1900 / 116 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 15 May 1900 18:00:01 GMT) scan diff

Nichtamtliches. Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 15. Mai.

Seine Majestät der Kaiser und König hörten gestern Vormittag im Schlosse Urville den Vortrag des Chefs des Zivilkabinets, Wirklichen Geheimen Raths Dr. von Lucanus und besichtigten hierauf in Metz die Arbeiten zur Wieder⸗ herstellung 8. 8

8 8 8

2 8 8 8

Laut Meldung des „W. T. B.“ ist das erste Geschwader, Chef: Vize⸗Admiral Hoffmann, am 12. Mai in Lerwick eingetroffen und beabsichtigte, heute nach Bergen in See u gehen. b 8 M. SS. „Hertha“, Kommandant: Kapitän zur See von Usedom, und „Hansa“, Kommandant: Kapitän zur See Pohl, sind gestern in Wusung angekommen. .

S. M. S. „Jaguar“, Kommandant: Korvetten⸗Kapitän Kinderling, ist gestern in Kobe eingetroffen und beabsichtigt, diesen Hafen am 26. Mai wieder zu verlassen.

6

Bayern. der gestrigen Sitzung der Kammer der Ab⸗ geordneten erklärte, dem „W. T. B.“ zufolge, der Minister⸗ Präsident Dr. Freiherr von Crailsheim bei der Berathung des Eisenbahn⸗Etats, daß zwischen den süddeutschen Bahn⸗ verwaltungen Verhandlungen uͤber eine Reform der Per⸗ sonentarife im Gange seien, und zwar auf Grund der Sätze von 6, 4 und 2,5 bezw. 2,3 Pfennigen für den Kilo⸗ meter in den drei Wagenklassen mit 1, 0,7 und 0,5 Pfennig Zuschlag für Schnellzüge. Diese Herabsetzung der Tarife wuͤrde bei dem Satze von 2,5 Pfennig für ie dritte Wagenklasse einen Ausfall von 4 240 000 ℳ, bei 2,3 Pfennig einen solchen von 5 600 000 und bei 2 Pfennig sogar einen Ausfall von 8 Millionen Mark ergeben. Trgh dieses Ausfalles würde Bayern einer solchen ö zustimmen. ine Schlußkonferenz in dieser Frage habe noch nicht statt⸗ gefunden. Es sei jetzt wieder fraglich geworden, ob sich alle anderen süddeutschen Staaten betheiligen würden.. . Württemberg 8 Seine Majestät der König hat sich, wie der „St.⸗A. .W.“ meldet, am Sonntag zum Besuche Seiner Königlichen oheit des Herzogs Nikolaus von Württemb ach Farlsruhe in Schlesien begeben. 8

1

* Seine Königliche Hoheit der Großherzog begab sich, ie „W. T. B.“ berichtet, gestern Morgen von Darmstadt nach Bingen und dort an Bord eines der Torpedoboote. Von Mainz fuhren zwei Festdampfer mit den Vertretern der Zivil⸗ und Militärbehörden, Stadtverordneten und Wallen der Torpedoboot⸗Flottille bis Eltville ntgegen, wo unter lautem Jubel die geßenseitige Begrüßung rfolgte. Auf dem ersten Torpedoboot befand sich Seine König⸗ liche Hoheit der Großherzog. An den Ufern des Flusses bildeten ie Bewohner der einzelnen Orte Spalier und begrüßten die Torpedoboote mit lauten Hergeufhn und mit Böllerschüssen. In Biebrich hatten die Zöglinge der Unteroffizierschule mit aust am Ufer Aufstellung genommen, Bei der Ankunft in Mainz erreichte der Jubel den Höhepunkt; vom Festungs⸗ wall wurden Lg- abgefeuert, Militär und Vereine standen am Ufer des Rheines, und eine unabsehbare Menschen⸗ 8 begrüßte die Gäste mit Tücherschwenken und türmischen Zurufen. Die Besatzung wurde von dem Stadt⸗ kommandanten, Generalmajor von Zastrow begrüßt, sodann erfolgte die Meldung der Offiziere bei dem Gouverneur, Generalleutnant Baron von Collas, welcher herzliche Worte der Begrüßung an dieselben richtete. Den Offizieren wurde ierauf in der Stadthalle ein Ehrentrunk kredenzt. Später olgten die Offiziere einer Einlahung des Großherzogs zum Diner im Großherzoglichen Schlosse. . Gestern Abend fand in der Stadthalle zu Mainz aus Anlaß der Anwesenheit der Torpedoboots⸗Flottille ein von den dortigen Kriegervereinen veranstalteter Kommers statt, welchem etwa 3000 Personen, darunter die der Militär⸗ und der Zivilbehörden, theil⸗ Der Regierungsrath Lochmann brachte einen begeistert aufgenommenen Trinkspruch auf Seine Majestät den Kaiser und Seine Königliche Hoheit den Großherzog aus. Der Baurath Kuhn begrüßie die Gäste namens der Stadt. Der Kapitänleutnant Funke erwiderte mit herzlichen Dankesworten für den glänzenden Empfang. Elsaß⸗Lothringen. Seine Majestät der Kaiser, Allerhöchstwelcher Sich, ie „W. T. B.“ meldet, gestern Vormittag um 11 Uhr von Kurzel mittels Sonderzuges nach Henaeten Pong⸗ begeben hatte und dort von dem Bezirks⸗Präsidenten Freiherrn von Hammerstein empfangen worden war, besuchte daselbst die Bildhauerwerkstätte der Metzer Kathedrale und sodann die Kathedrale selbst. Seine Majestät nahm das Frühstück bei dem Bezirks⸗Präsidenten Freiherrn von Hammerstein ein und kehrte um 3 Uhr Nachmittags nach dem Schass Urville zurück. Zur gestrigen Abendtafel daselbst waren sämmtliche Generale der Garnison von Metz und der Bezirks⸗Präsident geladen.

1“ 8

Oesterreich⸗Ungarn.

