Bezüge. Der Herr Graf von Schlieben hat ganz recht, die jungen Assessoren erhalten 2 Jahre gar nichts und nachher 500 Thaler, während früher die jungen Verwaltungs⸗Assessoren mit 800 Thalern anfingen. Aber es hat Perioden gegeben, wo sie sich noch viel schlechter standen, und insofern ist wenigstens eine wesentliche Verbesserung ein⸗ getreten, die ich allerdings schärfer und in höherem Maße gewünscht hätte. Ich werde nach wie vor bemüht sein, für meine Beamten zu thun, was in meinen Kräften steht. (Bravo!)
Ober⸗Bürgermeister Struckmann: Der Staat sollte mehr etatsmäßige Stellen schaffen; es ist kein richtiges Verhältniß, wenn der Staat die Kräfte der jungen Leute, die er nöthig hat, umsonst in Anspruch nimmt. Ausreichend sind die Beamtengehälter überhaupt trotz der Erhöhung noch heute nicht. Der Staat muß, die Kräfte, die er benöthigt, angemessen bezahlen, dann wird es in keinem Ressort an Beamten fehlen. 8
Ober⸗Bürgermeister Dr. Giese: Die Finanzkommission hat die
rage stets eingehend erörtert und einmüthig der Regierung ihre Auf⸗ assung zu erkennen gegeben, daß die unentgeltlichen Dienstleistungen der Assessoren möglichst ei ngeschränkt werden sollten. Nach der einmüthigen Auf⸗ fassung der Kommission ist die jährliche Vermehrung der etatsmäßigen Stellen ganz unzureichend. Es giebt Assessoren, welche 11 Jahre dienen, ohne in eine etatsmäßige Stelle einzurücken. In diesem Jahre hat der Finanz⸗Minister eine andere Art der Beförderung einschlagen lassen, die Zahlung von Remunerationen von 4000 ℳ und die Ver⸗ leihung des Titels Regierungsrath an die Inhaber von nichtetats⸗ mäßigen Stellen. Mit Titeln soll die Regierung die Leute aber nicht abspeisen, sondern ihnen das zum Lebensunterhalt Nöthige gewähren.
Ober⸗Bürgermeister Struckmann plaidiert für eine Vermehrung und bessere Besoldung der Hilfsbeamten der Landräthe. 1
Minister des Innern Freiherr von Rheinbaben: “
Ich kann mich den Ausführungen des Herrn Vorredners nur anschließen; auch ich halte es für durchaus nicht nur erwünscht, sondern nothwendig, einer größeren Anzahl von Landrathsämtern derartige Bureauhilfsarbeiter beizugeben. Bisher haben wir bei 488 Landraths⸗ ämtern nur 180 Bureauhilfsarbeiter, also nur der geringere Theil der Landrathsämter ist mit derartigen Hilfskräften versehen. Es ist überhaupt ein Unikum in der staatlichen Verwaltung, daß die Land⸗ räthe gezwungen sind, einen großen Theil der Hilfskräfte selbst anzunehmen und aus ihrer Bureaukosten⸗ Entschädigung zu bezahlen, während jedes Amtsgericht die Hilfskräfte auf Staats⸗ kosten bekommt, erstere also etatsmäßig angestellt werden. Ich brauche nicht darauf hinzuweisen, wie wichtig es ist, daß der Landrath von der Bureauarbeit entlastet wird, daß er in der Lage ist, diese auf anderweitige Kräfte abzuwälzen. Wenn der Landrath seiner Aufgabe gewachsen sein soll, so muß er mit Land und Leuten in enger Fühlung bleiben und er darf nicht zu einem bloßen Bureauchef herabsinken. Und um seine Stellung so wahrzunehmen, braucht er eben solche Hilfskräfte.
Die Umfrage, die ich veranstaltet habe, hat das Bedürfniß nach dieser Richtung hin durchaus bestätigt, und das Bedürfniß besteht nicht nur von dem eben von mir dargelegten staatlichen Gesichts⸗ punkt aus, sondern auch aus der Nothwendigkeit der Fürsorge für die Beamten selber. Diese Privatangestellten des Landraths widmen vielfach ihr halbes oder ihr ganzes Leben dem staatlichen Dienst, ohne die Aussicht, in eine etatsmäßige Stelle zu gelangen, und es ist daher auch vom Standpunkt der Fürsorge für diese Beamten durchaus an⸗ gezeigt, wenigstens einem Theil endlich eine etatsmäßige Stelle zu schaffen. Ich beabsichtige deshalb, mit entsprechenden Anträgen erneut an den Herrn Finanz⸗Minister heranzutreten, und ich hoffe, daß er mir seine Zustimmung nicht versagen wird.
Noch eins möchte ich kurz berühren. Herr Ober⸗Bürgermeister Struckmann wird im Etat 10 000 ℳ gefunden haben als Unter⸗ stützungsfonds für derartige Angestellte und ihre Angehörigen. Bisher
habe ich nicht einmal die Mittel zur Verfügung gehabt, solchen An⸗ gesteilten bei den Landrathsämtern und ihren Hinterbliebenen im Falle der Noth eine Beihilfe zu geben. Es sind deshalb jetzt diese 10 000 ℳ eingestellt, um diesen Hilfskräften und ihren Angehörigen gegebenen Falls Nothzuschüsse gewähren zu können.
Ich werde also an den Herrn Finanz⸗Minister Anträge stellen und hoffe, daß auf diese Weise den Landräthen die nöthige Entlastung zu theil werden wird, die ganz unerläßlich für sie ist, wenn sie ihren Aufgaben wirklich gewachsen bleiben sollen. (Bravo!)
Graf von Arnim⸗Boitzenburg tritt für eine Erhöhung der Gehälter der Gendarmen ein. Die unzulängliche Fürsorge für diese vortreffliche Beamtenkategorie führe zu einem steigenden Mangel an geeigneten Kräften; allein in Brandenburg seien 38 Stellen unbesetzt.
