1900 / 287 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 03 Dec 1900 18:00:01 GMT) scan diff

für die ihm bei der Erledigung der Landtagsgeschäfte geleistete Unterstützung und schloß den Landtag mit einem auf Seine Majestät den Kaiser und König ausgebrachten Hoch, in welches die Versammlung dreimal begeistert einstimmte.

Köln, 2. Dezember. Gestern Abend gegen 11 ½ Uhr lief, wie „W. T. B.“ berichtet, der Zug mit dem Salonwagen des Präsidenten Krüger in den 8 en Hauptbahnhof ein. Schon lange vor dieser Zeit hatte 19 vor dem Bahnhofe und auf dem Perron eine überaus zahlreiche Menschen⸗ menge eingefunden, welche den Präsidenten mit leb⸗ haften Hochrufen begrüßte. Ein offizieller Empfang 8 nicht statt. Bei der Ankunft ereignete sich auf

em Bahnsteig ein Unfall. Zwei Personen wurden durch einen Bretterperschlag gedrängt, der eine neu angelegte Unter⸗ führung abschloß, und fielen in die Tiefe. Der eine Ver⸗ unglückte brach eine Rippe, der andere erlitt einen Beinbruch. Erst gegen 12 ½ Uhr verließ der Präsident Krüger mit seiner Begleitung den Bahnhof; die dicht gedrängt stehende Menschen⸗ menge umringte den Wagen trotz der Absperrungen und brachte dem Präsidenten lebhafte Huldigungen dar, die sich während der ganzen Fahrt zum Domhotel fortsetzten.

Heute Nachm ittag um 3 ½ Uhr empfing der Präsident Krüger im Domhotel ungefähr 25 Studierende der Bonner Universität, welche nicht als Delegirte der Studentenschaft, sondern aus eigenem Antrieh gekommen waren, um dem Präsi⸗ denten ihre Sympathie auszudrücken; auch Mitglieder des Alldeutschen Verbandes nahmen an dem Empfange theil. Dex Sprecher der Studenten gab in einer kurzen Ansprache den Gefühlen derselben für die Sache der Buren Ausogruck. In seiner Erwiderung betonte der Präsident sein Interesse für alle dem Unterricht dienenden Bestrebungen. Infolge der Ver⸗ hältnisse Süd⸗Afrikas seien noch viele seiner Wünsche in dieser Hinsicht unerfüllt geblieben, er sei aber gerade darum zu dem Bestreben aelangt, für die Zukunft sein größtes Interesse den e zu widmen. Schon jetzt könne sich Transvaal jedem in ähnlicher Lage befindlichen Staat an die Seite stellen; dies beweise die Gründung von Mittel⸗ schulen und Gymnasien, die Einrichtung der Minenschule in Pretoria sowie der infolge des Krieges vorläufig unaus⸗ geführte Plan der Gründung einer Universität. Der Präsident bat schließlich die Studenten, in ihren späteren Stellungen steis Friede und Freundschaft zu pflegen, damit diese immer weiteren Boden gewönnen. Nach dem Empfang erschien der Präsident Krüger auf dem Balkon und wurde von der vor dem Hotel angesammelten Volksmenge mit lebhaften Hoch⸗ rufen begrüßt. Nach einer Pause von etwa einer halben Stunde erschien der Präsident im Vestibül des ersten Stockwerks, wo er auf einem Sessel Platz nahm. Darauf hielt namens der anwesenden Mit⸗ glieder des Alldeutschen Vabandes Dr. Reißmann⸗Crone, Redakteur der „Rheinisch⸗Westfälischen Zeitung“, an den Präsi⸗ denten eine Ansprache, in welcher er die Hoffnung ausdrückte, die Reise des Präsidenten nach Europa möge Erfolg haben, sowie den Wunsch, daß es ihm gelingen möge, Frieden herbeizuführen. Zum Schluß brachte er ein dreifaches „Heil!“ auf Krüger aus. Wie die erste Rede des Präsidenten, so übersetzte auch diesmal Dr. du Bois⸗Reymond (Berlin) dessen Antwort, welche ungefähr Folgendes besagte: Er bekenne gern das Gefühl der Stammverwandtschaft, wie mit den Niederdeutschen, so auch im allgemeinen mit dem deutschen Volk. In Süd⸗ Afrika habe sich aber außer deutschem und stammverwandtem niederländischen auch französisches Blut in Eintracht zu⸗ sammengefunden. Er hoffe, daß seine Anwesenheit in Europa den Erfolg haben möge, daß Friede und Gerechtigkeit für alle Zeiten in Süd⸗Afrika zum Siege gelangten. Nach dieser kurzen, von öfteren Beifallsrufen unterbrochenen Antwort und nach der Ueberreichung einiger Blumensträuße defilierten die Mit⸗ glieder des Alldeutschen Verbandes vor dem Präsidenten, welcher sich darauf wieder in seinen Salon begab.

Nachdem, wie „W. T. B.“ weiter meldet, der Präsident Krüger heute durch den aus Luxemburg hier eingetroffenen Kaiserlichen Gesandten von Tschirschky und Bögendorff davon in Kenntniß gesetzt worden war, daß Seine Majestät der Kaiser zu Seinem Bedauern nach Seinen bereits ge⸗ roffenen Dispositionen jetzt nicht in der Lage sei, ihn zu mpfangen, hat er beschlossen, von dem Besuch in Berlin Abstand zu nehmen und sich zunächst von hier nach den Niederlanden zu begeben.

Deutsche Kolonien.

Der Kaiserliche Gouverneur von Deutsch⸗Süd⸗ westafrika meldet, dem „Deutschen Kolonialblatt“ zufolge, unter dem 19. September d. J., daß er am 1. Oktober eine größere Expedition nach dem Norden des Schutz⸗ gebiets zu führen gedachte. Der Zweck der Expedition ei die Bereisung des Zentral⸗Hererolandes sowie es Bezirks Grootfontein, in welchem der Gouverne ur eit fünf Jahren nicht mehr gewesen ist. Der Rückmarsch werde durch die Bezirke Outio und Omaruru erfolgen, die gleichfalls seit mehreren Jahren vom Gouverneur nicht mehr besucht worden sind. Die Expedition werde etwa zehn Wochen in Anspruch nehmen. G

Frankreich.

