den Schoß legen, sondern auch das Ihrige thun und vor Opfern nicht zurückscheuen.
Abg. von Arnim (kons.), schwer verständlich, will keine Kanal⸗ debatte entfachen und auch nicht davon sprechen, daß die Wasserbautechniker sich beim Bau des Dortmund⸗Ems⸗Kanals als sehr wenig richtige Rechner bewährt hätten. Der Redner führt zum Beweise dafür, daß der Dortmund⸗Ems⸗Kanal den Erwartungen bezüglich der Rentabilität nicht entsprochen habe, eine große Reibe von Zahlen an, die aber im Zusammenhange nicht ver⸗ ständlich werden. Wenn man die Ems 8 energisch ver⸗ tiefe, wie es geschehen solle, so werde die Gefahr der Versandung entschieden vergrößert. Zweifelhaft sei, Dichtung und Ausbesserung des Kanals aus dem Etat der laufenden Unterstützungskosten bestritten werden könnten. Seine Fraktion wolle geoen 8 Forderung nichts einwenden, ohne sich aber für die Zukunft zu binden.
Ober⸗Baudirektor Kummer: Gerade in den Worten des Vor⸗ redners, er wolle den Wasserbau⸗Technikern keinen Vorwurf machen, lag der Vorwurf, daß sie bei der Anlage des Kanals falsch gerechnet hätten. Als der Dortmund⸗Ems⸗Kanal ver⸗ anschlagt wurde, konnte man noch nicht übersehen, welchen kolossalen Aufschwung die Seeschiffahrt nehmen würde. Man hat mit den damaligen Maßen auskommen zu können ge⸗ glaubt. Das hat sich als irrthümlich erwiesen. Wie sehr ch der Seeverkehr entwickelt hat, zeigt die Zusammenstellung der Maße der zwanzig größten Schiffe in den letzten 50 Jahren. Vor 50 Jahren betrug die Länge 70,1 m, 1898 164,9 m, die Breite hat um 18,6 m zugenommen, der Tonnengehalt ist von 1430 auf 10 715 t. gestiegen, die Geschwindigkeit von 10,2 auf 18 Knoten. Darum müssen jetzt andere Anforderungen an einen Seekanal gestellt werden als damals.
Abg. Schmieding erwidert dem Abg. von Arnim, daß über die Rentabilität des Dortmund⸗Ems⸗Kanals noch kein sicheres Urtheil möglich sei, da er erst im August v. J. in vollen Betrieb gesetzt und während des Winters der Verkehr unterbrochen gewesen sei. Die übrigen Ausführungen des Redners bleiben unverständlich, da er ab⸗ gewendet spricht.
Abg. von Fecen befürwortet die Vertiefung der Ems.
Abg. Im Walle (Zentr.) bemängelt die Etatsüberschreitungen und die hohen Summen, welche seit 15 Jahren fortgesetzt die Ems und der Emdener Hafen erfordert hätten und welche sich wohl schon auf 50 Millionen beliefen. Man hätte den Kanal nicht in die Ems, sondern in die offene See, den Dollart führen sollen; so bleibe der Kanal nur ein Torso, eine Sackgasse. Es sei eine Kalamität, daß keine sicheren Voranschläge aufgestellt werden könnten.
Ein Regierungs⸗Kommissar theilt mit, daß der Emdener Außenhafen bisher 7,8 Millionen, der Binnenhafen 4,7 Millionen und die Vertiefung der Ems etwa 19 Millionen Mark erfordert habe.
Abg. Freiherr von Erffa (kons.) erwidert auf eine emerkung des Abg. Im Walle, daß, wenn die konservative Partei für diese Aus⸗
aben für Emden stimme, daraus keine Schlüsse auf die Haltung der artei zu den Kanalfragen überhaupt zu ziehen seien.
Bei den Ausgaben für die Vertiefung des Fahrwassers
zwischen Stettin und Swinemünde bittet
Abg. von Böhlendorff⸗Kölpin (kons.), den Wiesenbesitzern der Kreise Usedom und Wollin ein Aequivalent dafür zu bieten, daß infolge der künstlichen Anlage der „Kaiserfahrt“ bei Swinemünde die Wiesen überschwemmt würden, und empfiehlt die Kleinschiffahrt der Fürsorge der Regierung. 1
Bei den Ausgaben zum Schutze der Halligen an der schleswigschen Westküste bemerkt
auf Anregung des Abg. Jürgensen (nl.) ein Regierungs⸗ Kommissar, daß die Regierung die wirthschaftliche Bedeutung des Schutzes der Halligen nach wie vor anerkenne, diesen Arbeiten die volle Sympathie entgegenbringe und sie fortführen wolle, daß aber zur Zeit erst ein Generalplan dafür aufgestellt werde.
Bei dem Fonds von 7 Millionen Mark zur Uebertragung staatsseitig zu unterhaltender Wege, Brücken und Fähren auf kommunale Verbände beklagt sich 3
Abg. Dr. Lewald (kons.) über das ganze Verhalten der Regie⸗ rung in dieser Angelegenheit. Die Regierung habe in Ostpreußen und Posen Landstraßen zu Unrecht deklassiert oder sie so verfallen 1 daß es einer Deklassierung gleichkomme, um nun an die Kreise bei der Uebergabe dieser Wege geringere Abfindungen zahlen zu können. Die Abkürzung des Ablösungsverfahrens habe allgemein verstimmt. Die Regierung habe in der Kommission ihr Wohlwollen versprochen, hoffentlich werde sie dieses Versprechen halten. 1
Abg. von Sanden⸗Tilsit (nl.) bringt dieselbe Beschwerde speziell für den Regierungsbezirk Gumbinnen vor.
Um 4 ³ Uhr wird die Sitzung abgebrochen, um Abends 7 ½ Uhr fortgesetzt zu werden.
““ “
ob die erheblichen Kosten für
Abendsitzung vom 16. März,
Die Berathung des Etats der Bauverwaltung wird
bei den einmaligen 8. fortgesetztt. 11 Die zum Neubau der Weserbrücke bei Nienburg
beantragt die Budgetkommission zu streichen. 1
Abg. von Arnim (kons.) beantragt mit Unterstützung von Mitgliedern fast aller Parteien, die Regierung zu ersuchen, erneut zu prüfen, ob nicht die neue Brücke zu Nienburg kurz unterhalb der vor⸗ handenen mit Mündung auf die Weserstraße erbaut werden kann. Der Antragsteller schildert kurz die lokalen Verhältnisse und Interessen und legt Gewicht darauf, daß die alte Brücke erhalten oder daß wenigstens die neue im Interesse der Schiffahrt und unter Aufrecht⸗ erhaltung der Interessen der Nienburger unmittelbar in der Nähe der alten errichtet werde.