Minister des Innern Freiherr von Rheinbaben:
Meine Herren! Ich kann mit dem Herrn Vorredner nur die Anerkennung aussprechen für die vortreffliche Haltung der Gendarmen, und würde es mit ihm überaus bedauern, wenn irgendwie das Gendarmerie⸗Korps nicht mehr auf der Höhe stehen sollte, wie es Gottlob der Fall ist. Einstweilen brauchen wir diese Befürchtung nicht zu hegen, im Gegentheil, ich kann anerkennen, daß das Gendarmerie⸗Korps in jeder Beziehung den Anforderungen, die an dasselbe im aͤußeren und inneren Dienst gestellt werden, vollkommen nachgekommen ist. Ich kann auch mit Ihnen den Wunsch theilen, daß die Gehaltsverhältnisse dieser Beamten⸗ kategorie aufgebessert werden mögen. Aber der einzelne Ressortchef kann in dieser Beziehung nicht maßgebend sein, und es ist begreiflich, daß, wenn man die Frage der Gehaltsaufbesserungen der Gendarmerie in Angriff nehmen würde, die ganze große Frage der Gehaltsaufbesse⸗ rungen wieder aufgerollt werden würde, und daß man aus diesem Grunde Bedenken trägt, diese einzelne Kategorie herauszugreifen.
Ich habe auch erwogen, ob es nicht möglich sei, die Stellen⸗ zulagen zu vermehren. Auf diese Weise aber ergeben sich wiederum Bedenken, weil das im wesentlichen auf eine Gehaltsaufbesserung hinauskommt. Dagegen ist ein anderer Weg gesucht worden, der dieses prinzipielle Bedenken ausschließt, daß wieder eine einzelne Kategorie von Beamten herausgegriffen wird, und es ist einstweilen eine Vereinbarung dahin getroffen, daß durch den nächstjährigen Etat der Unterstützungsfonds der Gendarmen, der gegenwärtig sehr niedrig bemessen ist, eine wesentliche Auf⸗ besserung erfährt. Es wird dem Herrn Grafen bhekannt sein, daß aus Anlaß des Antrages Gamp im anderen Hause
die ganze Frage nochmals in der Budgetkommissiou behandelt wird. Einstweilen ist also innerhalb der Regierung eine Vereinbarung dahin getroffen, den Weg zu beschreiten, daß der Unterstützungsfonds erheblich erhöht wird, um einen Theil der Wünsche zu befriedigen, die mit Recht Herr Graf von Arnim⸗Boitzenburg hier geäußert hat. Dann möchte ich noch auf einen Punkt zurückkommen, der für die
Aufbesserung der Bezüge der Gendarmen von besonderer Wichtigkeit ist. Wie er aus dem Etat ersehen haben wird, sind nicht bloß 47 000 ℳ dauernd zur Anmiethung von Wohnungen für die Gendarmen ausgeworfen, sondern auch im Extraordinarium ist eine Summe von rund ¼ Million Mark zur Er⸗ richtung von Dienstgebäuden für Gendarmen vorhanden. Ich halte diese Fürsorge, den Gendarmen geeignete Wohnungen zu bieten, für die allergeeignetste, sowohl im dienstlichen Interesse, wie im Interesse der Gendarmen selber. Im dienstlichen Interesse halte ich es für unerläßlich, um die Gendarmen vor Einflüssen zu bewahren, die nur ungünstig einwirken können, wenn man ihnen die Wohnungen anweist, wo sie Wohnungen sich nicht beschaffen können. Ich ge⸗ denke in dieser Beziehung systematisch und konsequent vorzugehen. Die Positionen, die die Herren im Etat finden, sind bestimmt, dem großen Wohnungsbedürfnisse im rheinisch⸗westfälischen Industriegebiet Rechnung zu tragen. Wir haben zunächst versucht, uns Wohnungen miethsweise zu verschaffen in der Weise, daß wir mit Gemeinden oder geeigneten Privatunternehmungen Verträge geschlossen haben, wonach diese selber die Wohnungen erbauen, der Staat ihnen aber die Wohnungen auf eine lange Reihe von Jahren abmiethet und den Gendarmen überweist. Wo es nicht möglich war, solche Miethsver⸗ träge zu schließen, haben wir, wie aus der Position von ½ Million Mark hervorgeht, die Erbauung eigener Wohnungen in Aussicht genommen. Ich habe selbst Gelegenheit gehabt, als Regierungs⸗Präsident in Düsseldorf die Verhältnisse kennen zu lernen, und muß erklären, daß ich es für eine der wichtigsten Maßnahmen halte, die Gendarmerie von schädlichen Einflüssen fernzuhalten. Im Industriegebiet sind sie vielfach gar nicht in der Lage, sich eigene Wohnungen zu beschaffen. Das hatte die Konsequenz, daß sie entweder unentgeltlich von Hütten und Zechen Wohnungen überwiesen bekamen, eine Konsequenz, die ich vom Standpunkt der Disziplin und allgemeinen Autorität der Gendarmen für unerwünscht halte, oder daß sie genöthigt waren, auf dem Hofe drei oder vier Treppen hoch inmitten einer Bevölkerung, die durchaus nicht immer einwandsfrei war, Wohnungen zu miethen. Es kann nicht ausbleiben, daß eine derartige Bevölke⸗ rung einen ungünstigen Einfluß auf die Gendarmerie übt, und daß von allen Seiten Versuchungen an die Gendarmen herantreten, denen zu widerstehen schwer ist. Wir sind deshalb dazu übergegangen, wie gesagt, im rheinisch⸗westfälischen Industriegebiet derartige Wohnungen zu miethen bezw. zu erbauen, und inzwischen ist auch Ordre an den Ober⸗Präsidenten von Schlesien ergangen, für den nächstjährigen Etat gleiche Anträge für das schlesische Gebiet zu stellen. So denke ich Schritt für Schritt weiterzugehen und hoffe das Wohnungsbedürfniß dort zu befriedigen, wo die Gendarmen nicht in der Lage sind, sich aus eigenen Mitteln Wohnungen zu verschaffen.
Es kommt noch ein weiterer Punkt hinzu, wo eine erhöhte Für⸗ sorge für die berittenen Gendarmen bethätigt werden kann. Bisher sind sie gar nicht anders behandelt worden als die Fußgendarmen. Sie haben keine Entschädigung dafür bezogen, daß sie ihrerseits Stallungen zu beschaffen verpflichtet waren. Sie mußten aus ihrem an sich unzulänglichen Wohnungsgeld nicht nur sich persönlich die Woh⸗ nung beschaffen, sondern auch Stallung für das Pferd. Es ist nur billig, daß diesen berittenen Gendarmen für diese besonderen Aufwen⸗ dungen eine höhere Entschädigung, ein Stallservis, gewährt wird. Ich hoffe, daß sich auch im nächsten Etat eine entsprechende Position finden wird.