Ueber den Verlauf der gestrigen Sitzung der öster⸗ reichischen Delegation liegt folgender Bericht des „W. T. B.“ aus Budapest vor:

Nach dem Exposé des Ministers des Aeußern Grafen Golu⸗ chowski erklärte der Delegirte Slama, daß die Delegirten der Seen gegen das Budget des Aeußern stimmen würden. Dieses ablehnende Votum berube einerseits auf dem vollsten Miß.

trauen gegenüber dem Grafen Goluchowski, andererseits auf dem Mißtrauen gegen die von ihm verfolgte Richtung der auswärtigen Politik. Der Redner warf dem Grafen Goluchowski ein systematisches ngreifen in die inneren Ver⸗ hältnisse Oesterreichs vor und bezeichnete ihn als den Urheber der Auf⸗ hebung der Sprachenverordnungen. Slama besprach sodann das Verhältniß Oesterreich⸗Ungarns zu Deutschland und Rußland und

Massenausweisungen ciechischer Arbeiter aus Preußen betreffe, so könne

dem Einvernehmen mit Rußland eine Garantie für die Erhartung des Friedens. Der Redner meinte, daß durch die Vorgänge der letzten Tage dieses Einvernehmen gestört werden könne. Er besprach sodann die Ausweisungen böhmischer und polnischer Arbeiter aus Deutschland und bemerkte, daß am Vorabend der Reise des Kaisers Franz Joseph nach Berlin 1arve. dieser Arbeiter aus Deutschland vertrieben worden seien. Der Redner fragte den Minister, welche Schritte in dieser Angelegenheit unternommen seien, und regte ferner Repressalien für den Fall der Erhöhung des deutschen Einfuhr⸗ zolls auf böhmische Biere an. Der polnische Delegirte Graf Dzieduszicki sprach dem Minister des Aeußern volles Vertrauen und Anerkennung aus und richtete einen Appell an die streitenden Völker Oesterreichs, einen billigen Ausgleich zu schließen. Der Delegirte Kozlowski kam dus die Frage der Auswanderung aus Oesterreich zu sprechen, regte die Schaffung neuer Konsulate in Oppeln und Thorn an und befürwortete die Anbahnung von Verhandlungen mit Rußland behufs einer Konvention über die Weichselschiffahrt, ferner die Regulierung der Weichsel und die Verlängerung der galizischen Bahnen nach Tomaszew und Warschan. Der Redner klagte über die Ausführung der Veterinär⸗ konvention, regte ein internationales Uebereinkommen zum Zweck des Arbeiterschutzes und der Regelung der Arbeitszeit an und betonte die Nothwendigkeit der Bildung einer mitteleuropäischen Zollliga und der Einschränkung der Ausweisungen auf solche Personen, welche die innere Ruhe störten. Der Delegirte Demel erklärte, seine Partei sei stets bereit, für die Herstellung des inneren :7.88* ihr Möglichstes zu thun. Gegenüber dem Delegirten Slama bemerkte der Redner, daß alle Parteien Oesterreichs und auch die Mehrheit des czechischen Volks die gegenwärtige Politik Oesterreichs -; sodaß Slama vereinzelt dastehe. Der Redner besprach hierauf den Besuch des Kaisers Franz Joseph in Berlin, hob hervor, daß die Beziehungen zu Rußland die besten seien, und regte eine Vereinigung der Kontinentalstaaten gegenüber der Wirth⸗ schaftspolitik Großbritanniens und Amerikas an. Der Minister des Aeußern Graf Goluchowski trat den Ausführungen dres Delegirten Slama entgegen, welche den Thatsachen nicht ent⸗ sprächen. Er habe schon wiederholt die Behauptung von seinem Ein⸗ greifen in die innerpolitischen Verhältnisse Oesterreichs zurückgewiesen, trotzdem werde dieselbe immer wieder vorgebracht und von einem Kriegszustande zwischen den Ciechen und dem Minister ge⸗ sprochen; zum Kriege gehörten aber zwei, und er habe keine Lust, Krieg zu führen, habe auch niemals etwas gethan, was die czechische Nation schädigen könne. Wenn Slama die Besorgniß zum Ausdruck gebracht habe, die innigen Beziehungen zu den Verbündeten könnten bewirken, daß die Mittellinie, welche er der Minister seit Jahren ein⸗ zuhalten bestrebt gewesen sei, nämlich die, gute Beziehungen zu den Verbündeten und anderen Nachbarstaaten zu pflegen, verlassen werde, so bemerke er, daß Slama wohl weder der? nsprache des Kaisers, noch seinen vorherigen Ausführungen die nöthige Aufmerksam⸗ keit zugewendet habe. Denn in beiden werde mit aller Deutlichkeit betont, daß das Allianzverhältniß eine höchst erfreuliche Ergänzung in den guten Beziehungen zu Rußland und anderen Staaten finde und daß das ständige Bestreben der gemeinsamen Regierung darauf gerichtet sei, diese Konstellation zu erhalten. Slama habe weiter bemerkt, daß in Bulgarien und Serbien keine Sympathien für Oester⸗ reich mehr vorhanden seien; wenn Slama das so verstehe, daß es das Ziel der österreichischen Politik sein solle, dort Parteien zu schaffen, die für Oesterreich arbeiteten, sa müsse er der Minister dagegen hervorheben, daß das Wesen des Uebereinkommens mit Rußland eben darin bestehe, eine Einmischung in die inneren Ver⸗ hältnisse der genannten Staaten auszuschließen. Gerade hierdurch werde die Möglichkeit von Zusammenstößen vermieden. Was die angeblichen

