1900 / 155 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 02 Jul 1900 18:00:01 GMT) scan diff

am Sonnabend im Rathskeller zu Lübeck stattfand, hielt der

1. Homburg v. d. Höhe, 1. Juli. Ihre Königlichen die Prinzen N Wilhelm und Oskar, öhne Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Majestäten, sind heute hier eingetroffen.

Kiel, 1. Juli. Das 1. See⸗Bataillon sowie ein Pionier⸗Detachement sind, wie „W. T. B.“ meldet, heute vver. in Stärke von 1116 Mann in zwei Sonderzügen nach Wilhelmshaven abgefahren. Dieselben waren vom Kasernenplatz abmarschiert und hatten auf dem Schloßplatz

alt gemacht. Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin einrich winkte den Scheidenden vom Fenster aus Grüße zu. Auf den Straßen hatte sich eine große Menschenmenge angesammelt, welche die Soldaten mit Hurrahrufen begrüßte.

Rendsburg, 30. Juni. Der auf der Fahrt nach China befindliche große Kreuzer „Fürst Bismarck“ wurde, dem „W. T. B.“ zufolge, bei der von sämmtlichen Truppen der Garnison und einer großen Menschenmenge be⸗ grüßt. Der Kommandeur der 36. Jnfanterie⸗Brigade, General⸗ major von Bock und Polach wünschte den ö rasche Fahrt, vollen Erfolg und glückliche Heimkehr. Der Kommandant des „Fürst Bismarck“ dankte für die An⸗ sprache und brachte ein Hoch auf Seine Majestät den Kaiser aus. Die Musik spielte die Nationalhymne.

Sigmaringen, 30. Juni. Seine Majestät der König und Seine Königliche Höoheit der Prinz Ferdinand von Rumänien sind heute nach Bukarest abgereist.

Sachsen.

8 Ueber das Befinden Seiner Majestät des Königs ver⸗ lautet, wie das „Drezdner Journal“ meldet, Folgendes: „Nach ruhiger Nacht nahm Seine Majestät am Sonnabend das Frühstück außerhalb des Bettes und betheiligte sich dann am gewöhnlichen, gemeinsamen Leben in Strehlen.

Baden. 118“

Seine Königliche Hoheit der Großherzog empfing am

29. v. M. in Schloß Baden den neu ernannten schwedisch⸗ norwegischen Gesandten Grafen Taube, der in Gegenwart des Ministers von Brauer sein Beglaubigungsschreiben überreichte.

Oldenburg.

(H.) Seine Königliche Hoheit der Großherzog hat folgenden Dankeserlaß veröffentlichen lassen:

In Anlaß des unersetzlichen Verlustes, welchen Ich, Mein Hꝛus und Mein Land durch das Hinscheiden Meines theuren Herrn Vaters, des Großherzogs Nicolau; Friedrich Peter, Königliche Hoheit, erlitten haben, sind Mir aus allen Theilen des Großherzogthums und aus allen Kreisen der Bevölkerung so zahlreiche und warm empfundene Beweise der Theilnahme zugegangen, daß Ich dadurch innig erfreut und gerührt worden bin.

Ich beauftrage das Staats⸗Ministerium, Meinen herzlichsten Dank für diese Kundgebungen treuer Anhänglichkeit und pietätvoller Ge⸗ sinnung, welche Meinem Herzen in diesen schweren Tagen sehr wohl gethan haben, zur öffentlichen Kunde zu bringen.

Oldenburg, den 29. Juni 1900. 11“

Friedrich August. An das Staats⸗Ministerium. * 8 1

Lübeckk. 1“ Bei dem Festmahl des Lübecker Nachtklubs, welches

Präsidierende Bürgermeister Dr. Klug eine Ansprache, in welcher er das Anwachsen und die Erfolge des Lübecker Nachtklubs und den Ausbau des Travemünder Segelhafens erwähnte. Der Bürgermeister betonte im weiteren Verlauf seiner Rede, die neuesten Ereignisse in China müßten der Erkenntniß Bahn brechen, daß wir einer Vermehrung der Auslandsflotte be⸗

dürften. Der Redner dankte sodann Seiner 8 Hoheit

dem Prinzen 8 für sein Erscheinen und schloß mit einem dreifachen Hurrah auf Seine Majestät den Kaiser. Die Anwesenden stimmten lebhaft ein und sangen die Nationalhymne, welche von der Kapelle des Infanterie⸗ Regiments Nr. 162 gespielt wurde. Seine Königliche Hoheit der Prinz Heinrich erwiderte mit einer Rede, in welcher er dugfühete Seine Majestät der Kaiser habe ihn beauftragt, Seinen Dank für die Einladung zu der heutigen Veranstaltung des Lübecker Nachtklubs und zugleich Sein Be⸗ dauern auszudrücken, daß Er durch dringende Regierungs⸗ eschäfte am Erscheinen verhindert sei. Seine Majestät der Kaiser, Allerhöchstwelcher Seiner Theilnahme an der schönen Kanalfeier gern gedenke, hoffe, daß das neu geschaffene Werk von segens⸗ reicher Bedeutung für die Zukunft Lübecks sich erweisen werde. Der Prinz dankte sodann, zugleich im Namen der übrigen Ehrengäste, für die ihnen gewordene Ein⸗ ladung und bemerkte, daß er die hochpatriotischen Worte, welche der soeben gesprochen, Seiner Majestät dem Kaiser melden werde. Der Lübecker Yachtklub, fuͤhrte der Prinz weiter aus, trage mit seinen Bestrebungen zu der immer weiter um sich greifenden Erkenntniß bei, daß das Meer keine Scheidungsgrenze bilde, daß es vielmehr ein verbindendes, amalgamierendes Element sei. Die Rede klang in ein Hurcah auf die weitere Entwickelung der Freien und Hansestadt Lübeck aus, in welches die Anwesenden begeistert einstimmten. 8

Deutsche Kolonien.

