Staatssekretär des Reichs⸗Postamts von Podbielski: 8 Ich stimme dem Herrn Abg. Dr. Oertel darin vollständig zu, daß diese ganze Angelegenheit der polnischen Adressen weit über Gebühr aufgebauscht wird. Thatsächlich betrifft sie so kleine Verhältnisse, daß ich mich immer und immer wieder wundere, daß die Herren Vertreter der polnischen Bevölkerung sie als eine große Staatsaktion hier vor⸗ zuführen sich gemüßigt sehen, während sie thatsächlich nicht einmal der vielen Worte bedarf. Ich muß leider die Geduld des hohen Hauses nochmals in An⸗ spruch nehmen, weil wieder und wieder Entstellungen seitens der Herren vorgebracht werden. Zunächst der Taillenfall von Krakau. Ich berufe mich auf das Stenogramm der Sitzung vom 24. Januar. Das Packet sollte danach folgende Adresse gehabt haben: „An Fräulein Eva v. Parczewska, Oesterreich⸗Galizien, Krakau“ dann polnisch: „Ulica Strzelecka 15“. Das ist thatsächlich nicht richtig. Ich habe die Adresse hier, sie lautet thatsächlich anders: nämlich J. Wielmozna Pani Ewa Parczewska Kraköw (Krakau) Strzelecka ul. No. 15. Zweitens sagte Herr von Glebocki, der betreffenden Frau wäre, als sie das Packet auf die Post brachte, gesagt worden: die Adresse wäre sonst ja gut, es handelte sich bloß um das einzige Wort Ulica Strezelecka, das sei für das Postamt unverständlich, es müsse dafür die deutsche Benennung gesetzt werden. Meine Herren, hier liegen die bernehmungen vor, zunächst: Der Postschaffner Walkowiak J., darüber befragt, ob er bei der Zurückweisung des an Eva von Parczewska in Krakau gerichteten Packets dem Auflieferer gegenüber geäußert habe, die Aufschrift müsse deutsch sein, oder ob er einer ähnlichen Aeußerung sich bedient hat, erklärt Folgendes: „Ich habe dem Auflieferer nur gesagt, daß zu dem Packet eine blaue Adresse und drei Zolldeklarationen gehören, eine andere Aeußerung habe ich nicht gethan.“ Das Zeugniß des Postamts über die Vertrauenswürdigkeit Walkowiak lautet: der Postschaffner Walkowiak ist ein im Dienst ergrauter Mann, dem nur Gutes nachgesagt werden kann. Die vorgesetzte Behörde hat weiter nachgeforscht, wer die Worte „Ulica Strzelecka“, den polnischen Straßennamen, richtig ins Deutsche mit Schützenstraße übersetzt hat nach der Darstellung des Herrn von Glebocki sollte das der Beamte gethan haben, der an⸗ geblich polnisch nicht verstand und schließlich stellte sich heraus — das ist auch in den Akten daß ein Fräulein Magowska, welche sich bei dem Fräulein Mayer aufhielt und des Deutschen sehr gut mächtig ist, erklärte, daß sie die Worte Ulica Strzelecka in Schützenstraße übersetzt habe.
des
Meine Herren, wenn ein solcher Vorwurf hier im Hause erhoben wird, müssen wir jeden verantwortlich vernehmen, und das ist, wie ich Ihnen eben auseinandergesetzt habe, geschehen. Ich habe gestern schon für diejenigen, die sie einsehen wollen, nehmungen unterbreitet. Ich glaube, die ganze Talllen⸗ angelegenheit ist nicht der vielen Worte werth: aber ich muß mich immer wieder gegen die Entstellungen verwahren, als ob die Beamten das gethan hätten. Die ganzen Angaben von Anfang bis Ende sind erlogen gewesen, das beweisen die Feststellungen. Weiter sagte der Herr Abg. von Glebocki, ich habe nur einen Artikel aus dem „Slaski“ angeführt. Meine Herren, mir liegt eine ganze Reihe von Artikeln hier vor zunächst aus dem „Dziennik Poznanski“:
„Sie lehren uns nicht deutsche Briefe schreiben, im Gegentheil veranlassen das polnische Publikum zu einem größeren Abscheu in dieser Richtung.. (Zuruf bei den Polen: Von welchem Tage?) Vom 15. Januar. (Zuruf bei den Polen.) Ja, ich kann Ihnen ja auch von früher welche vorlegen. Was sollen denn die Zeitungen anderes schreiben, als was die Herren immer und immer wieder ausgeführt haben! Es liegt mir eine ganze Blumenlese vor, die ich Ihnen vorlesen könnte.
Nun ist weiter von dem Herrn Abg. von Glebocki gesagt worden, ich hätte einen Erlaß ergehen lassen, in dem ich ausdrücklich zugestanden hatte, daß die polnischen Adressen angewendet werden können. Davon ist nirgends die Rede. Dieses Zugeständniß würde ich auch irgend einem nichtdeutschen Volksstamm nicht machen knnen und machen dürfen. Die Sache liegt vielmehr so: Ich erachtete es nicht für richtig, daß in einer Unbestellbarkeits⸗ meldung gesagt wurde: wir können eine Sendung nicht bestellen, weil sie eine polnische Adresse trägt. Es soll vielmehr gesagt werden: die Adresse ist so undeutlich und unbestimmt, daß wir die Sendung wegen dieser Undeutlichkeit der Aufschrift nicht bestellen können.
