1900 / 120 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 19 May 1900 18:00:01 GMT) scan diff

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Deutscher Reichstag. 197. Sitzung vom 18. Mai 1900, 1 Uhr. Ueber den Anfang der Sitzung wurde in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet.

Es folgt die Uertseseng der dritten Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend Aenderungen und Er⸗ gänzungen des Strafgesetzbuchs, zu welchem eine Reihe weiterer Amendements eingegangen sind, welche sämmtlich die genüͤgende Unterstützung finden.

Hesident Graf von Ballestrem: Außerdem sind mir noch eine Reihe von Anträgen überreicht worden von dem Abg. Stadt⸗ hagen, welche nach meiner Meinung nicht im Zusammenhange mit der Vorlage stehen, die uns jetzt beschäftigt, denn sie sind als Ab⸗ änderung der Strafprozeßordnung beantragt, während wir es hier mit

em Strafgesetzbuch zu thun haben. Um dem Hause Gelegenheit zum Urtheil zu geben, lasse ich den Wortlaut verlesen.

Schriftführer Abg. Dr. Hasse verliest die betreffenden fünf An⸗ räge, welche sich auf die Strafprozeßordnung und das Gerichtsver⸗ assungsgesetz beziehen. 1

g. Singer (zur Geschäftsordnung): Ich glaube, daß die Auffassung des Präsidenten, daß diese Anträge nicht mit dem Gesetz, das wir hier verhandeln, in Verbindung stehen, eine itrige ist. Es

istieren dafür Präzedenzfälle. In den Anträgen wird gewünscht, die Keberschrift des Gesetzes zu ändern und einzufügen, daß sie sich auch auf die Aenderung des Strafgesetzbuchs und der Gerichtsverfassung bezieht. (Zuruf: Warum nicht Margarinegesetz2) Das Gesetz der Regierung vom Februar 1892 bezog sich auf Abänderungen der Bestimmungen des Strafgesetzbuchs und des Gerichtsverfassungs⸗ esetzes, wie des Gesetzes von 1888, betreffend die unter Aus⸗ schls⸗ der Oeffentlichkeit stattfindenden Gerichtsverhandlungen. Es waren in diese Vorlage Bestimmungen aufgenommen, die sich nicht nur daran hielten, was in der Ueberschrift angegeben war, sondern auch an Vorschriften über den Strafvollzug. Die Auffassung, die der Präsident zum Ausdruck gebracht hat, ist bisher weder von den Präsidenten, noch vom Reichstage, noch von der Regierung ge⸗ heilt worden. Sachlich unterliegt es keinem Zweifel, daß unsere Anträge mit dieser Materie im allerengsten Zusammenhange stehen, denn es handelt sich darum, in diese Vorlage Bestimmungen hinein⸗ ubringen, welche die Behandlung dieser Materie anders sichern, als es die Vorlage will. Es steht damit in Verbindung, auf welche Weise ie erkannten Strafen vollzogen werden sollen. Es ist doch un⸗ möglich, daß der Reichstag sich so schematisch an Bestimmungen gebunden hält. Ich erinnere nur an Vorgänge der letzten Tage, wo auch das Zentrum unsere Auffassung getheilt hat. Die Budget⸗ kommission beschäftigt sich mit der Vorberathung der Flottenvorlage. Die Herren vom Zentrum sind es, die zur Flottenvorlage eine Aenderung des Reichs⸗Stempelgesetzes beantragt haben. Gewiß steht das Reichs⸗Stempelgesetz mit seinen Erträgen im Zusammenhange mit der Flotte, insofern es für die Deckung sorgt. Wir haben auch keinen geschäftsordnungsmäßigen Widerspruch dagegen erhoben, aber es geht doch nicht an, daß das Zintrum der Ansicht ist, alles, was es thue, sei erlaubt, während es anderen Parteien verboten werden soll. Das wäre eine Politik, die das Zentrum bisher abgelehnt hat. Die Herren sind sogar soweit gegangen, daß sie erklärt haben, wenn diese Aenderungen nicht mit der Flottenvorlage gleichzeitig ge⸗ macht werden, dann würden sie die ganze Flottenvorlage ablehnen. Ich könnte an Dutzenden von Beispielen den Nachweis führen, daß in ein Gesetz Abänderungen anderer Gesetze hineingenommen wurden. Wenn die Mehrheit diesen Standpunkt nicht theilt, so erschwert sie die Arbeiten des Reichstages. Sie verhindert vor allen Dingen, daß das, was als Mangel gefühlt wird, geändert wird, aus Gründen, die nicht in der Sache liegen, sondern in der Form, und das geschieht, seien wir uns doch darüber klar, weil es sich darum handelt, eine Vorlage, deren Fertigstellung das Zentrum sehnlich wünscht, zu er⸗ zwingen. Ich möchte die Herren nur daran erinnern 8 Präsident Graf von Ballestrem: Wenn es schon nicht zulässig ist, irgend einem Mitgliede des Reichstages Motive unterzuschieben, die er selbst nicht gehabt hat, so dürfte dies auch auf den Präsidenten Anwendung finden, und ich muß es mir ernstlich verbitten, daß der Abg. Singer mir Motive unterschiebt bei meinem geschäftsordnungs⸗ gemäßen und pflichtgemäßen Vorgehen, die ich nicht gehabt habe und nie haben werde.

Abg. Singer (fortfahrend): Ich habe dem Herrn Präsidenten zu erwidern, daß ich mit keinem Wort von ihm gesprochen habe. Ich habe lediglich vom Zentrum gesprochen. Ich habe das Recht, in diesem Falle vom Zentrum zu sprechen, weil ich meine Aeußerung aus den Erörterungen der Zentrumspresse geschöpft habe, mit denen sich das Zentrum identifiziert, und ich möchte den Herrn Präsidenten bitten, die Auffassung, als ob jedes Wort, welches sich gegen das richtet, ein Mißtrauen gegen seine persönliche Integrität als

Präsident enthält, doch aufzugeben. Wir wissen, daß wir innerhalb

des Hauses unter der Disziplin des Herrn Präsidenten stehen, wir

Flhen FPer auch gegenüber dem Herrn Präsidenten, daß hier keine ule ist.

Präsident Graf von Ballestrem: Das war ein ganz un⸗ gehöriger Ausdruck. Ich habe nie ein Recht in Anspruch genommen, das sich nicht durch die Geschäftsordnung rechtfertigen ließ. Der Vorredner hat aber gemeint, daß ich diese Anträge nicht habe ver⸗ handeln lassen, um mich dem Zentrum gefällig zu erweisen, und des⸗ 8 halb habe ich den Vorredner unterbrochen, weil ich es nicht dulden kann, daß dem Präsidenten solche Motive untergeschoben werden. Abg. Singer: Herr Präsident, das habe ich nicht gesagt, ich a * mich auf das Stenogramm meiner Rede. Es ist mir nicht ein⸗ gefallen, dem Präsidenten persönlich gegenüber zu erklären, daß er die An⸗ träge nicht zur Debatte stelle, weil es das Zentrum nicht wünsche. Ich

hoffe, daß der Präsident, wenn er mein Stenogramm eingesehen hat, die Sache aufklärt und seine Aeußerung zurücknimmt. Im übrigen wollte ich nur noch den Antrag auf namentliche Abstimmung stellen.

