1901 / 32 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 06 Feb 1901 18:00:01 GMT) scan diff

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scondern auch Industrie und Handel gleichmäßig betheiligt.

Das ist eine unerhörte Beengeen. auf die man die Antwort nicht schuldig bleiben wird, wenn erst der stenographische Bericht über die Rede des Herrn Böckel vorliegt. Redner geht darauf seinerseits auf die Aussagen in den Konitzer Pe eh und insbesondere auf die gegen Levy erhobenen Anschuldigungen näher ein. (Unterbrechungen und Zwischenrufe rechts.) Diese Unterbrechungen und Zwischenrufe ver⸗ bitte ich mir ein für allemal; so viel Rücksicht sollten Sie gegen mich besbachten, mich nicht in dieser Weise zu unterbrechen. (Vize⸗Präsident Büsing: Ich habe die Unterbrechung nicht für so stark angesehen, daß ich mich gemüßigt gesehen hätte, Uenseschkeren; der Redner sollte sich dabei beruhigen, gegen unangemessene Unter⸗ brechungen wird ihn das Präsidium schützen.) Redner fuch weiterhin darzulegen, daß Levy und seine Familie an dem Mord unschuldig seien, da ein völliger Alibibeweis geführt sei. Es sei bedauerlich, wenn man die Reichstagstribüne dazu benutze, solche antisemitischen Hetzereien, die schon zum Blutvergießen geführt hätten, weiter zu treiben. Im preußischen Landtage werde den Herren auch von autoritativer Seite die Antwort zu theil werden.

Abg. Horn⸗Sachsen (Soz.) führt Beschwerde über Benachtheili⸗ gung der sächsischen Fabrikarbeiter durch falsche Auslegung bezw. durch Nichtbeobachtung der Fabrikordnung und über das Verhalten der Ge⸗ richte, welche sich, wenn sie von den Arbeitern angerufen würden, wie Redner behauptet, ausnahmslos auf die Seite der Behörden zu stellen Fhgegten. Redner bringt für seine Beschwerden zahlreiche Einzel⸗ fälle bei.

Darauf wird ein Vertagungsantrag angenommen.

Schluß 5 Uhr. Nächste Sitzung Mittwoch 1 Uhr.

(Antrag, betreffend die Beseitigung der Theaterzensur.)

Preußischer Landtag. Haäaus der Abgeordneten. 18. Sitzung vom 5. Februar, 11 Uhr.

Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Das Haus setzt die erste Berathung des Gesetz⸗ entwurfs, betreffend die Herstellung und den Ausbau von Kanälen und Flußläufen im Interesse des Schiffahrtsverkehrs und der Landeskultur, und der Staats⸗ verträge zwischen Preußen und Bremen, zwischen Preußen, Braunschweig und Bremen, sowie zwischen Preußen und Lippe über die Kanalisierung der Weser von Hameln bis Bremen fort.

Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer⸗ stein:

Meine Herren! Ungern ergreife ich das Wort zur gegenwärtigen Vorlage, einmal, weil mein Befinden nicht ganz sonderlich ist, mehr aber noch, weil es außerordentlich schwer ist, zu einer Vorlage, zu der ich länger denn 20 Jahre fast regelmäßig wiederkehrend das Wort ergriffen habe, neue Gesichtspunkte vorzubringen. Ich möchte ungern in den Fehler verfallen, den auch gestern wiederholt Redner gemacht haben, alte, gute, bekannte Einwände, von denen ich angenommen hatte, daß sie mehr oder weniger erledigt wären, Gründe, die so und so viel mal besprochen sind, erneut vorzulegen und erneut zu wider⸗ legen. (Sehr gut! bei den Nationalliberalen.) Mein Bemühen soll es sein, soweit es zu vermeiden eist, mich nicht zu wiederholen, und, soweit es mir möglich ist, einige neue Gesichtspunkte in die Verhand⸗ lungen hineinzutragen.

Meine Herren, der Herr Abg. Dr. am Zehnhoff hat gestern seine Rede damit begonnen, daß er erklärte: die gegenwärtige Vorlage sei nicht eine verbesserte, sondern eine wesentlich verschlechterte Auflage der vorjährigen. Ich bin der gegentheiligen Ansicht und will mich bemühen, das weiter auszuführen und zu begründen.

Meine Herren, charakteristisch ist schon, daß, nachdem die neue Vorlage in die Oeffentlichkeit getreten ist, in der Presse und in der Oeffentlichkeit nicht mehr von einer Kanalvorlage, sondern von einer wasserwirthschaftlichen Vorlage die Rede ist, und diesen Gedanken baue ich noch weiter aus. Ich behaupte, meine Herren, daß die gegen⸗ wärtige Vorlage ein groß angelegtes wasserwirthschaftliches Programm für die Gegenwart und Zukunft enthält. (Sehr richtig! links.)

Meine Herren, wenn ich diesen Satz aufgestellt habe, glaube ich, meine Aufgabe, darzulegen, was ich unter „Wasser⸗ wirthschaft“ in dem Sinne meiner eben ausgesprochenen Worte verstehe. Meine Herren, unter „Wasserwirthschaft“ verstehe ich die Erlangung der Herrschaft über das Wasser, die Be⸗ herrschung des Wassers, und zwar zu dem doppelten Zweck: einmal um alljährlich oder regelmäßig wiederkehrende Verheerungen und Verwüstungen, die das ungefesselte Element verursacht, möglichst zu verhüten und zu beseitigen; andererseits die großen Kulturzwecke, für die das Element, das Wasser, nutzbar gemacht werden kann, voll und ganz in den Dienst des wirthschaftlichen Lebens zu stellen. (Sehr richtig! links.) Als solche Kulturzwecke stelle ich drei auf. Ich will dabei vorab erwähnen, daß die Reinerhaltung des Wassers, die eine Vorbedingung zur Erreichung dieser Zwecke ist, hier auszuschalten ist: die liegt auf einem besonderen Gebiete.

