1900 / 276 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 19 Nov 1900 18:00:01 GMT) scan diff

Am 18. d. M. hat der hiesige Kaiserlich chinesische Ge⸗

hierher üͤber⸗ Schreiben des Kaisers von China überreicht, das in Uebersetzung Juutet:

Der große Kaiser der Ta Tsing⸗Dynastie entbieret Seiner

sandte dem Auswärtigen Amt ein telegraphis mitteltes, vom 14. November datiertes

Majestät dem Deutschen Kaiser Grüße.

Euerer Majestät Erwiderung auf Unser Telegramm haben Wir erhalten. Mit Freude und Hochachtung ersehen Wir

daraus, daß Euere Majestät von freundschaftlichen Gefühlen für Uns beseelt sind und Uns (für die Vorkommnisse) persön⸗ lich nicht verantwortlich machen wollen.

Infolge der Mißgriffe, die Wir in der Wahl Unserer Beamten gemacht haben, ist Euerer Majestät Gesandter ohne sein Verschulden ein Opeer (der Wirren) geworden, was Wir

auch jetzt noch auf dois Tiefste bedauern. Es ist gerecht, daß

Wir die schuldigen Würdenträger mit besonderer Strenge und entsprechend best⸗cafen, um den Gesetzen und dem allgemeinen Rechtsgefühl Genugthuung zu gewähren.

Soeben erhielten Wir von Unserm Gesandten Herrn Lüͤ Hai Haan ein telegraphisches Memorial, daß Euere Maj⸗stät bereits geruht haben, Instruktionen behufs Er⸗ 5 nung der Verhandlungen mit Unseren Bevollmächtigten an den General⸗Feldmarschall Herrn Grafen Waldersee und den Kaiser⸗ lichen Gesandten Herrn Mumm von Schwarzenstein zu er⸗ lassen. Es geziemt sich daher, daß Wir auch Unsererseits Be⸗ fehle an alle Unsere Bevollmächtigten ertheilen, damit die Ver⸗

handlungen, den Bedürfnissen Rechnung tragend, zu einem be⸗ friedigenden Resultat geführt und friedliche Beziehungen baldigst wieder hergestellt werden.

In Euerer Majestät Erwiderung (auf Unser früheres Telegramm) wird Uns gerathen, nach Peking zurückzukehren, was Wir als ein Zeichen Euerer Majestät freundschaftlichen Gesinnnng für Uns auffassen. Sobald die Friedens⸗ verhandlungen die gewünschten Ergebnisse zeitigen, werden

Wir sofort die Zeit Unserer Rückkehr bestimmen. Da die christlichen Missionsthätigkeiten den Angehörigen verschiedener Staaten vertragsmäßig zugestanden sind, so ist es Unsere Pflicht, in Zukunft die höchsten Provinzialbeamten strengstens anzuweisen, diesen Missionen besonderen Schutz an⸗ gedeihen zu lassen, um alle Streitigkeiten auf immer beizulegen. Indem Wir Euerer Majestät hierdurch nochmals Unsere Ge⸗ sinnungen kundgeben, hoffen Wir hierfür Allerhöchstderselben Anerkennung zu finden.

In der Ersten Beilage zur heutigen Nummer d. Bl. wird

in Bericht des Kaiserlichen Legationsraths von Below an den Kaiserlichen Gesandten Dr. Mumm on Schwarzenstein über den Mörder des Freiherrn von Ketteler veröffentlicht. X“X“

8EETEE11“

8 Die Ausschüsse des Bundesraths für Zoll⸗ und Steuerwesen, für Handel und Verkehr und für Rechnungswesen hielten am Sonnabend Sitzungen. Heute beriethen die Aus⸗ chüsse für Rechnungswesen, für das Landheer und die Festungen nd für das Seewesen. 1

In der Zeit vom 1. April bis zum Schlusse des Monats Oktober 1900 sind im Deutschen Reich folgende Einnahmen (einschließlich der kreditierten Beträge) an Falesn und gemeinschaftlichen Verbrauchssteuern

owie andere Einnahmen nach dem „Centralblatt für das Deutsche Reich“ zur Anschreibung gelangt:

Zölle 287 944 043 (gegen das Vorjahr + 6 774 994 ℳ), Tabacksteuer 6 459 739 (+ 47 797 ℳ), Zuckersteuer und Zuschlag zu derselben 71 814 264 (+ 10 414 068 ℳ),

alzsteuer 27 136 741 (+ 188 228 ℳ), Maischbottich⸗ und Branntweinmaterialsteuer 792 801 (+ 725 416 ℳ), Verbrauchsabgabe von Branntwein und Zuschlag zu derselben 78 534 534 (— 1 700 367 ℳ), Brennsteuer 809 643 (+ 97 309 ℳ), Brausteuer 19 638 993 (+ 590 502 ℳ), Uebergangsabgabe von Bier 2 390 599 (+ 30 570 ℳ), Summe 492 316 469 (+ 17 168 517 ℳ). Stempelsteuer ür: a. Werthpapiere 15 380 614 (+ 4 035 834 ℳ), „Kauf⸗ und sonstige Anschaffungsgeschäfte 7 941 704 8 1 127 712 ℳ), c. Loose zu: Privatlotterien 3 037 142 + 252 516 ℳ), Staatslotterien 9 848 770 (+. 1 136 164 ℳ), d. Schiffsfrachturkunden 300 520 (+ 300 520 ℳ), Spiel⸗ kartenstempel 812 331 (+ 16 496 ℳ), Wechselstempelsteuer 7 566 479 (+ 666 246 ℳ).

