— — — — —
Qualität
gering
mittel gut Verkaufte
Gezahlter Preis für 1 Doppelzentner Menge
niedrigster
höchster niedrigster höchster niedrigster höchster Doppelzentner
ℳ ℳ ℳ 1 ℳ ℳ
—
8. Markttage am Marktt⸗ Verkaufs⸗ 86 (Spalte Hbe
schnitts⸗ Schätzung verkauft preis Doppelzentanf
Lüneburg.
8 Paderborn
. Limburg a. L.. 8 “ 8 Dinkelsbühl. . Schwerin i. M. . Rostock .. 8 1242* — 8 141X1X4X“ 13,80 „ 1 13,40
1 Altenburg
Noch: Hafer. 13,45 13,50 13,50 13,90 12,20 12,60 12,80 13,20 — — 12,00 12,60 — — 11,80 12,80 13,10 13,30 13,40 13,50 12,30 12,50 12,50 12,90 — — 12,50 13,20 — 12,60 13,00 13,10 13,40 13,80 14,00 14,00 14,40 14,40
13,40 13,80 13,80 14,60 14,60
—.
ℳ (Preis unbekannt)
13,70 13,13 12,36 12,20 13,30
12,95 13,47
Bemerkungen. Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswerth auf volle Mark abgerundet mi Fetheit Der Durchschnittspreis wird aus den unabgerundeten Zahlen berechnet.
Ein liegender Strich (—) in den Spalten für Preise hat die Bedeutung, daß der betreffende Preis nicht vorgekommen ist, ein
unkt (.) in den letzten sechs Spalten, daß entsprechender Bericht fehlt.
Eroßhandels⸗Durchschnittspreise für Getreide für den Monat Dezember 1900 nebst entsprechenden Angaben für den Vormonat. Zusammengestellt im Kaiserlichen Statistischen Amt. 1 1000 kg in Mark. (Preise für prompte [Loco⸗] Waare, soweit nicht etwas Anderes bemerkt.)
Monat ha 8 Königsberg. monat Roggen, guter, gesunder, 714 g per 1 . . . . . . 123,27 124,00 Weizen, guter, bunter, 749 bis 754 g per 1. .146,05 145,33 fer, guter, gesunder, 447 g per 1 . . . . . . . 119,42 119,50 erste, Brenn⸗, 647 bis 652 g per 1 . . . .. 121,11 122,45 Breslau. 1 Roggen, Mittelqualität . . . . . . . . . . 137,50 140,80 Weizen, Jeo111114“* vb1; 1““ 128,00 128,00 v ““ 133,50 133,70 Berlin. Roggen, guter, gefunder, mindestens 712 g per 1.] 137,50 137,50 Weizen, guter, gesunder, mindestens 775 g per 1 . 149,50 149,50 Hafer, guter, gesunder, mindestens 450 g per 1 . . 134,25 132,50 8 Mannheim. Roggen, pfälzer, russischer, bulgarischer, mittel . . 150,80 151,30 Weizen, pfälzer, russischer, amerik., rumän., mittel. 177,20 179,00 Heffr badischer, württembergischer, mittel .. . . 140,00 144,40 erste, badische, pfälzer, mittel . . . . . ..160,80 161,70 Miluünchen. Roggen, bayerischer, gut mittel . . . . . . . . . 153,00 157,00 Weizen, 6 1 141316“ Hefer 1 F 1A““ erste, ungarische, mährische, mittel... .189,50 189,50 cö 8 8 8 bb6ö 4 2 Wien. Roggen, Pester Boden . . . . . . . ... .112890,04 50,70 1111I1A1“X“X“X“] Heffr vvbee——3—353524* 1111111111A14*X*“
— Budapest. Roggen, Mittelqualität HA111““*“ Weizen, 1““ 126,47]/ 125,90 E1öö6“ 11“ 93,37 93,36
St. Petersburg. nö..“]; 11ö111.4X4*“; ö111“
Odessa.
Roggen, 71 bis 72 kg per hl . . . . . ... 92,20 89,67 Weizen, Ulka 75 bis 76 kg per hl.. . . .. . 114,80, 115,00
Roggen, 71 bis 72 kg per hl . . . . . . . . 92,10 90,33
Weizen, 75 „ 76 “ I“ aris.
126,01 124,30
lieferbare Waare des laufenden Monats 162,70 162,31
Antwerpen. Donan. vittttk . .. . ..66991616 NI116114141* 1889 Figee .“ Walla Walla . . . . . . . .. .. . 19 188 En Platas, mittel . . . “ Kurrüchee roth . . . .. .. ..1111 P. Amsterdam. 4“ 59 109,64 II1A““ 1 108,26 “ Eq1161616161* 134,66
ondon. “
a. Produktenbörse. 8 . b9 ror,; (Mark Lane). 815 29/74 e Californier an der Küste 4 35,30 136,25 La Plata an der Küste (Baltic).. 8 137,82
b. Gazette averages. v29 1 7
englisches Getreide, 5 5 Mittelpreis aus 196 Marktorten 122,86 145,20 Liverpool. 5 Ho*“ 1142,48 EEEe11ö1ö11öö18n 1 140,75 be; 134,33 135,27 Northern Duluth Nr. 1 144,16 1406,33 Hard Kansas Nr. 2 . u q183,05 134,19 Manitoba Nr. 1. ..150,99 152,60 EBB11116 85 .. 135,99 137,62 e¹] bb““ Californier Brau 1129,25 131,25 Canadische ..171109,65 110,59
Chicago. Weizen, Lieferungs⸗Waare 4 üe “ . 198,726 11106
17 113,65 New York. Red Winter Nr. 2A2A2 1121,950 122,06 Northern Spring Nr. 8 2. 4 A. 8 11838 ozn per laufenden Mona Lieferungs⸗Waare per Mai .. . .. 122,38 125,25
Bemerkungen. 1 Tschetwert Weizen ist = 163,80, Roggen = 147,42, Hafer = 98,28 kg angenommen; 1 Imperial Quarter ist für die Notiz von
engl. Weiß⸗ und Rothweizen = 504, für Californier = 500, La Plata = 480 Pfund engl. gerechnet; für die Gazette averages, d. h. die aus den Umsätzen an 196 Marktorten des Königreichs er⸗ mittelten Durchschnittspreise für einheimisches Getreide, ist 1 Imperial Quarter Weizen = 480, Hafer = 312, Gerste = 400 Pfund engl. angesetzt. 1 Bushel Weizen = 60 Pfund engl.; 1 Pfund engl. = 453,6 g; 1 Last Roggen = 2100, Weizen = 2400 kg.