Mein Erlaß soll nun weiter die Veranlassung gewesen sein, daß die beanstandeten Packete mit polnischer Adresse an dem Tage nach der Protestversammlung zugenommen haben. Meine Herren, wie meine Akten ergeben, hat die Protestversammlung am 27. Januar in Posen stattgefunden. Der Erlaß hat aber das Reichs⸗Postamt erst am 31. Januar verlassen, er trägt das Datum vom 31. Januar. Vielleicht haben nun die Herren Visionen der Beziehungen zu meinen Gedanken, daß sie am 27. Januar schon diesen Einfluß auf die pol⸗ nische Bevölkerung eskomptieren (Heiterkeit), daß an dem Montage darauf so viel mehr Packete mit polnischer Adresse aufgeliefert worden sind. Nein, meine Herren, täuschen Sie sich, bitte, nicht darüber! Ich kann Ihnen Üund das möchte ich dem Herrn von Glebocki und vielleicht auch dem Herrn Grafen von Oriola gegenüber hervorheben — die Thatsache vorführen, daß nicht allein kleine Geschäftsleute, sondern sogar Bank⸗Direktoren bei der Post erschienen sind und gesagt haben: wir würden den Wünschen der Post gern entsprechen, aber die Adressaten erklären uns sofort, wir brechen jede Geschäftsverbindung mit Ihnen ab, wenn Sie nicht polnisch adressieren. (Lebhafte Zurufe und Hört! hört! rechts und bei den Nationalliberalen. Zurufe bei den Polen.) Sie geben die Thatsache zu; darin liegt aber doch der Beweis, daß Sie auf die gesammte Geschäftswelt drücken, um den Postverkehr zu erschweren, und darauf kommt es für mich allein an. Ich möchte den Herrn Fürsten Radziwill bitten, bei seinen hohen Auffassungen mir nicht absichtlich den Vorwurf der Unaufrichtigkeit entgegen⸗ zuschlendern. Dieser Vorwurf ist mir auch vom Herrn von Glebocki wfeder gemacht worden. Meine Absichten sind in den Verfügungen klar dargelegt; ich habe erklärt, was ich thun muß und werde, wenn die Einrichtung der Uebersetzungsbureaur nicht genügt. Ich habe den Herren klar und deutlich erklärt: wenn die Zahl der Sendungen mit polnischen Aufschriften noch zunimmt, so müssen die Sendungen als
die Ver⸗
Ebensowenig kann ich von den mir nachgeordneten Beamten sagen lassen, daß hier Postchikanen vorlägen. Ich muß immer wiederholen: Sie allein haben die Schuld daran, wenn in den polnischen Landes⸗ theilen der Postverwaltung der Dienst erschwert worden ist.
Es werden nun einzelne Fälle angeführt, wonach der eine Brief direkt bestellt, der andere an die Uebersetzungsstelle geschickt worden sei. Gewiß, meine Herren, der eine Brief ist zufällig einem polnischen Beamten in die Hände gekommen, der ihn expediert hat; der andere ist auf einen deutschen Beamten gestoßen, der die polnische Adresse nicht verstanden hat.
Ich nenne ungern hier eine Reihe von Männern nennen können aus Ihren Kreisen selbst, die erklärt haben: so liegt es, wir können nicht anders, wir werden gezwungen, die polnischen Adressen anzuwenden, wie Sie selbst hier zugegeben haben; das ist ein Zwang, der den ganzen Be⸗ trieb sehr erschwert. Nun liegen vor mir einige Adressen von Sendungen an den Herrn Erzbischof. Ich darf, weil das Post⸗ geheimniß darüber lagert, sie dem hohen Hause nicht unterbreiten aber ich kann Ihnen immerhin einiges vorführen. Es wird an den Herrn Erzbischof zur Zeit eine ziemliche Anzahl von Briefen mit Aufschriften in lateinischer Sprache aufgegeben. Nun frage ich Sie sollen denn die Postbeamten auch noch Lateinisch lernen? (Heiterkeit.) Wohin kommen wir dann? Auf diesen 3 Briefen steht in 3 ver⸗ schiedenen Schreibarten Poznan, Poznanie, Poznaniu. Ist das nun immer derselbe Bestimmungsort Posen? Sie verlangen da wirklich Sachen von der Postverwaltung, die weit über das zu leistende Maß hinausgehen. Ich kann mir wohl denken, daß Sie sagen, wir wollen Poznan schreiben; aber wenn Sie nun wieder das Wort deklinieren so wird die Sache ganz unklar. (Sehr richtig.) Für mich sehr interessant ist, daß auf einem vor mir liegenden Briefkuvert oben ganz deutlich Deutsch steht „portopflichtige Dienstsache“. (Heiterkeit.) Diese deutsche Bezeichnung ist den Herren also ganz verständlich, aber dann kommen wieder die polnischen Bezeichnungen. b
Ich hoffe noch immer, daß die Herren erkennen werden, sie waren und sind auf dem Holzwege. Ich, der ich einer Verwaltung vorstehe, die nichts mit Politik zu thun hat, habe nur die Verpflichtung, den Betrieb ordnungsmäßig zu erhalten. Wenn Sie nun sagen: ja, ihr habt bisher 100 Briefe bestellen können, und jetzt, wo es 142 sind könnt ihr es nicht mehr? (Zuruf.) Sie täuschen sich, Herr von Glebocki, gewiß, die 142 könnten wir auch noch bearbeiten, aber dadurch wirh der Dienst erschwert und die Beförderung deutscher Briefe geschädigt. Wenn ein Glas bis zu einem gewissen Strich mit Wasser gefüllt ist fließt es noch nicht über, kommt aber noch etwas hinzu, so läuft es über. So weit ist es durch Ihren Druck gekommen. Kommen Sie einmal in eine polnische Stadt, so werden Sie sehen, daß kein deutscher Handwerker für einen Polen etwas zu arbeiten bekommt. Wenn dann hervorgehoben wird, bei der Hansa sei es doch möglich gewesen, so habe ich schon früher gesagt, daß die Hansa ein Briefbeförderungsinstitut für Posen war, aber nichts mit dem Fern⸗ verkehr zu thun hatte. (Zuruf.) Gewiß, aber nur einen ganz kleinen Theil. Außerdem bemerke ich, daß die 42 % sich auf die zwei Zäh⸗ lungen beziehen, die wir speziell hinsichtlich der Packete vorgenommen hatten, weil wir das am leichtesten und sichersten thung konnten, und zu zwei verschiedenen Perioden; das hat also mit der Hansa in der Richtung auch nichts zu thun. Ich habe schon gestern angeführt meine Verfügung will durchaus nicht den status quo ante herstellen. Ich muß von den Herren erwarten, daß die polnischen Adressen auf das geringste Maß zurückgeführt werden, d. h. derjenige mag polnische Adressen anwenden, der eben nicht deutsch schreiben kann; wer es aber kann, muß es thun und sich der Allgemeinheit der deutschen Bevölke⸗ rung fügen.