Ministerial⸗Direktor Schultz bemerkt, daß der Platz der neuen Brücke eingehend geprüft sei, verspricht aber, wenn der Antrag an⸗ enommen werde, eine nochmalige Prüfung; er bitte jedenfalls um
ewilligung der Forderung, damit der Neubau nicht verzögert werde.
Die Forderung wird gestrichen und der Antrag von Arnim
angenommen. 8 8 Bei dem Titel für die neuen Geschäftsgebäude der beiden
Häuser des Landtages bringt Abg. Dr. Sattler (nl.) die Klage der Handwerker zur Sprache, daß ihre Rechnungen zu spät bezahlt würden, und bittet dann, den Bau des Herrenhauses möglichst zu beschleunigen, damit das Abgeordnetenhaus wieder in seine alten Räume zurückziehen könne; denn der neue Saal sei für parlamentarische Ver⸗ handlungen absolut unbrauchbar. Das Haus sei sonst in allen seinen Theilen vorzüglich, aber dieser Saal sei für parlamentarische Unterhandlungen völlig ungeeignet. Er wolle über die Fefsr an sich nicht sprechen; wenn ein Redner langsam, deutlich und laut spreche, sei er wohl verständlich. Wer aber nicht mit einer gottbegnadeten Stentorstimme versehen sei, werde nicht verstanden. Wenn der Präsident sich erhebe, so höre man nichts, sondern sehe nur an seinem Erheben, daß er spreche. Auch die Minister seien nicht zu verstehen. Man höre immer einen Widerhall im Saale. Die Herren von der Presse könnten auch nichts verstehen, die Klagen darüber seien groß; aber sowohl die Minister wie die Abgeordneten müßten doch Werth darauf legen, daß ihre Aeußerungen von der Preße verstanden würden. Die Oeffentlichkeit und Mündlichkeit der erhandlungen werde unmöglich, und es laufe mehr und mehr darauf hinaus, Bemerkungen über einzelne Fragen zu Protokoll zu geben. Ent⸗ weder müßten die Redner ihre Stimme übermäßig anstrengen — dann gehe der Charakter der Rede verloren —, oder sie störten die Mitglieder im Saale nicht mehr und diktierten ihre Reden bloß den Steno raphen, und die andern meinten: Laßt ihn nur reden, was er will. Der Saal sei viel zu groß und die Decke zu hoch. Im Reichstage sei die Decke nicht so hoch, und die Tribünen seien in den Saal eingebaut. Wenn
nicht Aenderungen getroffen werden könnten, müsse er den Antrag
en, in die alten Räume zurückzuziehen.
— vhnsich nad Direntor Schultz erwidert, daß es immer die Praxis sei, die Rechnungen der Handwerker sofort nach Beendigung eines Baues zu bezahlen, aber an diesem Hause werde immer no gearbeitet, sodaß allerdings einige Rechnungen vielleicht noch nicht erledigt seien. Das neue Herrenhaus werde zur Session 1902 fertig⸗ gestellt werden. Auf den Wunsch, daß das Abgeordnetenhaus in die alten Räume zurückziehe, gehe er nicht ein; das müsse er dem Hause überlassen. An diesem Neubau seien alle Wünsche des Hauses berücksichtigt worden. Die Verwaltung habe Bedenken gegen die Dimensionen dieses Saales gehabt; die Vertretung des Hauses habe aber gewünscht, daß die Sitze im Saale möglichst befshe seien und überall den Ausblick frei ließen. Die Bauverwaltung abe darauf auf⸗ merksam gemacht, daß dann die Redner ihre Stimme mehr anstrengen müßten. Die Reichstagsabgeordneten, z. B. Herr von Bennigsen, hätten darauf hingewiesen, daß sie schon im neuen Reichstage sich beim Sprechen mehr anstrengen müßten. Trotzdem hätten die Mitglieder des Hauses an ihren Wünschen festgehalten. Eine schlechte Akustik könne nicht zugegeben werden; denn darunter verstehe man einen Wid rhall oder störende Geräusche. Die Bauverwaltung habe schon die Architekten angewiesen, Vorschläge zu machen, um den Klagen abzuhelfen. Es seien zwei Projekte aufgestellt worden, und diese würden in nicht zu ferner Zeit dem Vorstand des Hauses unterbreitet werden. Das eine Projekt wolle Säulen auf die Tribünen aufstellen und die Decke um 3 bis 3 m herunterrücken; das andere Projekt wolle den Saal ver⸗ kleinern. Wenn diese Session nicht zu weit in den Sommer hinein dauere, würden die Arbeiten bis zur nächsten Session ausgeführt werden
können. Abg. Dasba entr.) führt die Thatsache, daß die Redner u1u“ 19. zurück, daß die Herren sich zu laut
nicht verstanden werden, w 1 Reden von der letzten Bank aus sehr unterhielten. Er habe schon e t “
gut verstanden, auch den Minister von Migquel. großen Saales verlange, daß man von der Rednertribüne aus spreche.
Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum (kons.) betont gleichfalls, daß die laute Unterhaltung daran schuld sei, daß die Redner schlecht verstanden würden. Dann komme in Betracht, daß die Herren mit zunehmendem Alter etwas taub würden. Die Bauart des Hauses sei
nicht die Ursache; die Bauart sei vorzüglich. 1.“
8 Abg. Dr. Sattler: Lassen Sie sich durch die verführerischen Reden des Herrn Dasbach nicht bestimmen. Die Bauart des ganzen Hauses habe ich nicht getadelt. Wir sind hier nicht in der Kirche, wo der Pastor allein spricht, sondern wir sind eine parlamentarische Versamm⸗ lung und wollen politische Geschäfte machen. ch freue mich, daß bald Abhilfe geschaffen werden soll, denn noch eine weitere Session
können wir hier nicht mehr durchmachen. b Abg. Broemel (fr. Vgg.) warnt vor einer Uebertreibung und
erinnert daran, daß im alten Saal die Unterbringung der Mitglieder wegen der geringen Dimensionen kaum noch erträglich gewesen sei. Eine Rede des Herrn Ministers von Miguel sei allerdings einmal sehr schwer verständlich gewesen, aber er habe damals auch mit leiser Stimme gesprochen. Beim Geographenkongreß, als dieser Saal voll besetzt gewesen, sei jeder Redner zu verstehen gewesen. Zur Verbesse⸗ rung der Akustik möge ja das Möglichste geschehen, aber der Bauart des Hauses sei jedenfalls die Anerkennung nicht zu versagen.
