1901 / 66 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 18 Mar 1901 18:00:01 GMT) scan diff

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8 rittenen Pelzlitewken, die Posten

legenen, mit modernen Feuerwaffen und Schnellfeuergeschützen reichlich ausgestatteten Feinde besetzt waren. Der Entschluß, an derartige Positionen heranzugehen, ist ein ernster, namentlich wenn man weiß, daß in Feindeshände fallende Verwundete ohne weiteres in der grau⸗ samsten Weise hingeschlachtet werden. Daß eine gute, in Schützenlinie

formierte Truppe große Schießresultate haben muß, versteht sich für einen

Soldaten von selbst. Die große Zahl der Todten begründet die gute Schießausbildung, unser gutes Gewehr, die Sichtbarkeit und sehr oft die Nahe des Ziels. Wiederholt ist es vorgekommen, daß die Chinesen unsere Truppen in ihren Verschanzungen erwartet und die Flucht erst ergriffen haben, als unsere Truppen in die Verschanzungen eingedrungen waren. Daß in solchen Fällen das Verfolgungsfeuer bis zur Ver⸗ nichtung des Gegners führen kann, ist bekannt.

ie Frage des Herrn Abg. Bebel, weshalb wir auch gegen chinesische Truppen kämpften, läßt sich damit erklären, daß dieselben, vom Lande lebend und scheinbar ohne gemeinsamen Oberbefehl, von Räuberbanden kaum zu unterscheiden sind. Innerhalb des inter⸗ nationalen Occupationsgebietes werden sie daher, wie die Boxer, als

Eindringlinge behandelt.

Besonderes Interesse ist von einigen Rednern den sanitären Verhältnissen entgegengebracht worden. Das ist mir sehr begreiflich, und ich bitte daher, hierauf etwas ausführlicher eingehen zu dürfen. Die bei dem Expeditionskorps den Landtruppen vor⸗ handenen Sanitätsformationen bestehen aus einer Sanitäts⸗Kompagnie, sechs Feldlazarethen, dem Kriegs⸗Lazarethpersonal, einem Lazareth⸗ Reservedepot und einem Armee⸗Lazarethschiff (Wittekind“), bemessen für die Stärke eines Armee⸗Korps. Die Marine hat eine Sanitäts⸗Kompagnie, ein Feldlazareth, ein Marine⸗Lazareth⸗ schiff („Gera“) und außerdem das Vereinslazareth des Rothen Kreuzes und das von der Hamburg⸗Amerika⸗Linie zur Verfügung gestellte Lazarethschif†f „Savoya“. Letzteres ist von Marine⸗Sanitäts⸗Offizieren eingerichtet und mit Personal der frei⸗ willigen Krankenpflege ausgestattet. Aus diesen Formationen sind folgende Lazarethe entstanden: in Tientsin vier große Lazarethe mit Platz für 1000 Kranke, Lazareth Nr. 4 ist Genesungsheim; in Peking zwei große Lazarethe und ein Marinelazareth mit zusammen 550 Betten, in Paoting⸗fu ein großes Lazareth für 300 Betten. Außerdem bestehen drei größere Etappen⸗Lazarethe mit je 30 bis 80 Betten, und an den Verbindungsstraßen von Tientsin nach Peking und Paoti g⸗fu, und von Tongku nach Schanhaikwan noch sechs kleinere Lazarethe, denen sich vier an Zwischenposten unter Sanitäts⸗Unteroffizieren an⸗ schließen. In Schanghai werden die Kranken dem dortigen Hospital überwiesen: ein Sanitätsoffizier versieht den Dienst bei den dortigen Ersatzkompagnien. Die Evakuierung der Kranken findet nach den Lazarethschiffen und durch diese in die Genesungsheime in Japan und in Tsingtau statt. Ein solches Genesungsheim befindet sich seit Anfang Dezember auch in Kobe, ein zweites bei Pokohama das in Kobe für die Armee, das bei Yokohama für die Marine. Auf allen Lazarethschiffen befanden sich am 31. Dezember v. J. 260 Kranke.

Der Gesundheitszustand des Exeditions⸗Korps wird nach den Berichten als ein durchaus günstiger geschildert; er hat sich mehr und mehr gebessert. Ausführlich wird vom 31. Dezember v. J. hierüber wie folgt berichtet.

„Der Gesundheitszustand des Erpeditionskorps ist im Ganzen als günstig zu bezeichnen, namentlich wenn man die beiden See⸗ bataillone ausnimmt, die sehr unter Typhus zu leiden haben.

Zu Anfang wurde das Gesammtkrankheitsbild sehr bald durch zahlreiche Ruhrerkrankungen beherrscht, deren Entstehung den unge⸗ sunden Wasserverhältnissen in China zuzuschreiben ist. Gegen diese richteten sich daher sofort die sanitären Maßnahmen, wie überhaupt schon bei der Ausrüstung der Erpedition der Wasserfrage die größte Aufmerksamkeit geschenkt war.

Berkefeld⸗Filter, Wasserkocher, Chemikalien und Abesspnier⸗ brunnen waren den Truppen und Sanitätsformationen in aus⸗ reichender Menge mitgegeben, außerdem war für die Geschmacks⸗ verbesserung des durch Abkochen fade gewordenen Wassers gesorgt.“

Aus den weiteren Mittheilungen ergiebt sich, daß, als dank der getroffenen Maßnahmen und der kühleren Witterung die Ruhr nach⸗

ließ, sich allmählich der Typhus einstellte. Die Charakteristik dieser

Krankheiten ist folgende: Bei beiden Krankheiten fällt mehr als die Zahl der Befallenen die Schwere des Verlaufs auf, sowohl was die lange Dauer der Rekonvalescenz als auch die Mortalität betrifft. Die Mortalität ist höher, als sie bei Friedensepidemien beobachtet ist, wenngleich auch unter diesen wesentliche Verschiedenheiten vorkommen. Ebenso zieht sich die Rekonvalescenz mehr in die Länge als sonst; ein be⸗ trächtlicher Theil der noch in Behandlung Befindlichen ist that⸗ sächlich außer Gefahr. Eine weitere deutliche Beeinflussung der Erkrankungsziffer fand durch zahlreichere Krankheiten der Athmungs⸗ werkzeuge statt, welche zum theil auf die kalten Sandstürme zurück⸗ geführt wurden.

