1900 / 107 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 04 May 1900 18:00:01 GMT) scan diff

dem Krankenversicherungsgesetz) beziehen, soll das 300 fache dieses ortsüblichen Tagelohns als Jahresarbeitsverdienst gelten. Der Festsetzung der Rente für verletzte jugendliche Personen ist hierbei auf die Zeit bis zum vollendeten 16. Lebensjahre der für jugendliche Personen festgesetzte ortsübliche Tagelohn, auf die spätere Zeit der für Erwachsene festgesetzte ortsübliche Tagelohn zu Grunde zu legen. 1 Die Sozialdemokraten wollen hinter „das 300 fache dieses ortsüblichen Tagelohns“ eingefügt wissen: 8 „falls er 1,50 oder mehr beträgt. Beträgt der ortsübliche Tagelohn weniger, so ist 1,50 als Tagelohn zu Grunde zu legen“. 1 Ferner wollen sie folgende Bestimmung hinzugesetzt wissen: „Bei solchen Personen jedoch, die wegen noch nicht beendigter Ausbildung keinen oder einen geringen Lohn bezogen haben, wird der Rente für die Zeit nach vollendetem 16. Lebensjahre als Jahres⸗

verd d etrag zu Grunde gelegt, den während des letzten u“ iral ausgebildete rbeiter derselben Art in dem⸗

selben Betrieb oder in benachbarten gleichartigen Betrieben durch⸗ schnittlich bezogen haben“, .“ und im Falle der Ablehnung dieses Antrages wollen sie für ugendliche Arbeiter und noch nicht völlig dhs inbete als Jahresarbeitsverdienst das 300 fache des ortsüblichen Tage⸗

lohns für Erwachsene zu Grunde gelegt wissen. Abg. Hoch (Soz.) vertheidigt die von seiner Fraktion gestellten b Anträge 8 sucht durch zahlreiche rechnerische Beispiele im einzelnen nachzuweisen, daß die Kommissionsbeschlüsse die jugendlichen Arbeiter und die Lebrlinge ganz außerordentlich benachtheiligen müßten, sodaß von einer Fürsorge für verunglückte Arbeiter diesen Personen gegen⸗ über kaum noch gesprochen werden könne. Abg. Fischbeck (fr. Volksp.): Auch die Sozialdemokraten werden nicht leugnen können, daß der § 5b in seinem Eingang eine erhebliche Verbesserung gegen den heutigen Zustand enthält. Nach demselben würde bereits der 1200 übersteigende Lohn ur mit einem Drittel in Anrechnung gebracht. Es wird dadurch eine Menge von Arbeitern, deren Jahresverdienst sich seit Erlaß des Gesetzes erhöht hat, auch einer höheren Rente theilhaftig; die Kommission hat diese Verbesserung, mit der auch die Berufsgenossenschaften trotz der höheren Belastung, die für sie daraus erwächst, einverstanden sind, nur mit Mühe gegen die Wünsche der verbündeten Regierungen durchsetzen können. Dagegen können wir der von der Kommission beschlossenen Verschlechterung bezüglich der jugendlichen Arbeiter nicht zustimmen und stehen in diesem Punkt auf dem Boden des soszialdemokratischen Eventual⸗ antrages. Geheimer Ober⸗Regierungsrath im Reichsamt des Innern Caspar bittet, alle Anträge abzulehnen; es würde damit das Prinzip der gleichmäßigen Behandlung aller Arbeiter durchbrochen. öAbg. Dr. Hitze (Zentr.): Es läßt sich für die Berechnung der Rente nur diejenige Lohnhöhe zu Grunde legen, welche z. Z. des Unfalls verdient wurde. Wollte man mit in Betracht ziehen, daß die unfallverletzten, jugendlichen Personen später einen höheren Lohn ver⸗ dienen und danach die Rente steigen lassen, so müßte man auch den Arbeitern, die in der Vollkraft der Jahre einen Unfall erleiden und Unfallrente beziehen, diese in den späteren Lebensjahren kürzen. Um aber die Ungerechtigkeit, die immerhin in dem Kommissionsbeschluß gegen die jugendlichen Arbeiter begangen wird, möglichst abzuschwächen, würde ich empfehlen, den Satz zu streichea: „Der Festsetzung der Rente für verletzte, jugendliche Personen ꝛc“

Abg. Fischer⸗Sachsen (Soz) wendet sich gegen die Ausführungen des Gebeimen Ober⸗Regierungsraths Caspar, daß das Prinzip der gleichmäßigen Behandlung aller Arbeiter nicht durchbrochen werden dürfe, und sucht auszuführen, daß im Gegentheil gerade die Kom⸗ missionsbeschlüsse eine solche Durchbrechung darstellten. Dringend wünschenswerth wäre mindestens die Festsetzung einer Minimalrente,

ie sie von seinen Parteifreunden beantragt sei. Abg. von Waldow und Reitzenstein (d. kons.) begreift nicht, wie der Rentenberechnung für den Verletzten ein Lohn zu Grunde gelegt werden solle, den er thatsächlich nicht verdient habe. Abg. Hofmann⸗Dilkenburg (nl.) erklärt sich für den Antra

Abg. Hoch polemisiert gegen den Abg. von Waldow. b

In der Abstimmung wird § 5b mit der Modifikation an⸗ genommen, daß gemäß dem Antrage Hitze, für welchen sich auch der. Abg. Fischbeck ausspricht, der auf die Renten⸗ berechnung für verletzte jugendliche Personen bezügliche Satz gestrichen wird.

„Nach § 5LC ist die Berufsgenossenschaft befugt, der Kranken⸗ kasse, welcher der Verletzte angehört oder zuletzt angehört hat, gegen Ersatz der Kosten die Fürsorge für den Verletzten bis zur Beendigung des Heilverfahrens in dem Umfange zu über⸗ tragen, welchen die Berufsgenossenschaft für geboten er⸗ achtet. Die Sozialdemokraten wollen diese Uebertragung von der Zustimmung des Erkrankten abhängig gemacht wissen. Dieselbe Genehmigung des Erkrankten soll nach den Anträgen von dieser Seite bei der Unterbringung in von den Kassen oder Kassenverbänden zerrichteten Heilanstalten Voraussetzung sein. Nach einer weiteren Bestimmung des § 5c können in einer Heilanstalt bereits untergebrachte Verletzte nur mit ihrer ustimmung in andere Heilanstalten übergeführt werden; och soll diese Zustimmung durch die untere Verwaltungs⸗ behörde des Aufenthaltsorts ergänzt werden. Die letztere Be⸗ fugniß der Verwaltungsbehörde soll nach den sozialdemokrati⸗ schen Anträgen ebenfalls beseitigt werden. 8 8 Abg. Molkenbuhr vertritt diese Abänderungsanträge, welche erhindern wollten, daß der erkrankte Arbeiter von den Unternehmern und den Berufsgenossenschaften einfach als Sache behandelt würde.