Ich komme nun noch auf ein paar Aeußerungen zurück, die der Herr Graf Oriola gemacht hat. Er warf mir eingangs seiner Rede vor, ich hätte die Herren Bassermann und Graf Stolberg durch meine gestrige Rede verletzt, indem ich ihnen imputiert hätte, daß sie von Kapitulation gesprochen haben. Ich habe mir sofort — dank unserem stenographischen Bureau den stenographischen Bericht ich habe ihn nicht korrigiert kommen lassen. Darin steht nichts davon. Der Satz lautet: 1b Es ist ja auch, wie die Herren wissen, in der Presse der Vor⸗ wurf erhoben worden, ich hätte vor den Herren kapituliert. (Zuruf bei den Nationalliberalen.) Ich stelle das Stenogramm zur Verfügung. Ich habe also nicht gesagt, die Herren hätten es von mir gesagt, sondern in der Presse wäre der Vorwurf erhoben. Das ist doch ein Unterschied. (Zuruf bei den Nationalliberalen) Auch das Wort „auch“ steht nicht drin. Hier ist sogar der ganze Satz:
Der Herr Vorredner hat von Konzessionen gesprochen, die ich, resp. die Reichs⸗Postverwaltung gegenüber der polnischen Bevölkerung gemacht hätte. Es ist ja auch, wie die Herren wissen, in der Presse der Vorwurf erhoben worden, ich hätte vor den Herren kapituliert. Also ich meine nicht, daß die Herren davon gesprochen hätten, sondern ich möchte klarstellen, daß das Stenogramm ausweist, daß es mir fern gelegen hat, den Herren nach dieser Richtung etwa einen Vor⸗ wurf zu machen.
Namen; ich würde Ihnen sonst
b Ich muß nun noch besonders auf einzelne Punkte eingehen, die der Herr Abg. Dr. Oertel angeführt hat. Ich bin mit ihm gleicher Ansicht, wenn ich es zurückweise — und ich habe bereits in der Kommission Veranlassung dazu gehabt —, daß etwa die Post⸗ verwaltung Bestimmungen erläßt über die Größe und den Zustand der Kuverts. Ich bin daher dem Herrn Grafen Oriola sehr dantbar, daß er gewissermaßen zum Fenster hinaus die Anregung für weite Kreise des Publikums gegeben hat, sich zu bemühen, unseren gesammten postalischen Verkehr und Betrieb zu erleichtern. Also, Herr von Glebocki: auch bei deutschen Aufschriften sind wir bestrebt, die Erschwernisse zu beseitigen, die uns aus der schlechten Form der Kuverts erwachsen. Wir wollen das Publikum erziehen und regen es an: gebt Kuverts auf, die so beschaffen sind, daß der Briefbeförderungsbetrieb geordnet und schnell durchgeführt werden kann. Ich habe z. B. in der Kommission angeführt, was heute Herr Graf Oriola treffend dargelegt hat: denken Sie sich cinen Brief, meine Herren, dessen Freimarke dazu benutzt ist, um hinten den Deckel zu schließen. Der Beamte muß den Brief unbedingt umdrehen. Was für eine Erschwerniß liegt darin! Alle solche Dinge sollte man vermeiden, da die Post Jedermann dienen soll und muß.
Weiter hat Herr Dr. Oertel die verschärften Bestimmungen über die Auflieferungen von Zeitungen angeführt. Meine Herren, ich bin
unanbringlich bezeich Das wären die Konsequenzen.
unbedingt dafür, daß wir den Termin zur Zeitungsauflieferung soweit
gerade die Herren, die dabei betheiligt sind, bitten: einmal zum Postzeitungsamt, so werden Sie fast täglich finden gewisse Zeitungen immer zu spät aufliefern. Nun gehen bei die Klagen ein, nicht darüber, daß die betreffende Zeitung gezwu 89 ist, so früh aufzuliefern, sondern man beschwert sich darüber, daß andere Zeitung, die so spät kommt, noch angenommen wird 8 meine, das ist ein wesentlicher Unterschied. Ferner möchte ich Herren nur die Versicherung geben: wir sind in 8. Telegraphenverwaltung seit längerer Zeit darauf aus 8G Depeschen, die meistens in den Zeitungen noch Aufnah 8 finden müssen — für die Nachtzeitungen sind es die Handelsdepesche aus New York u. s. w. möglichst frühzeitig anzubringen c eben nicht in den Redaktionen die Hetzarbeit, wie sie Herr Dr. Oertel angeführt hat, vorgenommen werden muß. Ich glaube, andererseitz werden die Zeitungen es verstehen, daß wir nicht in einem Moment Tausende und Abertausende von Exemplaren richtig instradieren könne selbst wenn wir so und soviel Leute einstellen. Die Masse der Leuf kann das eben im Moment nicht schaffen, sondern wir müssen uns nach gewissen Kursen einrichten; wir können den Kurs nicht in 10 Theile eintheilen, denn dann würde sofort die Konfusion eintreten Wir sind an die Kurse gebunden, danach ist das Gebäude eingerichte und die Arbeit läßt sich eben nur von einer begrenzten Zahl von Beamten erledigen. Meine Bitte an die Presse geht dahin 8 bringen Sie uns nicht zu nahe an den Punkt, daß wir schließlich nicht mehr rechtzeitig die Zeitungen den einzelnen Bahnposten zuführen können! Und ich glaube, daß in der Richtung die Schwierigkeiten durch gegen⸗ seitiges Entgegenkommen gehoben werden können. Was nun die Frage der Quittungen anlangt, ja, meine Herren soll ich etwa die Briefträger mit den 5000 verschiedenen Quittungen für alle Zeitungen ausrüsten? Jeder wird mir zugeben, das ist für mich eine Unmöglichkeit. Ich kann dem Briefträger nur eine Sorte Quittungen mitgeben, worauf er über den Betrag quittiert, den er von dem Besteller erhält. Ich gebe ja gern zu, daß es für die Zei⸗ tungen angenehmer ist, wenn sie wissen, für welche bestimmte Zeitung es ist; vielleicht ist ja schon die Differenz in den Preisen als Er⸗ kennungszeichen ausreichend. Jedenfalls ist es unmöglich, die Brief⸗ träger, die das Geld einkassieren, mit den Quittungen aller Zeitungen auszurüsten, die vertrieben