Der Präsident Krüger empfing, wie „W. T. B.“ berichtet, in Paris am Sonnabend früh den General⸗Konsul des Oranje⸗ Freistaats von Mosenthal, welcher sich von ihm verab⸗ chiedete. Der Präsident deeh. zu ihm: „Sie haben mich hier schon vor mehr als 20 Jahren im Namen Ihrer Schwester⸗ Republik begrüßt. Ich freue mich, Sie noch immer auf zu sehen. Blicken Sie mit Vertrauen in die

ukunft.“ Der Präsident empfing ferner die Mitglieder des französischen Comités für die Unabhängigkeit der Buren. Bevor er das Hotel Scribe verließ, zeigte er sich nochmals er vor dem Hotel versammelten Menge auf dem Balkon und ankte für die stürmischen Zurufe durch wiederholtes Lüften es Hutes. Die Huldigungen verdoppelten sich noch, als der Präsident Krüger dann den Landauer bestieg, um nach dem Bahnhof zu fahren, wo er um 1 Uhr 20 Minuten eintraf. Eine zahlreiche Menschenmenge brachte ihm noch auf dem

Bahnsteig begeisterte Ovationen dar. Der Präsident bestieg den Salonwagen, der an den Schnellzug nach Köln angehängt Zum Abschied begaben sich der Deputirte Berry im Namen der Gruppe der nationahn Vertheidigung, Chérioux im Namen des Generalraths und Escudier im Namen des Gemeinderaths in den Wagen. Der Präsident Krüger dankte in kurzen Worten. Während dieser Zeit fuhr die Menge

unausgesetzt fort, Hochrufe auf den Präsidenten auszubringen, welcher sich mehrfach am Fenster zeigte. Die Menge stimmte die Marseillaise an und rief: „Schiedsgericht. Schiedsgericht!“ Während dieser Zeit läutete die Glocke der Sacré⸗ Coeur⸗Kirche. Um 1 Uhr 50 Minuten setzte sich der Zug unter andauernden Ovationen in Bewegung. Der Präsident grüßte die Menge, welche zef dem Bahnsteig stehen blieb und mit Tüchern winkte, solange der Zug sichtbar war. Dr. Leyds und die Mitglieder der Burenmission begleiten den Präsidenten. In Jeumont verabschiedete sich der Präsident

des Comités für die Unabhängigkeit der Buren mit herzlichen Worten von dem Präsidenten.

In seiner Antwort sprach dieser nochmals in den wärmsten Ausdrücken seinen Dank aus. Zur Wiedererlangung friedlicher Unabhängigkeit würden die Büuren fortfahren zu kämpfen. Das Mittel zur Er⸗ reichung dieses Zieles sei ein Schiedsgericht. Er sei glücklich, daß das Wort „Schiedsgericht“ zum Rufe der Menge geworden sei. Der Präsident schloß mit warmen Abschiedsworten und dem Rufe: „Es lebe Frankreich!“

In dem am Sonnabend abgehaltenen Ministerrath legte der Minister des Auswärtigen Delcassé mehrere Telegramme vor, welche sich auf die Lage in China be⸗ ziehen. Aus denselben ergiebt sich, daß durch französische Kanonenboote und chinesische Truppen die Christen in den Be⸗ zirk Tschuntak, Provinz Canton, zurückgeleitet worden seien. Ferner seien in den Ortschaften amtliche Anschläge gemacht worden, durch welche Strafen angedroht würden und besonders den Behörden und Würdenträgern angekündigt werde, daß im Falle neuer Unruhen ihre Güter würden konfisziert werden. Eine Anzahl von Chinesen, welche des Mordes schuldig be⸗ funden waren, sei angesichts der französischen Kanonenboote Gegenwart von Abgesandten des Konsuls hingerichtet worden.

Bei der gestern in Toulon vorgenommen Wahl zur Deputirtenkammer unterlag der nationalistische Präsident des Pariser Gemeinderaths Grébeauval gegen den Radikalen vbe1“

v11X““

Der Kaiser verbrachte den Sonnabend und die Nacht zum Sonntag, wie dem „W. T. B.“ aus Livadia gemeldet wird, sehr gut. Gestern Morgen war das Befinden sehr gut, der Appetit kehrt wieder, und die Kräfte nehmen allmählich zu. Am Sonnabend Abend war die Temperatur 36,60, der Puls 64, gestern früh war die Temperatur 36,1 0, der Puls 62.

Italien.

Der Prinz Georg von Griechenland stattete am Sonnabend Nachmittag dem König einen Besuch ab, welchen Allerhöchstderselbe alsbald erwiderte. Später empfing der Prinz Georg die Besuche des großbritannischen, französischen und russischen Botschafters. Gestern Nachmittag machte der Prinz Georg dem Minister des Auswärtigen Visconti Venosta einen halbstündigen Besuch. Abends fand zu Ehren des Prinzen bei dem König ein Diner statt.

In der vorgestrigen Sitzung der Deputirtenkammer brachte der Minister⸗Präsident Saracco eine Vorlage ein, betreffend die Kosten für die Expedition nach China, und beantragte deren Ueberweisung an die Budgetkommission. Das Haus stimmte dem Antrage zu. In der gestrigen Sitzung brachte der Schatz⸗Minister Rubini das Budget für das Finanzjahr 1901/1902 ein. In seinem Exposé hob der Minister hervor:

Das Budget schließe mit einem Ueberschuß von über 5 Millionen

Lire gegenüber dem Voranschlage ab. Diese Mehreinahme sei aus⸗ schließlich auf die günstige Entwickelung der wirklichen Einnahmen zurückzuführen, welche den Voranschlag um etwa 32 Millionen Lixe und die wirklichen Einnahmen des letzten Finanzjahres um 20 Mil. lienen Lire überstiegen. Das Rechnunosjahr 1900/1901 schließe mit etnem provisorischen Defizit von etwa 19 Millionen für den Staats⸗ schatz ab. Dieses Defizit verringere sich indessen auf 6 Millionen. wenn man die Kosten für die Ervedition nach China abrechne, und es werde sicher zu einen guten Tbeile durch den Mehrertrag der Ein⸗ nahmen verringert werden, von welchen sich nach den bisher erzielten Resultaten hoffen lasse, deß er sich während des ganzen Rechnungs⸗ jahres erhalten werde. Der Minister unterzog sodann die Lage des Staatsschatzes, welche fast die gleiche sei wie in den letzten Jahren, einer Prüfung und brachte einige Gesetzesvorschläge ein, die den Zweck haben, die Lage der Staatssasse zu crleichtern. Der Misister schlug unter anderem einen neuen Typus einer vierprozentigen konsolidierten inneren Anleihe vor, welcher den gegenwärtigen 4 prozentigen Typus ersetzen solle; die neue Anleihe solle zur Kon⸗ vertierung der rückzahlvaren Eisenbahnschulven dienen. Sodann machte der Minister Mittheilungen über den Betrag der auf den Inhaber und auf den Namen lautenden Renten, sowie über die Um⸗ bilrung der städtischen Anlethen, welche mit Hilfe der Depot⸗ und Anleibekassen zur Ausführung gelangen folle. Hierauf wandte sich der Minister gegen die Befürwöorter einer rarikalen Steuer⸗ reform und wies nach, daß deren Vorschläge nicht zum Ziele führen würden. Nachtem der Minister fodann von den Ab⸗ sichten seiner Kollegen geiprochen, welche letztere den Staats⸗ organismus vervollkommnen und dadurch die Aktion auf dem sehr ausgedehnten Gebiete der sozialen Frage stärken wollten, kündigte er einige Maßregeln an, die er zu Gunsten der kleinen Steuerzahler ergreifen wolle, indem er die Absict habe, den Ausfall, welcher im Budget hieraus entstehen würde, durch entsprechende Maßregeln aue⸗ zugleichen. Zum Schluß versicherte der Minister, die Finanzlage sei eine sehr gute, man müsse sich jeder Verschärfung der Steuern ent⸗ halten, da man hinreichenden Spiclraum habe, um vermittels der Hebung des Kredits und des Vertrauens im Lande auf dem Wege umfassender und nützlicher Resormen, welche alle Welt wünsche, fort⸗ zuschreiten. . Der Minister beendete sein Exposé unter lautem Beifall. Sodann legte der Finanz⸗Minister einen Gesetzentwurf vor, welcher wirthschaftliche und finanzielle Maßnahmen be⸗ zweckt. Der Minister⸗Präsident Saracco beantragte, die Vorlage einer aus fünfzehn Mitgliedern bestehenden, von der Kammer zu wählenden besonderen Kommission zu überweisen, wobei drei Plätze in der Kommission der Minorität vorbehalten werden sollten. Der Deputirte Giolitti stimmte dem Antrage des Minister⸗Präsidenten zu, damit die Kammer direkt auch im Einvernehmen mit der Regierung das Problem der Steuerreform prüfe, doch möge der Minorität eine größere Vertretung in der Kommission eingeräumt werden. Der Präsident der Kammer bemerkie, die Geschäftsordnung schreibe vor, daß der Minorität ein Drittel der Plätze, zwei Drittel der Majorität vorbehalten bleiben sollten. Der Minister⸗Präsident war hiermit ein⸗ verstanden, worauf dessen Antrag angenommen wurde.

Spanien.

In der vorgestrigen Sttzung der Deputirtenkammer führte, dem „W. T. B.“ zufolge, Silvela in Erwiderung auf die Aeußerungen Romero Robledo’s, betreffend die beabsichtigte Vermählung der Prinzessin von

Asturien, aus: die Rechte der Kammer begännen erst da,

wo diejenigen der Königlichen Familie endigten. Nomero

Robledo unterbreite der Kammer Fragen, für welche sie nicht

zuständig sei.

Portugal. Fernando Mattoso hat, wie „W. T⸗ B.“ meldet, das Finanz⸗Ministerium und Marcel Vargas das Ministerium der öffentlichen Arbeiten übernommen. vW“

.“ Das schiedsgerichtliche Urtheil des im französisch⸗brasilianischen Grenzstreit, betreffend ein Territorium in Guyana, welches den Parteien am Sonn⸗ abend zugestellt worden ist, lautet, dem „W. T. B.“ zufolge: Da der Schiedsrichter den Vincent Pincon mit dem Oyapoc identifiziert, wird die Grenze zwischen Brasilien und Frankreich gebildet durch den Oyapoc vom Cap d'Orange bis zu seiner Quelle und durch die Wasserscheide der Tumuc⸗ Humac⸗Berge bis zur Grenze von Holländisch Guyana. 1 8 Belgien.

Etwa 1600 Offiziere der Bürgergarde des König⸗

reichs Belgien veranstalteten am Sonnabend Abend, wie „W. T. B.“ berichtet, zu Ehren des Prinzen und der Prinzessin Albert von Belgien in Brüssel ein Bankett. Der Minister des Innern brachte ein Hoch auf den König und die Mitglieder des Königlichen Hauses aus, der Prinz Albert dankte in seinem und der Prinzessin Namen. Bei der Ankunft sowohl wie bei der Ab⸗ fahrt wurden dem Prinzen und der Prinzessin lebhafte Huldi⸗ gungen dargebracht.

Der Zug mit dem Krüger kam vorgestern Nachmittag um 5 Uhr 40 Minuten in Charleroi an. Bei der Einfahrt in den Bahnhof wurde der Präsident von der anwesenden zahlreichen Menschenmenge mit den Rufen: „Es lebe Krüger! Es lebe Transvaal!“ begrüßt. Der Präsident, welcher den Zug nicht verließ, dankte vom Fenster aus und empfing eine Abordnung der in Charleroi wohnenden Holländer. Nach einem Aufenthalt von 5 Minuten fuhr der Zug weiter und traf um 6 Uhr 25 Minuten in Namur ein. Am Bahnhof hatte sich eine große Menschenmenge eingefunden, welche den Prä⸗ sidenten mit begeisterten Zurufen begrüßte. Der Vorsitzende des anwesenden holländisch⸗belgischen Transvaal⸗Comités stellte dem Präsidenten die Mitglieder desselben vor. Dieser dankte dann vom Fenster aus für die ihm dar⸗ gebrachten Ovationen, die andauerten, bis sich nach einem Aufenthalt von 10 Minuten wieder in Bewegung setzte. Um 7 ½2 Uhr erfolgte die Ankunft in Lüttich. Vorher hatte sich vor dem Bahnhofe eine außerordentlich große Menschenmenge angesammelt. Als die Eingangsthüren zum Bahnhof abgesperrt wurden, stieß die Menge die Thüren ein und stürzte auf den Bahnhofsperron, wo Gendarmen vergebens versuchten, sie mit aufgepflanztem Bajonett zurückzutreiben. Der Vorsitzende des Transvaal⸗Comités überreichte dem Präsidenten Krüger im Namen der Einwohner von Lüttich Sympathie⸗Adresse. Der Präsident erschien mehrmals am