Ich rekapituliere mich dahin, daß ich auch sehr gern wünschte, daß die Gehälter der Gendarmen aufgebessert würden, daß dies aber aus allgemeinen Gründen einstweilen nicht in Aussicht gestellt werden kann, und daß ich bemüht sein werde, auf dem Wege, den ich angedeutet habe, erhöhte Fürsorge für die Gendarmen zu bethätigen, weil ich mit Herrn Grafen von Arnim anerkenne, daß es ein unersetzlicher Verlust sein würde, wenn die Gendarmen nicht auf der Höhe sich hielten, auf der sie Gott sei Dank augenblicklich sich befinden.
Es geht ein Antrag der Herren Dr. Giese und Graf von Schliehben ein, die etatsmäßigen Stellen in der inneren Verwaltung so zu vermehren, daß die Wahrnehmung noth⸗ wendiger Amtsangelegenheiten nicht durch unbesoldete oder ungenügend remunerierte Assessoren geschieht.
Graf von Schlieben empfiehlt den Antrag nach der vorauf⸗ gegangenen Debatte zur Annahme; der Antrag sei nöthig geworden, da der Finanz⸗Minister sich ablehnend in der Finanzkommission aus⸗ gelassen habe. Der Antrag solle dem Minister des Innern das Rück⸗ grat stärken.
Geheimer Ober⸗Finanzrath Belian: Fast in jedem Jahre ist die Schaffung einer größeren Zahl neuer etatsmäßiger Stellen beantragt worden. Das wird auch in den folgenden Jahren geschehen. Vor drei Jahren sind auch für die Regierungs⸗Assessoren Dienstalters⸗ stufen eingerichtet, nach denen deren Remunerationen nach acht Jahren bis 4200 ℳ steigen. Diese fixierten Diäten sind sogar pensionsfähig. Die Finanzverwaltung hält es für ihre Pflicht, immer genau die Parallele zu halten zwischen den Regierungs⸗ und den Gerichts⸗Assessoren.
Ober⸗Bürgermeister 1) r. Giese hält diesen Ausführungen gegen⸗ über an der Berechtigung des Antrags fest. Neben den firierten Re⸗ munerationen werde kein Wohnungsgeldzuschuß gezahlt.
Geheimer Ober⸗Finanzrath Belian: Ich habe diesen Umstand bei meinem Vergleich durchaus nicht übersehen.
Der Antrag Giese⸗Graf Schlieben wird angenommen.
Ueber den Etat des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegenheiten referiert Freiherr von Durant. Die Etats⸗Kommission hat beantragt, die zum Etat dieses Ministeriums vorgelegte Denk⸗ schrift über die durch die Revision der allgemeinen Lehrpläne der höheren Schulen herbeigeführte Erhöhung der Gesammt⸗ stundenzahl und die dadurch entstandenen Mehrbedürfnisse durch Kenntnißnahme für erledigt zu erklären; eine Petition mehrerer schlesischer Korporationen um Errichtung einer Tech⸗ nischen Hochschule in Breslau soll der Regierung als Material überwiesen werden.
Graf von Zieten⸗Schwerin: Wir leben in einer sehr ernsten Zeit, wie uns das furchtbare Attentat in Bremen gezeigt hat. Gott der Herr hat in seiner Gnade seine schützenden Hände über das Haupt unseres Königs gehalten, ben nichts Schlimmeres eingetreten ist, und wir dürfen von der Gnade Gottes erwarten, daß er unsere
Fürbitte auch ferner erhören werde. Aber das setzt voraus, daß jeder einzelne, jeder gute Christ, jeder gute Patriot an seiner Stelle seine Pflicht in äußerstem Maße erfüllt, und das gilt auch von der hoben Staatsregierung und von beiden Häusern des Landtags. Der Staat sorgt allerdings nicht nur für das materielle Wohl des Volkes, sondern auch für das ideale, aber es genügt noch nicht, um den bösen Geist der Zeit zu bekämpfen, der durch alle Schichten der Bevölkerung Fbt. der geradezu entsetzlich ist und zum Ausdruck kommt in solchen haten wie der in Bremen. Es thut mir leid, daß Bremen jetzt in diesem Zusammenhange so oft genannt wird; es steht in Bremen nicht
schlimmer als an allen anderen Orten, wo durch Sozialdemokratie
und Anarchismus die Geister bethört sind. Der Staat muß deshalb mehr Mittel zur Verfügung stellen für die evangelische Kirche und für die Schulen, besonders für die Errichtung obligatorischer Fort⸗ bildungsschulen, damit die Kinder, die aus der Voltsschule kommen, nicht ins Uferlose hinausgestoßen werden. Die evangelische Kirche hat noch keine Entschädigung für die eingezogenen Kirchengüter bekommen. Die Steuern für kirchliche Zwecke sind so herangezogen, daß nichts mehr davon zu erwarten ist. Ich bitte die Staatsregierung, der evangelischen Kirche zu helfen. Die General⸗Superintendenten und Superintendenten müssen besser gestellt werden; wir brauchen mehr Konsistorien, mehr Seminarien; die evangelische Kirche braucht über⸗ haupt eine größere Selbständigkeit. Dem Materialismus sollte der Staat durch Förderung der idealen Aufgaben von Kirche und Schule entgegentreten. Im Christenthum und im Hohenzollern⸗Königthum liegen die Wurzeln unserer Kraft.
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Studt: Meine Herren! Die staatliche Kultus⸗ und Unterrichtsverwaltung ist sich der schweren Aufgabe und Verantwortlichkeit voll bewußt, die ihr gerade bei den gegenwärtigen Zeitverhältnissen und den im höchsten Grade beklagenswerthen neuesten Ereignissen gegenüber erwächst. Ich glaube aber, das Bild, welches
der vorliegende Etat bietet, kann wohl den Beweis liefern, daß die
genannte Verwaltung mit aller Kraft bestrebt ist, den an sie heran⸗ tretenden Anforderungen auf dem von dem Herrn Vorredner be⸗ zeichneten Gebiet in vollem Maße gerecht zu werden. Ich darf namentlich an die für die Volksschulen bestimmten Erlasse erinnern, welche zu dem Zweck ergangen sind, um Gottesfurcht und Vaterlands⸗ liebe in dan Herzen der Jugend zu wecken und zu erhalten. Ich darf ferner, was den vorliegenden Etat anbetrifft, noch besonders darauf hinweisen, daß kaum jemals in einem Etat so beträchtliche Summen von der Landesvertretung gefordert worden sind, wie in dem vor⸗ liegenden, und zwar zu Zwecken, die nicht bloß die materiellen Ziele des Ressorts betreffen, sondern namentlich auch die idealen Aufgaben fördern sollen, die an die mir anvertraute Verwaltung gestellt werden.
