1901 / 19 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 22 Jan 1901 18:00:01 GMT) scan diff

Deutscher Reichstag.

29. Sitzung vom 21. Januar 1901. 1 Uhr.

Die zweite Lesung des Reichshaushalte⸗Ctats für 1901 wird bei den Ausgaben für das Reichsamt des

Innern fortgesetzt.

Abg. Prinz zu Schönaich⸗Carolath (nl.): Alle Versuche, die Kreise der vv der Frauen auszudehnen, finden bei uns das ver⸗ ständnißvollste Entgegenkommen. Insbesondere wollen wir es an unserem Theil nicht unterlassen, zur Fortsetzung der Versuche mit Installierung weiblicher I“ aufzumuntern. Was das Universitätsstudium der Frauen betrifft, so haben die vorjährigen Er⸗ klärungen des Staatssekretärs erfreulicher Weise nicht soernüchternd undab⸗ schreckend gewirkt, wie es von verschiedenen Seiten damals prophezeit worden war. Wer mit mir auf dem Standpunkt steht, daß diese Frage nicht in stürmischem Tempo gelöst werden kann, wird sich mit dem guten Willen, welchen der Staatssekretär bekundete, zunächst ufrieden geben können. Gewiß bleiben noch einige Wünsche zu er⸗ fällen ie Hauptschwierigkeit liegt immer 8 darin, daß die Frauen nach abgelegtem Abiturientenexamen an der Universität, obwohl als Hospitantinnen zugelassen, von einem Dozenten zum anderen laufen müssen, um sich die Zulassung zu seinem Kolleg zu erbitten. Wie hier abgeholfen werden kann, muß der Zukunft überlassen bleiben. In mehreren Fällen sind die Frauen zu gewissen für sie nothwendigen Vorlesungen nicht zugelassen worden; sie mußten dann andere Universitäten aufsuchen, um endlich einen freundlicheren Professor, der sie zuläßt, zu ermitteln. Das ist nicht für alle diese Damen gleich ausführbar, denn sie gehören im Durchschnitt nicht zu den Bemittelten. Möchten doch die Herren Professoren sich die Sache noch einmal überlegen und in Zukunft mehr Entgegenkommen walten lassen. Untrennbar damit verbunden ist die Frage der Immatrikulgkion; auch hier sind noch manche Schwierigkeiten zu über⸗ winden. Die badische Regierung hat Heidelberg und Freiburg groß⸗ herzig den Frauen zur Immatrikulation geöffnet. Ist auf zwei deutschen Universitäten diese den Frauen gewährt, so wird man sich doch auch wohl in Preußen des Wortes Wilhelm's von Humboldt erinnern, daß Preußen dazu da ist, im Reiche moralische Eroberungen zu machen, und sich von Baden nicht länger übertreffen lassen. In anderen Staaten wird dieser Frage weit größere Beachtung geschenkt; dort geht man höchst liberal mit der Errichtung von Frauen⸗ gymnasien vor. Keineswegs ist übrigens das medizinische Studium das einzige, wel sich die Frauen aussuchen; an der Universität Berlin sind im laufenden Winter⸗Semester 371 Frauen zugelassen, davon 253 deutsche, 118 Ausländerinnen; aus Berlin allein stammen 111. Von den 371 studieren 6 Theologie, Jura 2, Medizin 25; da⸗ egen sind 338 in der philosophischen Fakultät zugelassen; hier ist

sonders Literaturgeschichte, aber auch Nationalökonomie ver⸗ treten. In England sind die Frauen neuerdings als Mit⸗ glieder der Grafscha tsräthe zugelassen. Die Bewegung zur Erweite⸗ rung des Bethätigungsgebiets der Frauen ist in allen Kulturstaaten im Fluß und nicht mehr aufzuhalten. Ich will nur die Aufmerksam⸗ keit der Regierung, des Hauses und des deutschen Volks auf diese Frage lenken und alle Betheiligten bitten, derselben ihr Wohlwollen zuzuwenden; der Frau, welche die Absicht und das Streben hat, sich weiter zu bilden, darf die Möglichkeit dazu nicht verschränkt werden. Ich hoffe, daß unsere maßvollen Bestrebungen nach dieser Richtung hin sich auch weiter der Unterstützung der verbündeten Regierungen erfreuen werden; diese Bestrebungen haben mit der „Emanzipation“ der Frauen nichts zu thun.

A Dr. Hitze (Zentr.): In der bisherigen Debatte ist erfreu⸗ licher Weise allseitig die Nothwendigkeit einer energischen Weiter⸗ führung der Sozialreform betont worden. Der 5 Hoch hat dem Staatssekretär Grafen Posadowsky vorgehalten, er habe seine Vorlage zur Alters⸗ und Invalidenversicherungsnovelle im Punkte der Renten⸗ stellen im Stich gelafsen, und die bürgerlichen Parteien, auch die Zentrumspartei, hätten ebensowenig davon wissen wollen. Dieser Vorwurf trifft das Zentrum nicht; das Gesetz wäre überhaupt eefallen, wenn wir an den Rentenstellen festgehalten hätten. Herr

och stellt uns als maßgebende, regierende Partei hin; das ist sehr schmeichelhaft, aber nicht richtig. Das Haus hat 397 Mitglieder, dem Zentrum gehören 106 an. Wir können nichts ausrichten ohne die Unterstützung anderer Parteien. Allein können wir ebenso wenig aus⸗ richten, wie die Sozialdemokraten. Wir sind nur manchmal die ent⸗ scheidende Partei. Der Angriff des Abg. Fischer auf den Fuldaer Hirtenbrief hängt mit der Strikefrage nicht, auch nicht mit dem Koalitionsrecht der Arbeiter zusammen; wie der Hirtenbrief mit dem Gehalt des Ministers zusammenhängt, ist mir vollends unerfindlich. Fischer hat nicht im geringsten nach⸗ gewiesen, daß die Bischöfe den Arbeitern das Koalitionsrecht ver⸗ kümmern. Der Hirtenbrief knüpft an seinen Vorgänger von 1890 an und fordert den Klerus zur Gründung christlicher Arbeitewereine auf; das ist doch nichts Arbeiterfeindliches. Er empfiehlt die Gründung von achabtheilungen, die wir für nothwendig zur sozialpolitischen Schulung halten. Dann wendet sich der Hirtenbrief gegen die sogenannten neutralen Gewerkvereine; diese Warnung vor den Gewerkschaften mit ihrer sozialdemokratischen Tendenz ist wiederum anz korrekt. Ich habe hier eine ganze Anzahl Aus⸗ sönitte aus Gewerkschaftsblättern wie aus sozialdemokratischen Zeitungen, welche diese politische Tendenz der Gewerkschaften mit der größten Energie betonen und verfechten. Redner verliest Zitate aus dem „Tabackarbeiter“, aus der „Rheinisch⸗Westfälischen Arbeiterzeitung“, aus dem „Vorwärts“ u. s. w. und fährt dann fort: Es ist da u. a. zugegeben, daß die für Strikes gesammelten Gelder im Parteiinteresse verwendet werden. (Zuruf bei den Sozialdemokraten.) Sie geben das zu; aber handelt es sich dann um neutrale Organisationen? Dann müssen wir ja um so energischer unsere Warnung wiederholen. Noch heute sind die neutralen Gewerk⸗ vereine nur die Exerzierplätze für die sozialdemokratische Partei. Ein solcher G in kann, wenn er die Verbesserung der der arbeitenden Klassen erstrebt, in schwere Konflikte kommen durch die Solidarität der politischen Partei mit dem Auslande; es kann das sogar unter Umständen dahin führen, daß einheimische Industrien rmuiniert werden. Daß der enbrief sich auz kon⸗ fessionellen Rücksichten an die katholischen Arbeiter wendet, läßt sich nicht im 78 aus seinem Wortlaut erweisen. Und wenn die Sozialdemokraten ähnliche Hirtenbriefe die Unternehmer ver⸗ langen, so liegt dazu kein Grund vor, denn die Arbeitgeber sind nicht sozi sch, sie sind kl genug dazu, keine politischen oder religiösen Unterschiede zu machen; sie wissen, daß die Vertretung wirthschaftlicher Interessen eine so urũ tung au Unser t ß ei isation sein, welche im Rahmen der bestehenden i von jeder politischen Beeinflufsung die Ver⸗