Die zur Reichskasse gelangte Ist⸗Einnahme, abzüglich der Ausfuhrvergütungen und Verwaltungskosten, beträgt bei den nachbezeichneten Einnahmen: Zölle 260 697 603 + 5 605 456 ℳ), Tabacksteuer 7 762 803 (— 121 202 ℳ),

uckersteauer und Zuschlag zu derselben 67 654 879 F. 9 880 772 ℳ), 26 341 828 (+ 1 034 085 ℳ),

aischbottichh und Branntweinmaterialsteuer 5 496 828 + 1 368 845 ℳ), Verbrauchsabgabe von Branntwein und Zu⸗ chlag zu derselben 66 159 625 (— 2 663 636 ℳ), Brenn⸗ stteuer 809 644 (+ 97 308 ℳ), Brausteuer und Ueber⸗ beve. von Bier 18 720 402 (+ 526 041 ℳ),

Lumme 452 024 324 (+ 15 727 669 ℳ). Spielkarten⸗ stempel 818 755 (+ 42 736 ℳ).

86 W“

Dem Regierungs⸗Assessor Dr. von Strempel in Posen ist vom 1. Januar k. J. ab die kommissarische Verwaltung 2* im Kreise Ohlau, Regierungsbezirk Breslau, übertragen.

Der Regierungs⸗Assessor Dr. Schmieder in Schmal⸗ kalden ist dem Landrath des Kreises Gelnhausen zur Hilfe⸗ leistung in den landräthlichen Geschäften zugetheilt. 3

Die im Reichs⸗Eisenbahnamt aufgestellte vn ia der Betriebs⸗Ergebnisse deutscher bienbahmen im Monat Oktober 1900 ergiebt für 69 Bahnen, die schon im Oktober 1899 im Betriebe waren, Folgendes:

Gesammtlänge: 43 560,65 km.

im gegen auf gegen Ganzen das Vorjahr 1 km. das Vorjahr

J für alle Bahnen im Oktober 1900

aus dem Per⸗ V sonenverkehre 42813723 + 1 903 409 1 004 +% 30 + 3,08 2 545 + 99 + 4,05

aus dem Güter⸗ verkehre 110554460 + 5 986 937 für die Bahnen mit dem Rechnungsjahre 1. April 31. März in der Zeit vom 1. April bis Ende Oktober 1900 aus dem Per⸗ V sonenverkehre 292015483 + 23644508] 8 060 + 526 + 6,98 aus dem Güter⸗ V verkehre 603452109 + 39262074] 16 356 + 798 + 5,13

für die Bahnen mit dem Rechnungsjahre 1. Januar 31. Dezember in der Zeit vom 1. Januar bis Ende Oktober 1900

aus dem Per⸗

sonenverkehre 67399132 + 2 795 614 10 814 + 272 + 2,58 aus dem Güter⸗ b

verkehre .. .122822770 +£5 717 826 19 379 + 578—— 3,05

Eröffnet wurden: am 1. Oktober Gr.⸗Düngen —Salz⸗

detfurth 5,40 km (Direktionsbezirk.⸗Hannover), Morgenroth Karf 2,73 km. Kattowitz), Rahden —Sulingen 33,40 km (Direktionsbezirk Münster), die Verbindungsbahnen von Bismarck i. W. nach Herne 1,44 km und Reckling⸗ hausen —Bruch 0,81 km (Direktionsbezirk Essen) und der Kanalanschluß in Meppen 1 km (Meppen⸗Haselünner Eisen⸗ bahn), am 3. Oktober Derenburg —Minsleben 6,40 km (Halberstadt⸗Blankenburger Eisenbahn) und am 4. Oktober 11“”“ 3,82 km (Nauendorf⸗Gerlebogker Eisen⸗

ahn). 8

Einnahme

Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Fürst Bismarck“, Kommandant: Kapitän zur See Graf von Moltke, am 17. November in Tsingtau eingetroffen und beabsichtigt, am 21. November von dort nach Schanghai in See zu gehen. Der Chef des Kreuzer⸗Geschwaders, Vize⸗ Admiral Bendemann haet gestern seine Flagge wieder auf S. M. S. „Fürst Bismarck“ gehißt.

S. M. S. „Weißenburg“, Kommandant: Kapitän zur See Hofmeier, ist gestern in Wusung und S. M. S. „Hela“, Kommandant: Korvetten⸗Kapitän Rampold, an demselben Tage in Tschinkiang angekommen.

S. M. S. „Schwalbe“, Kommandant: Korvetten⸗Kapitän Boerner, ist heute von Tschinkiang nach Wuhu in See ge⸗ gangen.

S. M. S. „Vineta“, Kommandant: Kapitän zur See da Fonseca⸗Wollheim, ist am 17. November in Trinidad eingetroffen und heute von dort nach Santa Lucia in S gegangen. 1 38

Kiel, 19. November. Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Heinrich sind gestern Abend, wie „W. T. B.“ meldet, nach Cronberg abgereist und ge⸗ denken am 22. d. M. hier wieder einzutreffen.

Sachsen. Ihre Majestäten der König und die Königin sind, wie das „Dresdner Journal“ meldet, am Sonnabend von Sibyllenort wieder in Dresden⸗Strehlen eingetroffen.

Oesterreich⸗Ungarn.

In einer gestern in Prag abgehaltenen Versammlung der Vertrauensmänner der deutsch⸗fortschrittlichen Partei Böhmens wurde, dem „W. T. B.“ zufolge, ein⸗ stimmig der vorgelegte Entwurf eines Wahlaufrufs ange⸗ nommen; außerdem wurde eine Anzahl Kandidaturen genehmigt, darunter diejenige des Beisitzers des Landesausschusses Verunski für den Stadtbezirk Trautenau. Pergelt be⸗ sprach die politische Lage und wies auf die Hauptforderungen der Deutschen hin, namentlich auf die Erlangung des Deutschen als Staatssprache und die nationale Scheidung auf allen Gebieten.

Die „Neue Freie Presse“ meldet aus Brixen, der Fürst⸗ bischof in Brixen habe seine Billigung des Kompromisses im deutschen Süd⸗Tirol widerrufen und sich für die Wahl des Barons Di Pauli ausgesprochen.