Meine Herren, die Aufgabe der Beherrschung des Wassers ist zunächst, das Wasser für die Landeskultur im weitesten Sinne dienstbar zu machen, und ich glaube, daß darüber hier im hohen Hause bei Keinem Zweifel besteht, daß die Wasserwirthschaft dieses Ziel zu erstreben hat. Daran ist nicht bloß die Landwirthschaft, Daneben

t es Aufgabe einer richtigen, vernünftigen Wasserwirthschaft, die

riebkraft des Wassers, soweit das möglich ist, ich will an Thal⸗ sperren erinnern, ich will an die Ausnützung des Gefälles bei Gebirgs⸗ bächen erinnern, für alle produktiven Gewerbe dienstbar zu machen. Und, meine Herren, als dritte Aufgabe einer vernünftigen Wasser⸗ wirthschaft ziehe ich vor allem die Indienststellung des Wassers als Verkehrsmittel in Betracht.

Meine Herren, ich will in Bezug auf letzteren Punkt mir nur wenige kurze Bemerkungen gestatten. Solange wie die Welt besteht, bei allen Kulturvölkern und bei allen unzivilisierten Völkern hat noch von je und je das Wasser als das beste und billigste Verkehrsmittel ben Erschaffung der Welt an bis jetzthin seine Dienste geleistet. (Sehr richtig! links.) Und, meine Herren, sowohl das Salzwasser wie das Süßwasser als Verkehrsmittel auszuschalten aus unserer Wirtbschafts⸗ pelitik, Sie mögen noch so viele Versuche machen, das ist aussichtslos. Ich werde mir gestatten, auf diesen Punkt später noch weiter ein⸗ zugeben

1 Meine Herren, was bringt nun im wesentlichen die gegenwärtige Vorlage? Ich habe aus den sämmtlichen Verlagen mir eine kurze Aufstellung gemacht in dieser Aufstellung sind nach den Gesichts⸗ puukten, inwieweit die Vorlage dem Westen, inwiemeit sie dem Osten der Monarchie zu gute kommen soll, getrennt aufgeführt diezenigen

ist es,

Aufwendungen, welche für den Schiffahrtsverkehr gemacht werden sollen, von denjenigen Aufwendungen, welche der Verbesserung der Vorfluth dienen sollen.

Meine Herren, westlich der Elbe kommt ausschließlich der Rhein⸗ Weser⸗Elbe⸗Kanal in Betracht; er ist in die Vorlage mit einer Länge von 515 ½ km eingestellt; die Kosten sind auf rund 260 Millionen veranschlagt, und ich darf dabei bemerken: es ist in diesen Zahlen nicht enthalten die Kanalisierung der Weser bis Minden hin, die be⸗ kanntlich von Bremen auf Bremer Kosten erfolgen soll.

Anknüpfend an diese Mittheilung, will ich sofort auf eine Be⸗ merkung eingehen, welche der Graf Limburg⸗Stirum gestern zu dieser Position der Vorlage machte. Wenn ich bei der mangelhaften Akustik hier im Hause den Grafen Limburg richtig verstanden habe, so sagte er gestern, er sei überall nicht zu haben für den Ausbau des Schiffahrtskanals von Bevergern bis zur Elbe, weil in Verbindung mit dieser Anlage die Weserkanalisation stehe, und die Weserkanalisation wolls er keinenfalls. Meine Herren, ich darf darauf erwidern: am sichersten und besten beurtheilen doch diese Frage wohl diejenigen, die unmittelbar an der Weserkanalisation betheiligt sind, sowohl Landwirthschaft, wie Industrie und Handel, und ich kann versichern, daß man in Hannover für die Weserkanalisation sowohl im industriellen wie landwirth⸗ schaftlichen Interesse wie im Interesse des Handels, besonders aber im landwirthschaftlichen Interesse, im Meliorationsinteresse das aller⸗ wesentlichste und größte Interesse hat. (Sehr richtig! links.) Eine schwere Enttäuschung würde eintreten, wenn deshalb der Mittelland⸗ Kanal abgesetzt würde, weil dadurch die Weserkanalisation gehindert werden solle. (Sehr richtig! links.) Daß der Herr Graf Limburg⸗Stirum bei dieser Gelegenheit sich auch kurz mit der Frage beschäftigte, ob es zweckmäßig sei, den Dortmund⸗Rhein⸗ Kanal zu bauen, will ich nur beiläufig streifen. Ich habe schon früher meine persönliche Ansicht dahin geltend gemacht, daß, wenn man stück⸗ weise bauen wollte, der Bau des Stückes von Dortmund nach dem Rhein, mag man die Lippe⸗ oder die Emscher⸗Linie wählen, im Inter⸗ esse der Landwirthschaft die allergrößten Bedenken haben würde, denn wenn man das Stück vorab baut, so eröffnet man neben dem Zugang, den der Dortmund⸗Ems⸗Kanal bereits in das Hauptkonsumtionsgebiet gewährt, eine zweite direkte Einbruchsstelle bis mitten in das Kon⸗ sumtionsgebiet hinein. Meine Herren, gerade auf dieses Kon⸗ sumtionsgebiet haben die Landestheile, denen ich angehöre: Hannover, Braunschweig, Sachsen, Anhalt u. s. w. den allergrößten Werth zu legen, und zwar darauf, daß ihnen die Konkurrenzfähigkeit zur Befriedigung dieses Konsumtionsgebietes voll und ganz er⸗ halten wird.

Meine Herren, der Rhein⸗Weser⸗Elbe⸗Kanal ist die einzige Vor⸗ lage, die für den Westen in der Gesammtvorlage geplant ist. Ich gehe jetzt zu denjenigen Vorlagen über, die sich mit der Verbesserung der Verkehrs⸗ und Vorfluthverhältnisse östlich der Elbe befassen. Da kommt zunächst der Großschiffahrtsweg von Berlin nach Stettin in Frage mit einer Länge von 98 ½ km, mit einem Kostenaufwand von 39 Millionen rund und mit einer Verwendung von 2 400 000 für Vorfluthinteressen.