Fenster seines Salonwagens und dankte der Menge, welche

ihm bei der Ankunft und der Abfahrt des Zuges begeisterte Ovationen darbrachte. Später begaben sich etwa 300 Persone unter Führung einer Anzahl Studenten nach dem britische Konsulat und veranstalteten dort lärmende Kundgepungen. Türkei.

Wie dem Wiener „Telegr.⸗Korresp.⸗Bureau“ aus Kon stantinopel vom heutigen Tage gemeldet wird, ist de armenische Bischof Papken in Musch, welcher von den Lokal⸗ behörden in Haft genommen worden war, weil er Beschwerde über die von Kurden an der armenischen Bevölkerung aus⸗ geübten Bedrückungen erhoben hatte, auf die zu seinen Gunsten von dem armenischen Patriarchen und von dem zussischen Botschafter im Yildiz⸗Palast und bei der Pforte unternommenen Schritte hin wieder in Freiheit gesetzt worden. 8

Wie dem „W. T. B.“ aus Belgrad berichtet wird, hat der Gerichtshof ein Gesuch der Vertheidiger des früheren Ministers Gentschitsch, diesen gegen Kaution auf freiem Fuße zu belassen, abgelehnt. schluß, durch welchen er in Anklagezustand versetzt wird, keinen Einspruch erhoben hat, dürfte die Verhandlung schon in einigen Tagen stattfinden.

Schweden und Norwegen. t

Zu Mitgliedern des internationalen Schieds⸗ gerichts im Haag sind, dem „W. T. B.“ zufolge, der ehe⸗ malige Assessor beim Höchsten Gericht Olivecrona (Schwede) und der ehemalige Staats⸗Minister, Stiftsamtmann Gregers Gram (Norweger) ernannt worden. 1“

Dänemark. Die Kaiserin⸗Wittwe von Rußland ist

gestern Nachmittag, wie „W. T. B.“ meldet, von Kopenhagen übe

Gjedser nach Rußland abgereist. Der König begleitet Allerhöchstdieselbe bis Roskiide. Am Bahnhofe waren di Mitglieder der Königlichen Familie sowie Minister zum Abschied erschienen. 8 8

Der Staatssekretär Hay und der Gesandte vorn Nicaragua haben, wie dem „W. T. B.“ aus Washington gemeldet wird, am Sonnabend den Vertrag unterzeichnet durch welchen Nicaragua den Vereinigten Staaten die sor den

.“

Bau des Nicaragua⸗Kanals erforderlichen Rechte und Privi⸗

legien innerhalb der Grenzen von Nicaragua bewilligt. Der Vertrag enthält die Bestimmung, daß Nicaragua

als Entschädigung eine Anzahl Obligationen der Kanalbau⸗

gesellschaft, wie es heiße, im Betrage von fünf Millionen

Dollars, erhalten solle. Die weiteren Bestimmungen sind bisher

nicht veröffentlicht worden, doch soll, dem Vernehmen nach, den

Vereinigten Staaten das ausschließliche Recht zugestanden

sein, den interozeanischen Kanal zu bauen und dem Verkehr zu

übergeben.

„Der Konsul der Vereinigten Staaten in Tanger ist angewiesen worden, sich nach Marakesch zu begeben, um

die amerikanischen Entschädigungs⸗Forderungen wegen der im Juni 1899 in Fez erfolgten Ermordung eines naturalisierten Amerikaners zu erneuern. Der Konsul soll seine Reise soweit als möglich auf einem Kriegsschiff zurücklegen. Zu diesem Zweck werde wahrscheinlich die „Kentuckh“ von Smyrna zurückberufen werden.

Bundesraths

haͤtten.

eine

Da Gentschitsch gegen den Be⸗

2) Militärwesen:

Nach einer Depesche der „Times“ aus Rio de Janeiro hat die Deputirtenkammer die Vorlage, betreffend die Einschränkung der Thätigkeit der Banken, in zweiter Lesung ohne Debatte angenommen. Die Depesche meldet weiter, die fremhen Bankleiter arbeiteten einen Entwurf, be⸗ treffend die Unterdrückung der Wechselspekulation, aus, den sie dem Finanz⸗Minister unterbreiten wollten.

Asien.

Der „Standard“ meldet aus Schanghai vom gestrigen Tage, Tschang⸗tschi⸗tung, der Vize⸗König von Wutschang, habe eine Depesche aus Singanfu erhalten, in welcher die Ein⸗ stellung der Entsendung weiterer Lebensmittel nach Schensi an⸗ geordnet werde. Es gehe das Gerücht, der Kaiser kehre unver⸗ weilt nach Peking zurück. Ferner werde gemeldet, die Kaiserin⸗ Wittwe werde 1 folgen, wenn der Empfang ein derartiger sei, daß er sie beruhige. Das Gerücht scheine indessen seinen Ursprung in einer Aufforderung zu haben, welche der Kaiser neuerdings an alle Vize⸗Könige habe gelangen lassen, in welcher er dieselben ersucht habe, der Kaiserin⸗Wittwe vorzustellen, daß es das Rathsamste sei, er kehre nach Peking zurück.

