erheben werden. Nun hat der Herr Vorredner gesagt, es gebe dazu Ich erlaube mir, den Herrn Abgeordneten darauf schen Steuergesetz nicht allein gegen⸗ sondern gegenuͤber allen außer⸗ hmungen, die den Betrieb nach Bayern er sonst ihre Ge⸗ die Verpflichtung bestehk, Haupt⸗ g Entsprechend
Lebens vollständig in sich begreift. Ich kann deshalb das hohe Haus nur bitten, den Antrag Dietrich anzunehmen.
Spahn (Zentr.) hält die Klausel ganz besonders mit ausländischen Versicherungsunter⸗
gar kein Analogon. hinzuweisen, daß in n über den Versicherungsanstalten, bayerischen gewerblichen Unterne ausdehnen und entweder Zwei schäfte dort selbständig betreiben, bevollmächtigte zu ernennen, Steuerangelegenheiten . in Preußen geradeso der Fall, den Versicherungsunternehmungen, sondern, Zeitung gelesen habe,
unserem bayeri
den Betrieb der nehmungen für durchaus unzulässig. 1 Abg. Richter (fr. Volksp.): Ich ziehe in diesem Vorredners, sondern derjenigen seiner Strombeck und Schmidt⸗Warburg zu folgen. g ist nicht festgestellt worden, und jetzt will man setzen, wenn jemand Versicherungsgeschäfte ab⸗ issen, daß es sich um solche handelt. Auf das die je gemacht sekretär besser nicht berufen. Wo g und Unterstützung? Dem Prinzip doch auch
chmidt⸗Warburg tritt den Ausführungen des Staats⸗
ggeschäfte errichten od
nicht der Autorität des damit die Steuerverwaltun
Begriff der Versicherung und hier eine Strafe au schließt, ohne zu w 9 1
ersicherungsgesetz von 1853, eins der schlechtesten Gesetze, worden sind, hätte sich der Staats ist die Grenze von Versicherun der Gerechtigkeit keineswegs.
darauf setz nicht allein gegenüber wie ich neulich in der Insbesondere erinnere gsgericht in Berlin eine En nach dieser Richtung gegenüber der B Etwas Absonderliches also wird hier durchaus nicht geschaffen. Nun ist uns von denjenigen Herren, welche die Absätze 2 und 3 des § 115 in der Kommission bekämpft haben, gehalten worden, daß ja Hauptbevollmächtigte überall, 1 den größeren und Mittelstaaten, werden angestellt werden schon im eigenen geschäftlichen Interesse der Versicherungsunternehmer. Also wird ja Keinem hierdurch ein Weh bereitet, stimmung in den Entwurf hineingesetzt wird. Herren nur dringend bitten, die hier gestellten?
Abg. Zehnter: Der Ab daß meinem Antrag geschäfts Es wäre aber auch falsch, einen Antra mission den Referenten mit der Mü⸗ Wider der Kommissionsbeschlüsse im Vorsitzende allerdings soll eine Referent aber befindet sich in derselben Wenn diejenigen,
auch gegenüber den ß unlängst das Oberverwaltun tscheidung getroffen hat Hypotheken⸗ und
Wechselbank.
sekretärs ent 1 namentlich in kann absolut nicht erkennen, welcher
NKolkenbuhr bsolut wenn die Fassung der Kommission an⸗
Schaden entstehen würde, genommen würde. 8
Geheimer Regierungsrath im Reichs⸗ Standpunkt des
wenn eine derartige Be⸗ Ich kann die verehrten bänderungsanträge an⸗
hs⸗Justizamt von Jecklin Reichs⸗Justizamts Streichung ein. Der Antrag Modifikation der
g. Richter hat nicht in Abrede gestellt, mäßig nichts im Wege steht. zu unterlassen, weil die Kom⸗ belastet hat, das Für und Plenum vorzubringen. Persönlichkeit Lage wie jedes andere Mitglied welche am besten über die Sache hier Abänderungsanträge zu stellen, leichter im Trüben fischen. sind nothwendig selbst, die mit mung gern verhandeln, und esteuerung der Gesellschaften. Beschränkung der ursprünglichen würde es für den Versicherten einen Prozeß z. B. in Hamburg mit der Drozeß schwebt dann in Hamburg, während warzwald zu vernehmen wären. Dingen praktisch nicht mehr vertraut. eschwächten Antrag unbedenklich annehmen. Die ee werden doch nur in den größeren Mittelstaaten
Meiningen (Fr. Volksp.): 1 ssion mit 12 gegen 5 Stimmen bes . heitliche Reichsgesetzgebung schaffen partikularistische Instanz einse wird die ganze kaum geschaffene Und das zu G. eerr Zehnter hat erst das w bayerische Bevollmäch
Dietrich wird angenommen und mit dieser ganze § 108. Hierauf wird zur Abstimmun gestellten § 81 geschritten. Derse daß die Kosten des Aufsichtsamts das Reich trägt. eiten Absatz wird bestimmt, daß als thätigkeit des Amtes von den Versiche oben werden sollen, ahr erwachsenen Bruttoprämien, jedoch ab⸗ Rückversicherungen, sowie der zurück⸗ ewährten Ueberschüsse oder Gewinnantheile mit der I emessen werden, daß 1 pro Mille nicht über darf. Der Abg. Richter hatte bean Absatz und den Rest des § 81 Dietrich und Genos „der Prämien für Rückversicherungen Bei der Abstimmung wird § 81 mit diesem Dietrich von der übergroßen Mehrheit gegen die Stimmen der beiden freisinnigen Parteien angenommen. Der Abschnitt IX (SS 114 — 125) vorschriften“.
