1900 / 123 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 23 May 1900 18:00:01 GMT) scan diff

Auf Ihren Bericht vom 18 April d. Aktiengesellschaft „Dürener Dampfstraßenbahn“ zu Düren im Kreise gleichen Namens, Regierungsbezirk Aachen, welche eine Fortsetzung ihrer Kleinbahn Düren Birkesdorf über Hoven nach Merken zu bauen und zu be⸗ treiben beabsichtigt, das Enteignungsrecht zur Entziehung und dauernden Beschränkung des für den Bau dieser Fort⸗

J. will Ich der

etzung in Anspruch zu nehmenden Grundeigenthums verleihen. Die eingereichte Karte erfolat zurück.

Wilhelm R.

S 1u6.“ von Thielen. An den Minister der öffentlichen Arbeiien.

Berlin, den 7. Mai 1900

G Ministerium für Landwirthschaft, Domänen

und Forsten.

Dem Zollamt Dzieditz ist zur Ausführung von Pflanzen⸗

untersuchungen der Lehrer Peschke in Goczalkowitz als Sach⸗ ständiger beigegeben worden.

Ministerium für Handel und Gewerbe.

Bekanntmachung. Bei den Schiedsgerichten der Arbeiterversiche⸗ rung sind nachfolgende Beamte zu Vorsitzenden bezw. stell⸗ vertretenden Vorsitzenden ernannt worden: der Landgerichtsrath Engel in Thorn zum Vorsitzenden und der Landrichter Technau in Thorn zum stellvertretenden Vorsitzenden des daselbst errichteten Schiedsgerichts der land⸗ wirthschaftlichen Unfallversicherung für den Stadtkreis Thorn; der Amtsgerichtsrath Dr. Dallmeyer in Langenschwalbach zum Vorsitzenden und der Amtsrichter Schwarz in Langen⸗ schwalbach zum stellvertretenden Vorsitzenden des dortigen Schiedsgerichts; der Amtsrichter Matthes in Neidenburg zum stellver⸗ retenden Vorsitzenden der dortigen Schiedsgerichte; 1 der Amtsrichter Dr. Benner in Kalbe a. S. itzenden der dortigen Schiedsgerichte; der Amtsrichter Ulbrich in Insterburg zum Vorsitzenden und der Spezial⸗Kommissar, Regierungs⸗Ussessor Großkrentz in Insterburg zum stellvertretenden Vorsitzenden der dortigen Schiedsgerichte. Berlin, den 19. Mai 1900. 8 Der Minister für Handel und Gewerbe. Lohmann. 3

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Ministerium der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegenheiten.

Der Arzt Dr. med. Kasten in Freienwalde a. O. ist zum Kreisphysikus des Kreises Schwetz ernannt worden.

Am Schullehrer⸗Seminar zu Oranienburg sind der bis⸗ herige kommissarische Seminarlehrer Grude zu Neuruppin und der bisherige Rektor Dr. Hübler zu Liebenwerda als ordentliche Seminarlehrer angestellt worden.

Am Schullehrer⸗Seminar zu Neuruppin ist der bisherige Hilfslehrer Dr. Schubert zum ordentlichen Seminarlehrer befördert worden. 3

Bekanntmachung.

Das Stipendium der von dem zu Berlin verstorbenen Geheimen Medizinalrath, Professor Dr. med. Joseph Meyer testamentarisch begründeten ulius⸗Adelheid⸗ Stiftung im Betrage von 240 so für das Studienjahr 1. Oktober 1900/1901 an einen talentvollen, würdigen und bedürftigen Studierenden des Baufaches jüdischen Glaubens verliehen werden. 1 Geeignete Bewerber werden aufgefordert, ihre diesbezüg⸗ 1 chen Gesuche bis zum 15. Juli d. J. an das Kuratorium E“ Stiftung, zu Händen des unterzeichneten Geheimen Regierungsraths, Professor E. Jacobsthal in Charlotten⸗ burg, Berlinerstraße 151, einzureichen und denselben beizufügen: 1) einen kurzen Lebenslauf,

2) eine Urkunde, daß Bewerber jüdischen Glaubens ist, 8) ein amtliches Bedürftigkeits⸗Attest mit spezieller An⸗ gabe der Vermögensverhältnisse des Bewerbers,

4) ein Führungs⸗Altest von der Technischen Hochschule, 5) ein Zeugniß über Fleiß und Fortschritte während des Studiums. Berlin, den 21. Mai 1900. Das Kuratorium der Julius⸗Adelheid⸗Stiftung. Professor E. Jacobsthal, Martin Meyer. Geheimer Regierungsrath. .“

zum Vor⸗

Abgereist: 88 der Ministerial⸗Direktor im Ministerium der öffentlichen

che Geheime Ober⸗Regierungsrath Kirchhoff, Angelegenheiten nach Danzig.

8 . Personal⸗Veränderungen in der befinden sich in der Ersten Beilage.

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Armee

Deuntsches Reich. Preußen. Berlin, 23. Mai. 1.“

Seine Majestät der Kaiser und König hörten im Schlosse zu Wiesbaden heute die Vorträge des Chefs des Zivilkabinets, Wirklichen Geheimen Raths Dr. von Lucanus nd des Vertreters des Auswärtigen Amts, Gesandten und Bögendorff. Der Bundesrath versammelte sich heute zu einer Plenar⸗ sitzung. Vorher beriethen die vereinigten Ausschüsse für Rechnungswesen, für Handel und Verkehr und für Elsaß⸗ Lothringen, die vereinigten Ausschüsse für andel und Verkehr und für Justizwesen, die vereinigten Ausschüsse wesen und für Elsaß⸗Lothringen sowie der Justizwesen.

sschuß

Der Kaiserliche Gesandte in Brüssel, Wirkliche Geheme Rath Graf von Alvensleben ist von dem ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub auf seinen Posten zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, hessische Geheime Staatsrath Krug von Berlin abgerestt.