werden. Das würde eine Umständlichkeit und Schwierigkeit des Verfahrens herbeiführen, die, meiner Ansicht nach, unmöglich ist. Was den Nachbarortsverkehr von Berlin anlangt, so bemerke ich Folgendes. Der Umstand, daß auch einzelne Königlich preußische Be⸗ hörden zuweilen Sendungen nicht richtig frankieren, zeigt uns so recht deutlich, daß eine so große Umwälzung, wie sie durch die vorjährige Einführung eines billigen Tarifs für Berlin und seine Vororte ber⸗ vorgerufen worden ist, noch nicht in Fleisch und Blut sowohl bei der Bevölkerung wie bei den Behörden übergegangen ist, sondern daß es immer einer gewissen Zeit bedarf, bis man sich ein⸗ gelebt hat. Wenn heute der Herr Abg. Dr. Müller sagt, sobald Lichterfelde einbezogen ist, dann werden keine Klagen mehr kommen, — ich bin überzeugt, Herr Dr. Müller, Sie brauchen nachher nur ein halb Stündchen weiter zu gehen nach Zehlendorf, dann würden auch die Zehlendorfer schreien, und so geht die Sache bis ins Unendliche fort. Ich meine, dergleichen wird so lange be⸗ stehen, bis wir ein Einheitsporto haben. Ich habe schon im vorigen Jahre gesagt, es ist mein Ziel, wenn ich es auch vielleicht nicht selbst erlebe, daß wir in kommenden Zeiten auf der Grundlage dieses billigen städtischen Portos allmählich weiter gehen und die Ringe gewissermaßen vergrößern. Sie wissen aber, Herr Dr. Müller, daß in der Budgetkommission seitens ländlicher Ver⸗ treter schon der Wunsch ausgesprochen wurde, dieses billige Porto auch innerhalb der Kreise einzuführen. Ich habe darauf nur erwidern können, die Kreise würden mir keine Grundlage dafür bieten können wegen ihrer ganz verschiedenartigen Gestaltung. Ich führte aus, daß die kleinen Kreise mit dichter Bevölkerung, also auf kleinem Raum, im Westen lägen, während im Osten vorwiegend große Kreise mit ganz dünner Bevölkerung vorkommen, und daß man es da, wo einzelne Landzungen, wenn ich es einmal so bezeichnen soll, weit ausspringende Theile eines Kreises tief in einen anderen Kreis hineinreichen, nicht verstehen würde, wenn man sie nicht dazu rechnete. Meine Herren, das alles führt auch dahin, die Herren zu bitten, doch erst diesen ganzen Vorortverkehr für Berlin sich einleben zu lassen. Wenn erst die Mehrzahl des Publikums weiß, welche Orte dazu gehören und welche nicht, dann werden auch die Klagen meiner Ansicht nach verstummen. Gewiß, das Bezahlen ist für jedermann eine höchst unangenehme Sache, und ich stimme auch dem Herrn Abg. Dr. Oertel bei, wenn er sagt, hier wird nicht der Thäter, d. h. der Absender bestraft, sondern hier wird ein ganz Anderer — der Adressat getroffen, der gar nicht die Absicht gehabt hat, eine Ausgabe zu machen. Unsere Aufgabe wird es ja daneben immer sein, zu prüfen, ob viel⸗ leicht der eine oder der andere Ort noch einbezogen werden kann in den Nachbarortsverkehr. Im Großen und Ganzen haben wir ja für Berlin die Ringbahn, beziehungsweise die Verbindungslinie der Orte, die an der Ringbahn liegen, als die Grenze für den Vorortverkehr angesehen. (Zuruf rechts.) — Nein, sie geht nicht im Zickzack, sondern ziemlich in einem großen Kreise um Berlin herum. Ich gebe zu, auch das ist eine willkürliche Annahme, aber jede andere wird auch eine willkürliche bleiben. Ich kann nur wiederholen: ich hoffe, daß über Jahr und Tag die Klagen nach dieser Richtung hin verstummt sein werden.
Abg. Stoecker E(b. k. F.):
2 damit
liegt, alieren.
Abg. Rer „Auf Seiten der Regierun wie wir hören, kein System vor, die polnische Sprache zu Gerade das Beispiel, daß ein Brief, der die Angabe Posen in polnischer
Sprache trägt, direkt bestellt wird, ein anderer erst nach der Ueber⸗ setzungsstelle geht, beweist ja, daß kein System vorliegt. Aber die Herren Polen betreiben ein System, das geht ja aus dem hewor, was die Bankdirektoren erklärt haben. Wenn Sie das nicht Agiltation nennen lassen wollen, so nennen Sie es Terrorismus, es kommt auf dasselbe hinaus. Ich habe schon vor zwei Jahren die Frage der Rechtschreibung bei diesem Etat zur Sprache gebracht. Das Reichs⸗ Postamt scheint jetzt auch der Puttkamerschen Orthographie den Vor⸗ zug zu geben. Diese letztere hat jedenfalls den Vorzug, das unnütze „h'“ beseitigt zu haben; sie hat aber das unnütze „e“ wieder eingeführt. Das „e“ sollte doch auch wieder beseitigt werden. Viel leicht giebt der Staatssekretär über seine Ansicht dem Hause Auskunft. Am Sonntag wird immer noch der Packetbestelldienst ausgeführt, den Beamten und der Sonntagsheiligung zum Nachtheil. EEs wäre vielleicht thunlich, die Sonntagsbestellung an eine höhere Bestellgebühr zu binden, dann würde der Ansturm wohl nachlassen. In den Reihen der Anwärter der höheren Postlaufbahn zeigt 8 ein gewisses Un⸗
wie möglich hinausschieben seweit wie möglich. Aber ich möchte
behagen, weil ihre Eigenschaft als Aspiranten der hö vre neben den Subalternbea mten nicht w-vIe en 222 rrrin.
8
begeben Sie sich
Entgegen der von dem Staatssekretär in der e nach mungsberichten gethanen Aeußerung kann ich dieses Verlangen der Ftmeffenden Anwärter nicht für unberechtigt erklären; der Staats⸗
an seinem Wohlwollen e. in dieser Richtung nicht die Frage des Wohnungs⸗
G auptet das Vorhandensein eines Nothstandes g diesem Punkte bei zahlreichen Beamtenkategorien. Man sollte hin
ud wieder einen Ausschuß von Beamten zusammenberufen, um deren Vünsche und Beschwerden zu vernehmen.