er nur auf die amtlichen Erhebungen verweisen, denen zufolge die Aus⸗ weisungen zan; vereinzelte seien. Der Minister bespra mehrere einzelne Fälle und wies nach, daß bei diesen der Grund der Ausweisung nicht die Nationalität der betreffenden Arbeiter gewesen sei. Uebrigens habe die Auswanderung galizischer Arbeiter nach Deutschland bereits einen solchen Umfang angenommen, daß sie zu einer wahren Kala⸗ mität geworden sei. Auf Slama's Anfrage wegen der Erhöhung des Zolles auf böhmisches Bier in Deutschland bemerkte der Minister, daß es sich vorläufig nur um den Beschluß eines Ausschusses handle, und daß eine Reklamation gegen diese Maßregel auch nicht erhoben werden könne, da der Zoll auf Bier nicht zu den vertragsmäßig festgelegten Positionen gehöre. Bei den Verhandlungen über die Erneuerung des Handelsvertrages werde sich übrigens Gelegen⸗ heit bieten, über diesen Punkt, wie auch über die von anderer Seite berührte Veterinär⸗Konvention sich auszusprechen. Sss. lich stellte der Minister in Aussicht, daß es bald möglich sein werde, mit der Schaffung von neuen Konsulaten in einem rascheren Tempo vorzugehen. Der Berichterstatter Marquis de Bacqueohem hob nochmals den Empfang des Kaisers Franz Joseph in Berlin als ein Zeichen der intimen Beziehungen und der vertrauensvollen Freund⸗ schaft der beiden Herrscher und Kaiserhöfe, wie auch als Unterpfand für die Festigkeit des Bundesverhältnisses hervor, und beantragte schließlich dem Grafen Goluchowski das Vertrauen der Dele⸗ gation auszusprechen. In der hierauf folgenden Spezialdebatte wurden sämmtliche Titel des Budgets des Aeußern an⸗ genommen. Im Laufe der Debatte besprachen die Delegirten Koslowski und Slama nochmals die Ausweisungen aus Deutschland. Der Minister des Aeußern Graf Goluchowski erwiderte: wenn Slama immer wieder auf Massenausweisungen zurückkomme, so könne er ihn nur ersuchen, ihm spezielle Fälle namhaft zu machen; er werde alsdann nicht säumen, die nöthigen Erhebungen einzuleiten. Wenn die Ausweisungen meist polnische oder böhmische Arbeiter träfen, so dürfe man nicht vergessen, daß aus Oesterreich fast nur flavische Arbeiter nach Deutschland gingen. Von einer differen⸗ ziellen Behandlung nach Nationalitäten könne also nicht die Rede sein. Die Sitz ng wurde sodann geschlossen.

Die Subcomités der Quotendeputationen ver⸗ einbarten gestern die Beibehaltung der Quote von 34,4 und 65,6 Prozent. Diese Abmachung wurde vom Plenum der bzerreichischen und der ungarischen Deputation, welche sofort zusammentraten, genehmigt.

Unter dem Vorsitz des österreichischen Unterrichts⸗Ministers von Hartel hat gestern in Wien eine Enquste, betreffend die Reform des höheren Mädchenbildungs⸗ und

Schulwesens, begonnen.

Großbritannien und Irland.

Der König von Schweden und Norwegen stattete estern der Universität Cambridge einen Besuch ab. Aller⸗ höchstderselbe wurde mit großer Begeisterung empfangen und erhielt den Titel eines Doktors der Rechte.

In der gestrigen S des Unterhauses machte, dem „W. T. B.“ zufolge, der Staatssekretär für die Kolonien Chamberlain die Mittheilung, daß er keine Nachrichten aus Kumassi erhalten habe, welche späteren Datums seien als diejenigen, die am letzten Montag amtlich bekannt gemacht worden seien. Es sei kein Grund zu der Annahme vorhanden, daß die Gern gen Gefahr laufe, überwältigt zu werden. Er hoffe, der Aufstand werde niedergeworfen werden, sobald die weiteren Verstärkungen, die veee worden, in Kumassi eingetroffen sein würden. Chamberlain brachte sodann die Vorlage, betreffend die gemeinsame Verfas⸗ sung der australischen Kolonien, ein und sagte, die Vorlage bedeute einen wichtigen Schritt vorwärts zu der Organisation des britischen Reichs. Werde die Vorlage angenommen, so werde Australien einen gemein⸗ samen Tarif, ferner Freihandel zwischen den Kolonien

AMach der amtlichen

der Republikaner ausgefallen.

Australiens sowohl wie Großbritanniens liege. Na Rückblick auf die Geschichte der föderativen Dene Chamberlain, daß die Zustimmung zu dem Vorschlag in der Vorlage, welcher sich auf die Berufung an den Geheimen Rath beziehe, zu Komplikationen führen könne und für die Einheit des Reichs schädlich sein würde. Die Regierung ersuche das Haus, die Vorlage dahin zu verbessern, daß der gegenwärtige Appellhof beibehalten werde. Die Regierung habe die Verschmelzung des richterlichen Ausschusses des Geheimen Raths mit der Appell⸗Gerichtsbarkeit des Hauses der Lords ein⸗ ehend erwogen. Aber eine solche Veränderung würde viel Zeit in Anspruch nehmen, da die verschiedenen Kolonien um ihre Meinung befragt werden müßten. Sie schlage daher vor, dem Hause der Lords unverweilt einen Plan zur Ernennung je eines Repräsentanten für Canada Australien, Süd⸗Afrika und Indien als Mitglieder des Ge⸗ heimen Raths auf sieben Jahre vorzulegen. Diese neuen Mit⸗ lieder sollten auch als Lords of appeal thätig sein und die sebenslangliche Peerschaft erhalten. Sir Henry Campbell Bannerman begrüßte die Vorlage, verwarf aber. die von der Regierung vorgeschlagene Abänderung. Die Opposition werde sich bemühen, dieselbe durch Einbringung eines Gegenamende⸗ ments zu modifizieren. Nach mehrstündiger Debatte wurde schließlich die erste Lesung der Vorlage angenommen. Im weiteren Verlaufe der Sitzung genehmigte das Haus die dritte Lesung der Marine⸗Reserve⸗Bill. 8 Frankreich.

Feststellung der Ergebnisse der Stich⸗ wahlen zu den Munizipalräthen sind dieselben, wie „W. T. B.“ berichtet, in den meisten großen Städten, so in Lille, Lyon, Nimes, Saint⸗Etienne, Montpellier, Tourz, Poitiers, Nantes, Rochefort, Bourges und Besangon, zu Gunsten

ch einem

Wie das Wiener „Telegr.⸗Korresp.⸗Bureau“ aus Kon⸗

stantinopel meldet, hat der Sultan aus Anlaß der Ver⸗

mählung der Prinzessin Marie von Griechenland mit dem Großfürsten Georg Michailowitsch dem König von Griechenland telegraphisch seine Glückwünsche ausgesprochen. Der König erwiderte mit herzlichsten Dankesbezeugungen. Die griechische Gesandtschaft in Konstantinopel über⸗ reichte gestern sämmtlichen Botschaftern das angekündigte Memorandum über die Frage der Konsularkonvention. Das Memorandum beleuchtet jene Punkte, welche zu Meinungs⸗ verschiedenheiten mwischen den griechischen und den türkischen Unterhändlern Anlaß gegeben haben, und besagt, daß, da eine direkte Einigung nicht habe erzielt werden können, die griechische Regierung gemäß dem betreffenden Artikel des Friedensvertrages be⸗ schlossen habe, 85 Herbeiführung einer Lösung das Schiede⸗ gericht der Botschafter anzurufen. Gleichzeitig überreichte die griechische Gesandtschaft der Pforte eine Note, in der sie die erfolgte Uebergabe des Memorandums an die Botschafter bekannt giebt. . . Der gestrige Ministerrath beschäftigte sich abermals mit dem französisch⸗syrischen Eisenbahnprojekt. Der Eatwurf der betreffenden Konvention wurde dem Sultan zur Sanktion unterbreitet. 8 3

