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Debatte nicht zu verlängern, bei erster sich bietender Gelegenheit darauf zurückzukommen.
Das Gehalt des Staatssekretärs des Innern wird be⸗ willigt. Die Resolution Schmidt⸗Elberfeld, betreffend den Verkauf der Kohlen nach Gewicht, wird fast einstimmig an⸗ genommen.
Bei dem Etat des Statistischen Amts kommt der .
Abg. Dr. Arendt auf die in der zweiten Lesung von dem Abg. Thiele zur Sprache gebrachten Erdsenkungen in Eisleben zurück und 8 einen ihm damals in seiner Erwiderung unterlaufenen Irrthum richtig.
Es folgt eine längere, mehr persönliche Auseinandersetzung zwischen dem Abg. Thiele (Soz.) und dem Abg. Dr. Arendt, die auch auf den Fall des Steigers Rothe zurückgreift und in welcher der Abg. Thiele für den Ausdruck „grobe Un⸗ wahrheit“, den er gegen den Abg. Arendt gebraucht, eine Rüge des Präsidenten erhält.
Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. Graf
von Posadowsky⸗Wehner:
Die Mangelhaftigkeit der landwirthschaftlichen Statistik ist mir am besten bekannt, und um, soweit es möglich ist, diesem Mangel abzuhelfen, ist im Jahre 1899 durch eine Bundesrathsverordnung eine Verbesserung des Schätzungsverfahrens versucht worden; aber ich gestehe zu, daß trotzdem gewiß in dieser Statistik noch große Fehler vorhanden sind. Das liegt aber meines Erachtens weniger in den formellen Vorschriften, als in den Organen, die diese Statistik auf⸗ zunehmen haben. Es sind das zum theil die untersten Gemeinde⸗ organe, die bisweilen vielleicht wenig geeignet erscheinen, der⸗ artige statistische umfangreiche Schreibarbeiten überhaupt auszu⸗ führen. Das halte ich aber für ganz unmöglich — man mag die Statistik formell gestalten, wie man will —, festzustellen, wie viel Brotgetreide von Menschen verbraucht und wie viel verfüttert ist. Wir wissen genau, wie viel Brotgetreide verbrannt wird, wie viel Gerste in Brauereien verwandt wird; aber eine Statistik aufzustellen, wie viel von dem Rest des Getreides in die menschliche Nahrung übergegangen ist und wie viel verfüttert wird, halte ich für voll⸗ kommen unausführbar. Der Deutsche Landwirthschaftsrath hat den Versuch gemacht, diese Mengen zu scheiden und damit eine wesentliche Frage zu entscheiden, wie viel an Brotgetreide zum menschlichen Ge⸗ brauch in Deutschland genau übrig bleibt; aber dieser Versuch stellt doch nur eine ungefähre Feststellung dar und kann auf eine absolute
Richtigkeit keinen Anspruch erheben. (Bravo! rechts.)
Bei den Ausgaben für das Gesundheitsamt regt der
Abg. Gamp (Rp.) die Unterstützung des Reiches für die Er⸗ forschung der Krebskrankheit an. Das Reich sollte für die Aufklärung der Bevölkerung wirken durch Verbreitung der Broschüre des Pro⸗ fessors Dührssen und durch Aufnahme einer entsprechenden kurzen Be⸗ lehrung in die Volkskalender. Der Reichs⸗Gesundheitsrath sollte mit der Frage befaßt werden.
Ab. Dr. Endemann (nl.) hält diese Anregung für sehr be⸗ achtenswerth.
Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:
Dem Herrn Abg. Gamp ist ja bekannt, daß sich ein wissenschaft⸗ licher Verein gebildet hat zur Erforschung der Ursachen des Krebses. Vom Reichsamt des Innern ist diese wissenschaftliche Vereinigung finanziell unterstützt worden, wir haben sie aber auch da⸗ durch unterstützt, daß ich dem Kaiserlichen Gesundheitsamt ge⸗ stattet habe, die Fragebogen, welche die näheren phvsiologischen Umstände der einzelnen Fälle feststellen sollen, seinerseits zu versenden. Ich glaube, die Frage, was in der Sache zu thun ist, wird man doch so lange zurückstellen müssen, bis man auf Grund dieses umfangreichen Materials einigermaßen nähere Auf⸗ klärung darüber bekommen hat, welches wohl die Ursachen des Krebses in den einzelnen Fällen sein können. Die Gelehrten sind sich bekannt⸗ lich darüber noch völlig uneinig. Ich hoffe aber, daß wir durch diese umfassende Enquste der Wahrheit etwas näher kommen werden. Dann halte ich allerdings den Zeitpunkt für gekommen, daß sich der Reichs⸗Gesundheitsrath mit der Frage beschäftigt, wie man dieses besonders in den wohlhabenden Kreisen der Gesellschaft in erheblichem Maße zunehmende Uebel wirksam bekämpfen kann.
Abg. Dr. Müller Sagan (fr. Volksp.) tritt den Wüns des Abg. Gamp bei. Der Laie könne die Spmptome der Krebskrankheit allerdings nicht erkennen, darin gehe Herr Gamp zu weit. Zunächst müsse reichhaltigeres Material über Verbreitung und Entstehung der Krebskrankheiten gesammelt werden; selbst das Krankbeitsbäld sei beute noch ein sehr unsicheres und unklares. Man würde mit vorzeitigen Aufklärungen, die nicht auf unanfechtbarer wissenschaftlicher Grundl beruhen, nur die Kurpfuscherei in die Familien tragen. Die Leute sollten vor allem einen — Arzt fragen. 8
1 r.; Gamp: Darauf kommt es ja gerade an, daß die Leute nicht erst zum Arzt gehen, wenn es zu spät ist; sie sollen belehrt werden, daß sie das früher thun müssen, und dazu soll sich das Reichs⸗ Gesundheitsamt mit der Frage beschaftigen.
Mit einer kurzen Erwiderung des Abg. Dr. Müller⸗ Sagan schließt die Erörterung.