Graf zu Stolberg⸗Wernigerode: Wir können dem Kultus⸗ Minister für diese Erklärung nur dankbar sein. Ich möchte seine wohlwollende Aufmerksamkeit auf ein mit der Universität Köni sberg verbundenes Institut lenken, auf die Palaestra Albertina welche der körperlichen Ausbildung der Studenten gewidmet ist. Das Institut leistet sehr Segensreiches, es hat aber mit finanziellen Schwierig⸗ keiten zu kämpfen und hat in diesem Jahre ein Defizit von 15 000 ℳ Es ist Aufgabe des Staats, hier helfend einzu⸗ greifen. Die Universitäten Berlin und Leipzig 8 jetzt die großen Zentralisationspunkte. Wer das Leben genießen will, geht nach Bonn oder Heidelberg. Isolierte Universitäten, wie Köni sberg, haben mit größeren Schwierigkeiten zu kämpfen. Der Deutsche hat eine gewisse Vorliebe für die Gelehrtenstube oder für das Wirthshaus. Man soll Bestrebungen fördern, die den Studenten vom Wirthshaus⸗ besuch abhalten. Der Minister hat sich schon im Abgeordnetenhausfe davon überzeugt, daß seine wohlwollenden Absichten nach dieser Rich⸗ tung nicht auf Widerspruch stoßen.
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Studt:
Ich habe bei anderer Gelegenheit bereits erklärt, daß ich der sehr wichtigen Einrichtung der Palaestra Albertina zu Königsberg meine volle Sympathie zuwende. Ich kann diese Erklärung heute nur in dem Sinne wiederholen, daß es mir zur Freude gereichen würde, die unverkennbaren Schwierigkeiten, mit denen dieses hoch an⸗ erkennenswerthe Institut zu kämpfen hat, zu beseitigen. Die Universität Königsberg kann stolz sein auf eine Einrich tung, die ihr in gewissem Sinne einen Vorrang ber anderen Hochschulen des preußischen Staats gewährt. Daß gente bei dieser im nordöstlichsten Theile unseres Vaterlandes belegenen, historisch bedeutungsvollen, für unser ganzes Bildungswesen so wichtigen Kultur⸗ stätte eine Einrichtung getroffen worden ist, die nach mehreren Rich⸗
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tungen hin, in der vom Herrn Vorredner angedeuteten Alt, ihre segensreichen Folgen äußert, kann von der Unterrichtsverwaltung nur mit lebhafter Genugthuung begrüßt werden. Von diesem Gesichts⸗ punkte aus verdient der Wunsch, daß die zweifellos vorhandenen finanziellen Schwierigkeiten gehoben werden möchten, wohlmwollende Erwägung. (Bravo!)
Herr von Plehwe: Ich kann die Bestrebungen des Grafen Stolberg nur unterstützen und dem Minister danken für seine wohl⸗ wollende Antwort. Alle gebildeten Kreise und namentlich die Universität Königsberg werden davon befriedigt sein.
Graf von Hutten⸗Czapski: Zum ersten Mal sind im Etat 100 000 ℳ für die Denkmalpflege ausgeworfen; ich sehe aber nicht ein, warum die Forderung im Extraordinarium steht. Andere Staaten, wie Frankreich und Italien, geben für die Denkmalp 2 mehr als eine Million aus. Der Fonds müßte bei uns erhöbt werden. Ueber Peking sollte ein topographischer Plan, eine Be⸗ schreibung und eine Aufnahme gemacht werden. Für ein solches Werk würde sich ein Verleger schon finden. Die Amerikaner haben die besten Kunstwerke schon ausgeführt. Ein Theil der Kunstwerke ist nach der Versicherung der Mandarinen ver⸗ graben und soll wieder ans Tageslicht kommen, wenn der chinesische Hof zurückkehrt sein wird. Die Regierung würde ein gutes Ge⸗ schäft machen, wenn sie ihre Agenten mit dem Ankauf von chinesischen Kunstsachen, namentlich Porzellan, beauftragte, die in den letten Jahrzehnten sehr im Preise gestiegen sind. Beide Häuser des Landtages würden eine etwaige Flatöüberschreitung für diese Zwecke im nächsten Jahre sicherlich gutheißen. Im anderen Hause is die Ablösung der Medizinalabtheilung vom Kultus⸗Ministeriu und die Uebertragung auf das Ministerium des Innern be langt worden. Es ist ein großer Uebelstand, daß die Medizina abtheilung gewissermaßen als eine Abtheilung zweiter Klaf betrachtet wird und keinen Direktor hat. Ich moͤchte den Minist bitten, im nächsten Jahre eine solche Direktorstelle in den Etat eir ustellen. Das Pestserum soll sich als probat erwiesen haben; sollten damit größere Versuche angestellt werden. Auch der Pels sollte eine größere Aufmerksamkeit zugewendet werden, welche 8 reiche Opfer in den letzten Jahren gefordert hat; ähnlich verhält sich mit der Pneumonie, dem Typhus u. s. w. Man sel einigen hervorragenden Forschern die Muße verschaffen, f mit diesen Fragen zu beschäftigen. Die Zahl der Krebserkrankunge hat sich bei Männern und Frauen sehr erheblich verme Der Krebs ist geradezu eine Volkskrankheit geworden, man un gegen ihn ebenso erisch vorgehen, wie gegen die Tuberkulose. 8½ wissen über den Krebs, über dessen Ansteckungsfähigkeit so guk diʒ nichts. In Berlin hat sich im vorigen Jahre ein Comiteé für Krebserforschung gebildet. Es hat eine Anfrage an sämmtliche Aerz des Deutschen Reiches abgeschickt; aus Preußen hat nur ein geis⸗ Prozentsatz geantwortet. Ich finde das sehr befremdlich. Der A les sollte erwägen, ob es nicht Mittel und Wege giebt, die Aerzte zu ein Antwort anzuhalten, soweit dies im amtlichen Wege möglich ist.
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Studt⸗ Aus der großen Zahl der beachtenswerthen und dankenswerther Anregungen, welche der Herr Graf von Hutten⸗Czapski soeben 6 hat, gestatte ich mir, einige herauszunehmen und einer näheren Er örterung zu unterziehen. Was die Denkmalspflege anbetrifft, so beweist schon die in den 11““” 114“
vorliegenden Etat aufgenommene bedeutende Summe von 100 000 ℳ,
daß die Unterrichtsverwaltung auf diesem Gebiet den an sie so viel⸗ fältig herantretenden Anforderungen gerecht zu werden bestrebt ist. Ich darf hinzufügen, daß die gesetzliche Regelung der gesammten Materie in Aussicht genommen ist. Dieselbe wird hoffentlich in nicht zu ferner Zeit zu einem Abschluß führen, bei dem auch die von dem Herrn Grafen von Hutten⸗Czapski betonten Gesichtspunkte Beachtung finden werden.