Nach § 115 hat der Vorstand einer deren Betrieb sich übe Bundesstaats hinaus erstreckt, den Landes
enigen Bundesstaaten, in deren reiben will, bei der Eröffnung de Anzeige zu erstatten. sicherungsunternehmen in den Staate
g über den vorher lbe bestimmt im ersten
als Gebühren für die rungsunternehmungen welche nach
der Kommission. orientiert sind, verhindert werden, dann können allerdings die tbevollmächtigte
8 1““ erh letzten Geschäftsj 1 8,8 Re.f. vS- ghe der Regierung 1 züglich der Prämien für e der Gesellschaften und der Versicherten renen Vertreter der Unterneh
Interesse der B
im Intere
schritten werden tragt, diesen zweiten G Von den Abgg. sen liegt der Antrag vor, die Worte u streichen. Amendement
auch nothwendig im Was ich beantrage, ist übrigens eine Bestimmung. Welche Schwierigkeit eines kleinen Staates sein, Gesellschaft zu führen; der 2 die Zeugen etwa im S Richter ist mit diesen können meinen ab Hauptbevollmächtig nigreichen vorhan Abg. Dr. Müller⸗ ist von der Kommi Welche Unlo
zu streichen.
umfaßt die „Schluß⸗ Die Streichung Versicherungs⸗ chlossen worden. r das Gebiet eines Zentralbehörden der⸗ Gebieten sie Geschäfte be⸗ s Geschäftsbetriebs hiervon schrift, daß jedes Ver⸗ n, in denen sein Sitz eventuell einen Hauptbevollmächtigten an⸗ ist von der Kommission abgelehnt worden. en Abgg. Zehnter (Zentr.) und Genossen ist die An⸗ ahme dieser Bestimmung in unerheblich
gik, wenn Sie eine ein wollen und gleichzeitig eine rein Mit diesem Hauptbevollmächtigten Rechtseinheit wieder durchbrochen.
oder Finanzpartikularismus!
ausgesprochen, mit welchem der man braucht die
unternehmung,
unsten eines ahre Motiv . htigte zurückhielt: igten aus steuertechnischen Gründen. und die Agenten
Die weitere Vor uptbevollmächt aus die Hauptbevollmächtigten das schwebt ja alles noch in der bestimmen!
nicht belegen ist, tellen muß,
haben sollen, doch erst wieder das Gese einzelne Staat aus räumlich burg aus Oldenburg und Birk eines Hauptbevollmã einer so vollständig Versicherte zu tragen theuert wird.