Scozialdemo ratie Atheismus, i wollen wir von den vee Pe

ten. .

Abg. Franken (ul) erhebt von neuem die Forderung der Unfall⸗ versicherung der Mitglieder der freiwilligen Feuerwehren. Eine solche Maßnahme werde 1222 ersprießlichen, aber auch nicht fährlichen Thätigkeit derf Auch die Brang hätten schon angefe vor den öschmar Respekt zu bekommen. here 1—2 che Maßnah der gedachten Richtung zu schaffen, seien erfo geblieben. Redner wendet sich dann mehrere An von sozialdemokratischer

Seite in der bi Debatte. . Sozialdemokratie könne Anspruch darauf ·— das Arbeitswilligengesetz zu Fall gebracht zu haben. Das hätten die belsen Parteien besorgt. Die Industriellen hätten das Gesetz für ihre Arbeiter nicht passend gefunden. Die Stellung des Staatssekretärs sei eine sehr schwierige; er werde von den Sozial⸗ demokraten für einen Reaktionär und Arbeiterfeind, von anderen für einen halben Sozialdemokraten erklärt. Aber es werde nicht gelingen, ihn fortzuärgern. Die Kanalvorlage gehöre nicht in den Reichstag, sondern werde im preußischen Abgeordnetenhanse entschieden. In der Zoll⸗

ganz wefentlich von jenen Vorschriften abweicht.

frage sollte man es nicht zu einem Bruch zwischen Landwirthschaft und Industrie kommen lassen, namentlich nicht angesichts des neuer⸗ lichen Rückgangs der Konjunktur. Redner erklärt, diese letzten Aus⸗ führungen nur für seine Person zu machen. Lehne das Abgeordneten⸗ haus die Kanalvorlage ab, dann sei es ihm nicht möglich, auch nur um einen Pfennig die Getreidepreise zu erhöhen. an müsse nach dem Grundsatz verfahren: Leben und leben lassen.

Abg. Dr. Pichler (Zentr.): Die Devise: „Leben und leben lassen“ darf nicht lediglich für die Industrie gelten, sondern muß auch für die Landwirthschaft in Anspruch genommen werden. Ein richtiger Ausgleich zwischen Industrie und Landwirthschaft kann nur herbei⸗ seführt werden, wenn letztere nicht vernachlässigt wird. Kaum macht sch ein kleiner Rückgang in der Industrie bemerkbar, so kommt man auch schon mit Klagen vor den Reichstag, während es der Land⸗ wirthschaft doch schon seit Jahren schlecht geht. Auf die Kanal⸗ frage will ich nicht eingehen, sondern nur die Hoffnung aus⸗ sprechen, daß diese Vorlage nicht ungünstig einwirken möge auf die Stellung des Reichstages zum neuen Zolltarif. Für die Fort⸗ führung der Sozialreform trete auch ich ein, und ich kann mich da nur dem anschließen, was mein Freund Hitze bereits gesagt hat. Der Abg. von Vollmar hat sich hier auch uͤber die Fortführung der Sozialreform ausgesprochen, namentlich unter Hinweis auf die bayerischen Verhältnisse. Dabei möchte ich bemerken, daß Herr von Vollmar sich wegen seiner Stellungnahme in bayerischen Fragen schon den Ehrentitel „Königlich bayerischer Sozial⸗ demokrat“ erworben hat. Was das Verbot der Phosphor⸗ zündhölzerfabrikation betrifft, so möchte ich hervorheben, daß Sachsen⸗Meiningen, welches jetzt ein Verbot dieser Fabrikation ver⸗ langt, die gesetzlichen und Verordnungsbestimmungen von 1884 und 1893 nicht befolgt hat. Sachsen⸗Meiningen hat für seine Haus⸗ industrie Ausnahmevergünstigungen erhalten und verlangt jetzt, daß durch ein Verbot diejenigen Fabrikanten bestraft werden, welche die Gesetze und Verordnungen in ihren Betrieben eingeführt haben. Es kommen jetzt nur noch selten Fälle von Phosphornekrose vor, und man wird bei einem weiteren Vorgehen gegen die Zündholzfabrikation auch auf die wirthschaftlichen Nachtheile der Fabrikanten Rücksicht nehmen müssen.

Kommissar des Bundesraths, Herzoglich sachsen⸗meiningenscher Staatsrath Ziller erwidert, daß von der sachsen⸗meiningenschen Re⸗ gierung das Gesetz von 1884 emsig ausgeführt worden sei. Es seien vier Fabriken mit Staatsunterstützung gegründet worden, aber damit habe man dem Uebel nicht sofort steuern können, weil es sich eben um reine Hausindustrie handele. Wandergewerbescheine für Zündhölzer würden nicht mehr ausgestellt. Die Schwierigkeit der Kontrole durch die Polizei habe die Regierung veranlaßt, das Verbot zu beantragen, doch habe sie sich dazu nur schweren Herzens entschlossen.

Abg. Schwarz⸗München (b. k. F.) schildert die Nachtheile, welche in Bavern die Bäckereiverordnung des Bundesraths für viele Bäckereibetriebe zur Folge habe. Es sei eine Abänderung derselben dahin in Aussicht gestellt, daß an Stelle der heutigen Verordnung die Mindestruhezeit wöchentlich geregelt werden solle. Er befürchte, daß dann die Kontrole noch schwieriger werde. Das Bäckereigewerbe sei 1 sehr gesund und bedürfe in dieser Beziehung keiner Ueber⸗ wachung.