Abg. Hilbck (nl.) protestiert gegen diese Auffassung, will aber seinerseits den ganzen Absatz, der von der Verbringung der Verletzten aus einer Heilanstalt in die andere handelt, gestrichen wissen.

Geheimer Ober⸗Regierungsrath Caspar empfiehlt die unver⸗ änderte Annahme der Kom missionsbeschlüsse und nimmt die Berufs⸗ Ferleseftan gegen den in den Worteg des sozialdemokratischen

Kedners enthaltenen allgemeinen Vorwurf in Schutz.

Nachdem die Abgg. Molkenbuhr und Hilbck nochmals

für ihre Anträge eingetreten sind, wird § 5c unverändert ch den Kommissionsbeschlüssen angenommen.

Der § 5d bestimmt:

„vom Beginn der fünften Woche nach Eintritt des Unfalls bis zum Ablauf der 13. Woche ist das Krankengeld, welches den durch einen Betriebsunfall verletzten Personen auf Grund des Kranken⸗ versicherungsgesetzes gewährt wird, auf mindestens des bei der Be⸗ rechnung desselben zu Grunde gelegten Arbeitslohnes zu bemessen.“

Abg Fischer⸗Sachsen befürwortet hierzu folgenden Zusatz: „jedo dürfen diese 1 nicht weniger als 1,50 betragen“. 8 8

Dieser Antrag wird abgelehnt und § 5d unverändert an⸗ genommen.

Nach § 5e hat die Berufsgenossenschaft, wenn der An⸗ spruch auf Krankengeld vor dem Ablauf von 13 Wochen nach

intritt des Unfalls weggefallen, aber bei dem Veiletzten eine noch über die 13. Woche hinaus andauernde Beschränkung der Erwerbsfähigkeit zurückzeblieben ist, dem Verletzten die Unfall⸗ rente schon von dem Tage ab zu gewähren, an welchem der Anspruch auf Krankengeld in Wegfall kommt.

Die Abgg. Albrecht und Genossen wollen die Worte: „noch über die 13. Woche hinaus andauernde“ gestrichen

wissen. Ebenso wollen sie die Bestimmung gestrichen wissen, daß durch Statut bestimmt werden könne, daß die Rente nach dem Wegfall des Anspruchs auf Krankengeld auch dann zu gewähren sei, wenn nach jenem Zeitpunkte zwar noch eine Beschränkung der Erwerbsfähigkeit infolge des Unfalls ver⸗ blieben sei, aber voraussichtlich schon vor Ablauf der 13. Woche nach dem Unfalle fortfallen werde. Die Rente müsse für jede Erwerbsunfähigkeit gezahlt werden.

Abg. Roesicke⸗Dessau weist darauf hin, daß die Sozial⸗ demokraten im Jahre 1890 so weitgehende Wäünsche nicht geäußert hätten. Sie sollten diese aussichtslosen Anträge lieber unter den Tisch fallen lassen, die das Zustandekommen einer Vorlage nur erschwerten, welche anerkanntermaßen dem Arbeiter viele Vortheile bringen würde.

Abg. Hoch bestreitet, daß die Sozialdemokraten ihre An⸗ sichten hinsichtlich der Aufhebung der Karenzzeit geändert hätten; nur der Vorredner habe seine Ansicht geändert, aus Furcht vor dem Widerspruch der Regierungen oder der Berufsgenossenschaften. Man müsse hier volle Arbeit schaffen, weil in absehbarer Zeit an eine weitere Reform nicht zu denken sei. Im Jahre 1890 habe es sich nur um ein Nothgesetz gehandelt, und da habe seine Partei sich allerdings auf das Erreichbare beschränken müssen.

Fall Hitze erwidert, daß seine Partei ganz dasselbe in diesem alle thue.

Abg. Hoch: Die Herren sollten charakterfest bleiben und nicht immer einen halben Schritt vorwärts und einen ganzen zurückgehen.

Abg. Roesicke⸗Dessau glaubt, daß die Sozialdemokraten im Jahre 1890 in ihrem Initiativantrag dieselben Bestimmungen hätten verlangen können wie heute, daß sie es aber nicht gethan hätten, weil sie praktische Politik treiben wollten, wie er, Redner, und Andere es aucht häten. Manchen gehe dieses Gesetz schon zu weit, und sie hofften, daß die Regierung ein von den Sozialdemokraten verschlechtertes Gesetz nicht annehmen werde. Die Hoffnung müsse im Interesse der Arbeiter selbst durchkreuzt werden.

Nach weiteren Bemerkungen der Abgg. Stadthagen und Roesicke⸗Dessau wird § 5e nach Ablehnung des An⸗ trags Albrecht unverändert angenommen.

§ 5f gelangt ohne Debatte zur Annahme.

Um 5 ¼ Uhr wird die weitere Berathung auf Freitag 2 Uhr vertagt v

8 66. Sitzung vom 3. Mai 1900, 12 Uhr.

Zur zweiten Berathung steht der Antrag der Abgg. Dr. Weihe⸗Herford (kons.) und Genossen auf Annahme eines Gesetzentwurfs zur Abänderung des Gesetzes, betreffend die Förderung der Errichtung von Rentengütern, vom 7. Juli 1891.

Abg. Dr. Weihe befürwortet den Antrag und schlägt die Ver⸗ weisung desselben an eine Kommission von 14 Mitgliedern vor.

Abg. von Riepenhausen (kons.): Der Finanz⸗Minister hat im vorigen Jahre im Plenum erklärt, diesem Antrage keine Schwierig⸗ keiten machen zu wollen, hat dann aber in der Kommission die ent⸗

egengesetzte Stellung eingenommen. Es handelt sich hier um eine ufgabe der Arbeiterwohlfahrt. Herr von Miquel hat aber in der vorjährigen Kommission gemeint, daß in dem Antrage ein verkehrtes Angreifen einer großen Frage an einem Zipfelchen liege; den Beweis dafür ist er uns schuldig geblieben, die Kommission dagegen hat mit überwiegender Mehrheit sich für dieses Vorgehen ausgesprochen.