Frankreich. Nach einer Meldung des „W. T. B. gestern Abend in Marseille eingetroffen

Rußland. 8

Am Sonnabend ist, wie die „Russische Telegraphen⸗ Agentur“ meldet, in Livadia folgendes Bulletin über das Befinden des Kaisers ausgegeben worden:

Der Kaiser brachte den gestrigen Tag gut zu. Im Verlauf des Tages schlief Seine Majestät eine Stunde. Die Temperatur war 38,10, der Puls 72. Die Nacht hindurch schlief der Kaiser binlänglich gut. Am Morgen war die Temperatur 38,1 °, der Puls 70. Das All⸗ gemeinbefinden ist gut und der Verlauf der Krankheit regelmäßig.

bi Gestern Vormittag ist das nachstehende Bulletin er⸗ senen:.

Der Kaiser brachte den gestrigen Tag gut zu. Allerhöchstderselbe schlief ein wenig. Der allgemeine Zustand war befriedigend, das Befinden gut. Um 9 Uhr Abends war die Temperatur 38,75, der Puls 64. Die Nacht hindurch schlief der Kaiser sehr gut. Heute Morgen war das Befinden aut, der Kopf ganz küar. Um 9 Uhr Morgens war die Temperatur 37,60, der Puls 68.

Die „Nowoje Wremja“ berichtet aus Sebastopol, daß das Ministerium des Innern auf ein Gesuch der tauri⸗ schen Landschaft 100 000 Rubel für die unter Mißernte leidende Landbevölkerung des Gouvernements Taurien

ist Dr. Leyds

ausgeworfen habe.

Italien.

Der Unter⸗Staatssekretär im Schatz⸗Mini Stringher ist, wie dem „W. T. B.“ 18 General⸗Direktor der Banca d'Italia ernannt worden

Der großbritannische Staatssekretär für die Kolong Chamberlain ist gestern Abend von Malta in Rom nien geiroffen dh

urch erichtsbeschluß ist der Deputirte Pali wegen Verdachts der Anstiftung zur Ermordun Palizzol mendatore Notarbartolo vor das Schwurgericht verwietn worden; durch einen früheren Gerichtsbeschtuß war Pali 5 wegen Verdachts der Anstiftung zur Ermordung Miceh vor das Schwurgericht verwiesen worden.

Spanien.

Inn einer gestern in Madrid abgehaltenen Versa der Majoritäten der be chgeh und b Senmr gab, wie „W. T. B.“ berichtet, der Minister⸗Präͤsidas Azcarragg einen geschichtlichen Ueberblick über 6 Ministerkrisis und erklärte, er werde die Pvplitik 888 Vorgänger fortsetzen und sich bemüͤhen, das in der Thrun rede der Königin⸗Regentin bei der Eröffnung der Sesio der Cortes entwickelte Programm zu verwirklichen. Silvell sprach sich rühmend über Azcarraga aus und hob hervor d Krisis sei auf seinen (Silvela’'s) Wunsch zurückzuführen, die mit voller Freiheit unterstützen zu können. N. Versammlung schritt dann zur Wahl des Bureaus.

In Espuglas in Catalonien sind wiederum Waffenlager entdeckt worden.

um 7 zum⸗

Niederlande.

In den Bureaux der Zweiten Kammer hat die Re⸗ gierung, wie dem „W. T. B.“ gemeldet wird, am Sonnabend die Erklärung abgegeben, die Veröffentlichung der Ver⸗ handlungen mit Großbritannien bezüglich der Ge⸗ fangennahme einer niederländischen Ambulanz und der Ausweisung niederländischer Staatsangehöriger aus Transvaal sei für den Augenblick nicht wünschens⸗ werth. Ferner wurde von der Regierung ecklärt, eine Inter⸗ vention der anderen Mächte in Transvaal sei nich dadurch verhindert worden, daß die südafrikanischen Republiken nicht zur Friedenskonferenz eingeladen gewesen seien, sondern durch das Widerstreben Großbritanniens, welches lange vor der Friedenskonferenz erklärt habe, auf keinen Fall eine Intervention oder einen Schiedsspruch in seinem Streitfal mit Transvaal annehmen zu wollen. Im Herbst 1899 habe die niederländische Regierung in London ihre guten Dienste ange⸗ boten zum Zwecke der Wiederaufnahme von Verhandlungen zwischen Großbritannien und Transvaal; diese Bemühung der niederländischen Regierung sei aber fruchtlos gewesen infolge des plötzlichen Ultimatums Transvaals und infolge der Er⸗ öffnung der Feindseligkeiten durch die Armeen der beiden Re⸗ publiken. Nachdem der Krieg einmal ausgebrochen, würde jedes weitere Bemühen nutzlos gewesen sein; das habe die ent⸗ schiedene Ablehnung Großbritanniens gegenüber den Vereinigten Staaten bewiesen. Die Regierung habe in London um Heim⸗ beförderung der gefangen genommenen Mitglieder der nieder⸗ ländischen Ambulanz ersucht, aber noch keine endgültige Ant⸗ wort erhalten. Hinsichtlich der Entschädigung der aus⸗ gewiesenen niederländischen Staatsangehörigen hoffe die Regie⸗ rung, daß die Angelegenheit ohne Schiedsspruch in befriedigender Weise werde geregelt werden.

Türkei.

Eine Meldung der „Politischen Korrespondenz“ aus Kon⸗ stantinopel bezeichnet alle Angaben über angebliche türkische Truppenzusammenziehungen oder Verstärkungen in Macedonien als grundlos, da die militärische Stellung der Türkei in Macedonien hinlänglich stark sei, um jeden Versuch eines Aufstandes zu ersticken, und sich zu außerordent⸗ lichen Maßnahmen kein Anlaß ergeben habe, auch nichtz darauf hindeute, daß die Lage einen beunruhigenden Charakter angenommen habe. 8

ARnmänien.

