1900 / 273 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 15 Nov 1900 18:00:01 GMT) scan diff

Kiel, 15. November. Das russische Torpedoboot 1. Klasse „Ssom“ ist, wie „W. T. B.“ berichtet, von Kopenhagen kommend, bei Holtenau in den Kaiser Wilhelm⸗Kanal ein⸗ um sich dem nach Ost⸗Asien gehenden russischen

eschwader anzuschließen.

Wilhelmshaven, 14. November. Auf der hiesigen Kaiser⸗ lichen Werft fand heute, wie „W. T. B.“ meldet, die feierliche Kiellegung zu dem Linienschiff „G“ statt. Der Ober⸗ Werftdirektor, Kontre⸗Admiral von Schuckmann hielt eine Ansprache und brachte ein Hoch auf Seine Majestät den Kaiser aus

Oesterreich⸗Ungarn.

Wie das „Ungarische Telegraphen⸗Correspondenz⸗Bureau meldet, wird der Finanz⸗Minister von Lukäcs in der nächsten Woche dem Unterhause einen Gesetzentwurf über außer⸗ ordentliche Investitionen im Betrage von 314 1% Millionen

Kronen vorlegen.

Frankreich. 4 Der französische Gesandte in Peking Pichon soll, der „Agence Havas“ zufolge, sobald die Friedensverhandlungen beendigt sind, zum Residenten in Tunis ernannt werden.

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Mittheilung des Ministers des Kaiserlichen Hauses Barons Fredericks besagt, wie die „Russische Telegraphen⸗ Agentur“ meldet: Die Influenza, die sich bei Seiner Majestät dem Kaiser am 8. November mit allen für diese Krankheit charakteristischen Zufällen, abgesehen von häufigem Schweiß, gezeigt hatte, nahm am 13. November den Charakter eines typhösen Prozesses an. Ueber den Verlauf der Krankheit werden tägliche Bulletins ausgegeben.

Das gestern um 10 Uhr Morgens über den Gesundheits⸗ zustand des Kaisers ausgegebene Bulletin lautet:

Seine Majestät brachte die Nacht gut zu. Allgemeinbefinden gut; Temperatur 38,7; Puls 72; Kopf frisch; Kräfte pöllig be⸗ friedigend. Die Diagnose der Krankheit ergab: Unterleibs⸗Typhus mit für den Angenblick völlig befriedigendem Verlauf

Leibchirurg Hirsch. Arzt Tischonow. Der Minister des Kaiserlichen Hauses Baron Fredericks.

Belgien.

Der Senat setzte gestern, wie „W. T. B.“ berichtet, die Erörterung über die aufgegebene belgische China⸗Expe⸗ dition fort. Der Minister des Aeußern de Favereau erklärte, die Regierung werde erwägen, wann der Schriftwechsel mit den fremden Mächten zu veröffentlichen sei. Weder Deutsch⸗ land noch Frankreich hätten das Recht Belgiens, an der Aktion in China theilzunehmen, angezweifelt. Der Deputirte Lippens (liberal) warf der Regierung vor, sie habe die Garantiemächte erst benachrichtigt, als die Angelegenheit schon eingeleitet gewesen sei. Der Deputirte Picard (Sozialist) erhob gegen den polizeilichen Charakter Einspruch, welchen die Regierung der Expedition habe beilegen wollen; alle in China handelnden Mächte verfolgten eigennützige Ziele. Der Redner sprach den Wunsch aus, den Ton der Antworten Deutschlands und Großbritanniens auf die Mitthhei⸗ lung des belgischen Planes aus den betreffenden Dokumenten kennen zu lernen. Nachdem noch zahlreiche Redner gesprochen hatten, erwiderte der Minister des Aeußern de Favereau, die belgische Regierung habe im Jahre 1900 ebenso der Empfindung des Landes gemäß ge⸗ handelt, wie im Jahre 1864 bei der Expedition nach Mexiko. Er (der Minister) habe keine Stunde verloren, um die Mächte von der Absicht Belgiens in Kenntniß zu setzen. Von der Mittheilung der diplomatischen Schriften sei Abstand genommen worden, weil mehrere derselben Punkte berührten, die Gegenstand von Unterhand⸗ lungen seien oder einen solchen bilden würden. Hin⸗ sichtlich des Gerüchts von einer beabsichtiagten Wiederaufnahme der Expedition erklärte der Minister, die Regierung denke weder an eine militärische Aktion, noch an die Bildung einer Gendarmerie⸗Abtheilung. Die Erwerbung chinesischen Grund und Bodens stehe in Frage, doch handle es sich um eine ein⸗ fache Niederlassung ohne politische Bedeutung. Solche Er⸗ werbungen seien in Tientsin und an anderen Orten möglich, erforderten jedoch keinerlei militärisches Vorgehen. Hierauf vertagte sich das Haus.

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Rumänien.

Die Gerichtsverhandlung in dem Prozesse wegen der Ermordung Fitowski's begann gestern, wie dem „W. T. B.“ aus Bukarest gemeldet wird, mit dem Verhör des Mit⸗ schuldigen Nicolas Mitew. Dieser erklärte, die Ermordung Fitowskr's sei zuerst vom Volke in öffentlicher Versammlung und dann vom Geheimcomité beschlossen worden. Exc sei zu Sarafow gerufen worden, der ihm mitgetheilt habe, daß die Ermordung Fitowski's eine Nothwendigkeit sei, um der öffent⸗ lichen Meinung gerecht zu werden, da Fitowski ein türkischer Spion sei. Er sei dann ein zweites Mal zu einer geheimen Zu⸗ sammenkunst geladen worden, in der Sarafow dem Mörder Iliew ein Beil übergeben habe. Mitew widersprach dann einigen früheren Aussagen, nach welchen der nicht erschienene Angeklagte Jwan Stojanow bulgarischer Offizier sei. Die Gerichtsbehörden besitzen jedoch Briefe, die „Leutnant Stojanow“ unterzeichnet sind, und eine Postanweisung, auf welcher er ebenfalls als Offizier bezeichnet wird. Auf die Frage eines Geschworenen wiederholte Mitew, Fitowski sei vom Volke verurtheilt worden, worauf der Vorsitzende ihm vor⸗ warf, daß er durch diese Erklärung seine Landsleute be⸗ leidige. Der Angeklagte gab zu, chiffrierte Briefe geschrieben und erhalten zu haben. Er las selbst einen Brief vor, in welchem er seinen Mithelfer Trifanow des Verraths an⸗ klagt, und einen Brief des Sekretärs des moacedonischen Comités Kowatschemw, in welchem die Ermordung Trifanow's befohlen wird. Hierauf wurden Miton Stoitschew und Kristow Karambulew vernommen, die beide ihre Mitschuld an der Ermordung Fitowski'’s eingestanden. Stoitschew fügte hinzu, daß er den Befehl zur Ausführung des Verbrechens und den Revolver von dem Mitgliede des Comités Petrow erhalten hab?. Mitew wurde dann ein zweites Mal vernommen, und zwar über die Bedeutung der Worte „großer Plan“. Der Angeklagte leugnete, daß er bei der Voruntersuchung er⸗ klärt habe, es habe sich um ein Komplott gegen den König Carol gehandelt. Karambulew erklärte dagegen, er wisse, daß diese Worte sich auf ein Komplott gegen den König Carol bezogen hätten. Das sei ihm von dem Angeklagten Nicolas Bogdanow bestätigt worden, der das Verdrechen habe be⸗