Präsident Graf von Ballestrem: Von irgend einem Antrage zu der Sache selbst ist mir nichts bekannt.

Abg. Singer: Ich bitte um Entschuldigung, es ist mir ein Irrthum untergelaufen. Ich stelle hiermit den geschäftsordnungs⸗ mäßigen Antrag, die von dem Abg. Stadthagen eingebrachten An⸗ träge zur Verhandlung zu stellen, und ich beantrage darüber nament⸗ iche Abstimmung.

Abg. Dr. Spahn (Zentr.): Ich möchte Sie bitten, diesem An⸗ trage Ihre Zustimmung zu verweigern. Der Abg. Singer hätte sich seine Ausführungen ersparen können, wenn er sich die Geschäftsordnung angeseben und sich daran gehalten hätte. Hier handelt es sich nicht um die zweite, sondern um die dritte Berathung, und unsere Geschäfts⸗ ordnung bestimmt ausdrücklich, daß Abänderungsanträge nur gestellt dürfen zu den einzelnen Artikeln der Vorlage selbst. Es ist unzulässig, andere Anträge zu stellen, die mit der Vor⸗ lage nicht in einem unmittelbaren Zusammenhan Wenn der Abg. Singer meint, daß das Zentrum sich erlaube, so weiß ich nicht, wie er sich da auf die Verhand⸗ lungen der Flottenkommission beziehen kann. In der Flottenkommission handelt es sich doch um Anträge, die auf Grund von Inittativanträgen im Plenum der Kommission überwiesen waren und die mit dem Flotten⸗ gesetz zu gleicher Zeit fertig werden sollten. Das Gesetz von 1892 ist garnicht bis zur dritten Berathung gediehen; hier aber ist in der zweiten Berathung die Ueberschrift angenommen worden, und deshalb können in der dritten Berathung nicht Anträge gestellt werden, die mit dem Zweck des Gesetzes nichts zu thun haben. Uebrigens glaube ich, daß der Angriff des Abg. Singer sich gleichzeitig gegen die sach⸗ liche Geschäftsführung des Präsidenten richtete.

Abg. Stadthagen (Soz.), der nach dem Vorredner das Wort zur Geschäftsordnung erhält, ist anfangs wegen der großen Unruhe des Hauses kaum zu verstehen. Er wirft dem Zentrum vor, daß es bei der Berathung des Bürgerlichen Gesetzbuchs eine ganz der heutigen entgegengesetzte Stellung eingenommen habe. Seine An⸗ träge ständen mit dem Gegenstand in unmittelbarem Zusammen⸗ hange. Redner bezieht sich auf eine Reihe von Präzedenzfällen,

wo weder der Präsident noch irgend eine Partei einen solchen formellen Einwand erhoben hätte. Wenn der Abg. Spahn sich auf das Wort „Artikel“ versteife, so könne doch kein Antragsteller verhindert werden, seine Anträge formell zu dem einen oder dem anderen Artixrel der Vorlagezu stellen. Es wäre die direkte Konsequenz der falschen An⸗ sicht des Herrn Spvahn, daß man in der dritten Lesung auch zur Ueberschrift der Vorlage keine Abänderungsanträge mehr sttellen dürfte, und das werde Herr Spahn doch wohl selbst nicht be⸗ haupten. Es werde doch niemand leugnen, daß ein Antrag, der bezüglich des prozessualischen Verfahrens in Fällen der jetzt gänzlich veränderten §§ 184a und 184 b des Straf⸗ gesetzbuchs, des Kunst⸗ und Theaterparagraphen, neue Vorschläge macht, welche sich aus den beschlossenen Aenderungen dieser beiden Paragraphen ergeben, in allerengstem Zusammenhange mit der Vor⸗ lage stebe. Gleichzeitig sei eben auch die Aenderung der Ueberschrift beantragt worden. Man wolle doch die Strafen, die die „lex Heinze“ androhe, auch wirklich zur Anwendung bringen; dann müsse doch aber auch über das Wie der Vollstreckung Klarheit herrschen.

Präsident Graf von Ballestrem: Herr Singer hat sich mir gegenüber auf das Stenogramm seiner Rede berufen. Dieses liegt mir jetzt vor. Ich bemerke vorweg, daß vor dem Abg Singer niemand das Wort ergriffen hatte, sondern daß nur ich als Präsident eine geschäftliche Mittheilung gemacht hatte. Wenn ich der Ver⸗ sicherung des Herrn Singer auch glauben muß, daß er mir den Vorwurf nicht hat machen wollen, daß ich aus außerhalb der Sache liegenden Gründen die in Rede stehende Verfügung getroffen habe, so entsprechen seine Worte dieser Auffassung nicht. Dieselben lzuten: Meine Herren! Wenn Sie dem Reichstage verweigern, in eine Vorlage diejenigen Bestimmungen ein⸗ zufügen, sei es auch aus anderen Gesetzen, so erschweren Sie die Thätigkeit außerordentlich, und Sie verhindern vor allem, daß, was allgemein als ein Mangel empfunden wird, abgeändert werden kann, aus Gründen, die nicht in der Sache liegen, sondern die in der Form liegen, und darüber seien wir uns doch ganz klar, heute nur ange⸗ wendet werden, weil es sich darum handelt, eine Vorlage stellen, deren Fertigstellung das Zentrum sehnlichst wünscht. (Ruf links: Na alsol) Das kann nur auf mich gehen. (Stürmische Rufe links: Nein, Nein!) Von dem Zentrum hatte bis dahin vie⸗ 8 gesprochen. Ich hatte also Grund, diese Worte auf mich zu eziehen.

Abg. Singer: Mein Stenogramm beweist durch die Anrede „Meine Herren!“ daß ich mich direkt an das Haus wandte. Aus den verlesenen Worten geht es deutlich meiner Meinung nach hervor, daß ich nicht den Präsidenten, sondern das Zentrum apostrophiert habe. Ich kann nur bedauern, daß der Präsident mißverständlich geglaubt hat, daß diese Worte an ihn gerichtet waren. Ich kann die von mir an⸗ geführten Beispiele noch um eines vermehren. In den allerletzten Tagen ist zum See⸗Unfallversicherungsgesetz ein neuer § 123 a an⸗ genommen worden, wodurch das Invaliditätsversicherungsgesetz abge⸗ ändert ist. Was die Auffassung des Abg. Spahn über die Geschäfts⸗ ordnung betrifft, so bin ich ja einer Belehrung durchaus zugänglich, aber die Berufung des Abg. Spahn auf die Geschäftsordnung ist nicht richtig. Ich darf mir schmeicheln, daß mir die Bestimmungen der Geschäftsordnung nicht ganz unbekannt sind. Es ist aber falsch, daß mit den Anträgen, die in der zweiten Berathung gestellt werden, anders verfahren wird, wie mit den Anträgen der dritten Berathung. Der einzige Unterschied ist, daß Abänderungsanträge zur dritten Berathung von 30 Mitgliedern unterstützt werden müssen, während die Anträge zur zweiten Berathung keiner Unterstützung bedürfen. Maßgebend ist doch nur § 49, den der Präsident zitiert hat. Es handelt sich darum, ob die Anträge mit der Hauptfrage in wesentlicher Verbindung stehen. Daß dies der Fall ist, hat außer mir auch der Abg. Stadthagen nach⸗ gewiesen, und das Zentrum setzt sich mit seiner früheren Praxis in Widerspruch. Die Geschäftsordnung ist doch gemacht zum Schutz der Minorität, und das Zentrum mag sich erinnern, mit welcher Energie und mit welchem Erfolge der verstorbene Abg. Windthorst für den Schutz der Minorität eingetreten ist. Es kann auch einmal Zeiten geben, wo das Zentrum in der Minorität ist.