Ueber den Abschluß der Pendel⸗Expedition in Deutsch⸗Ostafrika wird im „Deutschen Kolonialblatt“ der folgende Bericht aus Pangani vom 9. Mai veröffentlicht:

Am 20. April verließ die Expedition Wilhelmsthal und gelangte durch schönes, bewaldetes Gebirgsland, an den Charlottenfällen vorbei und an den Hängen des Komonyoberges abwärts steigend, in die PanganiEbene zum Dorfe Mombo, das am gleichnamigen Fiuß und am Rande einer Waldparzelle gelegen ist. Das Bezirks⸗ amt macht hier Versuche mit Eselzucht und mit dem Einfahren von Zugochsen. Ferner beabsichtigt Idie Kulturstation Kwai, Reisfelder anzulegen und dieselben durch den Mombofluß zu bewaͤssern. Au eine Filiale des in Wilhelmsthal ansässigen Griechen befindet si am Ort. Der Weitermarsch führte in fast ebenem Gelände durch die Waseguha⸗Landschaften Mataravanda und Makuyuni nach Maurui und Kwa Sigi am Rufufluß Von hier aus erfolgte der Abstieg nach Korogwe, das infolge der Weiterführung der Bahn einen be⸗ deutenden Aufschwung zu nehmen beginnt. Die vorhandenen Bau⸗ plätze sollen schon sämmtlich vergeben sein. Mehrere Inder haben 8 bereits hier angestedelt. Das eigentliche Dorf liegt in einem

okospalmenhain auf einer der durch den Panganifluß gebildeten

Inseln und ist nur durch schmale Stege zugänglich. Dicht oberhalb

ürsorfes liegt am Hang des Fundihügels die Station der Universities on.

Am 23. April wurde der Luengerafluß überschritten und am nächsten Tage das Handeigebirge erstiegen, das etwa 600 bis 800 m in das Panganithal abfällt. Durch die Mismahl'sche

legenen Kaffeeplantage Kwa Mkoro (Seiner Königlichen Hoheit des rinzen Albrecht von Preußen), wo die Expedition von dem Leiter Wyneken sehr liebenswürdig aufgenommen wurde. Die Plantage besteht seit etwa vier Jahren. Bis jetzt sind über 500 000 agrabische Kaffeebäume gepflanzt. Die erste größere Ernte des in Deutschland sehr gut beurtheilten Kaffees wird in diesem Jahre erwartet. In Kwa Mkoro waurden Erdschweremessungen vorgenommen und der Beobachtungsort an das Triangulationsnetz angeschlossen. 1t Stunden von Mkoro entfernt liegt die der Deutsch⸗Ostafrikanischen Gesellschaft gehörige Plantage Derema, hier wird ebenfalls arabischer Kaffee gebaut. Vom Hause des dortigen Plantagenleiters genießt man eine prächtige Aussicht auf den Mlinga⸗ berg mit der Plantage Magrotto, den Ort Muhesa, das Panganithal mit der Zuckerfabrik, die Stadt Pangani und das Meer. Bel Derema senkt sich das Handeigebirge in die Ebene von Bondöt hinab. Der Seg führt über die am Hang des Gebirges gelegene Liberia⸗ Kaffeeplantage Lungusa. Dieselbe ist aufgegeben worden, da sich der Anbau des Liberiakaffees infolge des zur Zeit sehr niedrigen Preises nicht mehr lohnt. Von Lungusa g⸗langt man in etwa vier Stunden zur Eisenbahnstation Muhesa. Der von den Plantagen gebaute Weg führt über zahlreiche Brücken, die eine größere Haltbarkeit als die gewöhnlichen afrikanischen Brücken haben, da sie aus Steinpfeilern und eisernen Trägern bestehen.

In Mubesa herrscht infolge der Weiterführung der Bahn reges Leben, und der Zuzug von Arbeitern und Händlern steigt von Tag zu Tag. Ein Transportgeschäft vermittelt den Verkehr mit West⸗ und Ost⸗Usambara. Die Strecke Korogwe —- Mombo (130 km) wird bereits traciert. Sie dürfte, abgesehen von der Ueberbrückung des Luengeraflusses und einiger Sumpfstrecken, auf keine Schwierigkeiten stoßen. Die Züge der Tangabahn verkehren zur Zeit einmal täglich mit Ausnahme der Sonntage. Die Fahrzeit auf der Strecke Tanga- —Muhesa beträgt durchschaittlich zwei Stunden. Die Züge sind meist stark besetzt, und zwar nicht nur mit Materialien für den Eisenbahnbau. Bedeutend ist die Einfuhr von Reis für die Eisenbahn⸗ und Plantagenarbeiter.

Zur Kontrole des Barometers und Ausführung magnetischer Beobachtungen fuhren Oberleutnant Glauning und Dr. Kohl⸗ schütter mit der Bahn nah Tanga, während die Karawane in Muhesa zurückblieb. Leider waren in letzter Zeit in Tanga die erwähnten Barometerbeobachtungen unterlassen worden, sodaß die Kontrolver⸗ gleichungen nicht ausgeführt werden konnten. Mit dem nächsten fahrplan⸗ mäßigen Zug wurde die Rückreise und noch an demselben Tage der Weitermarsch angetreten. Von Muhesa aus marschierte die Expedition über die Margarethenfälle und am linken Panganiufer entlang und traf am 3 Mat in einer Stärke von 3 Europäern, 14 Askaris und 76 Trägern in Pangani ein. Hier wurden vom 5. bis 8. Mai

endelmessungen und magnetische Beobachtungen ausgeführt.

ie Träger wurden am 4. Mai entlassen und abgelohnt. Die beiden noch übrigen Maulthiere der Expedition, die bis vor wenigen Tagen noch frisch und munter waren, erkrankten, wahrschein⸗ lich an den Folgen von Insektenstichen, die sie sich in Muhesa zu⸗ gezogen, und verendeten kurz vor bezw. nach unserer Ankunft in Pangani. Die Expedition wird mit dem Dampfer „Rufidji“ am 13. Mai in Dar⸗es⸗Saläm eintreffen.

Die Facnn Inse Ponape hat, wie das „Deutsche Kolonialblatt“ mittheilt, nach dem Stande vom 1. Februar 1900 3165 Einwohner. Von diesen sind 1659 weiblichen und 1506 männlichen Geschlechts. Die Landschaft Metalanim zählt 892 Seelen, ferner Kiti 943, U 507, Jakoy 494 und Not 329. In letzterer Landschaft sind 33 Perfonen unter 12 Jahren vor⸗ handen, in Kiti 232. Die erlangten Angaben entbehren in einigen Landschaften der Vollständigkeit. Unter dem

März wird aus Ponape berichtet, daß die Ausbakung des Hafens von Langer und die Bezeichnung der afeneinfahrt von dem Hafen⸗ meister in sachgemäßer Wrise hergestellt worden ist. Auch die Aufrichtung der Seezeichen ist durch S. M. S. „Seeadler“ zu Ende geführt worden, sodaß nunmehr bei jeder Beleuchtung in den Hafen eingefahren und geankert werden kann.

