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nicht Beigeordneter in Kreuznach werden. Ich kann diese Wider⸗ nnigkeit in keiner Weise anerkennen. Es ist meines Erachtens ein großer Unterschied, ob einer in einer kleinen Landgemeinde oder in einer kleinen Stadt von 3000 Einwohnern oder in einem großen Badeort von 20 000 Einwohnern fungiert; es ist ein großer Unter⸗ schied, ob er unter den einfachsten Verhältnissen zu wirken bestimmt ist oder unter sehr schwierigen und komplizierten Verhältnissen, ob er im Amt bleibt oder in ein neues berufen werden soll. Er sollte in Kreuznach das Amt eines Polizeichefs und Badekommissars zuͤgleich einnehmen, und daß ein solches Amt ein großes Maß von Ueber⸗ legung und Takt erfordert, liegt auf der Hand. Dieses Maß von Ueberlegung und Takt hatte der Gewählte bei jenem Vorkommniß urchaus vermissen lassen. Wenn die Behörden nach ihrer genauen Kenntniß der örtlichen Verhältnisse diesen Beamten für dieses schwierige Amt nicht für geeignet hielten, so habe ich dem nicht ent⸗ gegentreten können.
Der Fall, den der Herr Abg. Richter aus Neuhaldensleben an⸗ führt, ist mir ganz unbekannt, er ist nicht zur Kognition des Ministe⸗ riums gekommen. Dann hat der Abg. Richter einen Fall aus Bunzlau erwähnt ich enthalte mich ausdrücklich, Namen zu nennen — und hat in dieser Beziehung dem dortigen Landrath eine einseitige Parteinahme vorgeworfen. Ich muß mich gegen den Vor⸗ wurf wehren, der dem Landrath gemacht worden ist, und erkläre über⸗ haupt, daß die Nichtbestätigung mit der politischen Ueberzeugung des Mannes nicht das geringste zu thun hatte, sondern einfach mit seiner finanziellen Lage. Der Mann, obgleich er ein Dezernat bekommen sollte, mit welchem eine erhebliche Vermögensverwaltung verbunden war, war in 4 Jahren 20 mal excussus geworden, 4 mal ge⸗ pfändet, und 16 mal waren gegen ihn Zwangsvollstreckungen an⸗ geordnet. (Heiterkeit rechts.) Daß ein solcher Mann für das gedachte
mt nicht geeignet war, liegt auf der Hand.
Dann hat der Abg. Richter einen Fall aus Beuthen a. d. Oder angeführt. Auch dieser Fall ist nicht amtlich hierher gelangt; er ist vielmehr in der Instanz des Regierungs⸗Präsidenten beendigt worden.
Der dort Gewählte hatte allerdings für einen notorischen Sozial⸗ demokraten gestimmt, und deswegen hat meines Erachtens der Re⸗ gierungs⸗Präsident die Bestätigung vollständig mit Recht versagt. (Sehr richtig! rechts.)
Aehnlich liegt die Sache in Eberswalde. Der Herr, um den es sich hier handelt, hatte bei früherer Gelegenheit Zweifel erweckt, wie er sich gegenüber den Sozialdemokraten stelle. Ich habe es für richtig gehalten, den direkten Weg zu gehen; ich habe ihn über seine Stellung⸗ nahme zur Sozialdemokratie interpelliert, und er hat offen erklärt, er würde unter Umständen auch einen Sozialdemokraten wählen. Da kann der Mann wirklich nicht verlangen, daß er als Beigeordneter bestätigt und ihm eine Stelle anvertraut wird, in der er Staats⸗ hoheitsrechte und insbesondere polizeiliche Befugnisse wahrzunehmen berufen ist. (Sehr richtig! rechts.)
Dann hat der Herr Abg. Richter auch den Fall des Herrn von Palombini erwähnt, der zum Landrath des Kreises Schweinitz erwählt worden ist, und hat auf Flugblätter hingewiesen, die unter seinem Namen verbreitet sind. Ich kenne die Flugblätter und mißbillige sie durchaus; ich bin in dieser Beziehung mit dem Abg. Richter durchaus einverstanden. Ich meine, es sollten alle Parteien bei der Wahl sich in den richtigen Grenzen halten und es vermeiden, Waffen zu gebrauchen, die nur den Wahlkampf vergiften. Doch kam in Betracht: er hatte die Flugblätter nicht selber verfaßt — das ist nicht der Fall nach den Ermittelungen, die ich angestellt habe; er hatte nur seinen Namen dazu hergegeben. Das ist ein großer Unterschied. (Sehr richtig! rechts. Widerspruch links.) Zweitens: war er der Angegriffene oder Angreifende? In dieser Beziehung ist zu kon⸗
statieren, daß von den politischen Gegnern Flugblätter noch viel schlimmeren Inhalts verbreitet sind, und daß von dem Wortführer des Bauernvereins „Nordost“ in einer Weise gegen Herrn von Palombini agitiert worden ist, daß dieser Wortführer zu einer Geld⸗ strafe verurtheilt worden ist. Wenn im Wahlkampfe nun auch auf der anderen Seite mit scharfen Waffen vorgegangen ist, so billige ich das nicht, aber es ist erklärlich. Für mich war entscheidend, ob die Dinge so schwerwiegend waren, daß ein zwingender Grund vorlag, die Ernennung des Herrn von Palombini zum Landrath nicht zu erwirken. Der Kreistag hatte aber mit 23 von 28 Stimmen die Wahl dieses Herrn zum Landrath beschlossen. Da mußte ich mir mit Recht sagen: da diese große Mehrheit der Kreisvertretung keinen