Er hält für se
Auch der Umstand, da zerrissenen Theilen besteht, so O enfeld, wird hinsichtli chtigten zu Absurditäten füh überflüssigen Einrichtung haben, dem damit die2
veränderter Fassung ch der Bestellung
Abg. Richter: Es ist auffallend, daß der Referent der Kom⸗ Die Kosten
der hergebrachten beschluß, an dem er mitgearbeitet hat, abzuändern vor der Kommissionsbericht bereits vertheilt ist. Bestimmung wiederherzustellen, wonach jede V verpflichtet sein soll, für jeden deutschen voollmächtigten zu bestellen. dem Regierungsentwurf. etwas vergeben
Kommissions⸗ schlägt, nachdem Es wird versucht, die ersicherungsgesellschaft Staat einen besonderen Be⸗ identisch mit
ersicherung unnütz ver⸗
Opfergelt (Zentr.) spricht sich für den Antra Übstverständlich, daß die Gesellschaften den Hauptbevoll⸗ mächtigten eine Instruktion geber
Abg. Schmidt⸗Warburg möch Der ganze § 115 passe in das
Mit der Sicherheit der Versicherten
te gar nichts zu thun. evollmächtigte
Der Antrag ist materiell Eine Gesellschaft 8 wenn sie von vornherein sagte: sie
te es beim Kommissions f ss Gesetz eigentlich nicht 2 habe der Hauptbevoll⸗ Daß für die ausländischen Gesellschaften sei selbstverständlich, weil die Rechte eben nicht so gesichert er Versicherten werde doch das Diese ganze Bestimmung passe nicht in
zum Schutz der Versicherten nicht noth⸗
Vgg.): Der Antrag hat im Hause weni Ich sehe nicht ein, wie die Prozeßführung dur Dagegen wird es dem Bundes⸗ ob eine Gesellschaft im Sinne t. Der ganze Antrag wider⸗ Telegraphen und Telephone.
nern, Staats⸗Minister Dr. Graf
beabsichtige belassen haben.
vom Bundesrath ein Ueberrest aus der etz übernommen werden einen Sinn, aber nicht g die man hier wie das Ausland deutschen Auslands hat doch auf⸗ Bestimmung jetzt noch für einen Sinn? Bequemlichkeit der Beamten, so könnte dem Sitz jeder Provinz ein General⸗ Agenten würde man wohl in Erfurt gen, Schwarzburg⸗Rudolstadt u. s. w. allen, für jeden dieser kleinen Staaten Dies Erforderniß ist eitliches bürgerliches en der kleinen
Hat eine Gesellschaft Aussicht, in einem Streit etwa Recht zu bekommen? Die ganze Bestimmun eutschen Vielstaaterei, der jetzt in das Reich
Dem Ausland gegenüber hat dies
über den anderen deutschen Staaten, behandeln will. Der Begriff des gehört. Was hat also eine solche ndelt es sich bloß um die reußen verlangen, daß an Solche General⸗ cht in Meinin
bestimmt würden, icherten nach dem ausländischen daständen. Allein zur Bequemlichkeit d auch nicht gemacht. esetz hinein, weil sie wendig sei.
Abg. Schrader (fr.
itrag erleichtert werden kann. rath sehr schwer fallen, zu bestimmen, des Gesetzes eine kleinere ist oder nich spricht dem Zeitalter der Eisenbahnen, Staatssekretär des von Posadowsky⸗We⸗ Ich möchte nur eine kurze Erklärung abgeben in Ergänzung der vom bayerischen Herrn Bevollmächtigten abgegebenen. gierungsvorlage verlangte die Benennung eines Hauptbevollmächtigten für jeden Bundesstaat, wenn dessen Zentralbehörde eine solche For⸗ derung stellte; sie ging also viel weiter als der jetzige Antrag Zehnter. Es folgt hieraus ganz von selbst, daß, wenn sich der bayerische Herr Bevollmächtigte in casum eventus für den Antrag Zehnter aus⸗ sprach, er damit die Auffassung der gesammten verbündeten Re⸗ Ich kann deshalb nur empfehlen, den Antrag
gent wäre. niedersetzen, aber ni⸗ Es wird überhaupt schwer f einen zuverlässigen Bevollmächtigten zu finden. ein Ueberrest aus der Zeit, als es noch kein einh Recht im deutschen Lande gab. Die Vexation enüber den Gesellschaften sind in unser Aller Ge⸗ hätte mir nicht gedacht, daß man nur aus partikula⸗ rei so etwas aufrecht erhalten würde. Bevollmächtigter Herrmann: Liebhaberei,
Mittelstaaten geg dächtniß, und i
ristischer Liebha
Bundesrath, Ministerial⸗Direktor partikularistische g die Aufrechterhaltung der Absätze 2 daß einmal die Stellung des Hauptbevoll⸗ sonderte Gerichtsstand am Wohnort ersicherten aufrechterhalten wird. Es chlechterung des bestehenden Zustandes,
Königlichen Entschließung
warum die Sund 3 des § 115 Sie wünscht, mächtigten und zweitens im Interesse der wäre eine ganz entschiedene Vers⸗ wenn diese vor einigen Tagen noch
gierungen vertritt. Zehnter anzunehmen.
