1901 / 48 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 25 Feb 1901 18:00:01 GMT) scan diff

kleiner Wagenmangel, der in diesem Jahre im höchsten Falle mal 3 % betragen hat, als ein umfangreiches Leerstehen der Wagen. (Sehr richtig!)

Auch diejenigen Wirthschaftszweige, die dann mal vorübergehend vielleicht von diesem Wagenmangel betroffen werden, dürfen gewiß nicht wünschen, daß sie niemals Wagenmangel, sondern Wagenüberfluß haben. (Sehr gut!)

Wie das Extraordinarium in dem neuen Etat sich ge⸗ staltet hat, das haben der Herr Finanz⸗Minister, der Herr Bericht⸗ erstatter und auch ich bereits ausgeführt. Wir haben im Extraordinarium in den letzten fünf Jahren 505 Millionen Mark für die weitere Aus⸗ gestaltung und Ausrüstung des Eisenbahnnetzes aus den Ueberschüssen des Betriebes zur Verfügung bekommen. Daneben sind aus den Kreditgesetzen zum Bau neuer Bahnen 290 Millionen Mark zur Verfügung gestellt; also aus Anleihen 290 Millionen, aus eigenen Ueberschüssen 505 Millionen, zwei Ziffern nur, aber ein außerordentlich klarer Beweis einer soliden Finanzgebahrung bei der Eisenbahnverwaltung! Diese 505 Millionen Mark aus den eigenen Betriebsüberschüssen sind mit runden Ziffern verwendet oder bestimmt: 9 Millionen für Umgehungs⸗ und Entlastungsbahnen im Ruhrrevier, 46 Millionen zum Ankauf von Grund und Boden in Vorbereitung für Umbauprojekte, 70 Millionen für zweite, dritte und vierte Geleise, 186 Millionen für Bahnhofsumbauten, 194 Millionen für Vermehrung des Fuhrparks alles ganz gewaltige Summen!

Meine Herren, damit kann ich meine Bemerkungen schließen und nur wiederholen, daß Sie aus denselben wie aus dem Etat entnehmen werden, daß die Lage der Eisenbahnverwaltung nach jeder Richtung hin eine gesunde ist, und daß, selbst wenn einmal wider Verhoffen schlechtere Zeiten kommen werden, was Gott verhüten möge, sie dennoch gerüstet ist, auf eine lange Zeit auszuhalten, ohne daß das Land davon empfindlich berührt wird. (Bravo!)

Abg. Dr. Sattler (nl.): Diese Rede hat uns gezeigt, daß, wenn von der Rednertribüne aus gesprochen wird, die Akustik und das Verständniß hier unten im Saale jetzt besser ist. Aber aus der Nische, wo das Präsidium thront und die Referenten sprechen, hört man garnichts. Ich möchte deshalb die Referenten bitten, auch von der Rednertribüne aus zu sprechen.

Abg. Saenger (fr. Volksp.): Die Steigerung der Eisenbahn⸗ einnahmen ist ein erfreulicher Beweis für den Aufschwung von Handel und Industrie und für den allgemeinen Wohlstand. Unerfreulich ist, daß die allgemeinen Finanzen von den Eisenbahnüberschüssen abhängen. Bei ungünstiger Konjunktur ist man dann auf neue Steuern an⸗ gewiesen. Die Ueberschüsse sollten für die Verbesserung des Verkehrs bestimmt sein. Ein vorsichtiger Finanz⸗Minister wird immer bestrebt sein, aus den Ueberschüssen Reserven zu bilden für die Zeiten ungünstiger Konjunktur und nothwen⸗ digen Ausgaben für Betriebsverbesserungen seine Zustimmung versagen. Dieses Bestreben kann aber dem Verkehr nur nachträglich sein. Der Minister hat in Bezug auf den Offenbacher Unfall eine heftige Rede gegen mich gehalten. Ich war damals verhindert, zu antworten. Ich datte den Minister persönlich garnicht angegriffen. Er trägt vielleicht formell, aber nicht thatsachlich die Verantwortung. Es ist die Ueberzeugung eines einzelnen Mannes, daß er seinen persönlich üuten Willen in dem System voll zum Ausdruck bringen könnte. Bei dem jetzigen System werden Ausgaben für nothwendige Verbesse⸗ rungen beim besten Willen unterbleiben, weil man sich sagt, es geht auch so. Ich habe ja scharfe Ausdrücke gebraucht, als ich von Plus⸗ macherei und Profithunger sprach; dies haben jedoch Andere auch gethan, und ich habe noch nicht einmal gesagt, daß die Eisenbahn⸗ verwaltung ein nothwendiges Uebel sei. Ich sprach deshalb so scharf, weil ich die Zustände des Offenbacher Bahnhofs perfönlich kenne. Ich bin zwar ein Freund der L ichenverbrennung, aber nicht einer Leichenverbrennung auf Kosten der Eisenbahnverwaltung. Eine Plusmacherei lag darin, daß man den Bahnhof von Offenbach nicht längst beseitigt hat. Darauf hätte der Minister eingehen sollen. Statt dessen hat er seinen Zorn über meine Ausdrücke aus⸗ gegossen, und der Zorn ist selbst nach 8 Tagen ein schlechter Be⸗ rather. Ich habe nur gesagt, daß das Offenbacher Ungluck zum theil durch die schlechten Verhältnisse des Offenbacher Bahnhofs ber⸗ v. n sei. Schon vor Jahren hat man an einen Umbau ge⸗ dacht; es ist aber bei den uüͤblichen Erwägungen geblieben, trotzdem namentlich der Güterverkehr sich erbeblich vermehrt hat. Der Minister hat diesen Punkt leider umgangen. Seine Antwort war thatsächlich eine Entgleisung unter einer Art force majeure. Gs ist nicht zu bestreiten, daß wir in der Einführung von Fort⸗ schritten hinter dem Auslande zurückbleiben, z. B. in der Ver⸗ stärkung des Oberbaues, in der Einführung der Westinghouse⸗ Bremse, der Speisewagen. Wo bleibt die Einführung der Luftdruck⸗ bremse für die Güterzüge, wo bleibt die elektrische Beleuchtung? Waärum machen wir damit keine größeren Versuche, auch wenn das Ausland sie noch nicht allgemein durchgeführt hat? Wo bleibt die Reform der Personen⸗ und Gütertarife? Die unglückselige Ver⸗ quickung der Eisenbahnüberschüsse mit den allgemeinen Finanzen hat alle diese Reformen hintangehalten. Daß wir im Ertraordinarium enorme Summen für die großen Bahnhöfe verwendet haben, beweist nur, daß wir erst jetzt die alten Sünden wieder gut machen. Aber wie kläglich sieht es mit den Bahnhöfen der kleineren Städte aus, z. B. mit dem Bahnhof in Gießen! Eine Reihe von Unglücksfällen st durch die schlechten Einrichtungen der Bahnhofsanlagen ver⸗ schuldet. Ich erinnere an den Eisenbahnunfall am Klosterthor in Hamburg, an den Unfall in Vohwinkel, an die Mängel der Be⸗ —2n an die mangelhafte Aufsicht der Eisenbahnübergänge. Von einer liebevollen Fürsorge für die Beamten und Arbeiter der Eisenbahn⸗ verwaltung kann auch nicht die Rede sein; der Lohn für ein Tagewerk st in den letzten drei Jahren nur um 15 gestiegen. Das entspricht keineswegs der Steigerung der Preise der Lebensmittel. Die Betriebssicherheit leidet unter der umfangreichen Verwendung von Hüfs⸗ kräften anstatt angestellter Beamten. Für ein Eisenbahnunglück bei Hagen urde der Blockwärter nicht der Staatsanwaltschaft übergeben, sondern nur disziplinarisch mit einer Geldstrafe von 5 belegt, weil er nicht ein Blockwärter, sondern ein Rottenarbeiter war.