Bei der Umrechnung der Preise in Reichswährung sind die aus den einzelnen Tages⸗Notierungen im „Deutschen Reichs⸗ und Staats⸗ Anzeiger“ ermittelten wöchentlichen Durchschnitts⸗Wechselkurse an der Berliner Börse zu Grunde gelegt, und zwar für Wien und Budapest die Kurse auf Wien, für London und Liverpool die Kurse auf London, für Chicago und New York die Kurse auf New York, für St. Peters⸗ burg, Odessa und Riga die Kurse auf St. Petersburg, für Paris, Antwerpen und Amsterdam die Kurse auf diese Plätze.
Deutscher Reichstag. 27. Sitzung vom 16. Januar 1901. 1 Uhr.
Die erste Lesung der von den Abgg. Albrecht und Ge⸗ nossen (Soz.) und von dem Abg. Trimborn (Zentr.) eig⸗ gebrachten Gesetzentwürfe, betreffend Abänderung des G setzes über die Gewerbegerichte, in Verbindung mit dem von den Abgg. Dr. Hitze (Zentr.), Freiherr Heyl zu Herrnsheim (nl.) und Genossen eingebrachten Antrag, betreffend die Herbeiführung von gesetzlichen Bestinemungen fr die Pflege des Friedens zwischen Arbeitgebern und Arbeit⸗ nehmern und für die weitere Ausgestaltung der Gewerbe⸗ gerichte, wird fortgesetzt.
Der letztgenannte Antrag lautet:
„Der Reichstag wolle beschließen, die verbündeten Regierungen zu ersuchen: 1) für die Pflege des Friedens zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gesetzliche Bestimmungen über die Formen herbeizuführen, in denen die Arbeiter durch Vertreter, welche ihr Vertrauen besitzen, an der Regelung gemeinsamer Angelegenheiten betheiligt und zur Wahrnehmung ihrer Interessen bei Verhandlung mit den Arbeitgebern und mit den Organen der Regierung befähigt werden; 2) insbesondere in Erwägung darüber einzutreten, in welcher Weise durch eine weitere gesetzliche Ausgestaltung der Ge⸗ werbegerichte unter besonderer Berücksichtigung der §§ 9 (Bildung von Abtheilangen; Fabrik, Handwerk, Hausindustrie), 61 bis 69 (Einigungsamt) und 70 (Gutachten und Anträge) des Gesetzes vom 29. Juli 1890, betreffend die Gewerbegerichte, ein Weg zu dem vorstehend bezeichneten Ziele sich bietet.“
Abg. Dr. Hitze: Unser Antrag ist die Wiedergabe eines im vorigen Jahre zu stande gekommenen Kommissionsbeschlusses, an dem auch die Deutschkonservativen Antheil haben. Der erste Theil des Antrags wurde einstimmig, der zweite mit 15 gegen 5 Stimmen an⸗ genommen. Beide knüpfen an an die Kaiserlichen Februar⸗Erlasse von 1890, die in diesem Punkte noch immer nicht praktisch zur Aus⸗ führung gekommen sind. Der erste Theil bezeichnet das Ziel, der zweite stellt den verbündeten Regierungen ein Mittel zur Er⸗ reichung dieses Ziels zur Erwägung. Der wichtigste Vorzug des angedeuteten Weges zur Ausführung ist der, daß an eine bestehende Organisation angeknüpft wird, eine neue also nicht ge⸗ chaffen zu werden braucht. Die Gewerbegerichte haben sich im Ganzen
währt. Die Rechtsprechung ist die beste Schule auch für Ver⸗ waltungsaufgaben, die diesen Gerichten übertragen werden; als Einigungsämter haben sie sehr erfreuliche Erfolge erzielt. Daß dieser Thätigkeitsbereich durch die Ausdehnung ihrer Funktionen, Gutachten abzugeben und Anträge zu stellen, auch direkt an den Reichstag, erweitert werden sollte, hat feiner Zeit schon der Minister von Miquel befür⸗ wortet. Auch bezüglich der organisatorischen Seite giebt der Antrag unter 2 eine Andeutung. Es wird zu prüfen sein, ob Abtheilungen für die großen Gruppen Fabrik, Handwerk, Hausindustrie zu bilden sind, in denen die Arbeiter durch Männer ihres Vertrauens zur Mit⸗ arbeit an der Regelung gemeinsamer Angelegenheiten berufen werden. Eine grundsätzliche Aenderung der Struktur der Gewerbegerichte ist damit nicht megeben es läßt sich dieses Ziel also mit einer Novelle erreichen. e großen wirthschaftlichen Interessentengruppen haben ihre geordnete Vertretung, auch die Handwerker haben jetzt in den Handwerker⸗ kammern eine Vertretung, an der die Gesellen betheiligt sind; deshalb muß endlich auch den Arbeitern eine solche Vertretung gewährt werden. Der Arbeiterstand strebt empor; sein Selbstgefühl wächst, er ist mündig geworden. a ist es Aufgabe einer voraussehenden Politik, diesem Streben Wege zu ebnen und die Organe dafür zu 8 Der Gegensatz“ der Interessen führt zu getrennten Organisationen; die⸗ jenigen der Arbeiter und der Arbeitgeber stehen sich schroff gegenüber. Da ist es eine Aufgabe des Friedens, einen versöhnenden Mittelpunkt zu schaffen, der die Gegensätze überwindet oder bis zu einem gewissen Grade versöhnt. Andere Staaten, wie Belgien und Holland, sind uns auf diesem Wege vorausgegangen. Es wäre ein schöner Beginn der Session, wenn sich alle Parteien auf diesen Antrag vereinigten. Abg. Beck⸗Heidelberg (nl.): Unsere Fraktion ist mit den For⸗ derungen der Erweiterung der Zuständigkeit der Gewerbegerichte und mit ihrer Vermehrung einverstanden. Wir dürfen aber nicht ver⸗ essen, daß diese Gerichte Sondergerichte sind und bleiben sollen; wir önnen also nicht für den sozialdemokratischen Antrag Albrecht uns erklären, der diese Gerichte ganz allgemein obligatorisch machen, das Wahlrecht auf die Frauen ausdehnen, das Wahlmündigkeitsalter auf das 21. Jahr herabsetzen und die sir dena ins Ungemessene ver⸗
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mehren will. Dagegen sind wir für den Antrag Trimborn, der die Ausdehnung der Zuständigkeit in einigermaßen verständigen Grenzen hält, das Wahlverfahren durch Aufstellung einer Wähler⸗ liste verbessern will, ferner aber obligatorische Schiedsgerichte nur in den Städten von 20 000 Einwohnern und darüber verlangt. Des⸗ Ufichen stehen wir dem Antrag Hite Heyl svmpathisch gegenüber.