Der Kaiserliche Gouverneur von Samoag hat mit der Heranziehung kaufmännischer und landwirthschaftlicher An⸗ siedler auf Samoa zur Landesverwaltung durch Ernennung eines das Gouvernement berathenden Ausschusses von sieben Mitgliedern den ersten, dem „Deutschen Kolonialblatt“ zu⸗ felge anscheinend guten Erfolg versprechenden Versuch gemacht.

's Aufgabe des Ausschusses wird die Besprechung neuer Einrichtungen zur Förderung der kommerziellen und land⸗ wirthschaftlichen Verhältnisse des Schutzgebiets bezeichnet. Auch soll durch Vermittelung dieser Stelle der Bürgerschaft Ge⸗ legenheit gegeben werden, Anregungen und Vorschläge zur Kenntniß des Gouvernements zu bringen.

Oesterreich⸗Ungarn.

In Reichstadt fand, wie „W. T. B.“ meldet, gestern Vormittag im engsten Familienkreise in der dortigen Schloß⸗ kapelle die Trauung des Erzherzogs Franz Ferdinand mit der zur Fürstin von Hohenberg erhobenen Gräfin Sophie Chotek statt. Die Trauung vollzog der Dechant Hickisch. Nach Beendigung der Zeremonie stimmte die Orgel die Volks⸗ hymne an. Um 111½ Uhr fand ein Dejeuner statt, bei welchem die Erzherzogin Maria Theresia, die Mutter des Bräutigams, ein dreifaches Hoch auf das junge Paar ausbrachte. Nach dem Dejeuner reisten die Neuvermählten nach Schloß Konopischt.

Die „Neue Freie Presse“ meldet aus Innsbruck vom 30. v. M.: Die Statthalterei von Tirol hat alle deutschnationalen Verbindungen der Universität Inns⸗ bruck aufgelöst. Die Auflösung erfolgte wegen Kundgebungen gegen das Farbenverbot bei den Promotionen und wegen der jüngst von den Verbindungen gefaßten Resolutionen gegen die Berufung jüdischer Professoren und Assistenten.

Frankreich.

Der Fürst Ferdinand von Bulgarien ist, wie „W. T. B.“ meldet, am Sonnabend Vormittag incognito in Paris eingetroffen.

Auf der deutschen Botschaft fand am Sonnabend Abend ein großer Empfang statt, welcher glanzvoll verlief. Der Fürst Münster von Derneburg begrüßte im Thron⸗ saale die zahlreich erschienenen Gäͤste, unter ihnen die meisten Botschafter und Gesandten sowie den früheren Präsidenten Casimier⸗Perier. Ferner waren der Ober⸗Hofmarschall Graf zu Eulenburg, der Ober⸗Stall⸗ meister Graf Wedel, der Graf und die Gräfin Hohenau, der bayerische Gesandte in Berlin Graf von Lerchenfeld, der Reichskommissar, Geheime Ober⸗Regierungsrath Dr. Richter, der Geheime Regierungsrath Lewald u. A. erschienen. Während des Festes spielte das auf Befehl des Kaisers von Rußland Fr be Zeit der Ausstellung nach Paris gesandte Balalaikisten⸗

rchester.

Die Deputirtenkammer setzte vorgestern die Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Vermehrung der Flotte,

Pflanzung gelangten wir nach der am Sigifluß ge⸗

fort und nahm den ersten Artikel an, betreffend den Bau von

55 Linienschiffen und fünf Kreuzern, sowie die Be⸗ willigung von 118 Millionen Franks zum Bau von Torpedobooten und Unterseebooten. Die Regierungs⸗ vorlage hatte für Torpedoboote und I nur 68 Millionen gefordert, aber die Kammer bewilligte die von dem Deputirten Pelletan beantragte und von der Regierung p heißene Erhöhung um 50 Millionen. Im weiteren Ver⸗ auf der Sitzung wurde auch der zweite Artikel des Gesetz⸗ entwurfs, betreffend die Vermehrung der Flotte, angenommen. Nach diesem Artikel wird der Bau der neuen Schiffe auf die Zeit bis 1908 vertheilt. Schließlich wurde der gesammte Ge⸗ setzentwurf angenommen.

Ein Transportdampfer ist gestern mit Verstärkungen von Toulon nach China abgegangen.

Rußland.

An C Stelle in St. Petersburg eingetroffenen Nachrichten zufolge hat sich, wie die „Russische Tele⸗ graphen⸗Agentur“ meldet, die chinesische Bevölkerung an mehreren Orten unter russischen Schutz ge⸗ stellt, da sie nicht mit dem Bovxeraufstand sym⸗ Aus Ost⸗Asien werde ferner berichtet, daß der

oxeraufstand nicht mehr weiter um sich greife, sondern daß die Bewegung nachlasse und sich gegenwärtig nur noch in der Provinz Petschili halte. An leitender Stelle hege man die Ansicht, daß der Aufstand bei friedlichem Vorgehen der Mächte und Willen der chinesischen Regierung in kurzer Zeit werde eigelegt sein.

