1901 / 59 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 09 Mar 1901 18:00:01 GMT) scan diff

die Verordnung erlassen, und es stellen sich jetzt allerlei Inkonvenienzen heraus. Der Reichstag hat seinerseits keine Gelegenheit gehabt, sich mit den verbündeten Regierungen wegen eventueller Abänderung zu verständigen; es wäre also unter diesen Umständen das Beste, die zweite Lesung abzusetzen, um demnächst zu einer Verständigung zu kommen.

Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:

Bereits der Herr Vorredner hat gegen die Ausführungen des Herrn Abg. Hoffmeister bemerkt, daß unter § 16 der Gewerbeordnung nur diejenigen Anlagen fallen, die einen dauernden Charakter haben. Daher wird immer im einzelnen Fall zu entscheiden sein, ob ein der⸗ artiger Kalkofen, ob ein derartiger Ziegel⸗Feldbrand, von denen der Herr Vorredner sprach, als eine dauernde Anlage anzusehen ist. Weitere allgemeine Bestimmungen lassen sich nicht geben.

Was die Ausführungen bezüglich der handwerksmäßigen Betriebe in Töpfereien betrifft, so hat allerdings der Bundesrath seinen Be⸗ schluß auf Grund einer Auskunft gefaßt, die er für sachverständig zu halten berechtigt war. Es sind hier an der Richtigkeit dieser Grund⸗ lage Zweifel erhoben worden. Das hohe Haus kann sich darauf ver⸗

lassen, daß ich nochmals in eine eingehende Prüfung der Frage ein⸗

treten werde. Es würde mir daher angenehm sein, wenn das hohe Haus belieben wollte, diese Verordnung nicht abzulehnen, weil da⸗ durch eine große Rechtsunsicherheit entstehen würde. Es würden dann vierfache Rechtszustände im Lande bestehen: erstens der status quo, der vor der Bundesrathsverordnung bestanden hat, dann der status quo, der unter der provisorischen Geltung der Bundesraths⸗ verordnung besteht, dann der Zustand, wenn die Verordnung abgelehnt wird, und endlich der Zustand, wenn eine andere Bundesraths⸗ verordnung ergeht. Das würde zu einer bedenklichen Verwirrung im ein⸗ zelnen Falle führen. Ich möchte Ihnen deshalb dringend empfehlen, die Sache von der Tagesordnung abzusetzen. Ich hoffe demnächst, wenn der Herr Präsident die Sache wieder auf die Tagesordnung gesetzt haben wird, eine Erklärung abgeben zu können, die eine Einigung mit der Auffassung des hohen Hauses herbeiführt. (Bravo! rechts.)

Abg. Dr. Spahn (Zentr.): Nach der eben abgegebenen Erklärung des Staatssekretärs beantrage ich, den Gegenstand für heute abzusetzen und nicht vor Ostern wieder zur Verhandlung zu stellen. Wir müssen doch erst abwarten, was aus den nochmaligen Erwägungen der An⸗ gelegenheit im Schoße der verbündeten Regierungen herauskommt.

Die zweite Lesung wird abgesetzt.

Es folgen Wahlprüfungen.

Die Wahl des Abg. Dr. Grafen Udo zu Stolberg⸗ Wernigerode (6. Gumbinnen, d. kons.) war schon früher für gültig erklärt worden; ein zu dieser Wahlangelegenheit von der Wahlprüfungskommission gefaßter Beschluß wird durch die erfolgte Beweiserhebung für erledigt erklärt.

Für gültig erklärt das Haus die Wahlen der Abgg. Praetorius (3. Stettin, d. kons.) und Fürst zu Inn⸗ und Knyphausen (1. Hannover, d. kons.).

Behufs weiterer Beweiserhebung wird die Beschluß⸗ fassung über die Gültigkeit der Wahl des Abg. Sieg (3. Marienwerder, nl.) ausgesetzt. Damit ist die Tages⸗ ordnung erledigt.

Präsident Graf von Ballestrem: Ich glaube den Intentionen der Mitglieder zu entsprechen, wenn ich für mich und die beiden Vize⸗ Präsidenten die Ermächtigung erbitte, Seiner Majestät dem Kaiser aus Veranlassung des in Bremen erlittenen schweren Unfalls im Namen des Reichstags die uns beseelenden Gefühle zum Ausdruck zu bringen. (Allgemeine Zustimmung.)

Schluß 3 ³¼ Uhr. Nächste Sitzung Montag 1 Uhr. (Kolonial⸗Etat.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 44. Sitzung vom 8. März, 11 Uhr. Das Haus setzt die Berathung des Etats des

Ministeriums der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegenheiten bei dem Kapitel „Höhere Lehranstalten“, und zwar zunächst die Debatte über die Schul⸗ reform fort.