Abg. Psus (Soz.) führt aus, es sei zwar erfreulich, daß bei diesem Titel in so eingehender Weise der Lage der Arbeiter gedacht werde, aber besser wäre es wohl, wenn die Zentralstelle mehr ent⸗ lastet und z. B. das Reichs⸗Versicherungsamt selbständig gemacht würde. Es würden sich dann die einzelnen Beschwerden besser an⸗ bringen lassen. Es sei charakteristisch, daß der Vertreter der Metro⸗ pole von Süddeutschland, der soeben gesprochen habe, behaupte, das Bäckergewerbe sei ein so gesundes, daß eine sanitätspolizeiliche Kontrole der Bäckereibetriebe nicht nöthig sei. Die Sozialdemokraten würden jedenfalls nach wie vor nicht allein gegen eine Verschlechterung der Bäckereiordnung eintreten, sondern auch auf der sanitäts⸗ volizeilichen der Betriebe bestehen. Was der

bg. Hitze über die Bestrebungen der christlichen Arbeiter vorgetragen habe, sei ja recht schön, aber seine Parteigenossen im preußischen Landtage hätten ein ganz anderes Arbeiterideal. Er erinnere nur daran, was der Abg. Szmula seinerzeit im preußischen Abgeordnetenhause über die galizischen Landarbeiter gesagt habe. Es breche sich in katholischen Arbeiterkreisen immer 84 die Einsicht Bahn, daß sie ihre Interessen im Verein mit ihren in freien Gewerkschaften organisierten Kameraden am besten wahren könnten. Der Abg. Hit irre, wenn er meine, daß die Sozialdemokraten als Gewerk⸗ schaftler dem Strike Erfolg, als Parteiler Mißerfolg wünschten. Weder die Gewerkschaftsbewegung, noch die politische Bewegun könne den Arbeitern nützen, sondern beide zusammen; sie lösten sich bei näherer Betrachtung in einander auf. Durch den gestern im „Vor⸗ wärts“ veröffentlichten Brief des Herrn Bueck an den Staatsrath Haßler sei die Auffassung der Sozialdemokraten über die Haltung der Regierung zu der Arbeiterorganisation vollauf bestätigt worden. Redner kritisiert in seinen weiteren Ausführungen den erwähnten Brief und tritt am Schluß seiner Rede für die Verbesserung der Lage der Ziegeleiarbeiter ein, welche er als besonders hilfsbedürftig schildert.

Abg. Fischbeck (fr. Volksp.): Herr von Kardorff hat es für angezeigt gehalten, in dieser Debatte den Hauptaccent auf die Frage zu legen, auf wie hoch die Getreidezölle erhöht werden sollen und wann die Handelsverträge gekündigt werden. Also ihm ist die Ver⸗ theuerung des täglichen Brotes für den Arbeiter und auf der anderen Seite die Stumm’'sche Sozialpolitik das A und das O der parlamen⸗ tarischen Aufgaben. Graf Klinckowstroem hat gesagt, niemand habe das Recht auf billigeres Brot, als die Landwirthschaft es produzieren könne. Da müssen wir doch zunächst wissen, was die Landwirthschaft als Produktionskosten ansieht. Da würden sich aber sofort die größten Gegensaͤtze herausstellen. Man behauptet von dieser Seite, Deutschland kénne das nöthige Brotgetreide allein produzieren. Andererseits verlangen die großen Forstbesitzer doch auch Schutzzölle auf Holz, um höhere Holzpreise erlangen. Wenn nicht die Anbauflaäche von Getreide durch von jetzigem Forstland erweitert wird, wie kann da eine Vermehrung des Getreideertrages eintreten? Das ist ein weiterer großer Widerspruch. Haben sie höhere Getreidezölle erst bekommen, dann steigt lediglich die Bodenrente also die Einnahme der Besitzer, nicht der Pächter. Die Noth der eigentlichen Bebauer des Bodens wird schließlich immer dieselbe sein, u d die Klagen und Forderungen werden sich immer erneuern. Die lrßeren Erträge des Bodens werden kapitalisiert und vermehren den Reichthum des Besitzers; anderen werden

eschädigt; das ist die Sozialpolititk des Herrn von Kardorff. 8 mumn noch auf einige Einzelheiten aus der bis⸗

igen Debatte zu erwidern. Roesicke hat gemeint, die Berufsgenossenschaft dürfte dem Zentralverbande der Industriellen nicht angehören. Der Verband wirft uns nun Denunziationen vor. Davon kann keine Rede sein; es handelt sich darum, daß eine Zwangsgemeinschaft wie die Berufsgenossenschaften die Mittel ihrer Mitglieder nicht zu A für Ebrrichlungen. wie der tralverband cine ist, zu verwenden hat. Ist doch sonst die Auf⸗ örde, das Reichs⸗Versicherungsamt, ohne weiteres gegen Be⸗ ssenschaften eingeschritten, auch wenn sie bloß eine Haftpflicht⸗ cherungsgesellschaft empfohlen hatte, woraus keinerlei Kosten oder Schwierigkeiten erwuchsen. Man darf doch nicht für die Berufs⸗ genossenschaften zweierlei Recht schaffen und den Großen erlauben, was den Kleinen nicht gestattet wird. Jedenfalls haben die Berufs⸗ genossenschaften nicht das Recht, gegen den Willen ihrer Mitglieder aus ihren Geldern Beiträge zu leisten, aus denen Herr Bueck mitbezahlt wird. Wenn Poligeibeherden und dergleichen von sich aus Unfallverhütungsvorschriften erlassen, haben sie diese den Berufs⸗ genossenschaften zur Aeußerung vorzulegen. Ueber diese verständige esetzliche Vorschrift hat man sich namentlich in neuerer Zeit in Frrsse einfach hinweggesetzt, und auch der preußische Handels⸗ inister hat keine Remedur eintreten lassen. Vom Verbande der Berufsgenossenschaften sint Normalverhütungsvorschriften ausgearbeitet; jetzt kommt ploötzlich Preußen und erläßt eine ganz allgemeine Polizeiverordnung über den Betrieb von Fahrstühlen, welche Bei einigem

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guten Willen hätte man doch das Gutachten der Be⸗ rufsgenossenschaft einfordern können, wenn auch die Er⸗ wägung, daß es sich hier um ganz allgemeine, nicht für einen be⸗ stimmten Betrieb berechnete Anordnungen handelt, etwas für sich haben mag. Nachdem die neuen, großen Versicherungsgesetze über ein halbes Jahr in Kraft sind, muß doch Auskunft gegeben werden über die versprochene Verbesserung beim Verfahren der vorläufigen Er⸗ mittelung der Rentenhöhe; die bisherige, äußerliche Anlehnung an gewisse Prozentsätze, wie sie auch den ärztlichen Attesten vielfa zu Grunde liegt, die zu so vielen Klagen in der Oeffentlichkeit geführt hat, darf nicht länger Platz greifen.