Meine Herren, persönlich bin ich nicht zweifelhaft darüber, daß der Großschiffahrtsweg Berlin —Stettin aus derjenigen Kategorie von Vorlagen, die den Charakter von Kompensationen an sich tragen, auszu⸗ scheiden hat. Ich glaube es ist das meine persönliche Ansicht —, daß unser großes Handelsemporium Stettin einen berechtigten An⸗ spruch darauf hat, nachdem es durch die Konkurrenz der Stadt Lübeck, des Elbe⸗Trave⸗Kanals, durch den Nord⸗Ostsee⸗Kanal, durch die Konkurrenz von Hamburg und Bremen von seinem natürlichen Hinterlande abgedrängt, in seiner wirthschaftlichen Entwickelung ge⸗ fährdet ist, gegen diese Existenzgefährdung geschützt zu werden. Ich bin also der Meinung, daß dieser Theil der Vorlage nicht als Kompen⸗ sation zu behandeln ist, sondern daß, wenn man an der Ostsee unsere großen Handelsemporien, wie ich das für nothwendig erachte, wirth⸗ schaftlich stärken, in ihrer wirthschaftlichen Bedeutung erhalten will und das will ich die Herstellung des Großschiffahrtsweges Berlin Stettin seine volle Berechtigung in sich besitzt.

Meine Herren, Herr Graf Limburg⸗Stirum hat aber gestern schon gesagt, daß er und viele seiner Freunde zweifelbaft darüber seien, wie sie sich zu diesem Theil der Vorlage stellen würden. Ich bin persönlich darüber im Zweifel, welches Schicksal diesem Theil der Vorlage bevorsteht. Ich könnte mir denken, daß ein größerer Theil der Landesvertreter den Stand⸗ punkt einnehmen könnte, daß, wenn die wirthschaftlichen Bedürfnisse des Westens durch die Ablehnung der Kanalvorlage des Rhein⸗Elbe⸗ Kanals geschädigt werden, dieselben gegen die Gewährung von Kon⸗ zessionen an den Osten stimmen könnten. (Sehr richtig! links.)

Ich will diesen Punkt verlassen und mich nun zu der Wasser⸗ straße zwischen Oder und Weichsel wenden. Hier ist eine Verbesserung auf einer Länge von 223 ¾ km eingestellt, und zwar lediglich im Schiffahrtsinteresse mit einer Verwendung von 20 400 000 Meine Herren, daß diese Vorlage als eine Kompensation für die Mittelland⸗ Kanalvorlage anzusehen ist, halte ich für zweifellos. Ich will schon jetzt bemerken, daß es mir logisch zu sein scheint, daß Kompensationen mit der Ablehnung der Hauptvorlage fallen müssen.

Meine Herren, für die Warthe von der Mündung der Netze bis Posen sind eingestellt lediglich für Schiffahrtszwecke auf einer Länge von 172 km 2231 000 Auch hier trifft, glaube ich, voll der Be⸗ griff der Kompensation zu. Fällt die Hauptvorlage, so würde auch die Kompensation fallen. Für den Schiffahrtsweg zwischen Schlesien und dem Oder⸗Spree⸗Kanal sind für Schiffahrtszwecke eingestellt 4 100 000 Hier liegt die Sache gleich mit vorerwähnten Vorlagen. Dann handelt es sich um die Verbesserung der Vorfluth im unteren Oder⸗ gebiet, für die 40 989 000 eingestellt sind. Dieser Theil der Vor⸗ lage ist zweifellos nicht als Kompensation zu behandeln. Dann handelt es sich um die Verbesserung der Vorfluth und Schiffahrts⸗ verhältnisse an der unteren Havel, hier sind für Schiffahrts⸗ nvecke 3 450 000 ℳ, für Vorfluthverhältnisse 6 220 000 eingestellt. Die für Schiffahrtszwecke eingestellte Summe charakterisiert sich nach meiner persönlichen Auffassung zweifellos als Kompensation. Endlich kommt der Ausbau der Spree. Da sind für Schiffahrtszwecke 3 800 000 ℳ, für Meliorationszwecke, Vorfluth ꝛc. 5 536 000 ein⸗ gestellt. Die Einstellung für Schiffahrtsverhältnisse charakterisiert sich meines Erachtens pweifellos als Kompensation und würde ausfallen, wenn die Hauptvorlage abgelehnt würde. Ist diese meine persönliche Ansicht zutreffend, dann fragt es sich, wie der Verlauf der

meine persönliche Auffassung azu dieser Frage zutreffend, so scheiden die bezeichneten A ungen für Schiffahrtszwecke aus. Dann wird es nothwendig werden, die nun lediglich auf die Vorfluth⸗ interessen zu beschränkenden Vorlagen umzuarbeiten. Dadurch wird eine große Verzögerung in der endgültigen Verabschiedung der Vorlagen mindestens um Jahresfrist eintreten. Meine Herren daß eine solche Verzögerung in vielen Kreisen des Landes eine bittere Enttäuschung hervorrufen wird, erachte ich für zweifellos (Sehr richtig! links.) Darüber, meine Herren, besteht auch bei Ihnen kein Zweifel, daß eine solche Enttäuschung und Mißstimmung, i welcher nicht der Staatsregierung die Schuld beizumessen ist, sehr m. erwünscht ist. Seit Jahr und Tag ist die Beseitigung der in Frage stehenden Mißstände als nothwendig anerkannt, desgleichen, daß die möglichst baldige Beseitigung geboten sei. Die Königliche Staats⸗ regierung hat die geeignetsten Mittel vorgeschlagen, über dieselben besteht im wesentlichen Einverständniß aller Betheiligten. Die König⸗ liche Staatsregierung ist bereit, der nothleidenden wohl und gut g⸗ sinnten Bevölkerung an Havel, Spree, Warthe und Netze möglits bald und rasch zu helfen, und erhofft Ihre Mithilfe.