nstoß daran genommen hat, können die Dinge nicht so schwer⸗ wiegend sein, um ‚der Wahl die Bestätigung vorzuenthalten. Nun beschweren sich die Herren auf das Lebhafteste darüber, daß ich der Wahl in Königsberg, gegen welche sich der Bezirksausschuß ein⸗ timmig ausgesprochen hatte, die Zustimmung versage, und verlangen hier von mir, daß ich dieser Wahl hätte die Bestätigung versagen sollen (Zurufe bei den Freisinnigen: Umgekehrt!), obwohl sie fast einstimmig vom Kreistage vollzogen war, der Fall also durchaus anders liegt. G Meine Herren, ich komme dann auf den Fall in Königsberg und muß da zunächst einige Aeußerungen des Herrn Abg. Richter richtig stellen. Er sagte — ich nehme diese Aeußerungen vorweg der Präsident von Waldow habe dem Direktor Krieger zum Vorwurf ge⸗ macht, er hätte seine Pflicht dadurch verletzt, daß er gegen die Aqgrarier eine Agitation entfaltete. So ungefähr habe ich ihn ver⸗ standen. Meine Herren, das hat der Regierungs⸗Präsident von Waldow nicht gesagt, sondern er hat bei dem Gespräch mit dem Direktor Krieger unter anderem und nebenher ihn auch darauf hingewiesen, wie seine leidenschaftliche Stellungnahme gegen die landwirthschaft⸗ lichen Kreise zu einer Verschärfung des Gegensatzes zwischen städtischer und ländlicher Bevölkerung führen müsse und wie er durch eine solche Verschärfung den Interessen der Stadt Königsberg und ihrer Bürger⸗ schaft schade, da gerade der biesige Handelsplatz mit der Landwirth⸗ schaft der Provinz mannigfache gemeinsame Interessen habe, und wie es jedenfalls unnützlich sei, die durch politische Kämpfe hervorgebrachte Kluft zwischen Stadt und Land noch zu vergrößern — eine, wie ich glaube, ganz richtige Bemerkung des Regierungs⸗Präsidenten von Waldow. Er hat ihm nicht den Vorwurf gemacht, daß er sich gegen die Agrarier gewandt habe, sondern den Vorwurf, daß er die schon bestehenden schweren politischen Gegensätze in einseitiger Weise verschärft habe. (Zuruf von den Freisinnigen: Er hat das Wort „Agrarier“ ge⸗ braucht!)
Meine Herren, ich komme nun zu den Fällen im Einzelnen. Was den Fall Dullo betrifft, so hat der Abg. Richter schon richtig be⸗
gegen eine ganz erhebliche Minorität; 11 Stimmen fehlten. Darauf
hat der Regierungs⸗Präsident unter einstimmiger Zustimmung des
Bezirksausschusses dieser Wahl seine Bestätigung versagt. Die ganze Sache wird immer so dargestellt, als ob das von mir ausgegangen wäre. Die Sache hat in der Bezirksinstanz geschwebt und, wie gesagt, der Regierungs⸗Präsident hat die einstimmige Zustimmung des Bezirksausschusses gefunden. Nun hat der Abg. Richter im all⸗ gemeinen die Bezirksausschüsse kritisiert, indem er anführte, daß dort die Großgrundbesitzer überwögen und meist auf die Seite der staatlichen Beamten träten. Meine Herren, ich habe eine höhere Auffassung meinerseits von den Bezirksausschüssen. Es ist mir ganz egal, ob dort Agrarier sind oder Vertreter der Städte oder des Landes: sie alle haben denselben Eid geschworen und werden unparteiisch ihres Amtes walten. Wenn also der Bezirksausschuß einstimmig der Entscheidung des Regierungs⸗Präsidenten beitritt, so, meine ich, hat der Minister es sich zehnmal zu überlegen, ob er von diesem Votum seinerseits abweichen soll. (Sehr richtig! rechts.) Es ist dann die Beschwerde des Stadtverordneten⸗Kollegiums in Königs⸗ berg an mich gelangt und ich habe mich für verpflichtet gehalten, diese Beschwerde abzuweisen und dem Votum des Bezirksausschusses, beziehentlich des Regierungs⸗Präsidenten, zuzustimmen. Ich halte aber auch die Entscheidung, die der Regierungs⸗Präsident in Ueber⸗ einstimmung mit dem Bezirksausschusse getroffen hat, für sachlich ge⸗ rechtfertigt. Ich habe schon einmal betont, daß es keinem Beamten und auch keinem mittelbaren Beamten verwehrt sein kann, seiner politischen Ueberzeugung zu leben und diese zu bethätigen; es ist mir nicht ein⸗ gefallen, etwa die gegentheilige Ansicht auszusprechen oder in die Wirklichkeit umzusetzen. Aber es kann keinem Zweifel unterliegen, daß den mittelbaren Beamten ebenso gewisse Grenzen gesetzt sind — wenn auch vielleicht nicht in demselben Maße — wie den unmittel⸗ baren Staatsbeamten. Auch der mittelbare Staatsbeamte, der Kommunalbeamte, ist an gewisse Schranken, die ihm seine Thätigkeit zuweist, gebunden, und er muß bemüht sein, bei aller Freiheit in der Bethätigung der persönlichen Meinung doch nicht agitatorisch, in gehässiger Weise zu wirken; er hat die Aufgabe, die Gegensätze nicht leidenschaftlich zu verschärfen, sondern sie zu mildern; er hat die Ver⸗ pflichtung, gewisse Rücksichten gegen den Staat zu nehmen und in seiner Agitation nicht gegen die Grundlagen der staatlichen Ordnung zu verstoßen.