Großherzoglich Nidda ist von

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Sibyllenort, 23. Mai. Seine Majestät der König von Sachsen hat, wie „W. T. B.“ berichtet, eine gute und ruhige Nacht verbracht; der Appetit ist rege, Fieber ist nicht vorhanden. 1u“X“

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Ein gestern in Schloß Fürstenried ausgegebenes Bulletin über das Befinden Seiner Maäjestät des Königs lautet, dem „W. T. B.“ zufolge: „Das Befinden Seiner Majestät ist in jeder Beziehung unverändert.“ b

Baden.

Auf das von Seiner Königlichen Hoheit dem Groß⸗ herzog an Seine Majestät den Kaiser gesandte Tele⸗ ramm ist, wie „W. T. B.“ meldet, folgende telegraphische Antwort eingegangen:

Eurer Königlichen Hoheit spreche Ich Meinen wärmsten Dank aus für die freundlichen Mittheilungen üder den begeisterten Empfang, welcher Meiner Torpedoboot⸗Division im badischen Lande bereitet worden ist. Ich habe Mich sehr gefreut, daß auch Eurer Königlichen Hoheit Haupt⸗ und Residenzstabt Karlsruhe es sich nicht hbat nehmen lassen, die Offiziere und Mannschaften der Division in ihren Mauern zu begrügen und ein glänzendes Zengniß von dem lebhaften, verständniß . vollen Interesse abzulegen, welches die Herzen der badischen Bevölke⸗ rung für unsere Flotte erfüllt. Die freudige Aufnahme, welche die Torpedoboot⸗Division auf ihrer Rheinfahrt überall gefunden hat, bestärkt Mich in der frohen Zuversicht, daß Meine Bestrevung, Deutschland auch eine starke Kriegsflotte zu schaffen, Dank der freudigen Mit⸗ arbeit des deutschen Volkes unter der Fahrung seiner erlauchten Fürsten zu einem segensreichen Ziele führen werde. Ich bitte Eure Köaigliche Hoheit, auch der Bürgerschaft von Karlsruhe Meinen herz⸗ lichen Dank für ihre treuen Grüße zum Ausdruck zu bringen.

8 1 2 Wilhelm, I. R.

Gestern Vormittag empfing der Großherzog acht Offiziere der Torpedoboot⸗Division. Nach dem Empfange gab Seine Königliche Hoheit den Offizieren und Mannschaften em Essen.

Elsaß⸗Lothringen.

Dem Bürgermeister von Straßburg ist, wie „W. T. B.“ berichtet, ein Telegramm des Kapitän⸗Leutnants

unke zugegangen, in welchem dieser mittheilt, daß die ahrt der Torpedoboote nach Straßburg sich als unausführbar herausgestellt habe. Die Boote würden heute nach Mainz gehen.

Oesterreich⸗Ungarn.

Der Budgetausschuß der österreichischen De⸗ legation genehmigte, wie dem „W. T. B.“ berichtet wird, gestern nach einem Bericht des Marquis de Bacq uehem den Voranschlag des Ministeriums des Aeußern.

Der Bericht hebt herver, die sehr befriedigenden Erklärungen des Ministers hätten den Aussch ß bestimmt, mit allen gegen eine Stimme dem Minister für seine auf Erhaltung des Friedens abzielende Politik, sowie für die zielbewußte, warme Förderung der wirthschaftlichen Jateressen volles Vertrauen und Dank auszusprechen. Der Bericht weist sodann auf den Besuch des Kaisers in Berlin hin und sagt, in Uebereinstimmung mit dem Minister würdige der Ausschuß die bobe Bedeutang dieses Ereignisses in vollem Maße und ecblicke in dieser Begegnung ein Zeichen der intimen Beziehungen und ver⸗ trauensvollen Freu⸗dschaft beider Herrscher, sowie ein neuerliches werthvolles Unterpfand für die Innigkeit und Festigkeit des Bundes⸗ verhältnisses, das sich durch mehr als zwei Jahrzehnte als ein Boll⸗ werk des europäischen Friedens bewährt habe und seine friedliche Mission auch fernerhin erfüllen werde. Die warme Innigkeit des Empfanges des Kaisers in Berlin, die Freudigkeit, mit welcher die Bevölkerung von Berlin sich am Empfange betheiligt, die dankbaren Empfindungen, welche die Kundꝛ von den dem Kaiser in Berlin so herzlich dargebrachten Huldigungen in Oester⸗ reich Ungarn wachgerufen habe, seien ein Beweis dafür, wie sehr die Ueberzeugung in das Bewußtsein der Völker gedrungen sei, daß der Dreibund auf absehbare Zeit den sihersten Schutz des Friedens darstelle, daß aber auch dank der diesem Bunde inne⸗ wohnenden Kraft die Völker eine feste Grundlage für ein stetiges Fortschreiten auf der Bahn wirthschaftlicher Entw'ckelung gewonnen hätten. Gesenüber der von einer Seite geäußerten Besorgniß, daß die innigen Beziehungen den Verbündeten zu einander geeigner sein könnten, das stetige Einvernehmen mit Rußland in allen näheren, den Orient betreffenden Fragen zu stören, weist der Bericht auf die Erklärungen des Ministers und die Thronrede, sowie darauf bin, daß auch aus den Reihen der Mehrheit des Ausschusses die Be⸗ friedigung über die fortgesetzte Pflege vertrauensvollen Einvernehmens mit Rußland ausgedrückt und die erfolgreichen Bemüoun en des Ministers in dieser Richtung gewürdigt worden seien. Endlich hebt der Bericht die Nothwendigkeit der Gesundung der innerpolitischen Verbältnisse bervor. .