Meine Herren, der Herr Abg. am Zehnhoff hat gestern eine 2 merkung gemacht, auf die ich noch kurz eingehen muß. Er sagte ein Hauptfehler der gegenwärtigen Vorlage ist es, daß einige wenige unzureichende Kompensationen zur Erweiterung der Vor lage geführt haben; richtig wäre es gewesen, alle in Frage kommenden Wasserverkehrspläne in die Vorlage aufzunehmen beispielsweise verwies er auf die Moselkanalisation, die auch der Vorredner, Herr Dr. Wiemer, besprochen hat. Es ist hin gewiesen auf die Ausdehnung der Main⸗Kanalisation, auf die Her stellung von Verbindungen des Ostens der Monarchie mit dem Donau gebiet u. s. w. Meine Herren, die Forderung des Herrn Dr. am Zehnhoff, daß, wenn ein wasserwirthschaftliches Verkehrsprogramm aufzustellen sei, dann alle Zukunftspläne sofort mit zu berücksichtigen seien, das ist eine unerfüllbare Forderung. Das beweisen Vor gänge aus der Geschichte. Ich will beispielsweise daran erinnern, daß zur Zeit, als das Königreich Hannover noch bestand, Jahr und Tag daran gearbeitet habe, für den Ausbau eines Verkehrsstraßennetzes im damaligen Königreich Hannover ein umfassendes, erschöpfendes Generalprogramm zu entwerfen. Nach⸗ dem Jahr und Tag daran gearbeitet war, erwies sich die ganze Arbeit als unbrauchbar, weil sich in der kurzen Zwischenzeit die wirth⸗ schaftlichen Verhältnisse so verschoben hatten, daß die Pläne sich als unbrauchbar erwiesen. Die Verkehrsverhältnisse sind meist wandelbarer Natur, daß auf Jahre hinaus Zukunftspläne sich nicht aufbauen lassen. Als ich Landes⸗Direktor war, trat der Bau d Kleinbahnen in Hannover an die Provizial⸗Verwaltung heran. 2 Versuch wurde gemacht, festzustellen, welche Baubedürfnisse an Kle⸗ bahnen muthmaßlich innerhalb der nächsten 10 Jahre an die Provi herantreten würden. Auch dieser Versuch endete mit ein gründlichen Mißerfolg. Nicht einmal in einem einzelnen Kr. vermag der Landrath für 10 Jahre ein Bauprogramm Straßennetzes festzustellen, und unmöglich ist es, in einer Vor lage wie der gegenwärtigen, für 10, 20, 50 Jahre im vore ein Wasserverkehrsstraßen⸗Programm festzulegen.

Wenn ich vorhin ausführte, die gegenwärtige Vorlage habe zu einem wasserwirthschaftlichen Programm für die Gegenwart 1 für die Zukunft ausgestaltet, so habe ich damit sagen wolle konsequenter Weise folgt als selbstverständlich aus diesem Progran daß die Staatsregierung dann, wenn gleiche oder ähnliche Wass verkehrsverhältnisse den Bau von Wasserstraßen erfordern, ebenso,; sie es in der gegenwärtigen Vorlage plant, auch in der Zukunft willt ist, der Befriedigung solcher Bedürfnisse näher zu treten.

Meine Herren, ich wende mich jetzt zu einem Punkt, der von d Herrn Abg. Dr. am Zehnhoff und vom Herrn Grafen Limburg gestr. ist. Der Vorlage wird der Vorwurf gemacht, daß sie die östliche La wirthschaft berücksichtige, und zwar auf Kosten der westlichen La wirthschaft. Ich wiederhole eine Bemerkung, die ich schon früher h. im Hause machte. Nachdem Deutschland ein großes, einheitliches, g

schlossenes Wirthschaftsgebiet geworden ist, ist die freie Entfaltung

der wirthschaftlichen Kräfte im Innern, besonders auch auf dem Gebiet

des Verkehrswesens, nicht zu hindern, sondern zu fördern, es ist das

eine zwingende Nothwendigkeit im Interesse der Gesammtheit. M kann in solchem Gebiet die Bildung von abgesonderten Wirthschaft gebieten nicht dulden, man kann keinen wirthschaftlich isolierten St im Staate schaffen. Sie wollen bedenken, meine Herren, jede n. Verkehrsader, mag sie ein Wasserweg, mag sie eine Kleinbahn, e Eisenbahn oder eine Straße sein, hat immer eine gewisse Verschiebr der wirthschaftlichen Entwickelung, und zwar vorübergehend zum No theil des Einen, zum sofortigen Vortheil des Anderen 1 zweifellos dem Ganzen gegenüber zur Verbesserung der wir schaftlichen Entwickelung zur Folge. So ist es auch in diesem F Wollte man nur dann Eisenbahnen bauen, wenn damit eine V schiebung der wirthschaftlichen Verhaltnisse nicht herbeigeführt

ich erinnere an Pferdehalter, Gastwirthe u. s. w. —, dann hät wir weder Eisenbahnen, noch Kunststraßen, noch Wasserstraßen. (S richtig!) Wie es dann im deutschen Vaterlande aussehen würde, darf keiner Beschreibung.

Meine Herren, lebhaft erinnere ich mich ähnlicher Einwendung und Erörterungen, wie sie gegen die Regierungsvorlage hervortret als in meiner heimathlichen Provinz zwischen Landtag und 2 gierung über den Beginn des Eisenbahnbaues verhandelt wurde Die hannoversche Staatsregierung legte ein groß angelegtes, um fassendes Programm für den Ausbau von Eisenbahnen vor, stellte große An forderungen für den Grunderwerb, um auch für die künftige Weiter⸗ entwickelung und gegen Preissteigerungen Sorge zu treffen Eine, wie ich meine, kurzsichtige Landesvertretung lehnte den groß gedachten und vernünftig angelegten Plan ab. Und, meine Herren, bis in die Neuzeit hinein hat noch der preußische Staat, wie der hannoversche Staat an den Folgen dieses Fehlers zu tragen. Dos für eine gesunde Ausgestaltung des Eisenbahnverkehrs nothwendige Terrain ist theils überall nicht, theils nur für unerschwingliche Preise erhältlich.