Abg. Wetekamp (fr. Volksp.): Ich kann mich vollständig dem anschließen, was gestern der Abg. Beumer gesagt hat. Ich bin für Gleichberechtigung der realistischen Lehranstalten mit den Gymnasien, nicht bloß für Gleichwerthigkeit. Daß die Abiturienten der Ober⸗ Realschulen und der Realgymnasien die Erlernung der alten Sprachen in kurzer Zeit nachholen würden, davon bin ich überzeugt, und daß auch ein Realschüler Jurisprudenz mit Erfolg studieren kann, zeigt das Beispiel unseres Kollegen Bachem. Man könnte einwenden, das sind Ausnahmen. Aber ich sage: die großen Geister sind geworden, was sie geworden sind, trotz der Gymnasialbildung. Die Verringerung der Stundenzahl in den alten Sprachen hat dieselbe Besorgniß her⸗ vorgerufen, wie seiner Zeit die Ankündigung eines Professors, daß er seine Kollegien künftig deutsch lesen werde. Die ideale Bildung ist dadurch nicht erschüttert worden. Der Hinweis auf die formale Bildung, die man in Gymnasien gewinnen soll, ist ein ziemlich neues Argument, und ihren Werth für die Universität darf man nicht über⸗ schätzen. Das hat auch Geheimrath Matthias in seiner Schrift anerkannt, worauf ich Herrn Schall aufmerksam machen will. Von einer Unersetzlichkeit der alten Sprachen für Geistes⸗ und Gemüthsbildung kann keine Rede sein. Was ist denn überhaupt „humanistische Bildung“? Was in dem Gymnasium jeweilig gelehrt wird? Die Leiter der verschiedenen Anstalten werden darüber ver⸗ schiedener Meinung sein. Im Ausland hat man früher Klagen über die Mängel der realen Bildung gehört. Heute sind aber gerade die klassischen Philologen und Theologen der nordischen Laͤnder die eifrigsten Freunde der Schulreform. Daß die Zulassung der Realschul⸗Abiturienten zu den bisher ihnen verschlossenen Fächern eine Ueberfüllung der Realschulen herbeiführen würde, glaube ich nicht; höchstens könnte dies für den Uebergang eintreten. Reform⸗ schulen bestehen in Dänemark und Norwegen schon seit 1870 und haben sich bewährt. Der Minister hat auf die Geschichte der Abiturienten⸗ examina hingewiesen. Früher hatten die Gymnasien die drei oberen Klassen nicht, diese gehörten zu den Universitäten. Ich bin der Meinung, daß diese drei Klassen von den dößeem Lehranstalten getrennt und be⸗ sonderen Vorbereitungsanstalten ü⸗ erwiesen werden könnten. Es wäre eine mehr individualistische Vorbildung für die einzelnen Fächer möglich, die Lehranstalten könnten entlastet und die Zahl der ver⸗ unglückten Existenzen geringer werden. Der Redner verbreitet sich dann über die neuen Lehrpläne, über die Vermehrung der Latein⸗ stunden an den Realgymnasien, die Unterrichtsmethode in den neuen Sprachen, die Mängel der Orthographie und der Handschrift und spricht die Hoffnung aus, daß die Beseitigung dieser Mängel und möglichste Freiheit auf dem Schulgebiete in edlem Wettstreit der einzelnen Anstalten der gesammten Bildung zum Vortheil gereichen würden. 8

Geheimer Ober⸗Regierungsrath Dr. Köple: Das Realgumnasium soll seine Schüler befähigen, die römischen Schriftsteller mit Nutzen zu lesen. se Vermehrung des Lateinunterrichts wird aber auch dem

naturwissenschaftlichen Unterricht nicht abträglich sin.

Abg. von Knapp (nl.) tritt für die Zulassung der Abiturienten der Ober⸗Realschulen zum Universitätsstudium ein. Er weist darauf hin, daß ausländische Studenten, z. B. die Japaner, die einen ent⸗ sprechenden Bildungsgang durchgemacht haben, als Mediziner auf unseren Universitäten geradezu Hervorragendes leisteten. Angesehene Juristen Niätten oft bekannt, daß sie von ihrem Latein nichts mehr im Gedächtniß hätten. Doch sollte der Werth der alten Sprachen nicht unterschätzt werden. Die Zeit dränge aber andererseits auf eine moderne, technische Bildung. Selbst von seiten der Re⸗ ierung werde anerkannt, daß die bloße juristische Bildung für die Verwaltung nicht ausreiche, daß dazu auch eine Vorbildung in der Nationalökonomie und verwandten Fächern gehöre.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Studt: Meine Herren! Ich kann zu meiner besonderen Genugthuung

feststellen, daß der bisherige Gang der Erörterungen über die Reform

des höheren Schulwesens im allgemeinen eine freundliche Meinungs⸗ äußerung der betheiligten Herren kundgegeben hat. Wenn diese Annahme richtig ist und wenn die Grundsätze der zufolge des Allerhöchsten Erlasses vom 26. November eingeleiteten Reform in ihren wesentlichen Theilen Ihr Einverständniß finden, so erblickt die Unterrichtsverwaltung darin und in den heute und gestern noch von Ihnen besonders geäußerten Wünschen werthvolle Anhaltspunkte für ihr weiteres Vorgehen auf einem Gebiet, auf welchem sie in Anbetracht der großen Bedeutung der in Betracht kommenden wichtigen Interessen eine schwere Verantwortlichkeit übernommen hat. Lassen Sie mich die Hoffnung aussprechen, daß in einträchtigem Zusammenwirken zwischen Unterrichtsverwaltung, Lehrerkollegium und Bevölkerung es gelingen möge, dieses Reformwerk so zum Abschluß zu bringen, daß in der Organisation unseres höheren Unterrichtswesens eine Ruhe erzielt wird, die keine Stagnation bedeutet, sondern die Grundlage für die frucht⸗ bringenden Erfolge unseres höheren Unterrichtswesens. (Bravo!) Die allgemeine Diskussion über die Schulreform wird ge⸗

schlossen.

Bei den Zuschüssen für die vom Staate zu unterhaltenden Anstalten berichtet

Abg. Winckler (kons.) über die Verhandlungen der Kommission über die im Etat vorgesehene Verstaatlichung des Viktoria⸗Gymna⸗ siums in Potsdam; in der Kommission sei ferner über die Verstaat⸗ lichung der Ritter⸗Akademien in Breslau und Liegnitz und über die Errichtung einer neuen Anstalt in Dortmund verhandelt worden.

Abg. Schmeißer (fr. kons.) bemängelt die Unzulänglichkeit der Räume des Gymnasiums in Klausthal und bittet um einen Neubau.

Ein Regierungskommissar erwidert, daß die Nothwendigkeit des Neubaues anerkannt sei, und daß darüber Verhandlungen schwebten.

Abg. von Kölichen (kons.): In Bunzlau ist ein Lehrer versetzt worden, der der Freisinnigen Partei angehört und für dieselbe auch thätig ist. Die Angelegenheit wurde in der Presse so dargestellt, als ob bei der Versetzung politische Motive mitgewirkt hätten, und als ob der betreffende Lehrer wegen seiner Zugehörigkeit zur Freisinnigen Partei versetzt worden sei. Diese Anschauung fand dadurch eine Unterstützung, daß von seiten des Provinzial⸗Schulkollegiums eine Aufklärung nicht gegeben wurde, und es wurde in der Presse so dargestellt, als ob dem Lehrer ein Verschulden nicht zukomme. Deshalb ist es sehr wünschenswerth, daß in diese Angelegenheit Aufklärung gebracht wird, und ich bitte den Minister, Aufklärung zu geben und die Gründe mitzutheilen, welche die Versetzung jenes Lehrers herbeigeführt haben.