gehen sollen. Die Sitzung wurde dann aufgehoben. Nach Wiederaufnahme derselben erklärte Karambulew weeiter, er habe von dem Komplott gegen den König von Rumänien im Dezember v. J. durch Bogdanow, im Januar d. J. durch Poparsoff und Bosniacoff Kenntniß erhalten, von dem Attentat auf den König von Serbien habe er nicht sprechen gehört. Von den Geschworenen befragt, gab Mitew zu, er habe in dem Untersuchungsverfahren er⸗ klärt, daß er von dem Anschlage gegen den König von Rumänien Kenntniß gehabt habe.

Dänemark.

Aus Kopenhagen wird dem „W. T. B.“ gemeldet: nachdem das Folkething die Berathung über die von der parlamentarischen Steuer⸗Kommission ausgearbeiteten Vorlagen, betreffend die Ueberführung eines Theiles der be⸗ stehenden direkten Staatssteuern an die Kommunen, um die kommunalen Grundsteuerlasten zu erleichtern, be⸗ treffend die Einführung einer Vermögens⸗ und Ein⸗ kommensteuer, betreffend eine Reform der kommunalen Besteuerung und schließlich betreffend die Ablösung der alten Zehntenabgaben, beendet habe, sei gestern von der Regierung ihrerseits eine Reihe von Steuer⸗ reformvorlagen im Landsthing eingebracht worden. Diese Vorlagen beträfen ebenfalls eine Ermäßigung der die Landwirthschaft drückenden Grundsteuer. Während aber die Vorlagen des Folkething en bloc angenommen werden müßten, könnten diejenigen der Regierung eeinzeln angenommen werden, je nach dem Maße der Erleichterung, die man in der Grundsteuerbelastung eintreten zu lassen wünsche. Eine geringe Ermäßigung ließe sich durch Ueberweisung eines Theiles der Zolleinnahmen an die Kommunen ausgleichen, eine größere Ermäßigung würde die Einführung einer Vermögens⸗ und Einkommensteuer bedingen und eine sehr große Erleichterung eine Erhöhung der Brannt⸗ weinabgabe erforderlich machen. Zu diesen Vorlagen träten dann noch Entwürfe über die Aufhebung bezw. Herab⸗ setzung einzelner direkter Staatssteuern und die Abänderung der kommunalen Besteuerung.

Amerika.

Wie das „Reuter'sche Bureau“ aus Washington meldet, verlautet daselbst, daß außer den Punkten, über welche sich die Gesandten in Peking als Grundlage einer Regelung der chine⸗ sischen Angelegenheit geeinigt hätten, noch mehrere andere wahr⸗ scheinlich Beachtung finden würden. Einer derselben betreffe die

rage, ob Peking die Eigenschaften eines offenen Hafens eingeräumt werden sollten, wodurch die Freiheit des andels und der freie Verkehr mit den Ausländern, wie er bis jetzt nur für die Vertragshäfen bestehe, auf die Hauptstadt auszudehnen wäre. Es sei von hohen chinesischen Kreisen in dieser Richtung eine Anregung ausgegangen.

Das „Reuter'sche Bureau“ meldet aus Washington, daß auf eine Anfrage an zuständiger Stelle folgende Erklärung ab⸗ gegeben worden sei: Die Erörterungen der Londoner Presse über die Haltung der Vereinigten Staaten bei den schwebenden Verhandlungen in China beruhten auf einem voll⸗ ständigen Mißverständnisse. Es liege der Regierung so fern, einem Einvernehmen zwischen den Mächten in Peking Hinder⸗ nisse in den Weg zu legen, daß der Gesandte Conger wieder⸗ holt und dringend angewiesen worden sei, alles nur Mögliche zu thun, um eine baldige Verständigung zu Wege zu bringen. Die Regierung der Vereinigten Staaten habe sich an der Expedition nach Paoting⸗fu nicht betheiligt; aber sie habe keinen Einspruch dagegen erhoben und habe auch den anderen Mächten gegenüber nicht ihre Meinung über die Zweck⸗ mäßigkeit der Expedition zum Ausdruck gebracht. Die Regierung der Vereinigten Staaten befinde sich im Ein⸗ verständniß mit den Mächten hiasichtlich der Forderung einer entsprechenden, ernsten Bestrafung der Hauptübelthäter, hin⸗ sichtlich der Entschädigung und schließlich auch hinsichtlich der Sicherheit für die Zukunft. Sie traue es sich jedoch auf die weite Entfernung nicht zu, zu entscheiden, wer am schuldigsten sei, welche Strafe in jedem besonderen Fall verhängt werden müsse, und welche Urtheile vollstreckt werden könnten. Die Erledigung dieser Fragen wie auch der Entschädigungsfrage sei den Unterhändlern zu überlassen. Man könne ohne weiteres annehmen, daß diese keine Genugthuung persönlicher oder pekuniärer Natur be⸗ anspruchen würden, die zu leisten China nicht die Macht habe.

Asien.