Wie „W. T. B.“ aus Belgrad meldet, ist der frühere Minister Tauschanowitsch wegen Urkundenfälschung zu fünf Jahren Kerker in leichten Fesseln verurtheilt worden, doch wurde diese Strafe mit der von ihm noch zu verbüßenden neunjährigen Gefäangnißstrafe in elf Jahre Kerker in leichten Fesseln zusammengelegt. v11“

14“*“

Der „Times“ wird aus Peking gemeldet: Die Kon⸗ missare, die von der chinesischen Regierung ernannt worden sind, um Vorschläge zur Revision des Zolltarifs auszuarbeiten, würden vorschlagen, daß für die Ausfuhr⸗ zölle der Satz von 5 Proz. ad valorem beibehalten werde; dagegen sollten die Einfuhrzölle von weniger als 5 auf

15 ad valorem erhöht werden, da die Likinsteuer und alle weiteren die Einfuhr treffenden Steuern abgeschafft worden seien. Afrika.

Aus Pretoria vom 12. d. M. meldet das „Reuter sche Bureau“, daß die Buren Mafeking an dem genannten Tage lebhaft mit Feschat und Gewehrfeuer angegriffen Das Eingeborenen⸗Viertel sei durch Feuer, das durch eine Granate verursacht war, zerstört worden. Das Verbot der Einfuhr von Lebensmitteln über die Delagoa⸗Bay werde in erster Reihe die gefangenen Engländer treffen. Zuerst werde man den Buren Lebensmittel verabfolgen, dann den Angehörigen der neutralen Mächte und zuletzt erst den Gefangenen.

Demselben Bureau wird aus Kroonstad vom 12. d. M. gemeldet: Der Präsident Steijn habe sich nach Heilbron, nicht nach Lindley begeben und Heilbron zur neuen Hauptstadt erklärt. Ueber 400 Burgher hätten ihre Waffen ausgeliefert. In Kroonstad und in der Umgegend verlaute, die Transvaalburen konzentrierten sich am Vaal⸗Flusse.

Der General Sir Redvers Buller meldet amtlich, es sei ihm gelungen, die Biggarsbergpässe zu forcieren. Die Besetzung von Dundee werde demnächst erwartet.

Aus Stonehill Farm (Natal) vom gestrigen Tage be⸗ richtet das „Reuter'sche Bureau“: Nach einem viertägigen Marsch in östlicher Richtung bis zum Fuße der Helpmakaar⸗Höhen, die die Front und den linken Flügel der feindlichen Stellung bildeten, griff die zweite Brigade am Sonntag den Feind auf der linken Flanke an. Lord Dundonald s Kavallerie be⸗ drängte die Buren im Zentrum, während Lord Bethune? berittene Infanterie 88 dem äußersten rechten Flügel gegen 89 nceroy vorging. Der Feind wartete jedoch den Angriff nicht ab.

Parlamentarische Nachrichten. Der Bericht über die gestrige Sitzung des Reich

tages befindet sich in der Ersten Beilage.

In der heutigen (194.) Sitzung des Reichstages,

welcher der Staatssekretär des e Staats⸗Ministe

Dr. Graf von Posadowsky und der Staatssekretär ö

Reichs⸗Marineamts, Staats⸗Minister, Vize⸗Admiral Fiehn

beiwohnten, stand zunächst die zweite Lcsung des b d9. r

sagte, die Czechen hätten niemals gespannte Verhältnisse oder gar Feindschaft mit Deutschland verlangt. Andererseits erblickten sie in

und eine gemeinsame Verwaltung der Landesvertheidigung Die Regierung glaube,

daß die Vorlage im Interesse

I betreffend die militärische pflege im Kiautschou⸗Gebiete, auf der Tagesordnung.

Der § 1 des Entwurfs gelangte unverändert zur An⸗

me. nah u s 2 lag ein Antrag der Abgg. Bassermann Lnr)ö Eickhoff (fr. olksp.), Kirsch (Zentr.) und Rickert (fr. Vag.) vor: dem Gesetz einen Zusatz zu geben, wonach dasselbe einst⸗ weilen nur bis zum 1. Januar 1906 in Kraft bleiben soll.

Nachdem der Abg. Bassermann diesen Antrag aus den schon in der ersten Lesung entwickelten Gründen empsohlen

hatte, wurde derselbe ohne weitere Erörterung in dieser Fassung angenommen.

Darauf begann die zweite Berathung des Entwurfs eines See⸗Unfallversicherungsgesetzes auf Grund der Be⸗ schlüsse der XXI. Kommission. An der Debatte betheiligten sich bis zum Schluß des Blattes der Geheime Ober⸗Regierungsrath im Reichsamt des Innern Caspar und die Abgg. Molkenbuhr (Soz.) und Stadthagen (Soz.).

In der heutigen (67.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Minister der öffentlichen Arbeiten von Thielen beiwohnte, theilte zunächst der Präsident von Kröcher mit, daß er von Seiner Majestät dem Kaiser und König, von Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin und von Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit dem Kronprinzen beauftragt worden sei, dem Fause den Dank für die Glückwünsche zur Großjährigkeitserklärung des Kron⸗ prinzen auszusprechen. Sodann trat das Haus in die Tages⸗ ordnung ein.

Das Mandat des Abg. Schweckendieck, vortragenden Raths im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, wird durch die Verleihung des Charakters als Wirklicher Geheimer Ober⸗ hcegt mit dem Range eines Raths erster Klasse auf 28“9 der Geschäftsordnungskommission für nicht erloschen erklärt.