Der Rest der einmaligen Ausgaben wird ohne Debatte
82
bewilligt.
Die Denkschrift über die Bauausführungen an den Wasser⸗ straßen wird durch Kenntnißnahme für erledigt erklärt.
Darauf werden die zurückgestellten Titel des landwirth⸗ schaftlichen Etats, „Beihilfe zur Regulierung des Hoch⸗ wasserprofils der Weichsel von Gemlitz bis Pieckel“ und „für den Ausbau der hhc vaftergefäheltchen schlesischen “ flüsse“, wofür je 3 Millionen Mark als erste Rate ausgeworfen sind, berathen.
Abg. von Arnim k(kons.) befürwortet als Berichterstatter der Budgetkommission die Bewilligung dieser Titel. V1
Nachdem sich auch Abg. von Pappenheim (kons.) dafür ausgesprochen hat, werden die Titel bewilligt.
Es folgt der Etat der Ansiedelungskommission für Westpreußen und Posen.
Berichterstatter Abg. Dr. Lewald berichtet eingehend über die Thätigkeit der Ansiedelungskommission und die Kommissionsverhand⸗ lungen über diesen Etat.
Abg. Freiherr von Eynatten (Zentr.) führt aus, daß das An⸗ siedelungsgesetz seinen Zweck, die Polen zu verdrängen, nicht erreicht habe, wohl aber eine Evangelisterung der katholischen Landestheile herbeiführe, da die evangelischen Ansiedler bevorzugt würden.
Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:
Meine Herren! Ich will tiefer in die Streitfrage der Berech⸗ tigung der Ansiedelungskommission und ihrer Arbeiten nicht eingehen, seit dem Bestehen dieses Gesetzes sind diese Gegensätze immer unver⸗ mittelt gegen einander hier zum Ausdruck gekommen. Glücklicherweise ist die Thatsache aber die, daß diese kulturellen und nationalen Maß⸗ nahmen in den östlichen Provinzen mit gemischter Bevölkerung be⸗ stehen und segensreich weiter wirken.
Meine Herren, ich komme zuerst auf den letzten Punkt, den der Herr Vorredner berührt hat; er meint, es sei hier eine mehr oder weniger absichtliche und parteiische Behandlung in Beziehung auf die Konfession der Ansiedler vorhanden. (Sehr richtig! bei den Polen.) Der einzige Zweck, den dieses Gesetz verfolgt, ist die Stärkung des Deutschthums in diesen Distrikten und zugleich eine kulturelle Förde⸗ rung der betreffenden Provinzen, die im Besitz eines großen Vorzugs in kultureller Beziehung durch dieses Gesetz gegen die anderen Pro⸗ vinzen im Osten der Monarchie sich befinden. Es ist allerdings richtig, daß kraft dieses Gesetzes eine größere Zahl von Protestanten als von Katholiken angesiedelt worden ist. Das ist sehr gegen unseren Wunsch und Willen. (Widerspruch im Zentrum.) In dem Augenblick, wo die Garantie vorhanden wäre, daß die katholischen Ansiedler ihr Deutschthum ebenso sicher fest⸗ halten wie die protestantischen Ansiedler, wäre für die Staatsregierung nicht der geringste Grund vorhanden, irgend einen Vorzug der einen oder anderen Konfession zu geben. Sie können sich davon fest über⸗ zeugt halten, daß, wenn diese Garantie gegeben wird — und ich hoffe, sie ist durch das Entgegenkommen des Herrn Erzbischofs in Zukunft gegeben —, jede Verschiedenheit in den Zahlen verschwinden wird, sofern die Zahlen übereinstimmen mit den Zahlen der Katholiken und Protestanten in Preußen überhaupt.
Ich persönlich wünschte, daß wir uns in dieser Frage rein auf den nationalen Boden stellten, und daß wir durch die Art der Ansiedelungen und die gleiche Behandlung der Konfessionen die konfessionelle Frage aus der Sache ganz herausbringen könnten. (Sehr richtig!) Das würde für die ganze Aktion, für die Möglichkeit gute und tüchtige Ansiedler zu bekommen, von der gröͤßten Wichtigkeit sein (sehr richtig!), und wenn durch das Entgegenkommen des Herrn Erzbischofs in dieser Beziehung die nöthigen Garantien gegeben werden, so wird das Ver⸗ fahren in dieser Richtung ein anderes, den Wünschen der Herren ent⸗ sprechendes sein.
Wir müssen aber auf die Erfahrungen sehen. Ich kann nicht umhin, das Verlangen auszusprechen, daß die polnischen Geistlichen in der Behandlung der Deutschen in ihrer Eigenschaft als Katholiken
keine nationalen Bestrebungen verfolgen. Sie sollen wie die deutsche Geistlichen nur ihre Hauptaufgabe erfüllen; sie sollen aber nicht 8 Religion dazu benutzen, um katholisch⸗nationale Bestrebungen e unterstützen. (Zuruf bei den Polen: Das thun sie auch nicht!) In die Meinung aller Deutschen in ihren Heimathsprovinzen ist eine andere, und wir haben auch in den Verhandlungen mit dem 8 Erzbischof demselben Thatsachen mittheilen können, die er selbst wohl als ungerechtfertigt erklären dürfte. Wenn die deutschsprechenden aber der polnischen Nationalität angehörenden Geistlichen jede politisch⸗polnisch „nationale Agitation bei Seite räumen, die deutschen Katholiken genau ebenso liebevoll, vorsorglich und seel. sorgerisch behandeln, dann wird von selbst die beklagte Imparität wegfallen. Ich hoffe, meine Herren, daß, wenn das, was uns der Herr Erzbischof zugesagt hat, wirklich offen, wie ich das gar nicht anders erwarte, und sicher erfüllt wird, diese Bedenken, die hier gegen das ganze Gesetz von Seiten der Katholiken geltend gemacht werden in Zukunft wegfallen werden.