Abg. Richter (fr. Volksp.): Mir ist kein Fall erinnerlich, wo man in der dritten Lesung Abänderungsanträge aus solchem formellen Grunde zurückgewiesen hätte. Im Gegentheil ist man in der letzten Zeit hier sehr weit gegangen, und zwar hauptsächlich auf Initiative der Zentrumspartei, so bei der Gewerbeordnungsnovelle, in welche es eine Abänderung des Krankenversicherungsgesetzes aufgenommen haben wollte. Persönlich neige ich in diesen Fragen der strengeren Ansicht zu, weil die Bestimmung der drei Lesungen auf diese Weise leicht illusorisch gemacht werden kann. Darum habe ich auch in der Budget⸗ kommission durchgesetzt, daß die Steuergesetze erst im Plenum eine erste Lesung passierten, bevor die Kommission sich weiter damit befaßte. Wieweit sich über die Zulässigkeit der beanstandeten Anträge aus den Präzedenzfällen urtheilen läßt, vermag ich nicht zu übersehen; es bleibt also nichts übrig, als diese Frage der durch die Geschäfts⸗ ordnungskommission zu überweisen. ie Berathung im Plenum braucht deshalb nicht aufgehalten zu werden. Die Kommission kann sich ja bis morgen schlüssig gemacht haben, und wir werden ja wohl auch noch morgen über die „lex Heinze“ verhandeln. Zur Verweisung an die Kommission bedarf es keiner namentlichen Abstimmung.

Abg. Haußmann⸗Böblingen (d. Volksp.): Da ich nicht weiß, ob dieser Antrag Richter angenommen wird, und immerhin für wünschens⸗ werth halte, daß im Plenum eine Aussprache darüber erfolgt, möchte ich darauf hinweisen, daß auch die materielle Frage mit in Rücksicht ge⸗ nommen werden muß. Das Strafgesetzbuch selbst zieht in seinen Bereich andere als strafrechtliche Fragen, so in § 362, welcher eine Bestimmung enthält, die nur mit dem Strafvollzug zu thun hat. (Redner verliest den genannten Paragraphen.) Dasselbe gilt von den §§ 15, 16, 17 und 24. Herr Singer hat dem Zentrum vorgehalten, wie sein früherer Chef, der Abg. Windthorst, über die Geschäfts⸗ ordnung und den Schutz der Minorität gedacht hat; er hat der da⸗ maligen Mehrheit die Auffassung in den Mund gelegt: „Alles, was wir als Minderheit verlangen, versagen wir ihr, wenn wir in der Mehrheit sind.“ Ich nehme nicht an, daß das Zentrum jetzt auf diesem Standpunkt steht, aber es war wohl angezeigt, es an diesen Ausspruch zu erinnern.

Der Antrag Richter auf Ueberweisung der Anträge Stadt⸗ hagen an die Geschäftsordnungskommission wird gegen die Stimmen der Linken und der Nationalliberalen abgelehnt. Ueber den Antrag Singer, die Anträge für geschäftsordnungs⸗ mäßig zulässig zu erklären, erfolgt namentliche Abstimmung, welche die Ablehnung mit 226 gegen 77 Stimmen ergiebt; Ein Mitglied enthält sich der Abstimmung. Für den Antrag stimmen nur die Sozialdemokraten, die Volkspartei und die meisten Mitglieder der Freisinnigen Volkspartei und der Frei⸗ sinnigen Vereinigung. Mit der Mehrheit stimmen u. A. die Abgg. Richter und Broemel.

de Geschäftsordnung schlägt Abg. Dr. Spahn vor, nunmehr über § 362 und die dazu gestellten Anträge zu verhandeln, da die Anträge Haußmann zu § 361 und Munckel zu § 361a nicht in un⸗ mittelbarem Zusammenhang mit der Materie des Gesetzes ständen.

Abg. Singer: Ich kann die Tragweite dieses Antrags nicht er⸗ kennen und möchte gerade darum bitten, zunächst die Anträge zu § 361. zur Diskussion zu stellen.

Abg. Dr. Spahn: Es ist für uns derselbe Grund maßgebend, welcher uns vorhin zur Umstellung der Tagesordnung bewog. Die Anträge Haußmann zu § 361 beschäftigen sich mit der Materie der Vorlage garnicht, höchstens die letzte Nummer, die anderen Nummern betreffen ganz andere Dinge. Der Verhandlung selbst wollen wir uns ja nicht wedersetzen, wir wollen aber erst das erledigen, was mit 361, 6 zasammenhänzt, nachher das andere.

Abg. Stadthagen tritt der Auffassung des Abg. Spahn ent⸗ gegen, seine Ausführungen bleiben unverständlich, da die Unruhe im Hause fortdauert. Anscheinend legt er dem Abg. Spahn dar, in welcher Weise die einzelnen sechs Punkte des Antrags Haußmann mit der Materie der „lex Heinze“ im Zusammenhange stehen.

Abg. Singer: Was Herr Spahn will, ist, daß mitten 8 Berathung eines bestimmten Paragraphen aufgehört und ein 28 Paragraph zur Berathung gestellt wird. Die Berathung über § 5 ist noch nicht abgeschlossen, gleichwohl will er sie vertagen big 61 Erledigung des § 362. Von einem so hervorragenden Juristen, lur es Herr Spahn ist, hätte ich etwas Anderes erwartet. Er wil 8 Weiterberathung der Anträge Haußmann nicht widersprechen; ich nehme er daß das vom ganzen Zentrum gilt. Ich halte aber nicht für ausgeschlo n, daß nach Erledigung des § 362 die Herren vom Zentrum erklären en, sei nunmehr die gesammte Materie zum Abschluß gebracht und weste könnten keine Anträge gestellt werden. Das verneinende Kopfschüttelr des Abg. Spahn ist mir sehr erfreulich, ich bitte ihn aber doch un eine bestimmte Erklärung namens des Zentrums, daß es an die 9s mir angedeutete Eventualität nicht denkt. Giebt Herr Spahn dien ab, so werden wir hier seinem Antrage uns nicht entgegen⸗

ellen.

Abg. Haußmann⸗Böblingen: Meine Anträge zu § 361 betreffen allerdings verschiedene Materien. Das liegt aber an der Gestalt des § 361, der diese und noch mehr verschiedene Materien berührt. Sollen wir denn vor der Nr. 6 des § 361 Halt machen?