Es folgt die Verlesung der Interpellation der Abgg. Dr. Hirsch (fr. Vp.) und Genossen:

„Welche Maßregeln beabsichtigt die Königliche Staatsregierung zu ergreifen, um die durch Versandung Sperrung des Memeler Hafens, durch welche der Handel und die Schiffahrt der Grenzstadt Memel und die Lebensinteressen ihrer Einwohnerschaft gescbrden. werden, zu beseitigen und deren Wiederkehr für die Zukunft zu verhüten?“

Nach der Begründung der Interpellation durch den Abg. Dr. Krieger⸗Königsberg (fr. Volksp.) wird dieselbe von dem Minister der öffentlichen Arbeiten von Thielen beantwortet und damit für erledigt erklärt.

Hierauf gelangt der Antrag der Abgg. Krause⸗Dawillen (kons.) und Genossen zur Berathung:

„Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, für den baldigen Ausbau der Süder⸗ mole bei Memel die erforderlichen Mittel verfügbar zu machen.“

Dieser Antrag wird nach längerer Debatte der Budget⸗ kommission überwiesen.

(Schluß des Blattes.)

Die Eisenbahnen der Erde.

n

1““ Statistik und Volkswirthschaft.

Das Eisenbahnnetz der Eede hatte, wie wir einer im Maiheft des „Archivs 82 Eisenbahnwesen“ zum größten Theil auf Grund amtlicher Quellen gegebenen Uebersicht entnehmen, am Eade des Jahres 1898 eine Länge von 752 472 km erreicht, eine Länge, die das 18 fache des Erdumfangs am Aequator (40 070 km) noch um mehr als 1000 km übertrifft und nahezu dem Doppelten der mittleren Entfernung des Mondes von der Erde (384 420 km) gleichkommt. Bei dieser Längenangabe sind nur die Bahnlängen gerechnet, die Gleis länge ist bei den vielen 2⸗ und mehrgleisigen Eisenbahnen, die ch namentlich in Europa und in Nord⸗Amerika finden, eine noch be⸗ eeutend größere. „Von der gesammten Bahnlänge der Erde kommt mehr als die 38. 386 732 km auf Amerika. Dann folgt von den rdtheilen das an Flächeninhalt nur etwa ¼ von Amerika umfassende Europa mit 269 743 km, hiernach Asien mit der im Verhältniß zu der gewaltigen Flächengröße dieses Erdtheils sehr geringen Länge von 55 605 km, Australien mit der verhältnißmäßig wesentlich rößeren Länge von 23 334 km und endlich Afrika mit der sowohl im Ganzen als im Verhältniß zur Fläche kleinsten Zahl von 17 058 km Eisenbahnen.

Wie Amerika unter den Erdtheilen, so stehen die Vereinigten Staaten von Amerika unter den Staaten in Bezug auf die Eisenbahnlänge obenan; sie zählten am Schluß des Jahres 1898 299 911 km. Dann folgen das Deutsche Reich mit 49 560 km, das europäische Rußland einschließlich Finlands mit 42 535 km,

rankreich mit 41 703 km, Britisch⸗Ostindien mit 35 384 km, hesterreich⸗Ungarn einschließlich von Bosnien und Herzegowina mit 35 113 km, Großbritannien und Irland mit 34 668 km

Im Verhältniß zur Flächengröße ist das Koönigreich Belgien, in dem 20,6 km Eisenbahnen auf je 100 qkm Fläch⸗ kommen, das mit Eisenbahnen am besten ausgestattete Land. Nach diesem folgen das Königreich Sachsen mit 18,6 km, das Groß⸗ herzogthum Baden mit 12,5, Elsaß⸗Lothringen mit 12,2, Großbritannien und Irland mit 10,9, das Deutsche Reich im Durchschnitt mit 9,2, die Schweiz mit 8,9, die Nieder⸗ lande mit 8,8, rankreich mit 7,9 km Eisenbahn auf je 100 qkm Fläche. Die übrigen europaͤischea Länder sind mit Eisenbahnen im Verbältniß zu ihrer Flächen⸗ ausdehnung spärlicher ausgerüstet, die kleinsten Zahlen haben Rußland mit 0,8 und Norwegen mit 0,6 km Eisenbahn auf

qkm. Von den außereuropäischen Ländern stehen in Bezug auf dieses e die Vereinigten Staaten von

merika mit 3,8 km Eisenbahn auf 100 qkm obenan, danach olgen Portugiesisch⸗Indien und die australische Kolonie iktoria mit je 2,2 km, alle übrigen Länder zeigen wesentlich leinere Zahlen. g In Bezug auf das Verhältniß der Eisenbahnlänge zur Kevölkerungszahl steht die dünnbevölkerte australische olonie Queensland mit 88,3 km Eisenbahn auf je 10 000 Ein⸗ wohner obenan. Dann folgen die Kolonie Süd⸗Australien mit 8 km, der Oranje⸗Freistaat in Süd⸗Afrika mit 63,8 km, ritisch⸗Nord⸗Amerika mit 51,7 km, die Kolonie Neu⸗ eeland mit 48,6 km, Neufundland mit 45,3 km, die Ko⸗ Uünten Viktoria und Tasmanien mit 43,0 und 42,8 km, ie Vereinigten Staaten von Amerika mit 42,6 km Eisen⸗ haha auf je 10 000 Einwohner. Wesentlich kleinere Längen kommen uf die gleiche Einwohnerzahl in den europälschen Ländern, wo 82 eden mit 20,4 km obenan steht. Danach folgen die Schweiz 38 12,2, Dänemark mit 11,3, Bayern mit 11,2, Frankreich 8 das Großherzogthum Baden mit je 10,9, Elsaß⸗Lothringen 8 10,8, das e Reich im Durchschnitt mit 9,5, Nor⸗ eg 8 n mit 9,3 km Eisenbahn auf je 10 000 Einwohner. 8 der Zuwachs, den die Eisenbahnlänge der Erde in der Zeit den ade des Jahres 1894 bis Ende 1898 erhielt, hat 64 967 km wer. Dieser Zuwachs ist um 4605 km größer als der im Zeit⸗ 1öon 893 bis 1897 und auch größer als der in den Zeiträumen bis 1896 und 1891 bis 1895. Verhältniß mäßig die Steigerung haben in dem letzten Jahrfünft die Eisen⸗ von Asien und Afrika aufzuweisen. In Asien macht