Nun sagt der Herr Vorredner, wir wollten die Polen auskaufen. Aber in Wahrheit kaufen wir in der letzten Zeit weit mehr deutsche Güter als polnische — wenn ich nämlich als deutsche diejenigen Güter bezeichne, welche in der Hand eines deutschen Besitzers sind. Aber, meine Herren, die Aufgabe, das Deutschthum in diesen Pro⸗ vinzen zu stärken, können wir nicht erfüllen bloß dadurch, daß nur der Besitzer wechselt, sondern wir wollen deutsche Bauern ansiedeln (sehr richtig! bei den Nationalliberalen), von deutscher Nationalität, von deutscher Kultur, und die Ansiedelung solcher deutscher Bauern, die ein Vorbild in der Landwirthschaft und in kultureller Haltung für die polnischen Bauern sein werden, ist ein großer Kulturfortschritt für diese Provinzen.
Meine Herren, wenn der Herr Vorredner darauf hinweist, wir würden allmählich die Polen aus ihrem Lande vertreiben, von ihrer Heimath, von ihrer Scholle, so lehrt die Statistik, daß bis jetzt gerade das Umgekehrte leider der Fall ist. (Sebr richtig!) Wenn ich nicht irre, sind in den letzten drei Jahren noch etwa 29 000 ha aus deutschem Besitz in polnischen mehr übergegangen als umgekehrt. Also von einer Gefahr des Herausdrängens aus dem alten nationalen Besitz an Grund und Boden kann gegenwärtig für die Polen noch garnicht die Rede sein. Ich wollte, daß die deutsche Bevölkerung dieselbe Energie, dieselbe nationale Kraft und festes Zusammenhalten bewiese, wie die Polen.
Meine Herren, das sicherste Mittel, welches bisher sich bewährt hat, das Deutschthum in diesen Bezirken zu stärken, ist die Ansiedelung von deutschen Bauern gewesen, und es wird ein Staat, der sich als deutscher Staat fühlt, eine solche Politik nach diesen Er⸗ fahrungen garnicht aufgeben können. Er kann das aber umsomehr, weil dies Vorgehen der polnischen Bevölkerung gegenüber kein Unrecht ist. Kein Pole wird gezwungen sein, Grund und Boden zu verkaufen. Dagegen erhöht das Vorgehen der Ansiedelungs⸗ kommission die Preise des Grund und Bodens (sehr richtig!), und es möchte manche andere Provinz diese Vortheile auch genießen. (Sehr richtig! rechts.) Die angesiedelten deutschen Bauern aber sind für die Polen — das kann man behaupten — in ihrer durchschnittlichen höheren kulturellen Entwickelung geradezu ein Vorbild und ein Muster. (Na, na! bei den Polen.) Das können die Polen auch nicht bestreiten, wenn sie sich unsere Ansiedelungsdörfer ansehen. (Widerspruch bei den Polen.)
Meine Herren, Herr von Eynatten hat sich nun beschwert, daß einige Heuerleute aus Westfalen herübergegangen sind, um in Posen ein Rentengut zu erhalten. Wo gingen denn diese Heuerleute — ich bin ja selbst aus dem Osnabrückschen und weiß das —, wo gingen diese Heuerleute früher hin? — Sie wanderten aus nach Amerika, und die Möglichkeit, jetzt Kleinbesitz in ihrem eigenen deutschen Vaterlande zu erwerben, hält sie fest im Lande, während sie früher zu Tausenden das Vaterland verließen. (Sehr richtig!) Sie hatten die Sehnsucht, auch einen selbständigen eigenen Besitz zu bekommen, waren meist sogar in guten Verhältnissen; aber gerade weil sie das waren, haben sie erst recht den Wunsch, selb⸗ ständige Bauern zu werden. Wenn daher einige Heuerleute jetzt nach Polen gegangen sind, so wird Westfalen darunter nicht schwer leiden. Der Arbeitermangel, der sich in Westfalen auch zeigt, hat ganz andere Gründe. Ich erinnere mich der Zeit noch ganz genau, wo in den meisten deutschen Landestheilen infolge unserer Gesetze über den Grund und Boden, infolge des Mangels der Einrichtungen, welche mit geringem Kapital die Ansiedelung von kleinen Leuten er⸗ möglichte, Hunderttausende über den Ozean gingen. Wenn jetzt die Auswanderung so sehr heruntergegangen ist, daß sie kaum noch ein Dutzend Tausend bedeutet, so ist das zum erheblichen Theil durch die Möglichkeit der eigenen selbständigen Niederlassung für die kleinen und mittleren Leute bewirkt. Ich bin davon fest überzeugt, daß, wenn die Ansiedelungskommission in der einen oder anderen Form eingeführt würde auch für die anderen östlichen Provinzen, wo ein soziales Be⸗ dürfniß in dieser Beziehung gleichmäßig wie in den gemischt sprach⸗ lichen Bezirken vorhanden ist, so würden wir keinerlei Klagen hören⸗ Im Gegentheil, man würde anerkennen, daß mit einer solchen Maßnahme ein sehr großer Kulturfortschritt gemacht wird. Ich wünschte dringend, daß die gesammte Haltung der polnischen Bevölkerung auch die Ansiedelung von Polen ermöglichte. Aber ehe wir nicht die Ueberzeugung ge⸗ winnen, daß dies in nationaler Beziehung für den preußischen Staat unbedenklich ist, so lange wir diese feindselige Haltung, diese wachsend feindselige Haltung des Polenthums gegen das Deutschthum erblicken, solange die Polen sich überall als Nation konstituieren in einem deutschen Staat, sich trennen von unseren deutschen Mitbürgern, in
ihrer Presse den preußischen Staat und die deutsche Bevölkerung mit
den heftigsten und giftigsten Waffen angreifen, solange kann man do
einem nationalen Staat, wie es Preußen ist, nicht zumuthen, 8 Interesse seiner Gegner zu handeln. (Sehr richtig!) Wenn 8 Polen in dieser Beziehung allmählich, wie ich hoffe, doch eine anden Haltung annehmen, sich auch als Preußen fühlen, innerlich gewillt g dem preußischen Staat, der preußischen Krone volle Treue und volle 4 neigung zu gewähren — in demselben Augenblick würde die Ansiedelung kommission auch segensreich in diesen Landen wirken, selbst Ss die Polen ebenso gut ansiedelte wie Deutsche. Jetzt aber ware ein Selbstmord des nationalen deutschen Staats, wenn wir nach Vorschlägen des Herrn von Eynatten verführe
zum
Zweite Beilage
Berlin, Sonnabend, den 17. März
„Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeig
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
8
8 Abg. von Brodnicki (Pole) bekämpft das Ansiedelungsgesetz
dwiederholt die Behauptung, daß dieses Gesetz durch das Bürger⸗ 1n Gesetzbuch aufgehoben sei, ebenso Abg. Morty (Pole). Abg. Seer (nl) fordert die Regierung auf, auf dem guten Wege eortzufahren, den sie mit den Ansiedelungen eingeschlagen habe. ferbg. von Jagow (kons.) widerspricht der Behauptung, daß das Ansiedelungsgesetz durch das B. G⸗B. beseitigt sei; das Gesetz sei zfentlich rechtlicher Natur und werde durch das B. G.⸗B. nicht
zeühtt. einigen weiteren Bemerkungen des Abg. Kolisch (fs.