n chensteller wurde wegen eines Eisenbahnunglücks nur zu 10

Ibstrafe vom Gericht verurtheilt, weil festgestellt wurde, daß er in⸗

folge langer Dienstzeit übermüdet war. Per Eisenbahn⸗Direktor in Dortmund hat zugegehen, daß die Lokomotivführer im Monat bis zu 440 Dienststunden an 20 Diensttagen hätten. die Bureaubeamten mag unter Umständen eine Ruhezeit von sechs Stunden genügen, aber nicht für das Betriebs⸗ personal. Ueber die Verbindung der Eisenbahnverwaltung mit dem Finanzressort hätte nichts gesagt, wenn ich nicht bemerkt hätte, daß inister den L- 2 g- —, sagen, um so offer antwortet, je grö ie Entferung zwi ihnen und der rechten Seite des Hauses ist. Die 2 en in nichtpreußischen Staaten werden von der preußis⸗ Eisenbahn⸗ tung zig behandelt. Ich erkenne an, die preußi Verwaltung viel besser ist als die anderen, aber iun mich abhalten, auf Mängel hinzuweisen. Davon werden mich auch s Antworten des Ministers nicht zurückschrecken. Minister der öffentlichen Arbeiten von Thielen: Meine Herren! Auf alle Gebiete, die der Herr Vorredner hier berührt hat, werde ich mich nicht einlassen; aber ich muß doch in einzelnen Punkten seine Ausführungen richtig stellen. Zunächft aber

mal durchaus sachlich gegen mich verhalten hat. Ich habe auch mit Befriedigung davon Kenntniß genommen, daß er selbst die Ausdrücke, die er das vorige Mal gegen mich gebraucht hat, als vielleicht nicht ganz vorsichtig bezeichnet hat. (Hört! hört! rechts.) Damit ist die Sache, was das Persönliche betrifft, zwischen dem Abg. Saenger und mir erledigt.

Was indessen seine sachlichen Ausführungen angeht, so möchte ich zunächst darauf antworten, daß der Zustand auf dem Bahnhof Offen⸗ bach, wie er bereits eingehend von dem Abg. Daub geschildert worden ist, keineswegs so ist, daß daraus irgend eine Betriebsgefahr resultieren könnte, sondern es ist die Sache nur so anzusehen, daß der Bahnhof für den wachsenden Güterverkehr nicht mehr hinreichen wird. Daß er seither nicht umgebaut worden ist, liegt im wesentlichen daran, daß bei dem Umbau zwei Niveauübergänge zu beseitigen sind, die nur zu beseitigen sind, wenn man sich mit der Stadt Offenbach verständigt. Ringsum ist der Bahnhof Offenbach umbaut, sodaß die Ausführung der Be⸗ seitigung der Niveanübergänge ihre ganz besonderen Schwierigkeiten hat. Es können nicht alle Bahnhöfe gleichzeitig umgebaut werden, bei denen der Umbau wünschenswerth ist; es versteht sich das von selber, sodaß ich es nicht weiter zu begründen brauche.

Uebrigens hat sich der Abg. Saenger in den Beispielen einiger⸗ maßen vergriffen. Gießen ist schon seit geraumer Zeit im Umbau begriffen (hört! hört! rechts), und für Nauheim liegen die Projekte auch vor.

Dann hat der Herr Abg. Saenger es als charakteristisch für die fiskalische Auffassung der Verwaltung und insbesondere des Herrn Finanz⸗Ministers, der ja immer als Schreckgespenst daneben angeführt wird, bezeichnet, daß wir mit einer ganzen Reihe von modernen Ein⸗ richtungen zurückgeblieben seien, daß wir sie, soweit wir sie eingeführt hätten, viel später eingeführt hätten als andere Länder. Meine Herren, ich kann das innerhalb der deutschen Grenzen nicht als richtig anerkennen; im Gegentheil, wir sind in Deutschland meistentheils die⸗ jenigen gewesen, die zuerst derartige Verbesserungen eingerichtet haben. In Bezug auf die Einrichtung von Zentralweichenstellungen sind wir allerdings hinter England gegangen; England hat zuerst dieses System eingeführt, wir sind erst später gekommen, aber wir waren doch in dieser Beziehung vor den meisten kontinentalen Bahnen. Desgleichen

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ist auch uns nicht zum Vorwurf zu machen, daß die Westinghouse⸗

