1900 / 297 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 14 Dec 1900 18:00:01 GMT) scan diff

auf die Werkstätten der Kleider⸗ und Wäschekonfektion, vom 31. Mai 1897 (R.⸗G.⸗Bl. S. 459). .

III. Für Bäckereien und Konditoreien, die mit Motoren betrieben werden, ohne daß sie als Fabriken anzusehen sind, treten mit dem 1. Januar 1901 folgende Vorschriften neu in Kraft:

1. 135 Abs. 1 der Gewerbeordnung.) Kinder unter dreizehn Jahren dürfen in solchen Werkstätten über⸗ haupt nicht, Kinder über dreizehn Jahre nur dann beschäftigt werden, wenn sie nicht mehr zum Besuche der Volksschule verpflichtet sind.

88 137 Abs. 4 der Gewerbeordnung.) Arbeiterinnen über sechzehn Jahre, die ein Hauswesen zu besorgen haben, sind auf ihren Antrag eine halbe Stunde vor der Mittagspause zu entlassen, sofern diese nicht mindestens ein und eine halbe Stunde beträgt.

.(§ 137 Abs. 5 der Gewerbeordnung.) Wöchnerinnen dürfen während vier Wochen nach ihrer Niederkunft überhaupt nicht und während der folgenden zwei Wochen nur beschäftigt werden, wenn das Zeugniß eines approbierten Arztes dies für zulässig erklärt.

Finsichtlich der Aufsicht über die Ausführung dieser Be⸗ stimmungen gilt § 139b der Gewerbeordnung.

Im übrigen bewendet es für diese Werkstätten bei den Vorschriften der Bekanntmachung, betreffend den Betrieb von und Konditoreien, vom 4. März 1896 (R.⸗G.⸗Bl.

.55).

IV. Für die nicht als Fabriken anzusehenden Getreide⸗ mühlen mit Motorbetrieb, mit Ausnahme derjenigen, in welchen ausschließlich oder vorwiegend Dampfkraft verwendet wird, treten gleichfalls die unter Ziffer III bezeichneten Be⸗ stimmungen der Gewerbeordnung mit dem 1. Januar 1901. neu in Kraft. Daneben behalten die Bestimmungen der Be⸗ kanntmachung, betreffend den Betrieb von Getreidemühlen, vom 26. April 1899 (R.⸗G.⸗Bl. S. 273) ihre Gültigkeit.

Für Getreidemühlen mit Motorbetrieb, in denen aus⸗ schließlich oder vorwiegend Dampfkraft verwendet wird, greifen, sofern sie nicht als Fabriken anzusehen sind, neben den Vorschriften der Bekanntmachung vom 26. April 1899 die nachfolgend unter Ziffer VA. 1 und A. 2a aufgeführten Be⸗ stimmungen Platz. .

V. Auf alle anderen nicht unter die Ziffern I bis IV Abs. 1 fallenden Werkstätten mit Motorbetrieb finden vom 1. Januar 1901 ab die Bestimmungen der §§ 135 bis 139 b der Gewerbeordnung in dem nachstehend näher begrenzten Um⸗ fange Anwendung, und zwar ie nach der Art der als Triebkraft benutzten elementaren Kraft oder des Betriebs entweder die Vorschriften in Abschnitt A oder diejenigen in Abschnitt B. Für die Motorbetriebe beider Gruppen kommt weiter in Betracht, wieviel Arbeiter in der Regel in der Werk⸗ statt beschäftigt werden, und bei den kleineren Motorwerk⸗ 18 mit weniger als zehn Arbeitern ferner, ob der

etrieb dem Handwerk zuzurechnen ist oder nicht.

A. Bestimmungen für Werkstätten mit Motorbetrieb,

oweit als Triebkraft andere elementare Kraft als aus⸗

chließlich oder vorwiegend unregelmäßige Wasserkraft

benutzt wird, und für alle Schleifer⸗ und Polierer⸗

werkstätten der Glas⸗, Stein⸗ und Metallver⸗

arbeitung mit Motorbetrieb ohne Rücksicht auf die Art der benutzten Triebkraft.

1. Werkstätten, in denen in der Regel zehn oder mehr Arbeiter beschäftigt werden. Aunuf diese Werkstätten finden die Bestimmungen der §§ 135 bis 139 b der Gewerbeordnung über die Beschäftigung von Kindern, jungen Leuten zwischen vierzehn und sechzehn Jahren und von Arbeiterinnen in Fabriken Anwendung. Diese größeren Motorbetriebe sind daher hinsichtlich der Beschäftigung der ge⸗ schacten Personen den Fabriken nunmehr grundsätzlich gleich⸗ tellt. 8 Eine Abweichung ist für sie nur insofern zugelassen, als Kinder zwischen dreizehn und vierzehn Jahren, die nicht mehr um Besuche der Volksschule verpflichtet sind, gleich den jungen zwischen vierzehn und sechzehn Jahren täglich zehn (statt sechs) Stunden beschäftigt werden dürfen. uch diese Ausnahme greift jedoch nicht für die Schleifer⸗ und Polierer⸗ werkstätten der Glas⸗, Stein⸗ und Metallverarbeitung Platz, in denen die Beschäftigung schulentlassener Kinder die Dauer von sechs Stunden täglich nicht überschreiten darf. (Vgl. ferner Abschnitt C.)

2. Werkstätten, in denen in der Regel weniger als zehn Arbeiter beschäftigt werden.

Auf diese kleineren Motorbetriebe finden im allgemeinen neben §§ 139 a, 139b der Gewerbeordnung die §§ 135 bis 138 des Gesetzes in der nachstehend unter a aufgeführten Fassung Anwendung. Für diejenigen Motorbetriebe mit weniger als zehn Arbeitern, welche als zum Handwerk ge⸗ hörig angesehen werden, treten jedoch hinsichtlich der Beschäf⸗ tigung männlicher jugendlicher Arbeiter (Knaben zwischen Feiesn und vierzehn Jahren, die nicht mehr zum Besuche der Volksschule verpflichtet 1na. und junger Burschen zwischen vierzehn und sechzehn Jahren) einzelne der letztgenannten Vor⸗ schriften außer Anwendung. Das Nähere hierüber aus den Bestimmungen unter b. 8

a. Allgemeine Bestimmungen.