Geheimer Ober⸗Regierungsrath Dr. Köpke: Die Versetzung des betreffenden Lehrers ist nach eingehendster Prüfung des Sach⸗ verhalts in der Zentralinstanz mit ausdrücklicher Zustimmung des Ministers erfolgt. Die Politik hat dabei nicht im geringsten eine

Rolle gespielt. Es stand außer Zweifel, daß von ihm bei der Korrektur der, mathematischen Prüfungsarbeit nicht mit der Umsicht und Gründlichkeit verfahren ist, die bei den Arbeiten einer Prüfungskommission unbedingt erwartet wird und erforderlich ist. Als der Provinzial⸗Schulrath der Sache auf den Grund ging, erkannte die Prüfungskommission einstimmig die Nothwendigkeit an, die Prüfung auszusetzen, und dadurch wurde es nothwendig, jenen Herrn aus der Prüfungskommission zu entlassen. Die Politik spielt bei der ganzen Geschichte keine Rolle. 1“

Abg. Kreitling (fr. Volksp.): Der Minister hat erfreulicher⸗ weise die Errichtung eines Gymnasiums in Dortmund bewilligt. Ich bitte, dasselbe Wohlwollen auch der Stadt Berlin entgegenzubringen. Von den Einkommensteuern des ganzen Staates in Höhe von 174 Millionen Mark bringt die Stadt Berlin allein 31 Millionen Mark auf. Sie kann also Berücksichtigung beanspruchen. Berlin hat eine ganze Reihe neuer höherer Lehranstalten errichtet. Die Stadt muß alte Anstalten in andere Stadttheile, wie den Tempelhofer Stadttheil, verlegen. Ich bitte die Regierung, namentlich den Finanz⸗ Minister, auch in Berlin neue staatliche Anstalten zu errichten.

Regierungs⸗Kommissar, Gerichts⸗Assessor Tilmann: Es ist an⸗ zuerkennen, daß Berlin sehr viel für das Schulwesen gethan hat. Die Eremplifikation auf Dortmund ist nicht zutreffend, denn dort besteht noch gar keine staatliche Anstalt, während Berlin mehrere hat. Berlin ist auch so leistungsfähig, daß es das Opfer selbst bringen kann.

Bei den Zuschüssen für die von Anderen zu unterhaltenden, aber vom Staat zu unterstützenden Anstalten fragt

Abg. Mooren (Zentr.) an, wie es mit der finanziellen Unter⸗ stützung der Reformanstalten gehalten werden soll. Die Städte be⸗ fürchteten einen Ausfall in der Subvention, wenn sie ihre Schulen zu Reformgymnasien machten. Der Redner spricht ferner seine Freude darüber aus, daß an den Grundlagen des humanistischen Gymnasiums nicht gerüttelt werden solle.

Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:

Die Frage ist mir allerdings überraschend, aber ich glaube sie doch dahin beantworten zu können, daß die Finanzverwaltung in keiner Weise beabsichtigt, Subventionen für Unterhaltung der höheren Schulen zu vermindern, lediglich deshalb, weil die betreffende Schule in ein Reformgymnasium verwandelt ist. Sie finden, wenn Sie in unsere Herzen sehen könnten, zur zukünftigen Entwickelung des Reform⸗ gymnasiums vielleicht im Finanz⸗Ministerium noch einen höheren Grad von Vertrauen und Zuversicht, wie das vielleicht in dem ja gewiß sachkundigeren Ministerium des Kultus vorhanden ist. Wir sind der Ueberzeugung, daß, wenn es gelingt, die Ausbildung in den klassischen Sprachen mit dem, was an moderner Sprachkenntniß, Geschichtskenntniß, Kenntniß der sogenannten Realien, erforderlich ist, wirklich zu vereinigen, in vielen, namentlich in kleineren und mittleren Städten das Reformgymnasium eine große Wohlthat sein würde. Ich drücke mich als Laie in der Frage vorsichtig aus und stelle die Frage mit „wenn“. Ich glaube, in Frankfurt ist der Beweis geführt, daß das möglich ist, ich glaube auch nicht, daß in den Frankfurter Verhältnissen besondere Umstände liegen, die es da vor anderen Orten besonders erleichtern, dieses Ziel zu erreichen. Wenn aber die Kommunen, nachdem der Herr Kultus⸗ Minister in der Beziehung ja den Kommunen freie Be⸗ wegung zu lassen in Aussicht gestellt hat, solche Versuche machen, so werden die bisherigen Unterstützungen aus der Staatskasse in der Beziehung keineswegs vermindert werden.

Meine Herren, wenn es gelänge, namentlich in kleineren Orten, wo man nicht in der Lage ist, ein Realgymnasium oder eine Real⸗

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schule neben einem Gymnasium zu erhalten, einen erheblichen Theil

der Zwecke der Realschule auf diesen Reformgymnasien mit zu erreichen, so würde das an und für sich füc diese kleineren und mittleren Städte eine große Wohlthat sein. Wir würden dann er⸗ reichen, daß es möglich wäre, bis zur Obertertia von der einen auf die andere der drei Schulen überzugehen, und daß ein großer Theil der Schüler, deren Geburtsort auf dem Lande liegt z. B. die Kinder von Beamten, Ortsrichtern, Förstern 2ꝛc. viel länger in der Familie bleiben könnten als so, wenn sie an ihrem Ort überhaupt keine höhere Schule haben. Es würde nach meiner Ueberzeugung die Frage nicht nur pädagogisch von großer Bedeutung sein, sondern es würde auch eine bedeutende wirthschaftliche und finanzielle Frage hierdurch gelöst werden.

Ob das nun alles so eintreffen wird, muß ja, wie der Herr Vor⸗ redner richtig gesagt hat, die Zukunft lehren. Gelänge es, so würde ich es für einen sehr großen Fortschritt halten; gelänge es nicht die Versuche müssen es ja erweisen dann muß man ja natürlich selbstredend im Interesse einer tüchtigen wissenschaftlichen Auzs bildung unserer Jugend auf den höheren Schulen wied davon absehen. Ich hoffe aber in dieser Beziehum das Beste. Das setzt allerdings tüchtige Leistungen der Schüler und vor allem der Lehrer voraus, meine Herren, und ob diese in vollem Maße gleich im Anfang zu Gebote stehen, kann ich nicht beurtheilen, will es auch nicht beurtheilen; aber ich hoffe doch, wie die Erfahrung seit Jahrhunderten das bewiesen hat, daß unsere Lehrer schließlich auch diesen Aufgaben gewachsen sein werden.

Abg. van Vleuten (Zentr.) bittet um einen Zuschuß für den Neubau des städtischen Gymnasiums in Rheinbach.