Erfahrungen in allen Ländern den Anforderungen durchaus entspreche,

Bremse erst, wenn ich nicht irre, im Jahre 1892 eingeführt worden ist. Wir hatten vorher schon eine Luftdruckbremse, die Carpenter⸗Bremse, die sich in einem Punkte nur unwesentlich von der Westinghouse⸗Bremse unterschied: die Westinghouse⸗Bremse hat als Schnellbremse gewisse Vorzüge. Die Carpenter⸗Bremse hat inzwischen diese Disparität auch ihrerseits beseitigt. Die Carpenter⸗ Bremse ist von uns schon früh eingeführt worden; wir waren, wenn ich nicht sehr irre, in Deutschland die ersten, die überhaupt eine Luft⸗ druckbremse einführten, und damals war die Carpenter⸗Bremse das beste, was man kannte. Wir haben demnächst die Westinghouse⸗ Bremse aus dem Grunde eingeführt, weil inzwischen unsere Nachbarn die Westinghouse⸗Bremse als erste Luftdruckbremse eingeführt hatten und es wünschenswerth war, mit ihnen gemeinsame Bremse zu besitzen. Dann ist uns der Vorwurf gemacht worden, daß wir auch mit

den Speisewagen und D⸗Wagen verhältnißmäßig spät vorgegangen sind. Wenn ich nicht sehr irre, sind wir auf dem Kontinent über⸗ haupt die ersten gewesen. (Zuruf.) Auf dem Kontinent; in Amerika ist es eher gewesen, gewiß.

Ferner ist die Luftdruckbremfe für Güterzüge bei uns noch nicht eingeführt; das stimmt, und kann in gewisser Beziehung ja als ein Mangel betrachtet werden. Die Luftdruckbremse für Güterzüge würde eine Erhöhung der Sicherheit darstellen, aber ihre Durchführung ist mit ganz außerordentlichen Schwierigkeiten verknüpft. Das mögen Sie daraus entnehmen, daß bis jetzt noch keine kontinentale Bahn Luft⸗ druckbremsen für Güterzüge eingeführt hat.

Daß die elektrische Beleuchtung noch nicht eingeführt worden ist,

der Verwaltung geschoben. Meine Herren, Sie werden sich erinnern, daß aus Anlaß des Offenbacher Unglücks das Reichs⸗Eisenbahnamt die sämmtlichen Bundesstaaten, welche Staatseisenbahnen besitzen, zu Be⸗ sprechungen hierher eingeladen hat: diese Besprechungen haben am 14. d. M. stattgefunden. Ein Protokoll liegt nicht vor, ich bin aber in der Lage, über die Beschlüsse dieser Konferenz wenigstens in der Hauptsache, Auskunft geben zu können. Für die Aufstellung von Vorsignalen vor den Blocksignalen haben sich die Verwaltungen einstimmig ausgesprochen, wie überhaupt alle Be⸗ schlüsse mit Einstimmigkeit gefaßt worden sind. Eine derartige Be⸗ stimmung soll in Zukunft in die Betriebsordnung aufgenommen werden. Meine Kommissare waren von mir beauftragt, ebenfalls dafür zu sprechen und zu stimmen, wie denn auch schon seit geraumer Zeit mit der Einführung der Vorsignale vor den Blocksignalen vor⸗ gegangen ist. Wir besitzen ungefähr an 550 Vorsignale, ohne daß es vorgeschrieben wäre. Natäürlich sind zunächft diejenigen Blocks dafür ausgesucht worden, welche auf unübersichtlichem Terrain liegen oder sonstige Schwierigkeiten bieten. Zweitens war man übereinstimmend der Ansicht, wie sich das auch bei den verschiedensten Unfällen überzeugend gezeigt hat, daß die D⸗Zugwagen die größte Sicherheit bieten, und daß die Einbauung von Thür⸗ öffnungen, sofern sie überhaupt möglich, die Widerstandsfähigkeit der Wagen bedenklich schwächen würde. (Sehr richtig!) Dagegen sollen die Fensteröffnungen so geändert werden, daß das Entkommen im Nothfalle möglichst erleichtert wird, und die jetzigen festen Fenster ebenfalls zum Oeffnen eiugerichtet werden. Unsererseits sind Probeausführungen in diesem Sinne bereits gemacht. Die Ver⸗ sammlung bezweifelte ferner die Möglichkeit, D⸗Wagen mit Seiten⸗ thüren in derselben Widerstandsfähigkeit berzustellen, hat aber ge⸗ glaubt, in den Untersuchungen in dieser Beziehung noch fortfahren zu sollen. 3

Drittens: die Versammlung war einstimmig der Ansicht, daß die Gasbeleuchtung in Bezug auf Feuersicherheit nach den langjährigen

daß die elektrische Beleuchtung bis jetzt noch nicht so weit sei, daß an eine allgemeine Einführung gedacht werden könne. Immerhin wird empfohlen, größere Versuche vorzunehmen, um ein eigenes Urtheil über ihre Brauchbarkeit zu gewinnen.

Die Lage der Gasbehälter unterhalb des Wagens wird von der Versammlung als die sicherste angesehen. Die einzige Bahn, welche in Deutschland noch jezt die Gasbehälter oben auf dem Wagen hat, die Main⸗Neckar⸗Bahn, hat erklärt, daß sie aus Sicherheitsgründen

möchte ich meinerseits anerkennen, daß der Herr Vorredner

wird auch als ein Mangel bezeichnet und ebenfalls auf die Fiskalität

lung ist in diesen Hauptpunkten durchaus derselben Ansicht 8 die ich auch meinerseits hier in diesem hohen Hause und bei 1en schiedenen anderen Gelegenheiten ausgesprochen habe. 8

Ein fernerer Grund in den Augen des Herrn Abg. Saenger die Fiskalität ist die bis jetzt noch nicht durchgeführte Herabsetzung der Personentarife. Er hat aus dem Referat entnommen, daß im Falle der Beseitigung der 4. Wagenklasse ein Ausfall von 50 Millionen entstehen würde, und hat daraus den einzigen Grund hergeleitet welcher bei der Verwaltung vorhanden wäre, die 4. Klasse beizubehalten und sie nicht abzuschaffen. In dieser Beziehung irrt sich der Herr Abg. Saenger, und er wird die Gründe, die daneben geltend zu machen sind, entnehmen können aus meinen Ausführungen in der Budget⸗ kommission. Ich habe da die Gründe weitläufig auseinandergesetzt, habe auch, soviel ich glaube, die Zustimmung der Budgetkommission ge⸗ funden, und habe meine Ausführungen damals damit geschlossen, daß, wenn wir die 4. Klasse noch nicht hätten, es nothwendig wäre, sie einzuführen. 2

Es ist ja richtig, daß wir noch 100 Millionen Bestand im Ertraordinarium haben; aber die Schlüsse, die der Herr Abg. Saenger daraus zieht, sind nicht richtig. Der Herr Finanz⸗Minister hat schon hervorgehoben, daß das Extraordinarium gewissermaßen die Spar⸗ büchse bilde, in die man bei guten Zeiten einen Sparpfennig für die schlechten Zeiten hineinlegt, und darum sind auch die Raten in höherem Maße in den letzten Jahren in das Ertraordinarium eingesetzt worden, als in dem betreffenden Jahre hätten verbaut werden können.