Eine Zusammenstellung für den 31. Dezember 1900 giebt folgende allgemeine Uebersicht über die Erkrankungsziffern:

Die Zahlen beziehen sich auf die Exeditionskorps der Armee und Marine zusammen. Lazarethschiff und Genesungsbeim Kobe sind nicht mitgerechnet.

48 In Lazarethbehandlung am 31. Dezember 1900 1174 Mann (hört! hört!), im Revier 405, in Summa 1579 Kranke. (Hört! hört!) Davon leiden an Ruhr 106, an Typhus 425, zum theil Rekonvalescenten. Die meisten Kranken sind in Tientsin: nämlich 669.

Gestorben sind bis zum 31. Dezember 1900 im Ganzen 154, davon 47 Marine⸗Infanterie, diese meist am Typhus, davon an

Ruhr 36, am Typhus 82, an Schußverletzungen 8 (und zwar 4 aus

Gefechten).

Nach Ansicht kompetenter Aerzte ist diese Krankenziffer keine ungünstige. Wir waren auf mehr Kranke gefaßt, und ist deshalb für 3000 Kranke Vorsorge getroffen worden. Was die Unterkunft der Truppen anbelangt, so liegen sie jetzt sämmtlich in festen Räumen. Diese bestehen theils aus europäisch gebauten Häusern, theils aus besonderen Lehmbambusbaracken und chinesischen Pamen, deren Papier⸗ theile (Wände und Fenster) durch Backsteinmauern bezw. Glasfenster ersetzt sind.

An Verbesserungen wurden angebracht Ventilationsklappen, Dielung der Fußböden, Aufstellung von Backstein⸗ und eisernen Ger⸗ mania⸗Oefen.

Die Bekleidung hat vollständig genügt. Für den Winter hat jeder Mann zwei große Ziegenfelle und zwei Bettdecken, die Be⸗ Pelzmäntel. Die Verpflegung 8 8

at

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niemals versagt. Es war ein Vorrath auf sieben Monate mitgegeben

worden und sollte nur das frische Fleisch an Ort und Stelle gekauft werden. In dieser Beziehung drohte kurze Zeit eine Gefahr durch die in Schanghai aufgetretene Rinderpest. Dieselbe wurde jedoch zur rechten Zeit erkannt und durch Ober⸗Stabsarzt Kohlstock durch Impfung wirksam bekämpft. Jetzt befinden sich in Schanghai ein Sanitätsoffizier und ein Roßarzt zur Untersuchung und Impfung des Schlachtviehes. Die Wasserversorgung hat, wie ich bereits erwähnte, sehr große Schwierigkeiten gemacht. Der Boden ist so verseucht, daß es nicht möglich gewesen ist, auch nicht durch bis auf 25 m Tiefe getriebene Bodenschachte auf wirklich brauchbares Wasser zu kommen. Es ist deshalb nothwendig, das Wasser stets zu kochen und zu filtrieren. Um die Verbreitung von Ruhr und Typhus zu hindern, wurden Des⸗ infektionsanstalten eingerichtet und für regelmäßige Abfuhr gesorgt. Ich glaube, diese Verhältnisse sind so befriedigende, daß man Allen, die hierbei mitgewirkt haben, nur warm danken kann, und daß sich namentlich unsere Aerzte wieder vorzüglich bewährt haben.

Ich muß nun im Interesse unserer Truppen noch das Thema der Hunnenbriefe berühren. Die in China eingeleiteten Recherchen sind zu einem gewissen Abschluß gelangt. Wenn auch die Details noch fehlen, da die Berichte noch unterwegs sind, so hat doch der Feld⸗ marschall Graf Waldersee auf meine Bitte in einer ausführlichen Depesche über diese Verhältnisse berichtet. Diese Depesche bitte ich wörtlich vorlesen zu dürfen, sie giebt einen vollständigen Ueberblick:

Hunnenbriefe enthalten größtentheils nicht Selbsterlebtes, son⸗ dern phantasievolle Uebertreibungen aus Zeit bis zur Einnahme Pekings, an der deutscherseits nur schwache Landungsabtheilungen betheiligt. Damalige umfangreiche Verwüstungen, größten⸗ theils von Boxrern veranlaßt, haben sich später nicht wiederholt. Bei Gefechten nahmen stets rechtzeitig zurückgehende Boxer oder Truppen Verwundete mit sich; deshalb fast nie Gefangene. Wo überraschte Truppen sich ergaben, wurden sie nach Entwaffnung entlassen. Gefangene Borer werden standrechtlich und nur dann verurtheilt, wenn Verbrechen zweifellos vorliegen. Ebenso wird mit den hier in jedem Winter landesüblichen Räuberbanden verfahren. Höchste chinesische Behörden dringen auf häufigere Todesstrafen, sind gegen milderes Verfahren vorstellig geworden. Einzelne vor⸗ gekommene Ausschreitungen wurden streng bestraft.

Der Feldmarschall wendet sich nun den verschiedenen Schreiben zu, die ich in der Angelegenheit an das Oberkommando gerichtet habe. Zu dem Schreiben vom 29. November ich hatte damals 15 Zeitungsausschnitte und die Reichstagsverhandlungen übersandt und angefragt, ob Briefe verboten und die Korrespondenzen nur auf Post⸗ karten beschränkt wären.

Eine der großen, Peking in erster Zeit nach Einnahme brand⸗ schatzenden Räuberbanden wurde theils von amerikanischen, theils deutschen Truppen auf frischer That ergriffen und mit Ausnahme jugendlicher Theilnehmer erschossen, worauf Bevölkerung für wieder⸗ hergestellte Sicherheit dankte. Armeebefehl vom 11. 10. befahl Schutz der friedfertigen Bevölkerung, aber Strenge gegen Borer, die auf dem Lande zerstreut Dorfschaften terrorisierten, plünderten, mordeten und gegen Verbündete heimtückischen Guerillakrieg führten, indem sie beim Herankommen von Truppen Waffen und Abzeichen ablegten. Von Ortsbehörden ausgelieferte Boxer wurden stand⸗ rechtlich abgeurtheilt.