„Bei den Ausgaben für das Reichs⸗Versicherungsamt theilt der
Abg. Stadthagen mit, daß außer den schon in der pweiten Lesung angeführten Fällen noch in einigen anderen die Beiträge zur ländlichen Unfallversicherung in ungehöriger Weise durch Kreissteuern eingezogen worden seien.
Der Rest des Etats des Reichsamts des Innern wird ohne weitere Debatte angenommen.
Beim Etat für die Verwaltung des Reichsheeres fragt bei dem Titel „Kriev o⸗Ministerium“ der
Abg. Kunert (Soz.) an, ob Untersuchungen wegen der in der weiten Lesung zur Sprache gebrachten Fälle von Soldatenmißhand⸗ ungen eingeleitet seien. 8 -
Direktor im Kriegs⸗Ministerium, Generalleutnant von Viebahn: Die Anfrage des Herrn Abg. Kunert im Anschluß an meine Aeuße⸗ rungen bei der zweiten Lesung des Etats glaube ich dahin auffassen zu sollen, daß er fragt, wie weit die Zusage erfüllt worden sei, daß, wenn Fälle von Mißhandlungen zur Kenntniß des Kriegs⸗Ministeriums kämen, in welchen die Mißhandlung als Dienstbeschädigu nicht anerkannt worden sei, unbedingt Remedur eintreten werde. 28 laube, den Herrn Abg. Kunert so zu verstehen, daß er nun von mir ber eine Bestätigung dieser meiner neulichen Erklärung verlangt und ch dabei auf einige der Spezialfälle bezieht, welche er in der da⸗ maligen 9—— angeführt hat. Wenn das zutrifft, so bin ich in der Lage, Auskunft zu geben. Der Herr Abgeordnete hat haupt⸗ sächlich zwei Falle angeführt. Der eine Fall war der des Grena⸗ diers Witte vom Leib⸗Grenadier⸗Regiment. Dieser Fall lag folgender⸗ maßen: Der Grenadier Witte war seitens seines Korporalschaftsunter⸗ offiziers mißhandelt worden. Längere Zeit nach der Mißhandlung
Püich kann meine Notizen darüber augenblicklich nicht finden, kann es
aber aus dem Gedächtniß ungefähr referieren war er krank ge⸗ worden, von der Krankheit war er wieder hergestellt. Zwischen der
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Mißhandlung und der Erkrankun Frrimn eine Zeit von mehreren Monaten, während welcher er als Bursche zu einem Offizier kom⸗ mandiert war. Er war in diesem Dienstverhältniß längere Zeit thätig, und dann, eine geraume Zeit nach dem Vorgang der Mißhandlung, welche als Dienstbeschädigung vollständig anerkannt wurde, verlangte er Invalidenansprüche. Diese In⸗ validenansprüche wurden seitens des Truppenarztes insofern als nicht motiviert anerkannt, als das Leiden, an welchem der Grenadier Witte zu leiden vorgab, nicht als im Zusammenhang stehend mit der Dienstbeschädigung anerkannt werden konnte. Die Sache war aber damit noch nicht zu Ende. Der Grenadier Witte ist nach Berlin gebracht worden, er ist im Garnisonlazareth beobachtet, dort nochmal untersucht worden, und zwar mit Roentgen⸗Strahlen; esist darauf⸗ hin das fundierte ärztliche Urtheil abgegeben worden, daß ein Zustand der Gesundheitsschädigung, welcher auf der Dienstbeschädigung beruhte, bei dem Witte nicht konstatiert werden konnte. Unter diesen Umständen ist es natürlich, daß seitens der Militärverwaltung eine Versorgung zu ge⸗ währen nicht möglich war; denn die erste Vorbedingung dafür, daß die Gesundheitsschädigung mit der erlittenen Dienstbeschädigung zu⸗ sammenhängt, war nicht erfüllt. Ein anderer Fall, welchen der Herr Abgeordnete angegeben hat, betraf die Mißhandlung, welche ein Unter⸗ offizier Breits vom Garde⸗Kürassier⸗Regiment einem seiner Unter⸗ gebenen zugefügt hatte. Ich bitte um die Erlaubniß, das vorlesen zu dürfen, was der Herr Abgeordnete damals hier gesagt hat: „Es wurde festgestellt unter dem 11. Dezember 1900, daß er einen Unter⸗ gebenen auf das schwerste mißhandelt hätte, sodaß dieser in Wahnsinn und Tobsucht verfiel. Die sachlichen Gutachten der Aerzte gingen nun übereinstimmend dahin, daß die Krankheit des miß⸗ handelten Heine sich als ein Erschöpfungszustand des Gehirns heraus⸗ gestellt habe, der durch eine Mißhandlung nicht hervorgerufen sei. Wenn der Mann also um eine Pension hätte bitten können, wäre sie ihm nach der Leistung solcher Sachverständigen rund abgeschlagen worden. Nun, sage ich, läge es doch eigentlich in der Billigkeit — ich will garnicht von Recht und Gerechtigkeit sprechen —, ja, es wäre ein Gebot der Klugheit, wenn man militärbehördlicherseits solchen kleinen Wünschen nachgäbe. Man brauchte dann im Reichstag darüber nicht zu diskutieren.’ Demgegenüber habe ich zu erklären, daß aller⸗ dings angenommen worden ist, daß die Gesundheitsbeschädigung des betreffenden Kürassiers Heine in erster Linie beruht habe auf einer Disposition, die er von Hause aus mitgebracht hat, daß man sich aber keineswegs daran geklammert hat, sondern daß der Kürassier Heine laut Verfügung des Königlichen General⸗Kommandos des Garde⸗Korps vom 23. Januar 1901 als dauernd Ganzinvalide zeitig gänzlich erwerbsunfähig, zeitlich fremder Pflege zur Wartung bedürftig, zeitlich untauglich für die Verwendung im Zivildienst zur Invalidenpension 1. Klasse von 30 ℳ und zur Zulage für den Zivil⸗ versorgungsschein von 12 ℳ monatlich anerkannt worden ist. Die Verdächtigung, die der Herr Abg. Kunert ausgesprochen hat, daß seitens der Militärverwaltung in diesem Fall nicht nach Gerechtigkeit und Billigkeit gehandelt worden sei, ist hierdurch, glaube ich, zweifellos widerlegt worden.