Transkaspien belegenen Eisenbahnen geltend, China wird wo erst in den nächsten Jahren mehr in den Vordergrund treten. g. Afrika ist der Eisenbahnbau der englischen Kolonien im Jahre 1898 stark vorgeschritten. In Australien hat sich in den letzten Jahren das Eisenbahnnetz nur wenig vermehrt; in Süd⸗ und Mittel⸗Amerika findet man einen fast vollständigen Stillstand; das Netz der Bahnen der Vereiniaten Staaten hat sich um etwa 3000 km vergrößert, ein im Vergleich mit früheren, weiter zurückliegenden Zeiten geringer Zuwachs. Im Jahre 1899 sollen dort wieder etwa 75000 km gebaut v sein. 8

en größten Fortschritt im Jahrfünft 1894 —98 weist Ruß⸗ land mit 6975 km neuer Eisenbahnen auf, in Ceift Nnh. Ungarn wurden 5075 km, im Deutschen Reich 4098 km neuer Eisenbahnen gebaut, in Frankreich betrug der Zuwachs nur 1724 km, in Großbritannien nur 1077 km. Zieht man in Er⸗ wägung, welche Fortschritte in den letzten fünf Jahren in Deutsch⸗ land, in erster Linie in Preußen, der Bau von Kleinbahnen (die in der Zusammenstellung fehlen) gemacht hat von denen allein in Preußen seit dem Inkrafttreten des Kleinbahngesetzes vom 28. Juli 1892 bis zum 30. September 1899 5906 km theils gebaut, theils ge⸗ nehmigt sind —, so ergiebt sich, daß das Deutsche Reich hinter keinem anderen Lande der Welt mit dem Ausbau seines Netzes von Verkehrs⸗ mltte g arhcgezieben ist.

id der Zuwachs an Eisenbahnlänge der Erde seit 1890 von Jahr zu Jahr betrachtet, so ergiebt sich aus der nachstehenden Zu⸗ 18. u 88 Febe⸗ 88 13 156 km (1,9 %)

niedrigsten Stand erre atte und in den darauf folgend

Jahren stetig wieder in die Höhe gegaagen ist. P

Gesammte Zunahme gegen das Voriahr Eisenbahnlänge im Ganzen in Prozent der Erde km %

615 927 19 843 635 8bob 19 964 654 528 18 637 671 893 17 365 687 505 15 612 700 631 13 126 716 393 15 762 1897. 733 789 17 396 1898 752 472 18 683 2

Zum Zwecke der Berechnung des auf die Eisenbahnen der Erde verwendeten Anlagekapitals , die nur näherungsweise möglich ist, sind im „Archiv für Eisenbahnwesen“ Angaben über die in ver⸗ schiedenen Ländern auf die Eisenbahnen verwendeten Geldbeträge zusammengestellt, und zwar getrennt für Eisenbahnen in Europa und in außereuropäischen Ländern. Danach ergaben sich als Kosten für 248 233 km Eisenbahnen in Europa 71 998 000 000 oder durch⸗ schnittlich für i km 290 042 Wird dieser Durchschnittspreis für alle Eisenbahnen in Europa zu Grunde gelegt, die am Schlusse des Jahres 1898 im Betriebe waren, so ergeben sich als Anlagekapital der europäischen Eisenbahnen 290 042 % 269 743 = 78 236 799 206 Für die Eisenbahnen der übrigen Erdtheile ergeben sich in gleicher Weise Anlagekosten von 146 159 % 482 729 = 70 555 187 911 88 zusammen 148 791 987 117 oder rund 148,8 Milliarden

ark.

Ende des Jahres 1890 . 1891 1892 1893 . 1894 1895 1896

—.

rdo o C O Oo do U⸗

dobde —bdodo do 0⸗ 0⸗

Zur Arbeiterbewegung.

Die Maschinenfabrik Vulkan (Akt.⸗Ges.) in Berlin hat, der „Dt. W.“ zufolge, wegen fortgesetzter Störung des Betriebs durch Lohnstreitigkeiten ihre sämmtlichen Former und Gießerei⸗ arbeiter entlassen und die Gießerei geschlossen.

In Breslau haben, wie der „Voss. Ztg.“ mitgetheilt wird, e Bau⸗ und Möbeltischler gestern die Arbeit nieder⸗ gelegt. ¹

Nach einer Meldung der „Lpz. Ztg.“ sind in einer größeren Buchbinderei Leipzigs gegen 90 Arbeiter und Arbeiterinnen infolge Nichteinhaltens des Lohntarifs in den Ausstand getreten.

In Gent ist ein Weber⸗Ausstand ausgebrochen, der sich, wie die „Köln. Ztg.“ erfährt, seit dem 12. d M. auf sämmtliche Baum⸗ wollfabriken erstreckt. Die Zahl der Ausständigen beträgt an 5000. Eine Anzabl von Fabrikanten erklärte, sich einem aus Ar⸗ beitern und Arbeitgebern zu bildenden Schiedsgericht unterwerfen zu wollen. In Ninove sind gleichfalls sämmtliche Baumwoll⸗ webvereien geschlossen. Die dortigen Arbeitgeber bewilligten eine Lohnerhöhung von 20 %, doch verlangen die Ausständigen mehr. (Vergl. Nr. 283/1899 d. Bl.)

8 Kunst und Wissenschaft.

A. F. In der jüngsten Versammlung der „Brandenburgia“, Gesellschaft für Heimathkunde, theilte zunächst der Vorsitzende, Geheime Regierungsrath, Stadtrath Friedel, u. a. mit, daß Seine Majestät der Kaiser und König der Gesellschaft ein Werk über die alte Römerveste Salburg bei Hombaͤrg zum Geschenk gemacht habe, dessen Studium allen sich für vaterländische Geschichte Interessierenden zu empfehlen sei.