Verzeihen Sie diese Abschweifung, die vielleicht nicht direkt hierber gehorte, aber nach meiner Meinung doch in losem Zusammenhang iur

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32.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Meine Herren, bei den früheren Verhandlungen is und zu begründen gesucht, daß der Ausbau von Wasserverkehrsstraßen der Landwirthschaft und darunter verstehe ich Land⸗ und Forst⸗ wirthschaft zusammengerechnet keinen Nutzen, sondern geradezu Nachtheil bringe.

Meine Herren! Aus sehr umfangreichem Material, das der Deutsche Forstwirthschaftsrath sammelte, habe ich einen kurzen Auszug gefertigt. Dem stenographischen Bericht werde ich das gesammte Ma⸗ terial beifügen, um es der allgemeinen Prüfung zugänglich zu machen. Das Material bezieht sich hauptsächlich auf Forstwirthschaft. Sie wissen, daß vor ungefähr Jahresfrist sich ein deutscher Forstwirth⸗ schaftsrath aus eigener Initiative gebildet hat, der sich, ohne daß es bestellte Arbeit war, ohne vorherige Anfrage bei mir, ob man das wünsche, sich auf eigene Veranlassung mit der Kanalvorlage beschäftigt hat. In diesem Forstwirthschaftsrath sind Vertreter aller deutschen Staats⸗ und vieler Privatforst⸗Verwaltungen vertraten. Aus diesem Material theile ich bez. der Erträge der Waldwirthschaft Folgendes mit: Die Gesammtgröße der Nadelholzfläche, fiskalische und nicht⸗ fiskalische zusammengerechnet, beträgt 5 503 000 ha, die nachhaltig zu liefernden Grubenholzmassen werden berechnet die Unterlagen für diese Berechnung werde ich dem stenographischen Bericht beifügen mit 2 751 849 Festmetern; dabei ist angenommen, daß pro Hektar und Jahr der Wald etwa 0,5 Festmeter zu liefern im stande sei.

Dann ist festzustellen gesucht, wie groß die Werthsteigerung der Grubenholzmassen durch die Kanalanlage sich belaufen werde. Man hat für zulässig erachtet, die Verminderung der Transportkosten als eine Preissteigerung in demselben Umfange zu berechnen. Dabei kommt die Größe der fiskalischen Nadelholzfläche in Betracht mit 1 720 863 Hektar; im Jahre 1898 haben die fiskalischen Nadelholz⸗ flächen an Grubenholz geliefert: nach dem westfälisch⸗rheinischen Kohlengebiet 286 987 Festmeter, nach anderen Verbrauchsgebieten es geht ja auch Grubenholz ins Ausland 95 023 Festmeter. Auf dem Wasserwege werden unter Benutzung des Mittelland⸗Kanals und der sonstigen verbesserten Wasserverkehrswege nach dem Westen voraussichtlich jährlich 654 000 Festmeter befördert werden können. Unter Zugrundelegung der obigen Berechnung 654 000 Festmeter bei den fiskalischen und 800 000 Festmeter bei den nichtfiskalischen Nadelhölzern würde die Steigerung des Geldbetrages sich in toto für die fiska⸗ lischen Nadelholzflächen auf 966 500 ℳ, für die nichtfiskalischen auf 1 133 733 belaufen. Meine Herren, die Unterlagen für diese Be⸗ rechnungen und Angaben stelle ich Ihnen als Beilage zu dem steno⸗ graphischen Bericht zur Verfügung, und ich hoffe und glaube, daß Sie aus denselben die Ueberzeugung erlangen werden, daß diese Berech⸗ nungen im wesentlichen zutreffend sind.

Meine Herren, da ich gerade bei der Waldwirthschaft mich be⸗ finde, darf ich mir wohl eine kurze Exkursion gestatten. Der preußische Staat hat seit Jahren jährlich an Oedlandsflächen ungefähr eine Quadratmeile neu erworben und aufgeforstet. An sich werden diese neuen Aufforstungsflächen nach den hinter uns liegenden Er⸗ fahrungen wahrscheinlich erstmalig nicht das Betriebsalter älterer Forsten erreichen. Die Regel ist, daß sie nach einer Bestandesdauer von 50, 60 Jahren abgetrieben werden müssen. Also werthvolle Nutzhölzer werden beim ersten Umtriebe schwerlich erzielt werden. Dazu kommt: wenn man so große Flächen gleichartiger Bestände schafft, so muß man, um die richtigen Umtriebsperioden in diesen neu geschaffenen Waldungen zu erlangen, mit frühem Abtrieb beginnen, um auf diese Weise allmählich verschiedene Jahresklassen zu erzielen. Große Schwierigkeiten wird es bereiten, einmal diese weniger werthvollen Nutzholzmassen, namentlich die jüngeren Abtriebsflächen, zu verwerthen. Das wird nach meiner Meinung nur möglich werden, wenn die Ver⸗ kehrskosten nach dem Hauptkonsumtionsgebiet auf das niedrigste Maß gestellt werden; denn dann ist es nur im Wasserverkehr möglich. (Sehr richtig! links.) Die Forstwirthschaft im Osten leidet überall unter dem Uebelstand, daß sie geringwerthiges Material, Durch⸗ forstungsmaterial u. s. w. schlecht verwerthen kann. Das würde durch bessere Ausgestaltung des Wasserverkehrs sich wesentlich bessern. Schon jetzt macht sich die fortschreitende Ausdehnung der Grubenholz⸗ peripherie in dieser Richtung bemerkbar. Für unsere gesammte Wald⸗ kultur wird der Mittelland⸗Kanal und die Verbesserung der Wasser⸗ verkehrswege besonders für bessere Verwerthung der Forsterzeugnisse von großem Erfolg sein. Nicht allein der Staatsbesitz, sondern in gleichem Umfange der Privatforstbesitz wird an diesen Vortheilen in gleichem Umfang theilnehmen.