Abg. Stadthagen: Ich halte den Vorschlag, die Verhand⸗ lungen über § 361 zu unterbrechen, für geschäftsordnungswidrig; wir müssen doch die Spezialdiskussion sachgemäß führen. Mit diesem neuen Verfahren würde dem Abg. Haußmann die Einzelbegründung seiner Anträge verwehrt werden. Die Anträge sind rechtzeitig gestellt sie müssen also auch an gehöriger Stelle zur Verhandlung kommen, Der Abg Haußmann hat sich doch alle Mühe gegeben, durch die Stellung dieser Anträge die Frage zu klären und die Diskussion abzu⸗ kürzen. Im Interesse der Gerechtigkeit muß die Geschäftsordnung so ausgelegt werden, wie sie hundertfach bisher ausgelegt worden ist; und daraus ergiebt sich, daß alle Anträge hintereinander zur Erledigung kommen. Der Abg. Haußmann ist doch extra aus Württemberg her⸗ gekommen, um seine Anträge zu vertreten.

Präsident Graf von Ballestrem: Der Antrag Spahn ver⸗ stößt, wie die Geschäftsordnung genau ergiebt, nicht gegen die Ge⸗ schäftsordnung, denn auf Beschluß des Reichstages kann die Reihenfolge verlassen werden.

Abg. Richter: Gestern wäre der Reichstag in der Lage gewesen, diese Abänderung der Reihenfolge zu beschließen; heute aber sind wir längst in die Berathung des § 361 eingetreten, und nun soll ein Stück davon unerledigt bleiben? Das geht nicht an, denn es handelt sich um denselben Artikel. Es ist nicht die Absicht der Geschäftsordnung gewesen, mitten in einem Artikel abzubrechen und zu einem anderen überzugehen. Es war nicht richtig von Herrn Singer, zuzusagen, daß er gegen das Abbrechen nichts eintuwenden haben würde unter einer bestimmten Voraussetzung. Wir können garnicht abbrechen, wir müssen fortfahren. Der Artikel 362 nimmt Bezug auf die Nummern 3 und 8 des § 361, welche der Antrag Haußmann ab⸗ ändern will.

Abg. Singer: Ich gebe zu, daß es richtiger ist, überhaupt nicht von der Geschäftsordnung abzuweichen. Ganz sicher kann die Bestim⸗ mung der Geschäflsordnung nur auf ganze, ungetheilte Paragraphen Anwendung finden. Sie werfen uns vor, wir trieben Obstruktion. Ich bin in der Lage, Ihnen den Vorwurf zurückgeben zu können; die ganze heutige Verhandlung ist nichts weiter als der Versuch einer Obstruktion gegen die Geschäftsordnung. Sie wollen Ihren Willen durchsetzen. Sie haben lediglich die Absicht, die Verhandlungen abzukürzen; Sie fürchten, wenn Sie heute nicht fertig werden, wird die Erledigung der Vorlage zweifelhaft. Es kommt Ihnen schließlich auch auf einen Bruch der Geschäftsordnung nicht an, um nur schnell fertig zu werden. Aber was hindert Sie denn, das Gesetz zu bekommen? Bleiben Sie doch gefälligst hier! Aber Sie können nicht verlangen, daß die Parteien, die aus sachlichen Gründen gegen dieses Gesetz sind wegen seiner Angriffe auf Kultur, Kunst und Wissenschaft, Ihnen den Steigbügel halten bei dem Versuch, Ihren Willen durch⸗ zusetzen. Herr Spahn ist heute nicht der Jurist, sondern der Partei⸗ mann, er stellt den letzteren über den Juristen. Der Grundsatz, daß Macht vor Recht geht, wird jetzt vom Zentrum acceptiert; wir müssen uns ihm fügen, aber für alle Zeiten muß festgestellt werden, wer denn in diesem Hause zu Gunsten der „lex Heinze“ den Bruch der Ge⸗ schäftsordnung begehen will. Aus diesem Grunde beantrage ich über den Antrag Spahn namentliche Abstimmung.

Abg Dr. Spahn: Zu § 361 liegt kein Antrag in der Vorlage vor; es hat sich nur um einen Antrag Albrecht gehandelt. Deshalb brauchte gestern auch nicht über die Reihenfolge beschlossen zu werden.

Abg. Stadthagen: Zweifellos hat gestern über ceinen Theil des § 361 eine Berathung stattgefunden, und es ist ein Beschluß ge⸗ faßt worden; also muß heute mit der Berathung des § 361 fort⸗ gefahren werden. Ich bin nicht in der Lage, so ganz genau eigentlich zu verstehen, was Herr Spahn will. Ich habe mich nicht informieren können, weil er keine materielle Begrüͤndung gegeben hat. Ich bitte also, die Beschlußfassung über den Antrag Spahn auszusetzen, bis derselbe gedruckt vorltegt. Ich gestatte mir, diesen Antrag dem Prä⸗ sidenten zu überreichen.

Abg. Richter: Ich war fast sprachlos über die Ausführungen des Abg. Spahn. Er meinte, § 361 steht nicht in der Vorlage. In der Regierungsvorlage steht er nicht; aber ist denn die Geschäftsordnung bloß für Regierungsvorlagen da? Wohin kämen wir bei dieser Auffassung? Die Herren vom Zentrum haben sich ja gar nicht daran gehalten; sie haben eig ganzes Jahr gebraucht, um noch eine Masse anderer Anträge hineinzuarbeiten, von denen die Regierung sie nur mit Mühe zurückgehalten hat. ist richtig, ärger kann man nicht Obstruktion treiben, als wenn man eine ganze Sitzung mit lauter Geschäftsordnungsbedenken ausfüll. Wären Sie ruhig in die sachliche Berathung eingetreten, wir wären schon viel weiter.

Präsident Graf von Ballestrem: Ich werde den Antrag noch einmal vorlesen; zum Druck befördern lassen werde ich ihn nicht, weil es noch nie dagewesen ist, daß ein Antrag zur Geschäftsordnung ge⸗ druckt wurde. Der Antrag lautet: „Ich beantrage, mit der Debatte über den § 362 zu beginnen und mit dieser Debatte diejenige über die dazu gestellten Anträge zu verbinden.“

Abg. Beckh⸗Coburg (fr. Volksp.): Der Präsident hat gestern ausdrücklich erklärt, daß nach Erledigung des § 361 Nr. 6 die An⸗ träge Haußmann zur Berathung kommen sollten. Jetzt ist über Nacht die Sache anders gewendet worden. Das scheint mir nicht ganz förmlich richtig. Ich kann diese Wege nicht für gerade ansehen. Allerdings ist in Köln ein objektiv blasphemisches Wort gesprochen worden, an das mich diese Vorgänge erinnern: Unser Herrgott kann auch auf krummen Wegen gerade gehen. § 362 nimmt außerdem direkt auf § 361 Bezug; wie kann man also den ersteren vorweg⸗ nehmen?

Ueber den Antrag Spahn muß, da gegen denselben Wider⸗ spruch erhoben worden ist, ein Beschluß des Hauses herbei⸗ geführt werden. Der Antrag des Abg. Singer, namentlich abzustimmen, wird von der Linken und auch von einem Theil der Nationalliberalen (Abgg. Bassermann, Dr. Sattler u. A.) unterstützt.