Geheimer Finanzrath Foerster: Die Regierung hat zu diesem im vorigen Jahre angenommenen Antrage noch keine Stellung genommen, sie wird es thun, falls der Antrag jetzt angenommen werden sollte. Wenn der Finanz⸗Minister im vorigen Jahre eine ablehnende Stellung vertreten hat, so kann ich zu meinem Bedauern auch keine andere in Aussicht stellen. Das Wohnungswesen muß lokal geregelt werden, der Staat kann nicht in der Weise eingreifen, wie es der Antrag wünscht.

Abg. Dr. Hitze (Zentr.): Die Regierung sollte uns nicht immer Vorlesungen über diese Frage halten, sondern mit praktischen Thaten vorgehen. Die Hergabe der Mittel der Altersversicherungsanstalten zum Bau von Arbeiterwohnungen darf in keiner Weise erschwert werden; die Arbeitergroschen müssen zu diesem Zweck benutzt werden; ebenso sind dafür die Bestände der Sparkassen zu verwenden. Ich hoffe, daß die Kommission den Antrag mit erdrückender Mehrheit an⸗ nehmen wird.

Abg. von Riepenhausen entnimmt aus der Erklärung des Regierungsvertreters, daß der Finanz⸗Minister thatsächlich auf seinem ablehnenden Standpunkt beharre, und empfieht der Kommission, den entgegengesetzten Standpunkt des Hauses festzuhalten.

Der Antrag Weihe wird einer Kommission von 14 Mit⸗ gliedern überwiesen.

Es folgt die Berathung des Antrags der Abgg. Schmidt⸗Warburg (Zentr.) und Dr. Krieger⸗Königsberg (fr. Volksp.):

„die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, dafür Sorge zu tragen, daß den in der Eisenbahnverwaltung beschäf⸗ tigten Eisenbahn⸗Bau⸗ und Betriebs⸗Inspektoren und Maschinen⸗Inspektoren eine die Dauer von 5 Jahren überschreitende Zeit der diätarischen Beschäftigung bei der Fest⸗ setzung des Besoldungsdienstalters in Anrechnung gebracht werde“,

sowie des Antrags der Abgg. Dr. Krieger⸗Königs⸗ berg, Rickert und Genossen:

„die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, diejenige Anzahl Bauinspektorstellen in der allgemeinen Bau⸗ verwaltung zu schaffen, welche nothwendig ist, um die jetzt vor⸗ handene Wartezeit der Regierungs⸗Baumeister von zwölf Jahren auf ein Höchstmaß von zehn Jahren zurückzuführen.“

Die Budgetkommission beantragt, beide Anträge abzulehnen.

Abg. Krawinkel (nl.) empfiehlt namens seiner Freunde, die Anträge der Regierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Die juristischen Beamten seien viel besser gestellt, desbalb ließen die Eltern ihre Söhne lieber in die juristische Laufbahn eintreten. Die Aus⸗ führung der Bauten hänge von der Tüchtigkeit und der Stellung der technischen Beamten ab. An eine Abnahme der Bauthätigkeit der Eisenbahnverwaltung sei nicht zu denken. Daher sei die Vermehrung der etatsmäßigen Stellen durchaus nothwendig.

Geheimer Ober⸗Finanzrath Belian: Dem ersten Antrag stehen dieselben Bedenken entgegen, die neulich gegen den Antrag bezüglich der technischen Beamten in der Bauverwaltung von der Regierung geltend gemacht worden sind. Aus demselben Grunde muß die Re⸗ gierung auch diesen Antrag hier ablehnen. Gerade bei den Eisen⸗ bahnbau⸗Inspektoren liegt keine Veranlassung vor, die diätarische Dienstzeit anzurechnen, da ihre Anstellungsverhältnisse viel günstiger liegen, als bei den gleichen Beamten in der Bauverwaltung.

„Abg. Schmidt⸗Warburg (Zentr.) weist darauf hin, daß er die Gründe seines Antrags neulich schon ausführlich dargelegt habe. Der zweite Antrag möge ja besser sein, aber die Vermedrung der etats⸗ mäßigen Stellen nütze nur den künftig zur Anstellung gelangenden Beamten, nicht auch den älteren, die schon angestellt seien, und nicht denjenigen, welche noch nicht angestellt, aber schon fünf Jahre diätarisch beschäftigt seien. Der Eisenbahn⸗Minister fordere für seinen Etat allerdings immer mehr, aber der Finanz⸗Minister streiche es ihm wieder heraus.

Abg. Macco (nl.) bemerkt, daß die Anträge die einmüthige Zustimmung des Hauses fänden. Es bestehe ein Uaterschied zwischen

der Stellung der Juristen und derjenigen der technischen Beamten

in der Eisenbahnverwaltung. Das Bedürfniß an Baubeamten in der

Eisenbahnverwaltung sei nicht gedeckt. Von den seit 1883 bewilligten Eisenbahnkrediten seien 298 Millionen noch nicht zur Verwendung gelangt. Durch die Kanalpläne würden die Bauaufgaben des

Staats immer größer. Die Erfindungen mehrten sich fortgesetzt, die Technik zum Kulturfortschritt in bedeutendem Maße bei. Die

technischen Beamten in der Bau⸗ und Eisenbahnverwaltung seien für

diesen Beruf viel tüchtiger als die Juristen. e 1. schaftliche Frage für den Staat, denn mit tüchtigen technischen könne die Verwaltung viel billiger arbeiten als mit den uristen. 1