Meine Herren, gestatten Sie mir bei dieser Gelegenheit, kurz auch die Finanzierung des ganzen Unternehmens zu streifen. Es wird behauptet, es sei der Ruin der preußischen Finanzen zu fürchten, wenn man leichtfertig Einnahmen des Staats zu wahrscheinlich oder möglicherweise unproduktiven Anlagen verwende. Meine Herren, ich glaube, es würde nicht bedenklich sein, nicht schwer halten, aus unsern Forsten für eine Reihe von 10, 15 Jahren ohne Schädigung der regelmäßigen Staatseinnahmen und ohne Schädigung der Forstbestände eine Mehreinnahme von 10 Millionen Mark jährlich zu erzielen. Das wird zu erreichen sein, wenn man um ½ % den jetzt schon regelmäßig nicht voll ausgeführten Einschlag verstärkt. Das würde in 15 Jahren 150 Millionen Mark ausmachen, welche die Staatsforsten ihrer⸗ seits beitragen könnten zur Bestreitung der Kosten für die Ausführung der Wasserstraßen, die, wie ich Ihnen eben dargelegt habe, vornehmlich dem Forstbesitz großen Nutzen bringen werden. Meine Herren, wenn Sie und der Herr Finanz⸗Minister mir bei einer Verstärkung des Einschlags von vielleicht ½ % den Kultur⸗ kostenfonds entsprechend erhöhen, dann bin ich erbotig, ohne irgend welche Schädigung der Forsten, ohne die Forstbetriebs⸗ und Abtriebs⸗ pläne wesentlich zu ändern, ohne unsere Altholzbestände wesentlich zu mindern, im Interesse dos Nutzens, welchen die Forstverwaltung aus

diesen Wasserwegen haben wird, die obige Mehreinnahme aus den

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Fersten zur Verfügung zu stellen.

Zwe

8 zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußi

Ber!in, Mittwoch, den 6. Februar

Meine Herren, ich wende mich zum Schluß und will mir nur noch folgende Bemerkung gestatten. Für nothwendig halte ich es, daß man auf dem Gebiete des Verkehrswesens, ohne Sprünge zu machen, mit einer gewissen Konsequenz und Stetigkeit vorgeht. Meine Herren, wenn ich auf unsere Wasserpolitik in der Vergangenheit einen Rückblick werfe, so ergiebt sich Folgendes: Mit Ihrer Zustimmung haben wir all⸗ jährlich große Summen verwandt, um die natürlichen Wasserstraßen für die Schiffahrt zu verbessern, sie den Bedürfnissen der Neuzeit entsprechend auszugestalten; auch Sie, meine Herren, haben dazu mit⸗ gewirkt, daß in der hinter uns liegenden Zeit eine größere Zahl von Wasserstraßen neu hergestellt bezw. umgebaut worden sind. Ich erinnere an den Dortmund⸗Ems⸗Kanal und erinnere dabei daran, daß Sie bei der Verabschiedung dieser Vorlage der Staatsregierung gegenüber die Erklärung abgegeben haben, das sei ein Glied in der Kette derjenigen Wasserstraßen, deren Herstellung erfolgen müsse, die jetzt von Ihnen verlangt werden. Ich erinnere daran, meine Herren, daß mit Ihrer Zustimmung eine große Zahl von Kulturkanälen gebaut sind, daß mit Ihrer Zustimmung an einer großen Zahl minderwerthiger, natürlicher Wasserstraßen erhebliche Verbesserungen gemacht sind. Ich erinnere daran, daß das Hohenzollerngeschlecht, solange es regierte, stets einen Hauptwerth auf den Ausbau der Wasserstraßen, auf eine weitere Entwickelung der Wasserverkehrspolitik gelegt hat. Glauben Sie nun, meine Herren, daß es konsequent ist, und halten Sie es für denkbar und ausführbar, daß Sie jetzt mit einem Mal die Wasser⸗ verkehrsstraßen aus dem Gesammtgebiet der Wirthschafts⸗ und Ver⸗ kehrspolitik ausschalten können, wie das doch anscheinend mit der Ab⸗ lehnung dieser Vorlage geplant zu sein scheint? Meine Herren, das halte ich persönlich für ein undenkbares und unausführbares Unter⸗ nehmen. Solange die Welt gestanden hat, hat das Wasser stets als Verkehrsmittel gedient, wie ich das schon vorhin hervorhob; es ist stets das zweckmäßigste und billigste Verkehrsmittel gewesen. Giebt es denn einen Kulturstaat, der wirklich so weit gekommen wäre, den Wasserverkehr aus den Verkehrs⸗ mitteln ausschalten zu wollen? Nein, meine Herren, das ist nicht der Fall. Ich sehe ab vom Salzwasser, das scheidet hier aus; denn daran werden auch Sie nicht denken, das Salzwasser als Verkehrs⸗ mittel ausschalten zu wollen. Aber ich denke an den Wasserverkehr auf dem Süßwasser, und da erinnere ich daran, daß alle Kulturländer, Rußland, Amerika, Frankreich, England, Oesterreich, sämmtliche deutsche Staaten sich unausgesetzt mit Plänen und Wünschen für Er⸗ weiterung ihres Wasserverkehrsnetzes beschäftigen.

Meine Herren, in diesen Tagen ist mir eine Aeußerung in die Hand gefallen, die sich im Beiblatt der „Berliner Neuesten Nachrichten“ befindet. Ich darf mit Erlaubniß des Herrn Präsidenten das kurz verlesen. Da heißt es:

Aeußerst charakteristisch ist eine Auslassung des großen ameri⸗ kanischen Eisenindustriellen Andrew Carnegie, des Schöpfers der Carnegie’'schen Werke, welche sich in einem kürzlich in der New Yorker Zeitung „Evening Post“ für diese verfaßten und „die Entwicklung der Stahlerzeugung der Vereinigten Staaten“ überschriebenen Artikel gefunden hat. In der wortgetreuen Uebersetzung sagt dieser Mann, der auf seiner Erzbahn zu 0,385 per Tonnen⸗ kilometer Selbstkosten fährt, Folgendes:

Ein Hauptzug des kommenden Jahrhunderts wird die Rück⸗ kehr zur Wasserverfrachtung für schwere Materialien sein. Auf den amerikanischen Binnenseen sind Schiffe von 7000 t bereits vor⸗ handen. Lastkähne werden auf dem Ohiofluß kreuzen, der demnächst vertieft werden wird, ebenso wie auf dem von Chicago zum Mississippi führenden Kanal, und zahlreiche andere Wasserstraßen werden eröffnet werden, auf welchen die Rohmaterialien und die Fertigfabrikate selbst zu Frachtsätzen werden gefahren werden, wie sie auf den Seen bereits heute erreicht sind, nämlich zu 1,3 und zu 1,4 der heutigen Eisenbahntarife.