1.) 135 der Gewerbeordnung.) Kinder unter dreizehn Jahren duürfen nicht beschäftigt werden. Kinder über dreizehn Jahre dürfen nur beschäftigt werden, wenn sie nicht mehr zum Besuche der Volksschule verpflichtet sind.

Die Beschäftigung von Kindern unter vierzehn 858 und von jungen Leuten zwischen vierzehn und sechzehn Jahren darf die Dauer von zehn Stunden täglich nicht überschreiten. 89 Schleifer⸗ und Poliererwerkstätten der Glas⸗, Stein⸗ und

etallverarbeitung dürfen jedoch Kinder nicht länger als sechs Stunden täglich beschäftigt werden.

2.) 136 der Gewerbeordnung.) Die Arbeitsstunden der

ugendlichen Arbeiter [Ziffer 1.)] dürfen nicht vor fünfeinhalb

hr Morgens beginnen und nicht über achteinhalb Uhr Abends dauern. Zwischen den Arbeitsstunden müssen an jedem Arbeits⸗ tage regelmäßige Pausen gewährt werden. Für jugendliche Ar⸗ beiter, welche nur sechs Stunden täglich beschäftigt werden, muß die Pause mindestens eine halbe Stunde betragen. Den übrigen jugendlichen Arbeitern muß mindestens entweder Mittags eine einstündige sowie Vormittags und Nachmittäags je eine halb⸗ stündige, oder Mittags eine einundeinhalbstündige Pause gewährt werden. Eine Vor⸗ und Nachmittagspause braucht nicht

Dauer ihrer durch eine Pause nicht unterbrochenen Arbeitszeit

ergiebt sich

8

am Vor⸗ und Nachmittage je vier Stunden nicht übersteigt. Während der Pausen darf den jugendlichen Arbeitern eine Beschäftigung im Werkstattbetriebe nicht gestattet werden.

An Sonn⸗ und Festtagen sowie während der von dem ordentlichen Seelsorger für den Katechumenen⸗ und Kon⸗ firmanden⸗, Beicht⸗ und Kommunionunterricht bestimmten Stunden dürfen jugendliche Arbeiter nicht beschäftigt werden. 3.) 137 der Gewerbeordnung.) Arbeiterinnen dürfen nicht in der Nachtzeit von achteinhalb Uhr Abends bis fünf⸗ einhalb Uhr Morgens und am Sonnabend sowie an Vor⸗ abenden der Festtage nicht nach fünfeinhalb Uhr Nachmittags beschäftigt werden.

Die Beschäftigung von Arbeiterinnen über sechzehn Jahre darf die Dauer von elf Stunden täglich, an den Vorabenden der Sonn⸗ und Festtage von zehn Stunden, nicht überschreiten. Zwischen den Arbeitsstunden muß den Arbeiterinnen eine mindestens einstündige Mittagspause gewährt werden. Arbeiterinnen über sechzehn Jahre, welche ein Hauswesen zu besorgen haben, sind auf ihren Antrag eine halbe Stunde vor der Mittagspause zu entlassen, sofern diese nicht mindestens ein und eine halbe Stunde beträgt. . Wöchnerinnen dürfen während vier Wochen nach ihrer Niederkunft überhaupt nicht und während der folgenden zwei Wochen nur beschäftigt werden, wenn das Zeugniß eines approbierten Arztes dies für zulässig erklärt.

Die Bestimmungen im Abs. 1, 2 finden auf Arbeiterinnen, welche in Badeanstalten ausschließlich oder vorwiegend mit der Bereitung der Bäder und der Bedienung des Publikums be⸗ schäftigt sind, keine Anwendung. 4.) 138 der Gewerbeordnung.) Sollen Arbeiterinnen oder jugendliche Arbeiter bee werden, so hat der Arbeit⸗ eber vor dem Beginne der Beschäftigung der Ortspolizei⸗ behörde eine schriftliche Anzeige zu machen. In der Anzeige ist die Lage der Werkstätte und die Art des Betriebs an⸗ zugeben. 4

Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, daß in den Werk⸗ statträumen, in welchen Arbeiterinnen oder jugendliche Arbeiter beschäftigt werden, eine Tafel ausgehängt ist, welche in der von der Landes⸗Zentralbehörde zu bestimmenden Fassung und in deutlicher Schrift einen Auszug aus den Bestimmungen über die Beschäftigung von jugendlichen Arbeitern und von

Arbeiterinnen enthält.

5.) Ueber die in Ziffer 3.) Abs. 1, 2 festgesetzte Zeit hinaus dürfen Arbeiterinnen uͤber sechzehn Jahre an vierzig Tagen im Jahre beschäftigt werden. Diese Beschäftigung darf dreizehn Stunden täglich nicht überschreiten und nicht länger als bis zehn Uhr Abends dauern. Hierbei kommt jeder Tag in An⸗ rechnung, an welchem auch nur eine Arbeiterin über die nach Ziffer 3 zulässige Dauer der Arbeitszeit hinaus beschäftigt ist.

Gewerbetreibende, welche Arbeiterinnen über sechzehn Jahre auf Grund der vorstehenden Bestimmungen über die in Ziffer 3.) Abs. 1, 2 festgesetzte Zeit hinaus beschäftigen, sind verpflichtet, ein Verzeichniß anzulegen, in welches jeder Tag, an dem Ueberarbeit stattgesunden hat, noch am Tage der Ueberarbeit einzutragen ist. Das Verzeichniß ist auf Erfordern der Ortspolizeibehörde, sowie dem Gewerbeaufsichtsbeamten jeder Zeit vorzulegen.

6.) Für mehr als vierzig Tage im Jahre kann auf An⸗ trag des Arbeitgebers eine Ueberbeschäftigung in dem aus Affe 5.) Abs. 1 sich ergebenden Umfange von der unteren Verwaltungsbehörde gestattet werden, wenn die Arbeitszeit für die Werkstätte oder die betreffende Abtheilung der Werksätte so geregelt wird, daß ihre tägliche Dauer im Durchschnitt der Betriebstage des Jahres die regelmäßige gesetzliche Arbeitszeit nicht überschreitet.

Der Antrag ist schriftlich zu stellen und muß den Grund, aus welchem die Erlaubniß beantragt wird, die Zahl der in Betracht kommenden Arbeiterinnen, das Maß der längeren Beschäftigung sowie den Zeitraum angeben, für den diese stattfinden soll. Der Bescheid der unteren Verwaltungsbehörde auf den Antrag ist binnen drei Tagen schriftlich zu ertheilen. Gegen die Versagung der Erlaubniß steht die Beschwerde an die vorgesetzte Behörde zu.