ige Bedenken gegen den Antrag Trimborn bestehen nur dmüesen, als dieser auch die Streitigkeiten mit dem Fne unter die Zustän⸗
Weet des Gewerbegerichts stellen will. Sehr erwünscht wäre die Einführung des Proportional⸗Wahlsystems für die Wahlen zu diesen
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Gerichten. Redner spricht sich nach eingehender Erörterung zahlrreicher Details für Kommissionsberathung aus.
Abg. Dr. Oertel (d. kons.) erklärt, daß die Mehrheit seiner politischen Freunde mit dem Antrage Trimborn im Großen und Ganzen einverstanden sei. Obwohl es demnach überflüssig erscheine, den Antrag noch einmal an eine Kommission zu überweisen, werde er doch der Kommissionsberathung zustimmen, weil in der Kommission noch einige Verbesserungen vorgenommen werden könnten, namentlich in formeller Beziehung. Entschieden seien seine Freunde gegen ie obligatorischen Schiedsgerichte, wie sie der sozialdemokratische Antraa wolle. Zu diesen liege ebenso wenig ein Bedürfniß vor, wie füt die Einbeziehung des Gesindes in das Gesetz. Seine Freunde seien auch für die Beibehaltung des gegenwärtigen Wahlalters und
gegen die Zulassung der Frauen zum Wahlrecht. Wundern müsse g sich, daß die Sozialdemokraten trotz der außerordentlich trübselige Erfahrung, die sie in den letzten Jahren mit der politischen Glei⸗ der Frauen gemacht häͤtten, noch für diese eintri. Wollten sie die Rosa Luxemburg auch in den Gewerbegerichten haban Eine geordnete Vertretung der Arbeiter in den Gewerbegerichten nach der Ansicht der Minderheit seiner politischen Freunde erst möglich wenn der Staat der jetzigen sozialdemokratischen Verhetzung dr Arbeiter gesteuert habe.
Abg. von Kardorff (Rp.): Der Antrag Trimborn ist ja hie im Hen. auf vielseitige Sympathie gestoßen. Es ist aber doch die Frage, ob die obligatorische Einrichtung solcher Gerichte in Städten wo vielleicht kein absolutes Bedürfniß dafür besteht, für die richtern liche Autorität der Mitglieder von Nutzen sein wird. Die 20002 Einwohner werden doch dahin zu verstehen sein, daß nur die Zivil⸗ bevölkerung rechnet; denn sonst würde z. B. Allenstein mit seiner großen Garnison ein Gewerbegericht errichten müssen, obwohl gar kein Be⸗ dürfniß dort vorhanden ist. Daß die Gewerbegerichte als Einigungsämte auch von Amtswegen auf Berufung nur eines Theils sollen in Funt⸗ tion treten können, ist kein idealer Zustand. In dem Betriebe meines Freundes, des Freiherrn von Stumm, ist noch nie ein Strike gewesen. ja, man hat beim vorjährigen Berliner Bauhandwerkerstrike don geradezu auf Herrn von Stumm hingewiesen, der solchen Bewegungr stets durch rechtzeitige Erhöhung der Löhne zuvorkomme. Freilich g⸗ hört dazu auch eine Persönlichkeit wie Herr von Stumn der täglich zwei Stunden für seine Arbeiter zu sprechen f Man spricht hier von der Pflege des Friedens. Dan werden nur die sozialdemokratischen Utopien begünstigt, inde man bei den Massen den Gedanken hätschelt, daß eigentlt das Proletariat berufen ist, die Welt zu regieren. Ich hoffe w⸗ versichtlich, daß sich die verbündeten Regierungen auf diese Resolutien niemals einlassen werden. Die rasende Fahrt, in welcher die Sozial politik vorgeht, muß das Reich ins Verderben stürzen, und da ist s ein wahres Glück, daß die Regierungen der Einzelstaaten wenigstens etwas die Bremse angezogen haben. Mit der Kommissionsberathung bin ich einverstanden; ich wünsche nur, daß ein praktisches Resulta aus den ganzen Anträgen nicht herauskommt.