Abg. Dr. Pichler (3 für den Antrag Zehnter ein. sich hier handle, könne von Tele⸗ bahnen, auf die man ihn verwies keinen Gebrauch machen.
Abg. Zehnteer macht noch einm Regierungsvorlage durch seinen ein Vertreter eines eines Hauptbevollmä
Abg. Richter: halten, außerdem h wort eine privilegierte anträge selbständig einbrin Plenum in eine schiefe S selbst polemisieren s hier streitige Frage Interesse des Landes lie bündeten Regierungen. immer liberaler gewesen al reund der Zentralisation qu zer Courtoisie solcher Rückfall in den P aus dem Grunde, bayerischen Gericht
Bestimmungen m. Ministerium zugegangen, — und nun heißt es wörtlich den. letzten Jahren vielf
entr.) tritt im Interesse der Versicherten gewöhnliche Mann, um den es phon und Telegraphen und Eisen⸗ n habe, gegenüber der Gesellschaft
gesagt wird, daß die V „wie sich gerade in at, großen Werth darauf legen, gegen die Versicherung und daß sie nicht genö
ach gezeigt ihnen die Verfolgung ihrer sanstalten vor den bayerischen thigt werden, sich mit Gericht des Domizils Die Regierung kann de daß sie den Antrag unter Nr. 262 „Dieser Antrag weicht zwar in rrn Vorredner zu behaupten er⸗ ich glaube aber
echtsansprüche Gerichten gestattet wird, großen Kosten und Unbequemlichkeiten an das der Gesellschaft selbst zu wenden.“
Antragstellern nur dankbar sein,
der Drucksachen eingebracht haben wie ich mir gegen den He entlichen Punkten von der Vorlage ab, gen versichern zu koͤnnen, daß in der Haupt⸗ assung, welche diese beiden Absätze nach den Ab nicht wird erhoben werden. stoß genommen, daß jeder die Bestellung eines Haupt⸗ Staatsgebiets soll verlangen können; wenn die einzelnen erlangen nicht statt⸗ des Bundesraths anrufen können. daß dieser Appell an den Bundesrath fälligen Weise die Anschauungen zug auf die ihm zustehenden Rechte ich einfach Verwahrun aus mit mir der Meinung gniß hat, in Streitfällen gen und den Versicherungsunternehmungen eidung nach bestem Wissen und objektiv ge⸗ Sodann ist noch eine ganz wesentliche Aende⸗ weiten Absatzes, cherungsvertrages eine ganz ng eingeräumt ist.
ündeten Regierungen k
al darauf aufmerksam, daß
Antrag nicht unerheblich abgeschwächt norddeutschen Staats habe die S chtigten als nothwendig bezeichnet.
Der Referent hat den Kommissionsauftra Is Referent im Einleitungs⸗ und Schluß⸗ auch Abänderungs⸗ u ihm und er zum
laube — und wes
namens der verbündeten Regierun gt, kommt das Plenum z
8 Wenn er im Schlußwort ge oll, ist das keine natürliche Situation me haben wir nach dem
sache gegen die F änderungs⸗ anträgen finden sollen, eine Erinnerun Man hat in der Kommission daran einzelne Bundesstaat, auch der kleinste, bevollmächtigten innerhalb seines und dies soll nun dadurch beseiti 1 unternehmungen einem derartigen V ben wollen, sie die Entscheidung Der Herr Abgeordnete meint, nicht wesentlich sei; er h des Bundesraths gewürdigt in Be und Pflichten.
zu beantworten, was im unabhängig von der Ansicht der ver⸗ ist auf dem Versi s die füddeutschen Staaten. and moême, aber ich will sie d gegen die Einzelstaaten darf ein artikularismus nicht erfolgen daß die Bayern vielleicht Werth ee abgeurtheilt zu werden.
Abg. Dr. Lehr (nl.) spricht sich unter der Bedin ag Zehnter aus, wenn die B die Unternehmer das Geri seinen Wohnsitz ossen werden könne. achdem der Abg. Dr. S Kommissionsbeschluß erklärt hat, regung des Abg. Dr. Lehr modifizie § 115 angenommen.
1 gt werden, Versicherungs
; ebensowenig
at in einer ab t in einer darauf legen, von
Dagegen hab bin überzeugt, daß das hohe ist, daß, wenn der Bundesrath die Be zwischen den Einzelregierun zu entscheiden, diese Entsch troffen werden wird. rung gemacht eines Lebensversi Eremtion und Privilegieru daß auch dagegen die verb
ung für den agen gegen Hauptbevoll⸗ ege des Vertrages aus⸗
pahn (Zentr.) sich für den wird der im Sinne der An⸗ rte Antrag Zehnter und damit
Bestimmung, daß für . zuständig sein soll, wo der be, guf dem W
im letzten Satz des z
Ich glaube aber, eine Einwendungen
8.