Ich benütze diese Gelegenheit, um dem Herrn Grafen meinen verbindlichsten Dank auszusprechen für die freundliche Beurtheilung der Thätigkeit des um die Denkmalspflege hochverdienten bisherigen Referenten des Kultus⸗Ministeriums, der leider durch Krankheit ge⸗ nöthigt ist, mit dem 1. April d. J. die Stellung aufzugeben, in der er eine lange Reihe von Jahren hindurch so erfolgreich auf dem von ihm in musterhafter Weise beherrschten Gebiete thätig gewesen ist.
Was die Frage anbetrifft, ob in China Kunstschätze für unsere Museen erworben werden können, so hat das Kultusressort bereits Veranlassung genommen, sich mit anderen betheiligten Ressorts in Verbindung zu setzen. Ich hoffe, daß es möglich sein wird, dort gewisse für unsere Museen und sonstige Kunstanstalten wichtige Er⸗ werbungen zu realisieren.
Meine Herren, Herr Graf von Hutten⸗Czapski ist sodann auf das Gebiet der Medizinalverwaltung übergegangen und hat verschiedene Fragen berührt. Bezüglich derselben muß ich im allgemeinen zunächst hervorheben, daß ich es mir mit Rücksicht auf die schwebende Frage, ob die Medizinal⸗ Abtheilung bei dem Kultus⸗Ministerium verbleiben oder einem anderen Ressort überwiesen werden soll, selbstverständlich ver⸗ sagen muß, auf eine materielle Erörterung der Organisationsfrage einzugehen.
Was nun die von dem Herrn Vorredner berührte Pestfrage an⸗ langt, so hat die Medizinalverwaltung sofort, als Anzeichen dafür hervortraten, daß Europa mit der gefährlichen Krankheit bedroht sei, Veranlassung genommen, ihrerseits umfassende Einrichtungen zu treffen; dieselben sind namentlich auch in den Häfen zur Durchführung gelangt und haben, wie ich glaube, schon einen guten Erfolg gehabt. Die Frage, ob das Pestserum zu einer allge⸗ meinen Anwendung gelangen soll, ist nach dem Stande der wissen⸗ schaftlichen Forschung und nach den Erfahrungen, die in anderen Ländern gemacht sind, mit der größten Vorsicht zu behandeln. Es ist kaum möglich, jetzt schon ein abschließendes Urtheil zu fällen bezw. herbeizuführen.
Die übrigen Punkte der Ausführungen des Herrn Grafen von Hutten⸗Czapski, welche die Bekämpfung anderer ansteckender Krankheiten betrafen, werden bei dem in der Vorbereitung befindlichen preußischen Ausführungsgesetze zu dem Reichs⸗Seuchengesetze ihre Be⸗ rücksichtigung sinden. Es wird dabei Gelegenheit geboten sein, auf die einzelnen Fragen, die seitens des Herrn Vorredners berührt worden sind, noch näher einzugehen.
Wenn ich mir zum Schlusse gestatte, noch auf die Krebskrankheit zurückzukommen, so hat Herr Graf von Hutten⸗Czapski schon hervor⸗ gehoben, daß ein Privatcomité unter Leitung hervorragender Aerzte sich gebildet hat, welches diese so außerordentlich wichtige medizinische Materie sowohl nach der statistischen als auch nach der wissenschaftlichen Scite hin einer gründlichen Erörterung unterziehen will. Ich darf hinzufügen, daß dieses Privatcomité eine
staatliche Unterstützung genießt und die Medizinalverwaltung ihm selbswerständlich nach jeder Richtung hin fördernd zur Seite stehen wird.
Ober⸗Bürgermeister Struckmann: Es wäre zu bedauern, wenn der Plan ausgeführt würde, einige General⸗Superintendentenstellen in der Provinz Hannover einzuziehen, z. B. die von Hildesheim.
Ministerial⸗Direktor D. Schwartzkopff: Die General⸗Super⸗ intendenten in Hannover haben andere Befugnisse und einen niederen Rang als die preußischen. Das Bestreben in Hannover geht dahin, sie den preußischen General⸗Superintendenten gleichzustellen. Soll dies aber geschehen, so müßte deren Zahl vermindert werden. Ob und inwieweit das der Fall sein wird, kann ich jetzt nicht sagen, doch steht im Augenblick eine Aufhebung der General⸗Superintendentur in Hildes⸗ heim nicht in Frage.
Professor Dr. Förster⸗Breslau lenkt erneut die Aufmerksamkeit des Ministers auf die Unzuträglichkeiten, unter denen die Universitäts⸗ Klinik in Breslau zu leiden habe, und verlangt eine besondere psochiatrische Klinik an der dortigen Universität.
Freiherr von Wendt⸗Papenhausen befürwortet die Aus⸗ gestaltung der Akademie Münster zu einer vollen Universität. Außerdem verlangt er eine erweiterte Fürsorge des Staats für die katholischen Interessen. Graf von Zieten habe unrecht, wenn er behaupte, daß der Staat für die katholische Kirche das Seine gethan habe. Auch dieser seien die Kirchengüter nicht zurückgegeben worden.
Ober⸗Bürgermeister Jungeblodt unterstützt den Wunsch nach Ausgestaltung der Akademie in Münster zur Vösti den sinsn wie sie bereits früher bestanden habe. Die Erweiterung könne mit verhältniß⸗ maßig geringen Mitteln ins Werk gesetzt werden, da ein Studienfonds und für die juristische Fakultät bereits ein Gebäude eristiere.