Abg. Sache e (Soz.) verbreitet b über die Löhne der Berg⸗ arbeiter in Sachsen. Die Berichte der Berginspektoren gewährten von diesen Verhältnissen leider kein klares Bild. In Sachsen trügen die Gewerbeinspektoren die Schuld, daß die Arbeiter sich so wenig an sie wendeten. Redner wiederholt zum Schluß die alte Forderung nach Zuziehung von geschulten Bergarbeitern zur Berginspektion.

Abg. Bassermann (nl.) erklärt, daß die Kanalvorlage nicht in den Reichstag gehöre, sowie daß ein Zusammenhang zwischen der Kanalvorlage und dem Zolltarif nicht anerkannt werde, und eine Ver⸗ quickung beider abgelehnt werden müsse.

Darauf wird die Berathung vertagt. Schluß nach 5 ½ Uhr. Nächste Sitzung Dienstag 1 Uhr. (Fortsetzung der Berathung des Reichshaushalts⸗Etats.)

Haus der Abgeordneten.

7. Sitzung vom 21. Januar 1901, 11 Uhr.

Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Das Haus setzt die zweite Fän des Staats⸗ haushalts⸗Etats für das Etatsjahr 1901 fort.

Bei der Berathung des Etats der Ober⸗Rechnungs⸗ kammer bringt

Abg. Freiherr von Eynatten (Zentr.) einen Fall zur Sprache, in welchem die Ober⸗Rechnungskammer die Verfügung eines vorsitzenden Richters, der einen Zeugen von auswärts geladen und ihm 40 als Entschädigung für Reisekosten zugesprochen habe, beanstandet und der Fiskus sogar schließlich vom Richter e Betrag eingeklagt habe. Ein solcher Fall stehe beispiellos in unserer Rechtsprechung da. o bleibe da die Freiheit des richterlichen Ermessens? Der Richter habe dagegen die

Beschwerde mit Erfolg eingelegt. Aber wenn dies einem unbesoldeten

Assessor passiert wäre, hätte er wohl die 40 aus seiner Tasche welln müssen? Hoffentlich kämen solche Fälle nicht wieder vor.

Geheimer Ober⸗Regierungsrath Rößel erwidert, daß die Ober⸗ Rechnungskammer in die richterlichen Befugnisse keineswegs ehpegriffen habe; es sei aber ihre Pflicht, die einzelnen Fälle zu prüfen. In diesem Falle sei die kommissarische Vernehmung des Zeugen vor der Hauptverhandlung möglich gewesen.

Abg. Kirsch (Zentrum) ist durch die Erklärung des Regierungs⸗

Kommissars nicht befriedigt. Sowohl das Justiz⸗Ministerium, als auch die Ober⸗Rechnungskammer treffe in diesem Falle eine Schuld. Ob ein Zeuge vunmissarisch, oder persönlich in der Hauptverhandlung.

vernommen werden solle, sei lediglich Sache der richterlichen Ent⸗ scheidung.

Abg. Gamp (fr. kons.) rügt, wie im vorigen Jahre, den Miß⸗ stand, daß die Ober. Rechnungskammer durch ihre Monita wegen ganz

geringfügiger Beträge viele unnütze Schreibereien verursa und

namentlich die Provinzialbehörden damit schwer belaste. Die Ober⸗ Rechnungskammer beschäftige sich mit den Steuerdeklarationen, prüfe jeden Pachtvertrag ꝛc. und nehme somit einfach allen anderen Behörden

die Verantwortung ab. Er selbst sei in seiner Jugend einmal von der

Ober⸗Rechnungskammer regreßpflichtig gemacht worden; wäre

er schon angestellter Beamter gewesen, so hätte er sich ruhig vom

Fiskus verklagen lassen. Ob die Preise von Eisenbahnschwellen,

Kohlen ꝛc. angemessen seien, habe die Ober⸗Rechnungskammer nicht zu

prüfen. Es sei durchaus nicht angängig, daß ein Richter, wie im vor⸗ liegenden Fall, regreßpflichtig gemacht werde. 1 Geheimer Ober⸗Regierungsrath Rößel erwidert, daß sich die

Ausgaben aus Verträgen doch garnicht anders prüfen ließen als auf

Grund der Verträge. 8 1 , Abg. Dr. Rewoldt (fr. kons.) meint, daß die Unabhängigkeit

und die Arbeitsfreudigkeit der Richter gelähmt werde, wenn sie einer

solchen Regreßpflicht ausgesetzt seien.

Der Etat der Ober⸗Rechnungskammer wird bewilligt, ebenso die Etats der Prüfungskommission für höhere Verwaltungsbeamte, des des Ge⸗ richtshofes zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte und des Gesetz⸗Sammlungs⸗Amtes in Berlin.

Es folgt der Etat der Forstverwaltung.

Bei den Einnahmen aus dem Solwerkau und aus der Jagd verbreitet sich

Abg. von Kölichen (kons.) über die Waldbrände in der Gegend von Sagan⸗Sprottau. Dieselben seien theils durch Funken der Loko⸗ motiven der Eisenbahnen, r durch unvorsichtige, rauchende Spaziergänger hervorgerufen. Es werde nöthig sein, daß die Eisen⸗ bahnverwaltung thunlichst Vorkehrungen treffe, und dem unbefugten Rauchen im Walde müsse durch strengere Strafandrohungen zu steuern gesucht werden. Der Redner erörtert des weiteren die Frage, wie weit das Aufsichtsrecht über die Privatforsten auszudehnen sei.

Ober⸗Landforstmeister Donner (schwer verständlich): Es hat eine eingehende Erörterung darüber stattgefunden, ob in der Abholzungs⸗ frage mit einer partiellen Gesetzgebung vorgegangen werden kann. Es ist ein Gesetzentwurf ausgearbeitet worden, der dem Hause in kurzer

seit zugehen wird. Was die Waldbrände betrifft, so ist erwogen worden, ob die bestehenden Vorschriften genügen, um diese Brände zu vermeiden. Es ist eine Kommission einberufen und ange worden, darauf zu achten, daß die Eisenbahnen im Frühjahr sich besonders in Acht nehmen, wo bei heftigen Winden ohne Regen die Funken die Bäume leicht in Brand setzen. Die Versicherung gegen Brände hat weitere Fortschritte gemacht.

Abg. von Heimburg (kons.) wünscht eine Umgestaltung der Staatsforstwirthschaft nach der Richtung, daß die Holzpreise niedriger werden. Ober⸗Landforstmeister Donner macht darauf aufmerksam, daß in Hessen allerdings früher das Holz unter dem Taxpreise abgegeben worden sei. Das könne man aber nicht aufrecht erhalten.