Die namentliche Abstimmung ergiebt die Annahme des Antrags Spahn mit 186 gegen 116 Stimmen. 4

Nach § 362 der Vorlage erhält die Landes⸗Polizeibehörde die Befugniß, die verurtheilten Personen bis zu 2 Jahren in ein Arbeitshaus unterzubringen oder zu gemeinnützigen Arbeiten zu verwenden. Im Falle des § 361,6 kann die Landes⸗ Polizeibehörde die verurtheilten Personen statt in ein Arbeits⸗ haus in eine Besserungs⸗ oder Erziehungsanstalt oder in ein Asyl unterbringen. In zweiter Lesung ist ein Zusatz dazu bs schlossen worden: „Die Unterbringung in ein Arbeitshaus ist unzulässig, falls die verurtheilte Person zur Zeit der Ver⸗ urtheilung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.“

Unterstützung der Absichten, die wir bekämpfen wollen.

Empfinden Sie Reue darüber? Es.

Abg. B eckh⸗Coburg beantragt, anstatt „die verurtheilte Em sagen: „dieselve“.

pason Abhgg. Albrecht und Genossen (Soz.) wollen die ve Hasung im § 362 streichen, eventuell beantragen sie

eigend; Fasf 8 Ueberweisung erhält die Landes⸗Polizeibehörde die

gefugniß, die verurtbeilte Person bis zu der im Urtheil bestimmten zait, die sich auf keinen längeren als zwei Jahre nach 3i Rechtskaft des Urtheils erstrecken darf, in einem Arbeitshaus unterzubringen oder zu gemeinnützigen Arbeiten zu verwenden.“

Abg. Heine (Soz.) beantragt folgenden Zusatz:

Weibliche Personen dürfen polizeilicher Aufsicht gemäß § 361, 6 Strafgesetzbuchs nur unterstellt werden, wenn sie bereits wegen ge⸗ erbsmäßiger Unzucht rechtskräftig bestraft sind. Personen, welche 18 der polizeilichen Aufsicht befreit worden sind, können auch ohne vorgängige erneute Bestrafung ihr wieder unterstellt werden, wenn sie sich von neuem der gewerbsmäßigen Unzucht ergeben.“

Vom Abg. Frohme (Soz.) liegt ein Antrag vor, einen neuen § 362 a zu beschließen:

„Weibliche Personen, welche das achtzehnte Lebensjahr noch nicht erreicht haben, dürfen einer sittenpolizeilichen Aufsicht nicht unterstellt werden, sind vielmehr, falls die Voraussetzungen einer solchen Aufsicht bei ihnen vorliegen, einer Erziehungs⸗ oder Besse⸗ rungsanstalt zu überweisen. Die Ueberweisung erfolgt durch Be⸗ schluß des Vormundschaftsgerichts. Die Eltern der betreffenden Personen sind zu hören. Die Feststellung, ob die Voraussetzung vorliege, darf nicht durch Gutachten der Polizeibehörde getroffen werden.“ 1

Außerdem liegen noch zwei handschriftliche Anträge des

Abg. Heine vor:

l. Die Bestimmungen des § 362 finden auch Anwendung auf Personen, welche wegen Vergehen gegen § 284 Strafgesetzbuchs (gewerbsmäßiges Glücksspiel) zu Gefängniß verurtheilt worden sind.

2. Personen, welche auf Grund des § 362 Strafgesetzbuchs von der Landes⸗Polizeibehörde in einem Arbeitshause, einer Besserungs⸗ oder Erziehungsanstalt oder in einem Asyl untergebracht sind, müssen getrennt gehalten werden von jugendlichen Personen, welche einer Erziehungs⸗ oder Besserungsanstalt überwiesen sind oder gegen welche auf Grund landesgesetzlicher Vorschriften die Zwangserziehung verfügt worden ist. Diese Bestimmung gilt nicht für Personen, welche von der Landes⸗Polizeibehörde lediglich deshalb überwiesen worden sind, weil sie, ohne der Polizeiaufsicht unterstellt worden zu sein, gewerbsmäßige Unzucht getrieben haben und deshalb nach § 361, 6 bestraft worden sind.

Abg. Dr. Spahn: Wenn ich richtig gehört habe, so ist in dem

asten Antrag § 284 des Strafgesetzbuchs angezogen worden. Ich müßte

n seine Zulässi keit bezweifeln, es soll wohl 184 heißen.

8 Abg. Seg Es liegt kein Schreibfehler vor. Wenn ich Leute, die auf Grund Ihres Gesetzes wegen unzüchtiger Schriften verurtheilt worden sind, dem Arbeilshause überweisen wollte, so wäre das eine 8 fvoh sPraäfüdint Graf von Ballestrem weist den Redner darauf hin, daß er seine sachlicen Ausführungen ja später machen könne.) Nachdem Sie die These aufgestellt haben, daß Anträge lediglich gestellt werden können, die zu den Paragraphen, die in dem Gesetz genannt seien, im engen Zusammenhang steben, können Sie die Zulässigkeit meiner Anträge nicht bezweifeln. Ich will eine Abänderung in Ergänzung eines Gesetzes, womit wir uns seit einigen Tagen beschäftigen müssen und hoffeatlich noch manche Tage beschäftigen werden. Wenn man nur etwas Altes bei dem 7382 von Neuem sagen wollte, dann hätte das Gesetz nicht eine solche Opposition ge⸗ funden, dann hätte sich nicht seit Jahren die ganze Welt darüber auf⸗ geregt. Seit acht Jahren ist dieses Unglücksgesetz nicht von der Tages⸗ ordnung verschwunden, wird die Menschheit damit gequält und ge⸗ ingstigt. Sie wollen die Unsittlichkeit bekämpfen. Es giebt aber kaum eiwas Unsittlicheres und Vergiftenderes, als das gewerbsmäßige Glücksspiel. Der preußische Minister des Innern hat erklärt, daß solche Leute, wie sie in dem berühmten Spielerprozeß abgeurtheilt worden sind, sehr wohl unter die Zwangserziehung gehören, welche das Herrenhaus beschlossen hat. Was ich beantrage, ist ein Korrelat zu diesem erzieherischen Gedanken des Königlich preußischen Ministers des Innern. Es giebt nicht nur minderjährige Glücksspieler, sondern auch erwachsene, welche sind. Auf die Sache selbst komme ich später noch ausführlicher zurück. ·8

Kher e (Soz.) erhilt das Wort zur Begründung der sojialdemokratischen Anträge zu § 362. Die Frage der Vagabondage, der Landstreicherei, führt Redner aus, sei eine soziale Frage für sich, welche der gründlichsten Prüfung durch die gesetzgebenden Faktoren bedürfe. Mit der gouvernementalen Sozialpolitik sei diese Frage nicht zu lösen, ebenso wenig mit allgemeinen Redensarten von Moral und Sittlichkeit.

Hierauf wird der Antrag auf Schluß der Debatte gestellt.

8512”. Singer beantragt namentliche Abstimmung über den uß.

Die Abgg. Haußmann⸗Böblingen, Singer und Dr. Müller⸗ Meiningen machen geltend, daß eine Reihe weiterer Anträge gestellt und zum theil schon vertheilt seien, ohne vom Präsidium zur Kenntniß des Hauses gebracht worden zu sein. 2

Abg. Stadthagen: Es kann doch eine Debatte nicht geschlossen werden, die noch garnicht eröffnet ist, denn es hat bisber nur ein An⸗ tragsteller gesprochen. So weit ist bis j⸗tzt der Reichstag noch nicht gegangen, einen Schlußantrag mitzubeziehen auf Anträge, die noch garnicht offiziell dem Hause vorliegen. Ihrem Verfahren steht die Geschäftsordnung und steht Ihr Gewissen entgegen. (Widerspruch rechts.) Jawohl, Herr Abg. von Kardorff! Es kann keinem weifel unterliegen, daß dieser Antrag auf Schluß der Debatte hin⸗ ällig ist, soweit er sich auf Anträge beziebt, welche dem Hause noch garnicht offiziell zur Kenntniß gekommen sind.