Kriegs⸗Minister, General der Infanterie von Goßler:
Der Herr Abg. Eickhoff hat die Güte gehabt, mir dasjenige Material zur Verfügung zu stellen, auf Grund dessen er am 27. Fe⸗ bruar dieses Jahres seine Ausführungen vor diesem hohen Hause gemacht hat. Ich habe mich für verpflichtet gehalten, dieses Material durch die zuständige Stelle prüfen zu lassen. Hierbei hat sich heraus⸗ gestellt, daß dasselbe nicht ausreichend ist. Es ist von einseitigem Standpunkt geschrieben, keinesfalls unparteiisch, und das Verschulden des Herrn, der von dem Abgeordneten in Schutz genommen worden ist, ist wesentlich größer, als nach seinen Ausführungen angenommen werden mußte. Ich möchte gern Interna — es hat sich um einen thätlichen Konflikt gehandelt — vor diesem hohen Hause nicht zur Sprache bringen und bitten, hiervon Abstand nehmen zu dürfen. Das möchte ich aber bemerken, daß die Schwere des Konflikts nicht von dem Rittmeister der Landwehr, sondern von der anderen Partei ausging, und daß, wenn in dem erwähnten Schriftstück gesagt wird, der Rittmeister wäre in gebührender, allerdings scharfer Weise zur Ruhe verwiesen worden, dieser Ausdruck in keiner Weise zutrifft. Diese sogenannte Zurückweisung kennzeichnet sich vielmehr als eine sehr schwere Provokation, die leider zu einer gegenseitigen Beschimpfung und einen daran anschließenden thätlichen Konflikt geführt hat.
Was die Maßnahmen anbelangt, die in Barmen aus diesem Anlaß getroffen worden sind, so kann ich nur dem Bedauern Aus⸗ druck geben, daß ein derartiger Konflikt im Anschluß an ein patriotisches Fest stattfinden konnte. Der betreffende Rittmeister der Landwehr ist Fabrikant und nach den kriegsgerichtlichen Akten eine höchst geachtete Persönlichkeit. Er studierte zu Heidelberg, Bonn und Berlin, ist Doctor juris, hat ein Jahr lang als Referendar beim Amtsgericht Barmen gearbeitet und ist auch nach seiner militärischen Begutachtung ein ganz hervorragend tüchtiger Mann. Das Fübrungsattest schließt folgendermaßen:
„Jederzeit bereit, zur Förderung militärischer Interessen höchsten Einsatz zu leisten, erfreut er sich infolge seines unermüdlichen An⸗ spornes zur Belebung und Hebung der Kameradschaft, wie durch sein bisberiges sehr takwolles Auftreten der höchsten Verehrung und des unbedingtesten Vertrauens seiner Standesgenossen.“
Daß man einen solchen Mann nicht ohne weiteres fallen lassen will, ist mir erklärlich. Eine definitive Anordnung seitens des Bezirks⸗ Kommandeurs ist nicht erfolgt, und zwar aus dem Grunde nicht, weil das ehrengerichtliche Verfahren noch nicht stattgefunden hat. Der Betreffende ist wegen Herausforderung zum Zweikampf kriegsgerichtlich mit einer Freiheitsstrafe belegt werden. Das ehrengerichtliche Ver⸗ fahren kann erst eingeleitet werden, wenn die kriegsgerichtlichen Akten beim Bezirks⸗Kommando eingetroffen sind: das war zur Zeit noch nicht der Fall.
Welche Schwierigkeiten im übrigen vorliegen, das betont der Bezirks⸗Kommandeur in seinem Bericht selbst, in welchem es mit Weglassung der Namen wie folgt heißt:
„Bei der geschäftlichen und gesellschaftlichen Stellung, welche der Bank⸗Direktor — das ist der Gegner des Rittmeisters — hier einnimmt, läßt sich aber eine Vermeidung desselben seitens des hiesigen Offizierkorps nicht praktisch durchführen. Er ist assoziiert mit einem anderen Herrn, der gleichzeitig Rittmeister der Landwehr ist, ist Vorstand eines Bankhauses, bei welchem viele Offiziere des Beurlaubtenstandes geschäftlich zu thun haben und zum theil von demselben in finanzieller Beziehung abhängen.“
Die hierauf ergangene Entscheidung der höheren Instanzen lautet folgendermaßen:
„Sobald die Angelegenheit ihre endgültige Erledigung, gericht⸗ liche und ehrengerichtliche, gefunden hat und nach allen Richtungen aufgeklärt ist, hat der Bezirks⸗Kommandeur über die Angelegenheit von neuem zu berichten, eventuell neue Vorschläge zu machen.“
Danach ist die Sache noch nicht erledigt, und ich bitte, mir zu ge⸗ statten, darauf zurückzukommen, wenn das Ehrengericht erkannt hat.
Auf eine Beschwerde des Ab. Dr. Wiemer (fr. Volksp) über die Heranziehung von Soldaten zu Malerarbeiten ge⸗ legentlich der Ausschmückung einer Kaserne erwidert der
Direktor im Kriegs⸗Ministerium, Generalmajor von Heer! Meine Herren! Meiner Ansicht nach liegen die Verhältnisse bagen. der von dem Herrn Abgeordneten erwähnten Maler doch trrft anders als bei den Schmieden und Musikern. Im vorlien-des Falle arbeiten die Leute ja nicht, um einen persönlichen säder theil zu erzielen, wie es bei den Schmieden und Musikkapellen e Fall ist, sondern sie arbeiten eigentlich nur im Interesse ihres Transeer theils, damit dieser in der Lage ist, sein Kasernement etwas sh⸗ lerischer auszuschmücken, als es bei den Mitteln, die ihm von . Verwaltung zur Verfügung gestellt werden, möglich ist. Von *— der Verwaltung liegt gar kein finanzielles Interesse vor, die Arben der Truppe zu übertragen; denn wir übergeben der Truppe nur di Mittel, welche uns für die Instandhaltung der Kaserne zie Verfügung stehen. Daß diese aber nicht ausreichen, um Bilder an den Kasernenwänden zu erzielen, ist klar. darum thut die Truppe es gern, wenn sie derartige arbeiten selbst vornehmen kann. Daß derartige Arbeiten einsz nicht allzu großen Umfang annehmen, dafür bürgt schon das eigensn Interesse der Truppe. Es ist in keiner Weise zulässig, zu Gunfenhe derartiger finanzieller Unternehmungen die Ausbildung der Manr⸗ schaften zu schädigen; nach dieser Richtung wird scharfe Kontrat⸗ geübt. Sie können versichert sein, daß kein Regiments⸗Kommanden seine Mannschaften in größerem Umfang dazu hergiebt, als das Interesse des Di
gst
Dienstes es unbedingt zuläßt.