Die untere Verwaltungsbehörde hat über die Fälle, in denen die Eclaubniß ertheilt worden ist, ein Verzeichniß zu führen, in welches der Name des Arbeitgebers und die für den schriftlichen Antrag vorgeschriebenen Angaben einzu⸗ tragen sind.

Die untere Verwaltungsbehörde kann die Beschäftigung von Arbeiterinnen über sechzehn Jahre, welche kein Haus⸗ wesen zu besorgen haben und eine Fortbildungsschule nicht besuchen, bei den in § 105 c- Abs. 1 der Gewerbeordnung unter Ziffer 3 und 4 bezeichneten Arbeiten an Sonnabenden und Vorabenden von Festtagen nach fünfeinhalb Uhr, jedoch nicht über achteinhalb Uhr Abends hinaus ge⸗ statten. Die Erlaubniß ist schriftlich zu ertheilen und vom Arbeitgeber zu verwahren.

7.) Wenn Naturereignisse oder Unglücksfälle den regel⸗ mäßigen Betrieb einer Werkstätte unterbrochen haben, so können Ausnahmen von den in Ziffer 1.) Abs. 2, Ziffer 2.) und 3.)

Abs. 1 bis 3 vorgesehenen Beschränkungen auf die Dauer von vier Wochen durch die untere Verwaltungsbehörde, auf längere Zeit durch die höhere Verwaltungsbehörde zugelassen werden. In dringenden Fällen solcher Art sowie zur Verhütung von Unglücksfällen kann die Ortspolizeibehörde solche Ausnahmen höchstens auf die Dauer von zwei Wochen gestatten.

Wenn die Natur des Betriebs oder Rücksichten auf die Arbeiter in einzelnen Werkstätten es erwünscht erscheinen lassen, daß die Arbeitszeit der jugendlichen Arbeiter oder der Arbeiterinnen in einer anderen als der durch Ziffer 2.), 3.) Abs. 1, 3 vorgesehenen Weise geregelt wird, so kann auf be⸗ sonderen Antrag eine anderweite Regelung hinsichtlich der Pausen durch die untere Verwaltungsbehörde, im übrigen durch die höhere Verwaltungsbehörde gestattet werden. Jedoch dürfen in solchen Fällen die jugendlichen Arbeiter nicht länger als sechs Stunden beschäftigt werden, wenn zwischen den Arbeitsstunden nicht Pausen von zusammen mindestens ein⸗ stündiger Dauer gewährt werden.

Die auf Grund vorstehender Bestimmungen zu treffenden Verfügungen müssen schriftlich erlassen werden.

b. Besondere Bestimmungen für Werkstätten des Handwerks.

1.) Zum Handwerk im Sinne dieser Bestimmungen sind zu rechnen die Betriebe der Bandagisten, Bandwirker, Böttcher, Buchbinder, Büchsenmacher, Bürsten⸗ und Pinselmacher, Draht⸗ flechter, Drechsler, Stein⸗, Zink⸗, Kupfer⸗ und Stahldrucker,

V Kammmacher, Klempner, Kürschner, Kupferschmiede vhe ahnlege⸗ Metallgießer, Metzger (Fleischer), Mühlenbauer Musikinstrumentenmacher, VZ“ Sattler (Riemer, Täsch⸗ ner), Schiffbauer, Schlosser, Grob⸗ und Hufschmiede, Schneider,

Schreiner 2 Schuhmacher, Seifensieder, Seiler, Stell macher (Wagner, Radmacher), Tapezierer, Töpfer, Tuchmacher Uhrmacher, Weber.

Durch Verfügung des Regierungs⸗Präsidenten, für Berli des Polizei⸗Präsioenten, kann für ihren Bezirk oder Theil desselben bestimmt werden, daß gewisse Arten der vorbezeich neten Gewerbszweige, welche nach den besonderen Verhältnisse des Bezirks nicht handwerksmäßig betrieben werden, nich zum Handwerk im Sinne der vorstehenden Bestimmung z rechnen sind.

2.) Für Werkstätten des Handwerks mit Motorbetrieb, in denen in der Regel weniger als zehn Arbeiter beschäftigt werden, gelten im allgemeinen gleichfalls die vorstehend unter a Ziffer 1.) bis 7.) aufgeführten Bestimmungen. Mit Rücksicht an das Halten und die Ausbildung der Lehrlinge finden jedoch auf die Beschäftigung männlicher jugendlicher Arbeiter (schulentlassener Knaben unter vierzehn Jahren, junger Burschen zwischen vierzehn und sechzehn Jahren) in solchen Betrieben die folgenden Vorschriften keine Anwendung:

schränkung der Dauer der täglichen Beschäftigung auf zehn Stunden), Ziffer a 2.) Abs. 1, 2 (betreffend die Lage der Arbeitszeit und die Pausen), Ziffer a 4.) (betreffend die der Ortspolizeibehörde zu eerstattende schriftliche Anzeige und den Auszug aus den Bestimmungen über die Beschäftigung jugend⸗ licher Arbeiter). .

B. Bestimmungen für Werkstätten mit Motorbetrieb, in denen ausschließlich oder vorwiegend unregelmäßige Wasser⸗ kraft als Triebkraft benutzt wird, (Werkstätten mit Wasser⸗ betrieb) mit Ausnahme der Schleifer⸗ und Poliererwerkstätten 8 der Glas⸗, Stein⸗ und Metallverarbeitung.