Graäf von Ballestrem: Ueber Schlußanträge wird nicht diskutiert.

Abg. von Kardorff: Herr Abg. Stadthagen, die Majorität des Hauses ist Herr auch über die Geschäftsordnung. Durch Ihr Ver⸗ fahren erreichen Sie weiter nichts, als daß Sie den ganzen Parla⸗ mentarismus ruinieren. Damit lassen sich Staaten nicht regieren. Also Sie treiben ein sehr gefährliches Spiel.

Präsident Graf von Ballestrem: Ich nehme an, Abg. von Kardorff mit seinem ersten Satze gemeint hat: der Geschäftsordnung. 1 1““

Abg. Heine: Die von mir neugestellten fünf Anträge können selbstverständlich von dem Schluß der Debatte nicht betroffen werden. Diese Anträge sind von mir bereits vor mehreren Stunden heraus⸗ gegeben; ich habe sogar auf Wunsch des Präsidenten zu jedem Antrag ein Duplum hinzugefügt. Sie sind bekannt gewesen, aber die Debatte über dieselben ist noch nicht eröffnet worden. Ich habe sie eingebracht im Interesse der Abkürzung der Verhandlungen. Durch diese Anträge die Debatte hinausziehen zu wollen, liegt uns völlig fern; wir können aber verlangen, daß unsere Anträge, die wir eingebracht haben, auch wirklich debatiert werden. Wenn sie bloß einen von uns reden lassen und dann einen Schlusantrag bringen, dann ist das bloß eine Schein⸗ debatte (Präsident Graf von Ballestrem: Eine Debatte über shen Schlußantrag ist nicht zulässig.) Ich wollte dies auch nur bei⸗ laufig bemerken. Die Auffassung des Herrn von Kardorff hat ja schon durch den Heirrn Präsidenten eine so außerordentlich treffende, ich will mal sagen, Einschränkung erfahren. Man nennt solche eußerung vulgo eine Drohung, und als solche ist sie ja wohl dn gemeint. Ob er nicht doch sich etwas ganz Anderes dabet ge⸗ dacht hat, als der Präsident ibm auslegt, möchte ich ahingestellt sein lassen. Die Geschäftsordnung besteht nicht so⸗ vohl aus dem Buchstaben, als vielmehr aus dem Geiste. Uer Geist der Geschäftsordnung ist von Ihnen heute mehrfach durch mndeutungen ausgelegt worden, die uns um unsere geschäftsordnungs⸗

üßigen Rechte gebracht haben. Herr von Kardorff stellt sich hier

daß der innerhalb

auch hin als der berufene Hüter des Parlamentarismus. Ich habe

kein Recht, zu bezweifeln, daß er ein ehrlicher Freund des Parla⸗ mentarismus ist. Er hat gemeint, der ganze Parlamentarismus würde dadurch regierungsunfähig gemacht. Damit kommen wir auf ein Gebiet, auf welchem wir unsere Ansichten schon früher oft ausgetauscht haben. So unerhört sind die Mittel, welche wir hier anwenden, im Deutschen Reich mit den Bundesstaaten doch nicht. Sie sind ganz legal, aber auch sachlich nichts Unerhörtes. Was ist in Preußen denn das Verfahren gegenüber der Kanalvorlage anders gewesen? Dadurch bekommt der Parlamentarismus keinen Riß, aber er bekommt ihn, wenn die Majorität ihre Rechte gegenüber der Minorität in solcher Weise mißbraucht, wie es geschehen ist. (Präsident Graf von Ballestrem rügt diesen Ausdruck als unzulässig.) Ich rektifiziere mich also: wenn die Mehrheit ihre Rechte der Minorität gegenüber in einer Weise gebraucht, wie sie sie gebraucht hat. Dieses ganze Gesetz ist seinem innersten Wesen nach ein Gesetz zur Ver⸗ gewaltigung fremder Ansichten. Die Majorität will dieses Gesetz Anderen oktroylren. Hier handelt es sich nicht um materielle Interessen der arbeitenden Bevölkerung, sondern um ideale Interessen, und darum wenden wir uns dagegen mit allen Mitteln. Was hier betroffen wird, das ist das allgemeine deutsche Geistesleben; deshalb ist es uns Herzenssache ge⸗ wesen, uns dagegen zu wehren. Das ist ja doch nur der Anfang für die Geschichte. Sie werden weitergehen. Es handelt sich für Sie darum, dem deutschen Geistesleben den Pfaffenfuß auf den Nacken zu setzen. Wir sind einer sittlichen Pflicht gefolgt; thun Sie, was Sie für Ihre Pflicht halten. Wir haben aber dann das ruhige Gewissen, bis zum letzten Moment unsere Pflicht gethan zu haben. Wir werden uns durch Sie nicht einschüchtern lassen.

Abg. Haußmann⸗Böblingen: Es kann ja kein Zweifel sein, daß die Anträge, die rechtzeitig eingebracht und nicht verlesen worden sind, zur Abstimmung gebracht werden müssen, und daß den Antrag⸗ stellern das Wort gegeben werden muß. Ich habe mich ebenfalls zum Wort gemeldet. Das Wort, das der Abg. von Kardorff gesprochen hat (Präsident Graf von Ballestrem: Sie haben nur das Wort zur Geschäftsordnung, nicht zur Begründung irgend eines Antrages.) Ich will nur dem Abg. von Kardorff auf das erwidern, was er in Bezug auf die Geschäftsordnung gesagt hat. Der Abg. von Kardorff hat gesagt: die Mehrheit ist Herrin über die Geschäftsordnung. Er hat damit, glaube ich, der Mehrheit einen schlechten Dienst geleistet. Weder hier noch in der Bevölkerung wird man jenes Wort anders auffassen, als daß der Herr der Meinung ist, daß die Mehrbeit in der Lage ist, auch ab⸗ gesehen von der Geschäftsordnung und im Gegensatz zu ihr ihren Willen durchzusetzen; und daß sie das thun will, haben wir ja heute zur Genüge den Anträgen und Abstimmungen entnehmen können.