Abg. Gröber (Zentr.) bemängelt es, daß in einigen Bezirke Schlesiens die Musterungszeit so angesetzt worden sei, daß die Leue den Gottesdienst nicht hätten besuchen können. 8
Kriegs⸗Minister, General der Infanterie von Goßler:
natürlich nicht verfügt. Es handelt sich hier lediglich um eine Ver einbarung zwischen Landrath und Bezirks⸗Kommando, und wenn dieser Hinsicht diejenigen Uebelstände hervorgetreten sind, die der Hen Abg. Gröber soeben erwähnt hat, so bin ich gern bereit, zur Abhile derselben mitzuwirken. (Beifall in der Mitte.)
Abg. Kunert bringt verschiedene Schriftstücke zur Verlesung aus welchen hervorgehe, daß die von ihm gegebene Darstellung der angeführten Fälle von Soldatenmißhandlungen in jedem Punke⸗ der Wahrheit entspreche. Die Mehrzahl der Mißhandlungen komme überhaupt nicht zur Kenntniß der Vorgesetzten. Vielfach seien auch die Urtheile der Kriegsgerichte gehen die Schuldigen von unbegreiflicher Milde und verfehlten gänzlich ihren Zweck, von der Wiederholung dieser Missethaten abzuschrecken. Mit dem Vorwurf der „Ver⸗ dächtigung“ seien die gemachten Angaben nicht zu entkräften. Beper die Mißhandlungen nicht mit Stumpf und Stiel ausgerottet seien würden die Klagen und Anklagen im Reichstage nicht verstummen.
Direktor im Kriegs⸗Ministerium, Generalleutnant von Viehahn Das zusammengebrachte Material reicht in einem Falle vollständig aus, um die Einstellung des Verfahrens gegen den Angeschuldigten a rechtfertigen. Sie ist aber nicht verfügt worden. Die Behauptung daß einige Unteroffiziere versucht haben, Untergebene zu verleiten anders auszusagen, als der Wahrheit entsprach, trifft zwar zu; de Unteroffiziere sind jedoch schwer bestraft worden, mit mehrjährigem Gefängniß und Degradation. Der Redner geht auch auf die andenn vom Abg. Kunert angeführten Fälle näher ein. In dem Fall Reif⸗ habe sich ein anderes Bild ergeben, als der Abg. Kunert en Die Bestrafungen für Mißhandlungen fielen keineswegs gering aus die schweren Fälle seien im Durchschnitt mit 8- Monat Gefängnz die Hälfte mit Degradation bestraft worden.
Abg. Werner (Reformp.) erneuert seine Beschwerde übder de Vergebung der Kantinen an eine bestimmte Kantinengesellschaft. Er führt einen Fall aus Magdeburg an, in welchem ein Hauptmann den einem Bäckermeister, der Lieferungen übernehmen wollte, MU ℳ Vorschuß entnommen habe, die dieser Bäckermeister bis beute rict habe zurückerhalten können, weil der Hauptmann unauffindder se⸗ Die Lieferanten müßten auch einen großen Prozentsatz dieser Liefermgn der Verwaltung zurückvergüten.
Kriegs⸗Minister, General der Infanterie von Goßler: — Ich bedauere, daß der Herr Abgeordnete nicht die Güte gdedt hat, mir den Gegenstand seiner heutigen Ausführungen vorher znr Kenntniß zu bringen. Ich bin daher auch nicht im stande, diemf n erwidern und muß — er hat immer von einem Haꝛntmm gesprochen — auch bezweifeln, daß ein aktiver Offizier un Frm⸗ kommen kann. (Zuruf links.) Wenn es ein inaktiver Osim st und er dieser Vereinigung angehört, dann würde ich dankde fen. das Material zu bekommen. Ehe ich jedoch die Wahrheit dieer B⸗ klagen nicht ermittelt habe, scheint mir die Sache ziemlich würdig. Es handelt sich im übrigen um die Verwaltung einer detie — nicht um die Kost der Soldaten —, das ist Sache des Trader theils. Sind die Angaben richtig, dann scheint Betrug vorzalieger und der Truppentheil würde verpflichtet sein, gegen den Betrefende auf der Stelle einzuschreiten.
Abg. Thiele (Soz.) behauptet, daß auf die ungetauften Sel. daten eingewirkt werde, sich taufen zu lassen, und daß in vielen Faler die Rekruten gezwungen würden, die Bürsten und andere Fert schaften den Unteroffizieren zu ganz außerordentlich bhohen —2 abzukaufen; ferner wünscht Redner, daß den Soldaten die Borko der Schankwirtbschaften umsonst geliefert würden. In einem Fale habe ein Sohn das Lotal seines eigenen Vaters nicht besuchen dürfen
Kriegs⸗Minister, General der Infanterie von Goßler⸗
Der Herr Abgeordnete hat drei Fragen an mich gestellt. De erste Frage betraf die nicht getauften Soldaten. Es ist Vorschett daß über die Religion der Rekruten bei ihrer Einstellung Verzeichatfe angefertigt und diese den betreffenden Feldpröpsten, also der beiden Konfessionen, ausgehändigt werden. Ergiebt sich daraus, daß eixxm Leute nicht getauft sind, so bleibt es den Millitärgeistlichen ũberlañen ihre Einwirkung auf die Betreffenden dahin geltend zu machen, 0b sr geneigt sind, sich noch nachträglich taufen zu lassen. (Hört, hört! 82 den Sozialdemokraten.) Das entspricht durchaus dem Charakter ve deutschen Armee (sehr richtig! rechts) und wird meinerseits vollstända gebilligt.