Vgg.) und des Geheimen Ober⸗Regierungsraths Sachs erwidert auf ng Beschwerde des Abga. Meyer⸗Riemsloh (Zentr.) wegen An⸗ siedelung eines kontraktbrüchigen Heuermanns aus Westfalen der
Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer⸗ in: 8 Meine Herren! Der Schlußantrag des Herrn Vorredners hat mit der hier zur Verhandlung stehenden Frage keinen Zusammenhang. Ich bin erbötig, zu prüfen, ob das Gesetz noch Anwendung finden muß auf die Verhältnisse der Osnabrücker Heuerleute, und je nachdem uu erwägen, ob das Gesetz aufzuheben ist.
Was den im Eingange beregten Fall der Abwanderung eines Heuerlings des Herrn von Baar betrifft, so ist allerdings bei mir eine Beschwerde des Herrn von Baar darüber eingegangen, daß die An⸗ siedelungskommission einen kontraktbrüchigen Heuermann angenommen habe, der Beweis aber, daß der Heuermann thatsächlich kontraktbrüchig gewesen sei, war weder angetreten noch erbracht. Die Entscheidung darüber, ob ein Kontraktbruch vorlag, gebührte jedenfalls mir nicht, und ich war auch nicht berufen, in der Sache zu entscheiden, weil die Beschwerde über die Annahme eines Ansiedlers zunächst bei der Ansiedelungskommission selbst zu erheben war. Dahin habe ich auch den Herrn von Baar beschieden. Aus dem Vortrag des Herrn Abg. Meyer erfahre ich erst jetzt, daß die Beschwerde bei der Ansiedelungskommission erhohben ist. Wenn Herr von Baar mit dem Bescheid der Ansiedelungskommission nicht zufrieden war, dann mußte er den weiteren Instanzenweg beschreiten. Das hat er nicht gethan. Die Sache gehört jedenfalls zur Zeit wenigstens nicht vor das hiesige Forum. Der Beschwerdeführer, Herr von Baar, hat die Rechtsmittel, die ihm zu Gebote standen, noch nicht erschöpft. — Im übrigen scheint es, als wenn der Mann, den die Ansiedelungs⸗ kommission angenommen hatte, überall nicht kontraktbrüchig gewesen ist.
Der Etat der Ansiedelungskommission wird bewilligt und die Denkschrift über die Ausfuͤhrung des Ansiedelungsgesetzes durch Kenntnißnahme für erledigt erklärt.
Schluß 10 ³¾ Uhr. Nächste Sitzung Sonnabend 11 Uhr (Etat der Finanzverwaltung und Etatsgesetz).
Die Vorbeugung gegen Hochwassergefahr im Elbstromgebiet.
Unter ähnlicher Ueberschrift haben wir in Nr. 79 des „R.⸗ u. St⸗Anz.“ vom 1. April 1898 über eine Denkschrift des preußischen Wasserausschusses berichtet, welche die zur Vorbeugung gegen Hochwassergefahr im Oderstromgebiet wünschenswerthen aß⸗ nahmen behandelte. Inzwischen sind zur Durchführung der in jenem Gutachten empfohlenen Schutzmaßregeln gesetzliche Vor⸗ kehrungen für die Quellgebiete der Gebirgsflüsse des Oderstromgebiets bereits getroffken worden und weitergehende stehen in Aussicht, die einen Ausbau dieser Gebirgsflüsse und die Zurückhaltung des Hoch⸗ wassers durch Sammelbecken bezwecken. ie früher erwähnt, bildete die Denkschrift den ersten Theil einer eingehenden Beantwortung der im Allerhöchsten Erlasse vom 28. Februar 1892 gestellten Frage B:
„Welche anderweiten Maßnahmen können angewendet werden, um für die Zukunft der Hochwassergefahr und den Ueberschwemmungs⸗ schäden soweit wie möglich vorzubeugen?“
Schon vorher war die Frage A dahin beantwortet worden, daß durch vermeintliche Mängel im System der Regulierung und Kanali⸗ sierung der preußischen Flüsse eine Steigerung der Hochwassergefahr und der Ueberschwemmungsschäden nicht herbeigeführt, eine Aenderung der bisherigen Bauweise also nicht zu empfehlen sei. Wie das Gutachten über die Frage B für das Oderstromgebiet zeigte, liegen die Ursachen des häufig ungünstigen Ver⸗ laufes der großen Hochfluthen und ihrer schweren Schäden auf einem anderen Felde, nicht aber auf dem der Regulierung unserer schiffbaren Ströme. Die weitere Bearbeitung der Frage für das Elbstromgebiet hat zu demselben Ergebnisse geführt und eine Reihe von Vorschlägen veranlaßt, die in einer am 15. Dezember 1899 durch Beschluß des isschufses festgestellten Denkschrift näher begründet und in den nach⸗ * wörtlich abgedruckten Schlußerklärungen kurz zusammen⸗
nd.
x In dieser Denkschrift wurden die Eindrücke verwerthet, welche die
itglieder des zur Vorbereitung der gutachtlichen Aeußerung ein⸗ gesetzten Unterausschusses bei einer Besichtigung der in Betracht emmenden Gebietstheile im Sommer 1899 gewonnen haben. Dabei Püngten die auf Verbesserung der vorhandenen Mißstände gerichteten Wänsche und die bereits in Bearbeitung befindlichen Entwürfe hierfür zur eingehenden Erörterung mit den am meisten betheiligten Be⸗ bvofnern der gefährdeten Niederungen und den Vertretern der vehörden. Als Geundlage dieser Verhandlungen diente das die tülrograpbischen, wasserwirthschaftlichen und wasserrechtlichen Ver⸗ ütrise des Elbstromes, seines Stromgebiets und seiner wichtigsten ebenflüsse behandelnde Elbewerk. 8 Des Kaisers und Königs Majestät haben von dem Gutachten . Interesse Kenntniß genommen und äußerten Allerhöchstsich dabei 8 nen über die gründliche und umfassende Beleuchtung und nöntwortung der gestellten Frage seitens des Ausschusses. Aller⸗ 5 ieselben gaben der Hoffnung Ausdruck, daß es gelingen werde, ti gewoanenen Resultate in Gesetzgebung und Verwaltung zur pratk⸗ memn Herwerthung 85 b. wurde gleichzeitig die Ge⸗ 8 ur Veröffen Säluger 9 ichung des Gutachtens und der folgenden
I Technische Maßregeln an den Nebenflüssen der Elbe.