Aus Peking vom 12. d. M. ist, dem „W. T. B.“ zu⸗ folge, die Meldung in New York eingetroffen, daß die Ge⸗ sandten am Montag eine längere Konferenz Eigehecen hacet⸗ nach deren Beendigung allgemein Genugthuungüber die Fortschritte ausgedrückt worden sei, die man im Interesse der endguüͤltigen Re⸗ gelung der Frage gemacht hibe. U’ber die meisten Neben⸗ fragen seien, wie verlaute, Bestimmungen getroffen und über verschiedene wesentliche Punkte ein Einvernehmen erzielt worden. In der Versammlung sei es zu Tage getreten, daß über die wichtigen Punkte weniger Meinungsverschiedenheiten herrschten, als man erwartet habe. Dies sei zum großen Theil auf die endgültigen Instruktionen zurückzuführen, welche die Gesandten von ihren Regierungen erhalten hätten. Der Gesandte der Vereinigten Staaten Conger glaube, daß die Vorschläge früher, als man gehofft habe, zur Unterbreitung an die chinesische Regierung fertig sein würden. Am Dienstag sollten die Gesandten wieder zusammentreten.

Von dem Ober⸗Kommando in Ost⸗Asien ist, wie „W. T. B.“ erfährt, folgende Meldung aus Peking vom 11. d. M. in Berlin eingetroffen: Die ehemalige chinesische Garnison von Peking befinde sich zwischen Huai⸗lai und Hsüen⸗hwa (83 und 142 km nordwestlich von Peking). In dieser Richtung sei deshalb, zugleich zur Unterstützung bedrohter

Katholiken auf den dringenden Wunsch des Bischofs Favier,

eine Expedition unter dem Obersten Grafen Yorck von Wartenburg entsandt worden, welche aus dem ersten Bataillon des ersten ostasiatischen Regiments ohne die 3. Kompagnie, einer Jäger⸗Kompagnie, zwei Eskadrons und einem Zug Gebirgs⸗Artillerie an deutschen Truppen, einer Kompagnie Oesterreicher, sowie einem Bataillon und einer Gebirgs⸗Batterie Italiener bestehe. Nach einem weiteren Telegramm vom 13. d. M. hatte die Kolonne des Grafen Yorck von Wartenburg am 12. d. M. Schaho⸗tschöng (25 km nordwestlich von Peking) erreicht und sollte am folgenden Tage über Tschang⸗ping⸗tschon nach Nan⸗kou (40 km nordwestlich von Peking) gehen.

Das österreichisch⸗ungarische Geschwader⸗Kom⸗ mando hat, wie das Wiener „Telegr.⸗Korresp.⸗Bureau“ meldet, telegraphiert, daß das österreichisch⸗ungarische

Detachement in Peking an einer dreiwöchigen Expedition in nordwestlicher Richtung theilnehme. Der sei am 12. November erfolgt. Die österreichisch⸗ungar ische? atrosen⸗ Kompagnie in Peking und 16 deutsche Reiter hätten in Pgg⸗ lingzun (10 km westlich von Peking) eine Boxerbande ge⸗ troffen. Es sei zum Kampfe gekommen, in welchem die Bo er besiegt, drei Anführer erschossen und die übrigen gefangen ge⸗ nommen worden seien.

Nach einer Meldung des „Reuter’schen Bureaus“ aus Tientsin vom 13. d. M. ging eine russische Truppen⸗ abtheilung in Stärke von 330 Mann mit 4 Geschützen unter dem Befehl des Hauptmanns Nrazoffsky am 4. d. M von Tientsin ab und kehrte am 9. d. M. dorthin zurück. Die Russen berichteten, daß sich nichts von Belang ereignet habe bis sie Hsiatsang erreicht hätten, wo in Erfahrung gebracht worden sei, daß Kaiserlich chinesische Truppen aus Lutai die Ortschaften plünderten. Die Chinesen hätten dann die Russen aufgefordert, den Ort zu betreten. Letztere hätten sich jedoch geweigert und das Ultimatum gestellt, daß, wenn die Chinesen nicht binnen einer Stunde abzögen, die Russen das Feuer eröffnen würden. Nachdem die Zeit verstrichen sei, habe das Feuer begonnen. Die Chinesen, welche 2100 Mann geläblt und 19 Geschütze gehabt hätten, seien, nach einem

erlust von 200 Mann, mit den Geschützen geflohen. Die Russen, welche keine Verluste erlitten, hätten bei der Durch⸗ suchung des Ortes ein Magazin mit Munitionsvorrath sowie 200 modernen Gewehren gefunden und das Magazin in die Luft gesprengt.

Dasselbe Bureau berichtet ferner, daß die chinesische Be⸗ völkerung der Stadt Tientsin jetzt 600 000 Personen zähle, von denen, wie man glaube, ein Drittel Boxer seien. Die Verbündeten verstärkten die Garnison für den Fall eines Aufruhrs.

Eine weitere des „Reuter’schen Bureaus“ aus Tientsin besagt, es verlaute daselbst, daß ein Kaiserliches Edikt erschienen sei, in welchem die Absicht des Kaisers und der Kaiserin⸗Wittwe angekündigt werde, nach Peking zurückzukehren.

Der „Standard“ meldet aus Tientsin vom 12. d. M: Der Taotai Scheng, der chinesische General⸗Direktor der Eisenbahnen und Telegraphen, habe von Schanghai eine große Anzahl Arbeiter mit ausreichendem Material abgesandt, m den telegraphischen Dienst von Peking aus wiederaufzu⸗ nehmen.

Dasselbe Blatt erfährt aus Schanghai, daß die dortigen chinesischen Beamten für die nächste Zeit einen Auf⸗ stand der Mohamedaner unter der Führung Tungfuh⸗ siang's in der Provinz Schensi erwarteten.

Ein Telegramm der „Daily News“ aus Schanghai meldet, ein leitendes, konservatives Chinesenblatt fordere in einer Besprechung der Expedition nach Paoting⸗fu die noch nicht vethastenen chinesischen Beamten, deren Leben die Verbündeten bedrohten, auf, diesem schimpflichen Tode durch Selbstmord aus dem Wege zu gehen.