Regierungskommissar, Gerichts⸗Assessor Tilmann bemerkt, daß dieser Zuschuß habe gewährt werden sollen, daß aber grundseaͤtzliche Bedenken sich ergeben hätten und darüber die Verhandlungen noch schwebten. Die Lage der Stadt Rheinbach sei allerdings eine überaus bedrängte.

Abg. Dr. Hauptmann (Zentr.) unterstützt den Wunsch des Abg. van Vleuten.

Bei den Zuschüssen zur Verbesserung der Lehrerbesoldungen und dem neu eingestellten Fonds von 72 800 zu Um⸗ wandlungen von etatsmäßigen Hilfslehrerstellen in Oberlehrer⸗ stellen an den Staatsanstalten, durch welche das bisherige Verhältniß der Zahl der etatsmäßigen wissenschaftlichen Hils⸗ lehrer zu derjenigen der festangestellten wissenschaftlichen Lehrer, anstatt auf 1:13, auf 1:16 festgesetzt und 56 Hilfslehrerstelen in etatsmäßige Stellen umgewandelt werden sollen, beantragt die Budgetkommission:

die Regierung zu ersuchen, durch entsprechende Aenderungen des Normal⸗Etats vom 4. Mai 1892 dahin zu wirken, daß

1) durch anderweitige Bemessung der Alterszulagen die Er⸗ reichung des Höchstgehalts bereits nach 21 Jahren gesichert wird, und zwar unter besonderer Berücksichtigung der unteren Gehalts⸗ die Oberlehrer derjenigen Anstalten, die aus unmittelbaren oder mittelbaren Staatsfonds Unterhaltungszuschüsse beziehen, die feste, pensionsfähige Zulage von 300 bis 900 zu derselben Zeit erhalten, wie die Oberlehrer der vom Staat unterhaltenen Anstalten.

Abg. Dr. Göebel (Zentr) beantragt:

die Regierung aufzufordern: . 1“

1. die Bestimmungen im Normal⸗Etat dahin abzuändern: „Do über vier Jahre hinausgehende Hilfslehrerzeit ist auf das P. soldungsdienstalter anzurechnen, sofern der Betreffende währm dieser Zeit im öffentlichen Schuldienst beschäftigt gewesen ist ode zur Verfügung des Provinzial⸗Schulkollegiums gestanden hat“:

II. im nächstjährigen Etat die Mittel bereitzustellen, daß ale seit 1892 angestellten bezw. in den Dienstalters⸗Etat übergeführten, durch Nichtanrechnung der über vier Jahre hinausgehenden Hilfs⸗ lehrerzeit (mit der in I vorgesehenen Beschränkung) benachtheiligten Oberlehrer alsbald in die ihnen nach Nr. 1 zukommenden Alters⸗ klasse aufrücken.

Abg. Daub (nl.) beantragt, diesen Antrag in folgender Fassung anzunehmen:.

die Regieruug aufzufordern:

I. die Bestimmungen im Normal⸗Etat dahin abzuändem: „Die im Universitäts⸗, Schulaufsichts⸗ oder Kirchendienste im In⸗ lande oder Auslande zugebrachte Zeit und derjenige ausländische Dienst, welcher, wenn er im Inlande geleistet wäre, zur Anrechnung gelangen würde, kann von dem Unterrichts⸗Minister im Einverständ niß mit dem Finanz⸗Minister ganz oder zum theil angerechnt werden. Die über vier Jahre hinausgehende Hilfslehrerzeit u. sm“ gleichlautend mit dem Antrag Goebel. 1

Berichterstatter Abg. Winckler berichtet eingehend über . Kommissionsverhandlungen.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Stelt⸗

Meine Herren! In meinen früheren Amtsstellungen zu Königtdern und Münster habe ich in meiner Eigenschaft als Direktor und dme Präsident eines Provinzial⸗Schulkollegiums in langjähriger Thätig⸗ keit es als eine wichtige und ebenso erfreuliche Aufgabe be⸗ trachtet, mich mit den Wünschen und Interessen des Lehrer⸗ standes der höheren Unterrichtsanstalten vertraut zu machen und nach Möglichkeit die für die gesammte Kulturentwickelung unseres Volkes so überaus wichtige Berufsthätigkeit der höheren Lehrer zu fördern. Von besonderem Interesse war mir auch die Vornahme der⸗ sönlicher Revisionen von Anstalten, bei denen ich mich nicht nur über den Stand des Unterrichts genau informieren konnte, sondern ebenso über die Wünsche und Verhältnisse der betheiligten Lehrerschaften. Ich habe dabei so manchen älteren Lehrer gefunden, der unter den damaligen noch kärglichen Besoldungsverhältnissen sich stolz mit dem Gedanken: patriae inserviendo consumor zu trösten wußte.

In meiner gegenwärtigen Stellung ist mir die willkomment Möglichkeit geboten, dieses Interesse in erweitertem Umfange zu be thätigen. Ich begrüße es daher mit Genugthuung, daß dank dem Entgegenkommen der Finanzverwaltung es möglich geworden ist, in den Etat für 1900 in den Kapiteln 117 und 120 zur Hebung des höheren Schulwesens und zum guten Theil auch zur Aufbesserung der Bezüge des höheren Lehrerstandes eine Summe von 427 000 und in den Etat für 1901 eine solche von 703 000 ℳ, im Ganzen also mehr als eine Million Mark, an dauernden Ausgaben einzusetzen.