Meine Herren, wenn viele Beamte freigesprochen sind auf die Anklage, daß sie einen Betriebsunfall verschuldet haben, so ist das wohl darauf zurückzuführen, daß bis vor verhältnißmäßig kurzer Zeit überhaupt jeder Fall der Staatsanwaltschaft mitgetheilt wurde, auch die Fälle, in denen wir von vornherein wußten und auch dem Staatsanwalt mittheilten. daß wir an eine Schuld des Beamten nicht glaubten. (Hört, hört!) Nichtsdestoweniger ist die Anklage erhoben worden und die Frei⸗ sprechung sehr häufig auf Antrag des Staatsanwalts erfolgt, und mit unserer vollsten Uebereinstimmung. In neuerer Zeit tritt ein anderes Verfahren ein. Wir erheben nicht in jedem Falle die Anklage beim Staatsanwalt, sondern nur dann, wenn wir auch selbst davon über⸗ zeugt sind, daß eine Verschuldung vorliegt. Angezeigt wird natürlich jeder Fall, wie das vorgeschrieben ist, der Ortspolizeibehörde.

Ein ferneres Kapitel, aus dem der Herr Abg. Saenger die Fiskalität der Verwaltung herleitet, ist die Nichtbewachung der Ueber⸗ gänge bei den Nebenbahnen. Ja, meine Herren, man kann ja in der Beziehung verschiedener Meinung sein. Man hat damals, als man die Nebenbahnen überhaupt neben die Vollbahnen setzte, beabsichtigt in weniger verkehrsreiche Gegenden Bahnen hereinzubringen, die an und fürsich unter einfacheren Verhältnissen gebaut und betrieben werden sollen. Im allgemeinen tritt eine Bewachung der Uebergänge bei den Nebenbahnen nicht ein, aber nicht ausnahmslos, sondern mit vielen Ausnahmen; diese Ausnahmen werden von der Landespolizeibehörde vorgeschrieben.

Meine Herren, wir werden so oft auf Amerika verwiesen. In Amerika liegen aber die Fälle so, daß selbst auf den Bahnen, die mit gewaltiger Geschwindigkeit betrieben werden, wenn sie durch die Ort⸗ schaften fahren, überhaupt gar keine Bewachung eintritt. Da steht bloß eine dreieckige Tafel, auf dieser steht: Hüte Dich vor der Loko⸗ motive! Das ist sehr verständlich, und jeder richtet sich darnach. Ich 8 habe neulich zufällig aus einem amerikanischen Blatt ersehen: es ist 8 jetzt ein Zug hergestellt von Baltimore nach Atlantic⸗City das ist einer der Luftkurorte für die große Stadt Baltimore. Es wird 8 dorthin gefahren mit Zügen, die theilweise eine Geschwindigkeit his zu 200 km annehmen. Die fahren mit 120 km Geschwindigkeit

bewacht oder ist die Schiene von dem Niveau der Straße gelöst. Ich will das nun garnicht als ein Musterbeispiel bezeichnen; aber ich meine: wir gehen in der Beziehung, leider nicht bloß im Eisenbahnwesen, sondern überhaupt in Deutschland, von dem Grundsatz aus: die Polizei muß für mich sorgen und muß mich überall behüten und bewahren und neben mir stehen (sehr richtig!), anstatt daß der Deutsche für sich selber sorgt, wie das der Amerikaner und auch andere Leute thun.

Ich muß mich nun noch über das Verhältniß zu unseren Nachbarn aussprechen. Ich kann auch hier nur sagen, daß wir mit den Nachbarn in dem denkbar besten Verhältniß stehen, und wenn Sie mir nicht glauben, so glauben Sie vielleicht den Herren Nachbarn, die das jeder Zeit, wo sich die Gelegenheit bot, auch ihrerseits bekundet haben. Meine Herren, ich kann sogar, ohne, glaube ich, irgendwie zu verletzen, sagen: wir sind in der Beziehung weniger egoistisch als alle unsere Nachbarn ringsum. Das liegt aber zum großen Theil in den natürlichen Gründen, daß das große Unternehmen viel eher in der Beziehung nachgeben kann als das kleine Unternehmen.

Im übrigen beruhen alle diese Instradierungsvorschriften auf aus⸗ drücklicher Vereinbarung mit den betreffenden Staaten, also auch die Instradierungsvorschriften, die zum theil Sachsen angehen für Trans⸗ porte, die beispielsweise nach Bayern gerichtet sind. Es ist da ein ausdrückliches Uebereinkommen mit Sachsen geschlossen worden, das je nach der Lage der Verkehre periodischen Revisionen unterliegt. Ebenso wie hier ist es auch in Baden, Württemberg und Bavern der Fall. Was Baden anbetrifft, so kann ich nur sagen, daß Badischerseits aus eigenster Initiative denjenigen preußischen Beamten, die die letzten Verkehrs⸗Instradierungsvereinbarungen geschlossen haben, Orden verliehen worden sind. Mehr kann man doch nicht thun, um seine Zufriedenheit mit dem, was geschehen ist, auszudrücken. Wenn ich gesagt habe, daß die Presse in der Beziehung wirklich zuweilen blödsinnige Behauptungen aufstelle, so habe ich das auf zwei Artikel bezogen, die durch die Welt gegangen sind, die dahin gingen, wir zögen an der sächsischen Grenze das Oel aus den Achsbuchsen der Eisenbahnwagen und schöben den Sachsen die kranken Wagen zu, die diese reparieren müßten. Ich bedaure, daß man zuweilen in Zorn geräth und sich entsprechender Ausdrücke bedient, aber de facto war es so. Die Sachsen haben sich über diese Sache am meisten amüsiert, eea or einigen Tagen noch selbst gesagt