Beschränkungen des Briefverkehrs sind nicht erfolgt, dagegen hat Kommandeur des Expeditionskorps gedroht, Briefschreiber für Veröffentlichung aus ihren Briefen verantwortlich zu machen.

Der nächste Passus des Telegramms schließt an mein Schreiben vom 27. Dezember an. Mit diesem war ein Zeitungsausschnitt ein⸗ geschickt worden, der behauptete, daß 60 mit der Boxerbekämpfung beschäftigt gewesene chinesische Soldaten erschossen worden wären. Es sollte ferner schonungslose Plünderung der chinesischen Bevölkerung, Tödtung von 30 Chinesen und die Freilassung von 300 gefangenen Chinesen gegen Zahlung von 20 000 Taels stattgefunden haben.

Bei Yungbinghsien, nicht Lungshing hat Gefecht stattgefunden, da die im Ort bei früherer Anwesenheit Verbündeter versteckt ge⸗ haltenen Truppen, vor dem Thore exerzierend, durch eine deutsche Kolonne überrascht wurden und Feuer eröffneten. Bei darauf fol⸗ gendem Häuser⸗ und Straßenkampf war unvermeidlich, daß auch Unbetheiligte umkamen. Alles andere, wie Plünderung, Lösegeld für Gefangene, beruht auf lügenhafter Darstellung eines Man⸗ darinen, der dadurch Ermäßigung einer früher von Engländern auf⸗ erlegten Kontribution zu erreichen hoffte. Eingehendste Untersuchung hat stattgefunden, schriftliche Beantwortung am 12. und 21. Fe⸗

Der Schluß laute:: v“

Ueber Gegenstand der Schreiben vom 9.,112., vom 19. und 22. Januar Ermittelungen noch im Gange.

Eine unmittelbar darauf eingetroffene weitere Depesche des Grafen Waldersee antwortet auf das Schreiben des Kriegs⸗Ministeriums vom 9. Dezember: auch der Vorfall, welcher bei der Kolonne von Ketteler vorgekommen sein solle, sei unrichtig dargestellt. Es werde gegen die betreffenden Zeitungen seitens des Oberkommandos Strafantrag gestellt.

Ich bin hiernach nunmehr in der Lage, wenn derartige Artikel in den Zeitungen sich wiederholen, auf Grund dieser Mittheilungen Strafanträge zu veranlassen und dem vom Herrn Abg. Bebel geäußerten Wunsch zu entsprechen; auch habe ich den be⸗ treffenden Offizieren des Exeditionskorps anheimgegeben, ihrer⸗ seits sofort telegraphisch Strafanträge hierher gelangen zu lassen. Im übrigen habe ich auch eine ganze Reihe von Briefen gesammelt, die inzwischen aus China eingegangen allseitig der Empörung Ausdruck geben, daß derartige Berichte über die deutschen Truppen verbreitet werden konnten. Aus diesen Briefen, namentlich aus solchen von Offizieren und älteren, erfahrenen Leuten, ergiebt sich, daß die Behandlung der Chinesen im allgemeinen als zu milde be⸗ zeichnet wird. Ein Leutnant schreibt:

Die armen Chinesen, heißt es immer. Wenn wir nicht ganz anders verfahren, kann uns noch mancherlei passieren.

Ein Berichterstatter schreibt:

Das Ganze ist eine Kette übertriebener Rücksichtnahmen, die die Folgen der Aktion in Frage stellen müssen.

Ich meine, daß derartige Kundgebungen mehr werth sind als jene seinerzeit in der Presse publizierten.

Ich will heute auf die Vermuthungen, die aus diesen Briefen über die sogenannten „Hunnenbriefe“ herausklingen, nicht eingehen; wenn sich diese Vermuthungen aber rechtfertigen sollten, dann würde

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es mir eine besondere Freude sein, die Betreffenden belan gen 2. (Bravo!) zu fönner

Abg. Richter: Ueber die Einiährig⸗Freiwilligen vermisse; gewünschte Auskunft; die jungen Leute sollen sich selbst völli jich dee klaren über das Ende ihrer Dienstzeit befinden. Die Naecsenh. Verstärkungen nach dem Falle Pekings war mindestens aueng vor Von den 90 000 Mann, die im Ganzen als Besatzung in A genommen waren, sind nur noch 64 000 übrig. Ich nehme Asfich sich diese Ziffern nur auf Petschili beziehen. Die Zahl der Enan⸗ dasß mit 12 000 Mann steht erst in dritter Reihe, während . doch bei der Bedeutung seiner chinesischen Beziehungen in erster Mh stehen müßte. Die von England aufgewendeten Kosten sind Abenn

eringer als die unsrigen. Die jetzt noch erforderlichen Streif 2 willigkeit unserer Truppen erkenne ich vollständig an. Ue Gesundheitszustand haben wir nun ganz klare Ietern Die de bei einer Stärke von 17 000 Mann Landungskorps erscheinen

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cheinen nur von deutschen Truppen besorgt zu werden. Die ehüe

dings etwas hoch, und der Wunsch nach baldiger Beendigung der

Expedition wird dadurch noch verstärkt.