Dullo hat nun in dem Königsberger Verein Waldeck eine leiden⸗ schaftliche Agitation entfaltet. Dieser Verein Waldeck bemüht sich, nach der Aeußerung des Vorsitzenden, die auf der Grenzscheide zwischen der freisinnigen Volkspartei und der sozialdemokratischen Partei stehenden jüngeren Elemente zu sich herüberzuziehen. Das Programm geht indessen weit über das der freisinnigen Volkspartei hinaus, und in mehrfachen Verhandlungen hat man sich dahin aus⸗ gesprochen, daß eigentlich das Programm der demokratischen süd⸗ deutschen Volkspartei das richtige sei. In einer Verhandlung ist von dem einen Herren ausgesprochen worden, die Parole müsse sein: Kampf gegen die Regierung bis auf das Messer! Dullo hat nun in diesen Verhandlungen eine überaus agitatorische, und, wie ich glaube, über die erlaubten Grenzen der Bethätigung eines kommunalen Be⸗ amten hinausgehende Thätigkeit entfaltet. Er hat z. B. aus seinen Sympathien für die Sozialdemokratie kein Hehl gemacht; er hat sogar die Artikel des „Vorwärts“, die allgemein das peinlichste Auf⸗ sehen erregt haben, anläßlich der 25 jährigen Wiederkehr des Sedanfestes, seinerseits entschuldigt. Ich werde mir erlauben, Ihnen einige Daten vorzulesen. Er hat in dieser Beziehung Folgendes geäußert:
Die Sozialdemokratie hält an der deutschen Einheit fest. Wenn die Artikel des „Vorwärts“ so böses Blut gemacht haben, so ist das lediglich darauf zurückzuführen, daß die Artikelschreiber einer schlechten Gewohnheit huldigen; sie sind in ihren Ausdrücken zu plump, vielleicht sogar roh. Daß dieses aber garnicht eigentlich so böse gemeint ist, das haben die Führer durch ihre späteren Reden bewiesen.
Er hat dann auch die Arbeiter in einer Weise, die ich nicht billigen kann, gegenüber der Regierung in Schutz genommen und der Regierung Ansichten imputiert, die sie thatsächlich nicht hat. In einer Versammlung hat sich ein Mitglied in wirklich sehr zutreffender Weise darüber ausgelassen, daß die Lage der Arbeiter gegen früher sich politisch, wirthschaftlich und gesellschaftlich wesentlich gebessert habe. Darauf erwiderte Dullo, er müsse dem Vortragenden ent⸗ schieden widersprechen, da die Lage der Arbeiter lange nicht so rosig sei, wie sie der Herr Vorredner schildere. Mit ihren politischen Rechten sei es nicht weit her; z. B. sei das einzige Mittel, das der Staat gegen das Recht des Strikes kenne, die Bajonette.
Ueber die Regierung hat sich Herr Dullo in einer Weise geäußert, die ich auch noch kurz illustrieren will: Bei einer Rede über die poli⸗ tische Entwickelung des Deutschen Reiches im ersten Vierteljahrhundert, bespricht er die Wandlungen der verschiedenen politischen Parteien, ihre Mitwirkung bei der Gesetzgebung, das Verhalten Bismarck's zu den Parteien und charakterisiert die Entwickelung des Reiches dahin, daß sie durch das Streben der Regierung nach Anmaßung von Rechten gekennzeichnet werde, die dem Freiheitsgefühl des Volkes nicht ent⸗ sprechen.
Aehnlich hat er sich später ausgelassen in einer anderen Ver⸗ handlung des Vereins. Er bespricht den Fall Brüsewitz und sagt Folgendes:
Protest muß eingelegt werden, nicht bei Bundesrath und
Kaiser — von denen ist nichts zu hoffen, sondern durch Adressen an die Volksvertretung und die öffentliche Meinung. Dann hat er einige Aeußerungen über die Umsturzvorlage gethan, die ich doch auch in kurzem hier vortragen muß. Ueber die Umsturz⸗ vorlage sagt er zunächst Folgendes. Er erwähnte zuerst den Antrag Kanitz und sagte:
Dieser Antrag sei der Ausfluß eines überhitzten Gehirns. Daß dieser Antrag in einer Versammlung in Berlin angenommen ist, hält Redner für eine bodenlose Schamlosigkeit, für eine Prellerei zu Gunsten einiger weniger Großgrundbesitzer. .
Er kommt auf die Umsturzvorlage zu sprechen. Eine solche Vor⸗ lage möchte er eingebracht wissen gegen Leute, die den Antrag Kanitz gut heißen und nicht gegen die Sozialdemokraten, die es viel ver⸗ ständiger und ehrlicher meinten und den Zukunftsstaat nicht für einen Theil des Volkes, sondern für die Allgemeinheit erstrebten.
Und dann, was die Umsturzvorlage selbst betrifft, sagt er: — Die Vorlage trägt einen derartigen reaktionären, an russische Zu⸗ stände erinnernden Charakter, daß davon nicht ein Buchstabe ange⸗
merkt, daß er mit 51 gegen 34 Stimmen gewählt worden ist, also
das mindeste ist, was von der Regierung verlangt werden mu
ist nicht unmöglich, daß es deshalb zur Auflösung des
kommen wird. Der Argwohn läßt sich nicht beseitige
Regierung die Vorlage nur benutzt, um durch die Reichst
auflösung ihre Steuerpläne zur Verwirklichung zu bringen Fer
hinterher eine Flotte dem Lande auf den Hals zu binden, die be.
mehr kostet als das Landheer. 1
Auf diese Sache werde ich nachher noch kommen. 3 — Und, meine Herren, jetzt komme ich zu dem Punkte, der schli 8 lich für meine Stellungnahme entscheidend war, zu der Aeußerun Herr Dullo über denjenigen gethan hat, in dem wir den Inbe, 5 der Staatsgewalt lieben und verehren, über den Träger der Er hat zunächst nach den mir vorliegenden amtlichen Berichten 8 mal gesagt, daß „die Friedensrede des Kaisers in allen Ländern we⸗ 2 Vertrauen erweckt hat, gerade weil der Friede viel zu laut e wurde“. 8
Dann spricht er über die Zentennarfeier. Er könne in der beo stehenden Zentennarfeier für Kaiser Wilhelm I. nur eine „Feier 8 Systems Bismarck“ erblicken und deshalb seinerseits nicht dar theilnehmen. g8
Als Kaiser Wilhelm II., unser jetziger regierender Herr, Seine Depesche an den Fürsten Bismarck schickte, nachdem der Reichs⸗ tag diesem bei seinem achtzigsten Geburtstage den Glüc. wunsch versagt hatte, hat sich Herr Dullo dahin ausgelassen daß „für alle Zustände, die zur Unzufriedenheit Veranlassung gäben, der Fürst verantwortlich zu machen sei, dem er alle Ver dienste nach innen und außen abspricht, weshalb der Beschluß des Reichstages nur seine volle Anerkennung finden könne“.