Der Ausschuß nahm ferner das Ordinarium des Armee⸗ Etats an. Der Berichterstatter Graf Kottulinski betonte, daß im Laufe der Debatte sämmtliche Redner ihre wärmste Sympathie für die Armee ausgesprochen hätten. Im Namen des Ausschusses sprach Graf Kottulinski der Armee dessen Dank und Anerkennung aus und hob die her⸗ vorragenden Leistungen derselben auch in Friedens⸗ zeiten bei elementaren Katastrophen hervor. Der Delegirte von Kozlowski verwies auf die Haltung der Polen, welche stets verstanden hätten, die nationale Idee mit der staatlichen zu verbinden, und, selbst wenn sie in der Opposition gewesen seien, die Mittel für die Machtstellung des Reiches nicht verweigert Ftgen Der Redner richtete einen Appell an die Czechen, dieses Beispiel nachzuahmen. Der Delegirte Pergelt entgegnete, die Polen hätten diesen Appell am kompetenten Orte, im Abgeordneten⸗ hause, an die Czechen richten und es nicht nur bei Worten bewenden lassen sollen. Der Delegirte Graf Stürgkh meinte, die Pch⸗ der Sochtaltung, der österreichischen Armee und ihrer Interessen ei allen Völkern anheimgegeben, unter denen das deutsche Volk eine hervorragende Stellung einnehme. Die Deutschen würden, was sie übrigens immer gethan hätten, der Armee Pben/ was ihr gebühre; sie würden jedoch daraus für sich kein Verdienst vindizieren. Der Delegirte Pergelt hob nochmals Fenepe; die Deutschen wünschten einen ehrlichen nationalen rieden. Im weiteren Verlaufe der Berathung beant⸗ wortete der Reichs⸗Kriegs⸗Minister von Krieghammer ein⸗ gehend einzelne Fragen und erklärte unter anderem, daß die Armee⸗Verwaltung auf die angeregte zweijährige Dienstzeit nicht eingehen könne; dies mache schon der sehr verschiedene

Bildungsgrad

der Bevölkerung unmöglich. I1““

zu genehmigen.

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Großbritannien und Irland.

Im Oberhause theilte, wie „W. T. B.“ berichtet, gestern der Premier⸗Minister Lord Salisbury mit, daß das Haus sich am Montag auf drei Wochen vertagen werde.

Im Unterhause b⸗merkte der Unter⸗Staatssekretär des Aeußern Brodrick, in Peking würden Verhand⸗ lungen über Vorschläge der chinesischen Regierung bezüg⸗ lich der Revision des Zolltarifs geführt werden. Es würden Sachverständige zu Rathe gezogen und in jeder Bezie hung dafür Sorge getragen werden, daß die Handelsinteressen Großbritanniens gewahrt blieben. Ferner theilte Brodrick mit, der britische Botschafter in Konstantinopel sei gegenwärtig, zusammen mit den anderen Botschaftern, mit Verhandlungen über die Frage der Zollerhöhung für die nach der Türkei eingeführten Waaren beschäftigt. Diese Verhand⸗ lungen seien noch nicht abgeschlossen.

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Das Die Sitzung des Senats eröffnete, wie „W. T. B.“ berichtet, der Präsident Fallières mit einer Ansprache, in der er hervorhob, welchen Erfolg die Ausstellung bedeute. Der Reduer widmete sodann den Souveränen und Völkern, welche Frankreich einen Beweis so lebhafter Sympathie gegeben hätten, Worte des Dankes und der Hochachtung. Hierauf wurde die Sitzung geschlossen. 1b

Bei Beginn der Sitzung der Deputirtenkammer hielt der Präsident Deschanel eine kurze Ansprache, in welcher er der Weltausstellung und denen, welche an diesem Feste des Friedens und der Arbeit theilnähmen, Lob spendete und die fremden Nationen willkommen hieß. Der Deputirte Gouzy (Soz.) verlangte hierauf die Regierung über ihre Politik im allgemeinen zu interpellieren. Der Minsster⸗ Präsident Waldeck⸗Rousseau erklärte sich für die sofortige Berathung der Interpellation, die von der Kammer beschlossen wurde.