Direktor im Kriegs⸗Ministerium, Generalmajor von Ei 1 Einen Meine Herren! Der Herr Abg. Richter hat gefragt, wie

mit den Einjährig⸗Freiwilligen stände, die mit unseren

Expeditionskorps nach China gegangen sind. Die Sache

sehr einfach. Damals, als wir das Expeditionskorps bildeten, haben zur Theilnahme an diesem auch einjährig⸗freiwill

ner ute gemeldet. Sie sind von uns aber nur unte derselben Bedingung angenommen, wie jeder Andere, nämlich, das

dienende sie auf ein Jahr in der gewöhnlichen Art der Kapitulations⸗V handlungen kapitulierten. Sie haben sich also einfach verpflichte weiter zu dienen über den Entlassungstermin hinaus, vom 1. Oktob 1900 bis 30. September 1901. Diese Einjährig⸗Freiwilligen werd also wie jeder andere Mann, wenn sie nicht weiter kapitulieren,; diesem Termin entlassen werden. Bezüglich der Stärke der englische Truppen möchte ich bemerken, daß die Engländer ja bedeutend Reserven in Hongkong und Schanghai haben, daß sie ferner in üa Lage sind, jeder Zeit auf Indien zurückzugreifen, sodaß ei Vergleich mit unserer Stärke nicht ohne weiteres gemacht werden kann. Der Herr Abgeordnete hat dann erklärt, daß ihm schiene, als ob bei den Streifzügen, welche der Fei marschall Graf Waldersee veranlaßt hat, nur deutsche Truppen i Frage kämen. Das ist nicht richtig. Der Feldmarschall berichtet aut nicht bloß über Streifzüge deutscher Truppen, sondern er fügt in der detaillierten Angaben an das Kriegs⸗Ministerium immer genau hinz⸗ wie die Kolonnen zusammengesetzt sind. Es sind bei allen Kolonner stets italienische, österreichische oder amerikanische Truppen gewesen un bei der größeren Expedition nach ö wie die Herren wisse werden, ein großer Theil französischer Truppen. Was die Krankenzat des Expeditionskorps betrifft, so bezieht sie sich nicht nur auf d Landarmee, sondern auch auf die See⸗Bataillone und die Mannschaft der Flotte, die in China sind. Es würde also nicht ein so hoher Prozentsatz an Kranken herauskommen, wie der Herr Abg. Richter gemeint hat. Abg. Bebel (Soz.): Der Kriegs⸗Minister spricht von chine schen Truppen, welche keinem einheitlichen Oberbefehl zu gehorchen scheinen, welche mit Boxerbanden zusammen operierten, und gege welche die Expeditionen weiterkämpfen müssen. Das stimmt nict mit anderen Mittheilungen, die wir erhalten haben. Auffallend seine Erklärung, daß die chinesischen regulären Truppen eigentlich auch nichts Anderes als Räuberbanden seien. Eine aus Infanterie und Kavallerie kombinierte Truppe muß doch auch unter einem einheitliche Oberbefehl stehen. Bei den letzten Kämpfen wird imme nur von Todten gesprochen, von Verwundeten hört man nie etwas Hat Graf Waldersee noch heute über die gesammten verbündete Truppen zu befehlen? Von den russischen, französischen und amerte nischen Truppen hat in dieser Hinsicht in letzter Zeit garnichte mir verlautet. Die amerikanische Regierung soll ja ihren Gesmdten beauftragt haben, zu bewirken, daß das amerikanische Kanti

bis auf 100 Mann China schleunigst verlasse. Amerk

doch dort die allerbedeutendsten Interessen. Offenber könnte eine viel kleinere Zahl für die Oeccupation ausreichen. Das Ver⸗ bleiben der gesammten Truppen in China kann nur die Verbitterun der Bevölkerung steigern. Englands Handel ist doch 20 bis 0 nal so groß wie der deutsche. Thatsächlich sind wir den Ausländern dorch das ungewöhnlich große Aufgebot deutscher Truppen zu Hilse ge kommen und sparen den Engländern sogar einen Theil der Kesten Daß deutscherseits Provokationen der allerschlimmsten gegen die Chinesen vorgekommen sind, ist ja auch f

Die Prüfung der age der „Hunnenbriefe“ kann ven Grafen Waldersee bis jetzt noch nicht mit der erforderlichen Gründlit keit besorgt worden sein. Wenn die Anklagen erhoben werden soll so bitte ich doch den Kriegs⸗Minister dringend, ohne Ansehen der Person, d. h. ohne Ansehen der Blätter, zu verfahren; nicht all die sozialdemokratischen, sondern auch die Kreis⸗, die konserwative nationalliberalen und ultramontanen Blätter zu verklagm, d solche „Hunnenbriefe“ gebracht haben. Es giebt Leute, nelc behaupten, wir, unsere Partei, hätten die in China

lichen Parteigenossen veranlaßt, solche Briefe zu schreiben. solchen unsinnigen Gedanken zur Verwirklichung zu bringem. ke uns garnicht einfallen. Die meisten Briefschreiber sind 7 erfahrene Leute, welche überhaupt noch keiner Partei sich angeche haben. Gewisse Gedichte, welche man den abfahrenden Manrsche nach China mitgegeben hat, erklären durch ihren Inhalt mantes de den vorgekommenen Scheußlichkeiten.

Damit schließt die Diskussion. Die Ausgaben der der

8 8. . 0 44 Verwaltung des Reichsheeres im Betrage von 101 300 000. werden bewilligt. Bei der Ausgabe von 19 Millionen dei de Marineverwaltung bemerkt der

Abg. Eickhoff (fr. Volksp.): Am 1. Juli 1900 wurde das erste See⸗Bataillon nach China entsandt, die vierzig Einjäbrig mußten mit. Sind diese jetzt zurückzukehren berechtigt? 1

Staatssekretär des Reichs⸗Marineamts, Staats⸗Minister Vize⸗Admiral von Tirpitz:

Meine Herren! Für das Marine⸗Expeditionskorps, bestebend a den beiden Seebataillonen, liegen die Verhältnisse etwas anders mn bei der Armee. Wir haben die beiden Seebataillone seinerzeit mor⸗ gemacht, sie aber nicht aufgefüllt mit Reserven, sondern durch freiwill Mannschaften, die sich aus der Armee meldeten. Da die beiden Seebataille mobil gemacht worden sind, lag keine Veranlassung zu der Frage vor, die Einjährig⸗Freiwilligen mitgehen wollten oder nicht, und ein B - dazu, die Freiwilligen zu fragen, liegt nicht vor. Nachdem die wickelung und Aufstellung des Expeditions⸗Korps der Armee sich so gestaltet hat, daß eine Ablösung für den Herbst vorgesehen ist auch seitens der Marine⸗Verwaltung ein entsprechender Posten in der Etat eingesetzt worden, und werden die Mannschaften in gleicher We abgelöst werden, wie die von der Expedition der Armee.