oben nach n legen werde. Also die Versamm⸗

6 km durch die Stadt Baltimore. Nirgendwo ist ein Uebergang

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Abg. Dr. am Zehnhoff (Zentr.): Meine politischen Freunde stimmen dem Minister darin bei, daß der Etat sehr vorsichtig auf⸗ gestellt ist. Demgegenüber legen wir kein Gewicht darauf, daß der Betriebskoeffizient gegen die Vorjahre etwas in die Höhe gegangen ist. Andererseits hätten wir erwartet, daß diese günstige Finanzlage die Verwaltung dazu bestimmt hätte, die Wünsche des Publikums nach Verkehrs⸗ und Betriebsverbesserungen mehr zu berücksichtigen. Am guten Willen der Eisenbahnverwaltung wird es dabei nicht gefehlt haben, wohl aber am Entgegenkommen der Finanzverwaltung. Die Eisenbahn⸗ verwaltung soll zwar keinen Staat im Staate bilden, aber es muß eine reinliche Scheidung zwischen der Eisenbahn und der allgemeinen Finanzverwaltung vorgenommen werden. Die Eisenbahnverwaltung spielt gegenüber dem Kanalbau die Rolle des Jean qui rit und des Jean qui pleure. Wenn kostspielige Kanäle erbaut werden sollen, dann Fee man sich dafür auf die jetzigen großen Transport⸗ kosten; wird dagegen eine Verminderung der Eisenbahn⸗ transportkosten verlangt, so hat man nur ausweichende Antworten. Dabei werden die berechtigtsten Wünsche des Baues von Eisenbahnen nicht berücksichtigt. Kollege Wallenborn hat schon vor Jahren nachgewiesen, daß in der Eifel mindestens fünf neue Eisenbahnen nothwendig sind. Wie der Perserkönig Darius sich einen Sklaven hielt, der ihm jeden Morgen zurufen mußte: òsoxora, uẽu⁵ααο 1ν‿ dLvateb,,, so müßte der Minister sich einen Beamten halten, der ihm jeden Morgen zuruft: Herr Minister, erinnern Sie sich der armen Eifel! In der Tariffrage sind wir der Meinung, daß die Ueberschüsse der Eisenbahn, solange im Reiche Lebensmittelzölle und große Schulden existieren, zum Besten derjenigen verwendet werden sollten, welche die Bahn benutzen. Damit soll nicht gesagt sein, daß wir gegen jede Reform sind. Die Einführun fehntgiger Retourbillets wäre z. B. eine Kompensation für die Bahnsteigbillets und Platzkarten. In Bezug auf die Reform der Gütertarife hat der Minister in der Budget⸗ kommission gesagt, er wisse nicht, was man darunter verstehe. Wir verstehen darunter eine Neugestaltung der Tarife in der Weise, daß nicht nur die großen, sondern auch die kleinen Betriebe berücksichtigt werden. In England und Rußland ist man darin weiter. Die Stückgüter, also der Kleinbetrieb, werden bei uns schlechter behandelt als die Massengüter, auch nach dem neuen Tarif; hier müssen Verbesserungen eintreten. Drei Viertel des Verkehrs haben von dem neuen Tarif überhaupt keinen Nutzen gehabt. Den Kleinbetrieb sollte man in den Bezirks⸗Eisenbahnräthen und im Landes⸗Eisenbahnrath neben den Großinteressenten zum Worte kommen lassen. Den Gewerbekammern sollte ein Präsentationsrecht ET““ Der Gepäckverkehr weist Anomalien auf. Jedes Kilo über 25 Kilogramm kommt auf weiter Entfernung erheblich theurer als bei der Versendung mit der Post. Auch die Platzkarte ist lästig, es wäre besser, den Preis auf das Billet zu schlagen. Hinsichtlich der D⸗Wagen wünsche ich eine Instruktion darüber, daß der Gang freibleibt. Gepackträger verstopfen ihn, es bildet sich oft eine Versammlung im Gang. Ueber die Nothwendigkeit der Vor⸗ signale ist kaum noch ein Wort zu verlieren. Das Signal muß vor Dingen kenntlich sein, auch im Falle von Regen, Schneesturm u. s. w. Daß 1000 Betriebs⸗Sekretäre zu Eisenbahn⸗Sekretären aufgerückt sind, ist sehr erfreulich. Der Minister hat sich damit den Dank der Gegen⸗ wart und der Zukunft erworben.

Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum (kons.): Ich bin im Großen und Ganzen mit den Ausführungen des Vorredners einverstanden. Ich wünsche seinem Wahlkreise das Beste. Für den Nothstandsbezirk der Eifel haben wir uns aber schon seit Jahren bemüht. Die Klein⸗ bahnen haben nicht das Recht, an der Abfertigungsgebühr zu partizipieren. Sie sind nur Zuführer für die Staatsbahnen. Das ist der Sinn des Kleinbahngesetzes. Die Platzkartengebühr ist ein Zuschlag für die Annehmlichkeiten der D⸗Wagen. Wenn die Staats⸗ regierung eine andere Form dafür sinden kann und den Preis auf das Billet schlägt, so habe ich nichts dagegen einzuwenden. Die Perronkarte ist durchaus berechtigt. Sie vermindert den Ballast des nichtreisenden Publikums. Die Forderung der Berücksichtigung des kleinen Verkehrs hat etwas für sich, aber ich denke, daß das Genossen⸗ schaftswesen den kleinen Leuten die Möglichkeit giebt, eine größere Menge zu verfrachten. Herr Saenger ist wiederum auf den Offen⸗ bacher Fall eingegangen. Nachdem das Haus sich zweimal mit dem Falle beschäftigt, hat es wohl kaum Lust, darauf noch einmal einzugehen. Wir haben verhältnißmäßig sehr viel weniger Unfälle als andere Länder. Unfälle sind selbst beim besten Betriehsmaterial nie ganz zu vermeiden. Es handelt sich nur darum, alles zu thun, was möglich ist, um Unfälle zu vermeiden. Aber Lurusbauten zur Verhinderung eines möglichen Unfalls aufzuführen, geht doch nicht an. Selbst die größten und besten Bahnhöfe können versagen. Die deutschen Nachbarstaaten fühlen sich durchaus nicht in dem Maße verletzt, wie Herr Saenger laubt. Wir brauchen uns hier nicht zu Anwälten der Nachbar⸗ eeeen zu machen. Ich habe den Eindruck, daß süddeutsche Staaten die Vortheile einer Finanzgemeinschaft mit Preußen haben möchten, ohne das Opfer ihrer Selbständigkeit zu bringen. Die Eisenbahnen sind nun einmal die Grundlage unserer Finanzen, und mit Rücksicht darauf muß auch der Etat enffgstelt werden. Wir er⸗ kennen es d an, daß der Minister den Betrieb aus dem bureau⸗ kratischen und schematischen in den kaufmännischen Betrieb übergeführt hat, soweit es die Staatsverwaltung überhaupt zuläßt, und wir er⸗ nen es weiter dankbar an, daß der Minister mit stets gleich⸗ bleibender Liebenswürdigkeit zu antworten bereit ist.