Bei der Zeugenvernehmung in dem Prozeß wegen der Ermordung Fitoweki's und Michaileanu's erklärte vorgestern, wie dem „W. T. B.“ aus Bukarest berichtet wird, der als Zeuge vernommene Deputirte Bratesco, Dimitrow habe vor dem Untersuchungsrichter erzählt, er sei von Sarafow beauftragt worden, mehrere Bukarester Persönlichkeiten und unter diesen zunächst den Professor Michaileann zu ermorden. Dimitrow leugnete dies beharrlich. Der Chef der Sicherheitspolizei Alexandresco erklärte, Trifanow habe ihm nach der Ermordung Fitowski'’s über den Verschwörungsplan gegen den König von Rumänien Enthüllungen gemacht, die zur Kenntniß des Ministers des Auswärtigen Lahovary ge⸗ bracht worden seien. Im weiteren Verlaufe der Sitzung theilte der Bruder des ermordeten Fitowski mit, seine Schwägerin ei von Ikonow unter Todesdrohung gezwungen worden, eine Erklärung zu unterschreiben, daß sie keine Ansprüche infolge des Todes ihres Gatten erheben wolle. Diese Erklärung sei im bulgarischen Amtsblatte veröffentlicht worden. Der Prokurator in Rustschuck habe dem Zeugen gesagt, er könne gegen das Geheimcomité nichts machen.

Dänemark.

Der Großfürst⸗Thronfolger von Rußland it gestern Vormittag, wie „W. T. B.“ meldet, von Kopenhagen u Gjedser Berlin —-Wirballen nach St. Petersburg ab⸗ gereist.

Amerika.

Nach einer Depesche des „New York Herald“ aus Washington ist die Regierung der Vereinigten Staaten der Ansicht, daß das Edikt vom 13. November, be treffend die Bestrafung mehrerer hoher Beamten, nicht weit genug geße. Das Kabinet habe daher be⸗ schlossen, den Gesandten Conger anzuweisen, er solle darauf bestehen, daß der General Tungfuhsian bestraft werde und daß die Strafen für einige der in dem Edik anfgeführten Be⸗ amten noch v rschärft würden. 8 8

11“ Asien. 8

Von dem Ober⸗Kommando in Ost⸗Asien ist gestern, wie „W. T. B.“ erfährt, folgende Depesche aus Peking in Berlin eingetroffen: Die Kolonne des Obersten Grafen Hars von Wartenburg hat am 14. d. M. Tscha⸗tau nord⸗ westlich von Peking an der großen Mauer) erreicht, wo am Tben vorher chinesische Kavallerie, anscheinend die Nachhut stärkeren Streitkräfte, gesehen worden war. Ein Telegramm der „Agence Havas“ aus Peking ge

17. d. M. berichtet, daß eine französische Kolonie a

6. d. M. von Peking abgegangen und in Touling nach einem Kampfe, in dem 300 Boxer kampfunfähig gemacht wurden, eingerückt sei. Die hätten keine Verluste gehabt. Das Kaiserliche Grabmal sei besetzt worden.

Eine in Paris eingetroffene Depesche des Generals Voyron aus Taku vom 16. d. M. bestätigt die Besetzung der Grabmäler im Osten und Westen, ebenso die Hin⸗ richtung des tatarischen Marschalls Fantai in Paoting⸗fu. Die Depesche fügt hinzu, daß in der Gegend von Paoting⸗fu vollständige Ruhe herrsche, obwohl die Anwesenheit einiger Boxer gemeldet werde. Die Arbeiten zur Vollendung der Bahn nach Hankau schritten gut fort. Der allgemeine Gesund⸗ heitszustand sei gut.

Den „Daily News“ wird aus Peking telegraphiert: Der Fürst Uchtomski sei am 16. d. M. dort eingetroffen.

Aus Schiakwan vom 16. d. M. berichtet „W. T. B.“, der deutsche General⸗Konsul in Schanghai, Dr. Knappe, sei auf S. M. S. „Kurfürst Friedrich Wilhelm“, an dessen Bord sich der Kontre⸗Admiral Geißler befinde, dort eingetroffen und werde am Nachmittag eine Unter⸗ redung mit dem General⸗Gouverneur haben. Beim Passieren der Kiangyin⸗Forts hätten die chinesischen Kriegsschiffe die Flagge des Admirals salutiert.

Der „Daily Telegraph“ meldet aus Schanghai vom 17. d. M., drei chinesische Generale mit 23 000 Mann bewegten sich längs der Grenze der Provinz Tschili, um einem weiteren, nach Westen gerichteten Vordringen der Ver⸗ bündeten entgegenzutreten.

Nach einer in Hongkong eingetroffenen Meldung aus Canton sind, wie das „Reuter'sche Bureau“ meldet, dort zweihundert bis dreihundert Häuser durch Feuer b worden.