Auf eine Bemerkung des Abg. Richter entgegnet der ScStaatssekretär des Reichs⸗Marineamts, Staats⸗Minister Vize⸗Admiral von Tirpitz: *

Meine Herren! Da die Truppen mobil gemacht sind, ist uber haupt der Fall der Ablösung zunächst nicht vorgesehen worden, L die Mannschaften bleiben so lange draußen, bis sie abgelöst smn⸗ Wir werden, nachdem die Armeeverwaltung durch Aufstellung des Armee⸗Expeditions⸗Korps einen anderen Modus angenommen hat, de gleiche Ablösung vornehmen wie bei der Armee.

eintritt. (Schluß in der Zweiten Beilage.)

Abg. Richter hält es für nöthig, daß auch zu Ende März Ablösunz

8⸗Anze

Deutschen Reich

Staatssekretär des Reichs⸗Marineamts, Staats⸗Minister,

Vize⸗Admiral von Tirpitz. 1 .

Ein Recht zur Ablösung haben unsere Einjährigen nicht; denn die See⸗Bataillone sind thatsächlich in der Weise, wie ich vorhin dar⸗ gelegt habe, mobil gemacht worden. Wenn die Einjährigen der Armee jetzt abgelöst werden, werden diejenigen der Marine auch ab⸗

zst werden, und wenn sie im Herbst abgelöst werden, werden die⸗ jenigen der Marine auch im Herbst abgelöst werden. Die Unsicherheit ist dadurch entstanden, daß man nicht wissen konnte, wann die Expedition ihr Ende erreicht haben würde.

Der Titel wird bewilligt, ebenso der Rest des Etats für die ostasiatische Expedition. 8 8 . die Nach dem Etatsentwurf sind an außerordentlichen Deckungsmitteln aus dem ordentlichen Etat zur weiteren Ver⸗ minderung der Reichsschuld 9 342 235 vorgesehen. Nach dem Ergänzungs⸗Etat soll dieser Posten in Einnahmen und Ausgaben gestrichen werden.

Abg. Richter beantragt, den Posten im Etat zu belassen und für die entsprechenden Summen die Cinzelstaaten durch entsprechende Erhöhung der Matrikularbeiträge zu belasten.

Königlich baverischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Ministerial⸗

rath von Stengel bekämpft namens seiner Regierung unter Be⸗ ufung auf die Spannungstheorie den Antrag und ersucht das Haus um Ablehnung desselben. 81

Abg. Müller⸗Fulda (Zentr.) empfiehlt den Antrag aus Zweck⸗ mäßigkeitsgründen, die aus den Verhältnissen dieses Etatsjahres her⸗ zuleiten seien. 11“ b

Abg. Richter: Gerade die Konseguenz dieses Standpunktes müßte dazu führen, die Deckung dieses Betrages nicht auf Anleihen, sondern auf Matrikularbeiträge zu verweisen. In diesem Jahre sind leztere den Ueberweisungen gleich, während sie im Vorjahre über die Ueberweisungen um 13 Millionen hinausgingen. Die einzelnen Staaten würden also bei Annahme dieses Antrages noch um 0 Millionen besser gestellt sein als im Vorjahre.

Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts Freiherr von Thielmann:

Meine Herren! Ich möchte mich der von diesem Tisch aus bereits giußerten Bitte, dem Antrag des Herrn Abg. Richter nicht beizu⸗ iten, anschließen. Was er bezweckt, ist an und für sich etwas ganz Binschenswerthes, nämlich die Verringerung der Reichsschuld; aber ich

uiß darauf hinweisen, gewissermaßen vorgreifend der zweiten Be⸗

mung des Restes des ordentlichen Etats für 1901, die auf unserer gtigen Tagesordnung steht, daß der Titel zur Minderung der

Lichsschuld durch die Beschlüsse der Budgetkommission schon eine Zu⸗ abme von rund 10 Millionen erfahren hat. Also das Resultat, was ie Verminderung der Reichsschuld anbetrifft, wird nach den Be⸗ sclüssen der Budgetkommission, falls sie vom hohen Hause gut⸗ geheißen werden, noch ein weit günstigeres sein, als im Etat ver⸗ anschlagt vorlag.

Des ferneren muß ich aber auch bemerken: es ist vollkommen iichig, daß wir bei den früheren Nachtrags⸗Etats einfach die Matrikularbeiträge erhöht haben. Das letzte Mal, als ich selbst Staatssekretär war, geschah es aber in der Weise, daß diese Ausgaben nur subsididär auf die Erhöhung der Matrikularbeiträge angewiesen wurden, subsididär insofern, als die Mehreinnahmen des Reichs an erster Stelle die Deckung liefern sollten.

Also ich möchte Sie bitten, wegen dieser verhältnißmäßig kleinen Summe, die in den Abstrichen der Budgetkommission ihre Deckung mehrfach bereits gefunden hat und hoffentlich durch die Beschlüsse des hohen Hauses auch endgültig finden wird, nicht ein Prinzip zu ver⸗ lassen, das von manchen Mitgliedern dieses Hauses allerdings nie ausdrücklich gutgeheißen, im Gegentheil angefochten worden ist, aber doch sieben Jahre lang schon besteht und im allgemeinen gut ge⸗ arbeitet hat zum Wohl des Reichs, wie zum Wohl der verbündeten Regierungen.

Königlich baverischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Staats⸗ rath Freiherr von Stengel: Die Einzelstaaten stehen nicht um 13 Millionen besser nach dem vorgelegten Etat. Thatsächlich stehen sich die Bundesstaaten in diesem Jahre um 13 Millionen schlechter.

Abg. lw. Paasche (nl.): Die Spannungstheorie als solche haben wir niemals anerkannt; wir wollen die Freiheit behalten, die Matrikularbeiträge herauf⸗ und herunterzusetzen. Aber aus praktischen Gründen stimme ich mit dem Abg. Müller⸗Fulda in der Ablehnung des Antrags Richter überein. Die Einzelstaaten haben sich auf diesen Ausfall nicht eingerichtet. Wir haben doch auch die Hoffnung, unsere Kosten von China wiederzubekommen. .