Das „Reuter'sche Bureau“ berichtet aus Hongkong vom gestrigen Tage, daß, nach den daselbst seana neh Nach⸗ richten aus Canton, in Fa⸗tschan Plakate angeschlagen worden seien, durch welche die Bevölkerung gegen die Christen aufgereizt werde. Die Christen würden als See⸗ teufel beschrieben, die vor mehreren Jahrzeynten in Canton eingedrungen seien, Pläne ersonnen hätten, um sich des Landes der Chinesen zu bemächtigen, und die Leute ihre Zaubereien gelehrt hätten. Die rechtschaffenen Männer von Fa⸗tschan kochten vor Groll gegen das gefährliche Gift der Teufel und seien begierig darauf, die Kirchen zu zerstören, die Häuser der eingeborenen Christen wegzunehmen und sich Wongtschonghing's, des Hauptes der fremden Kirche zu bemächtigen. Die Plakate setzten als Termin für die Ver⸗ nichtung der Kapellen und des Kirchenvorstehers den 20. No⸗ vember fest.

Zu Ehren des Vize⸗Königs von Indien, Lord Curzon, welcher zur Zeit Goa besucht, wurde, wie das „Reuter sche Bureau“ aus Honowar vom gestrigen Tage meldet, von dem portugiesischen Gouverneur ein Bankett veranstaltet. Lord Curzon sagte bei demselben in Brantwortung eines Trinkspruchs auf die Königin Victoria, Großbritannien und Portugal seien nacheinander die Pioniere der westlichen Zivilisation im Osten gewesen, wies auf die Freundschaft und jetzigen gemeinsamen Ziele beider Länder hin und trank dann auf das Wohl des Königs und der Königin von

Portugal.

Kriegsschiff „Gelderland“ treß Niemand habe die Erlaubniß erhalten, die Kabine des Präsidenten Krüger zu betreten; auch zeige sich der Präsident nicht auf

Das niederländische wie „W. T. B.“ meldet, gestern in Suez ein.

Deck. ie die Schiffsoffiziere sagten, sei seine Gesund⸗ heit gut. Unter denjenigen Personen, welche an Bord gekommen seien, habe sich auch ein Abgesandter dis Comités für die Empfangsfeierlichkeiten in Marseille befunden; der Bestimmungsort der „Gelderland“ sei unbekannt. Sie erwartet Ordres in Port Said, wo sie heute eingetroffen ist und Kohlen einnehmen wird. In dem deutsch⸗ ostafrikanischen Hafen Dar⸗es⸗Salaàm sei dem Präsidenten Krüger eine Ovation bereitet worden. Nach einem Telegramm der „Daily Mail“ aus Pretorig vom gestrigen Tage hätte Botha dem Feldmarschall Lord Roberts mitgetheilt, unter welchen Bedingungen er bereit sei, sich zu ergeben. Dem „Standard“ wird aus Lissabon telegraphiert, die portugiesische Regierung habe am 13. d. M. durch eine auf telegraphischem Wege nach Lourengo Marques ge⸗ sandte Jnstruktion das Exequatur, welches dem bisherigte Generak⸗Konsul der beiden südafrikanischen Republiken Po ertheilt war, zurückgezogen. das Aus Standerton vom heutigen Tage meldet . „Reuter'sche Bureau“, daß der General Boyes mit einem Convoi von Ladysmith dort eingetroffen sei. Der weä⸗ sei auf dem ganzen Wege von den Buren belästigt mata Der Verlust habe drei Todte und sieben erwunze betragen. Gestern seien 65 Frauen und Kinder von Standerne nach Natal gesandt worden. Die Kolonne des Oberig, Bewicke⸗Copley, welche südlich des Vaal operiere, daf fünf Burenfamilien, 3000 Stück Rinder und Eg 350 Pferde und fünf Wagenladungen Nahrungsmittel 1 Standerton gesandt. 1

Parlamentarische Nachrichten

Der Bericht über die Fefrige Sitzung des Reichstages befindet sich in der Ersten Beilage.

Stteatistik und Volkswirthschaft.

Wohlfahrts⸗Einrichtungen. Die Lungenheilstätte Sonnenberg im Kreise Saarbrücken ebt ihrer Vollendung entgegen; die E öffnung der Anstalt ist für Fihe dieses Jahres in Aussicht genommen. Dee, Heilstätte Grüne⸗ wald im Kreise Wittlich ist bis zum ersten Stockwerk aufgebaut und soll thun chst noch in diesem Jahre unter Dach gebracht werden.

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Kunst und Wissenschaft.

Die Königlich bayerische Akademie der Wissenschaften in München hielt gestern, wie die Münch. „Allg. Ztg.“ meldet, zu Ehren ihres hohen Protektors, Seiner Königlichen Hoheit des Prinz⸗ Regenten im Festsaal der Akademie eine öffentliche Festsitzung ab. Derselben wohnten u. A. bei Ihre Königliche Hoheit die Prin⸗ jessin Therese, Ehrenmitglied der Akademie, der Kultus⸗ Minister Dr. von Landmann und der ehemalige Prä⸗ sident der Akademie, Geheime Rath von Pettenkofer. Ha der Präsident, Geheim: Rath Dr. von Zittel an

sserkeit litt, so verlas der Sekretär der mathematisch pöysikalischen lasse, Geheime Rath Dr. von Voit dessen Rede „öüber die Ziele und Aufgaben der Akademien im 20. Jahrhundert“. In der⸗ selben wurde ausgeführt, daß die in diesem Jahre begründete inter⸗ nationale Associasion der Akademien dazu berufen sein dürfte, das Ideal zu verwirklichen, das schon Leibatz mit der Gründuag einer Üniversal⸗Akademie vor Augen hatte. Von der Savigny⸗Stiftung wurde die Summe von 4000 der sächsischen Kommission für Ge⸗ schichte zur Herauggabe des „Sachsenspiegels“ überwiesen. Hierauf verlasen die Klassensekretäre die von der Akademie vorgenommenen und von Seiner Königlichen Hoheit dem Peinz⸗Regenten bestätigten Wahlen. Es wurden gewählt: a. zum ordentlichen Mitglied: das bia⸗ herige außerordentliche Mitglied der mathematisch⸗physikalischen Klasse Dr. Wilhelm Konrad Röntgen, Geheimer Rath und Professor der Physik an der Universität München; b. zum außerordentlichen Mit⸗ glied der mathematisch phystkalischen Klasse: Dr. Sigmund Günther Professor der Erdkunde an der Technischen Hochschule München; c. zu korrespondierenden Mitgliedern: 1) der philosophisch⸗philologischen Klasse: Dr. Jules Oppert, Professor der Assyriologie am Collège de France und Mitglied des Institut de France; Dr. Wilhelm Wundt, Professor der an der Universität Leipzig; Dr. Georg Götz, Professor der Philologie an, der Uni⸗ versität Jena; 2) der mathematischphysikalischen Klasse: Dr. Oito Bütschli, Professor der Zoologie an der Univer⸗ sität Heidelberg; Dr. Wilhelm His, Geheimer Rath und Professor der Anatomie an der Universität Leipzig; Dr. Lucien Poincaré, Fegle der mathematischen Physik an der Faculté des sciences n Paris; Dr. Otto Stolz, Professor der Mathematik an der Universität Innsbruck, und Hugo de Vries, Professor der Botanik an der Universität Amsterdam. Zum Schluß hielt das ordentliche Mitglied der historischen Klasse, Professor Dr. Hans Riggauer die Festrede „über die Entwickelung der Numismatik und der numis⸗ matischen Sammlungen im 19. Jahrhundert“.