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Studt:
Meine Herren! Aus den Darlegungen des Herrn Freiherrn von Wendt und des Herrn Jungeblodt werden Sie schon entnommen baben, wie lebhaft die Wünsche der westfälischen Bevölkerung und ibrer Provinzialvertretung seit einer Reihe von Jahren darauf gerichtet sind, daß die Königliche Akademie zu Münster, die bekanntlich nur aus einer katholisch⸗theologischen und einer philosophischen Fakultät besteht, zu einer vollen Universität ausgestaltet werde. Die An⸗ gelegenheit ist jetzt in ein neues Stadium getreten. Nachdem sie eine längere Reihe von Jahren geruht hat, ist auf die Initiative einzelner interessierter Kreise hin der Provinzial⸗Ausschuß und demnächst der Provinzial⸗Landtag mit der Sache beschäftigt worden, und es hat sich das Interesse, welches der Frage von allen Seiten entgegengebracht worden ist, auch finanziell durch gewisse Anerbietungen bethätigt. Die betreffenden Verhandlungen liegen zur Zeit der Königlichen Staatsregierung noch nicht vor. Meine persönliche Antheilnahme an diesem Wunsche und seiner Förderung und Erfüllung erklärt sich aus dem von den Herren Vorrednern bereits erwähnten Umstand, daß ich die Ehre gehabt habe, eine lange Reihe von Jahren an der Spitze der Staatsverwaltung der Provinz Westfalen zu stehen. Ich werde Gelegenheit haben, im Königlichen Staats⸗Ministerium diese Wünsche zu vertreten. Mit welchem Erfolge, kann ich zur Zeit nicht über⸗ sehen, und umsoweniger, als, wie gesagt, das gesammte Material gegenwärtig noch nicht vorliegt.
Fürst zu Salm⸗Horstmar schließt sich dem Wunsche der Vor⸗ redner aus dem Hause an. Nach der Erklärung des Ministers ruhe ja die Angelegenheit in den besten Händen.
Ober. Bürgermeister Adickes tritt im Anschluß an den Aller⸗ bochsten Erlaß über die Schulreform für die Zulassung sämmtlicher
Abiturienten der drei Kategorien von höheren Lehranstalten zum medizinischen und juristischen Studium ein. Die Befürchtungen des Professors Riedler, soweit sie auf den Kastengeist und das Klassen⸗ interesse der Juristen aufgebaut seien, könne er nicht als begründet ansehen. In dieser Allgemeinheit würde damit den Juristen ein durchaus unberechtigter Vorwurf gemacht.
Freiherr von Durant giebt als Referent eine Uebersicht über die Lehrpläne auf Grund des Allerhöchsten Erlasses vom 26. November v. J. und über die durch denselben eingeleitete Schulreform.
Professor Dr. Küster⸗Marburg fragt, in wel cher Weise die Regierung die Königliche Verordnung in Bezug auf die Mediziner auszuführen gedenkt. Die Erklärung, daß die Oberrealschul⸗Abiturienten vor ihrer Zulassung zum juristischen und medizinischen Studium einer Nachprüfung unterzogen werden sollen, habe sehr beruhigend ge⸗ wirkt. Der Boden der klassischen Bildung dürfe den Medi⸗ zinern nicht ganz und gar entzogen werden. Die Ent⸗ scheidung über die Zulassung zum juristischen und medizinischen Studium müsse unter allen Umständen gleichmäßig geregelt werden. Eine ungleichmäßige Regelung würde zum Schaden der Medizin aus⸗ chlagen. Der Redner weist “ auf die Gefahren hin, welche den Aerzten von der Macht und dem Einfluß der sozialdemokratischen Krankenkassen erwüchsen. Das wissenschaftliche Bildungsniveau der Aerzte würde noch weiter herabgedrückt werden, wenn die beabsichtigte Reform ins Leben treten Es sei zu hoffen, daß der Minister eine beruhigende Erklärung abgebe.
Hierauf nimmt das Wort der Minister der geistlichen ꝛc. An⸗ gelegenheiten Dr. Studt, dessen Rede am Montag im Wortlaut wieder⸗ gegeben werden wird.
Die oben erwähnte Denkschrift wird durch Kenntnißnahme für erledigt erklärt.
Ober⸗Bürgermeister Struckmann verbreitet sich in ausführlichster Weise über den durch die Interpellation Kopsch im Abgeordnetenhause in den Vordergrund des Interesses getretenen bedauerlichen Mangel an Volksschullehrern und fordert eine Vermehrung der Lehrerseminare.
Ministerial⸗Direktor Dr. Kügler: Ueber die Errichtung neuer Seminare schweben Verhandlungen mit dem Finanz⸗Ministerium.
Gegenüber der Petition um Errichtung einer Technischen Hochschule in Breslau weist
Professor Riedler auf die unerträgliche Ueberfüllung der Char⸗ lottenburger Technischen Hochschule, sowie auf die Thatsache hin, daß in den Nachbarländern die Zahl der technischen “ viel größer als in Preußen sei. Eine Technische L ochschule in Breslau sei also ein Bedürfniß. Die Technischen Hochschulen dienten nicht bloß der Industrie, sondern allen produktiven Ständen und dem allgemeinen Landesinteresse. Das Gleiche würde auch bei der schlesischen Hoch⸗ schule zutreffen.
Herzog von Ratibor schließt sich diesen Ausführungen an. Auch neben der Technischen Hochschule in Danzig bleibe die in Breslau ein dringendes Bedürfniß. Die Provinz Schlesien und die Provinzial⸗ hauptstadt hätten ihrem lebendigen Interesse für die Sache, durch be⸗ trächtliche Stiftungen Ausdruck gegeben.
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Studt: Meine Herren! Die Anträge auf Errichtung einer Technischen Hochschule in Breslau unterliegen einer näheren Prüfung der König⸗ lichen Staatsregierung. Es sind dabei außer dem Ressort der Unter⸗ richtsverwaltung betheiligt die Ressorts der Finanzen, der öffentlichen Arbeiten und für Handel und Gewerbe. Die Ver⸗ handlungen sind in vollem Gange, sie nehmen mein warmes Inter⸗ esse in Anspruch und ich hoffe, daß sie, ich sage das mit einem gewissen Vorbehalt, auch zu einem den Antragstellern günstigen Ausgange führen werden. Die Fragen, die dabei in Betracht kommen, erstrecken sich aber auch auf die Möglichkeit, daß die in Danzig zu errichtende Hochschule ein weites Gebiet für sich in Anspruch nehmen wird. Bei Bemessung der Bedürfnißfrage für Breslau ist also die bevorstehende Eröffnung der Danziger Technischen Hochschule wesentlich mit in Betracht zu ziehen. Ich kann Seiner Durchlaucht dem Herzog vor Ratibor aber die Versicherung geben, daß namentlich die Unterrichtsverwaltung die Frage mit regem Interesse weiter verfolgen wird. Graf von der Recke⸗Vollmerstein erhofft von der Errich⸗ tung dieser Hochschule eine Ausgleichung der nationalen Gegensätze. Die Petition wird der Regierung als Material über⸗ wiesen. 8 Etat im Ganzen und der Gesetzentwurf, betreffend die Feststellung des Staatshaushalts⸗Etats für das Etatsjahr
1901, werden darauf einstimmig angenommen.