Die zweite Frage beschäftigte sich mit der Beschaffung L. theuerem Putzgeräth für die Rekruten durch die Unteroffiziere. Dn dieses überhaupt vorkommen könnte, bestreite ich. Der Unteroffter⸗ hat unter keinen Umständen das Recht, an seine Rekruten irgendwelcher Art zu verkaufen. Das Putzzeug wird vie⸗ tus Truppentheil für die Rekruten als Massenartikel zu billigen 2% beschafft und, wo dieses nicht kostenfrei geschieht, der Betrag ven einzelnen Mannschaften ratenweise eingezogen. 1.
Was schließlich die Verhältnisse in Halle anbelangt, so ist der über ja schon öfter gesprochen worden. Soweit mir dieselben belꝛaes sind, kann ich die ergangenen Verfügungen des Garnison⸗ nur als durchaus berechtigt anerkennen. Hat ein Sohn 15 seines Vaters unter den verbotenen Lokalen vorgefunden, so wäre mir sehr erfreulich, wenn die Einstellung des Sohnes auf den Beeen die Wirkung hätte, daß das Lokal wieder freigegeben werden kbeae⸗ “ -
(Echluß in der Dritten Beilage.)
4
.
chen Reichs⸗Anzeiger und Königlich
(Schluß aus der Zweiten Beilage.)
Abg. Eickhoff (fr. Volksp.) verwahrt sich dagegen, daß der
’2 8 . 2 8 —— Ar . Kiess.2 Kinister seine in der zweiten Lesung gegebene Darstellung eines
Duells in der Rheinprovinz, bei dem ein Rittmeister der Landwehr betheiligt gewesen sei, eine „einseitige“ genannt habe.
Kriegs⸗Minister, General der Infanterie von Goßler:
Ich habe dem Herrn Abgeordneten allerdings geantwortet, daß der Grund des Konflikts nicht von einem Offizier des Beurlaubten⸗ standes, sondern von seinem Gegner veranlaßt worden wäre. Die Sache hat sich, wenn ich nun einmal auf den Fall näher eingehen muß, so abgespielt, daß nach einem patriotischen Festessen die beiden Herren wegen Benutzung des Telephons, also wegen einer ganz minderwerthigen Ursache, in einen Wortwechsel geriethen, der damit endete, daß der Bankdirektor sich mit der brüsken Aeußerung an den Rittmeister wendete: „Halten Sie den Rand!“ Das ist der Ursprung es Konflikts, der dann zu wörtlichen und schließlich leider zu thät⸗ lichen Beleidigungen führte.
Abg. Kunert bemängelt einige Einzelheiten in den Ausführungen des Generalleutnants von Viebahn.
Abg. Thiele führt aus, daß in Halle a. S. die Arbeiter mächtiger seien als der Militarismus, indem sie erzwungen hätten, daß die ihnen früher entzogenen Lokale jetzt ihnen wieder offen ständen.
2 1
Bei den Ausgaben für die Geldverpflegung der Truppen befürwortet der
Abg. Horn⸗Goslar (nl.) eine Besserstellung der Militärmusik⸗ meister und bessere Pflege der Militärmusik. Gerade die Militär⸗ musik sei ein soziales, Bindemittel zwischen Soldaten und Volk.
Bei den Ausgaben für Pferdebeschaffung befürwortet der
Abg. von Treuenfels (d. kons.) die Bevorzugung der kleinen Züchter gegenüber den Großhändlern und polemisiert gegen die Aus⸗ führungen des Abg. Hoffmann⸗Hall in zweiter Lesung über die Kaltblutzucht.
Bei den Ausgaben für die technischen Institute der Artillerie kommt der
Abg. Zubeil auf die schon bei der zweiten Lesung erörterten Lohnverhältnisse in den Militärwerkstätten in Spandau zurück.
Kriegs⸗Minister, General der Infanterie von Goßler:
Ich habe zu dem, was der Herr Vorredner gesagt hat, in ge⸗
wisser Hinsicht prinzipielle Stellung zu nehmen. Ich muß bestreiten,
daß er der richtige Anwalt der Arbeiter von Spandau ist. (Sehr richtig! rechts. Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Ich kann nur erneut bemerken, daß ein großer Theil seiner Angaben auf Klatsch beruht. Ich habe mich mit den Arbeitern, die ich empfangen habe, sehr eingehend über diese Verhältnisse unterhalten. In den Leuten habe ich durchaus intelligente und tüchtige Ver⸗ treter ihres Standes kennen gelernt, und kann ich sagen, daß deren Anschauungen allerdings unendlich weit von denen des Herrn Vorredners abweichen. (Hört, hört! rechts.) Die von dem Herrn Abgeordneten erwähnten Einrichtungen habe ich nicht getroffen infolge seiner neulichen Rede, sondern lediglich aus Anlaß der mit tbr Deputation der Arbeiter gehabten eingehenden Besprechung. (Sehr gut! rechts.) Auf diesem Wege komme ich nesentlich weiter, als wenn der Herr Abgeordnete hier unkontrolierbare Angaben macht, die
sich meines Erachtens in der Regel auch nicht Pestätigen. Ih kenne
† die Quellen nicht, aus denen er hierbei schöpft, aber diese Quellen sind nach meiner Erfahrung die schlechtesten, die er benutzen kann. (Bravo! rechts.)
Direktor im Kriegs⸗Ministerium, Generalmajor von Einem bleibt bei seinen in der zweiten Lesung zu den bezüglichen Beschwerde⸗ punkten gegebenen Ausführungen stehen. Abg. Zubeil: Herr von Goßler ist der Anwalt der Krone, wir glauben die Anwälte der Arbeiter zu sein. Beim Extraordinarium des Militär⸗Etats verwendet sich der Abg. Haehnle (d Volksp.) nochmals dafür, daß der Stadt Ulm in dem Entfestigungsvertrage mit der Militärverwaltung noch weiter entgegengekommen werde. Der Militär⸗Etat wird bewilligt.