Abg. Zubeil (Soz.) führt aus, seit zehn Jahren habe man die Gewerbegerichte, und die steigende Inanspruchnahme derselben aut durch die Arbeitgeber zeige, wie sehr sie einem Bedürfniß entsproche hätten. Aber bis heute sei noch lange nicht der ganze Nutzems
rbeiter und Arbeitgeber aus dieser Institution gezogen worden,
sie nicht obligatorisch sei. In zahlreichen Fällen seien die Anträge ul Errichtung von Gewerbeschiedsgerichten abgewiesen worden, so in Guben und Köpenick, wo Tausende von Arbeitern und Arbeiterinnen beschäftigt seien. Nach dem Antrage Trimborn würden nur 49 Orte oder, wem man nach den Ergebnissen der letzten Volkszählung gehe, einige mehr. des Segens dieser Einrichtung theilhaftig werden; aber das genüge nicht. Die Sozialdemokraten verlangten die Ausdehnung der Kom petenz auf land⸗ und forstwirthschaftliche Arbeiter, auf die Fischerei und auf das dienende Personal. Unter die Kon⸗ petenz des Gewerbegerichts müßten auch alle Bestimmungen des Arbeitsvertrages fallen, welche sich als Verstoß gegen die guten Sitten charakterisierten, wie z. B. das Kontrolbuch, welches die Arbeitgeber in der Berliner Holzindustrie jetzt ihren Arbeitern geger deren Willen aufzwingen wollten, indem sie es bei Strafe der Entlassung unterzeichnen sollen. Der Widerspruch der Redner der Rechten gegen die Herabsetzung des Wahlalters sei ihm unverständlich. Man werde in Deutschland doch mit 21 Jahren mündig. Da der Arbeiter schon mit 14 Jahren jn die Fabrik komme, werde er mit 21 Jahren wohl so viele Erfalhungen gesammelt haben, um zum Gewerbe gerichtswähler zu taugen. Aus dieser Frühreife in Berufssachen empfehle sich auch, die Wählbarkeit zum Gewerbegerichts⸗Beisitzer schon mit dem 25. Lebensjahre, nicht erst mit 30 Jahren eintreten i baclen. Es entspreche außerdem nur der Gerechtigkeit, wenn auch da Arbeiterinnen das Wahlrecht ertheilt werde. Dieses Wahlrecht se durch die Petitionen von Arbeiterinnen⸗ und Frauenvereinen auch set Jahren verlangt worden.
Abg. Münch⸗Ferber (nl.) spricht sich als Mitantragsteller des vom Aba. Dr. Hitze begründeten Antrags des Zentrums, der Kon⸗ servativen und der Nationalliberalen über die Pflege des sozialer Friedens ebenfalls für diesen Antrag aus. Spöttereien und He der Sozialdemokraten könnten ihn nicht veranlassen, an dieser Pfleg⸗ des sozialen Friedens zu zweifeln, wobei er aber nicht verhehlen woll, daß der Standpunkt des Abg. Freiherrn von Stumm, den heute wieden der Abg. von Kardorff vertreten habe, der friedlichen Sozialreform nu schade. Redner weist darauf hin, daß auf dem Gebiet der Arbeiter versicherung Deutschland von keinem anderen Staat der Welt über troffen werde, und daß die Gewerkschaftsbewegung die größte Auf⸗ merksamkeit verdiene. Gerade in dieser 8 kwegung seien in der letzte 85 vielfach Anzeichen einer friedlichen Entwickelung zu Tage getrete eine Parteifreunde ständen im übrigen dem Antrag Trimborn svu pathisch gegenüber, legten aber auf die Pflege des sozialen Frieden den Hauptwerth. 2 Abg. Roesicke⸗Dessau (b. k. F.): Ein dringendes Erfordemf ist vor allem die Schaffung von Gewerbegerichten für Handel 8 Industrie, nicht für Gesinde und andere Kategorien, deren, — stellung unter die Gewerbegerichte von anderer 8 wünscht wird. Im übrigen bieten die Anträge Trimborn Hitze⸗Heyl sowie auch der sozialdemokratische Antrag eine willkommer ndhabe, die Sozialreform auf diesem Gebiet krotz allen 8* trebens der Herren von Stumm und von Kardorff zu efre., — kange diese Herren mit ihrem Veto die Richtung der Sozial
Am vorigen Außerdem wurden
Durcch.. ua aberschtallihe
bestimmen, wird es uns nicht gelingen, die Sozialdemokratie zu vermindern. — Damit schließt die Diskussion. Für den sozialdemo⸗ kratischen Antrag erhält das Schlußwort als Mitantragsteller der Abg. Rosenow (Soz.), welcher sich in der Hauptsache darauf be⸗ schränkt, die im Laufe der Debatte gegen den Antrag geltend gemachten Be⸗ denken zu bekämpfen, wobei er betont, daß der Nntrag die Willens⸗ meinungen fast der gesammten, mindestens der fortgeschrittenen Ar⸗ beiter enthalte. Die anderen Antragsteller verzichten auf das Schlußwort.
Die beiden Anträge, betreffend Ausgestaltung der Gewerbe⸗ gerichte, werden einer Kommission von 14 Mitgliedern über⸗ wiesen; der Antrag Hitze⸗Heyl wird gegen die Stimmen der Reichspartei und einer Minderheit der Deutschkonservativen angenommen.
Schluß 4 ½ Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag 2 Uhr. (Etat des Reichsamts des Innern.)
Preußischer Landtag.
Haus der Abgeordneten. 5. Sitzung vom 16. Januar 1901, 11 Uhr.
Das Haus setzt die erste Berathung des Staats⸗ haushalts⸗Etats für das Etatsjahr 1901 fort.