Meine Herren, was den Antrag des Herrn von Hepdebrand an langt, so habe ich vor allem zu betonen, daß zwischen den betheiligten Ressorts in ihrer Stellungnahme völliges Einverständniß besteht, ins besondere sind wir darüber einig, daß das Verlangen nach mechanischen Gleichstellung der Gehälter der höheren Lehrer mit den Richtern wegen der zweifellos vorhandenen Ungleichartigkeiten ein nicht berech tigtes ist. Ich kann den Oberlehrern nur dringend empfehlen, endlich diese völlig aussichtslosen Bestrebungen und Berufungen aufzugeben. Auf diesem Standpunkt steht übrigens sowohl der vorliegende Antrac der Herren von Heydebrand und Genossen wie ebenso Ihre Budget⸗

Kommission. 11“

Was den positiven Theil des eben erwähnten Antrages betrifft, welcher die Abkürzung der Aufsteigezeit zum Höchstgehalt von 24 auf

21 Jahre zum Zwecke hat, so handelt es sich dabei um eine Angelegen⸗

heit, welche wegen ihres Zusammenhanges mit den allgemeinen Besoldungsverhältnissen der Beamten von den beiden nächst⸗ betheiligten Ressorts nicht allein entschieden werden kann, sondern der Entscheidung des Königlichen Staats⸗ Ministeriums unterbreitet werden muß, schon wegen der möglichen Rückwirkungen auf andere Beamtenkategorien. Ich bin daher außer stande, eine bestimmte Er⸗ klärung abzugeben. Findet der Antrag in diesem hohen Hause An⸗

„bme, so wird er gewiß von der Regierung in eingehende Erwägung nahme, 8

gezogen werden. Aber das darf ich schon jetzt nicht unbemerkt lassen,

daß eine Berücksichtigung dieses Antrages durch die namentlich in letzter Zeit wieder hervorgetretene und wirklich jedes Maß über⸗ schreitende Agitation sehr erschwert wird.

Die Art und Weise, wie jetzt zu Gunsten einer Besoldungsauf⸗ besserungeAgitation getrieben wird, findet in der Geschichte des höheren Beamtenthums kein Beispiel. (Sehr richtig! rechts.) In ihren letzten Erzeugnissen versteigt sie sich zu der Warnung vor dem philologischen Studium und richtet diese Warnung nicht bloß an Studenten, sondern auch an Abiturienten der Gymnasien. Ich bin überzeugt, daß die besseren und besonneneren Elemente des höheren Lehrer⸗ standes dieser Agitation fern stehen. Leider vermißt die Unterrichts⸗ verwaltung eine rückhaltlose Verwahrung gegen jenes Treiben, auf welches ich schon bei der vorjährigen Etatsberathung binzuweisen zu meinem Bedauern genöthigt gewesen bin. Es wird für die Wünsche des höheren Lehrerstandes nichts schädlicher sein, als wenn die Unterrichtsverwaltung durch dessen Verhalten in die unum⸗ gängliche Nothwendigkeit versetzt wird, zwischen der Aufrechterhaltung der Beamtendisziplin und der Berücksichtigung ihrer Wünsche zu ent⸗ scheiden; die Wahl würde in diesem Falle nicht zweifelhaft sein können, und ich bin sicher, in dieser Auffassung der Zustimmung dieses hohen Hauses mich erfreuen zu dürfen. (Bravo!)

Abg. Dr. Dittrich (Zentr.): Es ist manches geschehen, um die Lage der Oberlehrerschaft zu verbessern. Dazu gehört auch die Ver mehrung der Oberlehrerstellen. Trotzdem hat sich der Lehrerwelt eine hochgradige Erregung und Erbitterung bemächtigt. Ich kann die Art ihres Vorgehens nicht besonders billigen; es ist geeignet, die Sympathie für die Lehrer zu vermindern. Aber einen berechtigten Kern kann ich in dieser Agitation nicht verkennen. Man hat den Lehrern Versprechungen gemacht, die nicht erfüllt worden sind. Sie stehen schlechter da als andere akademisch Gebildete. Die Ober⸗ lehrer gelangen in einem verhältnißmäßig hohen Lebensjahr, im 32. bis 34. Jahre, zur Anstellung und erreichen erst im 57. Lebensjahr das Höchstgehalt, und daran partizipiert überhaupt nur ein Theil. Es ist also ein durchaus berechtigter und bescheidener Wunsch, daß die Lehrer das Höchstgehalt schon nach 21 Jahren erreichen. Erst dadurch kommen sie anderen Beamten gleich. Was in anderen Ländern möglich ist, sollte bei unseren glänzenden Finanzverhältnissen nicht unmöglich sein. Je weniger Oberlehrer in die oberste Gehaltsstufe einrücken, um so größer wird die Differenz der Gehälter der Oberlehrer und Richter sein; ich vermag in dieser Beziehung die von der Finanzverwaltung angestellte Berechnung nicht anzuerkennen; die unteren Stufen müssen besonders berücksichtigt werden. Ich möchte die Staatsregierung dringend bitten, sich zu unseren Anträgen nicht ablehnend zu verhalten. Das würde sehr zur Beruhigung der Lehrer beitragen. Die Finanzver⸗ waltung kann sich damit um so leichter abfinden, als es sich nicht um eine höhere Ausgabe, sondern nur um ein anderes Arrangement handelt. Den Lehrern aber möchte ich empfehlen, ihre Agitation aufzugeben. Die maßvollen Elemente, meiner Meinung nach die Mehrzahl, werden sicherlich dieser Mahnung Folge geben, zum Heil ihres eigenen Standes und der heranwachsenden Jugend. Wir müssen für einen guten Nachwuchs an Lehrern sorgen.

Wirklicher Geheimer Ober⸗Finanzrath Dr. Germar: Ich habe in der Kommission bereits Mittheilung gemacht über das Durch⸗ schnittsalter der Lehrer bei der ersten Anstellung. Ich sprach von den Oberlehrern an staatlichen und nichtstaatlichen Lehranstalten. Ich halte aufrecht, daß die Oberlehrer durchschnittlich mit 31 Jahren 8 Monaten zur Anstellung gelangen. Die Zunahme der Philologen an den Universitäten beweist, daß eine Abneigung gegen diesen Beruf nichtbesteht. Auch die Zahlen über die Besoldung der Richter und der Ober⸗ lehrer halte ich aufrecht. Die Verschiedenheit liegt in den verschiedenen Besoldungssystemen beider Kategorien. Der Kommissionsantrag will eine Gleichstellung der Lehrer an den nichtstaatlichen Anstalten mit denen der staatlichen Anstalten in Bezug auf die feste Pensionszulage von 300 bis 900 Diese Gleichstellung wäre unbillig, da die Lehrer an den nichtstaatlichen Anstalten bevorzugt werden. Man kann den Kommunen nicht noch weitere Opfer zumuthen.