Das Haus tritt darauf in die Berathung des Etats für die Verwaltung der Kaiserlichen Marine ein.
Abg. von Kardorff (Np.) besteigt die Tribüne, um auf Wunsch der Firmen Krupp und Stumm die gegen diese Firmen erhobenen Beschuldigungen zu entkräften, daß sie bei der Lieferung der Nickel⸗ stahlpanzerplatten für die Marine sich einer unerhörten Preistreiberei chuldig gemacht hätten.
Abg. Müller⸗Fulda (Zentr.) glaubt, daß der Abg. von Kardorff weder die in der Kommission noch die im Plenum gemachten Fest⸗ stellungen auch nicht in einem Punkt widerlegt habe. Für 20 Jahre sei der Bedarf von 150 000 t nicht zu hoch geschätzt, es könnten ja auch 50 Jahre werden. Deutschland wolle die Panzerplatten so billig
ben wie das Ausland, mehr nicht. Spare es dabei Geld, so könne es dafür Auslandsschiffe bauen.
„Abg. Singer weist darauf hin, daß es das erste Mal sei, daß ein Abgeordneter im Reichstage im Auftrage von Werken die Bereit⸗ willigkeit derselben erklärt habe, an Deutschland billiger zu liefern, wenn ihnen größere Aufträge zu theil würden. Herr von Kardorff
be also für eine Gesellschaft, die Dillinger Werke, Propaganda ge⸗ macht, um deren Waaren an den Mann zu bringen.
Abg. von Kardorff: Ich muß es mir seitens des Abg. Singer verbitten, als Agent einer industriellen Firma hingestellt zu werden.
habe nur meinen verstorbenen Freund, den Freiherrn von Stumm gegen unerhörte Angriffe in Schutz nehmen wollen.
Fi Abg. Singer: Herr von Kardorff ist thatsächlich als Agent der
nr aufgetreten; es fehlte nur noch, daß er sagte: Ich bekomme 4 %.
Ord Präsident Graf von Ballestrem ruft den Redner zur nung.
Abg. Schwartz⸗Lübeck (Sof.) bemängelt das Verhalten des
ommandanten des Schulschiffs „Gneisenau“. Vi Staatssekretär des Reichs⸗Marinecamteo, Staate Minister, tze⸗Admiral von Tirprtz:
Meine Herren! Ich habe mir erlaubt, die Vorschriften, die in
Marine über das Dampfaufhalten der Schiffe bestehen, in der
Hamüssiom ausführlich vorzulesen. Das Resumé derselben gebt ahin, daß Vorschriften füͤr bestimmte Falle nicht gegeben können. Die Herren werben eohne weiteres selbst
Dritte Beilage
Preußische
Berlin,
ermessen, daß es etwas anderes ist, wenn man im Kieler Hafen vor Anker liegt oder auf einer gefährlichen Rhede, und daß man daher dem Kommandanten keine bindenden Vorschriften machen kann. Die Kommandanten haben nach den Vorschriften viel⸗ mehr unter eigener Verantwortung zu handeln. Hier lag der Fall so, daß entgegen der Ansicht des Herrn Vorredners das Barometer nicht niedrig, sondern hoch stand, daß der Wind ablandig und keine Ursache war, anzunehmen, daß er mit einem Male umspringen würde. Thatsächlich ist nun der Wind plötzlich umgesprungen und auflandig geworden und zwar mit einer Stärke, die in einer
Viertelstunde bis auf Sturmesstärke in die Höhe ging. Dadurch ist
im wesentlichen das Unglück entstanden. Der Anker ist durch das Umspringen des Windes und schnelle Herumschwoyen des Schiffes unklar gekommen. Das Schiff fing infolge dessen an zu treiben. Dampf ist in einem Kessel aufgewesen, auch in einem zweiten Kessel ist schon Dampf gewesen, allerdings nur mit einer Spannung von einer Atmosphäre.
Die Meldung war dem Kapitän gemacht worden, daß das Schiff mit kleiner Fahrt vorausgehen könnte. Es handelte sich nur darum, wenige hundert Meter weiter seitwärts zu kommen, um von der Mole frei zu sein. Unter diesen Umständen hat der Kommandant geglaubt, daß es die beste Chance war, das Treiben des Schiffes nicht fortzu⸗ setzen, sondern unter Dampf zu gehen. Hierbei hat die Maschine versagt und nicht die Kraft entwickelt, die erwartet werden konnte. Die näheren Details würde nur der Maschinen⸗Ingenieur geben können, der ertrunken ist.
Daß sich Seeleute ernstlich damit beschäftigt haben, daß in einer Entfernung von 3 bis 400 m von der Mole bei Windstärke 10 noch Segel gesetzt werden könnten, ist mir neu. Der Kommandant ist jedenfalls nicht der Ansicht gewesen, daß eine Möglichkeit der Rettung des Schiffes dadurch gegeben wäre.
Die amtlichen Nachrichten sind der Presse so schnell übermittelt worden, als es nur irgend möglich war. Aber ich bitte Sie, zu be⸗ denken, daß der Kommandoapparat des Schiffes erheblich gestört war, daß der Kommandant und auch der Erste Offizier todt waren, und daß der nächstälteste Offizier bis zum Abend durch die Rettung der Schiff⸗ brüchigen derart in Anspruch genommen war, daß er am Abend nur noch kurze Depeschen hat aufgeben können. Auch der nächste Tag war vor allem der Möglichkeit der Rettung der „Gneisenau“ gewidmet, sowie der Aufgabe, die über die ganze Stadt zerstreuten Leute zu sammeln, um überhaupt eine Verlustliste aufstellen zu können. Ich glaube auch, daß es für den Offizier vor allem das Wichtigste war, seine in großer Zahl verwundeten Mannschaften unterzubringen. (Sehr richtig! rechts) Die Depeschen, die wir bekommen haben, sind alsbald veröffentlicht worden, und sobald wir ein klares Urtheil über den Vorfall hatten, habe ich veranlaßt, daß der Thatbestand im „Reichs⸗Anzeiger“ der Oeffentlichkeit zugänglich gemacht wurde.