Abg. Schmieding (nl.): Ich bin genöthigt, auf die von dem Abg. von Jazdzewski berührte Polenfrage einzugehen. Herr von Jazdzewski hat gestern keinen besonders glücklichen Tag gehabt. Sein Hauptfehler be⸗ ruhte darin, daß er die Sache so hinstellte, als ob die Polen in der Defensive wären; thatsächlich ist z. Z. das Deutschthum in die Ver⸗ theidigungsstellung gedrängt, und die Vorwärtsbewegung des Polen⸗ thums macht sich geltend bis weit in das Herz Deutschlands hinein — wir in meiner Heimath Westfalen wissen davon ein Lied zu singen. Während der gi geiniseh, westflithe Industriebezirk bis in die 60er Jahre fast gänzlich polenfrei war, wohnen dort jetzt fast 200 000 Polen. In einzelnen Zechen steigt die polnische Belegschaft bis auf 70 %. Nun sagen die Polen, es sei ihr gutes Recht, im preußischen Staate dorthin zu ziehen, wo die beste Arbeit sei. Der Abg. Hahn hat es für richtig be⸗ funden, der rheinisch⸗westfälische Industrie den Vorwurf zu machen, daß diese überhaupt polnische Arbeiter beschäftigt. Warum mißt er hier mit zweierlei Maß? Warum stellt er nicht dasselbe Verlangen an die Herren von der Landwirthschaft, deren Interessen er in sehr eigenthümlicher Weise vertritt? Ich habe schon im vorigen Jahre ausgesprochen, daß die Kohlennoth nichts Anderes als eine
Leutenoth war. Wenn man die Förderung um 10 % ein⸗
geschränkt hat, so geschah das nicht, um höhere Preise aufrecht zu erhalten, sondern es war nichts Anderes als die Anpassung an die ganz veränderte Marktlage. Eine Kohlennoth bestand zu der Zeit, als im Reichstag die großen, schönen Reden gehalten wurden, über⸗ haupt nicht mehr. Allerdings haben die Polen das Recht, auf Grund der bestehenden Freizügigkeit dahin auszuwandern, wo die beste Arbeits⸗ gelegenheit ist. Aber wir können von ihnen verlangen, daß sie in den urdeutschen Bezirken den Gesetzen gegenüber keine Aus⸗ nahmestellung beanspruchen. Sie können nicht verlangen, daß der Staat auf sein Aufsichtsrecht über Vereine und Versammlungen verzichtet, daß so viel polnische Beamten aus dem Osten herüber⸗ geholt werden, als nöthig wären, um alle diese Versammlungen zu überwachen; der Staat ist den Polen darin mehr als billig entgegen⸗ ekommen. Es ist vorgekommen, daß die Beamten polnische “ sogar begünstigten. Die Polen mögen sich ihrer Muttersprache bedienen, so viel sie wollen, aber sie müssen von der Landessprache wenigstens soviel verstehen, daß dadurch die Betriebssicherheit in den Werken nicht erschwert wird. Zum Etat übergehend, verbreitet sich der Redner über die Finanzverhält⸗ nisse des Staates, der Provinzen und der Gemeinden, ist aber in seinen einzelnen Ausführungen bei der herrschenden Unruhe des Hauses sehr schwer zu verstehen. Er verlangt namentlich eine tärkere Zusammenfassung kleiner, leistungsunfähiger Gemeinden zu größeren Steuerverbänden. Viele Gemeinden seien viel zu klein, um den großen Aufgaben der Zeit gewachsen zu sein. Die jetzige Finanzlage sei so vorzüglich, daß man unbedenklich an das roße Kanalwerk gehen könne. Auch seine Freunde meinten, daß der Mäͤhister Präsident die Kanalvorlage in versöhnlichem Sinne besprochen habe, vermöchten aber die Hoffnung der Herren von der Rechten, daß nach einer etwaigen Ablehnung der Kanalvorlage eine Verstimmung zwischen den aufeinander angewiesenen Parteien nicht eintreten werde, nicht zu theilen. Dem neuen Minister⸗Prüsidenten bringe er großes Vertrauen entgegen. Schon vor vier Wochen habe er infolge des Auftretens des Reichskanzlers im Reichstage vor seinen Wählern in Dortmund erklärt, daß man hoffen dürfe, endlich einmal den richtigen Mann an der richtigen Stelle zu haben. Der Redner be⸗ mängelt des weiteren den noch immer vorhandenen Wagenmangel bei den Eisenbahnen im Ruhrkohlenrevier, betont, daß die dortigen Eisen⸗ bahnen an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angekommen seien, und hofft daher auf das Zustandekommen des Kanals, der ja die Eisen⸗ bahnen entlasten solle. 1 8 Abg. von Arnim (kons.) weist darauf hin, daß der Reichskanzler selbst erklärt habe, daß es bei der Kanalvorlage sich lediglich um eine wirthschaftliche Frage handle; seine Partei werde ebenso wie vor zwei Jahren die Frage ruhig, sachlich und objektiv prüfen, umsomehr, als es sich um eine andere Vorlage handle als vor zwei Jahren. Zweifellos müsse man mit einer absteigenden wirthschaftlichen Konjunktur rechnen, die sich auch im Etat bemerkbar machen werde. Es sei aller⸗ Pößte Vorsicht bei der Festsezung. neuer Ausgaben geboten. er Domänen⸗Etat sei zu charakteristisch für die Lage unserer Land⸗ wirthschaft. Im vorigen Jahre habe der Etat der Domänen⸗ verwaltung 150 000 ℳ Minderertrag ergeben, in diesem Jahre 200 000 ℳ Auch im nächsten Jahre werde man bei der Domänen⸗ verwaltung noch mit beträchtlichen Einnahmeausfällen zu rechnen haben. Die Grundverschuldung habe