Staatssekretär des Reichs⸗Postamts von Podbielski:
Meine Herren! Der Herr Vorredner hat eine ganze Reihe von Fogen angeregt, die ich gleich beantworten will. 1“
Zunächst kann, glaube ich, niemand mehr als ich dafür eintreten, den Beamten eine ausreichende und, wenn ich sogar noch weiter ih soll, eine völlige Sonntagsruhe gesichert wird. Aber ganz den grieb einzustellen, ist meines Erachtens für unsere Ver⸗ trise unmöglich. Ich komme auf das schon öfter hier ggeführte Detail nicht eingehend zurück; aber Sie dürfen üih versichert halten: soweit nur irgend möglich, bin ich immer rilens, die Sonntagsruhe durchzuführen. Andererseits wird zer auch, glaube ich, dem Herrn Vorredner bekannt sein, h unsere Landbevölkerung sich schon jetzt darüber beschwert, wenn in anzelnen entlegenen Orten der Sonntagsbestelldienst aufgehoben wird. lmendlich viele Klagen sind bei mir darüber eingelaufen. Wenn ich berall auf dem Lande den Sonntagsbestelldienst einstellen wollte, es wirde ein Sturm der Entrüstung entstehen. Gerade die Landbrief⸗ gten müssen daher meistens auch am Sonntag Dienst thun, wo sr übrige Bevölkerung die Arbeit ruhen läßt.
Was die Verfügung des Postamts in Frankfurt a. M. betrifft, habe ich sie nicht gebilligt; ich erachte solche Sonderbestimmungen uch nicht für berechtigt. Soweit mir bekannt ist, war der Ober⸗ postdirektor dort ein oder zwei Monate vorher verstorben, die Stelle var noch nicht besetzt, und während dieser Zeit war die Sache passiert.
Was nun die Neugestaltung der oberen Karriere anlangt, so zaäte ich schon gehört, daß einer der Herren gelegentlich ines anderen Titels die Frage hier im Hause zur Sprache bringen wollte. Vorab möchte ich erklären und das werden mir die Herren, die der Budgetkommission angehört haben, bestätigen „ daß der disbezügliche Artikel in einzelnen Zeitungen, die ich gelesen habe, licht das wiedergiebt, was wir in der Kommission s. Z. ver⸗ handelt haben. Es hat mir völlig fern gelegen, mich chin auszusprechen, als ob wir den Wünschen auf einzelne diteländerungen nicht entsprechen wollen. Ich habe von einer estimmten anderen Klasse von Beamten, die jetzt wieder inen „Ober“ hinzuzubekommen wünscht, ausgeführt, daß mir das nicht ugebracht erschiene; ich habe mich hierbei gegen die Titelsucht im igemeinen gewendet. Was die mittlere Karriere anlangt, so ist im rrigen Jahre eine Neuregelung erfolgt. Wir sind unverzüglich dann die Arbeit gegangen, für die Herren von der höheren Laufbahn die nreffenden Bestimmungen auszuarbeiten; aber bei dieser Personal⸗ orm liegen die Verhältnisse ungleich schwieriger, weil rbei alle übrigen Staatsverwaltungen direkt in Be⸗ acht kommen. Die Frage, ob wir Referendare oder Assessoren skommen, kann ich allein kurzer Hand nicht entscheiden, da müssen ile anderen Verwaltungsbehörden gehört werden; und daß natur⸗ zmäß diese Verhandlungen eine viel größere Zeit in Anspruch nehmen,
z die neue Regelung der Personalverhältnisse für mittlere Be⸗
rforderte, ist klar. Ich kann nur erklären: ich bin willens,
t meine Arbeitskraft ausreicht, die Sache zu fördern; aber es
ine Menge von intrikaten Fragen zu lösen, die natürlich m Moment gelöst sein müssen, wo wir wieder Post⸗ einstellen. Zur Zeit haben wir auf Jahre hinaus überreichen Ersatz. Ich gebe gerne zu, daß der Titel „Post⸗ er“ nicht schön ist; denn jeder muß denken, der Postkassierer hat it der Kasse zu thun, was aber seine Hauptthätigkeit that⸗ hnicht ist. Der Titel Postkassierer zeigt aber doch, daß auch herer Zeit erhebliche Schwierigkeiten bestanden haben, um irgend⸗ hen passenden Titel für diese Herren zu schaffen. Diese Schwierig⸗ werden unbedingt von neuem entstehen in dem Moment, wo teuorganisation für die Beamten der höheren Laufbahn tt, die, wie ich hoffe, in nicht allzu ferner Zeit mehr Ich habe damals gesagt: ich sehe in dem Titel etwas Herabwürdigendes, ob ich Postsekretär oder Staats⸗ r heiße, ich meine: nicht der Titel macht den Mann, n der Mann macht seine Stellung. (Sehr richtig!) In der des Wohnungsgeldzuschusses für die Unterbeamten gebe ich dem
Vorredner sehr gerne zu, daß gerade hier in Berlin und über⸗ t in den größeren Städten für unsere Unterbeamten wirklich sehr
rige Verhältnisse bestehen. Ich bin der Letzte, der dem die n verschließt, daß gerade die kleinen Leute wegen der mngen mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen .(Hört, hört!) Aber die Lösung dieser Frage liegt bei der Postverwaltung, sondern, wie wir schon neulich er Budgetkommission erörtert haben, die ganze Servis⸗ und nungsgeldzuschußfrage liegt bei den anderen Behörden, und die uenzen jener Bestimmungen wirken auf die Postverwaltung ein. ich von seiten der Postverwaltung kann mit dergleichen An⸗ n kommen, sondern ich gehöre mit meinen Beamten in das all⸗ ne Staatsgefüge hinein. Das Gesetz, welches die Herren hier u berathen haben werden, hat zum Schwerpunkt, die Möglich⸗ zu finden, die Schwierigkeiten in den größeren Orten in reff der Wohnungen zu mildern und zu erreichen, daß die Mittel bereitgestellt werden. Ich möchte das aber verquicken mit irgendwelchen Fragen, nach der Richtung, die betreffende Zeitung sich bloß zum Mundstück gemacht hat. Sache liegt tiefer. Bezüglich der Beamtenausschüsse möchte ich Herrn Abgeordneten bemerken: wir Beamten haben zu arbeiten. h wir noch auf Ausschüsse reisen sollen, dann hat es mit den neisen überhaupt kein Ende; dazu führt ja doch schließlich die de Sache. Sie können ja nicht nur hier in Berlin einen Aus⸗ —s einsetzen, sondern müssen ihn überall haben. In kleineren Ver⸗ läßt sich das noch leichter machen, aber in einer großen naltung kann der einzelne Beamte alles das garnicht übersehen. denn der Herr Vorredner, daß z. B. ein Postbeamter in
im badischen Lande, der dort nur seinen schönen Landwein trinkt, Fazältnisse in dem rauhen Ostpreußen zu übersehen vermag, wo 1 dielleicht lieber irgend welchem anderen Alkeholgetränk hin⸗
Die Verhältnisse sind so furchtbar verschieden, daß sie zu
zafügen, eine Unmöglichkeit ist.