8 Italien. Der Senat hat am Sonnabend das provisorisch Budget mit 84 gegen 3 Stimmen angenommen.

In der gestrigen Sibung der Deputirtenkammer widmete der Deputirte antini den in China gefallenen italienischen Matrosen ehrende Worte. Der Präsident Villa und der Minister⸗Praͤsident Saracco schlossen sich den Worten Santini's an. Der Minister des Aeußern Visconti⸗Venosta brachte den schon in der vorigen Session vorgelegten Entwurf eines Handels⸗Abkommens mit den Vereinigten Staaten von Amerika ein. Hierauf gab der Präsident Villa ein⸗ gehende Erläuterungen zu der von der Kommission entworfenen neuen Geschäftsordnung. Der Deputirte Sonnino erklärte, er werde diese Vorlage, welche nur Fragen von nebensächlicher Bedeutung regele, nicht bekämpfen, da er nicht das Werk der Re⸗ gierung hemmen möchte, die mit wahrem Patriotismus es sich zur Aufgabe gemacht habe, die Gemuͤther zu beruhigen. Trotz⸗ dem sei er aber überzeugt, daß bei der ersten Gelegenheit die heftigen Scenen sich wiederholen würden. Dann werde das Land sich überzeugen, daß man die wahre Freiheit schützen müsse. Nach einer kurzen Berathung wurde die neue Geschäftsordnungohne Zwischenfall genehmigt. Hierauf theilte der Marine⸗Minister Norin nachfolgende, von dem Kommandierenden der ita⸗ lienischen Seetruppen in China eingegangene Depesche mit: „In einem Schreiben dankt der Admiral Seymour dem italienischen Kommandierenden Sirianni für die wirksame Unterstützung und den Matrosen für ihre Energie, ihren Eifer und Muth, die auf der Höhe der ihnen zugefallenen Aufgabe gestanden haben.“ Die Sitzung wurde sodann geschlossen.

Die Kriegsschiffe „Vesuvio“ und „Stromboli“ sind am Sonnabend Nachmittag von Venedig nach China in See 8 üJögumerila. 6

Der Staatssekretär des Auswärtigen Hay, der Sekretär des Krieges Long und der Sekretär der Marine Root haben sich, wie dem „W. T. B.“ aus Washington berichtet wird, in einer am Sonnabend abgehaltenen Konferenz dahin ent schieden, daß neue Instruktionen für den amerikanischen Befehls haber in China nicht erforderlich seien und daß Verstärkunge nur auf Verlangen gesandt werden sollten.

Asien.

Von dem Kaiserlichen Konsul in Tschifu ist, wi „W. T. B.“ meldet, folgende Depesche hier eingetroffen: Unse Gesandter in Peking am 18. Juni ermordet.

Das „Reuter'sche Bureau“ meldet aus Tschifuü vom gestrigen Tage: Der deutsche Gesandte Freicem von Ketteler wurde am 18. Juni in dem Augenblick, als er sich nach dem Tsung⸗li⸗-Yamen begab, ermordet, ein Dolmetscher wurde verwundet, konnte jedoch in eine Gesandtschaft flüchten. Am 23. Juni waren nur noch drei Gesandtschafte nicht zerstört.

Der Chef des Kreuzer⸗Geschwaders, Vize⸗Admiral Bende mann meldet, dem „W. T. B.“ zufolge, aus Taku vom 29. v. M. Am 227. Juni sind die Befestigungen des Arsenals bei Tientsin gemeinsam genommen worden. Schwer verwundet sind: der Feuerwerksmaat Hellwig und der Matrose Brüning beide von S. M. S. „Hansa“, leicht verwundet 6 Mann, worunter 2 Seesoldaten. Zwischen Tientsin und Taku ist die Verbindung auf dem Wasserwege hergestellt.

Aus Taku vom 28. Juni meldet der Chef des Kreuzer Geschwaders: Nachdem die Kanonenboote am 17. Morgens die Geschütze in den Forts zum Schweigen gebracht hatten stürmten die vereinigten Reservelandungskorps 300 Japaner 150 Russen, 200 Deutsche, 300 Engländer unter der Führung des Kapitäns zur See Pohl, der selber einer der ersten im Fort war, das Nordwest⸗Fort nach hartnäckiger Vertheidigung mit glänzender Tapferkeit. Dabei verloren die Japaner ihren Führer im Range eines Stabsoffiziers. Von den Unsrigen ist nur ein Matrose leicht verwundet. Das Nord⸗Fort wurde verlassen gefunden. Darauf wurde mit unseren und britischen Booten über den Fluß gesetzt und das Süd⸗Fort ohne Widerstand besetzt. Ich habe erst jetzt diese Einzelheiten feststellen können.

Ferner meldet der Vize⸗Admiral Bendemann aus Taku vom 30. v. M.: Vom See⸗Bataillon sind bis zum 29. v. M. gefallen:

der Leutnant Friedrich, der Sergeant 8” die Soldaten Dehnert, Steg⸗ meier, Ludwig, ißmeier, Klier, Nitsch, Schmitz. Schwer verwundet: die Gefreiten Zander, Scheder, Meinecke, die Soldaten Tupfer, Blitz, Stephan, Holz, Oekler, Popproth, Gerke, Richter II. Leicht verwundet: 18 Mann. Alle Verwundeten sind außer Lebens⸗ efahr. Von den Verwundeten des Peking⸗Expeditionskorps find nachträglich gestorben: die Matrosen Graafe und Herkenrath, beide von „Hertha“. Letzterer, in den Listen bisher nicht erwähnt, hatte einen Schuß durch den Oberschenkel. Die meisten Verwundeten sind in Tientsin, einige auf dem Transport nach Taku. Der Kapitän Lans ist auf der

„Kaiserin Augusta“, drei Schwerverwundete sind in Tsingtau.

Der britische Kontre⸗Admiral Bruce telegraphiert aus Taku: Die Haltung des Kommandanten der „Algerine“ und die des deutschen Kapitäns Lans, des Kommandanten des „Iltis“, war großartig und erregte die Bewunderung der verbündeten Schiffsbesatzungen. Der Verkehr auf dem Flusse ist gegenwärtigbis Tientsin unbehindert, die Eisenbahn bis 9 Meilen von Tienisin wiederhergestellt, aber die Verbindung mit dem Admiral Seymour ist noch schwierig. Der russische Admiral Alexejew ist hier eingetroffen und begiebt sich nach Tientsin. Bis jetzt sind 520 Offiziere und 13 500 Mann der verbündeten Truppen gelandet, welche 53 Feldgeschütze und 35 Mitrailleusen bei sich führen. 82

Ein Telegramm des Obersten Dorward an das britische Kriegsamt aus Tschifu vom gestrigen Tage meldet: Das Arsenal nordöstlich von Tientsin wurde am Morgen des 27. Juni durch die vereinigten Truppen erstürmt. Von britischen Truppen waren die Schiffs⸗Brigade und das chinesische Regiment aus Wei⸗hai⸗Wei betheiligt. Die Verluste der Schiffs⸗ Brigade betrugen 4 Todte und 15 Verwundete, einschließlich zweier Offizier«. Das chinesische Regiment warf einen Gegen⸗ angriff der Boxer auf die linke Flanke unter schweren Ver⸗ lusben des Feindes Ps .