in den letzten Jahren in den Provinzen, Kreisen und Gemeinden stark zugenommen, wie der Abg. von der Goltz im vorigen Jahre nachgewiesen habe. Gegen diese traurigen Verhältnisse müsse etwas geschehen. Es sei zwar dankbar anzuerkennen, daß im Osten schon manches für das landwirthschaftliche Unterrichtswesen geschehen sei; es fehle im Osten aber noch an einer landwirtbschaftlichen Hochschule. (Da der Redner nach rechts gewendet spricht, ist er auf der Tribüne nur schwer ver⸗ ständlic) Was die Hypothekenbanken und das Verhältniß der Treuhänder zu ihnen anbetreffe, so müsse auf eine bessere Staats⸗ aufsicht, womöglich auf Grund einer veränderten Organisation der Verwaltung, hingewirkt werden. Dringend nothwendig ei ein Schuldotationsgesetz. Seine politischen Freunde hätten einen rauf abzielenden Antrag gestellt, und sie hofften, daß die Staats⸗ regierung eine solche Vorlage möglichst bald an den Landtag bringen werde. Bei der Erledigung düßser Sache müßten aber diejenigen Grundsätze, welche die Konservativen immer verfochten hätten, daß die Schule auf konfessioneller Grundlage erhalten werde, nicht dfcleßt werden. Dieses Gebiet sei eins der wichtigsten für die Landwirthschaft, und seine Freunde bäten die Staatsregierung, sie bei diesen Be⸗ strebengen für das Wohl des Landes nachdrücklich zu unterstützen. Abg. Dr. Mizerski (Pole) erwidert dem Abg. Schmieding, daß die Polen nicht daran schuld seien, wenn die Grubenbesitzer in West⸗ aalen polnische Arbeiter anstellten. Wenn man so viel polnische rbeiter habe, solle man auch polnische Beamten anstellen. Die Polen wünschten felbst die Erlernung der deutschen Sprache, müßten dazu aber eine richtige Unterrichtsmethode verlangen. Der Minister von Miquel habe darauf hingewiesen, was der preußische Staat für scha olen gethan habe, wie der polnische Mittelstand durch ihn ge⸗ en sei ꝛc., aber die für die polnischen Landestheile angewendeten
Mittel stammten doch zum theil aus den Taschen der Polen selbst. Ein Erfolg im Religionsunterricht sei undenkbar, wenn dieser nicht in der Muttersprache ertheilt werde. Der neue Erlaß des Ministers darüber stehe mit der Verfassung im Widerspruch. (Der Redner verbreitet sich noch des längeren über dieses Thema, bleibt aber auf der Tribüne unverständlich, da er fortgesetzt nach rechts ge⸗ wendet spricht.) Nur ein Unterricht in der Muttersprache könne das Gemüth des Kindes ergreifen. Es gebe eine höhere Gerechtigkeit, und ewige Gesetze ließen sich nicht ungestraft übertreten.
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Studt:
Meine Herren! der Herr Abg. Mizerski hat seine Rede mit Aus⸗ führungen begonnen, die sich gegen den Vorredner, den Herrn Abg. Schmieding gerichtet haben, und hat dabei unter anderem erwähnt: wir sind ja dafür, daß die polnischen Kinder Deutsch lernen. Dann hat der Herr Abgeordnete in seinen weiteren Ausführungen sich auf den Verlauf einer polnischen Volksversammlung vom 9. September v. J. berufen, und es mir noch besonders ans Herz gelegt, ich möchte mir über deren Verlauf durch die Polizeibehörde Bericht erstatten lassen. Meine Herren, diese Aufforderung war überflüssig; ich habe mich natürlich über den Hergang in dieser Volksversammlung auf das eingehendste unterrichtet und dabei eine Aeußerung von dem Herrn Abg. Mizerski gefunden, die zu seiner den Ausführungen des Herrn Abg. Schmieding gegenüber abgegebenen Versicherung in direktem Widerspruch steht. Der Herr Abg. Mizerski hat als Vor⸗ sitzender dieser Volksversammlung selbst das Wort ergriffen und bei dieser Gelegenheit unter anderem — natürlich unter heftiger Bekämpfung der Maßregeln der Unterrichtsverwaltung und der preußi⸗ schen Staatsregierung üherhaupt — Folgendes gesagt: „Die Deutschen drängen den Polen ihre hohe deutsche Kultur auf, die Polen haben aber kein Verlangen nach ihr; denn ihre polnische Kultur ist viel älter und höher.“ Meine Herren, in diesem Sinne sind gewöhnlich die Ausführungen gehalten, die dazu beitragen sollen, den Widerstand der polnischen Bevölkerung gegen die ihr oktroyierte Wohlthat des deutschen Sprachunterrichts zu stärken. (Sehr richtig! rechts.) Die Ausführungen des Herrn Abg. Mizerski haben sich auch damals genau in derselben Bahn bewegt, und ich glaube nicht, daß seine Bezugnahme auf die Volksversammlung vom 9. September v. J. eine besonders glückliche war. —
Nun hat der Herr Abgeordnete sich gegen den Herrn Vize⸗ Präsidenten des Staats⸗Ministeriums gewendet und unter anderem die Worte gebraucht: kein vernünftiger Mensch denke in Posen an eine Re⸗ volution. Ja, meine Herren, dann gehören die Redakteure der sämmtlichen nationalpolnischen Hetzblätter, die täglich das Thema der nothwendigen Wiederaufrichtung eines Polenreichs mit zunehmender Schärfe erörtern, nicht mehr zu der Kategorie der vernünftigen Menschen. (Sehr richtig! rechts.)