Der § 119 der 1“ e schreibt vor, daß die auf Grund landesgesetzlicher Vorschriften errichteten öffentlichen Versicherungsanstalten den Vorschriften dieses Gesetzes nur hinsichtlich der Bestimmungen der 8§ 9, 10 und 98 Abs. 1 unterliegen, jedoch verpflichtet sein sollen, nach näherer An⸗
ordnung des Bundesraths bestimmte statistische Nachweise über
ihren Geschäftsbetrieb an das Aufsichtsamt für Privatversiche⸗ rung einzureichen. 1 Abg. PDr. Pichler beantragt, den Vordersatz zu streichen,
namentlich im Interesse der süddeutschen öffentlichen Sozietäten, die öffentlichen Anstalten also prinzipiell von diesem Gesetz auszunehmen.
Staatssekretär des Innern, Statzts⸗Minister Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:
Meine Herren! Hier möchte ich eine Erklärung abgeben, die vielleicht die nachfolgenden Erörterungen etwas erleichtert. Ich glaube, es ist ein großer Erfolg, wenn jetzt nach drespiglährigen Bemühungen endlich Rechtseinheit auf dem Gebiete des Privatversicherungsrechts geschaffen wird; wenn man die Aeußerungen derjenigen Presse verfolgt, welche die Interesson ber Versicherungsgesellschaften vertritt, so kann man wohl sagen, es ist der unzweifelhafte Wuns ch der gesammten deutschen Versicherungsgesellschaften, daß dieses Gesetz zu stande kommt. Aber bei den Vereinbarungen innerhalb der verbündeten Regierungen über das Gesetz — das kann ich mit der größten Bestimmtheit als Vertreter derselben sagen — war darüber Uebereinstimmung, daß unter keinen Umständen irgend welche Bestimmungen in dieses Gesetz aufgenommen werden, welche an dem bestehenden Recht der öffentlichen Gesell⸗ schaften rühren, und es war ferner Voraussetzung innerhalb der ver⸗ bündeten Regierungen, daß auch keine Bestimmungen aufgenommen werden, welche das bestehende Besteuerungsrecht innerhalb der Einzel⸗ staaten berühren. Also nur, wenn diese beiden Bedingungen von seiten ldes Reichstages berücksichtigt werden, kann ich in Aussicht stellen, daß dieser Gesetzentwurf die Zustimmung der verbündeten Re⸗ gierungen erhält.
Meine Herren, ich kann zugestehen, daß unzweifelhaft auf dem Gebiete des einzelstaatlichen Besteuerungswesens, gerade wenn die Ein⸗ heit des öffentlichen Versicherungsrechts durch dieses (Gesetz herbei⸗ geführt wird, gewisse Mißstände sich zeigen werden; wir werden des⸗ halb alsbald in ernste Erwägung nehmen, ob durch gegenseitige Ver⸗ einbarung eine Doppelbesteuerung vermieden werden kann oder ob es nothwendig sein wird, hierzu den Weg der Gesetzgebung zu be⸗ schreiten. Ein Weiteres kann ich heute nicht in Aussicht stellen. Ich muß aber daran festhalten: die beiden von mir bezeichneten Voraussetzungen sind die Vorbedingungen für das Gelingen des
Gesetzes. 8. Wenn seitens der Herren Abgg. Albrecht und Genossen ein An⸗
trag gestellt ist, der den Einzelstaaten das Recht vorbehalten will, den Betrieb bestimmter Versicherungsgeschäfte auf öffentliche An⸗ stalten zu übernehmen, so kann ich erklären, daß dieser Antrag nicht erforderlich erscheint, weil nach der Auffassung der verbündeten Re⸗ gierungen, wenn Sie den § 120 der Regierungsvorlage annehmen, den Bundesstaaten schon nach dieser Fassung das Recht zusteht, was d Antrag Albrecht ihnen noch besonders zuwenden will.
Der Reichstag sei zuständig, die Verhältnisse dieser Institute zu regeln.