Abg. Freiherr von Wangenheim (kons.): Es wäre sebr sut⸗ wenn der Holzauktionstermin früher bekannt gegeben würde. Auch die kleinen Leute würden so in die Lage kommen, in den g— von Bau⸗ und Brennhölzern zu gelangen, und nicht bloß die Großhändler. Es haben Erhebungen darüber stattgefunden, ob es nicht möglich sei, größere Privatforsten durch die Landschaften zu beleihen. Die Staats⸗ Regierung sollte dies nach Möglichkeit erleichtern und in die Land⸗ wirthschaftskammern Forstmeister entsenden. Den Förstern sollten möglichst hohe Schußprämien für die Abschießung des Raubzeuges ge⸗ geben werden.

e. Freiherr von Eynatten spricht sich für die Erhaltung des Hochwaldes in seiner Heimath (Jülich) aus. 8

Ober⸗Landforstmeister Donner: Die geäußerten Wünsche der Vorredner werden in wohlwollende Erwägung genommen werden. Was die früheren Auktionstermine betrifft, so möchte i darauf auf⸗ merksam machen, daß es im Frühherbst an geeigneten Arbeitskräften fehlt. 8. Förster haben selbst das größte Interesse, das Raubzeug

abz 2 k3

Freiherr von Wangenheim; Sehr viele Oberförster

haben bisher fast gar kein Interesse an dieser wichtigen Frage gezeigt⸗ Die Einnahmen werden gebilligt. .

Bei den dauernden Ausgaben bemängelt

Abg. Hofmann (nl.) anscheinend die Grundsätze, nach denen die Stellenzulagen für Oberförster werden, we die Gehalts⸗ verhältnisse dieser Beamten, bleibt aber im einzelnen unverständlich.

Donner erwidert, daß nach den Er⸗ klärungen des Finanz⸗Ministers die Gehaltserh gelten 3 Die Stellenzulagen koͤnnten nur innerhalb der etats⸗ mäßigen Mittel gewährt werden.

.Dr. Göschen (nl.) erinnert daran, daß die Regierung früher selbst anerkannt habe, daß die Oberförster in besonders theuren Gegenden Stellenzulagen erhalten müßten. Im Hochwald stelle sich das Leben immer theurer. Die Regierung möge den Fonds für die Stellenzulagen im nächsten Jahre so weit erhöhen, daß alle sole Bedürfnisse befriedigt werden könnten. Die Gehaltsregelung sei ja abgeschlossen, aber auch die Stellenzulagen allein nützten nichts, man müsse den Oberförstern Dienstaufwands⸗Entschädigung gewähren.

Unter⸗Staatssekretär Hehners bemerkt, daß einzelne Ungleich⸗ heiten leichter zu ertragen seien, als wenn die ganze Gehaltsfrage wieder aufgerollt würde. Die Stellenzulagen erhöhen, hieße nichts anderes, als die Gehälter erhöhen. Die Föͤrster seien bei der neuen Gehaltsregelung nicht sschlecht weggekommen. Jedenfalls müsse diese Frage mit großer Vorsicht behandelt werden. Daß sie so spät zur Anstellung ee; liege in dem großen Andrange zu diesem Berufe.

Aög. ill (kons.) kann die Gehaltsregelung für die Oberförster nicht als abgeschlossen ansehen und wünscht die Gewährung von Dienstaufwands⸗Entschädigungen. Auch sei zu erwägen, ob nicht die Reise⸗Entschädigungen anders zu regeln seien. Der Dispositionsfonds der Forstverwaltung möge im nächsten Jahre wesentlich erhöht werden.

Abg. von Waldow⸗Fürstenau (kons—) macht darauf aufmerksam, daß viele Forststellen unter der Dürre des vergangenen Jahres zu leiden gehabt haben, und bittet, die Beamten aus dem Dispositions⸗ fonds zu entschädigen. 3

Ein Regierungskommissar spricht sein Bedauern darüber aus, daß der Dispositionsfonds erschöpft sei. Die betreffenden Be⸗ amten müßten auf den nächsten Etat vertröstet werden.

Abg. Dr. Hirsch (fr. Volksp.) weist darauf hin, daß in Forst⸗ betrieben 144 678 Arbeiter beschäftigt seien und eine große Zahl von Betriebsunfällen vorkomme. Es wäre interessant, zu erfahren nicht nur, wieviel Betriebsunfälle vorgekommen seien, sondern auch wie es mit der wirthschaftlichen Lage der Forstarbeiter stehe. Wir ständen in diesen Erhebungen hinter anderen Ländern zurück. Die „Mündener Hefte“, auf welche die Verwaltung im vorigen Jahre hingewiesen, lese fast kein Mensch. Es fehle an einer Statistik über die Verthei⸗ lung der Arbeiter auf die einzelnen Bezirke, über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter u. s. w.

Ober⸗Landforstmeister Donner erwidert, daß diesen Wünschen entsprochen werden solle, soweit es möglich sei.

Die dauernden Ausgaben werden bewilligt.

Es folgt der Etat der Lotterieverwaltung.

Bei den Einnahmen macht

Abg. Dr. Arendt (freikons.) darauf aufmerksam, daß in diesem Jahre eine Mindereinnahme zu verzeichnen sei. Die Uebelstände des Lotteriewesens würden zwar von allen Seiten anerkannt, aber es geschehe nichts zu ihrer Beseitigung. Die Königliche Staatsregierung habe alles ver⸗ sucht, um Abhilfe zu schaffen, aber auch sie habe nichts Wesentliches erreichen können. Die Lage sei inzwischen noch verschlechtert worden durch die

Schaffung neuer Klassenlotterien in den Einzelstaaten und durch die Erhöhung der Reichs⸗Stempelabgaben insofern, als infolge dessen Preußen durch fremde Loose überschwemmt werde. Dieser nedhe⸗ schwvemmung könnte nur auf postalischem Wege entgegengetreten werden. Wir bekämen jetzt sogar aus Bulgarien Zuschickungen. Ein weiterer Uebelstand sei die Genehmigung einer größeren Zahl von Privat⸗ lotterien. Eine Beseitigung dieser Uebelstände sei nur auf reichsgesetz⸗ lichem Wege in vollem Maße möglich. Wenigstens sollte die Errichtung neuer Lotterien verhindert werden. Ferner solle eine Lotteriegemein⸗ schaft zwischen Preußen und den übrigen Lotterien besitzenden Einzel⸗ staaten errichtet werden. Er habe das volle Vertrauen zu dem Finanz⸗ Minister, daß er diese Frage im Auge behalten werde.

Unter⸗Staatssekretär Lehnert: Mein Chef ist leider durch Unwohlsein verhindert, der heutigen Sitzung beizuwohnen. Wir sind fortgesetzt bemüht, die vorhandenen Uebelstände auf dem Gebiete des Lotteriewesens zu beseitigen. Die Schwierigkeiten einer Lösung dieser Frage hat auch der Herr Vorredner nicht verkannt. Der Weg der reichsgesetzlichen Regelung ist verschlossen. Eine Verständigung mit den anderen Einzelstaaten haben wir schon vor Jahren versucht; unsere Vorschläge sind aber abgelehnt worden. Der Vorschlag, die Hilfe der Post in Anspruch zu nehmen, um fremdländische Lotterie⸗Offerten auszuschließen, ist in Erwägung gezogen worden

Abg. von Eisenhart⸗Rothe kkons.) lenkt die Saieee. der Verwaltung auf die Anstellung der verabschiedeten Offiziere als Lotterie⸗Kollekteure und beschwert sich darüber, daß ihnen weniger wose zugewiesen würden als den kaufmännischen Kollekteuren, obwohl si dieselbe Kaution zu stellen und dieselben Betriebskosten hätten wie jene. Sie hätten eine Bruito-Einnahrne von 4800 Es empfehle Zahl der zuzuweisenden Loose allgemein auf etwa 600 fest⸗ zusetzen.