Glauben Sie denn, meine Herren, daß Deutschland, wenn es auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig bleiben will, in der Entwicklung seiner Verkehrsverhältnisse hinter den Konkurrenzstaaten und da steht in erster Linie Amerika zurückstehen kann? (Sehr richtig! links.) Stillstand giebt es auf dem wirthschaftlichen Gebiet nicht, nur Rückgang oder Vorwärtsgehen. (Sehr richtig! links.) Wenn wir auf dem Gebiet unseres Verkehrswesens auch nur nach der Richtung der Verbilligung des Verkehrs ins Hintertreffen kommen, dann, meine Herren, sieht es mit unserer Wirthschafts⸗ und Verkehrspolitik ge⸗ fährlich und bedenklich aus; dann werden wir, wie ich fürchte und persönlich glaube, in dem allgemeinen Konkurrenzkampf der Welt nicht obsiegen, sondern wir werden unterliegen. (Sehr richtig! links.)

Meine Herren, Sie vermögen allerdings das Tempo, in dem die Ausführung des von mir entwickelten wasserwirthschaftlichen Programms von der Staatsregierung gedacht ist, wohl einzuschränken, Sie können hindern, daß in absehbarer Zeit an die Ausführung von Theilen dieses Programms herangetreten wird; ob Sie damit um das Wohl unseres Vaterlandes sich verdient machen, das zu untersuchen gebührt mir nicht; die Erfahrung wird, fürchte ich, lehren, daß es nicht der Fall ist. Sie vermögen die Wasserverkehrsstraßen aus dem Programm der Verkehrspolitik nicht auszuschalten, und ein so günstiger Moment, um Großes auf diesem Gebiete zu leisten, wie er augenblicklich vorliegt, wo die preußischen Staatsfinanzen es gestatten, derartige Dinge zu planen, wiederholt sich vielleicht in absehbarer Zeit nicht.

Also ich möchte doch glauben, daß die vorliegende Frage der ernstesten Prüfung und Würdigung bedarf, ob es nicht richtig, muthig und zielbewußt, konsequent auf der Bahn fortzuschreiten, die bisher verfolgt wurde, ob es nicht Zeit ist, diese Bahn zu erweitern, auf diesem Gebiete der Staatsregierung zu folgen und nicht a limine, wie es im vorigen Jahre geschehen ist, die Vorlage unter den Tisch zu werfen. Geschieht letzteres, so werden Sie nach verschiedenen Richtungen die bitterste Enttäuschung im Lande bereiten, sowohl bei den Verkehrsinteressenten ich habe in der Beziehung auf den Westen und auf den Osten hingewiesen —, bei allen Landwirthen, die dringend hoffen, aus der Vorlage Abhilfe ihrer Nothstände zu erlangen. Kurzum, Befriedigung wird, meine

Herren, die Ablehnung der Vorlage im Lande nicht bereiten (Dho! rechts. Sehr richtig! links), wohl aber Unzufriedenheit gegen diejenigen Parteien das ist meine persönliche Meinung —, die die Ablehnung der Vorlage herbeigeführt haben.

Ich schließe mit der Hoffnung und dem Wunsche, daß aus der Kommissionsberathung, in der wir erneut in eine ernstliche Prüfung aller dieser Gesichtspunkte, wie ich sie hier gestreift habe, eintreten können und müssen, etwas Greifbares hervorgehe, was die Gefahren abwendet, die zu schildern ich mir eben gestattet habe. Ich gebe mich also der Hoffnung hin, daß Positives aus der Vorlage zu stande kommen wird. (Bravo! bei den Freisinnigen und Nationalliberalen.)