Aus hanghai vom gestrigen Tage meldet das „Reuter'sche Bureau“ aus amtlicher Quelle verlaute, daß die Chinesen zwischen Shanghai und dem Arsenal von Kiangwan Torpedos gelegt hätten und daß die Forts am Nang⸗tse⸗Kiang zwischen Nanking und Wusung in Stand gesetzt würden, den Fremden Widerstand zu leisten.

Dem „Daily Telegraph“ wird aus Shanghai vom

estrigen Tage gemeldet, der Prinz Tuan habe sich der Personen des Kaisers und der Kaiserin⸗Wittwe bemächtigt und die höchste Gewalt an sich gerissen.

Der „Times“ wird aus Hongkong vom 1. d. M. ge⸗ meldet: Obgleich die fremdenfeindliche Stimmung in Canton und der Umgebung im Wachsen begriffen sei, so werde sie doch durch strenge Maßregeln des Vize⸗Königs niedergehalten, der bedeutende E aushebe. 8

Angesichts der Möglichkeit einer Gefährdung der

ristlichen Missionsanstalten in der Provinz chantung ist, wie „W. T. B.“ meldet, der Kaiserliche Gouverneur in Tsingtau telegraphisch angewiesen worden, zum der Missionare sofort im Benehmen mit den chinesischen Provinzialbehörden die nöthigen Vor⸗ kehrungen zu treffen.

Aus Kapstadt vom 29. v. M. wird amtlich gemeldet, daß die Zahl der Unee in Noorgedacht laut der amtlichen Liste 22 Offiziere und 863 Mann betrage.

Parlamentarische Nachrichten.

Nach dem amtlich festgestellten Resultat der am 26. v. M. im 10. Breslauer ahlkreise (Waldenburg) vor⸗ genommenen Ersatzwahl zum Reichstage wurden ins⸗ esammt 26 266 Stimmen abgegeben. Davon erhielt Sachse Soz.) 13 167, General⸗Direktor Dr. Ritter (fr. ins.) 11 761 und

1334 Stimmen. Sachse ist mithin gewählt.

Statistik und Volkswirthschaft.

8 Zur Arbeiterbewegung.

Die Berliner Rabitzputzer befinden sich, der „Volks.⸗Ztg.“ zufolge, in einer Lohnbewegung; sie haben einen Stundenlohn von 85 (bisher 75 ₰) gefordert, der vom 1. Juli d. J. ab gezahlt werden - Für Arbeiten Berlins verlangen sie einen Wochenlohn von 54 (vergl. Nr. 225/1899 d. Bl.).

Wie der „Voss. Ztg.“ aus Cassel berichtet wird, sind dort die Maurer in den Ausstand getreten. Sie verlangen gleichfalls ine Lohnerhöhung. ““

Kunst und Wissenschaft.

Große Berliner Kunstausstellung 1900. II.*)

L. K. Der Ballast an Mittelmäßigkeiten, den eine große Aus⸗ stellung unvermeidlich mit sich führt, wird meist das allgemeine Urtheil ungünstig färben; er sollte aber nicht den Blick der Kritik trüben für die werthvolle Fracht deren Fahrt er sichert. Freilich hängt dabei viel von der Vertheilung und dem Arrangement ab. Gerade die Mittelsäle unseres Ausstellungsgebäudes sind gefüllt mit zum theil recht minderwerthigen Bildern. Wer sie durch⸗ schritten und das Auge ermüdet hat, hat nicht mehr die Frische und Aufnahmefähigkeit für die Genüsse, die seiner oft in ab⸗ gelegenen Seitenräumen harren. So findet sich in der Westecke des Ausstellungsgebäudes eine vortreffliche Kollektion von Bildern dänischer Maler, die einen Glanzpunkt der diesjährigen Kunst⸗ schau bildet. Allerdings darf man bei den Dänen keine virtuosen Knalleffekte suchen; aber die Intimität und Feinheit des Empfindens, die in diesen Bildern webt, stellt sie hoch über die Durchschnittsproduktion, die zu studieren so reiche und be⸗ queme Gelegenheit geboten ist. Bei dem Bestreben, zarte Stimmungen festzuhalten, wahrt der dänische Maler stets die Natü rlichkeit und Schlichtheit der Naturauffassung; er ist w egüth fein organisiert, es ist keine angeleente oder absichtlich zur Schau gestellte Blasiertheit, die ihn zur Dämpfung des Vortrags, zur Differenzierung der Nuancen treibt. Diese Ueberzeugung gewinnt man besonders vor den Bildern von Vilhelm Hammershöj, der die in Dänemark mit Vorliebe kultivierten Stoffgebiete: Interieur, Porträt und Landschaft, gleich meisterlich beherrscht. Wie scharf und fein zugleich weiß er seinen Lands⸗ und Kunstgenossen Zahrtmann (Nr. 466) zu charakterisieren! Welch ein köstlicher Duft liegt über dem anspruchslosen Bildchen, das eine junge Nähterin bei der Arbeit schildert! (463). Durchsichtig und fein⸗ eädert wie die dänischen Porzellane, die ebenfalls auf der usstellung gut vertreten sind, wirken seine Interieurs (465, 473 475) Auch den Novembernebel über dem Kanal seiner Vaterstadt weiß er unvergleichlich zu malen (468). Tief⸗ innerlich wirkt fein Selbstporträt, das ihn mit seiner Gattin vereint darstellt (477). In der Gestalt des Cellovirtuosen Bramsen, die aus dem Halbdunkel eines zentralen Hintergrundes sich loslöst (471), ist das völlige Aufgehen in musikalischer Stimmung mit den denkbar einfachsten Mitteln wiedergegeben. Und das alles ist ohne die Uebertreibungen, wie sie die modernen Decadents lieben, ehrlich und anspruchslos hingestellt. Neben Hammershöj haben alle seine Lands⸗ leute einen schweren Stand. Ueber ein vfelseitiges Talent verfügt G. N. Achen, als dessen bedeutendste Leistung wohl das Porträt der Schauspielerin Rosenberg (3) gelten darf. Das sehr liebevoll ausgeführte männliche Bildniß (2) leidet bei allen vor⸗ trefflichen Einzelqualitäten doch an einer gewissen Härte und Klein⸗ lichkeit des Vortrags und einem Ungeschick des Arrangements, die Achen auch in seinen sonst sehr beachtenswerthen Landschaften (1, 4, 6, 8) nicht immer ganz überwindet. Vi gilt seit

*) Vgl. d. Nrn. 107, 131.