Minister der öffentlichen Arbeiten von Thielen

Meine Stellung zu dem Antrag Schmidt (Warburg) und Dr. Krieger habe ich bereits in der Sitzung vom 27. v. M. dargelegt. Ich will darauf heute nicht weiter zurückgehen. Ich muß aber einige Bemerkungen richtig stellen, die von meinen Herren Vorrednern ge⸗ macht sind. Es ist immer die Rede davon, es wäre ein großer Mangel an Bautechnikern vorhanden. Das ist zur Zeit doch nur in sehr beschränktem Maße der Fall. Auch die ungünstige Konjunktur, die augenblicklich in der Bautechnik bezüglich ihres Avancements herrscht, kommt keineswegs daher, daß seiner Zeit zu wenig Leute angenommen sind, sondern sie ist einzig und allein dadurch herbeigeführt, daß in der Vergangen⸗ heit zu viel Baumeister eingestellt sind; infolgedessen ist das Avancement so außerordentlich verlangsamt worden, und es ist dann Anlaß ge⸗ nommen, künstliche Mittel anzuwenden, um das Avancement zu ver⸗ bessern. Zur Zeit liegt die Sache so und das bitte ich nicht zu vergessen —, daß, wenn auch die doppelte Anzahl von Baumeistern und Bauinspektoren arbeiten, darum die einzelnen Bauprojekte nicht wesentlich rascher gefördert worden wären; denn Sie vergessen, daß es nicht bloß der eine Faktor des Bautechnikers ist, der nöthig ist, um die Projekte zu fördern, sondern daß noch zwei andere Faktoren hinzu⸗ kommen, die mindestens ebenso wichtig sind. Der zweite Faktor ist der Faktor Geld und der dritte ist der Faktor Arbeiter. Sie werden mir zugeben, daß diese beiden Faktoren es durchaus dringend erforderlich machen,

daß ein gewisses Maß in der Förderung der Bauthätigkeit eingehalten wird, und das geschieht zum Wohle des Landes.

Meine Herren, zweitens mache ich darauf aufmerksam, namentlich den Ausführungen des Herrn Macco gegenüber, daß die Stellung der Bautechniker in der Staats⸗Eisenbahnverwaltung sich von Jahr zu Jahr verbessert hat. Vor 1895 hatten wir 133 höhere technische Stellen; jetzt haben wir 178. Vor 1895 war ein großer Theil der Stellen, die j'tzt ausschließlich in technischer Hand sind, in der Hand von Administrativen. Es sind bei der Neuorganisation die Bau⸗ und Betriebs⸗Inspektionen geschaffen worden, die eine selbständige Stellung für die Bautechniker bieten, und die sehr vielen dieser Herren an⸗ genehmer und wünschenswerther sind als die Stellung in den Direktionen: einmal weil sie vollständig selbständig stehen, einen eigenen selbständigen und interessanten Verwaltungsbezirk haben, und

zweitens deswegen, weil sie dort fast durchgängig mit Dienstwohnungen

ausgestattet sind.

Meine Herren, was ich damals gesagt habe, nämlich, daß es mein Bestreben sein würde, thunlichst einen Parallelismus zwischen Technik und Administration in der Eisenbahnverwaltung durchzu⸗ führen, dieses Programm habe ich durchaus innebehalten, und zwar, wie das nicht anders sein konnte, zum Nachtheil der administrativen Beamten, für die seit der Zeit weniger geschehen konnte als für die Techniker. Das wird auch von den einsichtigen Technikern meiner Verwaltung durchaus anerkannt. Ich bedaure sehr, daß der Herr Abg. Macco seine langjährige Berührung mit der Eisenbahnverwaltung nicht besser ausgenutzt, sich nicht eingehendere Kenntniß von der Eisenbahn⸗ verwaltung verschafft hat, als das anscheinend der Fall ist. Er würde dann wissen, daß das, was technisch ist, sich auch in technischen Händen befindet, daß es aber weder im Interesse der Technik noch im allgemeinen Landesinteresse ist, wenn administrative, juristische Dinge, Tarifangelegenheiten u. s. w. in Hände gelegt werden, die dafür nicht ausgebildet sind. Dafür brauche ich keinen Mann auf die Technische Hochschule zu schicken, um später in Tarifangelegenheiten Dezernent zu werden. Das wäre meines Erachtens ein Mißbrauch, den man mit der technischen Vorbildung treiben würde.

Abg. Dr. Krieger⸗Königsberg: Die Gleichstellung der Techniker mit den Juristen ist noch immer nicht erfolgt. Ez müßte einmal ein Techniker an die Spitze der Verwaltung gestellt werden, und nicht immer ein Jurist. Eine Vermehrung der Bau⸗Inspektorstellen ist thatsächlich eine Nothwendigkeit. Es ist wünschenswerth, daß die Baubeamten eine Zeit lang in kommunalen Verwaltungen thätig sind; sie erhalten aber aus Mangel an Personal keinen Urlaub, es wird ihnen vielmehr gleich anheimgestellt, aus dem Staatsdienst aus⸗ zuscheiden. Der Redner sucht ziffernmäßig nachzuweisen, daß die Zahl der etatsmäßigen Bau⸗Inspektorstellen in den verschiedenen Zweige der Bauverwaltung zu klein sei.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Thielen: Meine Herren! Ich muß leider wieder auf einige Irrthümer

aufmerksam machen, die dem Herrn Vorredner untergelaufen sind; er

hätte schon aus den Personal⸗Nachrichten der höheren Verwaltung wie aus dem Etat sich überzeugen können, daß seine Angaben zum theil Irrthümer sind, wenigstens nach dem, was ich verstanden habe. Es sind nicht 3, sondern 4 Techniker Eisenbahndirektions⸗Präsidenten. Das ist ja kein großer Unterschied, aber das hätte der Herr Vorredner oder vielmehr sein Gewährsmann wohl wissen können. (Heiterkeit.)

Und zweitens steht bei allen 21 Direktionen im Etat ein Ober⸗ Baurath; Sie haben behauptet, es wäre keiner. Ober⸗Regierungs⸗ rath oder Ober⸗Baurath, das ist nur ein anderer Titel; in der Stellung stehen sie völlig gleich, und die Regel ist die, daß, wenn irgend möglich, dem technischen Präsidenten ein Ober⸗Regierungsrath zum Vertreter gegeben und dem administrativen ein Ober⸗Baurath zur Vertretung gegeben wird.

Wenn nun die alte Titelfrage Bauinspektor oder Baurath, Baumeister oder Ober⸗Baumeister angeregt worden ist, so möchte

ich das hohe Haus mit der Eroͤrterung dieser Frage hier heute ver⸗

schonen.

Meine Herren, der Herr Vorredner hat bald von der allgemeinen Bauverwaltung, bald von der Eisenbahnbauverwaltung gesprochen, es ist daher sehr schwer, im einzelnen zu unterscheiden, ob er diesen oder jenen Theil der Bauverwaltung gemeint hat.