ar wird es en asen. Redner geht hierauf au widzuschusses ein und be⸗
8
Was die Zeitungen betrifft, so kann ich mich nur freuen, daß die Assistenten in ihrem wohlverstandenen eigenen Interesse mit ihrem Vorstand die Redaktion übernommen haben. Ichfrage aber den Herrn Abgeordneten“ glauben Sie wirklich, daß eine Redaktion von Briefträgern für eine Zeitung etwas Ersprießliches leisten wird? Nein, da wirken andere Kräfte, und diese sind nicht dazu geeignet, zu einem einheitlichen Zu⸗ sammenhalt hinzuwirken, sondern sie wirken nach meinen Erfahrungen zentrifugal. Deshalb werden Sie mir es nicht verargen, wenn ich hier auf meinem Standpunkt stehen bleibe. (Bravo!)
Unter⸗Staatssekretär im Reichs⸗Postamt Fritsch: Die Frage einer einheitlichen deutschen Rechtschreibung kann nicht von der Post allein gelöst werden. Erörterungen zwischen den betheiligten preußischen und Reichs⸗Ressorts sind eingeleitet, aber noch nicht zum Abschluß gelangt. Die Reichs⸗Postverwaltung kann ihrerseits nur lebhaft wünschen, daß die Erörterungen zu einem allgemein befriedigenden Ergebniß führen möchten.
Abg. von Tiedemann (Rp.): Die polnische Presse hat ziemlich 66“ zugegeben, daß die Schreibung der nüae Namen planmäßig zu agitatorischen Zwecken ins Werk gesetzt worden ist. Ich habe mehrfach die Erfahrung gemacht, daß man auf einer Hinter⸗ treppe die polnische Sprache in den Verkehr bringen wollte. Man hat zunächst deutsche Berichte mit polnischer Uebersetzung eingesandt, so daß ich besorgen mußte, man würde polnische Berichte mit deutscher Uebersetzung und schließlich nur polnische Berichte senden, und da habe ich mir gesagt: principiis obsta! Die Polen haben neuerdings für gut deutsche Orte alte polnische Bezeichnungen hervorgesucht, es giebt darüber ganze Listen. Fürst Radziwill sprach mit schönen Worten von der Muttersprache, aber was hat die Muttersprache mit der Adressierung zu thun? Diese muß deutlich und deutsch geschrieben werden, weil wir uns im Deutschen Reich befinden. In Frankreich und Italien wird jeder von uns französisch und italienisch die Adresse schreiben. Die Herren vergessen, 8 sie sich in Preußen und im Deutschen Reiche befinden. Das ist nun einmal so, und Sie können Ihre Sprache nicht als Staatssprache ansehen. Die Adressen sind doch vüht nur für die Adressaten bestimmt, sondern auch sür die Post, und mit dieser darf nur deutsch korrespondiert werden. Es handelt sich um einen muthwilligen, wenn nicht frivolen Vorstoß gegen die Postverwaltung, der seine Antwort gefunden hat. Setzen Sie Gu den Polen) Ihre Herausforderung fort, dann riskieren Sie die Folgen, von denen der Staatssekretär gesprochen hat.
Abg. Dr. Müller⸗Sagan (fr. Volksp.): Der Abg. Singer irrt daß ich den Privat⸗Postanstalten eine Thräne nachgeweint habe. Ich habe nur gesagt, daß infolge des Eingehens dieser Privatanstalten eine Vermehrung der Postgeschäfte stattgefunden habe, und daß infolge dessen die Zahl der Unterbeamten zu gering sei. Mit manchester⸗ lichen Anschauungen hatten meine Ausführungen nichts zu thun. Das Manchesterthum richtete sich ursprünglich gegen die Korn⸗ zölle; in diesem Sinne ist 1h der Abg. Singer Manchestermann. Wenn aber der Abg. Singer damit den Begriff laisser aller u. s. w. verbindet, so ist der Vorwurf, wenn ein solcher darin liegen soll, un⸗ begründet. Einen Frühschoppen leisten sich die Unterbeamten nicht wie die Studenten; sie haben das Bedürfniß nach einer kleinen Er⸗ frischung, einer kühlen Blonden u. s. w., und das kann man ihnen eigentlich nicht verdenken, um so weniger, als sie von früher daran gewöhnt sind. Der Betrieb wird darunter nicht leiden. Die zweimalige Kleidermusterung nach dem Vorgange der Kasernenordnung wird als lästig und das Ehrgefühl verletzend von den Unterbeamten empfunden. Diese Kleiderparaden werden hoffentlich beseitigt werden. Man be⸗ klagt sich auch über die hohen Kosten der Litewka. Die Urlaubsfrage ist ferner äußerst ungünstig geregelt. Wenn die Leute im Oktober Urlaub bekommen, so wissen sie nichts damit anzufangen. Man ver⸗ weigert ihnen sogar den Erholungsurlaub, weil sie ein so gutes Aussehen haben, da sie sich in frischer Luft bewegen. Der Urlaub dient aber doch auch der Familie. Die Kinder namentlich haben das Bedürfniß, einmal längere Zeit sich auf dem Lande zu erholen. Die Zahl der Beamten muß vermehrt werden, wenn die Bestellungen zweckentsprechend und rechtzeitig sich abwickeln sollen. Manche Wünsche 2b noch nicht erfüllt, so z. B. nicht die Ermäßigung des Portos der Geschäftspapiere. In manchen Fällen fehlt es an der genügenden Zahl der Briefkästen. In Mecklenburg gielt es einen Ort, zu dem die Leute mehrere Kilometer hingehen müssen.