Justizrath Feige⸗Breslau (fr. olksp.

lange als der unübertroffene Schilderer dänischen Familienlebens.

Das zwanglos gestellte, aber als Kunstwerk vornehm geschlossene

Bildniß seiner Hausfrau und seiner Kinder (618), wie auch das

Tischdecken“ (617) rechtfertigen diese Werthschätzung aufs neue.

Ihm sind an die Seite zu stellen Peter Ilsted (589—591)

und Anna Aucher (35, 36), während der Gatte der letzteren,

Michael Aucher, auf derbere Effekte ausgeht (37 —40). Die

historischen und religiösen Bilder von Otto Bache und Valdemar

IJrminger besitzen zu wenig durchschlagende Kraft. um das

Interesse, das sie durch ihre asketische Haltung anfangs erwecken,

lange zu fesseln. 8

Auf dem Gebiet der Landschaftsmalerei ist Dänemark außer durch

Achen und durch den etwas gewaltsam modernen,

aber talentvollen Viago Petersen (1000 1004), Julius

Paulsen (991, 993, 996, 998), Fritz Syberg (1235—1244) und

den Marinemaler Carl Locher (773— 779), dessen kleinere Bilder

weitaus günstiger wirken als die großen, vortbeilhaft vertreten.

Von Norwegern ist Hans Heyerdal mit zwet geschickt gemalten, aber kein tieferes Interesse einflößenden Bildern (553, 554) zu nennen.

Dagegen hat Schweden diesmal die Berliner Ausstellung ungewöhnlich

reich beschickt. Den größten Virtuosen der schwedischen Schule aller⸗

dings, Anders Zorn, muß man bei den Sezessionisten aufsuchen, aber auch ohne sein Mitwirken bietet die Ausstellung ein reiches und inter⸗ essantes Bild von der Kunst des skandinavischen Stammlandes. Der roße Oberlichtsaal 27 und zwei angrenzende Räume sind mit Gemaͤlden schwedischer Maler gefüllt. Auch hier überwiegen Landschaft und Sittenschilderung. Das große Historienbild des Grafen Georg von Rosen, des Seniors der Stockholmer Künstler⸗ genossenschaft, die Auferweckung der Königin Dagmar (1070) bietet künstlerisch sehr wenig Interessantes; das bühnenmäßige Arrangement einer uns ziemlich gleichaültigen historischen Episode wird stets kalt lassen. Eine ausgesprochene Eigenart koloristischen Vortrags hat Gustav Ankarkrona, der phantastische Beleuchtung und tief leuchtende Farben liebt, von denen jedoch der Beschauer nur den Eindruck des gelucht Absonderlichen empfängt, da eine tiefere Motivierung fehlt (41—46). Aehnliche Eigenthümlich⸗ keiten begegnen uns in den Landschaften von Oscar Hullgren (580) und Fustus Lundegard (791), wie denn überhaupt die Berg⸗ atmosphäre Schwedens intensive Lichteffekte begünstigt. Virtuose Leistungen auf dem Gebiet der Schneelichtmalerei zeigen Anshelm Schultzberg (1163), Vilhelm Behm (81), Anton ee (399, 400) und Carl Johansson (620). Ernst und charaktervo

wirken die in frische Farben gekleideten Landschaften von Olof Arborelius (50, 51), der auch sehr lebendig das Bauern⸗ leben Darlekarliens zu schildern versteht (52, 53), sowie von Gottfried Kallstenius (633 637), Knut Borg (146, 147) und Wilhelm Smith (1198, 1199), der seine Motive in den alten Hansestädten Belgiens sact Eine hervorragende Sonderstellung nimmt unter den schwedischen Landschaftsmalern Reinhold Norstedt ein, der in seinen zahlreichen kleinen Bildern pikante Farbengebung mit kräftiger Charakteristik des Naturausschnitts vereinigt (934 943) , während A. H. Kallenberg einen großzügigen Naturalismus kultiviert, der seiner Schilderung einer Kuhherde im Walde geradezu imposante Haltung verleiht (632).

Von Porträts schwedischer Maler ragen die Emil und Bern⸗ hard Oestermann (964—971) durch eindringliche Kraft des Aus⸗ drucks und der Charakterzeichnung besonders hervor. 1

Für das Studium des modernen Kolorismus bietet jedenfalls die schwedische Abtheilung der Ausstellung höchst fruchtbare Anregung, die durch die gegensätzliche Haltung der Dänen erweitert und ergänzt wird.

Aus München wird gemeldet: Die beiden großen Münchener Künstler⸗Korporationen, die „Künstler⸗Genossenschaft“ und die „Sezession“, werden gleichwie im Jahre 1897 auch im Jahre 1901 gemeinschaftlich eine große Internationale Kunstausstellung veranstalten, und zwar zu Ehren des 80. Geburtstages Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Luitpold von Bayern. Das Bureau dieser Ausstellung setzt sich, wie folgt, zusammen: I. Präsident: Professor F. von Uhde; II. Präsident: Dr. Fr. von Lenbach; I. Schriftführer: Professor Hans Petersen; II. Schrift⸗ führer: Benno Becker.

8 14“ 11““ 2 In Dresden wurde, wie „W. T. B.“ meldet, gestern Mittag die unter dem Protektorat Seiner Majestät des Königs Albert von Sachsen stehende große Deutsche Bau⸗Ausstellung im Beisein von Mitgliedern des Königlichen Hauses durch den Geheimen Baurath Waldow mit einer Festrede, die in ein Hoch auf Seine Majestät den König ausklang, feierlich eröffnet. Der Feier wohnten das diplomatische Korps, die Staats⸗Minister, die Generalität, die fremdländischen Regierungskommissare und zahlreiche Würden⸗

träger bei. . C“

Land⸗ und Forstwirthschaft.