Das „Reuter'sche Bureau“ meldet aus Washington vom 2. d. M., eine daselbst eingetroffene Depesche aus Peking vom 1. d. M. besage, Li⸗Hung⸗Tschang habe eine Depesche vom Kaiserlichen Hofe erhalten, in welcher der Hof seine Einwilligung dazu gebe, daß Jühfien, der Gouverneur von Schansi, enthauptet oder sonstwie hingerichtet werde. Untergebene von Li⸗Hung⸗Tschang sagten, der Kaiser werde Jühsien wahrscheinlich eine seidene Schnur übersenden. Der Konsul der Vereinigten Staaten in Tientsin melde eine zunehmende Thätigkeit der Boxer in der Rachbarschaßf.

Dasselbe Bureau erfährt aus Tientsin vom gestrigen Tage, daß die Bahnlinie Schan⸗hai⸗kwan Peking am 1. Dezember alten Stils den Deutschen werde übergeben werden.

Aus Schanghai vom 1. d. M. berichtet das „Reuter'sche Bureau“, daß die Vertheidigungswerke am Yangtse, wie aus guter Quelle verlaute, mit erneuter Lebhaftigkeit ver⸗ stärkt würden. Aus dem Arsenal in Schanghai seien zwanzig 200 pfündige Schießbaumwollminen nach den Kiangjin⸗Forts verschifft worden.

Wie dem „W. T. B.“ aus St. Petersburg gemeldet wird, ist dem russischen Generalstab am 1. d. M. ein Bericht fugegan en, welcher besagt, daß die Chinesen in der öst⸗ ichen Mandschurei wiederholt russische Posten angegriffen So sei ein russisches Kommando von 10 Kosaken

während einer Rast von Boxern angegriffen, und alle zehn seien getödtet worden. Chinesische Christen hätten die Nachricht überbracht.

Afrika.

Eine Depesche des Generals Lord Kitchener aus Bloem⸗ fontein vom 30. November meldet: Der General Knox griff de Wet’s Nachhut bei Beyersberg auf dem Wege von Dewets⸗ dorp nach Smithfield an. Das Gefecht währte zwei Stunden. Der Feind, der umgangen wurde, zog sich in südlicher und südöstlicher Richtung zuruͤck. Den letzten Meldungen zufolge

bekam der General Knox mit den Truppen de Wet'’s in der Nähe

von Tafelberg, 12 Meilen nördlich von Bethulie, Fühlung. Der General Settle gerieth am 28. November mit dem Kommando Hertzog's in ein Gefecht bei Kloof in der Nähe von Woolvekraal. Nachdem Settle die Buren geschlagen hatte, besetzte er Luckhoff. Der General Paget gerieth am 28. und 29. No⸗

vember mit den vereinigten Kommäaändos unter Viljoen und Erasmus ins Gefecht in Rietfontein,

Der Feind wurde auf seine Stellung nordöstlich von Rhenosterkop, zurückge⸗ schlagen. Der Oberstleutnant Lloyd wurde schwer verwundet, außerdem wurden auf britischer Seite 5 Offiziere und 50 Mann verwundet, 5 Mann getödtet.

Das „Reuter'sche Bureau“ meldet aus Kapstadt vom 30. November, der Oberst Meyrick habe mit einem Bataillon der Momanry am 25. November Lichtenburg besetzt, ohne auf Widerstand zu stoßen, habe indessen zehn Meilen von der Stadt entfernt ein hartnäckiges Gefecht mit 400 Buren zu be⸗ stehen gehabt. Dasselbe Bureau meldet aus Durban vom 1. Dezember, die Buren entfalteten im Bezirke von Standerton große Thätigkeit Am 29. v. M. habe nahe bei Standerton ein Scharmützel stattgefunden.

Der Feldmarschall Lord Roberts wird, wie „W. T. B.“ aus Kapstadt vom gestrigen Tage erfährt, am 11. d. M. von dort nach Europa abreisen.

Parlamentarische Nachrichten. 8

In der heutigen (12.) Sitzung des Reichstages, welcher

der Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. Graf

von Posadowsky, der Minister der öffentlichen Arbeiten von Thielen und der Minister für Handel und Gewerbe

Brefeld beiwohnten, gelangte folgende Interpellation der

Abgg. Dr. Heim und Müller⸗Fulda (Zentr.) zur Verlesung:

8 „Was gedenken die verbündeten Regierungen zu thun, um

der bestehenden, weite Volkskreise schwer bedrückenden Kohlen⸗ theuerung wirksam abzuhelfen und für die Zukunft die Wiederkehr solcher Mißstände zu verhüten?“

Nachdem der Staatssekretär Graf von Posadowsky. auf die Frage des Präsidenten erklärt hatte, daß der Reichs⸗ kanzler bereit sei, die Interpellation durch die Minister von

Thielen und Brefeld sofort beantworten zu lassen, erhielt der Abg. Dr. Heim zur Begründung der Interpellation das

ort. 8 e“ (Schluß des Blattes.) 1 1

1“

8 Bei der am 29. November im 3. Posener Wahlkreise vorgekommenen Stichwahl zum Reichstag erhielt, nach der amtlichen Feststelluna, von Gersdorff (kons.) 9555, von Chrzanowski (Pole) 8719 Stimmen. Ersterer ist somit gewählt.

22b

Nr. 51 des „Centralblatts für das Deutsche Reich“, herausgegeben im Reichsamt des Innern, vom 30. November, hat folgenden Inhalt: 1) Konsulatwesen: Ernennungen; Ermächtigung zur Vornahme von Zivilstands⸗Akten; Exequatur⸗Ertheilungen. Nachtrags⸗Verzeichniß derjenigen Lehranstalten, welche zur Ausstellung von Zeugnissen über die Befähigung für den injährig⸗freiwilligen Militärdienst berechtigt sind. 3) Marine und Schiffahrt: Ers eincs weiteren Hefts der Entscheidungen des