Abg. Müller⸗Fulda: Auch der Abg. Lieber hat sich niemals festgelegt auf eine automatische Regulierung der Ueberweisungen und Matrikularbeiträge. Wir haben ja Finanzreformen, die darauf basierten, mehrmals abgelehnt. Nur aus Zweckmäßigkeitsgründen wollen wir diesmal von der Schuldentilgung absehen. 3

Abg. Richter: Dann würde doch immerhin 22 sein, meinen Antrag dahin zu modifizieren, daß die Matrikular beiträge nicht er⸗ hoben werden, wenn der Bedarf überdeckt wird.

Der Antrag Richter wird abgelehnt und der Wegfall der Position beschlossen. 1

Darauf wird die zweite Berathung des Reichshaus⸗ halts⸗Etats für 1901 fortgesetzt und die Diskussion über die Forderung von 150 000 als erste Rate für den Wieder⸗ aufbau der Hohkönigsburg wieder aufgenommen.

„Abg. Vonderscheer (ba k. F.): Als die Stadt Schlettstadt dem Kaiser die Hohkönigsburg zum Geschenk machte, sollte dies eine Huldigung an den Träger der Kaiserlichen Gewalt sein. Damit ist das Reich in engere Beziehun zur Hohkönigsburg getreten. Ich kann die von zahlreichen ehas von Schlettstadt e’ Petition um Bewilligung der Hohkönigsburg Kredite nur empfehlen. Ich persönlich wünschte sogar, es würde der ganze Wiederaufbau vom Reiche übernommen. Es ist aber auch sonst ganz gut, da sich das Reich an dem Wiederaufbau betheiligt. Auch unser weltberühmtes Bauwerk, das Straßburger Münster, ist einer Renovierung sehr bedürftig. Die zur Verfügung stehenden Fonds sind absolut unzureichend, und ich zweifle nicht daran, daß die Reichslande seiner Zeit sich mit einem Ersuchen um Beihilfe an das Reich bezw. den Feicsees⸗ wenden werden.

Abg. Dr. Arendt (Rp.): Nachdem der elsässische Landesausschuß mit allen gegen zwei Stimmen die Hälfte der Mittel zur Wieder⸗ errichtung der Hohkönigsburg bewilligt hat, kann der Reichstag nicht zurückstehen. Badurch wird auch zugleich eine innige Verbindung

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Berlin, Montag, den 18. März

zwischen den Reichslanden und dem Reichstag bergestellt. Der Redner polemisiert sodann gegen die Ausführungen der Abgg. Bindewald und Blos in der Sitzung vom Freitag und betont, daß politische Rücksichten, wie die Beseitigung des Diktaturparagraphen ꝛc., hier nicht in Frage kämen. Der Reichstag habe erst in der vorigen Session die Bewilligung von 50 000 zu einem Goethe⸗Denkmal in Straßburg verweigert. Er würde sich ein gleich beschämendes Zeugniß ausstellen, wenn er jetzt auch die Forderung für die Hohkönigsburg ablehnen würde.

Abg. Dr. Müller⸗Sagan E(fr. Volksp.) bezeichnet die Forde⸗ rung als nach allen Gesichtspunkten unbegründet, verwahrt aber zu⸗ gleich die Gegner derselben gegen den schon vielfach in der Oeffentlichkeit laut gewordenen Vorwurf, als ob sie von republikanischen Anschauungen beherrscht würden. Es sei für die Forderung viel Reklame gemacht worden, nicht zuletzt auch hier im Reichstag durch ausgelegte Pläne und Zeichnungen. Was jetzt der Hohkonigsburg recht sei, sei allen anderen Burgruinen später billig. Es sei nicht ausgeschlossen, daß eine Reihe von Städten und Kommunen sich beeilen würde, ihre Ruinen dem Kaiser zu schenken, wodurch die Möglichkeit entstehe, daß der Reichstag auch noch für den Wiederaufbau⸗anderer Ruinen angegangen werde. Im Landes⸗ Ausschuß hätten nicht nur zwei, jondern sieben Mitglieder gegen die Forderung gestimmt, und zwar seien das gerade Mitglieder aus der nächsten Nähe der Hohkönigsburg gewesen, so aus Colmar u. s. w.

Abg. von Vollmar (Soz.): Wir sind nicht gegen die Ver⸗ ausgabung von Reichsmitteln für künstlerische Zwecke, im Gegentheil sind uns gerade solche Ausgaben sehr sympathisch bei dem Mangel des Etats an Forderungen, die zu bewilligen auch nach unserem Geschmack wäre. Wir haben seiner Zeit. auch für den Antrag zum Goethe⸗Denkmal gestimmt. Es giebt freilich erheblich wichtigere ideale Forderungen, welche dem Volk weit unmittelbarer zu gute kommen würden, so auf dem Schulgebiet, womit wir ja im Reichs⸗ Etat nichts zu thun haben. Für die Erhaltung künstlerisch und historisch werthvoller Bauwerke würden wir auch zu haben sein. Aber darum handelt es sich bei dieser Hohkönigsburg garnicht. Herr Arendt meinte, es handle sich garnicht darum, die aältere Burg wieder aufzubauen, sondern die späterhin als Grenzveste aufgerichtete Burg. Nach meinem Wissen will man doch die Burg in spätgothischem Stil aufbauen; ferner wird das, was die Ruine an künstlerischem Werth aufzuweisen hat, durch den Wiederaufbau nicht konserviert, sondern im Gegentheil zerstörtR. Alle solche Rekonstruktionen bleiben Phantasie⸗ produkte, moderne Bauten, welche den falschen Schein des Alterthums erwecken. In den Fachkreisen ist man in der Verurtheilung solcher Restaurierungen einig. Wir wünschen nicht, daß die falsche Romantik und das scenische Moment, welches in unserem öffentlichen Leben schon eine so aufdringliche Rolle spielt, auch auf diese Bauten übergreifen. Gestern hat man sogar von der Hebung des; remdenverkehrs gesprochen. Das können wir überhaupt nicht ernst nehmen. Die Interessen des Elsaß treten bei dieser Affaire in ein eigenthümliches Licht; wesentlich ist man dort bei der Bewilligung von dem Gesichtspunkt ausgegangen, daß sich politische Vortheile dafür einhandeln lassen würden. Die wieder ausgebaute Hohkönigsburg soll ein Denkmal für die allzeit untrennbare Wiederverbindung des Elsaß mit Deutschland sein. Das sind tönende Redensarten ohne jede materielle Be⸗ deutung. Im ganzen Reiche ist niemand gewesen, der sich für die Rekonstruierung der Hohkönigsburg interessiert hätte. Die Sache ist erst aufgetaucht in dem Momente der Schenkung an das Reichs⸗ oberhaupt, und das ganze krankhafte Suchen nach Gründen zeigt uns, daß lediglich die höheren Rücksichten, die Rücksichten auf die Stimmung an einer höheren Stelle ausschlaggebend sind Diese Person ist aber zugleich Besitzer der Burg, und es ist ohne Vorgang, daß ein Privat⸗ besitzer sich für die Kosten der Restaurierung an den Geldbeutel der 5 F s „8 2 F 2 1 8 8 oso 51 Steuerzahler wendet. Einem solchen Verfahren sollte das Gesetz Einhalt gebieten; aber wenn das nicht der Fall ist, sollte der Be⸗ sitzer selbst davon abstehen. Ludwig II. von Bayern, was für Ge⸗ danken auch in seinem schon damals erkrankten Gehirn vorgekommen sind, auf den Gedanken ist er nicht gekommen, sich seine Schlösser vom Lande bezahlen zu lassen! Daß gerade die Zentrumspartei dadurch, daß ein Theil für die Forderung stimmt, seine Sparbestrebungen desavouiert, verstehe, wer kann. Herr Oertel spricht vom Standpunkt des leichtsinnigen Schuldenmachers, der Schulden häuft, um den