Auf diese Werkstätten finden neben §§ 139a, 139 b der Gewerbeordnung die §§ 135 bis 139 des Gesetzes in dem nachstehend aufgeführten Umfange Anwendung: 1

1. Allgemeine Bestimmungen.

1.) 135 Abs. 1 der Gewerbeordnung.) Kinder unter dreizehn Jahren dürfen nicht beschäftigt werden. Kinder über dreizehn Jahre dürfen nur beschäftigt werden, wenn sie nicht mehr zum Besuche der Volksschule verpflichtet sind. b 2.) 136 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 137 Abs. 1 der Gewerbeordnung.) Die Arbeitsstunden der jugendlichen Ar⸗ beiter und der Arbeiterinnen dürfen nicht vor fünfeinhalb Uhr hcttisehs beginnen und nicht über achteinhalb Uhr Abends auern. An Sonn⸗ und Festtagen, sowie während der von dem ordentlichen Seelsorger für den Katechumenen⸗ und Konfir⸗ manden⸗, Beicht⸗ und Kommunionunterricht bestimmten Stunden dürfen jugendliche Arbeiter nicht beschäftigt werden. 3.) 137 Abs. 4, 5 der Gewerbeordnung.) Arbeiterinnen über sechzehn Jahre, welche ein Hauswesen zu besorgen haben, sind auf ihren Antrag eine halbe Stunde vor der Mittags⸗ pause zu entlassen, sofern diese nicht mindestens ein und eine halbe Stunde beträgt. Wöchnerinnen dürfen während vier Wochen nach ihrer Niederkunft überhaupt nicht und während der folgenden zwei Wochen nur beschaftigt werden, wenn das Zeugniß eines approbierten Arztes dies für zulässig erklärt. 4.) 138 der Gewerbeordnung.) Sollen Arbeiterinnen oder jugendliche Arbeiter beschäftigt werden, so hat der Arbeit⸗ geber vor dem Beginn der Beschäftigung der Ortspolizeibehörde eine schriftliche Anzeige zu machen. Lage der Werkstätte und die Art des Betriebs

anzugeben.

statträumen, in welchen Arbeiterinnen oder jugendliche Arbeiter

in deutlicher Schrift einen Auszug aus den Bestimmungen

Arbeitern enthält.

in der Regel weniger als zehn

denen beschäftigt werden.

8

rinnen über sechzehn Jahre an vierzig Tagen im Jahre über achteinhalb Uhr Abends hinaus bis spätestens zehn Uhr Abends beschäftigt werden. Hierbei kommt jeder Tag in Anrechnung, an welchem auch nur eine Arbeiterin über achteinhalb Uhr Abends beschäftigt wird. Die Bestimmungen der Ziffer A. 2a 5.) Abs. 2 über das Verzeichniß finden entsprechende Anwendung. Für mehr als vierzig Tage kann die Beschäftigung bis zehn Uhr Abends unter entsprechender Anwendung der Bestimmungen in Ziffer A 2a 6.) Abs. 1 bis 3 gestattet werden.

Für Werkstätten, in denen in der Regel weniger als zehn Arbeiter beschäftigt werden, kann, wenn der regelmäßige Be⸗ trieb durch Naturereignisse oder Unglücksfälle unterbrochen is oder wenn die Natur des Betriebs oder die Rücksichten a die Arbeiter es erwünscht erscheinen lassen, von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in der 3 zwischen achrenhalh Uhr Abends und fünfeinhalb Uhr Morgen und die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter an Sonn⸗ und

Festtagen sowie während der von dem ordentlichen Seelsorger she den Katechumenen⸗ und Konfirmanden⸗, Beicht⸗ und Kom⸗ munionunterricht bestimmten Stunden unter entsprechender Anwendung der Bestimmungen in Ziffer A. 2a 7.) gestattet

werden. 6.) Auf die Beschäftigung männlicher

jugendlicher Ar⸗ beiter in Werkstätten des Handwerks (3ich

Ziffer B. 1. 2.) Abs. 1 und Ziffer B. 1. 4.) keine Anwendung⸗ 3. Für Motorwerkstätten mit unregelmäßiger

Arbeiter beschäftigt werden, regelt sich die Gewährung von Ausnahmen von der unter Ziffer B. 1. 2.) vorgesehenen 2eJchege,n00, der Arbeitszeit nach Maßgabe der Vorschriften in den §8 138a, 139 der Ge⸗ werbeordnung. C. Von den auf Grund des § 139a der Gewerbeordnung bisher vom Bundesrath für einzelne Fabrikations weige 8-

gewährt zu werden, sofern die jugendlichen Arbeiter täglich nicht läng ' cht Stund 89 äftigt d d die 111. 1ö“ 9

. und Zeugdrucker, Feilenhauer, Feinmechaniker, Gerber, laser, Gold⸗ und Si

dSilberarbeiter, Graveure, Handschuhmacher,

lassenen besonderen Bestimmungen find otorw

gZiffer a 1.) Abs. 2 Satz 1 (betreffend die Be⸗ Pesttage nicht länger als 10 Stunden täglich

Pfer 11, 13 Abs. 1, Ziffer 14, 15 Abs. 1 Bek)

In der Anseige ist die Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, daß in den Werk⸗ 8

beschäftigt werden, eine Tafel ausgehängt ist, welche in der von der Landes⸗Zentralbehörde zu bestimmenden Fassung und

über die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen

2. Besondere Bestimmungen für mMereasga⸗ in

5.) In diesen kleineren Motorwerkstätten dürfen Arbeite.

er A. 2 b 1.)

mit Motorbetrieb, in denen in der Regel weniger als zehn Arbeiter beschäftigt werden, finden die Bestimmungen unter

Wasserkraft, in denen in der Regel zehn oder mehr

1ur die Bekanntmachung, betreffend die Einrichtung

33 ½ 1 2 : 6* Betrieb der zur Anfertigung ö bestimmten

218) Anwendung.

8

e B. b Anlag Auszug

us den Bestimmungen der Gewerbeordnung über

bie Beschäftigung von Arbeiterinnen über 16 Jahre.

gl. 88 137 und 138 der Gewerbeordnung und Bekannt⸗

1g betreffend die Ausführungsbestimmungen des Bundes⸗

raths ve.e. Beschaftigaeg von 1“ Arbeitern und beiterinnen in erkstätten mi otorbetri

n At 13. Juli 1900.) 11“

J. Wer Arbeiterinnen über 16 Jahre in einer Werk⸗ fätte mit Motorbetrieb beschäftigen will, muß hiervon der Drtspolizeibehörde vorher schriftliche Anzeige machen.

In der Anzeige ist die Lage der Werkstätte und die Art s Betriebs anzugeben. 138 Abs. 1 G.⸗O.; Ziffer 6 is 1, Ziffer 15 Abs. 1 Bek.)