ber. Seeamts und der Seeämter. 4) Polizeiwesen; Ausweisung

on Ausländern aus dem Reichsgebiet. 8

Nr. 48 der „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“ vom 28. November hat folgenden Inhalt: Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten. Zeitweilige Maßregeln gegen Pest. Sterblichkeit in Preußen, 1898. Gesetz⸗ gebung u. s. w. (Preußen.) Tuberkulinvrobe bei Rindern. (Berlin.) Schlacht⸗ und Viehhof. (Prov. Sachsen.) (Bayern, Nürnberg.) Nahrungsmittel. (Württemberg.) Gifte. (Desterreich.) Lebensmittelexverten. (Kroatien Slavonien.) Viehverladungen (Schweiz.) Gebrannte Wasser. (Kanton Bern.) Krankenanstalten. Gonn der Thierseuchen im Deutschen Reiche, 15. November. Desgl. in der Schweiz, 3 Vierteljahr. Zeitweilige Maßregeln gegen Thier⸗ seuchen. (Deutsches Reich, Preuß. Reg.⸗Bez. Gumbinnen.) Ver⸗ mischtes. (Preußen.) Irrenanstalten, 1897. (Altona.) Cbemisches Untersuchungsamt, 1899/1900. (Frankreich.) Impfwesen, 1897. Gesundbeitspflege der Kinder. Champagner. (Italien.) Vene⸗ rische Krankheiten, 1898. Geschenkliste. Wochentabelle über die Sterbefälle in deutschen Orten mit 40 000 und mehr Eirwohnern. Desgl. in größeren Städten des Auslandesz. Erkrankungen in Krankenhäusern deutscher Großstädte. Desgl. in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. Witterung.

Nr. 95 des „Centralblatts der Bauverwaltung“, heraus⸗ agegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 1. Dezember 1900 hat folgenden Inhalt: Amtliches: Dienst⸗Nachrichten. Nicht⸗ amtliches: Die Krupp'schen Arbeiterkolonien. Die Ausführung von Grundbohrungen auf dem Meere. Weichenriegelrolle mit und ohne Längenausgleich urd mit Fangeinrichtung bei Drahtbruch. Ein⸗ richtung zur Beobachtung des elastischen Verhaltens gemauerter Thal⸗ sperren. Vermischtes: Feier des 70. Geburtstages des Wirklichen Gebeimen Ober⸗Bauraths Streckert. Förderung des Baues ven Wohnungen für Beamte und Arkeiter in den Betrieben ded Deutschen Reichs. Internaticnale Ausstellung für Feuerschutz und Feuer⸗ rettungswesen in Berlin 1901. „Das Stoßen der Bahnwagen“. Vorrichtung zum selbstthätigen Reinigen von Schornsteinen.

Statistik und Volkswirthschaft.

Verkauf von Gütern in der Provinz Westpreußen 1899.

(Stat. Korr.) Nach dem von der Landwirthschaftskammer der Pro⸗ vinz Westpreußen für 1899 über den Zustand der Landeskultur erstatteten Bericht sind daselbst im genannten Jahre 22 Güter durch Kauf in andere Hände übergegangen. Die Gesammtfläche dieser Grunestücke belief sich auf 40 268 Morgen.*) Bei 15 dieser Güter ist der Kaufpreis angegeben. Sie umfassen einen Flächeninhalt von 23 958 Morgen, also etwa ⅞6 des gesammten in der Berichtszeit verkauften Großgrundbesitzes. Einschließlich des Inventars ist für diese Grund⸗ stücke ein Erlös von 5 226 500 erzielt worden. Es macht dies für den Morgen (etwas über ¼ ha) 218,15 aus. Betheiliat sind 4 Güter mit nicht über 500, 2 mit 500 1000, 8 mit 1000 3000 und 1 mit mehr als 3000 Morgen. Da es sich um eine verbältniß⸗ mäßig geringe Zahl von Gütern kandelt, werden Schlüsse für die Güte preise in der ganzen Provinz Westpreußen aus den obigen Angaben nicht gezogen werden dürfen. Wohl aber können derartige Sammlungen im Laufe der Jahre sowohl für die Beurtheilung der Bewegung der Güterpreise, wie auch für den Umfang des Eigen⸗ thumswechsels der größeren landwirthschaftlichen Besitzungen sehr werthvoll werden. 1 8

Zur Arbeiterbeweagung.

Zu dem in der Maschinenfabrik (Aktien⸗Gesellschaft, vorm. A. Lehniger) in Betschau (Regierungsbezirk Frankfurt) wegen Lohn⸗ streitigkeiten ausgebrochenen Ausstand wird der „Voss. Ztg.“ mitgetheilt, daß daselbst augenhlicklich nur mit den Meistern und 40 bis 50 Lehr⸗ lingen gearbeitet wird, um den Betrieb nicht ganz einstellen zu müssen. Die Axbeiter sind gewillt, ihre Thättakeit wieder aufzunehmen, wenn die Direktion von den streitigen 10 % Abzug die Hälfte zulegt. Dagegen will diese erst dann darauf eingehen, wenn 10 ½ Stunden gearbeitet werden kann.

Aus Paris wird der „Rh. Westf. Ztg.“ berichtet, daß 3000 Kutscher der „Compagnie gérérale“ den allgemeinen Aus⸗ stand beschlossen haben. (Vergl. Nr. 209 d. Bl.)

In St. Etienne wurde, wie „W. T. B.“ vom gestrigen Tage meldet, in eine Versammlung von verschiedenen Gewerken angehörigen Arbeitern gleichfalls der allgemeine Ausstand beschlossen, um die

Ausständigen der dortigen Straßenbahn zu unterstützen.

8

Kunst und Wissenschaft.

Im Kunstsalon von Schulte (Unter den Linden 1) haben geger wärtig in buntem Durcheinander viele auswärtige und Berliner Künstler ausgestellt. Die Zahl der vertretenen Maler ist so groß, daß der Einzelne nur erwähnt, nicht gewürdigt werden kann, obgleich es an interessanten Erscheinungen, die eine eingehendere Besprechung verdienten, nicht sehlt. Zunächst finden wir eine Reihe von Münchnern, deren Bilder diesen Sommer im Glasvpalast und in der Sezession zu sehen waren. Unter diesen sind Josef Oppenheimer und Paul Schroeter mit Bildnissen vertreten. Oppenheimer hat eine sehr lebendige Porträt⸗ gruppe, in breiten, kühnen Strichen gemalt und sehr vornehm in der Farbe, sodann einen charakterwwollen Kopf und eine Lichtstudie ausgestellt Von Paul Schroeter sehen wir eine Anzahl von 5„ die recht geschickt gemacht sind, ohne jedoch stärkeres Interesse zu wecken Auch in seinen beiden Oelbildern liegt viel Können. Dagegen ist das große, anspruchsvolle Bild einer Dame in Gesellschaftstoilette von Adolf Heller wenig fesselnd. Viel Sorgfalt scheinen die Münchner dem Still⸗ jeben zuzuwenden; es sind bemerkenswerthe Arbeiten darunter, so das von Anton Laupheimer, der zugleich einen realistischen und inntig empfundenen Martenkopf ausstellte, und von Heln Hooge beides selbständig und künstlerisch empfundene Bilder. Landschaften sehen wir von Melchior Kern und Friedrich Eckenfelder; der erstere bietet fehr verschiedenartige Bilder, sein Bestes in der „Wolkenlandschaft“, die sehr wahr wirkt.