Bezüglich der allgemeinen Verwaltung steht die Sache so, daß 415 Baumeister vorhanden sind; davon werden in der Staats⸗ verwaltung nur 280 gebraucht und beschäftigt, die übrigen sind sämmt⸗ lich in anderen Ressorts beschäftigt oder beurlaubt. Der Herr Vor⸗ redner hat behauptet, das geschehe überhaupt garnicht. Sie sind be⸗ urlaubt zu Kommunalbauten, sie sind beurlaubt in andere Ressorts,

Das sei auch eine wirth⸗

ud theilweise auch beurlaubt zu Privatdiensten und so weiter. Also von 415 sind nur 280 im Dienste der allgemeinen Bauverwaltung,

die übrigen sind beurlaubt.

Dann hat der Herr Vorredner bemängelt, daß 20 Stellen, wenn

ich richtig gehört habe, von den Kreis⸗Baubeamten durch ältere Bau⸗

eister verwaltet werden müßten. Die Sache liegt so, daß diese lteren Baumeister und nur aus diesem Grunde liegt sie so bei größeren Bauten thätig sind, von denen sie zur Zeit nicht weg⸗ genommen werden können. Es wäre aber eine Härte, wenn nun jüngere aus diesem Grunde in die etatsmäßigen Stellen eingeschoben werden würden. Daher werden im Interesse der betreffenden Beamten die Stellen einstweilen durch Baumeister verwaltet; das wird gewiß keiner in diesem hohen Hause, auch nicht diejenigen

Heerren, die sich für die Anträge ausgesprochen haben, wünschen, daß

anders wäre.

Es ist endlich darauf hingewiesen worden, daß in einzelnen Re⸗ gierungsbezirken Wasser⸗Bauinspektionen nicht beständen. Ich mache darauf aufmerksam das geht auch aus dem Etat hervor —, daß das Ressort der öffentlichen Arbeiten nur die Wasserbauverwaltung der schiffbaren Flüsse hat. Wenn also in einem Regierungsbezirk ein schiffbarer Fluß überhaupt garnicht vorkommt oder nur in geringer Ausdehnung ich will mal sagen Hildesheim; es giebt eine ganze Reihe —, dann werden die wenigen Funktionen, die die Wasser⸗Bau⸗ inspektionen zu vollführen hätten, in der Regel durch die Meliorations⸗ Bauinspektionen vollzogen, die in diesem Falle jedenfalls auch noch in höherem Maße sachverständig sind als der Wasser⸗Bauinspektor, der an schiffbaren Flüssen thätig ist.

Zum Antrag selbst muß ich erklären, daß er von dem Stand⸗ punkt der Staatsregierung ebenso unannehmbar ist wie der Antrag Schmidt (Warburg). Eine ganz andere Frage ist es und da bin ich gern bereit, die Hand zu bieten —, ob nicht nach Benehmen mit dem Finanz⸗Ministerium im nächsten Etat auf anderem Wege eine Abhilfe geschaffen werden kann für wirklich vorhandene Bedürfnisse und Nothstände.

Geheimer Ober⸗Finanzrath Dombois bemerkt als Vertreter des Finanzressorts, daß die Vermehrung der etatsmäßigen Stellen nur nach Maßgabe des dauernden Bedürfnisses erfolgen könne, und daß Bau⸗ und Finanzverwaltung in der Beurtheilung dieser Frage immer einig gewesen seien. Die Finanzverwaltung wolle hierin keine

engherzige Fiskalität walten lassen, sondern sei auch beim nächsten Etat wieder bereit, das Bedürfniß der Stellenvermehrung zu prüfen.

Abg. Dr. Arendt (fr. kons.): Ich erkenne die gute Absicht des Antrags Krieger an, halte aber diesen Weg nicht für richtig. Nach diesem Antrag scheint eine diätarische Wartezeit von zehn Jahren für angemessen erklärt zu werden. Der Antrag Schmidt übt dagegen einen Druck auf die Regierung aus, die diätarische Beschäf⸗ tigungszeit abzukürzen, und führt schließlich auf diesem Wege auch zu einer Vermehrung der etatsmäßigen Stellen. Daß die Baumeister eine höhere Remuneration für ihre diätarische Beschäftigung erhalten als andere Beamte, liegt im Interesse des Staats selbst, denn der Staat muß die tüchtigsten technischen Kräfte haben. Gefreut habe ich mich über die Erklärung des Ministers, daß er bereit ist, auf anderem Wege Ab⸗ hilfe zu schaffen. Der Antrag Schmidt ist geeignet, der Eisenbahn⸗ verwaltung das Rückgrat gegen die zu sparsame Finanzverwaltung zu stärken. Dem Antrage Krieger kann ich nicht zustimmen, obwohl ich mit seinem Ziel einverstanden bin. Helhen empfehle ich den An⸗ trag Schmidt. Die Erklärung des ersten Regierungskommissars war schroff ablehnend, die des zweiten dagegen erfreulicher Weise entgegen⸗ ommender.

Unter⸗Staatssekretär Lehnert: Der erste Kommissar hat über den Antag auf Anrechnung der diätarischen Dienstzeit gesprochen, und in dieser Frage hat die Regierung von vornherein einen ablehnenden Standpunkt eingenommen. Der zweite Kommissar sprach über die Vermehrung der etatsmäßigen Stellen, und diesem Antrag steht die Regierung allerdings etwas freundlicher gegenüber.

Abg. Felisch (kons.) erkennt das warme Herz des Ministers für die kechnischen Beamten an, meint aber, daß mit der Besserstellung derselben nur ein altes Unrecht wieder gut gemacht werde. Die Kon⸗ servativen hätten ebenfalls ein warmes Herz für die Beamten, und ein großer Theil seiner Freunde nehme den Antrag Schmidt an.

Auf einige weitere Bemerkangen der Abgg. Macco und Dr. Krieger⸗Königsberg erwidert der ““

Minister der öffentlichen Arbeiten von Thielen:

Ich muß zu meinem großen Bedauern nochmals auf diese Sache zurückkommen. Einen Punkt hat der Herr Abg. Dr. Krieger nicht wieder erwähnt. Er hatte gesagt, daß in der Eisenbahnver⸗ waltung besondere Stellen für technische Ober⸗Regierungsräthe nicht vorhanden seien. Ich habe ihm darauf erwidert, daß 21 Ober⸗Bauräthe, die ganz parallel mit den Ober⸗Regierungsräthen stehen, vorhanden sind. Wenn er nun den Schwerpunkt auf den „Ober⸗Regierungs⸗ rath“ legt, so hat er formell vollkommen Recht, materiell aber ent⸗ schieden Unrecht. Denn es würde durchaus nicht im Interesse der Herren liegen, wenn wir einen Techniker mit Regierungsrath oder Ober⸗Regierungsrath bezeichnen sollen; es würde kein außerhalb der Verwaltung Stehender erkennen können, daß in diesem Gewande des Ober⸗Regierungsraths ein Techniker einherschreitet.