Meisterwerke der Königlichen Gemälde⸗ zu Dresden. 223 Kunstdrucke nach den Oeiginal⸗ Einleitung von Dr. Herbert Hirth. Verlag der öniglich bayerischen Hof⸗Kunstanstalt von Franz Haufstaengl in München. Format 18: 26 cm. Preis in elegantem Leinen⸗ band 12 Der Kunstverlag von Franz Hanfstaengl in München hat der reichhaltigsten und populärsten aller deutschen Bildergalerien schon zwei größere Publikationen gewidmet: in der ersten, Hälfte des 19. Jahrhunderts ein lithogravhisches Galeriewerk, dem man nachrühmt, daß es „in der Geschichte des Steindrucks Epoche gemacht“ habe, und in den letzten Jahren eines in Lichtdrucken, das Hermann Lücke mit ausführlichem Text vorsah. Jetzt läßt der gleiche Verlag diesen beiden umfangreichen Veröffent⸗ lichungen als dritte, kleinere die oben angezeigte folgen, die ein Pendant zu dem Werk über die Münchener Alte Pinakothek und den Vorläufer zu ähnlich angelegten und ausgestatteten Bilder⸗ schätzen aus den anderen großen deutschen Kunstsammlungen bilden soll. Chronologisch und innerhalb der größeren Zeitabschnitte nach Schulen geordnet, führt das Werk in vorzüglich klaren, durch Ton⸗ unterdruck belebten Reproduktionen die bekanntesten und bedeutendsten Werke der Galerie vor Augen. Im Vorwort giebt Herbert Hirth in antiehender Darstellung eine kurze, treffende Charakteristik der Galerie auf Grund ihrer Entstehungsgeschichte. Demjenigen, der die Dresdener Galerie aus eigener Anschauung kennt, werden beim Durchblättern des Albums eine Reihe der erhebendsten und angenehmsten Er⸗ innerungen wieder auftauchen; derjenige aber, dem diese Meister⸗ werke der Malerei noch unbekannt sind, wird daraus eine Fülle von Anregung und kunstgeschichtlicher Belehrung schöpfen.

Bauwesen.

A. F. In der Versammlung des Berliner Architekten⸗ Vereins am 12. November wurden die Preisaufgaben end⸗ gültig festgestellt, deren beste Lösungen am Schinkel, Fest des Jahres 1902 prämiiert werden sollen. Es sind ihrer jetzt infolge Köntglicher Bewilligung drei, je eine den Gebieten der Architektur, des Wasserbaues und des Eisenbahnbaues Die gegenwärtig gestellten Aufgaben lauten: „Entwurf eines Bibliothekgebäudes nebst Lesehalle“, „Entwurf einer Thalsperre am Queiß oberhalb Marklissa“ und „Umgestaltung des Bahnhofs zu Lehrte unter Beseitigung der gegenwärtig dort vorhandenen Kopfstation und in Verbindung mit der Anlage eines Lade⸗ und Entladeplatzes für sechs

chiffe am nahen Mittellandkanal“. Den Vortrag des Abends hielt rofessor P. Wallé über „Schlüter und seine Nachfolger am Hofe eter's des Großen.“ Der Redner hatte bereits vor zwei Jahren am age der Enthüllung des Schlüter⸗Denkmals in der Vorhalle des Neuen Museums einen Vortrag über den großen Architekten und Künstler gehalten und bei diesem Anlaß es beklagt, daß so wenig Zuyerlässiges über die beiden letzten Lebensjahre Schlüter's, die er in St. Petersburg verlebt, bekannt sel. Es war damals als eine Ehrenpflicht für die Berliner Architekten bezeichnet worden, diese Lücke in unserer Kenntniß des Lebenc⸗ ganges Schlüter's auszufüllen. Professor Wallé ist nun selbst ans Werk gegangen, das Lebensbild des Meisters zu vervollständigen, und zu dem Zweck während des letzten Monats August auf der Suche nach einer Kunde über Schlüter's Thätigkeit als Baudirektor Peter's des

roßen in St. Petersburg gewesen. Beinahe wäre die seit langem geplante Reise unterblieben; denn kurz vor Antritt derselben empfing Rr Vortragende von befreundeter Seite aus St. Petersburg die achricht, Schlüter sei überhaupt niemals dahin gekommen, sondern 8 der Reise in der Qaarantaine⸗Anstalt zu Narwa an der Pest gef orben. Zum Glück wußte jedoch Professor Wallé schon manches us guter Onelle, was mit dieser Mittheilung in unlösbarem Aderspruch stand. So reiste er denn in gutem Vertrauen nach Petersburg und hatte es nicht zu bereuen. Zunächst gelang es ihm, is obige Nachricht als unrichtig zu erweisen. Sie war einem Buch safr die Entstehungsgeschichte von St. Prtersburg entnommen und nite nach einer Notiz in dem Buche selbst sich in naher bezeichneten 8 en vorfinden. Diese Akten enthielten jedoch nichts darüber. Dann 8 98. es unter bereitwilliger und dankenswerther Hilfe des St. Peters⸗

cln Architekten⸗Vereins, verschiedene positive Nachrichten über 8 * Thätigkeit zu ermitteln. Sie sind zwar im Ganzen spärlich; zoch darf dies bei Erwägung der Umstände nicht überraschen. Schlüter

Die Galerie semälden.