„Wenn der Ausdruck der tiefsten Entrüstung über diesen Be⸗ schluß“, so fährt er dann fort, „von einer Stelle kommt, die nicht das Recht des Einspruchs hat, dann kann der Reichstag darüber ruhig zur Tagesordnung übergehen. Anders wäre es, wenn dieser Ausdruck an den berufenen Bundesrath käme.“ 8
Und nun die Behauptung, daß Herr Dullo über die Punkte nicht gehört worden sei, die schließlich ausschlaggebend sind!
Was die Umsturzvorlage betrifft, so habe ich die Aeußerung bereits verlesen:
Der Argwohn läßt sich nicht beseitigen, daß die Regierung die Voylage nur benutzt, um durch eine Reichstagsauflösung ihre Steuer⸗ pläne zur Verwirklichung zu bringen und hinterher eine Flotte dem Lande auf den Hals zu binden, die noch mehr kostet als das Landheer.
Hierzu ist Herr Dullo von dem Herrn Regierungs⸗Präsidenten seiner Zeit gehört worden und hat Folgendes erklärt:
Zu Seite so und so habe ich die Ausdrücke: „der Argwohn ...“ bis „Verwirklichung zu bringen“ wohl gebraucht; die folgenden Worte „und hinterher eine Flotte dem Lande auf den Hals zu binden, die noch mehr kostet als das Landheer“, habe ich nicht ge⸗ braucht. Ja, ich habe mich über den darin enthaltenen Gedanken nicht einmal ausgesprochen; denn erstens schreibe ich der Regierung ganz andere Absichten bei ihren Finanzplänen zu, und zweitens habe ich mich mit den Marinefragen garnicht beschäftigt.
Also, er bestreitet zwar die Aeußerung mit dem „aufbinden“, die er gesagt haben soll, er giebt aber ausdrücklich zu, die Worte gesagt zu haben „der Argwohn ...“ bis „Verwirklichung zu bringen“. Meine Herren, ich muß eine solche Aeußerung als unzulässig für einen mittelbaren Staatsbeamten bezeichnen. Er mag gegen die Um sturzvorlage vorgehen so scharf, wie er will, aber der Regierung dolus malus zu imputieren, ihr zu sagen: sie habe gelogen, dem Lande gegen⸗ über etwas Anderes als ihre Absicht gezeigt, als thatsächlich der Fall ist, das ist eine durchaus unzulässige Aeußerung. (Sehr richtig! rechts.) Meine Herren, was die andere Aeußerung bezüglich der Bismarck⸗ Depesche betrifft, so habe ich auch diese schon verlesen: „Wenn der Ausdruck der tiefsten Entrüstung über diesen Beschluß von einer Stelle kommt, die nicht das Recht des Einspruchs hat, dann kann der Reichs⸗ tag ruhig darüber zur Tagesordnung übergehen; anders wäre es, wenn dieser Ausdruck an den berufenen Bundesrath käme.“ (Zurufe von den Freisinnigen.) Herr Dullo ist auch hierüber gehört worden; er hat nur den letzten Passus dahin richtig gestellt, daß es heißen soll: „anders wäre es, wenn dieser Ausdruck von dem berufenen Bundes⸗ rath käme“. Er hat aber die Worte: „wenn der Ausdruck der tiefsten Entrüstung über diesen Beschluß von einer Stelle kommt, die nicht das Recht des Einspruchs hat, dann kann der Reichstag darüber zur Tagesordnung übergehen“, in keiner Weise in Abrede gestellt. (Zuruf von den Freisinnigen.) Ich habe seine wörtliche Erklärung hier bei den Akten. Nun muß ich sagen: ein Diener des Staats, mittelbar oder unmittelbar, der über eine Aeußerung unseres Königs und Herrn sagt, daß man über dieselbe zur Tagesordnung übergehen kann, hat sich selber damit des Rechts begeben, in ein Amt berufen zu werden, in dem er Funktionen auszuüben hat, die ihm von dem Träger der Krone verliehen werden. (Bravo! rechts.)
Meine Herren, ich glaube also, daß das gesammte Verhalten des Herrn Dullo — schon diese einzelnen Punkte, die ich dargelegt babe, ergaben dies — beweist, daß er in einer so scharfen, so agitatorischen Weise der Bevölkerung gegenüber wie der Staatsregierung gegen⸗ über aufgetreten ist, daß er in der That in das Amt eines Magistratsmitgliedes nicht berufen werden kann.
Ich komme nun zu dem andern Falle, zu dem Falle Krieger. Meine Herren, ich bemerke von vornherein, daß es sich nicht um den Herrn Abg. Krieger handelt, sondern um den Direktor des städtische Elektrizitätswerkes Krieger, der als kommunaler Beamter oder alt mittelbarer Staatsbeamter in Betracht kommt. Der Hert Abg. Richter hat selber anerkannt, daß durch seine Eigenschaft als Mitglied dieses Hauses sein Amt als Gemeindebeamter und daraus erfolgenden Verpflichtungen nicht verwischt werden. Als mit die ganzen Akten vorgelegt wurden hinsichtlich der Frage der Bestätigung der Wahl des Herrn Dullo, habe ich wie ich sagen muß, zu meinem Erstaunen gesehen, was in Königsberg als zulässig für mittelbare Staatsbeamte hinsichtlich ibrer politischen Bethätigung angesehen wurde, und ich habe es für meine Pflicht gehalten, obgleich ich ganz genau wußte, was daraus folgen würde, den Beamten keinen Zweifel darüber zu lassen, wo die Grenzen ihrer politischen Bethätigung sind und wie weit sie gehen dürfen und wie weit nicht. Ich hätte es für eine Unehrlichkeit gehalten, wenn ich mich auf die Nichtbestätigung von Dullo beschränkt hätte und den Beamten nicht klar gemacht hätte, wie weit sie gehen dürfen und wie
nuß. Eg Reichstages
nommen werden kann. Die Regierung hat gesagt, daß diese Vorlage
n, daß die
Hieser
(Schluß aus der Zweiten Beilage.)