seägg. Ledebour (Soz.) macht darauf aufmerksam, daß Vororte wie Friedrichsfelde, Britz und Weißensee nicht zu dem Kreise des Vorort⸗ verkehrs der Post gehören. Es herrschten vollständig verworrene Zu⸗ stände. Britz und Rirdorf z. B. hätten unter einander keinen Vorort⸗ verkehr. Neu⸗Weißensee sei dem Berliner Vorortverkehr angegliedert, aber das alte Weißensee nicht. Der Vorortverkehr müsse mindestens bis Wannsec ausgedehnt werden. Der Abg. Oertel scheine das vom Staatssekretär erwähnte Uebersetzungsbureau zu einuer chikanösen Verschleppung der Postsachen, gewissermaßen zu einer chikanösen Falle benutzen zu wollen. Dagegen müsse protestiert werden. Der Staatssekretär habe die Aeußerung gethan, daß, wer deutsch schreibe, auch deutsch adressieren müsse. Wer solle denn das be⸗ urtheilen? Auch der Abg. von Tiedemann habe die Forderung er⸗ hoben, daß nur Briefe mit deutschen Adressen befördert werden sollen. Das Vorgehen der Verwaltung gegen die polnische Bevölkerung sei unbillig. Welcher Sturm der Ent⸗ rüstung sei durch Deutschland gegangen, als die deutschen Städte⸗ namen in Ungarn magvarisiert worden seien, als man dort dazu über⸗ gegangen sei, die Millionen Deutsche in Ungarn auch auf dem sprach⸗ lichen Gebiete zu drangsalieren! Dasselbe gelte von den Deutschen in Rußland. Diejenigen, die die Regierung hetzten, mit solchen Chikanen gegen die Polen vorzugehen, seien es, die den Zwist ver⸗ ewigten. . 1
Abg. von Glebocki bleibt bei seinen Ausführungen stehen. Wolle man von Terrorismus sprechen, so bestehe dieser nicht erst seit dem letzten Oktober, sondern schon seit Jahrzehnten; denn die Polen bedienten sich seit Menschengedenken der polnischen Adressierung.
Abg. Fürst Radziwill: Wir sind allerdings in Deutschland zu Hause; wir sind Deutsche im Sinne der staatsrechtlichen Zugehörigkeit zum Deutschen Reiche, aber diese kann niemals den Verlust unserer Nationalität zur Folge haben.
Abg. von Tiedemann: Es hat nicht bestritten werden können, daß eine Veränderung in der Benutzung der Post polnischerseits ein⸗ getreten ist. b 8
Damit schließt die Diskussion. Das Gehalt des Staats⸗ sekretärs wird bewilligt. 1
Als neuer Titel ist ein Dispositionsfonds des Staats⸗ sekretärs in Höhe von 10 000 ℳ eingestellt. Die Annahme erfolgt ohne Debatte, entsprechend dem Antrage der Budget⸗ 8 Die übrigen Ausgaben für die Zentralverwaltung sowie die Ausgaben für die Besoldung der Ober Postdirektion und Post⸗ und Telegraphenämter bis zum Titel der Post⸗ kassierer, Ober⸗Post⸗ und Postsekretäre erklusive werden an⸗ genommen.
Gegen 5 ½ Uhr wird die Fortsetzung der Berathung auf Dienstag 1 Uhr vertagt
Preußischer Landtag. 8 Haus der Abgeordneten.
28. Sitzung vom 16. Februar, 11 Uhr.
Die zweite Berathung des Staatshaushalts Etato ür 1901 wird im Etat des Ministeriums dee Innern bei m Titel „Gehalt des Ministers“ fortgesetzt.
Abg. Dr. Kelch (fr. kons.): Wenn der Abg. Richter die hebe Be⸗
deutung des Fürsorge⸗Erzichungsgesctzes — könnte, bätte er nicht den Vorwurf erheben köͤnnen, daß der Minister nichte Pesitives ge
schaffen habe. Die Beschäftigung mit der hohen ⸗ mit der Be⸗ 1“ stätigungsfrage und der Theaterzensur läßt dem Abg. Richter keine Zeit,
sich mit Dingen zu beschäftigen, die so recht dem Wohl des Volkes dienen. Ich will deshalb ausdrücklich auf die große soziale Bedeutung des Fürsorge⸗Erziehungsgesetzes hinweisen, das wir dem jetzigen Minister zu verdanken haben. Der Redner wünscht dann eine Reform des öffentlichen Fuhrwesens in den Städten und eine „Erweiterung der polizeilichen Befugnisse in dieser Hinsicht, da der Wagenverkehr, z. B. in Berlin, außerordentlich gestiegen sei. Die Automobilwagen führen in einem Tempo, das für eine Großstadt nicht zugelassen werden könne. Sehr viel Klagen würden auch über das schnelle Fahren der Schlächterwagen erhoben. Radfahrern, die auf Anrufen eines Polizei⸗ beamten nicht anhalten, solle der Fahrschein dauernd entzogen werden. Abg. Schwarze (Zentr.) spricht über die Theilung des Re gierungsbezirks Arnsberg, bleibt aber im einzelnen unverständlich. Abg. Kindler (fr. Volksp.); Den schweren Vorwurf des Abg. Kelch gegen den Abg. Richter, daß dieser keine Zeit für Dinge habe, die das Wohl des Volkes betreffen, muß ich entschieden zurück⸗ weisen. Der Vorwurf war vollständig unmotiviert; wir sind geschlossen für das Fürsorge⸗Erziehungsgesetz eingetreten. In dem Fall. Krieger hat der Minister eine Reihe von Aeuße⸗ rungen zitiert, die Herr Krieger über das Verhältniß der freisinnigen Partei zur sozialdemokratischen gemacht haben soll, und bei seiner Vernehmung soll er gesagt haben, daß er damit den Zweck verfolgt habe, Störungen bei der bevorstehenden Wahlversammlung zu verhüten. Die Anführungen des Ministers sind nicht richt g Herr Krieger ist niemals über die Sache vernommen worden. Es ist ihm lediglich vorgehalten worden, er suche eine Annäherung an die Sozialdemokratie. Die Aeußerungen des Ministers sind ihm ganz neu; er hat sie weder dem Sinne, noch dem Wortlaut nach gethan. Herr Roeren hat auf die entsittlichende Wirkung der DT ingel. tangel hingewiesen und von den Barrison's gesprochen. ch habe diese nicht gesehen, wohl aber muß sie Herr Roeren gesehen haben; ich schließe das aus seiner lebhaften Schilderung. Wir Fre sinnigen beschönigen und entschuldigen diese Obscönitäten doch nicht; im Gegentheil, wir sind dafür, daß sie unterdrückt werden. 4 also darin mit dem 118 Roeren einig. Will man diese schädlichen Auswüchse ausscheiden, so muß man si doch fragen, was die Theater zensur bisher darin geleistet hat. Herr Roeren hat gesagt, daß sie in dieser Beziehung versagt hat. Er hätte dann mindestens, wenn nicht die Abschaffung der Zensur, doch die Absetzung des Zensors ver⸗ langen müssen. Der Minister des Innern hat dem Abg. Roeren ge⸗ dankt. Ich verstehe diese Bescheidenheit nicht. Die Rede des Abg. Roeren war nichts als ein Angriff auf die Zensur. Wie soll der Zensor frivole Gesten zensieren? Er ist genöthigt, die Generalprobe zu besuchen und sich die Gesten vormachen zu lassen. Hier muß die Präventivzensur versagen, und es bleibt nichts übrig, als zu einer nachträglichen Bestrafung zu greifen. Das ist auch das beste Mittel, die Theater⸗Direktoren zur Vorsicht zu mahnen. Der Redner geht dann auf die Verwaltung der Provinz Posen ein. Posen stehe in dieser Beziehung unter einem mittelalterlichen und patriarchalischen Ausnahmegesetz. Man wünsche eine bessere Vertretung der städtischen und der Landgemeinden in der Kreisvertretung. Einem dahingehenden Antrag hätten sich sogar die Konservativen angeschlossen. Es sei hohe Zeit, daß die Frage endgültig gelöst werde.