Großbritannien.

war bei Gelegenheit eines Besuchts des Zaren in Berlin, um Friedrich Wilhelm I. zu seiner Thronbesteigung (25. Februar 1713) zu begruüͤßen, als Direktor der öffentlichen Bauten für St. Petersburg engaagiert worden. Der Zar verließ Berlin am 3. März und langte am 22. März in St. Petersburg an, Schläter aber, der eine ganze Handwerkerkolonne anzuwerben übernommen und für diesen Zweck noch Reisen nach ⸗Sachsen zu machen hatte, konnte erst im Mai die Reise nach Rußland antreten und dürfte nicht vor Juni in St. Petersburg angelangt sein. Da er Ende 1714 starb, hat seine Thätigkeit in dem neuen Wirkungskreise somit wenig mehr als ein Jahr gedauert. In dieser kurzen Zeit kann er unmöglich viel selbst geschaffen, vielleicht aber viel seplaunt haben, was als Entwurf auf seine Nachfolger überging. Nach eiden Richtungen ist Professor Wallé thätig gewesen, die Spuren Schlüter’'s aufzusuchen; doch nur an einer Stelle gelaag es ihm, mit hoher Wahrscheinlichkeit die Skulpturen einer Thürfüllung als von Schlüter’s Hand zu bestimmen. Dazu verhalf die Auffindung einer Kabinetsordre Peter's des Großen aus dem Jahre 1714, worin von dem Bau⸗Direktor (ohne Namensnennung) die Rede ist und von demselben gesagt wird: er werde für den Schmuck des „Sommerpalais“ durch Skulpturen forgen. Da in der Kabinets⸗ ordre auch andere ganz ausführliche Anweisungen für den Bau enthalten sind, so ist es nicht allzu schwer gewesen, in dem „Sommerpalais“ ein heute diesen Namen, der auf ein anderes Schloß übergegangen ist, nicht mehr tragendes kleineres Schlößchen im Kaiserlichen Sommergarten zu ermitfeln, auf welches die Angaben ganz genau passen, und hier auch jene den Schlüter’'schen Geist wider⸗ spiegelnde Skulptur zu finden, während andere minderwerthige Skulpturen der Außenfront, eine Diana, ein Arion, eine Daphne nicht von Schlüter's Hand herrühren können, wenn auch vielleicht die Idee von ihm angegeben sein mag. Man hat sich hierbei zu vergegenwärtigen, daß der neue Bau⸗Direktor in der kurzen Zeit seiner Petersburger Thätigkeit auch von einer sehr ab⸗ weichenden Beschäftigung in Anspruch genommen worden ist, nämlich von der Herstellung eines Perpetuum mobile. Hierfür soll er einen großen Theil seiner Nächte geopfert haben, und da Peter der Große sich dafür sehr interessierte und auf Erfolge drängte, so soll gerade diese Thätigkeit Schlüter's Gesundheit erschüttert und dem eben Fünfzigjährigen ein vorzeitiges Ende bereitet haben. Nichtsdesto⸗ weniger wird man, selbst wo Zeuanisse manzeln, nicht fehlgehen, an den Bauten, die in den Jahren 1713 und 1714 begonnen, ausgeführt oder zur Ausführung in den nächsten Jahren geplant und vorbereitet wurden, Schlüter's mehr oder weniger entscheidende Mitwirkung vorauszusetzen In mehreren Fällen ist dieselbe ausdrücklich durch die Akten (Ordres des aren, Senatsbeschlüsse) erwiesen. Leider haben die meisten dieser Bauten, zu denen die Grotte im Sommergarten, die kleinen Paläste in Peterhof, das Palais Apraxin, das Gebäude der Akademie der Wissenschaften (1719 erbaut) und einige Kronstädter Bauten, selbst daz ältere Winterpalats gehören, später so viel Abänderungen, Umbauten, Erweiterungen er⸗ fabren, daß es heute unmöglich ist, sie auf die Verwirklichung Schlüter'scher Gedanken zu prüfen. Der Versuch mißlingt sogar an den uns bewahrten Abbildungen mehrerer dieser Gebäude in ihrer ursprünglichen Gestalt. Sehr wahrscheinlich ist auch, daß die unmittelbaren Nachfolger von Schlüter, die keineswegs seine Schüler (wie Braunstein es war, den er mitgebracht, der aber nach des Meisters Tode wohl nur geringen Einfluß behalten haben mag), sondern selbständige Geister und auch nicht Landsleute von Schlüter waren, wie Leblond, welcher, gleichzeitig Gartenkünstler und ein großer Architekt, ein Schüler von Lenôtre, nach Schlüter's Tode in seine Stelle berufen wurde, nicht übermäßig pietätvoll mit den vorliegenden Plänen Schlüter's verfuhren. So mag ein erheblicher Theil von Schlüter’s Entwürfen überhaupt nicht ausgeführt oder doch im Sinne seiner Nachfolger wesentlich umgestaltet worden sein. Wenn somit Professor Wallé's Bemühungen in dieser Richtung nur dieses negative Ergebniß brachten, so ist Schlüter's eifrige und schöpferische Thätigkeit in der kurzen Zeit seines Petersburger Aufent⸗ halts immerhin außer Frage gestellt, zumal es auch noch gelungen ist, zu weiterer Bekräftigung dessen einige neue Briefe von dem General⸗ Feldzeugmeister Bruce, welcher den Zaren auf Schlüter aufmerksam gemacht und sein Engagement vermittelt hatte, von Leblond, Reetz und vor allem von Schlüter's ältestem Sohn Daniel aufzufinden. Letzterer Brief aus dem Jahre 1715 ist ein Bittgesuch an den Zaren, worin auf Grund der Thatsache, daß dem Vater im Januar 1714 ein Gehalt von 5000 Rubel zugesagt worden sei, der Sohn im Namen der in düeftigen Umständen zurückgebliebenen Mutter um den Gehaltsrest bitter. Leider ist eg nicht gelungen, das Grab Andreas Schlüter's zu ermitteln; doch besteht gegründete Hoff⸗ nung, daß es, nachdem in den St. Petersburger Architektenkreisen das Interesse an der Schlüter⸗Forschung entfacht ist, möglich sein werde, noch weitere Thatsachen und die Ruhestätte Schlüter's aufzufinden. An diesen Nachforschungen weiterzuarbeiten, dazu fordert auch die 1903 zu begehende 200 jährige Jubelfeier der Gründung St. Petersburgs auf, für welche die Veröffentlichung einer Baugeschichte dieser jüngsten europälschen Metropole in Vorbereitung ist.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten.