Was den Fall Krieger betrifft, so kommt zunächst ein Umstand in Betracht, dessen auch der Herr Abg. Richter gedacht hat, die von chm bethätigte Hinneigung zur Sozialdemokratie. (Lachen links.) Er hat vor Jahren folgenden Aufruf: „Wähler der freisinnigen Volks⸗ partei“ unterzeichnet:
Seit Beginn dieser Woche sind die Kartellbrüder mit eifrigem Liebeswerben um Euch bemüht, um Eure Stimmen für den Kartellkandidaten Rechtsanwalt Dr. Krause —
ich glaube, es ist der Zweite Vizepräsident dieses Hauses — einzufangen. Laßt Euch durch diese Bemühungen nicht bethören, den Nationalliberalen Heeresfolge zu leisten. Vor dem 15. Juni haben diese Herren Euch auf das schmählichste beschimpft,
Euch als Vaterlandsfeinde und Verräther hingestellt und Euch jeden
Patriotismus abgesprochen; heute traut man Euch plötzlich wieder
Vaterlandsliebe zu. Die Redensarten von der dem Vaterlande bei
der Wahl eines Sozialdemokraten drohenden schweren Gefahr von
der Sünde gegen das Vaterland, wenn man diesem seine Stimme giebt, sind eitel Phrasen; Uehr richtig! links)
denn dieselbe Partei, welche hier in der Wahl des Sozialdemokraten
die äußerste Gefahr für das Vaterland erblickt, unterstützt in Berlin
die Wahl der Sozialdemokraten gegen unsere erprobten Führer
Virchow und Baumbach,
(sehr richtig! links),
ja, sie versucht durch Stimmenthaltung in Hagen gegen unser
hervorragendstes Parteimitglied, gegen den Abg. Eugen Richter,
dem dortigen Sozialdemokraten zum Siege zu verhelfen. (Sehr richtig! links.)
Wähler! Ihr könnt Leute, wie die Nationalliberalen, die im Rieiche Bündnisse mit den Antisemiten, den Agrariern und den
Erzreaktionären schließen, nicht unterstützen. Wähler! Die größere Gefahr liegt zur Zeit in der Möglichkeit eines Kartell⸗Reichstages vor.
(Sehr richtig! links.) Möglichkeit und der damit gegebenen Aussicht auf Annahme der Militärvorlage, auf Steuererhöhungen ver⸗ schiedener Art, auf Antastung des allgemeinen Wahl⸗ rechts, auf Förderung der vo ksverderblichen Sonderbestrebungen der Agrarier muß unter allen Umständen vorgebeugt werden. Und darum, trotz aller prinzipiellen Gegnerschaft gegen den sozial⸗ demokratischen Kandidaten, nicht aus Liebe zu ihm, sondern lediglich
im Interesse unserer Partei fordern wir Euch auf, in der Stich⸗
wahl Eure Stimme zu geben dem Restaurateur Karl Schultze hier.
Unterschrieben: Dr. Krieger; das ist der Baumeister Krieger des städtischen Elektrizitätswerks. Zuruf links: Datum! 1893) Darum ift dem Herrn Krieger von dem Herrn Regierungs⸗Präsidenten wegen seines Verhaltens ein Verweis ertheilt worden. Nachdem der Ober⸗ Bürgermeister zum Bericht über die Sache aufgefordert worden war, und nachdem Herr Krieger seine Aeußerung abgegeben hatte, hat der Regierungs⸗Präsident ihm eröffnet:
In seiner Betheiligung an dem Erlasse des Wahlaufrufs für die Sozialdemokraten liege eine Verletzung der ihm als mittelbarem 8 Staatsdiener ebenso wie unmittelbarem Beamten auferlegten 8 Pflichten, und er — der Regierungs⸗Präsident — sehe sich daher veranlaßt, ihm einen Verweis zu ertheilen. Zugleich spreche er die
Erwartung aus, daß Krieger sich in Zukunft einer solchen mit den Pflichten eines Beamten nicht zu vereinbarenden Agitation ent⸗
halten werde.
Meine Herren, trotz dieses Verweises und dieser Mahnündg fuür die Zukunft, hat im Jahre 1895 ein erneuter Versuch der Annäherung zwischen Herrn Krieger und der Sozialdemokratie stattgefunden. Es ift ein ausführlicher Bericht über die betreffende Versammlung hier, in der zunächft ein Sozialdemokrat Braun, als Gast anwesend, den Dr. Arons (Berlin) in Schutz nimmt und sagt:
Diesen Sozialdemokraten habe Braun auf dem letzten sozial⸗
demokratischen Parteitage in Breslau kennen gelernt und halte ihn
für einen überzeugten Sozialdemokraten. Herr Krieger bemerkt dann, daß zu einer demnächst bevorstehenden Versammlung An⸗ gehorige aller Parteien eingeladen seien, was auch schon aus der
Veröffentlichung der bezüglichen Bekanntmachung in der „Volks⸗
tribüne“ hewvorgehe. — ““ so äußert Redner dann wörtlich deaß sich inzwischen ein besseres Verhältniß zwischen Sozial
demokratie und freisinniger Volkspartei herausgebildet hat, gestützt auf gegenseitiges Vertrauen“, und der Vorsitzende des Vereins ver⸗ langt, daß die sozialdemokratische Partei wissen müsse, was sie sich und Anderen schuldig sei; es dürfte um so weniger Veranlassung sein, die Versammlung zu sprengen, die demnächst stattfinden solle, als der Verein mit Opfern die Sache der Sozialdemokratie führe. Herr Krieger fügt dann hinzu: Zusicherungen hinsichtlich des Wahl⸗ kartells zwischen Sozialdemokratie und freisinniger Volkspartei wären gemacht, aber hinterher nicht gehalten worden. Anhänger der freisinnigen Volkspartei seien bei den letzten Reichstagswahlen offentlich für die Wahl der Sozialdemokraten eingetreten und hätten dafür die Zusicherung erhalten, daß die Sozialdemokraten das Gleiche bei den Landtagswahlen für die Kandidaten der freisinnigen Volks⸗ vartei thun würden. Das sei aber nicht geschehen, im Gegentheil, die freisinnige Partei sei dann in dem sozialdemokratischen Organ sogar gröblich beschimpft worden. Doch hoffe er — Dr. Krieger— daß diese Erinnerungen keine Verbitterung zurückgelassen haben würden, und er ladet dann die Sozialdemokraten zu der nächsten
Versammlung ein.