s soj 1 1 Fij M. Portr je Gegenstand seiner Anbetung zu schmücken. Eine Volksvertretung, die 426 8 7; 8 2 84 9 diesen Namen verdient, darf sich nicht dem Verdacht aussetzen, als ob sie ihr Votum von solchen höfischen Rücksichten abhängig machte. Aus allen diesen Gründen werden wir gegen die Vorlage stimmen.

Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:

Meine Herren! Ich muß zunächst einen Irrthum berichtigen, in dem ich mich gestern befunden habe, wie ich zugestehen muß, auf Grund irrthümlicher Zeitungsnachrichten. Ich habe in meiner Rede angeführt, daß nur zwei Abgeordnete des Elsaß⸗Lothringischen Landes⸗ ausschusses gegen die Vorlage gestimmt hätten. Der Herr Abg. Wetterlé hat die Güte gehabt, mich darauf aufmerksam zu machen, daß es deren sieben gewesen sind. Ich erkenne die Richtigkeit dieser Anführung an und berichtige die meinige.

Es wird darauf hingewiesen von dem Herrn Abg. Müller⸗Sagan, daß es schiene, als ob das Interesse an der Hohkönigsburg zunähme im umgekehrten Quadrat der Entfernung, weil die Vertreter der Wahlkreise in der nächsten Umgebung der Hohkönigsburg gegen die Bewilligung der Forderung im Landesausschuß gestimmt hätten. Das ist indeß für mich kein sachlicher Beweis. Meine Herren, gerade die nächsten Nachbarn sind häufig nicht in besonders freundlichen Ver⸗ hältnissen. Das findet auf Städte Anwendung wie auf Individuen.

Der Herr Abg. Müller⸗Sagan hat gewarnt, man sollte doch dieses Zwing⸗Uri, das in den Zeiten aufstrebender Freiheit vernichtet wurde, nicht wieder aufbauen. Meine Herren, das sieht wirklich so aus, als ob da oben nach Geßler'schem Vorbild so eine Art Gefängniß gebaut werden sollte (Heiterkeit); ich hoffe aber, wenn diese Burg wiederhergestellt sein wird, werden dort oben stets nur fröhliche Menschen verkehren, und daß das historische Verständniß für unsere Vergangenheit durch eine Restauration wie diese wesentlich erhöht werden wird. .

Meine Herren, wenn wir nichts mehr wiederherstellen wollen, was aus den Zeiten des Mittelalters stammt, so müßten wir die Perlen deutscher Baukunst zum großen Theil verfallen lassen. (Sehr gut! rechts.) 8

Es ist auch darauf verwiesen worden, es sei die verfluchte Pflicht und Schuldigkeit der Notablen von Elsaß⸗Lothringen, wenn die Hoh⸗ königsburg wirklich einen solchen hohen Werth hätte, die Kosten⸗ für die Wiederherstellung allein zu bezahlen. Wenn wir alles das, was wir im öffentlichen Interesse auszuführen wünschen, den Notabeln privatim auferlegen wollten, würden die Herren nicht mehr lange Notabeln bleiben. Ich habe einmal von einem sehr reichen Mann in

Deutschland gehört, da wenn, er alles das geben

ite Beilage

iger und Königlich Preufischen Staats⸗Anzeiger

1901.

sollte, was von ihm im öffentlichen Interesse verlangt würde, so müßte er gerade das dreifache Einkommen haben von dem, was er besitze. So kann man also nicht deduzieren, daß jede Sache, die im öffentlichen Interesse nothwendig oder erwünscht ist, von den reichen Leuten eigentlich allein auszuführen sei. Das können Sie nicht ver⸗ langen.

Der Herr Abg. von Vollmar scheint mir nach seiner ganzen Ausführung der kunstästhetischen Partei anzugehören, die aus kunst⸗ zsthetischen Gründen überhaupt gegen alle Restaurationen ist. Ich gestehe zu, das ist eine große Partei, und es lassen sich auch für die Auffassungen dieser Partei gute Gründe anführen. Aber andererseits möchte ich doch daran erinnern, daß auch schon in geradezu glän⸗ zender Weise in Deutschland Bauwerke aus dem Mittelalter wiede hergestellt sind, die sonst wahrscheinlich dem sicheren Verfall entgegen⸗ gegangen wären, und daß in der That unsere Kenntniß vom mittel⸗ alterlichen Bauwesen in den letzten 20 bis 30 Jahren so fortgeschritten ist, daß wir mit einem hohen Maß von Sicherheit Restaurationen vor⸗ nehmen können. Wenn früher eine Anzahl verunglückter Restaurationen in Deutschland stattgefunden haben, so ist das nur ein Beweis dafür, daß man zu der Zeit, wo diese Wiederherstellungen vorgenommen

wurden, noch nicht weit genug in die Kunstgeschichte des Mittelalters eingedrungen war.