Minister des Innern Freiherr von Rheinbaben:
Meine Herren! Ich möchte dem Herrn Vorredner nicht auf alle Gebiete folgen, die er berührt hat, namentlich was die Bestätigungsfrage betrifft. Ich will in dieser Beziehung nur zum Schutze eines mir nachgeordneten Beamten bemerken, daß die Aeußerung, welche der Herr Abg. Richter hinsichtlich des Regierungs⸗Präsidenten in Königs⸗ berg gethan hat, er habe selber dem verstorbenen Bürgermeister Brinkmann gegenüber anerkannt, daß er die Sache mit Herrn Dullo nicht angerührt haben würde, wenn er gewußt hätte, daß sie solchen Staub aufwirbeln würde, — daß diese Aeußerung des Abg. Richter nicht zutreffend ist. Der Regierungs⸗Präsident hat mir devpeschiert, daß er eine derartige Aeußerung nicht gethan hat.
Dann, meine Herren, hat der Herr Abg. Richter unter Nennung des Namens des Landraths in Bunzlau und unter Nennung des Namens eines benachbarten früheren Landraths behauptet, daß die Nichtbestätigung eines Herrn in Bunzlau auch auf die ein⸗ seitige politische Stellungnahme dieses Landraths zurückzuführen sei. Ich war dadurch gezwungen, darzulegen, daß nur wirthschaftliche Gründe zu dieser Nichtbestätigung geführt haben. Die Herren von der linken Seite haben die Richtigkeit meiner Angabe bestritten, und ich habe selbstverständlich erneuten Bericht über die ganze Angelegen⸗ heit erfordert.
Dann wende ich mich zu dem, was wohl das Hauptthema des Herrn Vorredners war, nämlich zu der Frage der stärkeren Vertretung der Stadtgemeinden in Posen auf den Kreistagen. Ich habe mich schon früher dahin ausgesprochen, daß ich es für ein Gebot der Pflicht und der angemessenen Berücksichtigung größerer Städte halte, ihnen auch eine größere Vertretung auf den Kreistagen einzuräumen:; aber die Ausgestaltung im einzelnen, die Bemessung dieses Maßes des größeren Wahlrechts ist nicht so ganz einfach. Ich habe die betreffenden Beamten aus Posen und Westpreußen hergebeten, um diese Frage mit ihnen zu besprechen. Ob die Sache noch in der gegenwärtigen Session an das hohe Haus gelangen wird, vermag ich nicht zuzusagen, aber das vermag ich zuzusagen, daß die Sache weiter gefördert werden wird.
Abg. Trimborn (Zentr.): Der Abg. Roeren hat seine Be⸗ merkungen über die Barrison’s nicht auf Grund eigener sondern auf Grund seiner Kenntniß des Gerichtsurtheils gemacht. 2 gehe aber darauf nicht näher ein, sondern gedenke, Ihnen einen sprachwissenschaftlichen Vortrag zu halten. Bisher hat man das be⸗ rühmte Köln mit einem K geschrieben; unsere Organe, ich nenne das gegnerische zuerst, die „Koölnische Zeitung“ und die „Kölnische Volks⸗ zeitung“, schreiben es seit Jahrzehnten ebenfalls mit einem K. Die Kölner Stadtväter haben den Minister gebeten, ihnen zu einer einheitlichen Schreibweise zu verhelfen, da die Schreidweise zwischen K und C schwankte. Sie waren so vorsichtig, wissenschaft⸗ liche Autoritäten für das K anzuführen. Wie groß war das Er. staunen, als die Verfügung kam, daß Köln von den Behörden nicht mit K, sondern mit C zu schreiben sei. Hatte der Minister das Kultus⸗Ministerium oder die Akademie der Wissenschaften zu Rathe gezogen? Jedenfalls waren wir in der geheimen Sitzung des Magistrats ganz verblüfft; wir kamen uns ganz anders vor, wir kamen uns denaturiert vor. Wir erhoben einstimmig Klage beim Oberverwaltungsgericht, wo sie noch schwebt. Die Aende⸗ rung des Namens, sagt das Oberverwaltungsgericht, ist landes⸗ berrliches Hoheitsrecht, die Aenderung der Schreibweise Sache der Polizei. Die Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs soll entscheidend sein, ich gehe aber darauf nicht ein, um der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nicht vorzugreifen. Daß die Schreibd⸗ weise einheitlich sein muß, hedarf keines Beweises. wissenschaftliche Gründe sprechen für die Erhaltung des K.
Volk schreibt nun einmal K, die Stadt felbst schreibt sich so.
cwisse Höflichkeit gegen die großen Städte verlangt es, daß man Namen so schreibt wie die Städte selbst es thun. Man soll schreiben, wie man spricht. In den Generalstabskarten des Fe⸗
Moltke ist Köln mit cinem K ricben. Es ist eine alte
das C vor den VBokalen c. i, ä. 5 und v wie 3 gesp Beweis: Cötus, Cölidat. obscon. Es müßtte also auch Zöln werden, und mit unerbittkicher dogik käme man ven cinem einem Zöllner. Köln kommt allerdie ven Colonin her.
Schluß daß C werden ist cine spr