Nun, meine Herren, hat Herr Krieger bei seiner Vernehmung
bierüber ausgeführt, daß er lediglich mit diesen Aeußerungen den
Zweck verfolgt habe, Störungen jener bevorstehenden Wahlversamm·
““
das in der That seine Meinung gewesen ist, aber ich muß sagen:
Berlin, Donnerstag, den 14.
diese Aeußerung, die ich verlesen habe, mußte von den Zuhörern, denen diese Absicht verschleiert blieb und verschleiert bleiben sollte, in weiterem Sinne verstanden werden, und nach dem Vorgang war es seine Pflicht, sich vorsichtiger auszudrücken, als er es gethan hat, um jeden Schein einer öffentlichen Unterstützung der Sozialdemokraten zu vermeiden.
Die Thätigkeit des Herrn Dr. Krieger hat dann in dem Verein Waldeck fortgedauert, und es war ihm aus späterer Zeit mit Recht eine Aeußerung zur Last gelegt worden, die er in der Versammlung vom 24. November 1898 gemacht haben soll. Nach den mir vor⸗ liegenden Berichten hat er bei der Besprechung der Vorgänge in der sogenannten Konfliktszeit Folgendes gesagt:
Konsequent wäre es gewesen, dem Verfassungsbruch von oben den Verfassungsbruch von unten, d. h. die Revolution, entgegen⸗ zustellen. Aber die jetzige Generation, die den Verhältnissen ferner stehe, müsse anerkennen, daß das der Ruin des Staates gewesen wäre.
Der Polizeibeamte, und zwar ein älterer, durchaus erfahrener Beamter, der immer diese Versammlung überwachte, hat sich sofort Notizen gemacht und hat erklärt, daß er bereit sei, die völlige Richtigkeit seiner Wiedergabe dieser Aeußerung auch jetzt noch zu beschwören. Trotzdem habe ich, weil Herr Dr. Krieger über diesen Vorfall selbst damals nicht gehört war, in dem Erlaß an den Regierungs⸗Präsidenten nur gesagt, daß ich es als eine Pflichtverletung ansehen würde, wenn diese Aeußerung im wesentlichen richtig wiedergegeben sein sollte. Nach dem, was der Herr Regierungs⸗Präsident mir berichtet, will Herr Krieger die Aeußerung etwas anders gethan haben, aber im wesentlichen (Abg. Dr. Krieger (Königsberg): Das Gegentheil habe ich gesagt!) bleiben die Worte bestehen, daß er von Verfassungsbruch von oben gesprochen hat, (Abg. Dr. Krieger (Königsberg): Das Gegentheil ist der Fall!) daß er von Verfassungsbruch von oben gesprochen hat. (Wieder⸗ holte Zurufe links.) Ja, das ist eben die Sache, daß er einen Akt der Regierung als einen Verfassungsbruch hinstellt, (lebhafte Zurufe links: Natürlich! Unglaublich!) und daß es konsequent gewesen wäre, diesem Verfassungsbruche von oben den Verfassungsbruch von unten, d. h. die Revolution, entgegenzusetzen. (Lebhafter Wiederspruch links.) Die Abschwächung kommt erst hinterher:
daß es vom Standpunkte der jetzt lebenden Generation an⸗ erkannt werden müßte, daß das der Ruin des Staates gewesen wäre.
Das schwächte die Aeußerung ab, schaffte sie aber nicht aus der
Welt. (Zurufe.) (Glocke des Präsidenten.) Meine Herren, in welcher Weise die Agitation von den betreffenden Kreisen in Königsberg fortgesetzt wird, ergiebt sich aus einem neuerdings er⸗ schienenen Aufruf, mitunterzeichnet von den Herren Krieger und Dullo, in dem zum Beitritt in den Verein „Waldeck“ aufgefordert wird. In diesem Aufrufe heißt es:
Das hohe Beamtenthum und seine konservativ⸗antisemitisch⸗ agrarische Preßhilfe führt seit Jahren gegen die Bürgerschaft einen Kampf, der an bezeichnenden Episoden überaus reich ist, u. s. w.
Es wird dann weiter gesagt:
Es gilt die Reihen derjenigen zu stärken, die in diesem Kampfe die Fahne bürgerlicher Freiheit und kommunaler Selbständigkeit gegenüber behördlichen Uebergriffen und serviler Duldung und Unter⸗ stützung solcher Uebergriffe hochgehalten haben.