II. Arbeiterinnen üher 16 Jahre dürfen nicht länger als 1Stunden täglich, an Vorabenden der Sonn⸗ und

beschäftigt terden. 137 Abs. 2 G.⸗O.; Ziffer 5 Abs. 2 Pebesc 8b Die Arbeitsstunden dürfen nicht in die Nachtzeit gischen 8 ½ Uhr Abends und 5 ½ Uhr Morgens fallen. Am onnabend sowie an Vorabenden der Festtage ist die Feschäftigung nach 5 ½ Uhr Nachmittags verboten. (S 137 s. 1 G⸗O.; Ziff. 5 Abs. 1 Bek.)

III. Zwischen den Arbeitsstunden muß den Arbeiterinnen inemindestens einstündige Mittagspause gewährt werden. 6137 Abs. 3 G.⸗O.; Ziffer 5 Abs. 3 Bek.)

Nrbeiterinnen über 16 Jahre, die ein Hauswesen zu be⸗ vrgen haben, sind auf ihren Antrag eine halbe Stunde zr der Mittagspause zu entlassen, sofern diese nicht min⸗ estens ein und eine halbe Stunde beträgt. 137 Abs. 4 G.⸗O.; üiffer 8 12 3 Bek.) dürf 9 1

IV. Wöchnerinnen dürfen während vier Wochen na hrer Niederkunft überhaupt nicht und während der 1 wei Wochen nur beschäftigt werden, wenn das; eugniß eines pprobierten Arztes dies für zulässig erklärt. 8 137 Abs. 5 .; Ziffer 5 Abs. 5 Bek.) 8

V. Die Bestimmungen in Ziffer II gelten nicht für Ar⸗ tteinnen, die in Badeanstalten 11““ oder vor⸗ segend mit der Bereitung der Bäder und der Bedienung des fablikums beschäftigt sind. (Ziffer 5 Abs. 6 Bek.) 3

Auf die Beschäftigung von Arbeiterinnen in Werkstätten,

denen ausschließlich oder vorwiegend unregelmäßige hasserkraft als Triebkraft benutzt wird, mit Ausnahme der clleifer⸗ und Poliererwerkstätten der Glas⸗, Stein⸗ und setallbearbeitung finden nur die Bestimmungen Ziffer 1*

Abs. 2 Satz 1, III Abs. 2 und IV Anwendung.

VI. Ueber die in Ziffer II festgesetzte Zeit hin⸗ us dürfen Arbeiterinnen über 16 Se set Jahre beschäftigt werden. Diese Beschäftigung darf 13 Stunden gich nicht überschreiten und nicht länger als bis 10 Uhr bends dauern. In den in Ziffer V Abs. 2 bezeichneten Werk⸗ sten, in denen in der Regel weniger als zehn Arbeiter be⸗ äiftigt werden, dürfen Arbeiterinnen über 16 Jahre an vierzig agen im Jahre über achteinhalb Uhr Abends hinaus bis ütestens 10 Uhr Abends beschäftigt werden. Bei der Be⸗

hnung der Tage kommt jeder Tag in Anrechnung, an dem ch nur eine Arbeiterin über die für gewöhnlich zulässige auer der Arbeitszeit hinaus beschäftigt ist.

Gewerbetreibende, welche von der vorstehenden Be⸗ mmung Gebrauch machen, sind verpflichtet, ein Ver⸗ schniß anzulegen, in welches jeder Tag, an dem Ueber⸗ beit stattgefunden hat, noch am Tage der Ueberarbeit ein⸗ ragen ist. (Ziffer 7, 16 Bek.)

In jedem Werkstattraume, wo Arbeiterinnen über 16 Jahre chäftigt werden, ist eine vafa⸗ welche diesen Auszug in liicher Schrift enthält, auszuhängen. 138 Abs. 2 G.⸗O.; fier 6 Abs. 2, Ziffer 15 Abs. 2 Bek.)

Anlage C. z den Bestimmungen der Gewerbeordnung über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter.

1. §§ 135, 136, 138 der Gewerbeordnung und Bekannt⸗

chung, betreffend die Ausführungsbestimmungen des

indesraths über die Beschäftigung von jugendlichen Arbeitern

d von Arbeiterinnen in Werkstätten mit Motorbetrieb, vom 13. Juli 1900.)

1I. Kinder unter 13 Jahren dürfen in Werkstätten Motorbetrieb nicht beschäftigt werden. 135 Abs. 1 G.⸗O.; . Abs. 1, Ziff. 12 Bek.)

J. Kinder über 13 Jahre dürfen in Werkstätten mit lorbetrieb nur beschäftigt werden, wenn sie nicht mehr zum lche der Volksschule verpflichtet sind. 135 Abs. 1 G.⸗O.; 3 Abs. 1, Ziff. 12 Bek.)

92 Minderjährige dürfen nur beschäftigt werden, I. mit einem durch die Polizeibehörde ihres letzten inden Aufenthaltsortes oder ihres ersten deutschen Arbeits⸗ e ausgestellten Arbeitsbuche versehen sind, welches von 1 itgeber einzufordern, zu verwahren und auf amt⸗ . erlangen jederzeit vorzulegen ist. (§§ 107 und 108 ün (Vergl. auch die in jedem Arbeitsbuche abgedruckten dil und 112 der Gewerbeordnung.)

84 Wer Kinder unter 14 Jahren oder junge Sozwif en 14 und 16 Jahren in einer Werkstätte behene eb beschäftigen will, muß hiervon der Orts⸗

- 9 vorher schriflliche „Anzeige machen. In der ngeben die Lage der Werkstätte und die Art des Betriebs 1 B) 8 138 Abs. 1 G⸗O.; Ziff. 6 Abs. 1, Ziff. 15 J. Kinder 1 in Schleif * unter 14 Jahren dürfen in Schleifer⸗ llüerrrvertzatten der Glas⸗, Stein⸗ und Metallverarbeitung getrieb nicht länger als 6 Stunden beschäftigt * übrigen Werkstätten mit Motorbetrieb

1 nger als 10 Stunden täglich be

tic nicht

bist werden.

eute zwischen 14 und 16 Jahr di

län zw Jahren duͤrfen

5 ger 82 10 Stunden taͤglich beschaftigt 1.82 * 2,3 G.O. Ziff. 8 Ahs. 2 Bek.

fen ni eitsstunden aller Arbeiter unter 16 Jahren * vor 5 ½ Uhr Morgeno beginnen und nicht über

188 Abs. 1. G.⸗O.; Ziff. 4 Abf. 1.

Die⸗Arbeiterinnen unter 16 Jahren dürfen überdies am Sonnabend Seh 9. der esacg⸗ nicht nach r Nachmittags beschäftigt werden. 137 Abs. O.; Ziff. 2.Abs. 1 Ver. 5 1