An der Forst⸗Akademie in Eberswalde hielt der neu⸗ ernannte Professor der Bodenkunde Dr. Gerhard Schmidt am 16. Juni seine Antrittsrede „über die modernen Theorien der Physik und Chemie und ihre Bedeutung für die Boden⸗ kunde“. Der Vortragende, früher Assistent far Chemie an der Forst⸗Akademie und dann Privatdozent in Erlangen, wies darauf hin, daß die theoretischen Anschauungen über chemische Vocgänge in den letzten 10 bis 15 Jahren, namentlich durch die Arbeiten von van’t Hoff, Arrhenius und W. Ostwald, eine durchgreifende Wandlung erfahren hätten, und daß daher auch unsere Ansichten über die im Boden vor sich gehenden chemischen Prozesse vielfach modifiziert werden müßten. Gleichzeitig lenkte er die Aufmerksamkeit seiner Zu⸗ hörer auf mancherlei bodenkundliche Probleme, welche auf Grund der

neueren Theorien der Chemie bearbeitet und gelöst werden könnten.

Am 27. Juni tagte in Frankfurt a. M. die Generalver⸗ sammlung der Landwirthschaftlichen Zentral⸗Darlehns⸗ kasse für Deutschland. Der Seöö des Aufsichtsraths, Gutsbesitzer Kaulen⸗Lövenich, leitete die Versammlung. Er theilte mit, daß der langjährige General⸗Direktor Cremer aus Gesundheits⸗ rücksichten sein Amt niedergelegt und der Aufsichtsrath einstimmig auf Vorschlag des Vorstands den Verbands⸗Direktor Heller⸗Danzig zum General⸗Direktor der Zentralkasse und damit zugleich des General⸗ verbandes ländlicher Genossenschaften Raiffeisen'scher Organisation für Deutschland zu Neuwied gewählt habe. Darauf erstattete der neue General⸗ Direktor deu mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Jahresbericht für 1899, aus dem die ständig wachsende Bedeutung der großen Raiffeisen'schen Organ isation hervorgeht. Die Generalversammlung genehmigte ein⸗ stimmig die Bilanz und ertheilte die Entlastung. Auf Vorschlag des Aufsichtsraths wurde beschlossen, den Aktionären, als welche bekanntlich nur Raiffeisen⸗Vereine mit unbeschränkter Haftpflicht zugelassen werden, eine Dividende von 4 % zu zahlen. Schließlich wurden verschieden e Statutenänderungen angenommen, darunter als wichtigste die eln⸗ e. beschlossene Erhöhung des Aktienkapitals auf 10 Millponen Mark.

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Ernteaussichten und Produktenhandel in Süd⸗Italien und Sizilien.

Der Kaiserliche General⸗Konsul in Neapel bernchtet unter dem 18. Juni d. J. Folgendes: 1

Das im Mai und in der ersten Junihälfre stürmische und un⸗ gewöhnlich regnerische Wetter soll den nunm or nahezu schnittreifen Brodfrüchten in Süd⸗Italien und Sizilien scheießlich weniger Schaden zugefügt baben, als anfänglich befürchtet worden war. In beiden Landestheilen wird daher eine befriedigende Kornernte erwartet.

Was die Preisverhältnisse des Brotkornes anbetrifft, so macht sich hier (im Benmnsan z der aus Oberitalien gemeldeten

Tendenz) bereits seit Mitte April eber ein Steigen dor Preise be⸗

merkbar, wie überhaupt die Kornmäaͤrkte in Italien sich nach der lokalen Nachfrage und dem lokalen Angebot zu richten und erfahr ings⸗ gemäß sehr verschieden zu notieren pflegen. Im allgemeinen sind für Süditalien und Sizilien zur Zeit (Ende Juni) folgende Durchschnittspreise verzollt ermittelt worden: artweizen 27,90 29,25 Lire pro dz, 3 eichweizen 26,25 28,50 Maiskorn 14 17 1““ b““ 17 20 114“ ““ Während der ersten fünf Monate des Jahres wurden in Neapel und Umgebung etwa 870 974 dz Weizen gelöscht. Die Vorräthe dürfen als normale bezeichnet werden. ährend der ersten vier Monate des Jahres importierte ganz Italien 171 742 t Weizen gegen 141 625 t im Vorjahre. 8

Der Weinstock entwickelt sich im allgemeinen günstig; nur im füdlichen Theile Apuliens hat die nasse Witterung das Auftreten der Peronospora gefördert und dadurch Schaden verursacht. Selbst fleißige vFe. mit Schwefel und Kupfervitriol haben der Krankbeit nicht hinlänglich Einhalt thun können, da andauernder Regen die Flüssigkeit sofort wieder abwusch. In den wichtigen Weinbezirken von Lecce und Gallipoli macht man sich daher höchstens auf eine halb Ernte gefaßt. Auch ist daselbst cochylis ambiguella, sowie ein neuer, „Brusca“ genannter Schädling aufgetreten, welcher die Wurzeln des Weinstocks angreift.

DOliven⸗Bluüthe und Fruchtansatz versprechen in Stzilien einst weilen eine reiche, in Süd⸗Italien eine befriedigende Oelernte.

Den Obstbäumen hat die anormale Witterung überall sehr .. sodaß allgemein nur auf ein geringes Ergebniß gerechnet wird.

Abgesehen von Süd⸗Apulien, wo die Mandel⸗Blüthe zum rößten Theil vernichtet worden ist, hofft man, daß die bezüglich der

andelernte anfangs gehegten Befürchtungen zu weitgehend gewesen sind. Immerhin verhalten die Preise sich steigend. b

Die süditalienische Seidenkampagne läßt sich gut an. In Calabrien, sowie auf den neu eröffneten Coconmärkten von Casorsa, Torre Annun ciata und Castellammare notierten frische Cocons Lire 2,40 bis 3,60, je nach Verdienst.

Die Orangenbäume haben überall reichlich geblüht und weisen entsprechend guten Fruchtansatz auf.

Die empfindlicheren Zitronen ünn durch die unbeständige Witterung beschädigt worden, können sich aber noch in der Juni⸗Just⸗ Nachblüthe erholen. Sommerzitronen notieren hohe Preise, zur Zeit 26 bis 30 Lire für 1000 Stück.