Es wird also der Beamtenschaft ein Kampf gegen die Bürger⸗ schaft imputiert und von serviler Duldung dieser Uebergriffe ge⸗ sprochen. Das ist wahrscheinlich ein Kompliment gegen die maß volleren Persönlichkeiten in den städtischen Kreisen und Behörden. Nun hätte ich meiner Ansicht nach Grund genug gehabt, die Einleitung eines Disziplinarverfahrens in Erwägung zu ziehen, habe es aber absicht lich unterlassen, weil ich mir sagte, daß, wenn der Regierungs⸗Präsident den Beamten in mündlicher Unterredung klar macht, wie die Grenzen ihrer politischen Bethätigung sind, und daß ihnen die fernere Be⸗ thätigung in der bisherigen agitatorischen Weise nicht mehr nach⸗ geseben werden würde, sie sich selbst der Erkenntniß der Richtigkeit dieses Vorgehens nicht verschließen würden. Ich bin im allgemeinen der Ansicht, daß eine mündliche Verhandlung die Gegensätze viel mehr mildert und viel weiter führt als schriftliche Verfügungen, und habe von dieser Anschauung aus die betreffenden mündlichen Er⸗ mahnungen des Regierungs⸗Präsidenten an die beiden Beamten an⸗ geordnet. Ich mache aber kein Hehl daraus, daß, wenn ich voraus⸗ gesetzt hätte, daß die Sache von der Presse in der Art ausgeschlachtet werden würde wie es, vielleicht nicht von den Herren ( links), aber von anderer Seite geschehen ist —, ich diesen milden Weg nicht ge⸗ wählt haben würde. Die Behauptung, daß durch die mündlichen Vorhaltungen des Regierungs Präsidenten den Beamten der Rechts⸗ mittelweg abgeschnitten sei, ist vollkommen unzutreffend; denn auch gegen eine mündliche Eröffnung steht natürlich der Weg der geset⸗ lichen Rechtsmittel zur Verfügung, und wenn die Herren den be⸗ schreiten wollten, so war er ihnen in keiner Weise beschnitten.
Ich habe damit diese Fälle im allgemeinen erörtert und kann nur nochmals sagen, daß das politische Verhalten dieser beiden Herren meiner pflichtmäßigen Ueberzeugung nach die Grenzen nicht innegehalten hatte, die auch den mittelbaren Beamten gesteckt sind. Ich meine, daß gerade heutzutage sich auch die mittelbaren Staats⸗ beamten ihrer Pflicht, nicht an der Verschärfung, sondern an der Ab⸗ schwächung der politischen Gegensätze mitzuwirken, doppelt bewußt sein müßten. Wir sehen überall, daß die festen Grundlagen der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung von gewisser Seite er⸗ schüttert werden sollen; wir sehen, wie die Sozialdemokratie immer weiter in die Kommunen eindringt, nicht nur numerisch, sondern auch qualitativ, durch Erweiterung ihres Einflusses. Unter diesen Umständen, meine ich, müßten Alle, des Staates meinen, zusammen halten in dem Bestreben, die Funda⸗ mente unseres Staates zu stärken und sie nicht zu untergraben. Aber
die es wohl mit den Interessen
iger.
Pflicht haben, dem Staate und seinen allgemeinen Interessen zu
dienen. Sie sind berufen und übernehmen mit dem Amte die Pflicht,
die Grundlagen unserer staatlichen Ordnung zu schützen und zu achten, und nicht, sie anzugreifen und verächtlich zu machen. Wer dagegen fehlt, verzichtet auf den Vorzug, in ein Staatsamt, auch ein mittelbares, berufen zu werden. (Lebhaftes Bravo! rechts; Zischen links.)
Abg. Dr. Friedberg (nl.): Meine Freunde halten die Theater
zensur für unentbehrlich, aber es müßten literarische Sachverständig
hinzugezogen werden. Stücke wie „Die Weber“ dürften allerdings aus politischen Gründen nicht verboten werden, sie sind nicht unsittlich
fondern vertreten nur eine Weltanschauung. Das Verbot darf sich nur gegen frivole Sachen richten. Um Ungleichheiten innerhalb Preußens zu vermeiden, muß gegebenen Falls die Zentralinstanz in Berlin angerufen werden. Herr von Kardorff tadelt die Stabilität der Ministerialräthe. Diese ist allerdings nöthig, um die Tradition auf⸗ recht zu erhalten, birgt aber die Gefahr, daß die Räthe schließlich einflußreicher werden als die Minister. Das sieht man am Kultus⸗ Ministerium. Wir könnten vielleicht mit dem Neubau für das Kultus⸗ Ministerium so lange warten, bis die Frage der Abtrennung der Medizinalabtheilung gelöst ist. Der Regierungs⸗Präsident muß immer der Mittelpunkt der Verwaltung bleiben. Was will Herr von Kardorff mit der Abtrennung der Schulabtheilung vom Regierungs⸗Präsidium erreichen? Der Kreis⸗Schulinspektor darf doch nicht Schulpräfekt werden. Ich würde es außerordentlich bedauern, wenn das juristische Können unserer Verwaltungsbeamten herabgesetzt würde. Alle Verwaltungsentscheidungen müssen mehr oder weniger juristisch begründet sein. Was die wissenschaftliche Ausbildung betrifft, so sind bei der ersten Prüfung die An⸗ forderungen an die juristischen Kenntnisse schon so groß, daß man nicht noch eine Beschäftigung mit den Staatswissenschaften verlangen kann. Die Herren müßten vielmehr erst später zu diesem Zweck noch einmal zur Universität zurückkehren. Ein Institut wie die Kriegs⸗Akademie wird aber nicht möglich sein. In der Antwort des Ministers auf die Beschwerden des Abg. Richter vermisse ich die Objektivität, die man erwarten konnte. Wie oft kommt es nicht vor, daß Landräthe in Wahlaufrufen die National⸗ liberalen als Ausbeuter des Volkes und Vertreter des Groß⸗ kapitalismus bekämpfen; wir haben darüber immer mehr gelacht, als uns gekränkt gefühlt. Wenn der Minister sagt, daß gewisse Leute nicht einmal mittelbare Staatsbeamte sein dürfen, so ist das außer⸗ ordentlich weit gegangen, namentlich gegenüber dem weiten Herzen, das sonst der Minister bei anderen Ausschreitungen hat. Fürst Bis⸗ marck hat auch einen Verfassungsbruch begangen und dann Indemnität dafür nachgesucht. Ich kann die Behandlung des Königsberger Falles nicht gutheißen. Sie hätte die Bestätigung glatt ertheilen sollen, denn die Nichtbestätigung fordert zu Vergleichen mit anderen Fällen auf, die für die Regierung nicht günstig ausfallen.