Den Vortrag des Abends hielt Dr. Zache, der bekannte Forscher und genaue Kenner der Urgeschichte seiner engeren Heimath, dessen verdienstliches Werk die sehr anschauliche „geologische Wand“ im Humboldt⸗Hain ist, über das Thema „Die märkischen Seen“. Die Seen unserer Mark, so begann der Redner, sind nicht nur ein hübsches Schmuckstück derselben, sondern auch ein nützliches Stück ihres Inventariums; denn Menschen, Thiere und Pflanzen ziehen Vortheil von ihrem Vorhandensein. Dörfer, Städte, Schlösser und Villen sind von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart an ihren Ufern und sogar in ihren Fluthen entstanden. Es waren mannig⸗ fache Umstände, welche die Ansiedler herbeilockten: ursprünglich das Bedürfniß nach Schutz, nach Trinkwasser für Mensch und Vieh, auch der Vorrath von Nahrung, den für alle Fälle die Wasserthiere dar⸗ boten, in neuester Zeit das Bedürfniß nach Erholung und frischer Luft. Auch die Pflanzenwelt bevorzugt die Seen, ja sie begnügt sich nicht mit der Uferzone, sondern wandert in das Wasser hinein und zwar zonenartig und verschieden tief. Auf den äußeren Gürtel des Schilfes folgt die Binse, jenseits derselben die Seerose und die Wasserranunkel, dann die untergetauchten Pflanzen, Hornkraut und Laichkraut, ganz zuletzt die am Boden nicht mehr fest⸗ gehaltenen Pflanzen, der Wasserstern, Wasserschlauch, die Wasserlinse. Mit dem Hineinwandern in den See ändern sich die Organe der Pflanzen. Die leichtere Befriedigung ihres Durstes läßt bei der Binse die Blätter gänzlich verschwinden und an dem lederartigen Blatt der See⸗ rose die zahlreichen, an der Oberseite anderer Blätter vorhandenen Saug⸗ öffnungen. Die eine oder andere der untergetauchten Pflanzen, an sich schon interessant dadurch. wie sie ohne die Beihilfe von Wind und Insekten das Geschäft der Feeeet ihrer Art besorgen, sind erwiesene Fleischfresser, indem sie den kleinen und kleinsten Krebsen Fallen tellen und sie sich assimilieren. Doch, so stark euch der Aufent⸗ alt der Pflanzen im Wasser ihre Organe beeinflußt, so ist der Unterschied zwischen Luft⸗ und Wasserpflanzen doch ver⸗ hältnißmäßig gering gegen den sich zwischen Luft⸗ und Wasserthieren ergebenden. Hier giebt es viel zahlreichere Stufen. Die erste echte assereinrichtung ist die Schwimmhaut zwischen den Zehen, womit die Vögel sich dem Wasser anpassen; das eigentliche Kriterium des Wasserthiers aber sind die Kiemen. Zwischen diesen „Wasserliebhabern“ und den echten Wasserthieren steht eine große Gruppe, gebildet aus verschiedenen Ordnungen des Thierreichs, welche nur in ihrer Jugend Wasserthiere sind, wie z. B. die Lurche und verschiedene Insekten. Der Redner gab an dieser Stelle seines Vortrags, begleitet von Zeichnungen und Präparaten (darunter eine Sammlung „ausgestopfter’ Fische, wenn dieser Ausdruck für das Konservierungsverfahren zulässig ist), eine große Fülle höchst interessanter biographischer Einzelheiten, von denen wir nur folgende hervorheben. Die Ente ist nicht nur durch ihre Schwimmhäute ein typischer Bewohner des Wassers, sondern auch durch die hintere Stellung ihrer Beine, die ihr trefflich zu steuern,

der fortschreitende Ausbau der sibirischen Bahn und der in

Grade ist der Taucher für das Wasser veranlagt und dem⸗ entsprechend für das Land so wenig, daß er beim Laufen die Flügel zu Hilfe nimmt und vierfüßig läuft. Auch der Schnatel der Wasservögel ist durch die Kämme und Höcker an seiner Wurzel dafür eingerichtet, bei der Einnahme fester Nabrung aus dem Wasser dieses abzusondern und herauslaufen zu lassen. Höchst wunderbar ist die Thatsache, daß die Frösche, obgleich im Quappenzustande die flinksten Schwimmer, in ihrer späteren Entwicklung die Wasser⸗ organe vollständig verlieren. Daß viele Insekten ihre Brut im Wasser sichern, hat seinen Grund im Fehlen der Kälterückschläge im Frühjahr, die in der Luft den Insekten häufig tödtlich werden. Auch erwacht nach dem Winter das Leben im Wasser früher als in der Luft. Von ausgebildeten Insekten leben indessen viel weniger im Wasser, als

Es giebt z. B. nur wenige

Larven davon machen, glauben sollte. Wasserorgane, Schwimm⸗

Schwimmkäfer, welche vollkommene bersten und Kiemen⸗Tracheen, besitzen und in der zugespitzten Form ihres Leibes dem Element, in dem sie wohnen, an⸗ gepaßt sind. Ganz dem Wasser angehörig ist von allen Insekten nur der Krebs, von seinen großen Formen an bis herab zu den fast mikroskopischen, die man kaum mehr als Krebse erkennt. Er ist durch den Besitz von Kiemen für das Wasser prädisponiert; seine Panzerung macht ihn gegen die Angriffe der stärkeren Wasserthiere gewappnet. Sein Geschlecht gehört wahrscheinlich zu den ältesten Erdbewohnern. Wasserbewohner par excellence und nicht wie andere auch zugleich zur Noth für den Landaufenthalt ein⸗ gerichtet, sind die Fische. Das Wesen ihres besonderen Wasserorganes, der Kiemen, besteht darin, unter Mitwirkung des Kiemdeckels beständig große Mengen Wasser an den Athmungs⸗ öffnungen vorbeizuführen, um jenen das nöthige Luftquantum zu ent⸗ nehmen. Dem Leben im Wasser angepaßt ist der flache, vorn und hinten zugespitzte Körperbau des Fisches, sein Schwanz, seine Flossen; letztere aber sind viel weniger Fortbewegungsorgane, als man glaubt, da im Schwanz das eigentliche Organ für Fortbewegung sowohl als

