilfs⸗ lehrerzeit auf das Dienstalter angerechnet werde, da sie nur in seltenen Fällen das Höchstgehalt erreichten. 1

Abg. Krawinkel (nl.) meint, daß die neueren Sprachen ebenso gut wie die alten geeignet seien, den Geist zu bilden, und befürwortet die Zulassung der Abikurienten der Realgymnasien zum Studium der Medizin und der Jurisprudenz. Die bedauerliche Entfrembvung zwischen der Bureaukratie und den Männern des sonstigen Lebens komme daher, daß die Abiturienten des humanistischen Gymnasiums der Entwicklung des praktischen Lebens nicht die richtige Würdigung zu theil werden ließen. In Hamburg seien nur 19 % der Schüler auf humanistischen Gymnasien, und doch stehe das geistige. künstlerische und wissenschaftliche Leben in Hamburg nicht zurück. Umgekehrt sei es in Posen. Die nationalliberale Partei wolle die klassische Bildung nicht berabsetzen, verlange aber eine Erweiterung der Berechtigung der prakischen Richtung. 8

Abg. Dr. Hahn (B. d. L.): Man sollte in Bezug auf die Schul bildung nicht zwischen Ost und West unterscheiden. In Hamburg steh das geistige Leben nicht besonders hoch, in Posen sind dagegen di Söhne der Offiziere und Beamten auf den humanistischen Gymnasien. Kein anderer Zweig hat einen so schwierigen Bildungsgang wie die Philologen; alle anderen Studierenden haben einen bestimmt be⸗ grenzten Studienplan. Die Lage der Hilfslehrer muß verbessert werden, namentlich durch frühere Anstellung. Die Juristen stammen gewöhnlich aus reicheren Familien und kommen viel leichter in die Lage, eine reiche Frau zu heirathen als die Philolsgen. Die Philologen müßten auc auf die Volkswirthschaft mehr hingewiesen werden, damit sie ein größeres Verständniß und Interesse unserer nationalen Politik entgegenbringen.

Abg. Schmitz⸗Düsseldorf (Zentr.) verwahrt sich gegen den Vor⸗ wurf des Abg. Goebel, daß er den höheren Lehrern übelwolle.

Damit schließt die allgemeine Diskussion über die höheren Lehranstalten. 1“

Bei den Zuschüssen für die vom Staate zu unterhaltenden Anstalten bemängelt

Abg. Schmeißer (fr. kons.) die Unzulänglichkeit der Schulräume in Clausthal.

Bei den Zuschüssen für die von Anderen zu unter⸗ haltenden, aber vom Staate zu unterstützenden Anstalten be⸗ fürwortet 8. 8

Abg. Praetorius (kons.) die Bitte der Stadt Gartz a. O. um Erhöhung des Staatszuschusses. Seit 15 Jahren vertrete er diese Bitte, habe aber immer nur Versprechungen erhalten. Vom Kultus⸗ Ministerium sei er an das Finanz⸗Ministerium verwiesen; an dem letzteren liege es also.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Studt:

Zur Erklärung der Haltung der Königlichen Staatsregierung in 8 dieser Angelegenheit gestatten Sie mir zunächst Folgendes hervor⸗

zuheben. 8 Das Vollgymnasium in Gartz zählte im Jahre 1899 113 Schüler, darunter 62 einheimische und 51 auswärtige. Es läge in Anbetracht der großen Lasten, die sich die Stadt aufgebürdet hat, für die Königliche Staats⸗ regierung an sich alle Veranlassung vor, der Frage der Beseitigung dieser Anstalt näherzutreten, zumal die Meinungen über den Werth des Fortbestehens dieser Schule in der Bewohnerschaft sehr getheilt sind. Der Herr Vorredner hat selbst hervorgehoben, daß eine Petition vorliegt, welche auf baldige Auflösung und Beseitigung dieser Anstalt dringt.

6 83 ist weiter von dem Herrn Vorredner erwähnt worden, daß zur Zeit die Sache von neuem den Provinzialbehörden zur gutacht⸗ lichen Aeußerung zugegangen ist. Je nach dem Ausfall derselben werde ich mein Verhalten einrichten müssen. Das kann ich aber jetzt schon erklären, daß es mir eine Freude sein würde, wenn ich, namentlich nach den Darlegungen, die mir soeben über die dort herrschenden Nothstände gegeben worden sind, den dabei zum Ausdrucke gebrachten Wünschen entsprechen könnte. Es wird meinerseits das Möglichste geschehen um diese Wünsche zu verwirklichen. (Bravol rechts.) Daß die Er⸗ ledigung dieser Angelegenheit von meiner Entschließung allein nicht abhängt, ist den Herren ja bekannt.

Ich darf dann aber noch mein Bedauern darüber aussprechen, daß der Herr Abgeordnete es beliebt hat, den Erlaß vom 27. November v. J. in einer Weise zu schildern, die den im Ministerium beschäftigten Herren den Vorwurf zuzieht, als hätten sie absichtlich eine sich bietende Situation benutzt, um ihre Sondermeinung durchzusetzen. Das wären doch wunderbare Zustände, wenn es dazu kommen sollte! Ich muß im Interesse des Ansehens der Behörde gegen eine derartige Unter⸗ stellung die entschiedenste Verwahrung einlegen. 16“

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