Meine Herren, über die Grundsätze der Ertheilung des Religions⸗ unterrichts in der Muttersprache werden wir uns mit den Herren Ab⸗ geordneten der polnischen Fraktion niemals verständigen. (Abg. Dr. von Jazdzewski: Leider!) Darauf verzichten wir gänzlich. Die Ziele, die die Herren polnischen Abgeordneten in dieser Beziehung verfolgen, sind von den unsrigen so verschieden, daß eine Verständigung, wie ich das gestern schon betont habe, ausgeschlossen ist. Wenn heute wiederum die Rechtmäßigkeit und Verfassungsmäßigkeit der diesseitigen Maß⸗ nahmen in Frage gestellt worden ist, so kann ich nur darauf verweisen, daß die Erörterungen darüber sehr alt sind, und daß von meinem Herrn Amtsvorgänger diese Auf⸗ fassung wiederholt widerlegt worden ist. Gestern noch habe ich betont, daß die Maßregeln, die der Abg. Mizerski jetzt so heftig an⸗ gefochten hat, sich auf Vorschriften gründen, die seit mehr als einem Menschenalter in den gemischt⸗sprachlichen Landestheilen in voller Geltung sind.
Weiter ist von dem Herrn Abgeordneten die angeblich unterlassene Anhörung des Herrn Erzbischofs bei der in Aussicht genommenen Maßnahme der Bezirks⸗Regierung mit dem Bemerken getadelt worden, daß es sich hierbei um eine eingreifende Reform des Religionsunter⸗ richts gehandelt habe. Ich habe gestern den Nachweis geführt, daß es sich um weiter nichts gehandelt hat als um Befugnisse der Bezirks⸗ regierung, die ihr zweifellos zustehen und von denen sie fortgesetzt Gebrauch macht.
Der eigentliche Kern der Anfeindung der Unterrichtsverwaltung liegt auf einem ganz anderen Gebiete, und zwar auf dem national⸗ polnischen. In den polnischen Zeitungen ist mit aller Offenheit be⸗ tont worden, daß die Maßregel um deswillen das polnische Volk ver⸗ letze, weil sie getroffen sei in der Hochburg, der Wiege des Polen⸗ thums. Glauben Sie wirklich, daß für die Staatsregierung die Rück⸗ sichtnahme auf die Hochburg und Wiege des Polenthums derart maß⸗ gebend sein kann, daß wir davor ängstlich Halt machen? Das werden Sie uns nicht zutrauen. Den Muth besitzen wir, auch da einzugreifen, wo wir die thatsächlichen Voraussetzungen für gegeben erachten. (Bravol rechts.)
Nun hat der Herr Abgeordnete zum Schluß noch die oberschlesi⸗ schen Verhältnisse berührt. Meine Herren, die oberschlesischen Ver⸗ hältnisse waren früher viel friedlicher; sie sind gestört worden durch das Eingreifen der national⸗polnischen Agitation. (Sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberalen, Widerspruch bei den Polen.) Uns wird die Schuld daran zugemessen. Die Schuld liegt aber auch in Oberschlesien gerade in dieser Agttation. Ich bin selbst längere Zeit in Oberschlesien gewesen, und es ist mir damals ein später von der Polizeibehörde konfisziertes und auch nachher gerichtlich ver⸗ urtheiltes Buch in die Hände gekommen, welches die national⸗polnische Agitation unter der Bauernbevölkerung von Oberschlesien verbreitet „hatte. Dieses Buch beginnt mit einem Appell an die angebliche Nationalheilige von Oberschlesien, die heilige Hedwig, Swieta Jadwiga. Als deren Hauptverdienst ist in dem Gedicht, in dem diese National⸗ heilige gefeiert wird, die Verachtung des Deutschthums hingestellt. In dieser Weise hat sich die national⸗polnische Agitation in Oberschlesien eingeführt. Sie setzt genau in derselben Art heute noch ihre Ein⸗ wirkung fort. Ich beschränke mich für jetzt auf diese Bemerkungen.
Minister des Innern Freiherr von Rheinbaben:
Meine Herren! Der Herr Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums hat gestern im allgemeinen das Bild des Verhaltens der Polen zur preußischen Staatsregierung und der seitens der preußischen Staats⸗ regierung dagegen zu ergreifenden Maßregeln gezeichnet und es den Herrn Ressort⸗Ministern überlassen, die Einzelzüge aus ihrem Ressort hinzuzufügen. Nachdem das der Herr Kultus⸗Minister für sein Gebiet gethan hat und namentlich die Vorwürfe, die auf dem Gebiete der Schulverwaltung gegen die Königliche Staatsregierung erhoben worden
sind, widerlegt hat, ist es meine Pflicht, vom politischen Standpunkt noch einzelne Züge nachzutragen. Ich wende mich zunächst zu den Ausführungen, die soeben der Herr Abg. Mizerski gemacht hat. Er hat den Herrn Vize⸗ Präsidenten des Staats⸗Ministeriums darauf hinweisen zu können geglaubt, daß er sich zu Unrecht auf das Buch von Koömian be⸗ rufen habe; er hat seinerseits Koömian für sich in Anspruch ge⸗ nommen. Ich werde mir erlauben, Ihnen einen Passus aus dem Buche vorzulesen, aus dem hervorgeht, daß der Herr Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums sich mit vollem Recht auf Kosmian berufen hat. Auch Kozmian hält den Gedanken der nationalen Unabhängigkeit, der Wiedervereinigung der einzelnen Theile aufrecht. Kozmian sagt in dieser Beziehung: „Ein großer und erhabener Gedanke, ein schönes und hehres Ziel besitzen an sich eine außerordentliche Gewalt. Sie geben die Kraft zu großen Bestrebungen und werden zur Springfeder übermenschlicher Aufopferung. Das höchste Ziel einer Nation, die Unabhängigkeit, die sie verloren hat, wiederzuerlangen, hat in sich diese Kraft. Sie der Nation wegnehmen, hieße sie schwächen und schädigen.“
Kosmian weicht von den Heißspornen, die zum theil in der Presse thätig sind, nur hinsichtlich des Verfahrens ab. Er verwirft mit scharfen Worten das Vorgehen der Polen bei den Aufständen von 1830 und 1863. Er verwirft, daß man das letzte Ziel auf einmal erreichen will, und sagt: langsam vorgehen und auf die! geeignete Weise. Er wendet sich gegen den schädlichen Patriotismus und empfiehlt politischen Patriotismus. Er empfiehlt, erst die nationale Existenz zu schaffen, die staatliche Existenz werde sich von selber finden. Ueberhaupt ist aus diesem interessanten Buch noch ein Wort charakteristisch, ein Wort des Markgrafen Wielopolski, des Führers des Aufftandes von 1863. Derselbe sagt:
Für die Polen kann man manchmal etwas Gutes thun, mit ihnen nie! Die preußische Staatsregierung hat in der That viel Gutes für die Polen gethan und wird sich trotz des Verhaltens der Polen von ihrem Wege nicht abbringen lassen. (Hört! hört! rechts.)