1) Durch den Bau von Thals 8 8 perren zur Aufspeicherung des esere der Bode für gewerbliche Zwecke würde sich neben anderen üßbei en auch eine Verminderung der Hochwasserstände im unteren Münfe herbeiführen lassen. Ihre Einwirkung wird jedoch nicht nn besh reichen, daß bierdurch die nachtheiligen Ueberschwemmungen 3 beitigen wären. Vielmehr ist zu diesem Zwecke ein planmäßiger e der unteren Bode erforderlich. Es empfiehlt sich, die für Urfrergleichende Werthschätzung der beiden bereits vorliegenden Ent⸗
nothwendigen Untersuchungen alsbald vorzunehmen.
8
mäßig
2) Eine durchgreifende Verbesserung der ungünstigen Hochwasser⸗ und Vorfluthverhältnisse an der preußischen Muldestrecke, besonders die regelmäßige Gestaltung des verwilderten Flußbettes, kann nur auf Grund eines einheitlichen Planes ausgeführt werden. Da der bereits vorliegende Entwurf wegen seines hohen Kostenbetrages wenig Aussicht auf Verwirklichung bietet, empfiehlt sich dessen Umarbeitung, wobei besonders auf die Verminderung der Kosten für die Erdarbeiten und Uferschutzwerke durch Wahl einer geringeren Sohlenbreite und flacherer Böschungen Rücksicht zu nehmen ist.
.3) Für die Verbesserung der ungünstigen Wasserverhältnisse im Mündungsgebiete der Schwarzen Elster kann die Anlage eines Elb⸗ durchstichs bei Wartenburg oder die Verlegung der Mündung strom⸗ abwärts nicht in Betracht kommen, da der Nutzen in keinem Ver⸗ hältniß zu den hohen Kosten und zu den bei Anlage des Durchstichs anderweit erwachsenden Nachtheilen stehen würde. Ob eine Minderung der Ueberschwemmungsschäden des linksseitigen Polders durch künstliche Entwässerung zu ermöglichen wäre, bedarf ausgedehnter Pumpversuche, deren baldige Vornahme empfohlen wird.
4) Die zur Verbesserung der ungünstigen Wasserverhältnisse im Spreewald und an den ober⸗ und unterhalb gelegenen Spreestrecken bearbeiteten Entwürfe bilden ein einheitliches Ganzes, dessen voll⸗ ständige Durchführung dringend zu empfehlen ist. Am dringlichsten erscheint die Festlegung der abbrüchigen Ufer und die Zurückhaltung des Sandes in den Oberläufen, die Beseitigung der Sandablagerungen im Spreebett von Spremberg abwärts, die Entsandung und der Ausbau der Flußbetten im Spreewalde, die Erweiterung der Wehr⸗ anlage bei Lübben, die Anlage eines Hochwasser⸗Entlastungskanals von Leibsch nach der Dahme, sowie der geplante Ausbau der Spree unterhalb Leibsch und des Kanals Gr.⸗Tränke⸗Seddinsee für die schnellere Ableitung des Hochwassers. 5) Die Abflußverhältnisse an der Unteren Havel bedürfen dringend einer durchgreifenden Verbesserung. Die früher geplante Verlegung der Havelmündung würde die jetzigen Mißstände nur im Mündungs⸗ gebiet beseitigen und mit so großen Nachtheilen für die Elb⸗ niederungen verbunden sein, daß sie nicht empfohlen werden kann. Eine Verbesserung der Abflußverhältnisse im Gesammtbereich der Unteren Havel ist vielmehr nur dadurch erreichbar, daß die Havel selost mit Benutzung ihrer Altläufe zur rascheren Abführung des Hochwassers eingerichtet wird. Es empfiehlt sich, einen Entwurf hierfür aufzustellen, um den Nutzen und die Wirthschaftlichkeit der im Gutachten erwähnten einzelnen Maßnahmen zu prüfen und ge⸗ eignete Theile dieses einheitlichen Entwurfs bald auszuführen, um durch ihren Erfolg einen zutreffenden Maßstab für die Beurtheilung
des ganzen Planes zu gewinnen.
II. Technische Maßregeln an der Elbe.
1) Es empfiehlt sich die Aufstellung eines die vollständige Re⸗ gulierung des Hochwasserbettes der Elbe umfassenden generellen Planes unter Beachtung der im einzelnen nachstehend bezeichneten Gesichts⸗ punkte. Die für die Beseitigung offenkundiger Abflußhindernisse schon aufgestellten Einzelentwürfe sind unabhängig von der Feststellung dieses Gesammtplanes unverzüglich nach Möglichkeit zu fördern.
2) Für die regelmäßige Abführung des Hochwassers und Eises sind längs der Elbe die von Abflußhindernissen frei zu legenden und frei zu haltenden Flächen des Hochwasserbettes als Fluthstreifen festzustellen.
3) Soweit innerhalb der Fluthstreifen nicht die vollständige Niederlegung von Waldbeständen zur Verhütung von Eisversetzungen nothwendig erscheint, ist durch Lichtung des Bestandes und dauernde Fernhaltung des Unterholzes dafuͤr zu sorgen, daß nachtheilige Stau⸗ wirkungen von erheblicher Bedeutung nicht eintreten können. Wenn Bodenbeschaffenheit und Höhenlage günstig sind, empfiehlt es sich, den Wald in Wiese allmählich umzuwandeln.
4) Weidenwerder und sonstige Buschbestände bilden ein erhebliches Abflußhinderniß und sind in Wiese umzuwandeln. Die Weiden⸗ bestände auf den Alluvionen sind, soweit die Anlandungen unter Buhnenkronenhöhe liegen und zur Sicherung ihres Bestandes noch des Schutzes bedürfen, thunlichst alljährlich abzutreiben, auf höheren Anlandungen aber zu beseitigen. Auf den Buhnen ist der Weiden⸗ wuchs in Stromstrecken mit geringem Hochwasserquerschnitt zu entfernen, im übrigen kurz zu halten. Es empfiehlt sich, allmählich die Weiden⸗Bespreutung der Buhnen durch Steindeckung zu ersetzen.