Der Deputirte Gouzy richtete dann an die Regierung die An⸗ frage, welche Reformen sie einzuführen beabsichti e und welche Maß⸗ regeln sie zur Vertheidigung der R publik zu ergreifen gedenke. Der Deputirte Cassagnac greiff die Regierung lebhaft an, fügte aber hinzu, er wünsche nicht igren Sturz, denn ihre Politik bringe das Land, dahin, der Republik überdrüssig zu werden. Der Minister⸗Präsident Waldeck⸗Rousseau führte aus, daß die Wahlen für die Gemeinderärhe einen Erfolg für die Politik der Regierung bedeuteten. Was die Wahlen in Paris betreffe, so seien deren Ergebnisse eine Zweideutigkeit. (Heftige Unter⸗ brechungen bei den Nationalisten.) Ec hoffe, diese Zweideutigkeit werde bald beseitigt werden. Der Mnnister⸗Präsident legte sodann dar, in welcher Richtung die Regierung in Zukunft ihre Pflicht zu erfüllen gedenke, und fuhr fort man habe den traurigen Streit, welcher Frankreich sehr lange Zeit hindurch in zwei Lager gespaltet habe, wieder zu entfachen und gegen die Republikaner auszubeuten ver⸗ standen. Die Regierung sei also auf dem richtigen Wege gewesen, als sie, nachdem Dreyfus begnadigt worden sei, die Verpflichtung über⸗ nommen habe, der Aera des Prozesses und der Repressalten ein Ende zu machen. Damit habe die Regierung gleichzeitig einen Akt der Humanität und der Bernhigung der Gemüther erfüllt. (Beifall auf der Linken; vereinzelter Widerspruch von verschiedenen Seiten.) Man habe versucht, die Erörterung über diese Dinge wieder von neuem hervorzurufen. Nicht Reinach allein habe danach getrachtet, dem Lande die „Wohlthat“ einer Agitation zu theil wereen zu lassen; Déroalode habe ja andererseits versprochen, seine Agitation aufzuschieben. Frankreich brauche aber weder diese „Wohl⸗ thaten“, noch Zugeständnisse von irgend Jemand. Es wolle endgültige Beruhigung und werde sie herbeizuführen wissen. Andererseits könne keine Regierung auf die Dauer unter Beschimpfungen evxistieren. Schließlich erklärte der Mmister⸗Präsident, die Kammer möge ein Gesetz votieren zum Schutze gegen Verleumder des Staats⸗ oberhaupts, ferner ein Gesetz, betreffend die Assoziationen, da es unmoͤglich angehe, den Besitz der „todren Hand“ immer mehr an⸗ wachsen zu lassen und dadurch den Gegnern der Republik den Kriegs⸗ schatz zu füllen. Er fordere ferner die Kammer auf, ein Unterrichts⸗ gesetz zu votieren, ein solches, betreffend die direkten Steuern, und ein Gesetz, betreffend die Altersversorgung der Arbeiter. Schließlich stellte der Minister⸗Präsident die Vertrauensfrage. Hierauf ergriff der Deputirte Ribot das Wort und führte aus, die Gemeinderathswahlen hälten einen Erfolg lür die Republik, aber nicht für die Regierung ergeben; das Zentrum ve rlange die einfache Tagesordnung. Der Minister⸗ Präsident Waldeck⸗Rousseau sprach sich dagegen aus. Die einfache Tagesordnung wurde sodann mit 298 gegen 249 Stimmen abgelehnt und folgende, von dem Minister⸗Präsidenten Waldeck⸗Rousseau acceptierte Tagesordnung Gouzy angenommen: „Die Kammer ist ent⸗ schlossen, energisch eine Politik der Reformen, sowie des Schatzes der Republik und des Latenthams zu verfolgen, billigt die Er⸗ klätungen der Regierung und geht zur Tagesordnung über.“ Der erste Theil dieser Tagesordnung bis zu den Worten „billigt die Erklärungen u. s. w.“ wurde mit 439 gegen 56, der zweite Theil mit 271 gegen 226 Stimmen angenommen. Mehrere Deputirte beantragten sodann, der Tagesordnung eine Auf⸗ forderung an die Regierung hinzuzufügen, sich energisch jeder Wieder⸗ aufnahme der Dreyfus⸗Affäre zu widersetzen. Der Deputirte Pelletan forderte Erklärungen über die Mittel, welche man hierfür anwenden könne. Der Minister⸗Präsident Waldeck⸗ Rousseau sprach nochmals seinen festen Willen aus, jede erneute Agitation zu verhindern und Beruhigung herbeizuführen. Er habe die Amnestie⸗Vorlage ein⸗ gebracht und könne den zur Tagesordnung beantragten Zusatz nur als Billigung seiner Erklärungen ansehen. Der E. verlangte Aufklärungen über die jünsste Meldung des „Eclair“, in welcher der Geheimpolizist Thomps beschuldigt wird, daß er Schritte zwecks Wiederaufnahme der Dreyfus⸗Affaire unternehme. Der Redner forderte sodann den Minister⸗Präsidenten auf, jzu kr⸗ klären, daß er nicht beabsichtige, sich zu den Machenschasten der⸗ jenigen herzugeben, welche die Dreyfus⸗Affaire von neuem wieder aufleben lassen wollten. Der Minister, Prösident Waldeck⸗Rousseau erwiderte, die Geheimpolizisten seien mit Erkundigungen militärtscher Natur beauftragt worden und hätten den Befehl erhalten, gewisse Mißgriffe, welche früher begangen worden seien, zu vermeiden. Seine Agenten hätten sich daran gemacht, die Individuen zu entlarven, die der Regierung gegenüber förmliche Er⸗ pressungen zu begehen versucht hätten. Der Kriegs⸗Minister, General de Galliffet bemerkte, er könne nur wiederholen, daß der Fall Dreyfus abgeschlossen sei. Dem zweiten Bureau des Kriegs⸗Ministertums habe er eine Beantwortung der Briefe des genannten Individuums untersagt. Im Kriegs⸗Ministertum sei nichts Tadelnswerthes gethan. Nach einer Ent⸗ gegnung des Deputirten Humbert und nachdem noch der Kriegs⸗ Minister versichert hatte, daß im zweiten Bureau keiner der Briefe eöffnet sei, beschloß die Kammer mit 457 gegen 78 Stimmen, der agesordnung Gouzy den Zusatz anzufügen, die Kammer ersuche die Regierung, sich Fergisch jeder Wiederaufnahme des Dreyfushandels zu widersetzen. Die Tagesordnung Gouzy in der Gestalt, die sie nun⸗ mehr durch diesen Zusatz erhalten hatte, Stimmen angenommen und die Sitzung

Schweiz. vW““

Der Bundesrath hat, dem „W. T. B.“ zufolge, bei

der Bundesversammlung beantragt, die im Juli 1 im

Haag unterzeichneten Konventionen und Erklärungen, mit Ausnahme des Artikels 10 der Konvention, betreff

die Ausdehnung der Genfer Konvention auf den Seekrieg,

wurde mit 286 gegen 237 hierauf geschlossen.

8 68 78 8 ment ist gestern wieder zusammengetreten.

Pewcastle vom gestrigen

Niederlande. Nach einer Meldung des „W. T. B.“ hat die Zweite ammer gestern mit 53 gegen 13 Stimmen einen Kredit von 1 ½ Millionen Gulden bewilligt, um die Bewaffnung der Truppen mit einem neuen Gewehr von 6 ½ mm. Kaliber zu vervollständigen. 6 8 I““ Vorgestern hat in Konstantinopel, wie dem „W. T. B.“ berichtet wird, die erste vorbereitende Versammlung der Botschafter in der Frage des von Griechenland beantragten chiedsgerichts wegen der griechisch⸗türkischen Kon⸗ sularkonvention stattgefunden. Es wurde beschlossen, an die betreffenden Regierungen zu berichten und neue Instruktionen inzuholen. Die serbische Gesandtschaft überreichte am Montag der Pforte eine Note, in welcher um Verlängerung der Gültigkeit der am 14. Juni ablaufenden türkisch⸗serbischen Zollkonvention bis zum 15. Februar 1901 essucht wird. Der amerikanische Geschäftsträger überreichte vor⸗ gestern der Pforte eine Note, in welcher auf der raschen Erledigung der aus der Zeit der armenischen Wirren her⸗ rührender Entschädigungsforderungen bestanden wird.