Wie dem „W. T. B.“ aus St. Petersburg gemeldet wird, besagt ein bei dem russischen Generalstab eingegangener Bericht vom 7. d. M.: Südlich von Kirin im bergigen Bassin des oberen Ssungari liegt die unter der Führung eines gewissen Chaidenau stehende Räuberrepublik Tschapitschago. Der Oberstleutnant vom General⸗ stab Durow wurde zur Aufklärung dieser Gegend mit einer aus 2 Kompagnien Infanterie, 2 Geschützen und anderthalb Sotnien Kosaken bestehenden Kolonne ausgeschickt. Die Kolonne hatte ein Gefecht mit zwei Bataillonen regu⸗ lären chinesischen Militärs und der Miliz Chaidengu'’s; sie nahm zwei feindliche Geschütze; auf russischer Seite wurde ein Kosak getödtet, ein Artillerist verwundet. Zur weiteren Verfolgung des Feindes wurden vom 2. sibirischen Armer⸗Korpz zwei Truppenabtheilungen abgeordnet, die erste unter General Fok mit einem Bataillon Infanterie, vier Berg⸗ geschützen und einer Sotnie Kosaken, die zweite unter General von Rennenkampf mit fünf Sotnien Kosaken. Die erste Abtheilung rückte am 29. Oktober aus Kirin aus und hatte am 31. Oktober ein Gefecht mit 3000 Chinesen in demselben Passe, in welchem der Oberstleutnant Durow mit ihnen zusammen⸗ gestoßen war; ein Kosak wurde verwundet; dem Feinde wurden zwei Geschütze abgenommen. Die zweite Abtheilung marschierte aus Schunjan, 60 Werst von Kirin entfernt, auf dem Wege Kirin —-Mugden am 28. Oktober vor und erreichte die Stabt Wogeschan 70 bis 80 Werst südöstlich von Schunjan. Am 11. November kehrte sie nach Schadli⸗che, 40 Werst von Kirin am Wege Kirin —Mugden, zurück; sie hatte mit dem Feinde einen hartnäckigen Kampf; die russischen Verluste betrugen 20 Todte und 12 Verwundete. Durch die Auf⸗ klärung wurde festgestellt, daß die Stadt Wogeschan be⸗ festigt g.

Eine Mittheilung der „Nowoje Wremja“ aus Wladiwostok

vom 9. November weist darauf hin, daß, nach Meldungen chinesischer Blätter in Schanghai, der britische Konsul in Peking erfahren habe, daß Rußland und China ein Ueber⸗ einkommen, betreffend den Bau einer Eisenbahn von Peking über Kalgan und Urga nach Kjachta bis zur sibirischen Bahn, getroffen hätten und daß Rußland die Mandschurei und die Mongolei zu annektieren beabsichtige. In Wirklich⸗ keit verhalte sich die Sache so, daß die russischen Truppen an einen Feldzug in der Mongolei nicht dächten und in der Mandschurei keine militärischen Operationen ausführten, sondern sich streng auf den Schutz des Gebietes der mand⸗ schurischen Bahn beschränkten. Der General⸗Gouverneur, die Chefs der Truppenabtheilungen und der Ober⸗Ingenieur des Bahnbaus seien eifrig bemüht, gute Beziehungen zwischen den Russen und den Chinesen wiederherzustellen. Die Chinesen kehrten zur Bahnlinie zurück und nähmen die Arbeit wieder auf.

Die Scheuter Mission veröffentlicht, wie dem „W. T. B.“ aus Brüssel mitgetheilt wird, Mittheilungen aus einem vom 20. September datierten Bericht des Provinzialsuperiors der Ostmongolei. Der Bericht enthält Einzelheiten über das Martyrium des Missionars Seegers, der am 24. Juli auf Befehl des Unterpräfekten Lung⸗ping⸗hsien nach schweren Mißhandlungen lebendig begraben wurde, und beruhigt so⸗ dann die Angehörigen über das Ergehen der übrigen in der Ostmongolei wirkenden Missionare. Alle Missionare aus dem südlichen Theil des Vikariats, zwanzig an der Zahl, seien in der bischöflichen Residenz vereinigt, nur der Pater Conard sei auf seinem Posten an der Grenze der Mandschurei verblieben und habe in einer Mittheilung von Ende August angegeben, daß 7 Missionare im Gebiet der schwarzen Ge⸗ wässer auf ihren Posten ausharrten. Der Superior meldet schließlich, daß die Missionare sich einer verhältnißmäßigen Ruhe erfreuten, und daß der Glaube an die Unverwundbarkeit der Boxer nach den letzten Niederlagen stark erschüttert sei, wenn auch das Räuberunwesen noch in Blüthe stehe.

Aus Simla meldet das „Reuter'sche Bureau“, der Staats⸗ sekretär für die Kolonien Chamberlain habe die Vor⸗ chläge der indischen Regierung bezüglich einer Ver⸗ besserung des Heerestransportwesens genehmigt. Die Vermehrung der Friedenspräsenzstärke betrage 26 Offiziere, 55 Unteroffiziere, 273 eingeborene Offiziere, 291 Thierärzte, 4400 Treiber, 2143 Kameele, und 506 Ponies

Afrika. 8 18 Der Feldmarschall Lord Roberts berichtet aus Jo⸗ hannesburg vom 16. d. M.: Die Generale Barton und ouglas, ersterer von Potschefstrom, letzterer von entersdorp kommend, besetzten am 16. November lerksdorp, ohne auf Widerstand zu stoßen. Der General Uatuglas, hatte Tag für Tag Geplänkel mit dem siebenberg schen Kommando; er nahm dabei 15 Buren ge⸗ angen und erbeutete viele Schafe und Rindvieh. Lord dioberts berichtet ferner von unbedeutenden Angriffen auf sätische Patrouillen und Geleitmannschaften, die an ver⸗ chiedenen Punkten stattgefunden hätten. 15 5Sns „Reuter'sche Bureau“ meldet aus Bloemfontein vom d. M, die Buren, welche Ficksburg besetzt hielten, erwarteten,

1

daß sich de Wet mit ihnen vereinigen werde. Dieselben hielten eine feste Stellung in den Bergen des Freistaats und seien mit Kleidern und Lebensmitteln reichlich versehen. Wegen eines Gefechtes in der Nähe von Edenburg sei der am 14. d. M. fällige Bahnzug von Kapstadt erst am folgenden Tage in Bloemfontein eingetroffen. Die Buren seien ver⸗ trieben worden und die Bahnlinie sei gesäubert. Es heiße, daß auch ein Panzerzug in Thätigkeit gewesen sei.