(Aus den „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“, Nr. 46 vom 14. November 1900.)

Pest.

Hinsichtlich des im Londoner Hafen englischen Dampfers festgestellten Pestfalles gemacht, daß der Kranke (Rekon⸗ valescent), welchen der Hafenarzt als pestverdächtig erkannt hatte, der Schiffsmannschaft angehörte, daß der Dampfer (Ben Lomond) von den Philippinen angekommen war und in Denton festgebalten wurde, bis die nothwendige Desinfektion des Schiffs sowie der darin befindlichen Effekten ausgeführt und der Kranke in das nahe der Themsemündung geiegene Hafenhospital geschafft war.

Von den am 19, Oktober im Hospital zu Glasgow befindlich gewesenen 14 Kranken sind 6 im Laufe der letzten Oktoberwoche und die dann verbliebenen 8 Kranken am 3. November als gesund entlassen.

Die Epidemie wird nunmehr als erloschen betrachtet.

Britisch⸗Ostindien. Während der am 12. Oktober abge⸗ laufenen Woche wurden in der Präsidentschaft Bombay 1984 Erkrankungen (1499 Todesfälle) an der Pest festgestellt, d. h. 397 (274) mehr als in der Woche vorher. In der Stadt Bombay sind während der am 13. Oktober endenden Woche 171 neue Erkrankungen und 79 Todesfälle an der Pest zur Anzeige gelangt, während die Gesammtzahl der wöchentlichen Todesfalle daselbst 898 116 weniger als in der Vorwoche, aber 49 mehr als in der ent⸗ sprechenden Woche des Vorjahres betrug.

Queensland. Während der am 29. September endenden Woche sind in der Kolonte nach einer vorläufigen Mittheilung keine neuen Erkrankungen vorgekommen; auch unter den Ratten soll die Seuche aufhören, da von 12 in Brisbane gegen Ende September unter⸗ suchten Ratten nur eine einzige mit dem Pestbacillus behastet war.

Nach dem amtlichen Ausweise der Zentral⸗Gesundheitsbehörde der Kolonie vom 24. September ist der letzte Pestfall in IJyswich am 21. Mai, in Cairns am 26. Juli, in Rockhampton am 17. Augnst, in Brisbane am 14. September, in Townsville am 16 September beobachtet worden. Am 22, September waren 13 Pestkranke noch in Behandlung, davon 10 in Townsville und 3 in Brisbane.

holera. Britisch⸗Ostindien.

an eines wird amtlich bekannt

C In Kalkutta sind in der Zeit vom 23. September bis 6. Oktober 305 Personen an der Cholera gestorben.

Gelbfieber. 8

Zufolge einer Mittheilung vom 15. September herrscht in Columbien in der 55 km von Bogotä entfernten Stadt La Mesa (Departement Cundinamarca) das Gelbfieber; von 77 bis Anfang Sep⸗ tember daselbst W“ Krankheitsfällen sind 41 tödtlich verlaufen,

die Einwohner haben zum größten Theile die Stadt verlasse

anfangs für Malariafteber angeseben wurde, soll in die auf einem isolierten Hochplateau 1258 m über dem Meere gelegene, bisher angeblich nie von der Seuche heim⸗ gesuchte Stadt La Mesa im April d. J. aus dem etwa 70 km ent⸗ sernten Flußthale des Magdalena an dessen Mündung dte sei

langer Zeit vom Gelbfieber betroffene Hafenstabt Barranquilla liegt durch Soldaten eigeschleppt worden sein.

Während des Monats September waren in Havanna von ins⸗ gesammt 519 Todesfällen 52 durch Gelbfieder verursacht, und zwa von 363 Todesfällen unter der einheimischen Bevölkerung nur 1, da gegen von 117 Todesfällen unter der spanischen Bevölkerung 42. Ferner waren von 10 in dem Monat gestorbenen Amerikanern 5, von 3 gestorbenen Deutschen 2 dem Gelbfieber erlegen. Unter 269 im September neu erkrankten Personen befanden sich 186 Spanier, 64 Amerikaner, 5 Deutsche, 4 Cubaner, 3 Engländer und 7 Angehörige von 7 an⸗ deren Nationen. Im Hinblick darauf, daß infolge der z. Z. recht lebhaften Einwanderung viele nicht immune Personen nach Havanna kommen, erscheint die Zahl der Todesfälle an Gelbfieber noch gering. Maßnahmen zu einer angemessenen Vertheilung des Stromes der Einwanderer auf die ganze Insel sind nach einem amt⸗ lichen Bericht in die Wege geleitet.

Unterleibstyphus.

Frankreich. In Fapdr⸗ sind nach den wöchentlichen Aus⸗ weisen des hygtenischen Bureaus der Stadt in den vier September⸗ wochen (bis zum 29. September) 474, in den folgenden drei Wochen 241 Erkrankungen an Unterleibstyphus festgestellt. Die Krankheits fälle scheinen in den letzten Wochen weniger schwer aufzutreten; denn während vom 24. Juni bis 1. September auf 561 Erkrankungen 114 Todesfälle, d. i. 20,3 auf je 100, kamen, entfielen in den letzten sieben Wochen (bis zum 20. Oktober) auf 715 Erkranlungen nur 96 Todes⸗ fälle, d. i. 13,4. Um eine Verbesserung der Gesundheitsverhältnisse herbeizuführen, hat sich ein comité de propagande pour l'assai- nissement du Haàvre gebildet, an dessen Spitze die angesehensten Einwohner der Stadt stehen. 8

Verschiedene Krankheiten.