5) Hohe Auflandungen auf den Alluvionen sind bis zur Höhe der Buhnenkronen abzutragen. Die zur schädlichen Spaltung und Ablenkung des Hochwasserstromes Anlaß gebenden unregelmäßigen Erhebungen der Ufer sind zu beseitigen.
6) Wo Deichengen durch plötzliche Einschränkung des Fluthbettes gebildet werden, erscheint ihre Erweiterung durch Zurücklegung der Deiche oder Beseitigung der verengenden Einbauten geboten.
7) Die Anlage von Flügel⸗ oder Leitdeichen ist zweckmäßig bei Oertlichkeiten, wo durch die Unregelmäßigkeit der Deichzüge ein zu Eisversetzungen Anlaß gebender schroffer Wechsel in der Breite des Hochwasserbettes hervorgerufen wird, wo der Hochwasserstrom von der Richtung des Stromlaufs wesentlich abweicht oder ihn kreuzt, wo eine Seitenabströmung nach Altbetten und tiefen Bodensenken stattfindet und wo Schutz gegen Ueberströmung und Versandung von Vorländern geschaffen werden soll.
. 8) Hochwasserfreie Polderdeiche (Winter⸗ oder Banndeiche) ge⸗ währen der Niederung zwar Schutz gegen Ueberfluthung, schaffen aber durch die verminderte Aufschlickung binnendeichs bei fortgesetzter Auf⸗ landung außendeichs mit der Zeit immer ungünstigere Deich⸗ und Entwässerungsverhältnisse, zumal bei dem in den Elbniederungen meist verehass. die Bildung von Drängwasser begünstigenden Unter⸗ grunde.
Um den zunehmenden Schädigungen durch Drängwasser und den aus Deichbrüchen drohenden Gefahren entgegen zu treten, ist die Ver⸗ füllung von Wasserlöchern und Schlenken vor und hinter den Deichen, die Herstellung von Qualmdeichen und vie Anlage von Bermen binnen⸗ deichs bei tiefer Lage des Geländes, an Schardeichen die Vorschüttung und die Anlage von Deckwerken dringend zu em⸗ pfehlen.
9) Die außendeichs liegenden Ländereien erleiden häufige Schädi⸗ gungen durch unzeitige Ueberfluthung während der Zeit des Pflanzen⸗ wuchses. Ob und inwieweit diese Schäden für tief liegende Flächen durch Aufhöhung von Ufersenken ohne Beeinträchtigung des Hoch⸗ wasserabflusses vermindert werden können, und in welchen Grenien es möglich und zweckmäßig sein würde, durch Erweiterung des bord⸗ vollen Querschnittes mittels Uferabgrabungen die Häufigkeit der Aus⸗ uferung des Stromes zu vermindern, wird sich erst auf Grund eingehender Untersuchungen bei Bearbeitung des zu 1) empfohlenen generellen Regulierungsplanes beurtheilen lassen.
10) Für unbebaute Niederungen mit durchlässigem Untergrund und solche mit Wiesen⸗ und Weidenutzung verdienen Deichanlagen mit Hochwasserbestauung und Schöpfwerken den Vorzug vor hochwasser⸗ freien Polderdeichen.
11) Die an Ufersenken, an der Abzweigung von Altbetten und Schlenken bei Anschwellung des Stromes sich bildenden Seiten⸗ strömungen befördern Eisversetzungen und Schädigungen durch Ver⸗ sandungen und Einrisse. Es empfiehlt sich die Beseitigung solcher Seitenströmungen, wofür je nach den örtlichen Verhältnissen Abtragung der die gleichmäßige Ausbreitung des Hochwassers verhindernden über⸗ hohen Uferränder oder die Schließung zu niedriger Uferstellen
hher 12 Anlage von Flügel⸗ oder Leitdeichen (vgl. Nr. 7) zweckoienlich ein kann.
12) Um die durch Uebersandung von Ländereien eintretenden Schäden zu vermindern, ist es von Wichtigkeit, der durch Uferabbrüch stat findenden Vermehrung der Sandführung des Stromes entgegen zu treten Die theilweise noch in Abbruch liegenden Ufer werden durch den von der Strombauverwaltung betriebenen Ausbau der Konkaven mit Deckwerken die erwünschte Sicherung erhalten.
13) Es ist durchaus geboten, den durch Eisversetzungen den Niederungen drohenden Gefahren durch künstliche Aufeisung de Stromes mittels Eisbrechdampfer, wie es seit 10 Jahren an der Elb bereits mit bestem Erfolge geschehen ist, auch ferner nach Möglichkeit vorzubeugen.
14) Die neben dem befriedigend geregelten Hochwassermeldedienst in neuerer Zeit mit gutem Erfolge an der Elbe eingeführte Wasser standsvorhersage ist noch weiter zu vervollkommnen und für die Ver minderung der Ueberschwemmungsschäden nutzbar zu machen.
III. Maßnahmen der Gesetzgebung und Verwaltung.
1) Die Anlegung von Thalsperren im Harzgebiete ist durch ent sprechende Ausdehnung des Geltungsbereichs des Gesetzes vom 19. Mai 1891 — Ges.⸗Samml. S. 97 — zu fördern. Dabei ist darau Bedacht zu nehmen, solche für gewerbliche Zwecke bestimmten Unter nehmungen auch dem Zwecke der Verbesserung des Hochwasserabflusse in möglichst weitgehendem Umfange nutzbar zu machen. ist eine genaue Regelung und Ueberwachung des Abflußvorgang
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Dabei
namentlich nach der Richtung hin sicherzustellen, daß im Anschluß an
die Niederschlagsbeobachtungen in dem betreffenden Gebiet eine recht zeitige Entleerung eines bestimmten Theils des Sammelbeckens statt⸗ findet, um Raum für die Zurückhaltung von Hochwasser für Schutz zwecke zu schaffen.
2) Die planmäßige Regulierung der für die Entstehung von Hoch wassergefahren bedeutungsvollen Nebenflüsse der Elbe ist zur Abweh künftiger Hochwasserschäden dringend zu empfehlen. Nur wenn si
vorangeht, wird die ordnungsmäßige Unterhaltung des danach vor⸗ handenen Zustandes in Zukunft einen wesentlichen Erfolg durch Ver⸗
minderung der Hochwassergefahren sicherstellen.