VI. Zwischen den Arbeitsstunden müssen allen Arbeitern unter 16 Jahren regelmäßige Pausen gewährt werden. Für solche, welche nur 6 Stunden täglich beschäftigt werden, muß die Pause mindestens eine halbe Stunde betragen. Den Uebrigen muß mindestens entweder Mittags eine einstündige sowie Vormittags und Nachmittags je eine halbstündige, oder Mittags eine einundeinhalbstündige Pause gewährt werden. Eine Vor⸗ und Nachmittagspause braucht nicht ge⸗ währt zu werden, sofern die jugendlichen Arbeiter täglich nicht länger als 8 Stunden beschäftigt werden und die Dauer ihrer durch eine Pause nicht unterbrochenen Arbeitszeit am Vor⸗ und Nachmittage je 4 Stunden nicht übersteigt. (S 136 Abs. 1 G.⸗O.; Ziff. 4 Abs. 1 Bek.)

2 II. Während der Pausen darf den Arbeitern unter 16 Jahren eine Beschäftigung im Werkstattbetriebe nicht gestattet werden. 136 Abs. 2 G.O.; Ziff. 4 Abs. 2 Bek.)

VIII. An Sonn⸗ und Festtagen sowie während der von dem ordentlichen Seelsorger für den Katechumenen⸗ und Konfirmanden⸗, Beicht⸗ und Kommunion⸗Unterricht besticmten —“ bürfen, 8u 16 Jahren nicht eschäftigt werden. 15 .3 G.⸗O.; Ziff. 4 Abs. 3, Ziff. 13 Abs. 2 Bek.) 29 LI A die Beschäftigung von Arbeitern unter 16 Jahren in Werkstätten, in denen ausschließlich oder vorwiegend unregelmäßige Wasserkraft als Triebkraft benutzt wird, mit Ausnahme der Schleifer⸗ und Poliererwerkstätten der Glas⸗, Stein⸗ und Metallverarbeitung finden nur die Be⸗ stimmungen Ziffer I bis IV, V Abs. 3 und VIII An⸗ wendung. (Ziff. 11 bis 13, Ziff. 15 Bek.)

X. Auf die Beschäftigung männlicher Arbeiter unter 16 Jahren in Werkstätten des Handwerks mit Motorbetrieb finden die Bestimmungen Ziffer IV, V Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, 3, VI und VII keine Anwendung. (Ziff. 10, 17 Bek.)

In jedem Werkstattraume, wo Arbeiterinnen unter 16 Jahren oder wo außerhalb des Handwerks männliche Arbeiter unter 16 Jahren beschäftigt werden, ist eine Tafel, welche diesen Auszug in deutlicher Schrift enthält, auszu⸗ hängen. 138 Abs. 2 G.⸗O.; Ziff. 6, 15 Bek.)

Deutscher Reichstag. 19. Sitzung vom 13. Dezember 1900. 12 Uhr.

Tagesordnung: Fortsetzung der ersten Berathung des Reichshaushalts⸗Etats für 1901. hung

Abg. Hug (Zentr.) verbreitet sich über die Finanzlage, ins⸗ besondere über die wachsenden Ausgaben und 848 Steiben 9- Schuldenlast des Reichs. Drei Wege seien vorhanden, den ent⸗ standenen Schwierigfeiten zu begegnen: Größere Sparsamkeit, schärfere Heranziebung der Einzelstaaten, wo möglich innerhalb des Ertrages der Ueberweisungssteuern, und Eröffnung neuer Einnahmequellen. In letzterer Beziehung sei auf eine Reichsvermögenssteuer hingewiesen worden. Eine solche würde aber in die Finanzhobeit der Einzel⸗ staaten zu sehr eingreifen, die auch sehr große Ausgaben zu erfüllen hätten. Durch eine Reibe solcher Eingriffe sei ohnehin die finanzielle Selbständigkeit der Einzelstaaten schon bedeutend geschädigt worden; man müsse auf diesem Gebiete viel vorsichtiger sein. Andererseits erfordere die Lage der Landwirthschaft, wie sie von den Abgg. Grafen Limburg und Schwerin geschildert worden sei, dringend Berücksichti⸗ gung. Dagegen empfehle sich vor allem eine bessere Ausgestaltung der Börsensteuer. Redner erklärt zum Schluß, als Christ und als Mensch den verdienten Staatssekretär Grafen Posadoweky gegen die Angriffe der Sozialdemokraten in Schutz nehmen zu müssen.

Abg. Freiherr von Hodenberg (b. k. F.): Wohl noch niemals hat sich die Etats⸗Generaldebotte so matt abgespielt wie diesmal. Nach den alarmierenden Mittheilungen des Schatzsekretärs über die Finanzlage hätte man doch eine gründlichere Erörterung erwarten sollen. Aber die Majoritätsparteien haben ein schlechtes Gewissen, sie fühlen sich selbst zu sehr schuld an der gegenwärtigen Finanz⸗ schwierigkeit, als daß sie sich mit ganzer Offenheit äußern sollten. Nur der Abg. Bebel hat ungeschminkt die Wahrbeit gesagt; Herr Müller⸗Fulda hat nichts weiter als die in seinem Munde eigenthüm⸗ lichen Rufe nach Sparsamkeit erhoben Die Stellung der deutsch⸗ hannöverschen Partei zur Burenfrage ist bekannt. Für England ist eine Anlehnung an das Deutsche Reich unbedingt nothwendtg. Die Unterlassung des Empfanges des Präsirdenten Krüger hat unzweifel⸗ haft dem deutschen Ansehen mehr geschadet, als der Empfang hätte thun können. Die letzte Oranierin, die jetzige Königin von Polland, ist thatsächlich der einzige Mann auf einem europäischen Thron, der den Muth seiner Meinung gehabt hat. Ob der Reichskanzler gestern dem Abg. Hasse gegenüber einen Sieg erfochten hat, weiß ich nicht. Höchstens war es ein Pyrrhussieg. Als ganz objektiver Zuhörer habe ich den Eindruck, daß der Abg. Hasse ruhtg und sachlich, der Reichs⸗ kanzler aber erregt gesprochen hat; auch habe ich mit Interesse be⸗ merkt, daß der Reichskanzler sich ärgern kann. Auch das Murren im Hause bei einigen seiner Ausführungen beweist, daß sein Auftreten nicht in jeder Beziehung das war, was man v„fair“ nennt. Gewiß weht vom Bundesrathstisch ein anderer Wind; es wird uns liebens⸗ würdiger und offener begegnet. Aber thatsächlich werden von dort in rhetorisch schöner Form macchiavellistische Grundsätze proklamiert, und wunderbarerweise jubeln die Parteien ihnen zu. Eine Politik ohne Herz ist auch eine Politik ohne Treue und ohne richtiges Ehrgefühl. Die Reichzverdrossenheit ist vorhanden; sie hat nicht abgenommen, sondern ist im Wachsen.