Alg. Saenger (fr. Volksp.): Es ist nicht einzusehen, warum ein Lehrer nicht einem Richter im Gehalt gleichgestellt werden sollte. Im Großen und Ganzen kommen die Lehrer nicht früher zur An⸗ stelung als die Juristen. Sie haben dieselbe Vorbildung, und ihr Beruf ist aufreibender als der der Richter. Wenn man gesagt hat, daß die durchschnittliche Differenz zwischen den Gehältern der Lehrer und der Juristen 236 beträgt, so liegt hierin eine Zurück⸗ setzung der Lehrer. Den Antrag, die Wartezeit auf 21 Jahre herab⸗ zusetzen, empfehle ich natürlich, aber mit dieser Herabsetzung um 3 Jahre ist nicht viel erreicht. Nothwendig ist auch eine wesent⸗ liche Herabsetzung der Pflichtstundenzahl der Lehrer. Diese haben nicht nur vier Stunden täglich zu geben, sondern Korrekturen zu machen, mit den Lehrern und Eltern zu konferieren. Eine weitere be⸗ rechtigte Forderung ist die Herabsetzung der Schülerzahl in den ein⸗ zelnen Klassen, um eine individuelle Behandlung der Schüler zu er⸗ möglichen. Auch die übrigen Anträge kann ich nur empfehlen. Wenn man von den Lehrern eine größere Leistung verlangt, so muß man sie auch besser besolden. Von den Söhnen der Lehrer und Pro⸗ vinzial⸗Schulräthe studieren verhältnißmäßig nur wenige Philologie, ein Beweis dafür, daß die Eltern diese Karrière nicht fuüͤr günstig

halten. Ein Lehrermangel wird sehr bald hervortreten. In Hanau’

hat eine Hilfslehrerstelle nicht besetzt werden können. Die Ver⸗ stimmung der Lehrer ist berechtigt, weil die Staatsregierung ihr

Versprechen der Gleichstellung der Bberlehher mit den Richtern nicht eingelöst hat. Eine Agitation ist nur denkbar, wenn die Unzufrieden⸗ heit weite Kreise ergreist. Auch Fürst Bismarck hat 1894 beim Empfang der Lehrer die Zurücksetzung derselben beklagt und eine

enderung zum Besseren erwartet. Die Regierung möge also die be⸗ rechtigten Forderungen der Lehrer erfüllen damit das Wort eines alten Magisters im Reformzeitalter zur Wahrheit werde: laeti dis- cipuli, laeti magistri, laetissimus rector.

Ministerial⸗Direktor Dr. Althoff stellt fest, daß nur auf natur⸗ wissenschaftlichem und mathematischem Gebiet ein Rückgang der Lehrer und Studierenden stattgefunden habe. Es handle sich aber nur um einen vorübergehenden Zustand. In Verlegenheit werde die Ver⸗ waltung nicht kommen, denn die Lage der Oberlehrer in Preußen sei so günstig, daß die Regierung, wenn sie nur wollte, Zuzug aus anderen deutschen Ländern bekommen würde.

Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Aus den Darlegungen und Erörterungen des Herrn Abg. Saenger können diejenigen, die glauben, daß der Antrag von Heydebrand definitive Ruhe und Zufriedenheit in der Lehrerwelt chaffen würde, die nöthigen Konsequenzen ziehen. Wir haben hier schon gehört, daß das alles ungenügende Verbesserungen seien, daß es sich nicht nur um Geld, sondern auch um Standesehre handel

t, und

die Lehrer den Richtern in allen Beziehungen gleichgestellt würden. Es wird also so gehen, wie es mit all den Verbesserungen der Ver⸗ hältnisse der Lehrer gegangen ist, die wir seit dem Jahre 1890 vor⸗ genommen haben: eine wirkliche Ruhe und Zufriedenheit konnten sier nicht herbeiführen. Im Gegentheil, die Agitation ich will nicht sagen, die Unzufriedenheit in dem höchst ehrenwerthen Lehrerstande ist sogar anscheinend heftiger geworden.

Meine Herren, keine Klasse unserer Beamten ist wohlwollender und fürsorglicher behandelt worden in den letzten 10 Jahren wie die akademisch gebildeten Lehrer. (Sehr richtig) Wenn ich die Steigerung vom Jahre 1892 an in Betracht ziehe, die bei dem ersten Normal⸗Etat und später eingetreten ist, so geht sie weit über diejenigen Zuwendungen hinaus, die allen anderen Klassen der Beamtenschaft gemacht worden sind. Im Jahre 1892 betrug nach dem damaligen Normal⸗Etat die Steigerung 18,4 %. So viel hat in all den verschiedenen Aufbesserungen der Gehalte und Bezüge keine Klasse bekommen, durchgängig sind die Beamten mit 12 %, dann und wann in einzelnen Beziehungen bis zu 15 % aufgebessert worden. Im Jahre 1897 betrug die Aufbesserung der Lehrergehälter wiederum 16 %, weitaus höher als der Durchschnitt der Aufbesserung über⸗ haupt, die damals stattfand.

Meine Herren, die Richter forderten damals Gleichstellung mit den Regierungsräthen, und wir haben es des Zusammenhangs wegen abgelehnt, obwohl ich anerkennen mußte, daß sehr viele Gründe dafür sprachen. (Sehr richtig! rechts.) Seitdem die Entscheidung gefallen ist, habe ich keine Agitation der Richter mehr in der Presse gesehen (sehrrichtig!); sie haben in würdiger Weise sich dem Spruch der Regierung und des Landtages gefügt. Ich habe nicht mal privatim von Unzufriedenheit unter ihnen gehört. Die Landräthe wurden den Richtern gleichgestellt, während doch allgemein anerkannt wurde, daß ein Landrath weit mehr Repräsentationsausgaben hat als ein Richter. (Sehr richtig! rechts.) Die Landrichter, die doch eigentlich als Richter höherer Ordnung an⸗ gesehen werden können, blieben den Amtsrichtern gleichgestellt. Sie haben sich nicht beschwert, sie hätten aber vielleicht viel mehr Grund dazu gehabt wie jetzt die Lehrer. Die Elementarlehrer sprechen ihre Zufriedenheit offen aus.

Nun bleiben wir dabei, so schwer und in manchen Beziehungen unsicher es zu berechnen ist, daß heute die Differenz zwischen den Lehrerbezügen, aus der Staatskasse, gegenüber dem, was die Staats⸗ kasse für die Richter zu zahlen hat, 239 beträgt. Ich kann Ihnen ja im einzelnen diese verwickelte Berechnung nicht vorführen, es sind eine Menge inkongruenter Vergleiche dabei nöthig, aber irgend eine wesentliche Differenz kann nicht sein. Nun frage ich, meine Herren: ist es da berechtigt, daß eine so hoch gebildete Beamtenklasse, die eine, ich möchte sagen, so hehre Aufgabe hat, die so viel Liebe zu ihrem Fach, so viel Idealismus gebraucht, eine solche Agitation, wie wir sie erlebt haben, um 239 anfängt und durchführt? Wie kann eine solche Erbitterung, wie sie einem aus den Schriften entgegen⸗ tritt, aus einer solchen Differenz entstehen?