Geheimer Ober⸗Finanzrath Dombois: Bei allem Wohlwollen der Staatsregierung für die verabschiedeten Offiziere kann ich eine Er⸗ füllung dieses Wunsches nicht versprechen, gerade im Interesse der Bewerber, die bisher nicht befriedigt werden konnten. Der Vorredner hat das Brutto⸗Einkommen zu niedri geschaͤßt. Es beläuft sich auf 5000 und mehr. Die Lotteriekollekte soll ja auch nur eine Er⸗ ee- des Einkommens der pensionierten Offiziere bilden.

Abg. Pleß (Zentr.) verurtheilt die Staatslotterie vom moralischen Standpunkt überhaupt. Bei der günstigen Finanzlage sollte sich der Staat überlegen, ob er die Lotterie nicht ganz aufgeben wolle. Nur durch Fleiß und Sparsamkeit solle der Bürger sich Geld erwerben. Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum kkons.) spricht sich gegen eine neue Schloßplatz⸗Lotterie aus und bedauert, daß der Platz, auf dem das Kajser Wilhelm⸗Denkmal stehe, seiner Zeit durch eine Lotterie erworben sei. ’1 g Abg. Kirsch (Zentr.) schließt sich den Ausführungen des Abg. durch eng 82 aber Bedenken gegen die Beschlagnahme von Briefen Abg. von Eynern (nl.) theilt nicht den streng moralischen Standpunkt gegen die Lotterien. Manches Segensreiche sei durch Lotterien erreicht worden, ohne daß wirthschaftliche Schäden die Folge hpesen seien. Mit Recht müßte man sonst auch die Bazare für hebätigkeitz wecke 5 8. 8

g. Hr. Arendt bemerkt dagegen, daß es sich garnicht um ein Verbot aller Lotterien handle, sondern nur um eine Be⸗ vetigung des Uebermaßes der Privatlotterien und der Auswüchse der 5 feriereklame und des Lotteriehandels, durch welche das Publikum mit nnfeweniger sehr großer Gewinne bei sehr geringen Gewinnchancen 8 Spielen verlockt werde. Auf dem Schloßplatz wolle man eine große Na meshalle mit Hilfe einer Lotterie schaffen. Dadurch würden viele Fren dem Volke entzogen werden. Für solche Verschönerungen, auch nicht sie einen patriotischen Hintergrund hätten, dürfe man dem Volke das go große Summen entziehen. Herr Kirsch habe falsch verstanden; Drucfnefgeheimniß dürfe allerdings nicht verletzt werden, aber offene von sachen könnten zurückgehalten werden. Mit Ausnahme des Abg.

e sei das Haus einig über die Mißstände im Lotteriewesen.

er Etat wird bewilligt.

Es folgt der Etat des Seehandlungsinstituts.

8, Akg. von E n ha s kynern hält den Abschluß der Seehandlung ange⸗ sehts des hohen Diskontstandes für sehr ungünstig. Schuld fel daran kommißiwohnlich 8 Effektenbestand der Seehandlung. Die Budget⸗ . n1159 habe ein Intexresse, diese Umstände näher zu prüfen, und Die Saage daher die Ueberweisung dieses Etats an die Kommission. Mi nistericandlung stehe in Geschäftsverbindung mit dem Fraan. derbindunmm und den Provinzen. Leider sei aber eine Geschäfts⸗ See nang mit dem Reiche zu Fermien. 19 hätte durch die ing mit ihren überflüssigen Beständen sehr wohl dem Reiche

öhung für abgeschlossen

n, anstatt daß das Reich in Amerika seine An⸗ leihe aufgenommen habe. Diese Anleihe hätte sehr wohl von der See⸗ handlung übernommen werden können. Die Seehandlung müsse kaufmännischer operieren.

Unter⸗Staatssekretär Lehnert bemerkt, daß das een. Ab⸗ geordnetenhaus auf die Reichsanleihe nicht eingehen könne. Es sei garnicht die Aufgabe der Seehandlung, große Kapitalien in Reichs⸗ werthen anzulegen. Der Abschluß der Seehandlung sei nicht so un⸗ günstig, wie der Vorredner annehme; es sei fast auf allen Gebieten

kömn

eine Erhöhung zu konstatieren.

Abg. Dr. Arendt meint, daß die Anleihe in Amerika aus volks⸗ wirthschaftlichen Gründen zu rechtfertigen sei, weil sonst eine üble Wir⸗ kung auf unseren Zinsfuß eingetreten wäre. Bedauerlich sei ja an sich, daß dadurch die soliden Kapitalisten, welche sich von der Börse fernhielten, geschädigt würden. Das Börsengesetz habe sich gerade in den letzten Jahren außerordentlich bewährt, namentlich das Verbot des Termin⸗

eschäfts in Montan⸗Aktien. Wäre das Termingeschäft nicht verboten, so wäre die Ueberspekulation noch viel krasser hervorgetreten. So aber sei man über die Krisis des Montanmarktes leicht hinweggekommen. Daß die Anleihe in Amerika begeben werden mußte, habe hauptsächlich an der Erhöhung des Zinsfußes infolge der Insuffizienz der Reichsbank in der Befriedigung des Verkehrsbedürfnisses gelegen.

Abg. Dr. Friedberg (nl.) hätte eine engere Verbindung zwischen dem Deutschen Reich und der Seehandlung gewünscht; daß diese Ver⸗ bindung nicht bestehe, sei wohl nur dadurch erklärlich, daß dem Reiche die Reichsbank näher stehe. Der Finanz⸗Minister habe 174 Millionen der Seehandlung zu Lombardzwecken übergeben. Es sei ganz recht, wenn die Finanzverwaltung überflüssige Bestände der Seehandlung zur Verfügung stelle. Aber lägen nicht etwa in dieser Summe Kredite, die schon flüssig gemacht seien, aber noch nicht hätten zur Verwendung kommen können? Wenn dies der Fall, sei die Finanzverwaltung nicht geschickt verfahren. Die Auf⸗ nahme von Ance ber im Auslande könne kein volkswirthschaftlicher Schaden sein. Die amerikanische Anleihe habe zudem auch noch den Zweck gehabt, einen wohlthätigen Einfluß auf die Goldbewegung aus⸗ zuüben. Die hüse die Goldbewegung aufmerksam ver⸗ folgen, und wenn sie den Rath ertheilt habe, die Anleihe in Amerika zu. begeben, so könne ihr durchaus kein Vorwurf gemacht werden. Die Wirkung des Börsengesetzes beurtheile der Abg. Arendt falsch. Gerade mit Hilfe des Terminhandels könne eine Krists leichter über⸗ wunden werden.