Ferner hat der Herr Abg. Dr. Krieger vollständig Unrecht be⸗ züglich der Beurlaubungen. Wir beurlauben auch für Kommunal⸗ verwaltungen. Ich bin der Meinung, daß die Kommunalverwaltung, wenn sie sich einen Stadt⸗Baurath oder einen Stadt⸗Bauinspektor aus unserem Personal aussucht, innerhalb eines halben Jahres oder eines Jahres ein Urtheil darüber gewinnen kann, ob sie den Mann behalten will oder nicht, und für dieses halbe oder ganze Jahr wird er anstands⸗ los beurlaubt. Aus der Eisenbahnverwaltung beurlauben wir bis zu 4 Jahren und zwar nicht bloß zur Dienstleistung bei anderen Ressorts, sondern auch bei Kleinbahnen und Nebenbahnen, inländischen und aus⸗ wärtigen, z. B. an die anatolische Bahn oder nach Japan oder nach Kiautschou. Aber im Interesse der Zurückbleibenden müssen wir doch dieser Beurlaubung ein gewisses Ziel setzen, und dieses Ziel beträgt, wie gesagt, 3 bis 4 Jahre, nur in Ausnahmefällen, wo ein erhebliches öffentliches Interesse vorwaltet, auch noch länger.

Meine Herren, diese Herren haben in der Zwischenzeit meistens oder fast durchgängig ein sehr viel höheres Einkommen, als die Staatsbaubeamten haben, und es wäre Unrecht, ihnen ihre Stellen längere Zeit offen zu halten und die anderen im Dienstalter ihnen folgenden Kollegen damit zu schädigen.

Der Antrag Schmidt wird mit großer Mehrheit und der Antrag Krieger mit knapper Mehrheit angenommen.

Es folgt die Berathung des von Mitgliedern aller Parteien unterstützten Antrags des Abg. Prinzen von Arenberg (Zentr.):

die Regierung zu ersuchen, in den nächstjährigen Etat das Gebalt der Eisenbahn⸗Betriebs⸗Sekretäre mit 1500 bis 3300 und einer Aufsteigefrist von 18 Jahren einzustellen.

Die Budgetkommission beantragt, den Antrag ab⸗ zulehnen und mehrere Petitionen von Eisenbahn⸗Betriebs⸗ Sekretären durch den Beschluß für erledigt zu erklären.

Abg. von Pappenheim (kons.): Die Budgetkommission hat schon im vorigen Jahre einen ähnlichen Antrag abgelehnt, und das Haus hat gegen die Kommission entschieden. Die Kommission trägt daher keine Verantwortung für die Folgen. Die Folgen solcher Be⸗ schlüsse wie des eben gefaßten sind große neue Geldanforderungen, zumal aus allen anderen Beamtenklassen Berufungen auf einen solchen Beschluß kommen werden. Ich muß auch hier wieder für den Kommissions⸗ antrag eintreten. Natürlich werden den Konservativen wieder Vor⸗ würfe gemacht werden, daß sie kein Herz für die Beamten haben; wir müssen das über uns ergehen lassen. Die Fürsorge für die Beamten kann nicht darnach bemessen werden, wie hier eine Partei stimmt. Wir müssen auch die finanziellen Folgen für den Staat in Erwägung ziehen. Solche Beschlüsse beunruhigen auch die Beamten, und Reden, wie sie hier gehalten werden, lockern die Disziplin, wenn hier gewissermaßen die Beamten als die An⸗ kläger ihrer Vorgesetzten auftreten und zugleich ein Gegensatz zwischen dem Eisenbahn⸗ und dem Finanz⸗Minister konstruiert wird. Die Beamten schlagen in ihren Eingaben an das Haus einen Ton an, wie wir ihn nicht zulassen können. In einer Eingabe wird dem Minister sogar vorgeworfen, daß er hier wider besseres Wissen Behauptungen aufgestellt habe, und von meinen in nicht öffentlichen Kommissionssitzungen gesprochenen Worten wird Gebrauch gemacht, um daran heftige Vorwürfe gegen mich zu knüpfen. Wir haben die Lage der Beamten in letzter gen wesentlich verbessert; mit Rücksicht auf die Konsequenzen bitte ich, den Antrag abzulehnen. Der Minister sollte uns die finanziellen Konsequenzen darlegen, wenn wir die Ge⸗ hälter einer einzelnen Beamtenklasse weiter erhöhen.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Thielen:

Meine Herren! Die Ausführungen des Herrn Abg. von Pappen⸗ heim geben mir Anlaß zu einigen allgemeinen Bemerkungen, die sich aber nicht allein auf die vorliegenden Anträge beziehen, sondern auch auf die Petitionen, die dem Hause seitens der Budgetkommission noch nicht vorgelegt sind.