Unter den Ausländern ist den venetianischen Malern ein besonders großer Platz eingeräumt; sie siad in stattlicher Anzahl vertreten und preisen alle, jeder auf seine Act, die Schöaheit ihrer Heimathstadt. Ha sehen wir Venedig im Schlaf von Bezzi, einen Abend in Venedig von Laurenti, plaudernde Venezianerinnen von Fapretto und ähnliches mehr. Doch bieten sie auch anderes, so Ciardi zwei weiche Landschaften, die viel Naturgefühl zeigen, mit anmuthigen Kindern darin, und⸗Laurenti das feine, ein wenig farblose Pastell „Hirtenleben“. Neben ihnen haben die Schotten ausgestellt. Unter diesen ist der interessanteste Henry George. Er nennt seine beiden Bilder „Die Federboa“ und „Der graue Hut“. Es sind Porträts. Das erste, dao eine Dame in ganzer Ftigur darstellt und mit verblüffend sicherer Technik gemalt ist, erreicht eine wundervolle Harmonie von braunen Tönen; die lange Boa, das Kleid, der Hintergrund, alles ist meisterhaft gegen einander abgestimmt. Das zweite, ein sitzendes Mäechen, das den Beschauer anblickt. ist mit großer Lriebe und Wahrheit durchge⸗ führt. Alexander Roche ist wieder mit seinen matten, vornehmen Landschaften vertreten, die sich durch diskrete Farbengebung auszeichnen.

Von Berliner Künstlern hat Müller⸗Kurzwelly eine

umfassende Anzahl von Landschaften ausgestellt, drei größere und viele kleine. Seine Motive sind mit großem Geschick gewählt und ver⸗ rathen viel Naturverständniß, nur sind die grellen Farben, der blanke Firnis und die allzu subtile Ausführung ihm eigenthümlich geblieben. Werner Begas zeigt sich als nicht ungeschickten Porträtisten, vo Helen Iversen süben wir ansprechende Garteninterieurs un Sti Uleben. 8

*) Die Fläche ist nach der genannten Quelle in Morgen an⸗

gegeben, deren 3,92 auf das Hektar gehen. 11“

““

* Zum Schluß seien noch Moffat Lindner aus St. Ives mit seinem dekorativ wirkungsvollen Herbstbilde und Friedrich Hell aus Tirol mit seinen absonderlichen, 8 Stillleben erwähnt.

An Bildwerken sind getönte Studienköpfe von dem Berliner Künstler von Se und eine Anzahl der zierlichen, stilisierten und anmuthsvollen Valgren’schen Figürchen zu sehen.

Tycho Mommsen, ein jüngerer

Der Philolog Professor

Bruder des Altertbumsforschere Professors Theodor Mommsen, ist,

wie „W. T. B.“ meldet, in der Nacht von Freitag zum Sonnabend in Frankfurt a. M. gestorben. Er war am 23. Mai 1819 zu Garding (Schleswig) studierte in den Jahren 1838 bis 1843 in Kiel, bereiste von 1846 bis 1848 Italien und Griechenland und wurde dann Lehrer am Gymnasium zu Hufum. Nach der Schlacht bei Idstedt (1850) von dort vertrieben, erhielt er eine Anstellung am Realgymnasium zu Eisenach, die er später mit der Direktion einer Realschule in Oldenburg vertauschte. Seit dem Jahre 1864 wirkte er als Gymnasial⸗Direktor zu Frankfurt a. M. und trat im Jahre 1885 in den Ruhestand. Seinen Ruf begründete er durch eine Schrift über Pindar (Kiel 1845) und eine metrische Uebersetzung dieses Dichters (Leipzig 1846; 2. Auflage 1853). In weiteren Kreisen wurde sein Name durch seine kritischen Arbetten über Shakespeare bekannt, unter denen „Der Perkins⸗Shakespeare“ (Berlin 1854) und die kritische Ausgabe von „Romeo und Julia“ (Oldenburg 1859) die bedeutendsten siad. Außerdem sind hervorzuheben „Die Kunst des Uebersetzens fremdsprach⸗ licher Dichtungen“ (2. Auflage Frankfurt a. M. 1886), zwei Pindar⸗ Ausgaben (Berlin 1864 und 1866), die eine neue Grundlage zur Kritck des Dichters schufen. Pindar⸗Scholien (Kiel 1861; Frank⸗ furt a. M. 1865 und 1867), „Parerga Pindarica“ (Berlin 1877) und „Beiträge zu der Lehre von den griechischen

(4 Hefte, Frankfurt a. M. und Berlin 1886 1895).

b In ganz Ungarn wurde, wie „W. T. B.“ aus Budapest meldet, am Sonnabend der hundertste Ies Ere des Dichters Michael Vörösmarty festlich begangen. An der Gedenkfeier

in Stuhlweißenburg nahmen der Minister⸗Präsident von Szell,

der Unterrichts⸗Minister von Wlassics, der Landwirthschafts⸗Minister

Daranyi, fowie Abordnungen der beiden Häuser des Reichstages und

der Akademie der Wissenschaften theil. ö

11616“ 8. 1 Anläßlich der Feier des 25jährigen Bestehens der

Universität zu Czernowitz, welche am Sonnabend in Anwesen⸗

heit des Unterrichts⸗Ministers stattfand, wurden, wie „W. T. B.“

berichtet, die Professoren Pernice, Wagner und von Liszt in

Berlin. Strohal und Wach in Leipzig, von Seydel und Ull⸗.

mann in München zu Ehrendoktoren ernannt.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ b Maßregeln. 6

HFortashmnk16“

Durch eine im Diario do Governo“ Nr. 268 veröffentlichte Verfügung des Königlich portugiesischen Ministeriums des Innern vom 24. Nevember d. J. wird bestimmt, daß die Herkünfte aus Alexandrien den durch die Verfügung vom 14. April 1897 einge⸗ führien Maßregeln zur Verhuüͤtung der Einschleppung der Beulenpest zu unterwerfen sind. (Vergl. „R.⸗Anz.“ Nr. 97 vom 26 April 1897.)