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (freikons.): In Be⸗ zug auf die Zukunft oder enncegungssahigkent des Eisenbahnüber⸗ schusses hat der Finanz⸗Minister sich sehr pessimistisch ausgedrückt.

hat sich dabei auf die Jahre der Depression 1897 und 1898

tünt. Wir haben jahrelang außerordentliche Aufwendungen für isenbahnzwecke E müssen, um die Sünden der Ver⸗ Pefenbeit wieder auszugleichen, in der zuviel gespart war.

iese ebergangsperiode ist aber jetzt überwunden. Der Ueberschuß ist von 1896/97 ab 81 erheblich gewachsen trotz der großen Steigerung der Ausgaben, der besseren Be⸗ soldung der Beamten, der höheren Löhne ꝛc. Der Ueberschuß wäre

hhöher, wenn wir das Extraordinarium nicht so reich ausgestattet hätien. Der Betriebskoeffizient ist eeee. en gestiegen, aber wir sind jetzt ungefähr wieder bei dem Beharrungszustande an⸗ langt; ja, im laufenden Jahre ist die Verkehrszunahme gleich⸗

eutend mit einer entsprechenden Zunahme des Ueberschusses. Darum konnte der Eisenbahn⸗Minister mit Recht sagen, daß die Entwickelung unserer Eisenbahnen durchaus gesund ist. In den letzten Jahren n wir keineswegs den vollen Eisen⸗ bahnüberschuß zur neierung des Etats gebraucht. 1902 aller⸗ dings werden wir wohl mit einer Verschlechterung der Finanzen zu rechnen haben, namentlich mit Rücksicht auf die Verhältnisse des Reichs. Aber die Finanzentwickelung ist so gesund, daß die volkswirth⸗ schaftliche Aufgabe der Eisenbahn nicht zurückgestellt zu werden braucht. Diese Aufgabe ist zunächst auf dem Gebiet der onentarife zu lösen. Ein Bedürfniß nach einer allgemeinen Herabsetzung der Gütertarife liegt n vor. Aber die Verwaltung sollte erwägen, welche Tarifermäßigungen nothwendig sind, um neues Leben in die

Berlin, Montag, den 25. Februar

daß Fehler vermieden werden, wie sie früher gemacht worden sind. Niedrigere Tarife für Eisenerze zur Eisenfabrikation würden wahrscheinlich sogar eine Einnahmevermehrung zur Folge haben. Ferner wäre erwägungswerth, ob nicht billigere Tarife für künstliche Düngestoffe eingeführt werden können. Die Förderung des Genossen⸗ chafts⸗ und des Kleinbahnwesens wird dem wirthschaftlichen Leben neue Nahrung zuführen. Die Kleinbahnen 8 allerdings nur Zu⸗ bringer der Staatsbahnen, aber sie sind für den Verkehr außer⸗ ordentlich wichtig. Der Minister hat über die Abfertigungsgebühr eine erlassen, von der ich wünsche, daß sie recht liberal durchgeführt werde.

Abg. Dr. Sattler: Auch andere Gegenden als die Eifel haben Eisenbahnwünsche. Ich habe mich gefreut, daß Graf Limburg seine Anerkennung dem Eisenbahn⸗Minister so warm ausgesprochen hat, nachdem er gestern dem Finanz⸗Minister sein Vertrauen zu erkennen egeben hatte. Meine Freunde wünschen, daß die Eisenbahn nicht wie isher als Finanzqauelle behandelt werden dürfe. Die volkswirth⸗ schaftliche Entwickelung wird wahrscheinlich zu einer Gemeinschaft mit dem deutschen Süden führen. Preußen hat aber abzuwarten, ob die süddeutschen Staaten die Gemeinschaft mit ihm wünschen. Bis dahin könnten Zwischenstufen möglich sein. Die preußisch⸗hessische Eisenbahngemeinschaft läßt keineswegs auf eine Neigung Preußens zu einer größeren Gemeinschaft schließen; man braucht davor keine Furcht zu haben. Wir sind von jeher für eine größere Selbständig⸗ keit der Eisenbahnen eingetreten und haben in dieser Beziehung ver⸗ schiedene Vorschläge gemacht, die auf eine stärkere Trennung zwischen Eisenbahn⸗ und Finanz⸗Ministerium abzielten. Wenn die Eisenbahn⸗ verwaltung einen Reservefonds hätte, könnten leichter Tarifreformen durchgeführt werden, ohne daß die Sicherheit der Finanzverwaltung verloren ginge. Wir müssen dahin kommen, um mit Tarifreformen vorgehen zu können. Der Eisenbahnverwaltung stehen noch große Auf⸗ gaben bevor, namentlich für die Entwickelung des Verkehrs im Osten. Die Züge in Westpreußen, Ostpreußen und Posen verkehren langsam

und selten; die Weichselstädtebahn müßte im Interesse der landwirth⸗ schaftlichen Entwickelung des Ostens als Vollbahn ausgebaut werden. Auch im Westen hat die Eisenbahnverwaltung noch viel zu thun, nament⸗ lich in Bezug auf den Umbau von Bahnhöfen und die Anlage von Umgehungsbahnen. Ich bekenne, daß in dieser Hinsicht in den letzten Jahren schon viel geschehen ist. Um 2

erfüllen und namentlich durch Tarifreformen die wirthschaftlichen Ver⸗ hältnisse zu heben, muß die Trennung der Eisenbahnverwaltung von der allgemeinen Finanzverwaltung stattfinden. Daß der Etat vorsichtig aufgestellt ist, erkenne ich an; wir können darauf rechnen, daß die Ansätze der Einnahmen erreicht werden. Der Betriebs⸗ koeffizient ist gestiegen, wir brauchen uns also keinerlei Befürchtungen hinzugeben. Die Kleinbahnen haben eine außerordentlich segensreiche Entwickelung des Landes herbeigeführt. Meine Freunde hoffen, daß die Verwaltung auch in Zukunft in der Lage sein wird, so stolz auf ihre Ergebnisse sehen zu können, wie es heute der Minister that. Sie muß aber noch eine größere Selbständigkeit gegenüber der Finanz⸗ verwaltung erhalten.