Steuerung gegeben ist. Eine der wunderlichsten Erscheinungen in unsern Seen ist der Stichling, weil er sich ähnlich einer sehr entfernten, aber un⸗ ähnlich seiner nahen Verwandtschaft ein Nest baut. Endlich geschah noch der Muscheln und Schnecken Erwähnung, an denen die märkt⸗ schen Seen allerdings nicht überreich sind: der Teich⸗ und der Wandermuschel, so genannt, weil sie im Wege passiver Wande⸗ rung durch russische Flößer sich von Osten nach Westen verbreitet haben, der Tellerschnecke ꝛc. Der zweite Theil des Vortrags um⸗ faßte die geologische Seite des Stoffes. Nach der heutigen Ansicht unserer Geologen stebt das Vorkommen unserer S en in engem Zusammenhang mit der Vergletscherung der norddeutschen Tiefebene. Der Redner hat jedoch eine Beobachtung gemacht, welche ihn zwingt, anzunehmen, daß auch tektonische Kräfte bei der Heraus⸗ bildung unserer heimischen Landschaft mitgewirkt haben. Die Schichten der Erdrinde verschieben sich beständig gegen einander, sodaß Gebirge und Thäler entstehen. adurch treten an der Oberfläche und in den Steinbrüchen sogenannte Verwerfungslinten hervor, welche in den gebirgigen Theilen unseres Vaterlandes eine geeße Rolle spielen. Solche Linien sind nun vom Redner auch in den Thon⸗ und Lehmschichten beobachtet worden, welche den undurchlässigen Boden aller unserer Seen bilden, nämlich in den Ziegelei⸗Gruben in der Nachbarschaft des Scharmützel⸗Sees bei Fürstenwalde, und haben ihn dazu geführt, diesen See als eine Einsturzrinne anzusehen. Auch diese mit dem größten Interesse aufgenommenen Mittheilungen wurden an mehreren Zeichnungen erläutert.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Getreidemarkt in Genua.

Der Kaiserliche General⸗Konsul in Genua berichtet unter dem 8. d. M. Folgendes:

Der Markt verlief im allgemeinen ziemlich ruhig, bei guter Kauflust namentlich in der Lombardei und in Venetien, wo die Vorräthe an einheimischer Waare stark im Abnehmen begriffen sind. Die Eröffnung der Schiffahrt im Azowschen Meere blieb ohne Einfluß auf den Gang der Geschäfte und auf die Preise. Das Jateresse der Kaäufer konzentrierte sich ausschließlich auf prompte. Waare, da die Berichte über den Saatenstand in Italten im allgemeinen befriedigend lauten. In Siztlien sollen 83 Kth sehr günstig sein und zu schönen Hoffnungen be⸗ re gen.

Obwohl erfahrungssgemäß die Berichte über den Saatenstand um diese Jahreszeit für das wirkliche Ernteergehniß durchaus nicht maßgebend sind, so wirken sie dennoch auf die Stimmung der Käufer. Unter diesem Einfluß machte sich auch auf den italienischen Märkten eine Tendenz à la baisse geltend, und die Preise gingen in der zweiten Monatshälfte um ½ ½l Franken zurück.

Es wurden gehandelt: Hartweizen P. 10,06 Fr. 18,62 ½ 18,25, Azyme v P. 10 bis P. 10,08 Fr. 17 ⁄1 16,75 je nach Qualität, Ghirka/ Ulka Nicolajew P. 9,30 Fr. 16,25 15 ⁄1, Donau⸗ Weizen Fr. 17,00 15,50, je nach Qualität und Naturalgewicht; Nocdamerikanische Manitoba Nr. 1 Fr. 16 à1, La Plata Semene Française Fr. 16,75 16,50, aber, wie bereits oben bemerkt, alles per prompte Abladung, da sich niemand für spätere Termine engagieren will, in der Meinung, später billiger anzukommen. Mais ist sehr fest: Rumänische Cinquanti⸗Cotire heute Fr. 14,50 14,25, Donau⸗ Mais Fr. 12,50, La Plata⸗Mais Fr. 12,00, Zucker festere, Mai / Juni Fr. 29,00, Oktober / Dezember Fr. 26,25.

Am 30. April d. J. stellten sich in Genua die Getreidevorräthe und die Preise für den Doppelzentner, wie folgt:

. unverzollt inländisch Weichweizen 38 300 dz 15,75 16,75 Goldfranken 25,50 26,00 Lire u 30 250 17,75 18,75 8 28,00 28,25

3 200 11,00 14,00 5 15,50 16,25 3 12,00 12,25 8 17,75 18,00 2 14,00 8 Sö;n

Verkehrs⸗Anstalten. Laut Telegramm aus Oberhausen (Rhld.) ist die erste

englische Post über Vlissingen vom 14. Mai wegen Sturms auf See ausgeblieben, und laut Telegramm aus Köln (Rhein) hat die zweite englische Post über Ostende von demselben Tage den Anschluß an Zug 31 nach Berlin

über Hildesheim aus dem gleichen Grunde nicht erreicht. 8

Emden, 14. Mai. (W. T. B.) Das Kabelschiff der Deutsch⸗Atlantischen Telegraphen⸗Gesellschaft hatte bis heute Mittag Kabel ausgelegt und passierte Mittags die Seilly⸗

Theater und Mufik. 8—

Residenz⸗Theater. In einer Matinée am Sonntag kamen drei Einakter des schwedischen Schriftstellers August Strindberg, welche bisher in Deutschland noch nicht zur Darstellung gelangten, je, von welchen zwei („Mutter⸗ liebe“ und „Debet und Cred t“) selbst noch nicht in seinem Heimathland gegeben worden sind, erstmalig zur Aufführung. Das Residenz⸗Theater hat sich hierdurch insofern ein literarisches Verdienst erworben, als es bisher nur werg Gelegenheit gab, den eigenartigen Autor auf der deutschen Bühne kennen zu lernen. Man wird gbe an seine Werke, die weder zu erwärmen noch zu begeistern vermögen, mit widerstrebend en Gefühlen herantreten, und wie von schwerem seelischen Druck befreit, wird man sich von ihnen wenden und sich freuen, daß trotz so viel soeben erfahrener Niedrigkeit und Schlechtigkeit doch noch die Sonne scheint und der Frühling lacht. Glücklicher⸗veise sind die Menschen aber nur selten so erbärmlich wie die Styindberg'schen Auslesen derselben. Pfesen

E1“ 68

aber zu Lande nur zu watscheln erlaubt.

In noch höherem

so stark ausgeprägten Pessimismus kann man wohl guf sein

man nach dem ausgedehnten Gebrauch, den sie für die Erziehung ihrer