Meine Herren, wenn der Antrag des Herrn Abg. von Heydebrand von der Staatsregierung acceptiert werden würde, dann würde die Differenz zwischen dem Gehalt der Lehrer und dem der Richter noch 70 betragen; aber doch kündigt uns schon der Herr Saenger an, daß trotzdem dann die Agitation wegen der 70 weitergehen würde und wir doch auf Ruhe nicht zu hoffen hätten. Da ist es doch nun nöthig, meine Herren, daß auch seitens des Landtages einmal fester Fuß gefaß wird: wohin sollen wir schließlich von einer solchen Agitation gedrängt werden? Früher haben die Lehrer sich sehr über den Mangel an Rang und Titel beklagt, und das ist auch heute noch wieder geschehen. Die Hälfte der Lehrer bekommt aber den Professorentitel, der Rang 4. Klasse ist einer großen Anzahl von ihnen zugesichert. Ich meine, da wäre doch genug gethan. Was sollen wir nun noch mehr thun?

Die agitierenden Lehrer sollen doch nicht glauben, daß die Stellung, die ein Richter, ein Amtsrichter hat, der Präsident eines Schöffen gerichts ist, der hohe Strafen erkennen kann, der jeden Tag mit dem Volke in Berührung kommt, derartig ist, daß die Gleichheit des Gehaltes den Lehrern dieselbe Stellung geben könnte. (Sehr richtig! rechts und im Zentrum.) Naturgemäß das ist gar kein Tadel ist der Lehrer auf einen kleineren Kreis angewiesen und kommt hoöch stens durch das Medium der Söhne mit den Eltern in Berührung. Die Lage eines Richters, der ein Hoheitsrecht des Staates ausübt, ist naturgemäß aus seiner Stellung nicht aus seinem Gehalte! eine andere, kann nicht einfach auf eine andere Beamtenklasse übertragen werden: das wird überhaupt nicht möglich sein.

Nun hat der Herr Kultus⸗Minister schon gesagt, die mechanische Gleichstellung mit den Richtern könne die Steaatsregierung nicht acceptieren, und ich kann mich erinnern, daß früher die Meinung dieses hohen Hauses hiermit übereinstimmte; ob das heute noch der Fall ist, weiß ich nicht. Aber man muß doch auch nicht nach der materiellen Seite hin verkennen, daß die Lehrer unbeschadet ihres hochbedeutenden und schweren Amts erhebliche Erleichterungen sich verschaffen können. Eine Klasse, die drei Monate Ferien hat und in der Lage ist, auch innerhalb ihres Berufs bleibend, vielfach Nebenverdienst zu haben (Oho!), ist doch darin vielfach günstiger sikuiert als fast alle anderen Beamten. Eine mechanische Gleichstellung würde so wahrscheinlich auf eine wesentliche Bevorzugung des Lehrerstandes hinauslaufen. Meine Herren, ich glaube, die Staatsregierung und auch ich persönlich als Finanz⸗Minister haben ein solches Wohlwollen und eine solche Für⸗ sorge gerade für diesen von mir so hoch geehrten und hoch geachteten Stand die ganzen Jahre hindurch gezeigt, daß man, so viel man auch in dieser Beziehung schon gewohnt geworden ist (Heiterkeit), doch über diese Agitation im höchsten Grade erstaunt sein mußte. Wenn die Agitatoren aber glauben, daß sie die Staatsregierung und dieses hohe Haus mit papiernen Kugeln umwerfen können (sehr richtig! und Heiterkeit rechts), so wäre das ein gewaltiger Irrthum. (Sehr richtig! rechts.)

Nun ist gesagt worden, das Prinzip der Geschlossenheit der Ge⸗ haltsaufbesserung bis auf weitere absehbare Zeit wäre ja doch schon umgeworfen. Nein, bezüglich der Lehrer nicht: denn die Veränderung in der Gewährung der 900 Zulage nach bestimmten Zeitperioden ist eine organische Aenderung, die mit der desinitiven Aenderung der Gehaltsverhältnisse garnichts zu thun hat. Hier aber, meine Herren, ist in der äußeren Form das vielleicht nicht so hervorgetreten; aber materiell, wenn die Generalstaatskasse für die Besoldungen der Lehrer 600 000 mehr ausgeben muß, so ist das eine direkte Erhöhung der Gehaltsbezüge. Darüber kann gar kein Zweifel sein, daß Sie ohne

Zweifel Gefahr laufen, Konsequenzen in einer Reihe anderer Klassen der höhergebildeten Beamten herbeizuführen, und wenn das Staats⸗ Ministerium auf diesen Antrag einginge und die Konsequenzen nicht zöge, so würden Sie wahrscheinlich wieder die Unzufriedenheit in andere Beamtenklassen bringen. Glauben Sie nicht, meine Herren, daß es an sich möglich ist, daß eine so allgemeine Maßnahme der Gehaltsaufbesserungen aller Beamtenklassen, wie wir sie ge⸗ troffen haben, wenn sie auch noch so oft verbessert und korrigiert werden wird, jemals ideal richtig werden wird! (Sehr richtig! rechts.) Das kann garnicht eintreten. Im Gegentheil, man läuft in der Regel die Gefahr, daß man bei Aenderungen die einen zwar momentan befriedigt, dabei aber eine ganze Reihe von anderen wieder unzufrieden macht. (Sehr richtig!) Sie können sich denken, daß das Staats⸗Ministerium, welches gerade mit Rücksicht auf die übrigen Beamtenklassen unbedingt entscheidend hier eingreifen muß, weshalb wir beide, mein Herr Kollege und ich, uns einer Ablehnung und einer Zustimmung enthalten müssen, Sie können sich denken, daß das preußische Staats⸗Ministerium nicht in der Lage ist, einseitig nur den Lehrergesichtspunkt im Auge zu behalten; das Staats Ministerium muß die Gesammtheit der preußischen Staatsbeamten ins Auge fassen und danach seine Entscheidungen treffen. So kann e wohl kommen, daß eine Beamtenklasse einmal zurückstehen muß. Ich habe in meinem eigenen Ministerium begründete Beschwerden, ich habe sie aber in diesem Etat nicht zu befriedigen gewagt aus Furcht, daß dann ein Riß in der nun einmal getroffenen Gehaltsordnung ganz oder wenigstens zum theil wieder aufgerissen werden würde. Der Beamte ist ein Theil des großen Ganzen, er kann nicht immer bloß nach seinen eigenen individuellen Verhältnissen behandelt werden, er ist ein Stück des Ganzen und leidet die Schicksale des Ganzen.