Amerika. Die Delegirten der Buren statteten, wie „W. T. B.“ aus Washington meldet, gestern Vormittag dem Präsi⸗ denten MeKinley einen Besuch ab. Da ihnen ein offi⸗ zieller Empfang nicht bewilligt war, überreichten sie auch keine Beglaubigungsschreiben. Sie wurden von dem Präsi⸗ denten im blauen Parlor empfangen. Die Unterhaltung wurde in sehr freundlicher Weise geführt. Dann geleitete sie der Präsident nach der Terrasse hinter dem Weißen Hause, von wo sich dem Auge eine prachtvolle Aussicht über den Potomac⸗ Fluß bietet. Endlich wurde der Name des Präsidenten Krüger genannt, und die Delegirten sprachen sich über den Zweck ihrer Mission aus. Sie gaben der Annahme Ausdruck, daß die Erklärung des Staatssekretärs Hay eine end⸗ gültige sei und daß die Vereinigten Staaten nicht intervenieren könnten. Der Präsident Me Kinley bestätigte diese Annahme und bemerkte, daß er vor einiger Zeit Großbritannien seine guten Dienste angeboten habe. Er habe das gern gethan, in der Hoffnung, daß er dem Kampfe ein Ende machen könne. Sein Anerbieten sei indessen von Großbritannien nicht ange⸗ nommen worden, und die Vereinigten Staaten könnten nichts Weiteres thun. Die Delegirten entgegneten, das Bewußt⸗ sein, in den Vereinigten Staaten Freunde zu haben, erfülle sie mit Zufriedenheit, und verabschiedeten sich alsdann von dem Präsidenten.

Dem „Reuter'schen Bureau“ zufolge, hat der Marine⸗ Sekretär Long die Wiedererrichtung einer europäischen Flottenstation angeordnet. Den Stamm zu dem hierfür in Aussicht genommenen Geschwader bildet vorerst nur der Kreuzer „Albany“, zu dem jedoch in absehbarer Zeit noch mehrere andere Fahrzeuge stoßen werden.

Afrika.

Aus Pretoria vom 21. d. M. meldet das „Reuter'sche Bureau“: in einer dort abgehaltenen Versammlung, welcher 200 Personen beigewohnt hätten, sei über die Sachlage im Falle einer Belagerung Pretorias berathen worden. Es sei ein Comité eingesetzt worden, welches für die Sicherheit der Frauen und Kinder Sorge tragen solle. Gleichzeitig sei der niederländische Konsul aufgefordert worden, seiner Regierung zu rathen, daß sie zum Schutze der niederländischen Unterthanen die nöthigen Maßregeln ergreife. Der „Daily Mail“ wird berichtet, daß die Transvaal⸗Regierung nicht beabsichtige, eine bedingungslose Uebergabe in Erwägung zu ziehen, sondern den Kampf bis zum Ende durchführen werde.

Der „New York Herald“ (Pariser Ausgabe) veröffentlicht folgende D pesche aus Pretoria: Nach zweitägiger Berathung hätten die Prasidenten Krüger und Steijn, sowie alle her⸗ vorragenden Beamten und Generale beider Republiken beschlossen, den Krieg fortzusetzen, falls Großbritannien sich nicht zu annehmbaren Friedensbedingungen verstehe. Es sei nicht wahrscheinlich, daß Pretoria werde vertheidigt werden. Die Frau des Staatssekretärs Reitz sei mit ihrer Familie nach der Helanva⸗Bay abgereist, andere Beamtenfamilien würden folgen.

Ein Telegramm des Feldmarschalls Lord Roberts meldet: Der Oberst Mahon zog am 18. Mai, 4 Uhr Morgens, in Mafeking ein, nachdem er am 17. Mai neun Meilen von Mafeking einen heftigen Kampf mit einer 1500 Mann starken Burenabtheilung zu bestehen gehabt hatte. Die letztere wurde nach fünfstündigem Kampfe und hartnäckigem Widerstande aus ihrer starken Stellung vertrieben. Am Morgen des Kampfes war eine Abtheilung canadischer Artillerie nach einer Reihe von Eilmärschen zu dem Obersten Mahon gestoßen und leistete diesem werthvolle Hilfe. Der englische Verlust beträgt etwa 30 Mann, die Verluste der Buren sind schwer.

Der „Daily Telegraph“ meldet aus Kroonstad vom 21. d. M., die britische Infanterie sei im Vormarsch begriffen; das Hauptquartier werde am 22. vorrücken. Die Truppen seien in sehr guter Verfassung. Der Krankenstand sei im Rück⸗ gang begriffen. Die Eisenbahn sei wiederhergestellt. Der erste Zug werde am 23. d. M. in Kroonstad eintreffen. Die letzte Nachricht besage, daß der Feind beschlossen habe, den Kampf hinzuziehen. Eine Armee desselben sei beim Rhenosterfluß damit beschäftigt, mit einer Anzahl von Geschützen sich zu ver⸗ schanzen, unter denen sich mehrere Hundertpfünder und Creusotgeschütze befänden. Die Transvaal⸗Buren erklärten, ihre Streitkräfte würden verzweifelten Widerstand leisten.

Dem „Reuter'schen Bureau’“ wird aus Kapstadt vom 21. d. M. berichtet: es verlaute, daß die britischen Truppen in Vereeniging eingetroffen seien und die Brücke über den Vaal⸗Fluß unversehrt gefunden hätten; es verlaute ferner, daß 27 dem Freistaat und Transvaal gehörige Lokomotiven erbeutet worden seien, von welchen man 7 reparaturbedürftige nach Kapstadt gesandt habe.

Eine Depesche des Generals Sir Redvers Buller aus Tage berichtet, er habe von dem Obersten Bethune die Nachricht erhalten, daß, als eine Schwadron seiner berittenen Infanterie sich am Montag Nauf dem Marsche nach Newcastle befunden habe, ihr etwa sechs Meilen südwestlich von Vryheid ein 6 von den Buren gelegt worden sei. Sehr wenige eien entkommen; der Gesammtverlust betrage etwa 66 Mann. Der Oberst Bethune sei nach Nqutu zurüͤckgekehrt, um Vor⸗ räthe zu holen, und marschiere jetzt nach Newcastle.