Meine Herren, die Staatsregierung steht auch heute noch auf demselben Standpunkt, den sie im vorigen Jahre bei Gelegenbeit der Gehaltsaufbesserung der Beamten eingenommen hat, und der damals auch von der großen Mehrheit des hohen Hauses, des Landtages über⸗ haupt, vollständig getheilt ist, nämlich dem Standpunkt, daß die Frage der Aufbesserung der Beamtenbesoldungen für absehbare Zeit abgeschlossen ist. Meine Herren, die Staats⸗ regierung kann auch nach der gewissenhaftesten Prüfung aller Ver⸗ hältnisse und bei allem Wohlwollen für ihre Beamten aller Kategorien nicht die Ueberzeugung gewinnen, daß die Beamtenbesoldungen an sich zur Bestreitung einer den Verhältnissen der betreffenden Beamten an⸗ gemessenen Lebenshaltung nicht ausreichen, oder daß ein Miß⸗ verhältniß zwischen den einzelnen Beamtenkategorien inner⸗ halb derselben Verwaltung oder zwischen anderen Ressorts zur Zeit besteht, und die Beamtenbesoldungen also absolut oder relativ unrichtig bemessen seien. Es ist zur Verbesserung der Lage der Beamten sowie zur gerechten Ausgleichung der Besoldungs⸗ verhältnisse zwischen den verschiedenen Beamtenklassen in den letzten Jahren so viel geschehen, wie niemals zuvor, und das, meine Herren, in einer Zeit, in der bei uns im Lande der Mittelstand, dem doch ein großer Theil dieser Beamten zuzurechnen ist, der Mittelstand in Stadt und Land allgemein und in immer steigendem Maße darüber klagt, daß seine Wirthschaftslage heruntergeht und unsicher wird. Demgegenüber ist die Lage der Stlaats⸗ beamten sowohl in Bezug auf die Höhe des Einkommens wie auf die Sicherheit des Einkommens eine geradezu bevorzugte. (Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, es sind bekanntlich im Jahre 1890/91 und im Jahre 1899 die Gehälter der Unterbeamten, im Jahre 1897/98 auch die Gehälter der mittleren und höheren Beamten fundiert worden; von Jahr zu Jahr sind die Etatsstellen vermehrt. In den letzten drei Jahren sind allein bei den Staatsbahnen 22 000 neue Etats⸗ stellen geschaffen. (Hört, hört! rechts.) 22 000! Die Revision der Klasseneintheilung der Orte hat im Jahre 1897 einer nicht geringen Anzahl von Beamten erhöhte Wohnungsgeldzuschüsse gebracht. Es sind unter Berücksichtigung der wirthschaftlichen Lage der Beamten in den besonders theuren Industriebezirken Stellenzulagen von über drei Millionen Mark in den Etat gebracht worden. Berücksichtigt man alle diese Verbesserungen, so ergiebt sich, daß die heute in der Eisenbahnverwaltung beschäftigten Beamten 35 ½ Millionen, mehr er⸗ balten, als sie erhalten würden, wenn jene Verbesserung nicht in den Jahren eingetreten wäre. (Hört! hört! rechts.) Es geht daraus doch meines Erachtens mit Evidenz hervor, daß weder der Ressort⸗Minister noch der Finanz⸗Minister ein hartes Herz und eine geschlossene Hand den Beamten gegenüber gehabt hat. (Sehr richtig! rechts.) An diesen Einkommensverbesserungen nimmt jeder Beamte aller Kategorien, ob hoch, ob niedrig, theil. Im Durchschnitt kommen auf den Kopf 270 ℳ, das heißt 14 % seines Einkommens.

Meine Herren, man hätte nun wohl mit Recht erwarten können, daß infolge dieser Erhöhungen der Besoldungen die Bestrebungen der Beamten auf Verbesserung ihrer äußeren Lage einiger⸗ maßen zur Ruhe kommen würden. Meine Herren, das Gegen“ theil ist geschehen, wie Herr von Pappenheim vorhin sehr richtig ausgeführt hat. In den Fachzeitschriften der einzelnen Beamtenkategorien, in einem großen Theil der politischen Presse wird lebhafter denn je zuvor für die Erhöhung der Beamtenbesoldungen eingetreten, die Zahl der Petitionen ist ganz außerordentlich gestiegen. Meine Herren, ich bitte mir das nicht zu verargen, aber ich möchte doch auch darauf hinweisen, daß in den Parlamenten, Reichstag und Landtag, sich bereits Spezialanwälte für die einzelnen Kategorien der Beamten ausgebildet haben. (Sehr wahr! rechts.) Meine Herren, ich habe sogar in einem Handbuch der Parlamente schon gelesen, daß das unter die besonderen Eigenschaften der betreffenden Herren zu rechnen ist. (Heiter⸗ keit.) Meine Herren, es ist so weit gekommen mit rühmlichen Aus⸗ nahmen, muß ich anerkennen daß die einzelnen Beamten⸗Kategorien es für ihre Pflicht gegen Weib und Kind und gegen sich selbst er⸗ achten, nur ja nicht aufzuhören und locker zu lassen in dem Wett⸗ bewerb um die Steigerung in den Beamtenbesoldungen. Meine Herren, daß das nicht ohne den allernachtheiligsten Einfluß auf die Disziplin und die Ordnung in den Verwaltungen bleiben kann, liegt auf der Hand. (Sehr wahr! rechts.) Und, meine Herren, die Aufrecht⸗ erhaltung der strasfen Disziplin, namentlich in der Eisenbahnverwaltung, liegt nicht bloß im Interesse der Verwaltung, sie liegt im Interesse des ganzen Landes. (Bravo!l rechts.) In keiner Verwaltung liegt das so klar auf der Hand und ist so deutlich zu erfassen, wie gerade in der Eisenbahnverwaltung, und welche Früchte diese fortlaufende

Behandlung der Besoldungsfrage zeitigt, das hat der Herr Abg. von Pappenheim Ihnen vorhin schon an einzelnen Beispielen sehr klar auszeführt. Noch sind das, wie ich gerne anerkenne, Ausnahmen, es liegt an Ihnen, sie nicht zur Regel werden zu lassen. Die Staats⸗ regierung könnte es daher nur dankbar begrüßen, daß die Budget⸗ kommission des hoben Hauses auch ihrerseits Stellung genommen hat 855 diese übermäßige Agitation unter den verschiedenen Beamten⸗ assen.

Daß es unmöglich ist, alle Wünsche zu erfüllen, die seitens der Beamten vorgetragen werden ihren Vorgesetzten und in noch viel höherem Maße dem Landtage, liegt auf der Hand; daß sie aber auch wirklich zum theil von kaum glaublicher Naivität in ihren Ansprüchen ausgehen, davon möchte ich den Herren ein Beispiel geben.