Abg. Bassermann (nl.): Meine politischen Freunde sind der Ansicht, daß die nachträglich eingereichten Abänderungsanträge zur Diskussion zugelassen werden müssen, und zwar auf Grund des § 20,2 der Geschäftsordnung, wonach Abänderungsvorschläge zu einzelnen Artikeln in der Zwischenzeit und im Laufe der Verhandlungen ein⸗ gebracht werden können. Ich möchte mich auch meinerseits gegen die Aeußerung des Herrn von Kardorff wenden, daß die Mehrheit Herrin über die Geschäftsordnung sei. Das würde in der That eine Vergewaltigung der Minorität bedeuten, die in keiner Weise berechtigt ist. Das würde Zustände in unserem Parlament herbeiführen, die nicht erwünscht sein können. Die Geschäftsordnung ist das Gesetz dieses Hauses. Jede Partei muß gleichmäßig ein Interesse daran haben, daß das Gesetz dieses Hauses nicht verletzt wird. enn die Geschäftsordnung thatsächlich unzu⸗ reichend ist, oder wenn Parteien der Ansicht sind, daß die Geschäfts⸗ ordnung nicht ausreiche, so mögen sie den Muth haben, mit Anträgen auf Abänderung der Geschäftsordnung hervorzutreten. Wir haben uns, was meine Fraktion anlangt, an der Obstruktion, die hier in den Märztagen erfolgt ist, in keiner Weise betheiligt; wir haben auch in keiner Weise die Diskussion durch Reden oder Stellung von Anträgen aufgehalten, weil wir das gewählte Mittel für unrichtig halten und weil wir glauben, daß, wenn dieses Mittel auch bei anderen Fragen wiederholt werden sollte, das eine Gefährdung des ganzen parlamentarischen Systems herbeiführen könnte. Das geschah aber in der Voraussetzung, daß das Gesetz des Hauses in keiner Weise verletzt werde. Die Anträge sind recht⸗ zeitig gestellt worden, und es muß die Diskussion darüber eröffnet werden, damit Felegenbeit gegeben wird, auch über diese Anträge zu sprechen. Ich moͤchte die Majorität dringend bitten, in diesem Sinne zu verfahren. Geschieht dies nicht, so müssen wir unsererseits daraus die nöthigen Konsequenzen ziehen.

Abg. von Kardorff: Ich bin 34 Jahre im Parlament und muß mich wundern, Daß ich noch so mißverstanden werden kann Ich habe natürlich anr gemeint, daß die Mehrheit Herr ist über die Aus⸗ legung der Geschäftsordnung. 8 1

3 Abc. Singer: Ich erwarte noch die Erklärung des Präsidenten, daß die inzwischen eingebrachten Anträge noch zur Debatte gestellt werden. Die Konsequenz der Ausführung des Herrn von Kardorff, die Vergewaltigung der Minorität, ist der parlamentarische Staats⸗ streich. Das sagt ein Mitglied einer Partei, welche noch vor wenigen Tagen öffentlich Obstruktion angedroht hat gegenüber dem Münzgesetz. Solche Anschauung könnte Herr von Kardorff wohl als Aufsichtsrath der „Laurahütte“ aussprechen. (Präsident Graf von Ballestrem rügt diese Bezugnahme auf Privatverhältnifse.) Herr von Kardorff hat doch öffentlich zugegeben, sogar Gründungen gemacht zu haben zur Bethätigung seiner parlamentarischen Stellung. Die Herren überspannen den Bogen. Bis jetzt hat der Präsident

seine Mahnungen um Ruhe in der Hauptsache nach der rechten Seite

erichtet. Wenn Ausdrücke, wie „Maul halten!“ hier fallen, so ist 11b Ton, dessen sich die Linke noch nicht schuldig gemacht hat. Wenn Sie nichts mehr füigg-, 8 L.v dann lassen Sie ich bitte mitsammt ihrer „lex Heinze“ begraben.

Präsident Graf von Ballestrem: An mein Ohr sind solche Ausdrücke nicht gedrungen, sonst hätte ich sie gerügt.

Abg. Liebermann von Sonnenberg (Reformp.): Der Geist der Geschäftsordnung ist der, eine geordnete Führung der Geschäfte zu sichern, aber sämmtliche Anträge und Ovperationen der Herren von der Obstruktion gehen darauf hin, Unocdnung in unsere Geschäfte zu bringen. Als ich in der letzten Sitzung vor den Ferien zur „lex Heinze“ sprechen wollte, haben die Herren links eine halbe Stunde Lärm gemacht, und wenn der Präsident sie nicht zur Ruhe ermahnte, so unterließ er es wohl im Ver⸗ trauen auf meine geistige und Lungenkraft. Wenn die Presse der Linken darauf schrieb, ich hätte den Ton auf denjenigen der anti⸗ semitischen Radauversammlungen herabgebracht, so lag das wohl daran, daß ein Antisemit sprach und Juden und Judengenossen Lärm machten. Das Haus soll den Muth haben, sich seine Geschäftsordnung so zu gestalten, r. der Reichstag nicht in der ganzen Welt als Narrenhaus hingestellt wird. 4 1 Prasident Graf von Ballestrem stellt fest, daß der Vize⸗ I bei der 858 des Abg. von Liebermann mehrmals räftig zur Ruhe ermahnt habe. 8—

8 Abn Heine: Herr von Kardorff hat die Geschäftsordnung in seinem Sinne ausgelegt. In meiner juristischen Thätigkeit habe ich genug kennen gelernt. wie man auslegen kann, daß schwarz weiß sei. Solche Auslegung wünschen wir nicht. Klare Worte auslegen dahin, daß sie nicht dies bedeuten, sondern etwas Anderes, ist nicht auslegen, sondern unterlegen. Bei meiner ersten Begegnung mit Herrn von Liebermann in diesem Hause ertönte von drüben „Dreimal pfui Teufel auf den Deutschen Reichstag!“ Wo ist also das Narrenhaus?

Abg. Richter: Ein erregter Ton ist erst durch Herrn von Kar⸗ dorff in die Debatte gekommen. Eine ganz geringe Minderheit hat es thatsächlich verhindert, dgc das Münzgesetz verabschiedet wurde. Dieselben Herren von der Rechten haben bei der Berathung des Bürgerlichen Gesetzbuchs ausdrücklich proklamiert, daß das Bürger⸗ liche Gesetzbuch nicht verabschiedet werden würde, wenn nicht der Ersatz für Hasenschaden daraus entfernt würde! Das war der nationale Gesichtspunkt der Herren! Wir verwahren uns dagegen, daß man aus augenblicklichen Zweckmäßig⸗ keitsgründen die Geschäftsordnung auszulegen sucht. Die Mittel der

Obstruktion sind als geschäftsordnungsmäßig zulässig ausdrücklich an⸗ erkannt worden. Ich weiß nicht, was der Regierung angenehmer ist, der Fall oder das Zustandekommen der „lex Heinze“. Die offene Drohung mit dem Staatsstreich, die Aufforderung an eine andere Stelle: Fahrt doch drein in dieses Parlament; mit dem ist nicht zu regieren; brecht doch die Verfassung! das war der Sinn der Worte des Herrn von Kardorff! (Präsident Graf von Ballestrem rügt diese Unterstellung.) Hat vielleicht Graf Mirbach nicht im Herrenhause direkt aufgefordert, daß ein zweiter Alexander der Große den gordischen Knoten durchhaue? Es sind in diesem Hause nicht 199 Anhänger der „lex Heinze“ vorhanden. Darum ärgern Sie die Nationalliberalen nicht; wenn die Herren mit uns hinausgehen, dann werden Sie be⸗ schlaunfähig und liegen auf dem Trockenen, wie Fische, die zappeln. “]

Abg. Dr. Spahn: Ich halte für selbstverständlich, daß die rechtzeitig eingebrachten Anträge auch noch zur Debatte gestellt werden. Die Interpretation des Präsidenten über die Worte des Herrn von Kardorff reicht für uns aus. 8 1“

Abg. v. Kardorff bestreitet, daß er in derselben Weise Obstruktion getrieben habe beim Münzgesetz, wie jetzt die Opposition gegen die „lex Heinze“. 1

Abg. Stadthagen giebt in erregten Tönen der Mehrheit den Vorwurf der Obstruktion zurück. Leute wie Herr Kropatscheck würdigten durch ihr Verhalten die Verhandlungen des Reichstages zu einer Farce herab. (Präsident Graf von Ballestrem ruft den Redner wegen dieses Ausdrucks zur Ordnung.)