Sir Redvers Buller hat gestern einen Armeebefehl an seine Truppen erlassen, in welchem er bekannt giebt, daß

ein neues Buren⸗Kommando aus Transvaal in den Freistaat eingerückt sei und den Laingsnek besetzt habe.

Nach der letzten vom britischen Kriegsamt veröffentlichten Liste stellt sich der Gesammtverlust des britischen Heeres bis zum 19. Mai auf 20 614 Mann. Hierin sind jedoch die gegenwärtig in den Hospitälern untergebrachten zahlreichen Kranken nicht einbegriffen.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Berichte über die gestrigen Sitzungen des Reichs⸗ tages und des Hauses der Abgeordneten besinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.

In derheutigen (201.) Sitzung des Reichstages, welcher der Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. Graf von Posadowsky und der Staatssekretär des Reichs⸗ Postamts von Podbielski beiwohnten, wurde zunächst der Nachtrag zum Reichshaushalts⸗Etat für 1900 (Be⸗ willigung von 2 Millionen Mark für ein fünftes Telegraphenkabel nach England) in erster und zweiter Lesung ohne Debatte an⸗ genommen.

Darauf ging das Haus zur dritten Berathung des Gesetz⸗ entwurfs, betreffend die Feststellung eines Nachtrags zum Haushalts⸗Etat für oie Schutzgebiete auf das Rech⸗ hnnec5⸗ 1900, über. 1

Nach längerer Debatte, an welcher außer dem Staats⸗ sekretäar des Innern, Staats⸗Minister Dr. Grafen von Posadowsky noch der Direktor der Kolonial⸗Abtheilung im Auswärtigen Amt Dr. von Buchka, der Unter⸗Staatssekretär im Reicheschatzamt Dr. Aschenborn und die Abgg. Dr. Arendt (Rp.), Graf von Arnim (Rp.), Dr. Hahn (b. k. F.) und Dr. Müller⸗Sagan (fr. Volksp.) sich betheiligten, wurde der Nachtrags⸗Etat im einzelnen und in der Gesammtabstimmung angenommen.

Die hierauf folgende namentliche Abstimmung über den Gesetzentwurf, betreffend die Schlachtvieh⸗ und Fleischbeschau, ergab die Annahme der Vorlage nach den Beschlüssen dritter Berathung mit 163 gegen 123 Stimmen.

Bei Schluß des Blattes setzte das Haus die dritte Be⸗ rathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Abände⸗ rung der Gewerbeordnung, fort.

Das Haus der Abgeordneten überwies in der heutigen (74.) Sitzung zunächst in erster Berathung die Rech⸗ nungen der Kasse der Ober⸗Rechnungskammer für das Jahr 1898/99 der Rechnungskommission und ging dann zur dritten Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Waaren⸗ haussteuer, über. 4

An der Debatte betheiligten sich bis zum Schluß des

lattes der Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miquel, die Abgg. Marx (Zentr.), Winckler (kons.), Dr. Barth (fr. Vgg.), Kra⸗ winkel (al.), Lucius (fr. kons.) und Freiherr von Zedlitz und Neukirch (fr. kons.).

Statistik und Volksw irthschaft.

Deutschlands auswärtiger Handel im April 1900.

(Nach dem vom Kaiserlichen Statistischen Amt herausgegebenen April⸗ heft der „Monatlichen Nachweise.“)

A. Einfuhr im April in Tonnen zu 1000 kg: 3 660 973 gegen 3 716 150 im Vorjahre, daher weniger 55 177. Edelmetalle: 93 gegen 55. Bei 23 von 43 Zolltarifnummern ergiebt sich eine Zunahme, bei 19 eine Abnahme der Einfuhr, Zugenommen haben desonders folgende: Abfälle (+. 19 132), Baumwolle (2171), Eisen und Eisenwaaren (39 995), Instrumente, Maschinen und Fahrzeuge (2202), Kupfer ꝛc. (2458), Kohlen (65 893), Thiere und thierische Erzeugnisse (2186), Thonwaaren (4081), abgenommen namentlich Drogerie⸗, Apotheler⸗ und Farbewaaren (53 750), Erden, Erz⸗ (9579), Flachs ꝛc. (1972), Getreide und andere Landbau⸗Erzeugnisse (40 557), Holz ꝛc. (45 069), Material. ꝛc. Waaren (21 417), Eedöl (2699), Steine ꝛc. (2057), Theer, Pech (4369), Wolle und Wollenwaaren (15 675).

Gesammteinfuhr in Tonnen zu 1000 kg:

in den 4 Monaten Januar bis April g: 12041 422 gegen 12 743 593 im Verjahre, daher weniger 702 171. Edelmetalle: 397 gegen 312. Mehbr als der Ausfall beträgt, ist die Einfuhr von Kohlen zurückgegangen (562 151). Ein wesentlicher Rückgang ist außerdem zu verzeichnen für Drogen (86 886 Eis⸗ und Salpetereinfuhr stark gefallen), Getreide (58 301), Steine ꝛc (44 985), Hol; (23 605), Baumwolle und Baum⸗˖ wollenwaaren (10 258), Wolle und Wollenwaaren (8652), Material⸗ ꝛc. Waaren (8455 hauptsächlich Heringe, Fleisch, Weizenmehl, Reis veranlassen den Ausfall).

B. Ausfuhr im April in Tonnen zu 1000 kg: 2 600 363 gegen 2 437 414 im Vorjahre, daher mehr 162 949. Edelmetalle: 22 gegen 24. 23 Zolltarifnummern zeigen höhere, 20 geringere Aus⸗ fuhrmengen. Zu ersteren gehören besonders Erden, Erze (+ 21 337), Getreide (27 878), Oele, Fette (2859), Papier (1992), Steine (29 097), Kohlen (98 621), zu letzteren: Eisen (9603), Holz (7583), Thonwaaren (2965).