Unter den Petitionen liegt auch eine Petition der Bremser und Schaffner vor. Darin wird beansprucht, statt des jetzigen Gehalts von 900 1200 mit einer Aufrückungsperiode bis zum 21. Jahre ein Gehalt von 900 1500 in 15 Jahren zu bewilligen. Die Annahme dieses Vorschlags würde der Staatskasse ungefähr 4 ½ Millionen kosten. (Hört! hört!) Nun bezieht schon gegenwärtig der Bremser im Durchschnitt 1050 Gehalt, 210 Wohnungsgeldzuschuß, 310 Nebeneinnahmen aus dem Zugdienst (hört! hört!); macht in Summa 1570 Daneben bezieht er in den theureren Industrie⸗ gebieten auch noch eine Theuerungszulage, wenigstens in den aller⸗ meisten Fällen, von 60 bis 80 Meine Herren, rechnen Sie das zusammen und sehen Sie sich einmal in Stadt und Land Wum, was denn ein Handwerksmeister (sehr richtig! rechts), was ein Bauer für ein Einkommen hat, und mit wie wenig Sorge um sein täglich Brot nun der Beamte zu kämpfen hat; daß er nebenbei noch eine ganze Reihe von Vortheilen genießt, daß er beispielsweise, ohne dafür irgend ein Opfer zu bringen, Pensionierung⸗ Wittwen⸗ und Waisengelder, daß er freie ärztliche Behandlung genießt, seine Angehörigen freie Arzenei; wenn Sie das alles berück⸗ sichtigen, wird die Differenz zwischen der wirthschaftlichen Lage der Beamten, die sich in dieser Kategorie in der Regel aus den Arbeitern rekrutieren, gegenüber der wirthschaftlichen Lage der Klassen, die ich vorhin genannt habe, noch viel mehr in die Augen springen. (Sehr wahr! rechts.)

Meine Herren, derartige Beispiele könnte ich Ihnen noch eine ganze Reihe vorführen. Ich bin mir wohl bewußt, daß es eine sehr schwere Pflicht ist für den Ressort⸗Minister, eine derartige Stellung einzunehmen; es würde für mich sehr viel dankbarer, sehr viel einfacher und sehr viel erfreulicher sein, wenn ich allen Wünschen der Beamten nach⸗ kommen könnte; aber ich würde meine Pflicht als Staats⸗Minister auf das Gröblichste verletzen. Meine Herren, wenn wir so verfahren würden, so würde das Ende einer geregelten und vernünfligen Finanz⸗ wirthschaft bald herbeigekommen sein. Meine Herren, nur das, was jetzt in diesem Jahre petitioniert wird, würde einen Aufwand von über 36 Millionen erfordern. (Hört, hört!) Und, meine Herren, sind Sie denn der Meinung, daß damit nun die Sache ein Ende hätte? Nach den bisherigen Erfahrungen können Sie das unmöglich annehmen. (Sehr richtig!) Und es wäre auch unrecht, wenn es damit ein Ende hätte, denn es würde eine ganze Reihe von Beamtenklassen Ihnen nachweisen, daß nur ihre Bescheidenheit, ihre alte, angestammte Beamtenauffassung sie verhindert hat, ihrerseits auch zu petitionieren und Anträge zu stellen. Sie können dreist die doppelte Summe nehmen, die dann berkuskommen würde, um auch diesen, dann gerechten Ansprüchen Ihrerseits zu willfahren.

Meine Herren, das offen auszusprechen ist bei der gegenwärtigen Lage der Dinge, auch in der parlamentarischen Lage, in der sich die Angelegenheit befindet, durchaus nothwendig, und ich habe mich dieser Pflicht nicht entziehen wollen und können.

Die Budgetkommission hat eingehend und gründlich die Sache bei jeder einzelnen Position geprüft, hat die absolute und relative Richtigkeit der jetzt gewährten Besoldung erwogen und ist auf Grund dieser Prüfung nach langen Verhandlungen zu dem Ergebniß ge⸗ kommen, bei dem hohen Hause die Ablehnung zu beantragen.

Das, meine Herren, war der Moment, wo auch ich ein klares Wort sprechen mußte. Das ist geschehen, und ich kann Ihnen aus meiner vollsten Ueberzeugung und bei all demjenigen Wohlwollen, welches der Ressortchef seinen Beamten gegenüber haben muß, und welches ich, ohne mich zu überheben, wohl auch für mich beanspruchen kann auf Grund dessen, was in den neun Jahren, während welcher ich an meiner Stelle stehe, für die Beamten ge⸗ schehen ist, nur dringend empfehlen, sich dem Antrage Ihrer Budget⸗ kommission anzuschließen. (Lebhaftes Bravo rechts.)

Abg. Dr. Kelch (fr. kons): Die Befürchtungen, die an einzelne solche Petitionen geknüpft werden, sind doch übertrieben; die Finanz⸗ verwaltung hat bei dem Abschluß der Besoldungsverbesserungen sich selbst die spätere Ausgleichung einiger Ungleichheiten vor⸗ behalten. Die Herren vom Bunde der Landwirthe haben anerkannt, daß die Forderung der Eisenbahn⸗Betriebs⸗Sekretäre berechtigt ist, das hat mir Herr Hahn gesagt. Mit der Ausführung des Antrags des Prinzen Arenberg würden diese Beamten zufrieden sein. Wir haben es ferner schon vor einigen Jahren der Regierung zur Erwägung anheimgestellt, Eisenbahn⸗ Betriebs⸗Sekretäre, welche gute Zeugnisse aufweisen können, auch ohne Examen zu Eisenbahn⸗Sekretären zu befördern. Der Redner beantragt schließlich, diejenigen Petitionen, welche sich auf Vereinigung der mit Anwärtern für Eisenbahn⸗Sekretärstellen besetzten Betriebs⸗Sekretär⸗ stellen mit den Stellen der Eisenbahn⸗Sekretäre zu einer Klasse und

auf Vermehrung der Stellen für Eisenbahn⸗Sekretäre beziehen, der Regierung zur Erwägung zu überweisen.

Geheimer Ober⸗Finanzrath Belian legt unter eingehender Dar⸗ stellung der Funktionen der Eisenbahn⸗Sekretäre und der Eisenbahn⸗ Betriebe⸗Sekletäre die Gründe dar, weshalb es unmöglich sei, die Eisenbahn⸗Betriebs⸗Sekretäre vor anderen Beamtenklassen zu bevorzugen. Die Budgetkommission habe diese Gehaltserhöhung mit 12 gegen 6 Stimmen abgelehnt. Er bitte das Haus dringend, ebenfalls die Ablehnung zu beschließen. In den Anforderungen der Beamten müsse endlich einmal Ruhe eintreten.

Hierauf vertagt sich das Haus. v1164“

Präsident von Kröcher erbittet und erhält die Ermächti⸗ gung, Ihren Kaiserlichen und Königlichen Majestäten sowie Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit dem Kronprinzen die Glückwuͤnsche des Hauses zur Feier der Großjährigkeits⸗ erklärung des Kronprinzen auszusprechen.

Schluß gegen 4 ¼ Uhr. Nächste Sitzung unbestimmt,

chtlich nicht vor dem 14. Mai