Sämereien. Senf verspricht eine gute Ernte. Anis, Fenchel und Kümmel sollen in geringerer Menge ausgesät worden sein, weil die letzterzielten Preise nicht mehr lohnend gewesen wären.

Die Hanffelder stehen allenthalben viel versprechend, die Ernte wird aber erst im August, mit zwei bis drei Wochen Verspätung, exportbereit sein. 8 1““ 1

In Paris wurde gestern Nachmittag, wie „W. T. B.“ berichtet,

der internationale Landwirthschaftskongreß unter dem Präsidium von Jean Dupuy eröffnet. Der Eroöffnungsfeier

wohnten u. A. der frühere Minister⸗Präsident Méline sowie der ungarische Ackerbau⸗Minister Darany bei; im Ganzen waren etwa 500 Theilnehmer, darunter zahlreiche auswärtige Delegirte, zugehen. 8

Dupuy begrüßte die fremden Theilnehmer, worauf Méline in Ansprache die Bedeutung des Kongresses hervorhob. 8 EE116161

Verkehrs⸗Anstalten.

Metz, 30. Juni. (W. T. B.) Heute wurde hierselbst auf Ein⸗ ladung der Stadt Metz eine Versammlung zur Berathung über die Kanalisierung der Mosel abgehalten, zu der etwa 150 Personen eingefunden hatten. Die Versamm⸗ lung, welche unter dem Vorsitz des Bürgermeisters Frei⸗ herrn von Kramer tagte, nahm einstimmig eine Resolution an, welche die Schiffbarmachung der Mosel und der Saar für um so nothwendiger erklärt, als es durch dieselbe den davon berührten Landestheilen wesentlich erleichtert würde, dem ausländischen Wett⸗ bewerbe erfolgreich entgegenzutreten.

Bremen, 30. Juni. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Dampfer „Hamburg“ v. Ost⸗Asien 29. Juni in Genua, „Willehad” v. d. La Plata und „Prinz Heinrich“, n. Ost⸗Asien best., 29. Junt in Antwerpen angek. „Dresden“ 29. Juni v. Baltimore n. Bremen abgeg. „Ems“ 29. Juni v. New York in Genua angek. „Coblenz). 29. Juni v. Funchal n. Brasilien abgegangen.

1. Juli. (W. T B.) Dampfer „Nürnberg“, n. Ost⸗Asien best., 29. Juni in Port Said angek. „Friedrich der Große“, v. New York kommend, 30. Juni Lizard, „Trier“, v. Brasilien ko d 29. Juni Funchal passsert. BZEEEbou1o1uof“

Theater und Musik.

Das Ensemble des Wiener Josephstädtischen Theaters brachte am reitag v. W. als Unterbrechung der Aufführungen des bisher gegebenen serhofer'schen Schwanks „Flitterwochen“ drei Einakter: „Gläu⸗

biger“, Schauspiel von August Strindberg, „Die Mond⸗

scheinsonate“, Komoöͤdie von Ludwig Wolff, und „Abschieds⸗ souper“, Lustspiel von Arrhur Schnitzler. Das Strindberg'sche

Stück, welches bereits vor mehreren Jahren an einer anderen

hiesigen Bühne autkgeführt wurde, bildet in seiner menschenfeind⸗

lichen Tendenz und mit dem gedankenschweren Dialog ein zwar fesselndes, aber doch ziemlich verstimmend wirkendes Seelen⸗ gemälde. Herr Jarno spielte die Rolle des Gustav, des ver⸗ lassenen ersten Gemahls Thekla's, des erbarmungslosen Rächers seines ihm geraubten Lebensglücks, in charakteristisch feiner

Ausarbeitung. Der zweite Gatte Thekla's wurde von Herrn Spira,

dem Wesen der Rolle entsprechend, als der durch den Egoismus

seines Weibes ausgenutzte, seelisch und körperlich gebrochene Mann ebenfalls vortrefflich, wenn auch vielleicht etwas zu weichlich gezeichnet.

Fräulein Fehdmer gab die herzlose, gefallsüchtige Frau etwas zu kon

ventionell und nicht bestrickend genug, wenn es ihrem Spiel auch

sonst an feineren Zügen durchaus nicht mangelte. Die darauf

folgende Komöde „Mondscheinsonate“ geißelt in satirischer Form die gewerbsmäßige Ehevermittelung, greift aber durch die von dem Ver⸗ fasser beliebeen Uebertreibungen stark in das Possenhafte hinüber. Der

Titel ist ganz willkürlich einem Klaviervortrag der Beethoven’schen so⸗-

genann en „Mondscheinsonate“ entnommen, mit dem sich zwei heiraths.

lustige Schwestern bei ihren Bewerbern gut ein vee. suchen. Ge⸗

spient wurde äußerst flott; besonders thaten sich hier Frau P.

ohl⸗ Mceiser, sowie die Herren Jarno und Ehrens hervor. Den

-Beschluß machte Schnitzler's bekanntes Lustspiel „Abschiedssouper“, in

welchem Frau Hansi Niese die Rolle der leichtlebigen, lustigen und urwüchsigen Tänzerin Annie mit dem ihr eigenen Temperament und liebenswürdigen Humor spielte. Auch der Anatol war in der Darstellung ihres Partners Herrn Jarno eine Glanzleistung dieses trefflichen G es Hauses wurde den

ücken und ihren Intenpreten zu theil. 8

Gestern Mittas veranstalteten die Wiener Gäste eine Wohlthätig.

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ühnenmitglieder, in welcher Nestroy's parodisti „Lumpacivagabundus“ mit Besetzung der Rollen des „liederliche— Flefblatn vnn die Fer Versehe S.

iese zur Aufführung gelangte. geseher. davon *ꝙ. streiten ließe, ob eine derartige Rokienberꝛauschung, won⸗ 8 darüber Scherzes halber geschab, geschmackvoll ist, sann die Boriennch e- eine gelungene bezeichnet werden. Frau Han ühelluag als trinkfesten, sarkastischen und dabet doch biederen se gab den

Knieriem mit viel natürlicher Komik jn. vittenö da Schraber Zwir der Fan pol⸗nenhehr e 12 8 8

alme, Pohl⸗Meiser 6.668.—