Unter⸗Staatssekretär Lehnert erklärt, daß die Reichsbank das egebene Institut für das Reich sei. In den 174 Millionen sei keine nleihesumme eingeschlossen, seit Jahren sei ja keine Anleihe mehr

von Preußen aufgenommen worden. Es habe sich lediglich um über⸗ flüssige Bestände des Finanz⸗Ministeriums gehandelt. Auf eine An⸗ regung des Vorredners bemerkt der Redner, daß in dem geplanten Neubau der Seehandlung passende Räume für die Aufbewahrung von Effekten voeheschen seien und daß der Verkehr bei der Seehandlung nach Möglichkeit beschleunigt werden solle.

8 g. von Eynern bedauert nochmals im nationalen Interesse daß das Reich nach Amerika habe gehen müssen. Volkswirthschaftlich sei das sicherlich ein Schaden. Denn wir müßten an Amerika Zinsen zahlen, und wann die Anleihe zurückgezahlt werden müsse, könne man nicht wissen. Es könne gerade zu ungelegener Zeit verlangt werden. Deutschland habe sich dadurch von einem anderen Lande abhängig gemacht, was im Interesse unserer Wehrhaftigkeit nicht zu wünschen sei.

Abg. Dr. Arendt erkennt an, daß die 80 Millionen in Deutsch⸗ land ebenfalls sehr gut hätten aufgebracht werden können; aber unser schon schwieriger Zinsstand würde dadurch noch weiter erschwert werden. Von der Wehrhaftigkeit bei diesen 80 Millionen zu sprechen, sei eine Uebertreibung. Deutschland habe in den letzten Jahren einen gryßeen Theil seines Besitzes an ausländischen Werthen aufgeben müssen. Das sei eine Folge der schlechten Wirthschaftspolitik durch die Caprivi'schen Handelsverträge. Deutschland habe sich durch seine Bank⸗ und Währungspolitik in tributäre Abhängigkeit von England begeben. Praktisch stehe er (Redner) auf dem Boden der Goldwährung. Da sie einmal da sei, müsse man sich 5” einrichten und für einen möglichst hohen Goldbestand sorgen. Daher sei die Begebung der Anleihe im Herbst in Amerika volkswirthschaftlich ein richtiger Schritt gewesen. Herr von Eynern habe zum ersten Male über die bureaukratische Geschäftsführung der Reichs⸗ bank geklagt. Bisher habe man in der ganzen Presse der Linken nichts als Lob über die Reichsbank gehört. Wenn das Reich jetzt wieder eine Anleihe brauche, werde es von den deutschen Bangniers sicherlich wieder bessere Bedingungen erhalten. Frankreich und Oesterreich hätten bewiesen, daß man einen Schutz des Gold⸗ vorraths auch auf andere Weise als durch die den Verkehr so sehr schädigende Erhöhung des Diskontsatzes erreichen könne. Der Termin⸗ Farde sei nur geeignet, eine Panik hervorzurufen und eine Krisis noch chlimmer zu machen. Auch in Handelskreisen werde man sich mit dem Börsengesetz abfinden müssen. Eine Abschwächung dieses Gesetzes sei im Reichstage nicht zu erreichen. Die Handelskreise sollten den nutzlosen Kampf gegen dasselbe aufgeben.

Abg. Lr. Friedberg führt nochmals aus, daß in einer Anleihe im Auslande keine Abhängigkeit liege. Der Abhängige sei eigentlich gerade der Gläubiger, der sein ganzes Kapital riskiert.

Der Etat des Seehandlungsinstituts wird bewilligt. Es folgt der Etat der Münzverwaltung.

„Abg. Dr. Arendt: Mag man auch meinen, daß die neuen Denk⸗ münzen für die Jubelfeier nicht schön geworden sind, mag man auch den König Friedrich I. mit unserer Kaiserin verwechseln, wenn auch die Kaiserin dann recht schlecht getroffen wäre, 8. wünsche ich doch, daß diese Münzen in den Volkskreisen gute Aufnahme finden und den Zweck erfüllen, eine Denkmünze eines großen historischen Ereignisses zu sein. Dazu 81S. die Münzen aber in ausgiebiger Zahl geprägt und es muß verhindert werden, daß der Zwischenhandel sie aufkauft. Nach unserem Münzgesetz von 1873 wäre die Prägung einer solchen Denkmünze nicht möglich gewesen, diese Möglichkeit verdanken wir

t dem vorjährigen neuen Münzgesetz, und dem Abg. Kirsch verdanken wir es, daß er zuerst die Anregung zur Aufnahme einer solchen Be⸗ stimmung in das Gesetz gegeben hat.

Unter⸗Staatssekrekär Lehnert: Man mußte erst abwarten, wie die Nachfrage sein würde, und konnte zunächst nur den Ansprüchen der ersten Tage genügen. Unsere Münze konnte auch eine größere Zahl bis zum 18. Januar nicht herstellen. Die Regierung hat das größte Interesse, daß eine genügende Zahl unter die Bevölkerung gebracht wird, damit niemand ein Aufgeld dafür zu zahlen braucht. In einem Erlaß ist angeordnet, v. niemals größere Summen darin gezahlt, sondern immer nur einzelne Stücke beigegeben werden sollen.

Abg. l)r. Göschen: Die Freude an dieser Münze wäre noch weit größer, wenn die Prägung schöner wäre. Die Medaillenkunst ist noch ein neuer Zweig und wird vom Kultus⸗Ministerium gefördert. Die Münzverwaltung müßzte ihre Münzen auch so schön wie möglich herstellen, was bei diesen Denkmünzen nicht der Fall ist.

Unter⸗Staatssekretär Lehnert: Ueber den Geschmack läßt sich nicht streiten Unsere Münzverwaltung hat tüchtige technische Kräfte und dieser Aufgabe alle Sorgfalt zugewendet.

Abg. Kirsch wünscht bei der zweiten Serie eine bessere Prägung. Wenn die Münzverwaltung dazu nicht in der Lage sei, solle sie ein Konkurrenzschreiben erlassen.

Unter⸗Staatssekretär Lehnert hält eine andere Prägung für vanent Serie für unmöglich, man müsse an der ersten Präggung esthalten.

Abg. Dr. Arendt ist derselben Ansicht und meint, daß die An⸗ regung des Abg. Kirsch vielleicht nach abermals 100 Jahren befolgt werden könne.

Der Etat wird bewilligt.

Schluß 4 ¼ Uhr. Nächste Sitzung Dienstag 1 Uhr. (Extraordinarium des Etats der Forstverwaltung; Etat der Domänenverwaltung.)