Gesammtausfuhr in den 4 Monaten Januar bis April in Tonnen zu 1000 kg: 10 414 015 gegen 9 447 032 im Vorjahr, daher mehr 996 983. Sdelmetalle 120 gegen 126. Der größte Theil der Ausfuhrzunahme entfällt auf Kohlen (856 040). Wesentliche Steigerungen ergeben sich ferner bei Abfällen (11 819), Drogerie⸗, Apotheker⸗ und Farbewaaren (18 325), Getreide (63 277), Instrumentea, Maschinen ꝛc. (56 791), Baumwollenwaaren (3173), Leinengarn, Lein⸗ wand ꝛc. (3198), Materialwaaren (8955 Rohzucker ist gestiegen, weißer gefallen, Feeeeehe. infolge starker Mehrbezüge Nor⸗ wegens höher), Papier (11 244), Steine ꝛc. (33 424). Bei dem starken Inlandsbedarf ist die Ausfuhr von Eisen und Eisenwaaren wieder geringer (32 389). Außerdem ist nur noch der Ausfall bei Thonwaaren (14 530) von erheblicher Bedeutung.

Zur Arbeiterbewegung.

Wie der „Voss. Zeitung“ aus Frankfurt a. O. mitgetheilt wird, ist dort am 21. d. M. ein Ausstand der Maurer ausgebrochen. Die Gesellen verlangten in der Hauptsache einen Mindestlohn von 43 für die Stunde, der am 1. April n. J. auf 45 erhöht werden soll, was die Meister nicht bewilligen wollten. Auf den Bauten arbeiteten am Montag nur die Poliere, die Burschen und die Arbeiter. (Vergl. Nr. 264/1899 d. Bl.)

Aus Herford berichtet die „Rh.⸗Westf. Ztg.“, daß die dortigen Maurer in einer am 18. d. M. abgehaltenen Versammlung am folgenden Tage zu kündigen und in 2 Wochen die Arbeit niederzu⸗ legen beschlossen, da ihre Forderung einer Lohnerhöhung keine An⸗ nahme gefunden bat.

Sämmtliche Former und Dreher der Eisengießerei und Ma⸗ schinenfabrik von Linke u. Lange in Lucka haben, der „Lpz. Ztg.“ zu⸗ folge, wegen angeblicher Maßregelung zweier Mitarbeiter und wegen

30 Pfund;

Kunst und Wissenschaft.

A. F. In der Mai⸗Sitzung der Berliner Gesellschaft für Anthropologie wurde mitgetheilt, daß die diesjährige An⸗ thropologen⸗Versammlung, abweichend ron sonstigem Brauch, erst in den Tagen des 24. bis 27. September in Halle stattfinden könne. Von den weiteren zahlreichen Mittheilungen des Vorstandes sind die nachstehenden von allgemeinem Interesse: Freiberr von Landau setzt seine Forschungen auf der Insel Sardinien und den benachbarten kleinen Inseln fort. Er sandte neuerdings eine Reihe von Trachtenbildern und Schilderungen vog den Beschäftigungsarten der Bevölkerung, u. a. von dem stark betriebenen Thunfischfang, ein. Die in St. Petersburg in deutscher Sprache erscheinende Zeitung „Herold“ führt berechtigte Klage über den leider von einem deutschen Reisenden verübten und durch die Herren Lehmann und Belck bereits scharf verurtheilten Vandalismus, der in Transkaukasien (bei Van) zwei Inschriften von ihrem Platz entfernt und dabei arg beschädigt hat. Der bekannte und deim Internationalen Geographen⸗Kongreß auch persönlich in Berlin dekannt gewordene Graf Eugen Zichy tritt demnächst in Be⸗ gleitung eines Stabes von Gelehrten eine neue Forschunge⸗ reise nach Mittel⸗Asien an. Das Programm der Reise umfaßt ebenso Anthropologte, Ethnographie und Archäologie, wie Zoologie, Botanik ꝛc. Graf Zichy verfolgt u. a. auch den Zweck, die Stammsitze seines Volkes, der Uangarn, festzustellen, bevor sie den Zug nach Westen antraten. Der vor zwei Monaten zum Fhrenmitglied der Gesellschaft ernannte Dr. Philippi in Santiago de Chile hat es sich trotz seiner 91 Jahre nicht nehmen lassen, einen eigenhändigen, langen Danköbrief an die Gesellschaf zu schreiden, der zur Verlesung gelangt;⸗. erörter darin ausführlich mebrere neue Forschungsergebnisse in Süd⸗Amerik und knüpft u. a. an die von jüngeren deutschen Gelehrten erforsch mächtige Höhle von 300 m Länge und 30 m Höhe die Meinung, daß die dort neben mancherlei Artefakten gefundenen Ueberreste de vorweltlichen Thieres Glyptotherion den voreilig

Schluß nicht rechtfertigten, dieses Thier habe

zeitigen Menschen in dem Verhältniß eines Hausthieres

Als ein sehr reiches Gräberfeld ergiebt sich je länger je mehr die im Elsaß gefundene Grabstätte aus der Römerzeit. Diese sehr ausgedehnte Via sacra umfaßt Gräber aus den Zeiten de Kaisers Vespasinn bis zu Commodus, also von der Mitte des ersten bis zum Beginn des dritten nachchristlichen Jahrhunderts.

Hierauf sprach Professor Kossinna über Bronze⸗Funde in Westfalen und im besonderen über die in Münster angelegte Sammlung von solchen. Im allgemeinen ist der westfälische Boden ziemlich arm an älteren Bronzefunden; aus der La Toöne-Zeit sind nur zwei Funde bekannt g⸗worden. Dagegen ist die Region der römischen Kastelle, die sich von Wesel bis Detmold erstreckt, ziemlich ergiebig an römischen Bronzefunden, freilich bei weitem nicht in dem Umfange wie andere Gegenden Deutschlands, weil nach den Tagen des Augustus die Römer in Westfalen niemals wieder festen Fuz gefaßt haben. Häafiger sind Funde aus der merovingischen Zeit. Was der Sammlung aus der Gegend von Lingen, Atenberg und Meppen an Funden zufließt, trägt bereits den nordischen Charakter. Diese Mittheilungen wurden durch eine die Abbildungen der interessaatesten Fundstücke enthaltende, in Münster mit außerordentlicher Genauigkeit hergestellte Tafel erläutert.