Abg. Gothein (fr. Vgg.): Ich bitte, die reinliche Scheidung der Eisenbahnverwaltung von der allgemeinen Finanzverwaltung nicht zur Voraussetzung für die Reform der Gütertarife zu machen, sonst würde diese Reform ad Kalendas Graecas verschoben werden. Die Vereinfachung und Erleichterung des Personenverkehrs darf nicht erkauft werden durch eine Vertheuerung. Ich schließe mich dem Wunsche des Abg. am Zehnhoff bezüglich der Einführung der zehntägigen Rückfahrtskarte an. Die Ermäßigung der Gütertarife würde zu einer Perbebrosteigeru führen, welche sehr schnell einen etwaigen Ausfall an Einnahmen wieder einbringen würde. Bei den Kleinbahnen könnte der Staat ruhig auf die Expeditionsgebühr verzichten, denn er hat von den Klein⸗ bahnen durch die Zuführung von Gütern an die Staats⸗ bahnen große Vortheile. Der Militärverwaltung befördert die Eisenbahnverwaltung ihren Bedarf viel billiger als anderen Sterblichen. Daher kann die Militärverwaltung unter ganz billigen Transportkosten ihre Bedürfnisse von weit her be⸗ ziehen und die in der Nähe befindlichen Landwirthe und Händler unbeachtet lassen. Das führt zu wirthschaftlichen Verschiebungen, die nicht gerechtfertigt sind. Ich würde deshalb den Eisenbahn⸗ Minister bitten, diese Bevorzugung der Militärverwaltung zu be seitigen. Der vom Eisenbahn⸗Minister verfügte Ausnahmetarif für den Transport von Futter⸗ und Streumitteln während der Zeit vom 6. Fehruar bis 30. Juni begünstigt die Landwirthschaft, schädigt aber Industrie und Handel. Ich sehe nicht ein, weshalb man die Händler in dieser Weise verstimmt und verbittert. Alle Berufsstände sollten leichmäßig berücksichtigt werden. Ich habe den Handels⸗Minister ge⸗

eten, seinen Einfluß beim Eisenbahn⸗Minister nach dieser Richtung geltend zu machen.

Geheimer Ober⸗Regierungsrath Krönig: Der Nothstandstarif hat den Zweck, den betheiligten Landwirthen eine Unterstützung zu gewähren. Den landwirthschaftlichen Genossenschaftsvereinigungen ist dieselbe Vergünstigung zu theil geworden. Diese ist an die Bedingung geknüpft, daß im Frachtbrief ausdrücklich bemerkt ist, daß die Sendung zu Futter⸗ oder Streuzwecken im eigenen landwirthschaftlichen Betriebe des Empfängers verwendet wird. Wir haben in diesem Falle nichts Besonderes gemacht, sondern nur das, was in anderen Fällen auch zu geschehen pflegt. Der Händler kommt allerdings hier nicht als Empfänger in Betracht, es ist aber nicht ausgeschlossen, daß er eine Sendung an einen Landwirth schickt.

Abg. Pauli (fr. on bittet um Beschleunigung der Fahrt einiger Züge auf der Linie Berlin —Wriezen, die Güter und Personen zugleich befördern.

Abg. von Wentzel⸗Belencin (kons.) (auf der Journalisten⸗ tribüne sehr schwer verständlich) wünscht die Umwandlung der Strecke Bentschen Lissa in eine Vollbahn.

Abg. Malkewitz (kons.) erinnert den Abg. Saenger daran, daß seiner Zeit das Steglitzer Eisenbahnunglück zum theil den Freisinnigen und namentlich dem Abg. Büchtemann in die Schuhe wurde, weil sie sich dem Umbau des Steglitzer Bahnhofs widersetzt hätten. Der Abg. Saenger könne daraus erjehen, wie mißlich ein solches Su nach den uldigen sei. Der Redner bittet sodann um Verbesserung des Verkehrs zwischen Stettin und Finkenwalde, bezw. Altdamm.

Unter⸗Staatssekretär Fleck sagt eine Prüfung dieses Wunsches zu.

Um 4 Uhr wird die weitere Berathung bis Montag 11 Uhr vertagt.

ndustrie zu bringen, damit verhütet wird, daß die jetzige Stockung ne esaig, zu einer heee Krisis vascaake; Ich hoffe,

alle diese Aufgaben zu

Deutscher Forstwirthschaftsrath. Dritte Tagung.

Am 18., 19. und 20. Februar d. Js. war im Reichstagsgebäude der Deutsche Forstwirthschaftsrath zur dritten Tagung versammelt, und zwar fanden am 18. Februar Ausschußsitzungen, am 19. und 20. Plenarsitzungen statt.

Bei den letzteren waren folgende Herren zugegen:

Ober⸗Forstmeister Ney⸗Metz als Vorsitzender;

Ober⸗Forstrath Dr. Fürst⸗Aschaffenburg und Riebel⸗Muskau als Beisitzer;

Seine Durchlaucht der Herzog von Ratibor;

Graf Adelmann von Adelmannsfelden, Präsident, Sigmaringen;

Freiherr von Berg, Land⸗Forstmeister, Straßburg i. E.;

Graf von Brühl, Standesherr, Pförten;

Freiherr von Cetto, Rittergutsbesitzer, Vorsitzender der Bayer. Landwirthschaftsbank, München;

Freiherr von Cornberg, Forstmeister, Hasserode;

Eigner, Forstrath, Regensburg;

Baron von Eller⸗Eberstein, Haus Morungen bei Sanger⸗ hausen; 3

Dr. Endres, Professor,

Eßlinger, Forstrath, Spever; 1 b

Flemming, Oberförster, Spechtshausen bei Hintergersdorf,

Sachsen;

von Gehren, Kammerdirektor, Schloß Ratibor; 8

Freiherr von Gleichen⸗Rußwurm, Ober⸗Forstrath, Dessau;

Dr. Graner, Ober⸗Forstrath, Stuttgart;

Heinemann, Ober⸗Forstmeister, Darmstadt;