Pocken: Odessa 5, Paris 14, St. Petersburg 3, Warschau 24, Kalkutta 18 Todesfälle; Paris 90, St. Petersburg 30, Warschau (Kranken⸗ häuser) 16 Erkrankungen; Flecktyphus: St. Petersburg 2 Erkran kungen; Gensckstarre: New York 6 Todesfälle; Tollwurh: Rom 1 Todesfall; Varizellen: Budapest 35, Wien 50 Erkrankungen; In⸗ fluenza: Berlin 3, London 7, Moskau 2, St. Petersburg 4 Tode fälle; Kopenhagen 22 Erkrankungen; Keuchhusten: Budapest 23 Erkrankungen; Lungenentzündung: Warschau (Kranken. häuser) 28 Erkrankungen; Rothlauf: Wien 32 Er⸗ krankungen. Mehr als ein Zehniel aller Gestorbenen starb an Scharlach (Ducchschnitt aller deutschen Berichtsorte 1886/95: 0,91 %): in Altendorf, Beuthen, Elbing, Essen Er⸗ krankungen kamen zur Meldung in Berlin 55, in den Reg.⸗Bezirken Düsseldorf 169, Königsberg 101, Schleswig 94, in Hamburg 87, Budapest 64, Christiania 29, Kopenhagen 26, Lonvon (Kranken⸗ häuser) 336, New York 87, Paris 67, St. Petersburg 86, Stock⸗ holm 29, Wien 50 desgl. an Diphtherie und Croup (1886/95: 4,27 %): in Daisburg, Ludwigshafen Er⸗ krankungen wurden angezeigt in Berlin 87, im Reg.⸗Bez. Düsseldorf 105, in München 26, Hamburg 27, (Krankenhäuser) 191, New York 216, Paris 56, St. Petersburg 113, Stockholm 48 Wien 33; ferner wurden Erkrankungen an Masern gemeldet in Berlin 65, in den Reg.⸗Bezirken Düsseldorf 173, Königqgs⸗ berg 166, Schleswig 102, in München 35, Hamburg 63, Budapest 95, Edinburg 70, Kopenhagen 29, New York 30, St. Petersburg 78, Wien 387 desgl. an Unterleibslyphus in London (Kranken⸗ häufer) 72, New York 104, Paris 83, St. Petersburg 136. 1

Die Krankbeit, welche

Portugal. 8 Durch eine im „Diario do Governo“ Nr. 254 veröffentlichte Verfügung des Königlich portugiesischen Ministeriums des Innern wird bestimmt, daß die Herkünfte aus Glasgow den durch die Verfügung vom 14. April 1897 eingeführten Maßregeln zur Verhütung der Einschleppung der Beulenpest nicht mehr zu unterwerfen sind. (Vergl. „R⸗Anz.“ Nr. 212 vom 6. S ptember d. J.)

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Glasgow, 14. November. (W. T. B.) Die Pest i Glasgow ist amtlich für erloschen erklärt worden.

Verkehrs⸗Anstalten.

Bremen, 14. November. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd Dampfer „König Albect“, n. Ost⸗Asien best., 13. Nov. in Hongkong angek. „Mark“, v. d. La Plata kommend, 13. Nov. v. Funchal n. Vigo abgeg. „Coblenz“, v. Baltimore kommend, 13. Nov. St. Catherines Point pass. „Kaiserin Maria Theresia“ 13. Nov. v. New York n. Bremen abgegangen.

15. November. (W. T. B.) Dampfer „Aachen“, v. Ost⸗ Asien kommend, 14. Nov. Singapore pass. „Lahn“, „Weimar“ und „Trier“, p. New York kommend, 14. Nov. Dover pass., die beiden letztgenannten Schiffe a. d. Weser angek. „Prinzeß Irene“, n. Ost⸗Asien best., 14. Nov. in Neapel angek. „Rhein“, v. Ost⸗ Asien kommend, 14. Nov. die Straße von Malacca pass. „Kaiser Wilhelm der Große“, n. New York b.⸗st., 14. Nov. Dover pass. „Willehad“ 14. Nov. Reise v. Antwerpen n. Bremen fortgesetzt.

Hamburg, 14. November. (W. T. B.) Hamburg⸗Amerika⸗ Linte. Dampfer „Graf Waldersee“, v. New York über Boulogne sur mer n. Hamburg. 13. Novbr. v. Piymouth und „Cap Frio“, v. Hamburg n. New York, v. Boulogne sur mer abgeg. „Belgravia“ 13. Noobr. in New York angek. „Canadia“, 13. Novbr. v. Tampico abgeg. „Bengalia“, v. Hamburg n. Baltimore, 13. Novbr. in Boston, „Sibiria“ 14. Novor. in Hamburg angekommen.

15. November. (W. T. B.) Dampfer „Deutschland“, v. New York n. Hamburg, 14. Nov. v. Cherbourg abgeg. „Flandria“, v. St. Thomas n. Hamburg, 14 Nov. in Havre und „Polynesia“ in New Orleans angek. „Castilia“, v. St. Thomas über Havre n. Hamburg, und „Allemannia“, v. St. Thomas n. Hamburg, 14. Nov. v. Havre abgeg. „Polaria“ 15. Nov. in Hamburg angek. „Croatia“ 15. Nov. v. Para n. Manaos abgeg. „Hamburg“ 14. Nov. in Bremerhaven, „Aragonia“ 15. Nov. in Hongkong angekommen.

„14. November. (W. T. B.) Castle⸗Linie. Dampfer Castle“ heute auf Ausreise in Madeira ang

Theater und Musik.

Neues Theater.

Als Neuheit ging gestern der dretaktige Shwank „Die Liebes⸗ probe“ von Thilo von Trotha und Julius Freund in Scene unn erzielte einen unbestrittenen Heiterkeitserfolg. Em zu allerlei 8 tollen Streichen aufgelegter junger Mann von großem Reichthum, aber ohne Lebensstellung, Namens Fritz. bildet die Hauptperson der Handlung, deren Fäden so mannigfach verwickelt durcheinanderlaufen, daß sie sich mit wenigen Worten kaum wiedergeben läßt. Fritz und seine Kousine Ilse sind Jugendgespielen und glauben für einander bestimmt zu sein. Letztere macht aber den Besitz ihrer Hand von einer „Liebesprobe“ abhängig, durch welche der junge Mann zunächt zeigen soll, daß er auch arbeiten und 8 mindestens 100 selbst verdienen könne. Hier setzen nun die lustigen Verwickelungen, Verwechselungen und verwirrenden Mißverständnisse, an denen das Stück überreich ist, ein und fühbren eine ganze Reihe von Scenen vor Augen, die sich theil⸗ weise durch feinen Humor, bisweilen aber auch durch possenhafte Komik kennzeichnen. Fritz, der zur Erfüllung seiner „Liebesprobe“ die Strelle eines Dieners übernommen hat, und ein wirklicher Diener, welcher für ihn gehalten wird, sowie die erwachende Erkenntniß des erstgenannten, daß er seine Kousine eigentlich doch nicht so lieb um sie heirathen zu können, und wiederum deren entstohende Liebe zu Hihres Venters, schaffen äußerst komische Situationen