Durch eine weitere Verfügung des genannten Ministertums vom 26. v. M. sins die seiner Zeit aus Anlaß der Pestgefahr gegen Tamatave (Madagaskar) angeordneten Maßregeln aufge⸗ hoben worden. (Vergl. „R.⸗Anz.“ Nr. 253 vom 23. Oktober d. 8.)

Theater und Musik.

Königliches Opernhauszs.

Mit Allerhöchster Genehmigung fand gestern zum Besten der Unterstützungskassen des Vereins „Berliner Presse“ eine von seiten des letzteren veranstaltete Matinée statt, zu welcher sich eine zahlreiche Zuhörerschaft eingefunden hatte. Zur Aufführung gelangten die einaktige Operette „Dorothee“ von Offenbach, sowie ein reizvolles Mimodrama „Die Hand“, verfaßt, in Musik gesetzt und persönlich geleitet von Henry Berény. Dazwischen trug Herr

Trojan, Louis Hermann und Georg Kleinecke vor. Der feische, humorvolle Geist, der alle Operetten Offenbach's durchweht, übte auch in dem oben genannten Werke beiternde Wirkung auf das Publikum aus. Trefflich gab Fräulein Reichsberg (vom Friedrich Wilhelmstädtischen Theater) die Titelrolle der vielumworbenen Dorfschönen Dorothee, welche sich voreilig einem armen Schullebrer verspricht und diesem von dem martialischen Wachtmeister Kleinpeter, ihrem Jugendfreunde, nach mancherlei Verlegenheiten am Tage des Aufgebots entrifsen wirrd. Die Darsteller dieser Rollen, die Herren Becker und Josephi (von demselben Theater), boten gleichfalls durchaus befrie⸗ digende Leistungen. Sämmtliche Mitwirkenden ernteten reitchen

Spiel zwischen einem nach dem kostbaren Schmuck einer Tänzerin lüsternen Einbrecher sowie einem Verehrer derselben und machte dem Autor sowohl wie den Datstellern alle Ehre. Namentlich stellte Frau Prasch⸗Grevenberg (vom Berliner Theater) die beim Anblick des Einbrechers zu Tode erschrockene Tänzerin sehr ausdrucksvoll dar; die mitwirkenden Herren Grube und Boettcher zeigten ebenfalls eine außerordentlich lebendige Mienen⸗ und Geberdensprache. Auch dieser Gabe wurde lebhafter Beifall gespendet, und der Versasser konnte seinen Antheil daran am Schluß des Werkes in Person ent⸗

gegennehmen. Aönigliches Shhauspielhaus.

Die Königliche Bühne, welche mit den kraftvollen Dramen Hebbel's schon manchen schönen, künstlerischen Erfolg errungen hat, brachte am Sonnabend „Agnes Bernauer“, ein Werk des dithmarsischen Dichters, zur Aufführung, relches damit nahezu fünfzig Jahre nach seiner Entstebung (es ist im Jahre 1851 geschrieben) hier zum ersten Male zur Darstellung gelangte. Die traurige Geschichte des „Engels von Augsburg“ ist schon mehrfach füͤr die Bühne bearbeitet worden: Graf Törring (1780). Adolf Boettger (1846), Otto Ludwig (1852), Melchio: Meyr (1862) und neuersings Martin Greif haben den Stoff dramatisch verwerthet, welcher zuletzt in der Form, welche ihm Melchior Meyr gegeben batte, im Jahre 1870 dem Publikum des Köaiglichen Schauspielhauses bekaunt wurde. Der historische Vorgang, welcher dem Werke zu Grande liegt, ist folgender: Agnes Bernauer, die schöne Tochter eines Babders in Augsburg, machte einen so tiefen Ein⸗ druck auf den jungen Herzog Ailbrecht III. von Bayern, den einzigen Sohn des Herzogs Ernst von Bayern⸗München, daß er sich im Jahre 1432 heimlich mit ihr vermählte und in stiller Zurückgezogenbeit auf seinem Schlosse Vohburg mit ihr lebte. Der Plan des Vaters, Albrecht mit einer Tochter des Herzogs Erich von Braun⸗ schweig zu vermählen, brachte die Sache an den Tag. Als er desmwegen von ritterlichen Festen ausgeschlossen werden sollte, erklärte Albrscht Agnes für seine rechtmäßige Gemahlin. Aber während Albrecht 8 Abwesenheit wurde Asnes auf Besehl des Herzwgs Ernst ver⸗ haftet, der Zaurerei angellagt und am 12. Oktober 1435 bet Straubing in der Donau erträakt. Albricht begab sich grollend zum Herzog Ludwig nach Ingelstadt, versöhnte sich aber bald dar⸗ auf wieder mit seinem Vater nad heirathete auf dessen Wunsch im Jahre 1436 Anna von Braunschweig; doch ließ er im Jahre 1447 die Gebeine der „ehrsamen Fcau Agnesen der Pernawerin“ in die von ihr einst gestiftete Grabstätte zu Straubing bringen und mit einem marmornen Grabstein decken. Diese geschichtlichen That⸗

sachen hat Hebbel fast naverändert in seinem Trauerspiel verwerthet, aber in der pfychologischen Vertiefung, die er den einzelnen Charakteren 1 8 88 1u“

Präpositionen-⸗

Georg Engels mit wirksamer Komik launige Dichtungen von Johannes

seine Anziehungskraft und er⸗

Beifall. Das zum Schluß gegebene Mimodrama war ein stummes

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