„Abg. Dr. Hahn (b. k. F.); Die Verquickung unserer aus⸗ wärtigen Politik mit der Handelspolitik durch die Handelsverträge hat sich als überaus schädlich herausgestellt, weshalb man wieder zu der gesunden Wirthschaftspolitik der Bismarck'’schen Zeit zurückkehren sollte. Die auswärtige Politik darf auf die Wirthschaftspolitik keinen

maßgebenden Einfluß ausüben. In der Biesmarck'schen Zeit hatten

alle Parteien volles Vertrauen zur auswärtigen Politik, namentlich England gegenüber; heute ist es durch die Verquickung mit der Wirthschaftspolitik nicht mehr der Fall; man betrachtet vielmehr unsere Politik England gegenüber mit steigendem Mißtrauen und ist der Ansicht, daß unsere wirthschaftlichen Interessen dem Auslande gegenüber nicht genügend gewahrt werden. Ich würde mich freuen, wenn die Regierung gelegentlich die Versicherung abgeben wollte, daß wir bei unserer Politik England gegenüber nichts zu befürchten haben. Wir haben in den letzten Jahren unseren industriellen Export ge⸗ föͤrdert auf Kosten der Landwirthschaft. Redner sucht dies an der Ein⸗ und Ausfuhrstattstik nachzuweisen und fährt dann fort: Es ist nun so weit gekommen, daß wir Rußland und Amerika gegen⸗ über immer mehr in Nachtheil gerathen, und daß diese beiden genannten Länder sich wirthschaftlich immer mehr von uns unabhängig machen. Nur das Großkapital hat ein Jateresse an dieser Entwickelung. Die Bedeutung des inländischen Marktes muß mehr ins richtige Licht gestellt werden, und unsere ganze Wirthschaftspolitik muß auf den Inlandsmarkt basiert werden. Unsere ganze Wirthschaftspolitik, namentlich in China, wird in der

Hauptsache nur zu Gunsten des Handels, des Absatzes unserer heimischen Industrie getrieben, und die Nation bringt große Opfer zu Gunsten ines kl. Bruch 8 er .Wenn sich jetzt die Er⸗