Hellwig, Ober⸗Forstmeister, Erfurt;

Hintz, Ober⸗Forstmeister, Cassel; 1

von Klitzing, Rittergutsbesitzer, Charlottenhof bei Vietz:

Kurz, Oberforster, Stammheim bei Calw i. Wttbg.;

Lindenberg, Geh. Kammerrath, Braunschweig;

Lindner, Ober⸗Forstrath, Donaueschingen;

Dr. von Lorey, Professor, Tübingen;

von Oertzen, Forstmeister, Gelbensande i. Mecklbg.;

Quget⸗Faslem, Landes⸗Forstrath, Hannover;

Freiherr von Raesfeldt, Ober⸗Forstrath, München;

Riedel, Forstmeister, Schloß Ujest;

Runnebaum, Ober⸗Forstmeister, Stade:

Schulze, Ober⸗Forstmeister, Dresden⸗A., Strehlenerstr. 6;

Dr. Schwappach, Professor, Eberswalde:;

Schweickhard, Ober⸗Forstrath, Karlsruhe i. B.;

Stockhausen, Forstmeister, Schlitz (Oberhessen):

Dr. Stoetzer, Geh. Ober⸗Forstrath, Fisenal⸗

von Stünzner, Hofkammer⸗Präsident, Berlin W., Ansbacher⸗ straße 44/45:

Taeger, Forstmeister, Stadtrath, Görlitz;

Freiherr von Teuffel, Forstmeister, Freiburg im Breisgau;

von Waldon⸗Reitzenste in, Rittergutsbesitzer, Königswalde;

Wilbrand, Ministerialrath, Darmstadt;

Wolf, Forstmeister, Wetter, (Hessen⸗Nassau);

Dr. Laspeyres, Forst⸗Assessor, Eberswalde, als Generalsekretär.

Ferner waren zugegen:

Land⸗Forstmeister Wächter⸗Berlin als Kommissarius des preu⸗ ßischen Ministeriums für Landwirthschaft, Domänen und Forsten:

Regierungsrath Dr. Sympher⸗Berlin als Kommissarius des preußischen Ministeriums der öffentlichen Arbeiten;

Dr. Boenisch⸗Berlin als Kommissarius des Reichsamts des Innern und

Dr. Beumer⸗Düsseldorf als Abgeordneter des Zentralverbandes der Vereine der deutschen Holzinteressenten. 8

Erste Plenarsitzung. 1

Der Vorsitzende, Ober⸗Forstmeister Ney⸗Metz, eröffnet die erste Plenarsitzung am 19. d. Mts., Vormittags 10 Uhr, mit einem 8 für den verstorbenen Vorsitzenden, Land⸗Forstmeister Dr. Danckel⸗ mann⸗Eberswalde. Die Versammlung ehrt sein Andenken, indem sie sich erhebt.

Darauf tritt die Versammlung nach der Begrüßung der erschienenen Gäste in die Tagesordnung ein und schreitet, nach Erledigung einer Reihe von geschäftlichen Vorlagen, zur Berathung des Themas:

„Bedeutung des Rbein⸗Erke⸗Kanals und des Main⸗

8 Donau⸗Kanals für die deutsche Forstwirthschaft“. Der Berichterstatter für den Rhein⸗Elbe⸗Kanal, Ober⸗Forst⸗ meister Runnebaum⸗Stade, zugleich Referent für die am Tage zuvor ge⸗ pflogenen Ausschußberathungen, weist auf die mangelhaften Verkehrs⸗ verhältnisse Deutschlands hin, die es unmöglich machten, den inländischen Markt in waldarmen oder viel Holz verbrauchenden Gegenden mit deutschen Waldprodukten zu beschicken. Eine wirksame Abhilfe werde der geplante Bau des Rhein⸗Elbe⸗Kanals bringen. Für die deutsche Forstwirthschaft würde er vielfache Vortheile haben: 1) Erweiterung des Grubenholzabsatzgebietes, 2) Steigerung der Waldrente, 3) Ent⸗ wickelung der holzverarbeitenden Gewerbe am Kanal, 4) Verbesserung des Waldzustandes in den östlichen Theilen Preußens. Erhebliche Nachtheile würden der deutschen Forstwirthschaft durch den Kanalbau nicht erwachsen. Der Redner beantragt zum Schlusse folgende Resolution:

Forstmeister

Hofkammer⸗

I. Die Verminderung der Transportkosten muß das zu erstrebende Ziel der Verkehrspolitik in der Waldwirthschaft sein. II. 2 Neben dem Ausbau des Eisenbahnnetzes darf die Verbesserung der natürlichen und die Neuanlage der künstlichen Wasserstraßen nicht unterbleiben. 8—

Die Herstellung einer leistungsfähigen Schiffahrtsstraße vom Rhein bis zur Elbe, des sog. Mittelland⸗Kanals, ist zur Förderung des Holzabsatzes, zur Steigerung der Nutzholzausbeute und zur Hebung der Waldrente in der Waldwirthschaft erwünscht.

Forstmeister Riebel⸗Muskau befürchtet, daß der Kanal die Kon⸗ kurrenz ausländischer Hölzer begünstigen werde, wenn die heimische Produktion nicht durch zoll⸗ oder tarifpolitische Maßnahmen geschützt werde.

von Waldow⸗Reitzenstein macht auf die großen Bedenken aufmerksam, die gegen den Kanalbau geltend gemacht werden. Wenn sie auch weniger dem Gebiete der Forstwirthschaftspolitik als 29 dem der allgemeinen Wefäcbeftepontie lägen, so dürften sie doch au bei einer Resolution des Fo 5 t außer Acht ge⸗ lassen werden. Er beantragt daher, der Resolution Runnebaum einen entsprechenden Zusatz zu geben. 8

Gegen die zu allgemein gehaltene Fassung des Satzes III der Resolution Runnebaum wenden sich Ober⸗Forstmeister Heinemann⸗ Darmstadt, Geheimer Kammerrath Lindenberg⸗Braunschweig und Landes⸗Forstrath QOuaet⸗Faslem⸗Hannover.

Forstmeister Stockhausen⸗Schlitz wünscht, daß die Vortheile des Kanals durch Schaffung geeigneter Eisenbahnanschlüsse auch ferner gelegenen Waldungen zugänglich gemacht werden.

Schließlich wird die 2 nach Ablehnung des Antrages von Waldow in folgender Fassung angenommen: 8