Nach einem Telegramm des „Standard“ aus Durban vom 17. d. M. sei 89 lange Zeit hinaus keine Aussicht vor⸗ handen, daß die Uitlanders nach dem Rand zurückkehren könnten. Man glaube, bis zur ihrer Rückkehr könnten noch Monate verstreichen.

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (3.) Sitzung des Reichstages, welcher der Reichskanzler Graf von Bülom, der Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. Graf von Posadowsky, der Kriegs⸗Minister, General der Infanterie von Goßler und der Staatssekretär des Auswärtigen Amts Dr. Freiherr von Richthofen beiwohnten, wurde zunächst der schleunige Antrag der Abgg. Albrecht und Genossen (Soz.) wegen Einstellung der gegen den Abg. Fischer⸗Sachsen (Soz.) beim Königlichen Landgericht zu Bautzen schwebenden Strafverfahren ohne Debatte angenommen.

Es folgte die Verlesung der im Wortlaut bereits mit⸗ getheilten Interpellation der Abgg. Albrecht und Ge⸗ nossen (Soz.).

Nachdem der Reichskanzler Graf von Bülow sich bercit erklärt hatte, die Interpellation am nächsten Donnerstag zu bhthagten. wurde der Gegenstand von der Tagesordnung abgesetzt.

Bei Schluß des Blattes begann die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Feststellung eines dritten Nachtrags zum Reichshaushalts⸗Etat für 1900, die China⸗Expedition betreffend. Zur Einleitung der Debatte nahm der Reichskanzler Graf von Bülow das Wort.

Statistik und Volkswirthschaft.

Strikes und Aussperrungen im Deutschen Reiche während des Jahres 1899.

Die ausführliche Statistik der Strikes und Aussperrungen im Jahre 1899 (Band 134 der „Statistik des Deutschen Reichs“) ist zur Veröffentlichung gelangt. Das späte Erscheinen dieser Statistik beruht, wie in den Vorbemerkungen hervorgehoben wird, darauf, daß die Beantwortung der in den Nachweisungen vorgedruckten Fragen in außerordentlich zahlreichen Fällen zu Beanstandungen und Rückfragen seitens des Statistischen Amts geführt hat, deren Erledigung auf dem vorgeschriebenen Dienstwege bedeutende Zeit in Anspruch nahm, eine mit Rücksicht auf die Neuheit der gestellten Aufgabe durchaus nicht befremdliche Erscheinung. Voraussichtlich wird sich künftig die Fertigstellung dieser Statistik binnen 6 Monaten nach Abschluß des Berichtsjahres ermöglichen lassen.

Die Ergebnisse der amtlichen Zählung sind mit den im September veröffentlichten Z'ffern der gewerkschaftlichen Statistik nur schwer ver⸗ gleichbar, da in beiden Statistiken die Zählung der Strikefälle, ihre Unterscheidung in Einzelstrikes und Gruppenstrikes nach verschiedenen Grundsätzen erfolgt, in den amtlichen Feststellungen die Höchstzahl, in den gewerkschaftlichen Ermittelungen die Gesammtzahl der Strikenden erfaßt werden soll u. s. w.

Amtlicherseiis werden für das Berichtsjahr 1336 Strikes gezählt, von denen bereits 14 vor dem 1. Januar 1899 be⸗ gonnen hatten, und von denen 48 am 31. Dezember des genannten Jahres noch nicht beendet waren. Von 1288 innerhalb des Jahres 1899 zur Beendigung gelangten Strikes wurden überhaupt 7121 Betriebe betroffen, in denen bei Ausbruch der Bewegung 256 858 Arbeiter, darunter 40 062 im Alter von unter 21 Jahren beschäftigt waren; 1090 Betriebe wurden zum völligen Stillstand ge⸗ bracht. Die Höchstzahl der gleichzeitig Strikenden belief sich auf 99 338 Personen (15 600 unter 21 Jahren), von denen 71 968 (8343 unter 21 Jahren) bei Ausbruch des Strikes zur sofortigen Arbeitsniederlegung berechtigt waren, während die übrigen als kontrakt⸗ brüchig nachgewiesen werden. Angriffsstrikes werden im Ganzen 1019, Abwehrstrikes 269 gezählt. Vollen Erfolg hatten die Strikenden in 331, theilweisen in 429, überhaupt keinen Erfolg in 528 Fällen. Unter den Fällen des theilweisen Erfolges wurden diejenigen be⸗ sonders berücksichtigt, in welchen den Strikenden voller oder theil⸗ weiser Erfolg in Bezug auf Erhöhung des Arbeitslohnes (238 Fälle) oder in Bezug auf Verkürzung der Arbeitszeit (22 Fälle) oder endlich in Bezug auf beide Forderungen gleichzeitig (84 Fälle) zu theil wurde. Eine Anzahl von Uebersichten bringt die Strike⸗ bewegung des Jahres 1899 unter verschiedenen Gesichtspunkten zur Darstellung. 1

Aussperrungen werden insgesammt 28 gezählt, von denen 23 innerhalb des Berichtsjahres aufgehoben wurden. Von den letzteren wurden 427 Betriebe mit 8290 beschäftigten (darunter 408 unter 21 Jahre alten) Arbeitern betroffen, von denen überhaupt 5298 Per⸗ sonen (219 unter 21 Jahren) ausgesperrt und außerdem 1728 infolge der Aussperrung zum Feiern gezwungen wurden.

S. Zur Arbetiterbeweguns. Aus Amsterdam wird der „Rh.⸗Westf. Ztg.“ unterm 16 d. M.

mitgetheilt, daß die Dockarbeiter der dortigen großen Handels⸗

genossenschaft „Blaauwhoedenveem“ die Arbeit niederzelegt haben, weil die Direktion seinerzeit 33 feste“ Arbeiter engagiert hatte, deren sofortige Entlassung von den Ausständigen nunmehr verlangt wird

(vergl. Nr. 264 d. Bl.).

Kunst und Wissenschaft.