Es ist auch auf die Wiederherstellung der Saalburg Bezug ge⸗ nommen. Dieses Beispiel muß ich sagen —, selbst wenn ich auf dem Standpunkt derjenigen stände, die grundsätzliche Gegner von der⸗ artigen Restaurationen sind, halte ich für kein glückliches. Denn gerade die Wiederherstellung der Saalburg und was vorher zu ihrer Wieder⸗ herstellung geschehen ist, hat das Interesse weiter Kreise Deutschlands und namentlich der deutschen Jugend für die Wirksamkeit und die großen Spuren des Römerthums in Deutschland außerordentlich an⸗ geregt, und gerade die Restauration der Saalburg wird für die lernende Jugend das ihr oft trocken erscheinende Studium der Klassiker beleben. Ein Schüler, der jemals auf der Saalburg ge⸗ wesen ist und dort die Restaurationsarbeiten gesehen hat und das, was dort ausgegraben ist, wird mit viel größerem Interesse seinen Cäsar und Tacitus lesen, als vorher. Wie wirksam und bedeutungs⸗ voll die Restauration der Saalburg ist, sehen Sie auch daran, daß die bedeutendsten deutschen Philologen sich ganz außerordentlich gerade für diese Restaurationsarbeiten interessieren.

Es ist auch behauptet worden, es hätte sich eigentlich kein hervor⸗ ragender Kunstkenner für die Restauration der Hohkönigsburg aus⸗ gesprochen. Ich gestatte mir aber, darauf hinzuweisen, daß die Akademie der Bauwissenschaft sich in der That ganz außerordentlich günstig über das Wiederherstellungsprojekt ausgesprochen hat. Und wenn Männer wie Professor Raschdorf, Professor Ende, Baurath Schmieden, Baurath von Großheim, Baurathe⸗Kaiser und Andere sich so außerordentlich günstig über dieses Projekt aussprechen, so meine ich, hat doch dieses Gutachten solcher Männer ein Schwergewicht auch in ästhetischer Beziehung.

Es ist auch gefragt worden, warum die Sache so extraordinär behandelt worden wäre und nicht budgetmäßig wie andere Forderungen. Ja, ich meine, die Sache ist durchaus budgetmäßig behandelt worden. Seine Majestät der Kaiser hat 100 000 aus Seiner Privatschatulle gespendet, um zunächst die nöthigen technischen Untersuchungs⸗ und Aufräumungsarbeiten vornehmen zu lassen. Erst diese Arbeiten haben überhaupt die Grundlage für das ganze Restaurationsprojekt geboten. Daraufhin sind die Projekte aufgestellt worden. Diese sind in viel⸗ facher Gestalt dem hohen Hause vorgelegt worden, in ordnungs⸗ mäßiger und in budgetmäßiger Weise ist schließlich das hohe Haus gebeten worden, einen Beitrag zur Wiederherstellung der Burg zu geben.

Es ist auch eingewendet worden, bisher hätte sich doch niemand um die Wiederherstellung der Hohkönigsburg gekümmert. Ja, meine Herren, ich frage Sie: ist nicht bei allen solchen Restaurierungsarbeiten von irgend einer Stelle der Gedanke und die Initiative zunächst aus⸗ gegangen? Immer sind es z. B. zunächst einzelne Personen gewesen, die dafür eingetreten sind, unsere herrlichen alten Dome zu restaurieren; alte Schlösser wiederherzustellen. Die Initiative ist immer von Einzelnen ausgegangen, und warum nicht das Oberhaupt des Reichs auch eine solche Initiative ausüben soll, das kann ich nicht einsehen.

Es ist eine falsche Darstellung, wenn man behauptet, es handle sich nur um einen Privatbesitz des Reichsoberhauptes. Die Hohkönigs⸗ burg und das ist heute auch wohl von dem Herrn Redner aus Elsaß⸗Lothringen erklärt worden ist Seiner Majestät dem Kaiser von der Stadt Schlettstadt als dem Reichsoberhaupt übergeben, und das Reichsoberhaupt wünscht, daß diese Burg wiederhergestellt wird, und zwar nicht im Interesse der Krone, nicht in einem Privatinteresse, sondern lediglich im öffentlichen Interesse, zum Besten des deutschen Volks und der elsaß⸗lothringischen Bevölkerung.

Es ist auch gesagt worden: wenn ich nichts von den politischen Rücksichten wüßte, wie sie in Elsaß⸗Lothringen gespielt haben, so müßte wohl der Draht nach Straßburg während der Zeit abgerissen sein. Meine Herren, das sind Privatunterhaltungen, die in die Oeffent⸗ lichkeit gedrungen sind, und ich habe bereits in der Kommission gesagt, solche Privatunterhaltungen existieren für mich nicht. Ich halte es für eine bedenkliche Richtung der Zeit, daß man jetzt fortgesetzt mit Privatunterhaltungen arbeitet und diese als politische Momente ver⸗ werthet. (Sehr gut! rechts.)

Ich boffe, diese Neigung wird im deutschen Volk nicht zunehmen; denn dann würden wir, wie ich ebenfalls schon in der Kommission ge⸗- sagt habe, in Zustände kommen, wie sie in den schlimmsten Zeiten der venetianischen Republik bestanden haben.

Schließlich kann ich nur das bestätigen und in diesem Punkte

bin ich mit dem Herrn Abg. Wetterlé einer Ansicht: die Restau⸗ 8.

ration der Hohkönigsburg und die Bewilligung der Mittel dazu 8 darf unter keinen Umständen mit irgend welchen politischen

Gesichtspunkten verkoppelt werden. Entweder erlauben es die

Zustände in Elsaß⸗Lothringen. daß wir gewisse Beschränkungen. die