Abg. Liebermann von Sonnenberg: Es handelt sich gar⸗ nicht mehr um die „lex Heinze“, sondern um die Aufrechterhaltung der Geschäftsordnung. an drängt förmlich auf eine Form der Volksvertretung, welche einem solchen Druck nicht ausgesetzt ist. Das Verhalten der sogenannten Demokratie ist recht undemokratisch; denn das System der Demokratie beruht ja darauf, daß die Mehrheit sich der Minderheit fügt. Redner erinnert dem Abg. Heine gegenüber, daß er das „Pfui Teufel!“ auf den Reichstag in Tivoli ausgebracht habe wegen der Verweigerung des dritten Direktors für den Fürsten Bis⸗ marck, nachdem der Abg. Richter den Ausdruck „Psui Teufel!“ in die parlamentarische Praxis eingeführt hätte. 1

Abg. Heine: Frohme hat allerdings die andern Anträge mit vertreten, aber nur zum theil. Meine Anträge sind nicht nur zu

361, sondern auch zu § 362 gestellt, weil Herr Spahn auf unsere

rage, ob unsere Anträge später verhandelt werden sollten, nicht ge⸗ antwortet hat. Ein solches Schweigen mußte doch Argwohn erregen. Die Herren thun so zimperlich, obwohl sie seiner Zeit im Zirkus Busch gesagt haben: „Die Herren Minister können uns... Das Uebrige will ich nicht sagen. Das war eine Aeußerung, die, ohne un⸗ züchtig zu sein, das öffentliche Schamgefühl verletzt.

Abg. von Kardorff: Ich habe nur gesagt: Die Reichsverfassung ist nicht beeidigt von den Beamten; das ist ein Unterschied gegenüber der preußischen Verfassung. 1

Abg. Dr. Müller⸗Meiningen bemerkt, daß sein Antrag nicht gedruckt sei. ,

räsident Graf von Ballestrem stellt dies richtig. bg. Richter: Der Ausdruck „Pfui Teufel!“ rührt von einem

Herrn her, der jetzt hier eine hohe Steclung einnimmt.

Präsident Graf von Ballestrem: Ich habe damals „Pfui!“ gerufen, nicht „Pfui Teufel!“ Der damalige Präsident hat dies für Z“ erklärt, und ich bin ihm darin bis jetzt immer efolgt. 8 8 Abg. Liebermann von Sonnenberg: Die hohe Kunst kann überhaupt nicht unter Paragraphen fallen. Wahre Künstler können garnicht glauben, unter die „jex Heinze“ fallen zu können.

Präsident Graf von Ballestrem bemerkt seinerseits Geschäftsordnung, daß während der Rede des Abg. Frohme noch weitere handschriftliche Anträge eingegangen seien, der Vize⸗ Präsident von Frege habe sie vorschriftsmäßig zum Druck gegeben; sie seien gedruckt und vertheilt worden. Nach der Geschäftsordnung sei es allerdings zulässig, Abänderungsvorschläge jederzeit im Laufe der Verhandlungen zu stellen. Diese Anträge würden mit zur Abstimmung kommen müssen. Der Präsident theilt weiter mit, daß die Abgg. Bassermann, Dr. Sattler und Büsing⸗ einen Antrag auf Vertagung gestellt haben. b

Die Abstimmung über diesen Antrag bleibt zweifelhaft; bei der Auszählung kehrt die Linke und der größte Theil der Nationalliberalen nicht in den Saal zurück. Der Präsident enthält sich der Abstimmung. Es sind 194 Mitglieder an⸗ wesend, von denen 10 für, 183 gegen die Vertagung gestimmt haben; das Haus ist also nicht beschlußfähig. ö

Der Präaͤsident Graf von Ballestrem theilt mit, daß ihm soeben von den sozialdemokratischen Abgg. Albrecht und G nossen eine Interpellation, betreffend das in Anhalt erlassene Gesetz über die Bestrafung des Kontraktbruchs läͤndlicher Ar⸗ beiter, übergeben worden sei. Er beraumt die nächste Sitzung an auf Sonnabend 1 Uhr zur Fortsetzung der eben abg

brochenen Berathung. Schluß 8 Uhr.

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Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 70. Sitzung vom 18. Mai 1900, 11 Uhr.

Auf der Tagesordnung steht die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Waarenhaussteuer.

Nach § 1 in der Kommissionsfassung unterliegt, wer das stehende Gewerbe des Klein⸗ (Detail⸗) Handels mit mehr als einer der in § 6 unterschiedenen Waarengruppen betreibt, wenn der Jahresumsatz einschließlich desjenigen der in Preußen belegenen Zweigniederlassungen, Filialen, Verkaufs⸗ stätien 300 000 (in der E“ stand 500 000 ℳ) übersteigt, der den Gemeinden zufließenden Waarenhaussteuer.

Ob der Kleinhandel im offenen Laden, Waarenhaus, Lager und dergleichen oder als Versandgeschäft betrieben wird, macht für die Besteuerung keinen Unterschied.

Vereine, eingetragene Genossenschaften und Korporationen,

welche einer Gewerbesteuer nicht unterworfen sind, unterliegen

auch der Waarenhaussteuer nicht. 8

Abg. Cahensly (Zentr.) beantragt, dem § 1 als Absatz 4 hinzuzufügen: Kleinhandelsbetriebe, welche 10 oder mehr Betriebsstätten (Filialen) besitzen, unterliegen den Be⸗ stimmungen dieses Gasetes, auch wenn der Geschäftsbetrieb nur eine Waarengruppe umfaßt. .

Abg. Hausmann (nl.): Die Kommission hat die Regierungs⸗ vorlage verbessert durch die Bestimmung, daß die sich ergebenden Beträge vorzugsweise im Interesse der klemeren Gewerbetreibenden zu ver⸗ wenden sind, und dadurch, daß eine Stelle geschaffen wird, welche darüber Auskunft zu geben hat, zu welcher Waarengruppe eine Waare gehört. Auf meinen in der Kommission gestellten Antrag, die Waarenhaussteuer nach dem Anlage⸗ und Betriebskapital zu berechnen, verzichte ich, weil die Regierung erklärt hat, daß dazu solche Vorbereitungen nöthig wären, daß die Vorlage in dieser Session nicht mehr Gesetz werden könnte. Gegen den von der Kommission hinzugefügten § 6a, welcher der Zerlegung eines Waaren⸗ hauses in mehrere Spezialzeschäfte zu dem Zwecke, es der Steuer zu entziehen, vorbeugen will, kabe ich dem Sinne nach nichts, aber dann sollte man auch die Spezialgeschäfte besteuern. Die Regierung will über den Rahmen der Regierungsvorlage nicht hinausgegangen wissen, wir überlassen die Bekämpfung der Verschärfungsanträge der Re⸗ gierung, lehnen aber die Verantwortung ab, wenn Ver⸗ schärfungen die Vorlage scheitern sollte.