Den ersten Vortrag der Tagesordnung hielt Fabrikant Soeke⸗ land über „einen antiten Desemer aus Chiusi“, welcher Eigenthum des Museumsz für Völkerkunde ist. Man versteht unter „Desemer“ eine Schnellwaage, bei der das Gegengewicht fest mit dem Stabe verbunden, aber der Balancierpunkt ver⸗ schiebbar ist, im Gegensatz zur „römischen Schaellwaage“ mit festem Aufhängepunkt und verschiebbarem Gegengewicht. Der Desemer darf wohl als die älteste Wägevorrichtung gelten; denn sein Urbild ist durch die über die Schulter gelegte Stange gegeben, an deren beiden Enden Lasten getragen werden und die man zur Her⸗ stellung des Gleichgewichts auf der Schulter je nach der Verschiedenheit der Lasten zu verschieben genöthigt ist. In jedem Falle ist der Desemer uralt und zu verschiedenen Zeiten und an ver⸗ schiedenen Punkten erfunden worden. Schon egyptische Darstellungen zeigen ihn, wie allerdings auch bereits die zweiarmige Waage, im Gebrauch, und daß er bei verschieden n Völkern verschiedene Gestalr angenommen hat, beweist die reiche Sammlung von Desemern, welche das Museum besitzt. Frühzeitig scheinen die Menschen schon darauf ge⸗ kommen zu sein, den Stab dadurch zu verkürzen, daß sie ihn gegen sein der Last abgewandtes Ende hin kegelförmig verstärkten oder, was noch prak⸗ tischer, um das Gleiten des Balancierpunktes nicht zu erschweren, daß sie an diesem Ende ein Gegengewicht anbrachten. Aber diese Verbesse⸗ rungen bewegten sich nach Maßgabe der vorgelegten Desemer doch in ziemlich engen Grenzen. Eine Goldwaage aus Assam ist nur zur Abwägung von etwa 3 g und dem doppelten Gewicht eingerichtet; eine größere aus Tibet wägt 37 ⅛, 75, 350, 500, 600 g ab; ein deutscher Desemer mit hölzernem Stabe und dickem Kolben am Ende wägt bis ähnlich beschaffen sind andere Desemer aus Westrußland, der Altmark, Hinterindien. Das Verdienst, den Desemer auf genaues Ab⸗ wägen in weiten Grenzen eingerichtet zu haben, gebührt den Römern, und es scheint, daß die vorgelegte, in Chiust aufgefundene Waage zu den besten Instrumenten ihrer Art gehört hat. Sie stammt, ihrer Bronze⸗ technik zufolge, aus dem dritten oder vierten vorchristlichen Jahr⸗ hundert: aus derselben Zeit, wie ein zweiter, in Palermo gefundener, aber ungleich plumper und ungenauer gestalteter Desemer und ein dritter, der nur in einer sorgfältigen Abbildung noch vorhanden ist. Diese ganz aus Bronze bestebende Chiusi⸗Waage stellt eine liegende Säule dar, deren zu einem Thierkopf gestaltetes, schweres Kapitell das Gewicht vertritt, während der abzu⸗ wiegende Gegenstand an Haken zu hängen ist, die mit dem andern Ende der Säule fest verbunden sind. Die charakteristische Abweichung dieses Desemer (außer nach der ästhetischen Seite), welche einen zweifellosen technischen Fortschritt erweist, ist die Anbringung eines Steges über der borizontalen Säule bezw. dem Stabe und die Ver⸗ legung der Skala sowie des Gleitm chanismus, bestehend in einem den Steg umfassenden Rahmen, an diesen Steg. Die Aenderung beruht auf der richtigen Beobachtung, daß die Waage um so besser spielt, um so empfindlicher ist und genauer wiegt, je höher der Stützpunkt über der Last und Gewicht verbindenden Linie angebracht ist. Die Chiusi⸗Waage ist, dieser ihrer Konstruktion entsprechend, ein sehr genaues Instrument, worauf nach Maßgabe ihrer sorgfältigen Graduierung längs des Steges Gegenstände von 1 römischen Unze (= 27,286 g) bis 40 römischen Pfund Gewicht abgewogen werden konnten. In Deutschland hat sich der Desemer nur in seiner ursprünglichen, rohen Gestalt be⸗ hauptet und wird nur noch zu roben Wägungen benutzt; doch deutet der Umstand, daß er noch heute in der Altmark „Uenzel“ genannt wird, darauf bin, daß er früher wohl auch bei uns in feinerer Gestalt zu feineren Wägungen benutzt worden ist.

An zwelter Stelle stand auf der gee die Vorlegung und Besprechung eines rothgefärbten Buli⸗Schädels durch Herrn Geheimen Medizi zalratb, Professor Dr. Virchow. Die Buli stad ein im mittleren Küstengebiet von Kamerun wohnender Neger⸗ stimm. Der von dem Marige⸗Arzt Dr. Albrecht Richter mitgebrachte Schädel ist, obgleich ersi ttlich von einer erwachsenen Person, vei einer Kapazität von 1150 g, nahezu ein Zwergenschädel. Seine rothe Färbung ist namentlich an der linken Schädelhälfte sehr intensiv; es haben Theile der Färbemasse aus der Augenhöhle entnommen und untersucht werden können; sie ergab einen von jedem Metall freien, pflanzlichen, auch von Fasern begleiteten Farbstoff. Die Sache ist aus folgenden Grün- den von wissenschaftlichem Interesse: Das nachträgliche Rothfärben der Schädel ist ein zuerst auf den Südsee⸗Jaseln beobachteter Todten⸗ kultus. Die Färbung wird dort durch Eisenocker bewirkt. Später fanden sich in der vom Vortragenden eingehend untersuchten Stillfried⸗ Höhle in Mähren auch in derselben Art roth gefärbte Schädel, und zuletzt wurde ein solcher von den Andamanen⸗Inseln beigebracht. Die Auf⸗ findung eines rothgefärbten Schädels in Afrika ist neu, und sie ist interessant

der Einführung des Accordlohnsystems die Arbeit niedergelegt.

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genug, zumal bei der abweichenden Färbeweise des Schädels, um der