Abg. 1“ (kons.): Der Mahnung des Ministers für Landwirthschaft, die Vorlage gründlich zu prüfen, wird sich eine so große Fraktion wie die unsrige nicht entziehen können. Wir haben auch vor zwei Jahren die Vorlage sehr gründlich geprüft und bei dieser Prüfung nur das Gemeinwohl im Auge gehabt, und wenn wir zu dem Resultat kamen, Stellung gegen die Vor⸗ lage zu nehmen, so werden uns unsere Gegner nicht das Feugniß verweigern können, daß wir ehrlich das Richtige gesucht haben. Wir werden mit demselben Eifer und Ernst wie vorher an die Helfang herantreten und nicht auf einer vorgefaßten Meinung beharren. In der Vorlage sind zwei ganz heterogene Elemente ver⸗ koppelt, die mit einander in keinem Zusammenhang stehen und für sich behandelt werden können. Die Bewilligung des einen Theils ist nicht abhängig von der Bewilligung des anderen Theils. Wir haben schon vor zwei Jahren auf die unabsehbaren Folgen hingewiesen, wenn Kom⸗ pensationen verlangt werden. Nach der Aeußerung des Ministers der öffentlichen Arbeiten ist die Vorlage ein Programm auf 15 Jahre hinaus. Dadurch erscheinen weitere Kompensationen für diese Zeit ausgeschlossen. Aber im Widerspruch damit sagte der Landwirth⸗ schafts⸗Minister, ein Programm könne auch nach einem oder zwei Jahren wieder geändert werden. Ich halte ein Programm auch nicht für ein Evangelium. Es werden viele Kompensationsforderungen her⸗ vorgerufen werden. Herr am Zehnhoff stellte schon die Mosel⸗Kanali⸗ sation als unabweisbare Forderung hin, und da die Weser oben und unten kanalisiert werden soll, werden auch die Interessenten das Zwischenstück kanalisiert haben wollen. Wir hören schon von der Kanalisation des Mains; in Süddeutschland verlangt man den Anschluß des Rheins an die Donau. Ein Ende aller Kompensationen ist nicht abzusehen. Wenn Sie uns ziffernmäßig nachweisen könnten, was alle diese Kompensationen an die Staatsfinanzen für Ansprüche stellen könnten, so ließe sich darüber reden. Aber die Gefahr liegt gerade in der Unberechenbarkeit. Wenn wir ohne vorgefaßte Meinung objektiv die Vorlage prüfen, verlangen wir auch, daß die Freunde der Vorlage uns in dieser Beziehung folgen. Herrn von Eynern kann ich aber das Zeugniß der Gbjektibität nicht geben, wenn er auf die Rede des Grafen Schwerin im Reichstag erxemplifizierte. Dabei handelte es sich für den Grafen Schwerin darum, die Gemeinsamkeit der Interessen der Industrie und der Land⸗ wirthschaft hervorzuheben. Seine Rede enthielt ein Programm der sogenannten Sammelpolitik: Herr vong Eynern liest aber eine industriefeindliche Rede heraus. Graf Schwerin wollte sowohl die Industrie in ihrer Produktion und Exportfähigkeit, als auch die Land⸗ wirthschaft in ihrer Produktion schützen. Er wies auf die Gefahren des reinen Industriestaats und auf das Anwachsen der sozial⸗ demokratischen Stimmenzahl in den Industriezentren hin, bekämpfte aber mit keinem Worte die Industrie. Sie (zu der Linken) können Ihre Absichten nur erreichen, wenn Sie mit uns Hand in Hand gehen, aber nicht durch solche Reden, die den Frieden und die Objektivität unserer Verhandlungen nicht fördern. Die Kompensationen der Vorlage sollen das Stimmenverhältniß der vorigen Berathung verbessern. Die ganze Kanalverhandlung könnte, wenn nichts anderes Gutes, so doch den großen Erfolg für uns haben, daß endlich die Schädigungen der Landwirthschaft durch die Arbeiten an unseren großen Strömen wieder gutgemacht werden. Seit 10 Jahren kämpfen wir dafür ohne Erfolg. Jetzt hat die Regierung anerkannt, daß durchgreifende Verbesserungen in dieser Beziehung eintreten müssen. Wenn mit der Kanalvorlage auch alle Kompensationen fallen, dann trifft nicht uns, sondern die Regierung die Verant⸗ wortung dafür, 5 diese Nothstände weiter besteben. Wir haben vor 10 Jahren einen Fehler gemacht, als wir an das Ministerium der öffentlichen Arbeiten den Flügel anbauten, wodurch die Eisenbahn⸗ angelegenheiten auf die Schattenseite gebracht worden sind, während allen anderen Abtheilungen des Ministeriums die Sonnenstrahlen zu⸗ fließen. In dem dunklen Flügel wohnt aber gerade die eigentliche Amme unserer Finanzen, die Eisenbahn, und diese Amme muß doch einen guten Platz haben. Die Kanäle werden unsere Eisenbahneinnahmen schädigen. ie Berechnungen in der Vorlage treffen bei weitem nicht das Richtige. Für einzelne Kanäle ist die Schädigung der Eisenbahnen berechnet, für die anderen nicht. Auch von dem großen Einfluß der Verbindung unserer schiffbaren Ströme durch die Kanäle mit den aus ländischen Verkehrsstraßen, von dem Einfluß dessen, daß Alexandrowo mit Lyon, Danzig mit Paris verbunden und nach allen Richtungen Verbindungen geschaffen werden, ist keine Rede. Für unsere Eisen⸗ bahnen werden durch diese Verbindungen höhere Schädigungen heraus⸗ kommen als durch die paar Hundert Millionen für die Kanalbauten. Beschuldigen Sie uns nicht immer, daß wir aus landwirthschaftlicher Interessenpolitik gegen die Kanäle sind. Wir halten die landwirth⸗ schaftlichen Interessen nicht für so geschädigt durch die Ausführung dieses Projekts, daß sie maßgebend für uns sind. Wir setzen unsere eigenen Interessen vollständig zurück und lassen nur die all⸗ emeinen Interessen walten. Wir erwarten aber nicht, daß durch die Verquickung der Vorlage mit dem Meliorationsprojekt auch nur eine Stimme gewonnenzwird. Das Wichtigste und Einschneidendste bei dieser Vorlage ist der Einfluß der Regierung auf die Tarifbildung im allgemeinen. Der Minister von Miquel meint im Gegensatz zum Grafen Limburg, daß der Staat damit eine größere Einwirkung auf die Verkehrsabgaben ausüben werde. Ich glaube daran durchaus nicht. Die Abg auf den Kanälen werden so minimal berechnet werde sie auf die Kosten des Transports keinen entscheidenden Einflu n werden. Wenn man eine ce Schiffahrt auf den Kanälen überhaupt haben will, wird die Regierung mit niedrigen Tarifen rechnen müssen und dadurch den Einfluß auf den Verkehr ver⸗ lieren. Eine Einwirkung auf die Eisenbahntarife ist damit nicht zu leugnen. Noch heute Morgen wird der Beschluß der Handelskammer des Oppelner Bezirks mitgetheilt, in dem Kompensationen in Gestalt von Tarifherabsetzungen verlangt werden. Klang dasselbe nicht auch aus der Rede des Abg. Wiemer, der sogar eine Verbilligung der Per⸗ sonentarife fordert? Die Regierung wird sich diesen Einwi nicht entziehen können, und darin liegt das Bedenkliche, daß die gierung ihren Einfluß auf die Tarifbildung und auf den Verkehr aus der Hand geben muß. Wir werden, wie gesagt, in die Be⸗ rathung der Vorlage mit aller Ruhe eintreten, aine ira oet studio. Ich beantrage, die ganze Vorlage einer Kommission von 28 Mit⸗ iedern zu überweisen. Herr von hat auf den eminenten th der Kanäle in militärif bingewiesfen und 8 bis zu der Behaupir —1 daß ganze se Kanäle schon ö ei, wenn sie in einem schwimmende Lazarethe tragen würden. U bleiben Kanäle olche Unterstützung immer, denn sie stehen als eehrsmittel nicht stete

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