Meine Herren, ich komme also dahin, daß ein Grund, jetzt diese Frage wieder aufzuwerfen, so dringlicher Natur, daß man die Folgen riskieren könnte und sollte, eigentlich nicht vorhanden ist. Ich muß sagen: so groß mein Respekt vor der Bedeutung des Lehrerstandes, vor der Nothwendigkeit einer geachteten Stellung, eines auskömmlichen Bezuges von Mitteln ist, so bedauere ich doch, daß diese Frage diese Dimensionen angenommen hat, namentlich auch infolge der Agitationen in der Presse. Ich kann jetzt nichts Anderes, als eine gründliche und, wie immer, wenn es sich um den Lehrerstand handelt, wohlwollende Prüfung in Aussicht stellen. Lieber wäre es mir gewesen, namentlich wegen der übrigen Beamtenklassen, in diese Lage nicht gebracht zu sein. Das ist aber nun einmal geschehen. Ich kann mir auch denken, daß das hohe Haus in der allbewährten Zuneigung für die Lehrer seiner Jugend, an die man noch selbst mit der größten Verehrung zurückdenkt, sich diesem Antrage vielleicht nicht wird entziehen können. Wenn es so geschieht, so kann ich, wie gesagt, nichts weiter zusagen, wie mein Herr Kollege das gethan hat, als eine eingehende und wohl wollende Prüfung.

Meine Herren, ich möchte über einen andern Antrag noch zwei Worte sagen, weil er eine sehr prinzipielle Bedeutung hat. Es ist nämlich gesagt worden in dem Antrage, daß auch die Zeit angerechnet werden sollte, seit welcher sich ein Hilfslehrer einem Kollegium zur Disposition gestellt hat; er konnte nicht angenommen werden, weil kein Platz da war; hinterher wird er angenommen. Nun soll ihm die ganze Zeit, wo er vielleicht als Hauslehrer oder an einer andern Anstalt thätig war, im Staatsdienste angerechnet werden.

Meine Herren, dieser Antrag steht, beiläufig bemerkt, in einem

sonderbaren Zusammenhang mit der Behauptung eines Mangels an Lehrern, daß man überall sich umsehen müsse, um nur einen Lehrer zu bekommen, während hier für die gesorgt werden soll, welche wegen Ueberflusses an Lehrern nicht ankommen können. Ich möchte daran erinnern, welche Erfahrungen wir bezüglich unserer Beamtenschaft in fast allen Ressorts gemacht haben; ohne Rücksicht auf den Bedarf wurde früher jeder, der sich meldete und die Quali⸗

meldeten. der Aßesor zur definitiven Anstellung! Genau dasselbe war in der Zollverwaltung der Fall. Aehnlich lag es bei den Subalternbeamten in fast allen Ressorts. Daher die Unzufriedenheit der Beamten! unten nicht vorwärts kommen. Das war noch gefährlicher zu it, wo wir das Altersstufensystem noch nicht hatten. Aber auch beute wird überall noch geklagt aus Mangel an etatsmäßigen Stellen. Wir waren ja veranlaßt, etatsmäßige Stellen zu schaffen, die wir an sich nicht brauchten, lediglich, um das Avancement besser zu ge⸗ stalten. Wir haben in der Eisenbahnverwaltung Tausende etats⸗ mäßiger Stellen für die Betriebssekretäre machen müssen um nur etwas Luft zu schaffen. Jetzt ist das abgeändert, wir haben jetzt in allen Ressorts gewisse Festsetzungen, die auf genauer Kalkulation des dauernden Bedürfnisses an etatsmäßigen Stellen beruhen. Es gieb eben kein Recht auf den Staatsdienst, ebenso wenig wie ein Rech auf Arbeit. Wer sich einem Berufe widmet, der überfüllt ist, der muß auch die Folgen tragen. Das kann man nicht ändern. Sonst würde ja die Staatskasse eine Versorgungsanstalt, sonst würden wir immer mehr und mehr Gefahr laufen, die Frage so zu behandeln, als wenn das preußische Volk hauptsächlich die Aufgabe hätte, Beamten stellen zu bewilligen. Ein System nun, nach welchem denfcmigen, due wegen Ueberfüllung auf Anstellung warten mußten nacder die Dienstzeit anzurechnen wäre, würde eine Erncucrung des dem mir als unglücklich bezeichneten früheren Verfahrenk senn. Ich kann nur dringend bitten, einen solchen Antrag abzuctgen Ich glaube auch, bei den Lehrer⸗Aspiranten ist es wirflich neriger mecde wendig als z. B. bei den Juristen oder denjernigen, mlche die Fers⸗ wissenschaft studiert haben. Ein Jurist, cin Neirrender der dem der Regierung zurückgewiesen wird, kann sich nicht gat mit cewmas ndemm beschäftigen; dagegen hat der Pbilcloge, wemm er ruche gleict aneelr

wird, noch immer mehr Gelegendeit, eine emem Berme Dreendhende

Beschäftigung zu finden.

Meine Herren, ich hoff, dad diese ganze Berhandkung burr im Hause zur Beruhigung der Aodrer Miträgt. Gent solche forrgriczar Agitation würde das Anscden, walches dir Brderrmelt besiht und gebraucht, nicht heben, sondern cher derabsetzen. (Sede richcig“) Dir weitaus größte Zadl uncrer pompöcher Lodrer an den döderen Anstalden wird, das hoffe ich und dodon din ich überzengt, ans desen Verdandlungen die Mahnung schörien dCinem zolchen Agitatorenkreise verllei weniger Personen sich cncrgoich zu widercpen. Abgeschen don der Wrrtung auf den Stand und sldst die Schälcr, auf die Frrudigkem, dir gerade ein Lehrer in zoinoem Beruf deoonders daden masß mwerden die Bahm

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