Meine Herren, dann hat der Herr Abg. Mizerski Maßregeln der Ober⸗Postdirektion in Posen angegriffen. Es kann nicht meine Auf⸗ gabe sein, hier diese Maßregeln im einzelnen zu rechtfertigen. Aber ich halte mich doch für verpflichtet, darauf hinzuweisen, wie gewisse polnische Kreise ganz systematisch zweifellos deutsche Städte⸗ und Orts⸗ namen mit polnischen Schriftzeichen versehen und so die staatlichen und Reichsbehörden zwingen wollen, polnische Adressen von rein deutschen Städte⸗ und Ortsnamen ihrerseits zu acceptieren. Ein polnisches Blatt hat ein vollständiges Verzeichniß dek polnischen Namen von deutschen Städten gebracht; unter anderem wurden Städte wie Breslau als polnische Städte reklamiert. Ich habe meinerseits Veranlassung gehabt, mich an den Herrn Staatssekretär des Reichs⸗Postamts zu wenden mit der Bitte, offene Postkarten mit bunten, geradezu aufrührerischen Erinnerungen aus der polnischen Geschichte von der Beförderung auszuschließen. Zu⸗ weitgehenden agitatorischen Bestrebungen sucht man, von polnischer Seite, den Schutz der preußischen Staatsregierung in Anspruch zu nehmen. .
Nun, meine Herren, komme ich zu meinem verehrten Nachbar, dem Herrn Abg. Dr. von Jazdzewski. Er hat eine gewisse Aehnlichkeit
Liede heißt:
Die Nachtigall, sie kehret wieder;
Was Neues hat sie nicht gelernt,
Singt alte, liebe Lieder. 8 (Heiterkeit.) Die Lieder sind nicht neu, die der verehrte Herr bg. von Jazdzewski singt, — aber richtig sind sie auch nicht. Herr Abg. von Jazdzewski hat zunächst seinerseits auf Artikel der „Berliner Korrespondenz“ hingewiesen. Meine Herren, die Verantwortung für diese Artikel trage ich, und ich habe die Artikel auch angeordnet. Ich will sofort sagen, zu welchem Zweck. Es gab in unserem Vaterlande noch weite Kreise, die die Verhältnisse in Posen oder Westpreußen als so eine Art von Lokal⸗ oder Provinzialschmerzen betrachteten, und diese Artikel sollten darthun, in welchem Maße die Zustände in Westpreußen und Posen über die provinzielle Bedeutung hinausgehen, in welchem Maße sie ein allgemein preußisches, ja sogar ein allgemein deutsches Interesse darstellen. Und dann hatten diese Artikel noch einen zweiten Zweck: sie sollten der Bevölkerung gegen⸗ über festlegen, daß die Staatsregierung die Bedeutung dieser Frage in vollem Umfang ermessen habe, daß sie nicht wieder schwankend werden würde, wie es früher der Fall war (Zuruf rechts: Leider!), sondern alles daransetzen würde, dieser Gefahr die Stirn zu bieten. (Bravol rechts.)
Nun fragt der Herr Abg. von Jazdzewski: worin besteht
Korrespondenz“ behandelt worden ist? Er hat nach meinen Notizen —
bestätigt diese Notizen — gesagt:
Die polnische Gefahr besteht nur so weit, als sie von den Deutschen an die Wand gemalt und durch die Regierungsmaßregeln selbst hervorgerufen wird. Wenn nicht schlimmere Folgen aus den Maßnahmen der Regierung erwachsen, so ist das allein das Ver⸗ dienst der polnischen Bevölkerung.
Er hat sich sogar des Ausdrucks bedient:
... so ist das auf die bewundernswerthe Haltung der pol⸗
nischen Bevölkerung zurückzuführen. Er hat dann die Gründe für das Verhalten der Staatsregierung untersucht und hat die Zentral⸗Instanz selber gewissermaßen nicht dafür verantwortlich gemacht, sondern andere Momente, er hat auf die deutsche Presse, den H. K. T.⸗Verein und dann auf die Berichte, die die Provinzialbehörden an die Zentral⸗Instanz erstatten, hin⸗ gewiesen und hat gesagt, in erster Linie seien die Beamten seiner Heimathsprovinz für die Regierungsmaßregeln verantwortlich. Er hat dann darauf hingewiesen, daß diese Beamten zum theil für ihre Kinder aus dem 600 000 ℳ⸗Fonds Stipendien erhalten, und daraus den Schluß gezogen: wenn sie solche Stipendien erhalten, so ist es sehr natürlich, daß sie die Polengefahr ausmalen; denn dann bleiben die Fonds erhalten. Meine Herren, gegen diese Ausführungen muß ich mich mit der größten Schärfe wenden. Eine solche Insinuation, als ob preußische Beamte sich durch die Rücksicht auf ein derartiges Stipendium be⸗ wegen lassen würden, die Situation falsch darzustellen, kann ich nicht
nachdrücklich genug zurückweisen. (Sehr richtig!) .
8—
mit der Nachtigall (große Heiterkeit), von der es in dem bekannten⸗
die polnische Gefahr, die in diesen Artikeln der „Berliner
und das Stenogramm, das ich vorher kurz durchzusehen Gelegenheit hatte, .