Anläßlich des 25 jährigen Jubiläums des preußischen Ober⸗Verwaltungsgerichts, welches dieser am 20. No⸗ vember 1875 zum ersten Male zusammengetretene höchste preußische Gerichtshof fuͤr streitige Verwaltungssachen morgen begeht, hat die rechts⸗ und staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburgi. Br. ein ehemaliges und ein gegenwärtiges Mitglied dieses Gerichtshofes, welche sich beide auch durch eine frucht⸗ bare literarische Thätigkeit ausgezeichnet haben, zu Ehren⸗Doktoren der Rechte ernannt, nämlich den Senats⸗Präsidenten a. D., Wirklichen Geheimen Rath Albrecht Wilhelm Jebens in Charlottenburg und den Ober⸗Verwaltungsgerichtsrath Karl Maximilian Schultzenstein in Berlin. Die Redaktion deg „Preußischen Verwaltungsblatts“ (Berlin, Karl Heymann’'s Verlag) hat zum 25jährigen Bestehen des Ober⸗ Verwaltungsgerichts eine Festnummer herausgegeben. Dieselbe wird durch eine Skizze „Zur Geschichte des Ober⸗Verwaltungs⸗ ericht“ von dem Wirklichen Geheimen Ober⸗Regierungsrath töll eröffnet, in der an der Hand des Staatshaushalts⸗Etats gezeigt wird, wie das Gericht in den 25 Jahren zu seinem egenwärtigen Bestande allmählich angewachsen ist. Dann folgen Auf⸗ sese von dem Geheimen Justizrath, Professor Dr. Zorn in Bonn über „Verwaltung und Verwaltungsrechtspflege“, von Professor Dr. Anschütz in Heidelberg über „allgemeine Begriffe und

Lehren des Verwaltungsrechts nach der Rechtsprechung des Ober⸗Verwaltungsgerichts“', von Stadtrath Kappelmann in Erfurt über „das Ober⸗Verwaltungsgericht und die Praxis der Ge⸗ meindeverwaltung“ sowie Urtheile einer arößeren Zehl von hervor⸗ ragenden deutschen Rechtslehrern über das Ober⸗Verwaltungsgericht, der Professoren Robert Piloty⸗Würzburg, H. Rehm⸗Erlangen, Max von Seydel und Freiherr K. von Stengel in München, Jolly⸗Tübingen, Hatschek und Georg Jellinek in Heidelberz, Rosin⸗Freiburg i. B., Laband und Otto Mayer in Straßburz i. E, Aendt⸗Königsberg i. O.⸗Pr., Bornhak und Kohler in Berlin, Brie⸗Breslau, Hänel und Leidig in Kiel, Edgar Loening⸗Halle a S. und Stoerk⸗Greifswald. Den Schluß bildet eine Zusammenstellung der „Laufbahnen der früheren und der gegenwärtigen Mitglieder des Ober⸗Verwaltungs⸗ gerichts“ von dem Bureauvorsteber des letzteren, Geheimen Rechaungs⸗ rath Solltmann. Auch im neuesten Heft des im gleichen Verlage erscheinenden „Verwaltungsarchivs“ ist dem Ober⸗Verwaltungs⸗ gericht ein Aufsatz gewidmet, in welchem der Ober⸗Verwaltungs⸗ gerichtsrath Shultzenstein die Bebeutung der Verwalrungsgerichts⸗ barkeit in Preußen und die bisherige Thätigkeit des Ober⸗Verwaltungs⸗ A. F. Im Theatersaal der „Urania“ hielt Professor Marshall aus Leipzig am Mittwoch v. W. einen sehr interessanten Vortrag über das Thema: „Der beabsichtigte und unbeabsichtigte Einfluß des Menschen auf die Verbreitung der Thiere“. „Raum für Alle hat die Erde“, begann der Redner, so läßt der Lieblings⸗ dichter unserer Nation den Bergesalten zum Schutz der Thierwelt sagen. Ist er damit im Recht? Fast scheint es, daß die Frage ver⸗ neint werden muß, wenn man um sich schaut und ganze Thier⸗ geschlechter am Aussterben, andere in absehbarer Zeit ihrem Untergang entgegengehen sieht. In Wahrheit fiadet ein beständiger Kampf um den Raum für die Thierwelt statt, und der wichtigste und ent⸗ scheidendste Faktor in diesem Kampfe ist der Mensch. Diesen Gedanken führte der Redner nun an einer langen Reihe von Beispielen näher aus. Absichtlich oder unabsi htlich übt der Mensch auf die Thierwelt bald einen fördernden, bald einen unterdrückenden Einfluß auz. Er zähmte die Hausthiere und gewöhnte sie an sich. Gleich ihm existieren sie in allen Klimaten relativ gut; aber der Mensch ließ es auch geschehen, daß sie, wo Platz für diese Entwicke⸗ lung war, wie in Amerika, sich seiner Kontrole entzogen und wiederum verwilderten zum Schaden einer anderen, vor ihr vorhandenen Fauna. Schon vor 100 Jahren schätzte Humvoldt die Zahl der in Amerita wild lebenden Pferde, welche dort in der vorkolumbischen Zeit ganz unbekannt gewesen, auf 3 Millionen. Die gegenwärtig in den Pampas von Süd⸗Amerika lebenden verwilderten Rinder werden auf 13 Millionen gtschätzt. Mit Ziegen und Schweinen wurden in den Jahrhunderten der Entdeckungen die Inseln der Südsee und des Atlantischen Ozeans besetzt. Die Absicht war gut; denn Spanier und Portugiesen kannten die Ziege, Holländer das Schweia als sehr nützliche Thiere. Schiffe, die an den Inseln anlegten, sollten Gelegenheit haben, sich mit frischem Fleisch zu versorgen. Aber die Ziegen haben manche Jaseln, wie St. Helena, gänzlich entwaldet, die Schweine auf anderen Inseln, wie Mauritius und Neuseeland, im Verein mit Hunden und Kagen die ursprüngliche Thierwelt zurückgedrängt und ganze Thiergeschlechter, wie die straußartigen, nicht fliegenden Vögel, wovon ia historischer Zeit in Neuseeland noch 14 Arten vorhanden waren, zum Aussterben gedracht. Auch an andere von Menschen veranlaßte, schädlich verlaufene Thier⸗ Invasionen ist zu denken, an die Kantuchen, den Sperling. An noch anderen trägt der Mensch auch die Schuld, ohne daß er sie veranlaßt hat. Die Hausmaas ist dem Abendlande durch die Völker⸗ wanderung beschert worden, die Römer kannten nur die Feldmaus. Die Wanderratte hat erst seit großen Erdbeben in Transkaukasien 1727 ihren Zug nach Westen begongen und sich gegeawärtig durch die Schiffahrt über die ganze Erde verbreitet; die viel weniger lästige, früher in Europa allein bekannte Hausratte ist, durch jene verdrängt, zu einer zoologischen Seltenheit geworden. Auf den von den Menschen angelegten Land⸗ und Wasserstraßen wanderten Thiere ein, die früher an Stellen unbekannt waren, wo sie jetzt ver⸗ breitet sind. Die Haubenlerche hieß vor 100 Jahren in Thüringen noch der Kosakenvogel, weil sie angeblich durch die Kosaken eingeführt, in Wahrheit aber der großen Heerstraße gefolgt war. Der Stichling war früher ein im Donaugebiet ganz uaberannter isch, jetzt ist er durch den Ludwigs⸗Kanal dahin eingewandert. Der neikanal vermittelt einen Austausch der Faunen zwischen dem mittel⸗ ländischen und dem rothen Meer. Der Verbreitung des Ackerbaues folgten der Hamster und manche Schädlinge, von denen die Hessen⸗ fliege aber nicht von Europa Amerika beschert worden ist, sondern umgekehrt, ganz wie der Koloradokäfer und die St. José⸗Schildlaus. In manchen Fällen war die Verbreitung von Thieren durch Unterstützung des Menschen auch zweifellos nützlich. Der Fasan, der Karpfen sind Beispiele hierfür; letzterer ist nicht etwa ein uraltdeutscher Fisch, sondern erst im 16. Jahrhundert eingeführt. Thiermörderisch wirkt die elektrische Beleuchtung auf die in der Nacht fliegenden Zugvögel, schlimmer aber noch auf die Insekten. Andere Thiere weichen allmählich der fortschreitenden Bodenkultur und der wachsenden Be⸗ völkerung, womit sie sich nicht befreunden können. Der Hirsch wird durch die Ausdehnung der Kulturfläche immer weiter nach NO. zurück⸗ gedrängt. Ohne Förster, die sie dbegzen, gäbe es deute in Deutschland keine Hirsche mehr. So ist im Großen und Ganzen und mit geringen Ausnahmen das Bild des Einflusses der Menschen⸗ auf die Thierwelt ein trauriges, seine positiven Seiten werden von den neganven überwogen. Dennoch hält der Redner dafür, daß heute die gleiche Menge organischer Sabstanz wie vor Jahrtausenden auf gegebenem Raum vorhanden sei, nur zetge sie sich in wechselnden und anderen Formen, und es bleibe das tiefe Dichterwort in Geltung: 12 e rewachen die lebend'gen Schätze, aus welchen sich das All ge⸗ schmückt!