Abg. Kirsch (Zentr.) bittet den Minister, den Termin für die Einberufung des Landtages den Abgeordneten früher mitzutheilen, und kommt dann auf die Frage der Wohnungsnoth zu sprechen. die Baupolizeiordnungen würden die Häuserbauten erschwert. Dur
die Besteuerung müsse eine Entlastung der Häuser mit kleinen Wohnungen dadurch herbeigeführt werden, daß man an die Stelle der Besteuerung nach dem Nutzungswerthe die Besteuerung nach dem gemeinen Werthe setze. Der Redner tritt ferner für den Antrag des Grafen Mirbach auf Abänderung des Kommunalabgabengesetzes hinsichtlich der Besteuerung landwirthschaftlicher Grundstücke und füͤr die Einführung einer Bauplatzsteuer ein. Den Grundsatz, daß keine Partei zur Be⸗ kleidung öffentlicher Aemter ungeeignet sei, möge der Minister auch in der Praxis für alle Parteien anwenden.
Um 4 ¾ Uhr wird die weitere Berathung bis Donners⸗
tag 11 Uhr vertagt.
SOsobhhe der Schneedecke in Zentimetern am Montag, den 11. Februar 1901, um 7 Uhr Morgens. Mitgetheilt “ vom Königlich preußischen Meteorologischen Institut. (Stationen nach Flußgebieten geordnet.)
Oestliche Küstenflüsse. “
Memel (Dange) 10, Tilsit (Memel) 9, Gumbinnen 11, Inster-⸗ burg (Pregel) 12, Heilsberg (Pregel) 4, Königsberg i. Pr. (Pregel) 15.
Weichsel.
Czerwonken (Bobr, Narew) 20, Marggrabowa (Bobr, Narew) 17, Klaussen (Pissa) 24, Neidenburg (Wkra) 14, Osterode (Drewenz) 6, Altstadt (Drewenz) 14, Konitz (Brahe) 18, Bromberg (Brahe) 4,
Marienburg (Nogat) 9, Hoppendorf
8
Graudenz 6, Berent (Ferse) 14, (Mottlau) 8. 8 Kleine Flüsse zwischen Weichsel und Oder Lauenburg i. P. (Leba) 9, Köslin (Mübhlenbach) 2, Schivelbein (Rega) ZS. 8 Ratibor 2, Beuthen (Klodnitz) 5, Oppeln 1,
Brand (Glatzer Neisse) 62, Reinerz Görbersdorf (Glatzer
Schillersdorf 4, ib Habelschwerdt (Glatzer Neisse) 7, 1 (Glatzer Neisse) 43. Glatz (Glatzer Neisse) 2, Reisse) —, Friedland (Glatzer Neisse) 28, Weigelsdorf (Glatzer Neisse) 2, Rosenberg (Stober) 3, Breslau 8, Liegnitz (Katzbach) 7. Fraustadt (Landgraben) 29, Schwarmitz 14, Grünberg 28, Krumm⸗ hübel (Bober) 19, Wang (Bober) 57, Eichberg (Bober) 19, Schreiberhau (Bober) 45, Warmbrunn (Bober) 10. Bunzlau (Bober) 19, Goörlitz (Lausitzer Neisse) 8, Frankfurt 8, Ostrowo (Warthe) 9, Posen Warthe) 12, Tremessen (Warthe) —, Samter (Warthe) 10,. Paprotsch (Wartbe) 10, Neustettin (Warthe) 10, Deutsch⸗Krone (Warthe) I Landsberg (Warthe) 6. Stettin 0, Pammin (Ihna) 5, Prenzlar (Uecker) 3, Demmin (Peene) 0.
Kleine Flüsse zwischen Oder und Elbe.
Greifswald 13, Putbus 11, Güstrow (Warnow) 5, Rostock (Warnow) 0, Kirchdorf auf Poel 1, Seg (Trave) 4. Lübeck (Trave) 3, Eutin (Schwentine) 4, Plön 6, leswi Enlch 6r Flensburg 3, Gramm (Fladsau) 0, Westerland auf Sylt 0, Wyk düfrshe 0 Husum 6, Meldorf 2.
Elbe.
Torgau 10, Roßlau (Roßlau) 8, (Saale) 66, Neuhaus a. R. (Saale) 90, Jena (Saale) 7. Stadtilm (Saalec) 14, Dingelstädt (Saale) 27, Ichtershausen (Saale) 11, Erfurt (Saale) 5, Sondershausen (Saale) 6. Nordhausen (Saale) 15, Greiz (Saale) 10, Altenburg (Saale) 4, Halle (Saale) 10, Kloster⸗ —2 (Saale) 10. Bernburg (Saale) 10, Glauzig (Saale) 9. Brocken (Saale) 88, Quedlinburg (Saale) —, (Saale) 27, Magdeburg 3, Neuftrelitz (Havel) 6. Kottbus ( 1) 12, Dahme (Havel) Berlin (Habel) 1. Blankenburg bei Berlin (Havel) 3, Havel) 1, nersdorf, Kr. Teltow (Havel) —, Potsdam
au (Mulde) 10, Scheibe
lung zu verhin⸗ Ich sctze nicht den geringsten Zweifel darin, daß
verlangen muß ich das von solchen, die die Ehre und damit auch die
Spandau ( (Havel) 2. Brandenburg (Havel) 0. Being (Habel) 3
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