Es ist erwünscht, durch Gesetz die Verpflichtung zur erstmaligen planmäßigen Regulierung ebenso wie einen leistungsfähigen Träger für die Uebernahme dieser Pflicht zu schaffen
3) Die Regulierung der nicht⸗schiffbaren Hochwasserflüsse kann nur dann dauernden Werth haben, wenn nicht nur die Erhaltung eines ordnungsmäßigen e sondern der den jeweiligen all⸗ gemeinen Bedürfnissen echnung tragende weitere Ausbau gesicher wird. Für beide Arbeiten ist ein leistungsfähiger Träger zu schaffen
4) In der Erwägung, daß für weite Gebiete als Maßregel zur
Bekämpfung der Ueberschwemmungsschäden neben der Unterhaltung
der Wasserläufe insonderheit auch die ordnungsmäßige Unterhaltung,
gegebenenfalls auch die Neuanlage zweckdienlicher Abzugskanäle und Gräben von der größten wirthschaftlichen Bedeutung ist, so er⸗ scheint der Erlaß eines Spezialgesetzes wünschenswerth, welches die Unterhaltung solcher einer Mehrzahl von Interessenten dienenden
Wasserzüge dadurch sicherstellt, daß dieselbe einem leistungsfähigen
Träger übertragen wird.
5) In den Spezialgesetzen für den Ausbau und die Unterhaltung
der Hochwasserflüsse sowie der anderen Wasserläufe, Gräben und Kanäle ist die Befugniß zum Erlaß von Spezialverordnungen für die
einzelnen Wasserläufe ausdrücklich festzustellen mit der Maßgabe,
daß solche Verordnungen Bestimmungen treffen können über die Er⸗
haltung der normalen Sohlenbreite und Tiefe, die Art und Zeit der
Auskrautung, die Beseitigung von Vorfluthhindernissen, die ange⸗
messene Befestigung und Abböschung der Ufer, die Beseitigung von Bäumen und Buschwerk am Ufer, die Niederlegung und Beseitigung des Auswurfs, ferner über die Freihaltung der Ufer und Beschränkung des Nutzungsrechts an denselben, sowie über Durchfahrten, Brücken
und Stege u. s. w.
6) In der Erwägung, daß die Bestimmungen des Deichgesetzes vom 28. Januar 1848 § 1 u. f. früher wenig beachtet und in ihrer Tragweite vielfach unbekannt sind, während die zur Ergänzung er⸗ lassenen Polizeiverordnungen ein einheitliches Recht nicht schaffen können, in der Erwägung ferner, daß die bestehende Gesetzgebung im besten Falle nur die Fernhaltung neuer, nicht aber die Beseitigun bereits vorhandener Abflußhindernisse ermöglicht, erscheint der Erlaß gesetzlicher Vorschriften für die Freihaltung und Freilegung der Ueberschwemmungsgebiete an der Elbe und ihren Nebenflüssen geboten.
7) Diese gesetzlichen Vorschriften haben auch die Grundsätze fest⸗
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zustellen, nach denen für die einzelnen Strecken der Ströme und
Flüsse zu bestimmen ist, welcher Theil des Ueberschwemmungsgebiets für die Hochwasserabführung freigelegt und freigehalten und welcher Theil lediglich für die Ausbreitung des Hochwassers offengehalten
werden soll. Soweit durch Freilegung der Fluthstreifen unmittelbare Vortheile für einzelne Besitzer, Deichverbände, Ortschaften u. s. w. erwachsen, kann ihre Heranziehung zu den Kosten in Frage kommen.
Ferner ist zu bestimmen, welche Beschränkungen in der Benutzung des Geländes vorzuschreiben, wie diese Beschränkungen zu entschädigen, wie die entstehenden Kosten zu vertheilen und mit welchen Mitteln die verbesserten Verhältnisse zu erhalten sind. Die technische Auf⸗ sicht ist auch hierbei einer mit der Verwaltung des gesammten Wasserwesens für das ganze Elbstromgebiet einschließlich der nicht⸗ schiffbaren Flüsse zu beauftragenden Behörde vorzubehalten.
8) Um einen planmäßigen Ausbau der Elbe und ihrer schiffbaren
Nebenflüsse auch mit Rücksicht auf die Hochwasserabführung zu er⸗ möglichen, bedarf es eines Spezialgesetzes, welches diese Aufgabe einer mit der Verwaltung des gesammten Wasserwesens für das Elbstrom⸗
gebiet zu beauftragenden Behörde überweist. Dieses Gesetz hat auch
über die Aufbringung der Geldmittel, die Betheiligung an den Kosten
nach Maßgabe geförderter Einzelinteressen die Befugnisse der Behörde
gegenüber den Uferbesitzern und die sonst nöthigen Rechtsbeschränkungen
und Zwangsrechte Bestimmung zu treffen. 9) Die gegenwärtige Organisation der wasserwirthschaftlichen Be⸗ hörden entspricht dem Bedürfniß nicht. Um eine einheitliche Behand⸗
lung der nichtschiffbaren und der schiffbaren Wasserläufe unter Be⸗-
achtung der gesammten Wasserverhältnisse des zweckmäßig durchzuführen, ist die Einrichtung einer einheitlichen Ver⸗ waltung des ganzen Wasserwesens dringend erforderlich. Diese Verwaltung würde ressortmäßig einer einzigen Zentralstelle, welche die Interessen des Hochwasserschutzes, der Landwirthschaft, und der Schiffahrt gleichzeitig wahrnimmt, zu überweisen sein. Für eine derartige Vereinigung in der Mittelinstanz hat sich bereits der
Stromgebiets
Industrie
Ausschuß in seinem Gutachten vom 18. März 1893 ausgesprochen,
und ebenso, Oderstromgebiet vom 11. Februar 1898. Die angestellten Unter⸗ suchungen und die gemachten Erfahrungen bestätigen überall, daß die obengenannten verschiedenen Interessen bei einer einheitlichen Ver⸗ waltung mit den gleichen Mitteln gefördert werden können, und daß nicht allein die vorhandene Mißstimmung der betheiligten Bevölkerung, sondern auch die thatsächlich bestehenden Uebelstände zum größten Theil auf die vertheilung zurückzuführen sind.
gleichlautend wie vorstehend, in dem Gutachten für das
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unzweckmäßige Behördenorganisation und Arbeits⸗
10) Die Einrichtung einer hydrographischen Zentralstelle füur Preußen oder das Deutsche Reich empfiehlt sich dringend, auch umm
allen betheiligten Kreisen die Nothwendigkeit der wissenschaftlichen Behandlung aller Fragen wasserwirthschaftlicher Natur näher zu