Bauwesen.

In dem Wettbewerb zur Erlangung von Bauentwürfen für die höhere Mädchenschule in Bartenstein waren, wie das „Centralblatt der Bauverwaltung“ mittheilt, 49 Entwürfe eingegangen. Die für Preise zur Verfügung stehenden 1800 wurden gleichmäßig mit j: 900 zuerkannt den Entwürfen der Architekten C. Herm. Marrkin in Dresden⸗Plauen und Heinker n. Witzschel in St. Johann⸗ Saarbrücken. Vog der Vertheilung eines ersten und dritten Preises wurde Abstand genommen.

““ Theater und Musik.

Sezessions⸗Bühne.

Im Spielplan der jüngsten Berliner Bühne ist vor kurzem ein Werk des belgischen Dichters Maurice Maeterlinck erschienen, welches den Titel „Der Tod des Tintagiles“ führt und als klassisches Beispiel dafür gelten dürfte, was die Leiter des neuen Unter⸗ nehmens unter dramatischer Sezessionskunst verstanden wissen wollen, nämlich eine Kunst, welche die mehr äußerlichen Mittel, mit denen das Theater im Großen und Ganzen seine Wirkungen erzielt, zu ver⸗ innerlichen bestrebt ist, um zarteren, lyrischen Stimmungen auf der Bühne eine Stätte zu bereiten. In fünf kurzen Akten schildert Maeterlinck in dem genannten Werke den Mord eines Königskindes welches den dasselbe bewachenden Schwestern durch drei nebelhafte graue Gestalten im Schlafe entrissen und zum Tode geführt wird Die Aufführung sucht darch Zuhilfenahme der Musik bei den Verwand⸗ lungen und durch Verlegung des Schauplatzes der symbolisch aufzu fassenden Handlung auf eine mystisch verdunkelte Hinterbühne da Märchen⸗ und Traumhafte des Vorgangs zur Anschauung zu bringen Ob das Experiment als gelungen zu betrachten ist, mag vorläuft dahingestellt bleiben; sicher ist aber, daß Werke dieser Gattung einem phantasievollen Leser in der Stille der Studierstube mehr Genu bereiten als dem den störenden Einflüssen der . ausgesetzte! Theaterbesucher. Tschechow's Groteske „Ein Heirathsantrag welche in Verbindung mit dem Maecterlinck'schen Werke gegebe

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