Handel und Gewerbe.

(Aus den im Reichsamt des Innern zusammengestellten „Nachrichten für Handel und Industrie“.)

Frankreich. Seeoctroi in Algerien. Im „Journal officiel“ vom 1. d. M. ist eine Verordnung der Französischen Regierung vom 30. De⸗ 1900 veröffentlicht, durch welche für die Zeit vom 1. Januar is 31. Dezember 1901 das munizipale Seeoctroi für Algerien fest⸗ gesetzt wird. Dasselbe entspricht den bisher erhobenen Sätzen und erstreckt sich auf folgende Wäaare:n: 1 für 19 kg ranken RNK“ 830 ͤ111142AX““ 10 111“ 15 öab114A4“ 20 X“”“] 5 4544* 258 aronen, Kastanien und Mehl daraus Zimmt und Zimmtcassia . . . . .. Muskatnuß, Muskatblüthe und Vanille Nelken und Nelkenstengel 8 Miheralste ...

11“ 8 1 8 8 ranken 818 reiner, enth Fässern, in Branntwein und Sprit in Flaschen, in Li⸗ siteren und Früchten in Branntwein . . . . . . .. Alkohol, reiner, in Mischweinen, in mit Alkohol stummgemachten (mutés) Weinen. Alkohol, reiner, enthalten in Wein aus getrockneten Wein⸗ beeren, in Kunstweinen und alkoholischen Flüssigkeiten von der Gährung von igen, Johannisbrot, Datteln, Getreide und allen zuckezbaltigen Stoffen und dergl., mit Ausnahme der frischen Weinbeeren, der Aepfel, Birnen cc4* Alroho reiner, soweit er 15,9 ° im Wein übersteigt.. . Alkohol, reiner, enthalten in alkoholhaltigen destillierten Wassern, in alkoholhaltigen Parfümerien und allen anderen im Mischungszustand Alkohol zurückhaltenden 1144444““ Alkohol, welcher zur Bereitung von Arzneien, chemischen und anderen, durch Umwandlung des Alkohols her⸗ gestellten verwendet wird, eseteeg der mit amtlich denaturiertem Alkohol hergestellten Firnisse, jedoch mit Ausnahme der von der Militärverwaltun eingeführten Knallquecksilberzündungen (die Abgabe ist in dem durch den Zolltarif festgesetzten Verhältniß und nach Maßgabe der Dekrete vom 7. und 21. August 1900 16161616XAX“]

Kohlen⸗Ein⸗ und ⸗Ausfuhr Frankreichs in den

Monaten Januar bis November 1900.

In den ersten elf Monaten des Jahres 1900 erreichte die Ein⸗ fuhr von Steinkohlen nach Frankreich einen Werth von 243 947 054 Franken gegen 196 171 534 Franken im gleichen Abschnitt des vorher⸗ ehenden und 154 940 352 Franken in den ersten elf Monaten des Jahres 1898. Die Koks⸗Einfuhr bezifferte sich auf 42 514 766 Franken egen 37 825 438 und 29 991 094 Franken in den Monaten Januar is November der beiden vorhergehenden Jahre. Der Menge nach stellte sich die Steinkohlen⸗ und Koks⸗Einfuhr Frankreichs in den ersten elf Monaten der letzten drei Jahre, wie folgt:

Januar bis November

Herkunftsländer 1900 899

dz

Steinkohlen Großbritannien . 68 098 900 Belgien ... 42 382 900 34 662 800 33 028 900 Deutschland .7 18600o0 7115 300 6 444 800 Andere Länder ... 701 500 84 300 72 400 8 8“ . 118 420 900 95 228 900 80 698 100

Koks

Belgien 6682600 5 531 300 Deutschland 7 278 300 6 855 700 Andere Länder 305 800 —306 100 Zusammen 12 693 100

53 366 500

——286 700 2300

Die Ausfuhr französischer Steinkohlen stellte sich in den Monaten Januar bis November 1900 auf 21 612 284 Franken gegen 23 483 588 und 22 991 330 Franken in dem gleichen Abschnitt der vorhergehenden beiden Jahre. Die Koks⸗Ausfuhr erreichte einen Werth von 1 795 080 Franken gegen 1 574 720 Franken in den Monaten Januar bis No⸗ vember 1899 und 1 260 860 Franken in den ersten elf Monaten des Jahres 1898. Der Menge nach stellte sich die Steinkohlen⸗ und Elee alnfuhr in den ersten elf Monaten der letzten drei Jahre, wie folgt:

Bestimmungsländer 1900

Steinkohlen Belgien. 8 NNEö Schweiz.. . .. Andere Länder .. Bunkerkohle für fran⸗ zösische Schiffe. Bunkerkohlen für fremde Schiffe. Zusammen . 10 491 400 11 399 800 12 100 700 u“]; 641 100 562 400 548 200. (Nach Documents Statistiques sur le Commerce de la France.)

5 690 400

143 700 1 755 400 1 093 000

2 248 500

468 800 794 800

8 Die Tabackproduktion Rußlands.

Nach den neuesten amtlichen Ausweisen wurden 1898 in Ruß⸗ land 853 200 Zentner Taback verschiedener Güte geerntet. Die Feuf. bewegten sich zwischen 4 bis 220 Rbl. für den Zentner. Die Produktion wurde verarbeitet von 261 Fabriken, von denen 102 auss ließlich Machorka erzeugten. In “den Fabriken waren 11 120 Männer, 24 500 Frauen und 3200 Kinder beschäftigt.

Autßer dem einheimischen Taback wurden 8240 Zentner aus⸗ ländischen Tabacks verarbeitet; es wurden erzeugt: Rauchtaback 1. Sorte 12 150 Zentner, 2. Sorte 61 770 Zentner, 3. Sorte 68 419 Zentner; Schnupftaback 50 Zentner; Zigarren 1. Sorte 37 495 239 Stück, 2. Sorte 7 658 000 Stück, 3. Sorte 149 392 000 Stück; apiros 1. Sorte 2 936 589 000 Stück, 2. Sorte 3 775 756 000 Stück; Zigaretten 20 075 000 Stück und Machorka 458 000 Zentner.

Ausgeführt wurden an Tabackfabrikaten: nach Fran 6834 Zentner, Deutschland 1492 Zentner, Oesterreich 6600 Zentner. Türkei 341 Zentner, Großbritannien 268. Zentner, Fenten 25 000 Zentuer, und nach anderen Staaten 3222 Zentner. Die aus⸗ geführten Fabrikate waren vorzugsweise Papiros, die im Auslande guten Absatz finden. b

Der Tabackbau ruht in Rußland fast ausschließlich in den Händen der Bauern, große Plantagen sind so gut wie gar nicht Irgend welche Reformen, die die Art des Absatzes im Auge haben

würden, müßten daher die Interessen einer sehr großen Anzahl von 1

Bauern berühren, von denen die meisten vom Tabackbau leben. (St. Petersburger Zeitung.)

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