Schluß gegen ½ 6 Uhr. Nächste Sitzung unbestimmt.
Sttatistik und Volkswirthschaft.
Konkursstatistik.
Nach einer vorläufigen Mittheilung des Kaiserlichen Statistischen Amts zur Konkursstatistik gelangten im vierten Vierteljahr 1900 im Deutschen Reich 2371 neue Konkurse zur Zählung, gegen 1933 im vierten Vierteljahr 1899.
Es wurden 253. Anträge auf Konkurseröffnung wegen Mangels eines auch nur die Kosten des Verfahrens deckenden Massebetrages ab⸗ gewiesen und 2118 Konkursverfahren eröffnet; von letzteren hatte in 8s Feen der Gemeinschuldner ausschließlich die Konkurseröffnung Heantragt.
Beendet wurden im vierten Vierteljahr 1900: 1664 (im vierten Vierteljahr 1899: 1724) Konkursverfahren, und zwar durch Schluß⸗ vertheilung 1139, durch Zwangsvergleich 344, infolge allgemeiner Ein⸗ willigung 46 und wegen Massemangels 135. In 568 beendeten Kon⸗ kursverfahren war ein Gläubigerausschuß bestellt.
Von den. 2371 neuen und den 1664 beendeten Konkursverfahren betrafen: hphvysische Personen
een“]; Handelsgesellschaften Genossenschaften .. . andere Gemeinschuldner.
Der Bestand der deutschen Kauffahrtei⸗ Flotte an registrierten Fahrzeugen mit einem Bruttoraumgehalt von mehr als 50 chm belief sich nach dem ersten Hefs des Jahrgangs 1901 der „Vierteljahrshefte zur Statistik des Deutschen Reichs“ am 1. Ja⸗ nuar 1900 auf 3759 Schiffe mit einem Gesammtraumgehalt von 2 495 389 Registertons brutto und 1 737 798 Registertons netto gegen 3713 Schiffe mit 2 317 563 Registertons Brutto⸗- und 1 639 552 Registertons Nettoraumgehalt am 1. Januar 1899. Die Zahl der Schiffe zeigt gegen das Vorjahr eine Steigerung, welche einmal auf die verhältnißmäßig geringe Anzahl von Verunglückungen, sodann auf die regere Thätigkeit im Schiffbau zurückzuführen ist. Der Bruttoraumgehalt der Schiffe hat sich im Vergleich mit 1899 um 177 826 Registertons, der Nettoraumgehalt um 98 246 Registertons vermehrt. Der Gattung nach waren am 1. Januar 1900 2466 Segel⸗ und Schleppschiffe mit 631 865 Registertons brutto und 587 639 Registertons netto, sowie 1293 Dampfschiffe mit 1 863 524 Registertons brutto und 1 150 159 Registertons netto vorhanden, während am 1. Januar 1899 die Zahl der Segel⸗ und Schleppschiffe 2190 mit einem Raumgehalt von 642 996 Regsstertons
brutto und 601 161 Registertons netto, die der Dampfer 1223 mit einem Raumgehalt von 1 674 567 Registertons brutto und 1 038 391 Registertons netto betragen hatte. Unter den Segel⸗ und Schlepp⸗ schiffen befanden sich am 1. Januar 1900 38 Schiffe mit mehr als drei Masten, 337 dreimastige, 1365 zweimastige, 548 einmastige Schiffe, und 178 waren Schleppschiffe und führten keine oder nur Lademasten. Zu den Schiffen mit mehr als drei Masten zählt der in Hamburg beheimathete Fünfmaster „Potosi“, welcher mit einem Raumgehalt von 4026 Registertons brutto das größte Segelschiff der Welt ist. Von den vorhandenen Dampfern waren 49 = 378 v. H. Räder⸗ und 1244 = 96,2 v. H. Schraubendampfer. Nach dem Brutto⸗ raumgehalt unterschieden, waren 2108 ( 85,48 v. H.) Segel⸗ und Schlepp⸗ schiffe und 506 (39,13 v. H.) Dampfschiffe unter 500 Registertons, 109 (4,42 v. H.) Segel⸗ und Schleppschiffe und 251 (19,41 v. H.) Dampfschiffe zwischen 500 und 1000 Registertons, 202 (8,19 v. H.) Segelschiffe und 212 (16,39 v. H.) Dampfschiffe 1000 bis 2000 Re⸗ istertons, 38 (1,54 v. H.) Segelschiffe und 148 (11,45 v. H.) Dampf⸗ schiffe 2000 bis 3000 Registertons, 8 (0,33 v. H.) Segelschiffe und 65 (5,03 v. H.) Dampfschiffe 3000 bis 4000 Registertons, 1 (0,04 v. H.) Segelschiff und 39 (3,02 v. H.) Dampfschiffe 4000 bis 5000 Register⸗ tons und 72 (5,57 v. H.) Dampfschiffe über 5000 Registertons groß.
Aus der Statistik der Seeunfäll
Das erste „Vierteljahrsheft zur Statistik des Deutschen Reichs“, Jahrgang 1901, enthält eine Abhandlung über die Schiffsunfälle an der deutschen Küste während des Jahres 1899, d. h. über die⸗ jenigen zu amtlicher Kenntniß gelangten Unfälle, von denen Schiffe an der deutschen Küste selbst, auf dem Meere in einer Entfernung von nicht mehr als 20 Seemeilen von der Küste oder auf den mit dem Meere in Verbindung stehenden, von Seeschiffen befahrenen Binnen⸗ gewässern im Jahre 1899 betroffen worden sind. Derartige Unfälle sind im Ganzen 372 gezählt, die 514 Schiffe betrafen. Die Erhebungen der vier vorhergehenden Jahre hatten ergeben für 1898: 340 Unfälle und 481 betroffene Schiffe, für 1897: 383 Unfälle und 520 be⸗ troffene Schiffe, für 1896: 351 Unfälle und 464 betroffene Schiffe und für 1895: 391 Unfälle und 529 betroffene Schiffe. Gänzlich verloren gingen von den Schiffen, welche im Jahre 1899 einen Unfall erlitten, 89 (1898: 72, 1897: 47, 1896: 52, 1895: 74), 275 wurden theilweise beschädigt, 147 blieben unbeschädigt, und von 3 Schiffen ist über den Ausgang des Unfalls nichts ermittelt worden. Der Verlust an Menschenleben (67) ist der zweithöchste im ganzen fünfjährigen 8 und wird nur übertroffen von dem ganz außergewöhnlich hohen des Jahres 1895. Der Durchschnitt der vier Vorjahre ist um 9 geringer als die Verlustziffer des Jahres 1899, welche sich auf 1,08 v. H. aller an Bord gewesenen Personen (soweit deren Zahl bekannt war) gegen 0,59 v. H. im Vorjahre, 0,58 v. H., 0,64 v. H. und 1,12 v. H. in den Jahren 1897, 1896 und 1895 berechnet.