(Reformbedürftigkeit

schließung neuer Steuerquellen als nothwendig herausstellt, so ist das lediglich eine Folge der einseitigen Bevorzugung des Fene 19,9, gerade wird es die höchste Zeit, daß die Interessen der Landwirthschaft mebr berücksichtigt werden. Wir müssen eine derartige nationale Wirthschaftspolitik treiben, daß wir vom Auslande immer un⸗ abhängiger werden. Die Landwirthe rühren sich denn auch aller Orten, und ich begrüße in dieser Beziebung besonders die neuerliche Generalversammlung des rheinischen Bauernvereins in Köln. Mit Freuden begrüße ich es auch, daß die Nationalliberalen die Land⸗ wirthschaft besser schützen wollen. Ich hoffe, daß sie bezüglich der Höhe der Zollsätze auch der Landwirthschaft, nicht allein der Industrie Rechnung tragen; ich hoffe, daß unser Zolltarif endlich so eingerichtet wird, daß er den Bedürfnissen unseres Inlands⸗ marktes entspricht und nicht nur zu einem Handelkompensationsobjekt für einzelne Zweige des Exports gemacht wird. Dem Abg. von Hodenberg kann ich ‚darin nicht beistimmen, daß unsere Politik Transvaal und dem Präsidenten Krüger gegenüber eine macchtavellistische sei. Diese Politik ist keineswegs ohne Treu' und ohne Ehrgefühl. Der gesunde Menschenverstand sagt uns allerdings, es wäre für die Buren tröstlich gewesen, wenn Präsident Krüger in Berlin empfangen worden wäte. Aber in der Politik müssen diese Erwägungen zurücktreten. Gleichwohl kann ch mich nicht darüber freuen, daß Graf Bülow die Alldeutschen so wenig freundlich behandelt hat; es sind die besten Kämpen für nationale Selbst⸗ ständigkeit, und es wird die Zeit vielleicht kommen, wo Graf Bülow die Alldeutschen noch einmal brauchen wird. Das Zentrum hat in dem letzten Jahrzent sich für ebenso katholisch als deutsch erklärt und seine nationale Haltung in der Millitärdebatte gezeigt; damit hat sich mein Gefühl bezüglich der nationalen Sicher⸗ stellung ganz erheblich beruhigt. Herr Krüger hat, wie wir hören, einen Formfehler gemacht, das müssen wir bedauern. Es würde frendig von weiten Kreisen Deutschlands begrüßt werden, wenn sich die Möglichkeit böte, daß Krüger noch empfangen wird, damit nicht die Meinung aufkommt, daß wir uns vor England fürchten. Unser Verhalten gegenüber den Buren hat nicht nur Be⸗ deutung für die Erhaltung der südafrikanischen Republiken, sondern auch für unsere Stellung und unser Ansehen in der ganzen Welt. Ganz besonders die guten Beziehungen zu den Niederlanden müssen gepflegt werden. Nach zehnjährigem Interregnum haben wir endlich wieder einen Reichskanzler; hoffentlich bringt er das Bismarck'sche 8 zu Ehren: „Wir Deutsche fürchten Gott und sonst nichts Abg. Werner (Reformp.) führt aus, daß man den Bauernstand nicht länger als den Prügelknaben der Gesetzgebung behandeln könne. Man werde erst abzuwarten haben, ob in dieser Beziehung Graf Bülow in die Fußstapfen seines großen Vorgängers, des Fürsten Biemarck, treten werde. In der Botschaft von 1881 habe der Kaiser Wilhelm I. den Anspruch der produktiven Stände auf Berück⸗ sichtigung betont; der produktivste Stand sei der Bauernstand. Die der Militärpensionsgesetzgebung sei so evident, daß der Kriegs⸗Minister hier diligentiam prästieren müsse; das Haus habe jedenfalls nicht nöthig. ihm einen Entwurf auf dem Präsentierteller entgegenzubringen. Der Handwerkerstand sei auch durch die neuere liberale Gesetzgebung und Entwickelung fast völlig ruiniert worden; das neue Handwerkerkammergesetz habe ihm nicht genützt, sondern geschadet, und diese Wirkung hätten seine Freunde von allem Anfang vorausgesagt. Die unwürdige Konkurrenz, die dem kleinen Handwerker durch die Zuchthäusler gemacht werde, sei noch immer nicht beseitigt. Die Waarenhaussteuer sei ein Anfang, gehe aber lange nicht weit genug. Die deutsche Politik gegenüber den Buren sei, das könne man nicht hinwegleugnen, gegen die im Jahre 1896 gepflogene ins Gegentbeil umgeschlagen. Wenn damals der Staatssekretär von Marschall sich für die Unabhängigkeit Trans⸗ vaals ausgesprochen, wenn sich ein so großer Staat wie das Deutsche Reich damals so engagiert habe, so hätte man wohl jest dem alten Präsidenten Krüger eine freundlichere —— lassen können. Die Absage müsse natürlich den alten Herrn sehr un⸗ angenehm berührt haben. Der gunzer Grausamkeit eines Kapitalistenkrieges gefülrt, dür Krs Diamantenfelder seien. Die Interessen der dortigen Denrtscher mürden von den Engländern, unseren N. mit getreten, bar 8 —⸗ wie die der . ollte das Deutsche Reich doch mit seinem gan Stammesangehörigen eintreten. 1111“ Abg. Graf von Roon (d. kons.): Die zweijährige Dienstzeit ha⸗ unter anderen Gründen den gegen sich, daß 25 82— zwei Söhne hat, doch gewiß vortheilhafter ist, wenn einer von ihnen drei Jahre dienen muß, als wenn jeder zwei Jahre dienen muß. Es läßt sich diese Frage, die von verschiedenen Seiten angeschnitten ist, aber nicht so nebenbei abthun, wir werden den Ablauf der Probezeit für die zwei⸗ jährige Dienstzeit abzuwarten haben. Der Abg. Bebel ist ein sehr beredter, temperamentvoller, älterer Herr, der in etwas übertriebener Weise hier Anspruch macht, angehört zu werden, und der uns unsere Zeit sehr oft verschwenden macht, und das gefällt mir an ihm. Mit diesem Temperament und dieser Heftigkeit richtet er aber großes Unheil im Lande an. Wenn er von dieser Tribüne aus sagt: „Jeder Glaube ist Aberglaube“ und solche Ausdrücke fort und fort in uner hörtester Weise hier wiederholt, dann muß sich das H gerecht denkenden Menschen aufg tiefste empören. J Herr Bebel sollte sich schämen, daß er so ungerecht (Rufe: Unverschämmt! Präsident Graf von Ballestrem: Das dürfen Sie einem Kollegen nicht sagen, daß er sich schämen soll!) Ich werde mich freuen, wenn er in sich geht, und ihm dann geen die Bruderhand reichen. Die Erklärung des Kriegs⸗Ministers über die Lage der Militärpensions⸗Reform hat uns nur sehr unangenehm überraschen können, und ich bitte den Reichskanzler, in die Arbeit der betheiligten Ressorts etwas mehr Bewegung zu bringen, etwas mehr Dampf zu machen. Man vertröstet uns auf finanzielle Er⸗ wägungen, die noch schweben. Was sollen unsere alten Soldaten dazu sagen, wenn ihnen jetzt gesagt wird, der Invalidenfonds ist bankerott und dergleichen? ieses mißverständliche Wort hätte nicht gebraucht werden sollen. Kommt es nicht zu einer baldigen Regelung dieser Invalidenfrage, so wird kein anderes Mittel helfen, als im Militär⸗Etat und bei den strategischen Bahnen in Elsaß⸗Lothringen noch eine ganze Anzahl Millionen zu streichen, damit die Militär⸗ verwaltung sich des Ernstes der Sache bewußt wird. Keine Stunde läager darf mit dieser Resorm gezögert werden. Nach der gestrigen b.-Seen. des Reichskanzlers halte ich die Transvaal⸗Kruͤger⸗An⸗ gelegenheit für erledigt, und zwar für glücklich erledigt; es ist dadurch in die aufs tiefste erregte Bevölkerung eine große Beruhigun hineln- getragen worden. Ich freue mich, daß wir wieder einen Ker kanzler haben, der in kraftvoller Weise die Staatsautorität zur Geltung gt. Abg. Stoecker (b. k. F.): Der Abg. Bebel meinte, die bürger⸗ liche Gesellschaft sei unfähig, die Klassen⸗ und Nenennen, de, ganer⸗ lösen. Ich meine, was die Soztaldemokraten thun, trägt nur dazu bei diese Geensätze zu verschärfen. Wenn der Abg. Bebel gemeint hat, der Weihnachtsvers: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden müsse manchem im Halse stecken bleiben, so ist das nicht gerade ge- schmackvoll, aber auch nicht richtig. Davon, daß diese Worte wieder zur Geltung kommen, hängt das Glück und Heil der Menschheit ab. Diese mit Füßen getretenen Grundsätze müssen auf den Leuchter gestellt werden, damit sie wieder den Menschen erleuchten und bessern. Herr Bebel hat auf die ekelhaften Prozesse der letzten Zeit hingewiesen. Ich muß ihm darin zustimmen daß dieses Bild ung aufs tieffte bewegen und zum Nachdenken stimmen mur aber Böses kommt überall vor, und das Böseste und Schlimmste ist: daß solche e in der Presse breit getreten werden, als wäre es das Interessanteste und Pikanteste, was es in der Welt geben kann. Zuruf bei den Sozialdemokraten.)] Das geschieht in der gesammten resse. Man soll große und gute Dinge groß behandeln, aber nicht diese unsittlichen Dinge drei oder vier Wochen lang in mehreren Spalten immer wieder dem Volke vorführen. Interessant und

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lehrreich werden diese Sachen erst, wenn man nicht Symptome behandelt, sondern den Dingen auf den 42 geht⸗