Daß die Marineverwaltung eine „läppische Depesche“ wie der Herr Vorredner sich ausdrückte über das Verhalten des Komman danten gegenüber einem spanischen Matrosen nicht ausdrücklich dementiert hat, wird in weiten Kreisen wohl als richtig angesehen werden.
-Marine⸗Etat wird bewilligt und gegen 7 Uhr die weitere Berat2hung des Etats auf Donnerstag 11 Uhr. vertagt.
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
54. Sitzung vom 20. März 1901, 11 Uhr.
8 ö1I“ Die dritte Berathung des Staatshaushalts⸗Etais für 1901 wird bei dem Etat des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegen⸗ heiten fortgesetzt. Es findet zunächst eine Generaldiskussion üͤber diesen Spezial⸗Etat statt.
Abg. von Bockelberg (kons.): Der Abg. Macco hat gestern über Ausdünstungen in diesem Hause aus dem Materialienraume heraus geklagt. Ich will ihm nicht meine eigene Ansicht entgegen⸗ stellen und sagen: die Ventilation ist hier so vorzüglich wie nirgends in einem anderen Parlament; denn er braucht meinen Worten nicht zu glauben. Aber seine Rede ging von einem sehr einseitigen Standpunkt aus. Wir haben hier die peinlichste Sauberkeit im ganzen Hause, und seine Klagen sind vollkommen unbegründet. Der Materialienraum, den ich mir angesehen habe, ist eine wohlgeordnete, saubere Kammer. (Da das Haus sich laut unterhält, fordert Präsident von Kröcher zur Ruhe auf mit der Bemerkung: Ich denke, es müßte Sie interessieren, ob es Ihnen hier im Hause körperlich gut geht.) Der Abg. Macco sollte seine Beschwerden über das Haus in Zukunft dem Bureau des Hauses mittheilen, anstatt es hier öffentlich von der Tribüne zu thun und den Anschein zu erwecken, als sei dieses Haus ungesund.
Abg. Dasbach (Zentr.) kommt auf seine bei der zweiten Lesung vorgebrachten Beschwerden über den Mangel an katholischen Schulen für katholische Minderheiten zurück und widerspricht den da⸗ maligen Ausführungen des Regierungskommissars. Die laute Unterhaltung im Hause dauert fort, der Redner’ wendet sich an den Präsidenten, und dieser fordert abermals zur Ruhe auf mit den Worten: Der Herr Redner bittet um etwas Ruhe. Der Redner führt dann aus, daß die Entgegnung des Kommissars seine Behauptung von der disparitätischen Behandlung der Katholiken nicht entkräften könne: seine einzelnen Ausführungen sind aber bei der immer noch anhaltenden ungewöhnlichen Unrube in dem stark besetzten Saale unverständlich, obwohl der Redner suh durch lautes Sprechen bemüht, sich verständlich zu machen.
Ministerial⸗Direktor Dr. Kügler: Auf Einzelbeiten will ich heute in der dritten Lesung nicht mehr eingehen. Die Behauptungen des Vorredners sind unrichtig, es wird nach Mäaglichkeit für den katholischen Unterricht der katbelischen Kinder gesorgt. Die Be⸗ hauptung, daß katholische Kinder geywungen wurden, den evangelischen Religionsunterricht zu besuchen, t cbenkalle unrichtig und bat sich auch in einem von dem Vorredner erwähnten Fall in Liegnitz als unrichtig erwiesen.
Abg. Ernst (fr. Vag.) bespricht das Ledrergehbalt und sucht statistisc nachzuweisen, daß die Gemeinden in ebr vielen Fällen, namentlich in der Preving Pesen, üder das Minimalgebalt nicht hinausgegangen seien. Jufolge dessen bestebe der Lehrermangel. Anch 8 8.
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an evangelischen Geistlichen für die Schulaufsicht herrsche großer Mangel ganz im Gegensatz zu den katholischen Geistlichen, die überall in genügender Zahl für die Schulaufsicht da seien.
Ministerial⸗Direktor Dr. Kügler: Ueber die Frage der Revision es Lehrerbesoldungsgesetzes sind dem Hause zahlreiche Petitionen zu⸗ egangen, ich will deshalb an dieser Stelle nicht darauf eingehen. In der Provinz Posen sind nicht die meisten Lehrerstellen mit dem Minimalgehalt ausgestattet, sondern thatsächlich giebt es in Posen keine Stelle, die nur das Minimalgehalt hat. Ich hebe das aus⸗ drücklich hervor, damit nicht Lehrer aus anderen Landestheilen durch die Ausführungen des Abg. Ernst abgehalten werden, nach Posen zu kommen.
Abg. Saenger (fr. Volksp.) beschwert sich darüber, daß die Bestimmungen über die Verleihung der Würde eines Dr. ing. noch nicht in Kraft getreten seien. Das sei ein großer Miß⸗ stand, der in den betheiligten Kreisen Kopfschütteln erregt habe. Die näheren Bestimmungen über das Examen für den Dr. ing. seien jetzt, 1½ Jahr, nachdem die Erlaubniß zur Ver⸗ leihung des Titels ertheilt worden, noch nicht erlassen. In Karls⸗ ruhe und München seien die Bestimmungen darüber längst erlassen, aber hier in Preußen warteten die jungen Leute noch darauf. Die Verleihung des Rechts an die Technischen Hochschulen, zum Doktor zu promovieren, im Oktober 1899 sei doch sicherlich im vollem Einver⸗ ständniß mit dem Kultus⸗Ministerium erfolgt; er begreife deshalb die Verzögerung nicht.
Ministerial⸗Direktor Dr. Althoff setzt die Gründe auseinander, aus welchen sich der Erlaß dieser Promotionsordnung nicht so rasch abwickeln lasse.
Abg. Glowatzki (Zentr.) beschwert sich wiederum darüber, daß in katholischen Schulen Oberschlesiens nicht wenigstens ein Lehrer der polnischen Sprache mächtig sei. Auch ruhige Elemente in Ober⸗ schlesien müßten bei den dortigen Zuständen schließlich erbittert werden. Selbst in der Unterstufe werde der Religionsunterricht in deutscher Sprache ertheilt.