Von der Gesammtzahl der nachgewiesenen Schiffe sind 1898 132 gestrandet, 7 gekentert, 16 gesunken, 277 in Kollision gerathen, und 82 wurden von Unfällen anderer Art betroffen. 188 Unfälle er⸗ eigneten sich im Ostseegebiet (2,35 auf je 10 Seemeilen Küstenstrecke), 184 im v (6,24 auf je 10 Seemeilen Küstenstrecke). 349 der betroffenen Schiffe fuhren unter deutscher, 162 unter fremder Flagge, während von 3 Sge die Nationalität nicht zu ermitteln war. Unter den infolge der Unfälle gänzlich verloren gegangenen Schiffe befinden sich 57 deutsche und 32 fremde Schiffe.
Nach der Statistik für die Verunglückungen (Totalverluste) deutscher Seeschiffe in den Jahren 1898 und 1899 sind 1898 (die Angaben für 1899 sind noch nicht vollständig) 111 deutsche registrierte Seeschiffe mit einem Raumgehalt von 44 648 Registertons brutto und 34 882 Registertons netto verloren gegangen, und zwar sind 55 gestrandet, 1 gekentert, 19 gesunken, 9 infolge von Zusammen⸗ stößen, 8 infolge schwerer Beschädigungen verunglückt, 1 verbrannt und 18 verschollen. Dabei büßten von 1171 an Bord gewesenen Menschen (1002 Mann Besatzung und 169 Passagiere) 235 Personen (231 Mann Besatzung, 4 Passagiere) ihr Leben ein. Im Vergleich zum Be⸗ stande der registrierten deutschen Seeschiffe am 1. Januar 1898 beträgt der Schiffsverlust im Laufe des Jahres 3,01 v. H. Dagegen bezifferte sich der Verlust in den Jahren 1897, 1896, 1895 und 1894 auf 2,01 v. H., 2,37 v. H., 4,15 v. H. und 3,24 v. H. des Schiffs⸗ bestandes am Anfang des betreffenden Jahres. Für die Schiffs⸗ besatzung berechnet sich das Verlustverhältniß derart, daß in den Jahren 1898, 1897, 1896, 1895 und 1894 1 Mann von je 184, 210, 225, 107 und 154 Seeleuten welche auf deutschen Schiffen dienten,
verunglückte. 1“ 8 Zur Arbeiterbewegung.
Aus Marseille meldet „W. T. B.“ unterm gestrigen Tage, daß die Zahl der an den Quais thätigen Hafenarbeiter (vergl. Nr. 76 d. Bl.) gegenwärtig 3600 beträgt und der Betrieb auf fast allen Arbeitsstätten, besonders in den Docks und bei den Molen, wieder aufgenommen worden ist.
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Land⸗ und Forstwirthschaft. Ernte⸗Ergebnisse in Oesterreich Von dem österreichischen Ackerbau⸗Ministerium sind, wie die „Wiener Ztg.“ mittheilt, auf Grund amtlicher Daten über die Ernte⸗ Ergebnisse der wichtigsten Körnerfrüchte im Jahre 1900 folgende Einzelheiten veröffentlicht worden: Von der gesammten Ackerlands⸗ fläche der eisleithanischen Reichshälfte, im Ausmaße von 10 636 872 ha, entfiel auf den Anbau von Weizen, Roggen, Gerste, Hafer und Mais im Jahre 1900 eine Areal von 6 245 780 ha, d. i. 58,7 %. Dasselbe vertheilte sich auf die fünf Körnerfrüchte, wie folgt: 8 durch·
1u Anbau⸗ schnitri
Fruchtgattung fläche chnittlich ha pro ha Metr.
1 067 035 36 10,4 Roggen. 1 705 132 3 936 28 8,1 Gersie . . . 1 235 016 13 390 18 10,8 “ w11111“²“ 335 601
im Ganzen
Weizen
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ 1 Maßregeln.
Abwehrmaßregeln gegen Pest in Seestädten.
Aus einer Beobachtung, welche im Januar d. J. in Hamburg hemacht werden konnte, läßt sich, so wird in Nr. 13 der „Veröffen! ichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamtes“ ausgeführt, eine wichtig Lehre ziehen für die Abwehrmaßregeln gegen Pest in Seestädten. An 15. Januar langte dort das Dampfschiff „P.“ mit einer aus Stückgütern, besonders Lebensmitteln, bestehenden Ladung von einer Mittelmeerreis an, auf der unter anderen Häfen auch das pestverseuchte S myrna angelaufen war. Die Mannschaft hatte sich während der Reise in gutem Gesund heitszustand befunden. Beim Löschen fanden sich in einem Schiffs raum zwischen Säcken, die mit Mehl und Sesamsaat gefüllt waren todte Ratten, deren Kadaver auf Veranlassung der Medizinalbehörden bakteriologisch untersucht wurden. Bis zur Feststellung des Ergebnisse wurde das weitere Entladen des Schiffes untersagt. Lie Untersuchung ergab, daß die Ratten an Infektion mit Pestbacillen verendet waren. 5 . den Hamburger Behörden wurden in Verbindung mit einem Kommissa des Kaiserlichen Gesundheitsamts umfassende Maßregeln gegen eine Ver breitung der Pest durch das Schiff und seine Ladung ergriffen. Theile der Ladung, welche von Ratten angefressen waren, wurden durch Feuer vernichtet. Die unverletzten Umhüllungen der übrigen Waaren wurden mit 10 % Kalkmilch bestrichen, um etwa auf der Oberfläche befindliche, von Ausscheidungen kranker Thiere herrührende lebende
estkeime unschädlich zu machen. Die bei diesen Arbeiten beschäftigten ute wurden besonderen Schutzma regeln unterworfen. Eine Er⸗ krankung an Pest kam weder unter ihnen noch unter der Schiffsmann⸗
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