Ministerial⸗Direktor Dr. Kügler: Für die letztere Beschwerde giebt der Redner nicht an, welche Schulen er meint. Er denkt wahr scheinlich an die Schulen in Industriebezirken, wo die Kinder nicht rein polnisch sind, sondern schon mit der Kenntniß der deutschen Sprache in die Schule kommen. Auf einzelne Fälle will ich nicht eingehen und beschränke mich deshalb auf diese Bemerkung.
Abg. Buttkereit (kons.) tritt wegen der weiten Wege nach den Schulen in seiner ostpreußischen Heimath für die Halbtagsschulen ein.
Ministerial⸗Direktor Dr. Kügler: Wir sind bemüht, den ört lichen Verhältnissen Rechnung zu tragen. Im Regierungsbezirke Königsberg sind unter den 1713 Schulen auf dem Lande 335, die nur Vormittags Unterricht haben, und im Regierungsbezirke Gumbinnen sind von 1364 Schulen 530 Halbtagsschulen. Infolge der Anregung des Vorredners werden wir die Verhältnisse nochmals prüfen.
Mit einigen weiteren Bemerkungen der Abgg. Ernst und Dasbach und des Ministerial⸗Direktors Dr. Kügler schließt die Generaldiskussion. 1
In der Spezialdiskussion wird zunächst über den Antrag der Abgg. Ehlers (fr. Vgg.), Dr. Friedberg (nl.) und Kittler⸗Thorn (fr. Volksp.), die in zweiter Lesung abge⸗ leynten drei Stellen für Kreis⸗Schulinspektoren im Hauptamt in Eschweiler, Preuß.⸗Holland und Stutthof zu bewilligen, verhandes t.
Abg. Ehlers will auf die grundsätzlichen Fragen nicht nochmals eingehen, nachdem dies in der zweiten Lesung in ausreichendem Maße geschehen sei. Er wolle es nur als eine Konsequenz bezeichnen, wenn man gemäß seinem Antrage auch die in der zweiten Lesung gestrichenen drei neuen Kreis⸗Schulinspektorstellen bewillige. Wenn die Konserva⸗ tiven in der zweiten Lesung von den geforderten acht neuen Kreis⸗ Schulinspektorstellen wenigstens fünf bewilligt hätten, so sei dies wohl aus politischen Gründen geschehen. Für ihn sei lediglich das Interesse der Schule maßgebend. Durch die Streichung erschwerten Zentrum und Konservative der Regierung das Regieren.
Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa (kons.): Der Abg. Ehlers meint, daß wir der Regierung die Mittel zum Regieren nicht geben wollten, und bei der zweiten Lesung sagte er sogar, daß wir in dieser Angelegenheit politische Nebenabsichten ver⸗ folgten. Gegen diese Ausführungen lege ich Protest ein. Unser prinzipieller Standpunkt ist der, daß wir aus Gründen der Erziehung und aus Rücksicht auf die Schule wünschen, daß der Einfluß der Kirche so viel wie möglich festgelegt, und er⸗ weitert wird, und daß dazu die nebenamtliche Kreisschulaussicht ein Mittel ist. Wir haben in der zweiten Lesung auch ausgeführt, daß wir ebenfalls wünschen, daß die Interessen der Schule dabei in vollstem Maße gewahrt werden, und daß, wo es dringend erforderlich ist, eine hauptamtliche Kreis⸗Schulinspektion eingerichtet werden muß. Das ist ein so selbstverständlicher, einfacher Standpunkt, daß ich nicht begreife, wie man da von Nebenabsichten sprechen kann. Ich muß das auf das Bestimmteste zurückweisen. Wir haben uns lediglich auf den sachlichen Boden gestellt und für die bewilligten zwei Stellen die Ueberzeugung gewonnen: hier ist kein Geistlicher für die Schulaufsicht vorhanden, hier muß eine bhauptamtliche Schulaufsicht eingerichtet werden, und deshalb haben wir dafür gestimmt. In den anderen Fällen haben wir diese Ueberzeugung nicht gewonnen. Wir glauben, daß da noch nebenamtliche Funktionäre hinzugezogen werden können; deshalb haben wir die Anstellung von Kreis⸗Schulinspektoren im Hauptamte verweigert, und das werden wir trotz der Ausführungen des Abg. Ehlers auch heute thun.
Minister der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗ Angelegenheiten Dr. Studt:
Meine Herren! Ich nehme gern Akt von den Erklärungen, die der Herr Abg. von Heydebrand in Bezug auf die Kreis Schulimspektien heute in dem ersten Theile seiner Ausführungen dadtn daß Anträgen auf Errichtung hauptamtlicher Kreis⸗Schalinspekrionen bei nachgewiesener Unmöglichkeit der Beibedaltang ciner nedenamt⸗ lichen Aufsicht seitens seiner Partei zugestimmt werden werde. JIch bedaure aber, daß die thatsächlichen Kensecguenzen, die aus dem prin⸗ zipiellen Standpunkt auch dei der zweiten Arsung schen gezogen werden konnten, nicht in allen, in den Etatscntmwurf cingesellten Fällen ge⸗ zogen worden sind. Die Könägliche Stantervgicrung befindet sich mnt der Mehrheit dieses doden Haufos Kder nicht in Uedercinstimmag hinsichtlich der Würdigung der Netdeendukeit für die Einricheumg von hauptamtlichen Krcis⸗Schaltasrektencn in den 1 gelehnt werden Fad. Meine Herren die Scheercgkeiten daer diese Ablehnang crwochfen dededen in dergrödertem r. länger dieser JZadand danert. Ich kann nuar mweederdelt metn dauern aupecchen, das cX mede geluagen Ust. nachdem die Berstünde⸗ gung über dee vumsrerne Scite der vorltogenden Frage mnt der Mehr. beit dieses deden Haues sih cwgeden dat, Aach un den Konfconemen cine XrRänd uns dewdewnAdren. Nad 8
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