Im Interesse der Versicherten müßten die Versicherungsbedingungen der⸗
selben diesem Gesetz angepaßt und den Versicherten ausgehändigt werden Die öffentlichen Sozietäten genössen schon Privilegien gegenüber den privaten Anstalten. Wenigstens bis zu einem gewissen Grade müßte die Buntscheckigkeit auf diesem Gebiete beseitigt werden. Auch aus dem agrarischen Lager seien Stimmen gekommen, welche die Kom⸗ missionsfassung im Interesse der ländlichen Versicherungsnehmer be⸗ fürworteten. Auch die Regierung habe geäußert, daß die öffentlichen und privaten Institute gleich behandelt werden sollten. Geheimer Ober⸗Re⸗ ierungsrath Gruner: Wir verfolgen hier keine partikularistischen Zwecke, sondern glauben, daß diese auf die rivatversicherungen zugeschnittenen Vorschriften für die öffentlichen Versicherungsanstalten nicht passen. Das gilt besonders von den öffentlichen Versicherungen in Bayern und Baden. Es geht nicht an, daß die öffentlichen Anstalten sich den Vorschriften über die allgemeinen Versicherungsbedingungen unterwerfen und vor dem Abschluß des Ver⸗ sicherungsvertrages dem Versicherungsnehmer ein Exemplar der maß⸗ gebenden allgemeinen Versicherungsbedin ungen aushändigen sollen.
„Geheimer Ober⸗Regierungsrath im⸗ inisterium des Innern von 8 Knebel⸗Doeberitz verwahrt sich dagegen, daß 7 gesagt habe,
private und öffentliche Gesellschaften sollten gleich behandelt werden.
Der Antrag Pichler wird angenommen, und mit dieser
Aenderung der § 119. 8* Der § 120, unverändert van der Kommission angenommen, lautet: 4
„Unberührt bleiben die. Pndesgesetzlichen Vorschriften, nach
denen der Betrieb bestimmter Versicherungsgeschäfte öffentlichen An⸗ stalten vorbehalten ist.“
Die sezialdemokratischen Abgg. Albrecht und Genossen
beantragen folgende Fassung:
„Unberührt bleibt das Recht der Landesgesetzgebung, den Be⸗ 222 W Versicherungsgeschäfte öffentlichen Anstalten vor⸗
zubehalten.“ 1 Abg. Richter: Es ist sehr bedauerlich, daß, obwohl die Sozietäten lange nach dem Beginne der Thätigkeit der rivatversicherungsgesell⸗ schaften sich aufgethan haben, an dem Monopol und 28 egien der ersteren festgehalten werden soll. Ich will an den Nonopolen,
soweit sie bisher bestehen, nicht ruͤtteln, auf das entschiedenste
aber muß ich mich dagegen wenden, daß eine Erweiterung dieser Monopole auf dem zugelassen werden soll, das hieße doch die Wirkung und Bedeutung dieses Reichsgesetzes, welches 34 Jahre zum Zustandekommen gebraucht hat, abbröckeln und abschwächen. Auch die dorhin vom Grafen Posa⸗ dowsky abgegebene Erklärung beruhigt mich in dieser Hinsicht nicht. Ich beantrage daher, für die Zukunft solche Monopole nur zuzulassen im Wege der Reichsgesetzgebung“. Die Frage der Ausdehnung und Einschränkung der Monopole trifft das ganze Reich. Hagelschäden kommen doch nicht etwa bloß in Bayvern vor.
Se. des Staats⸗Minister Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner: Ich möchte mir eine kurze Bemerkung auf die Ausführungen des
Herrn Abg. Richter gestatten. Er sagte, ich hätte Drohungen aus⸗
gesprochen. Ich spreche niemals Drohungen aus, sondern ich babe Thatsachen festgestellt, und ich glaube, ich bin es dem hohen Hause schuldig, davon offen Zeugniß abzulegen, welches die Stellung der verbündeten Regierungen ist, und über diese Stellungnahme der ver⸗ bündeten Regierungen habe ich schon bei Einführung des Gesetzes, bei der Generaldebatte nicht den geringsten Zweifel gelassen. Ich glaube, ich würde Unrecht an der Geschäftsführung des hohen Hauses thun, wenn ich das hohe Haus in Irrthum ließe über die Entschließungen, welche die verbündeten Regierungen unzweifelhaft fassen werden. (Bravo! rechts.)
1
Abg. Dr. Müller⸗Meiningen bittet dringend, den Kommissions⸗ beschluß aufrecht zu erhalten, damit wenigstens ein Minimum von Normen auch für die öffentlichen Sozietäten gesetzlich festgestellt werde.
Barkh (fr. Bgg.) und Dr. Wiemer (fr.
Wege der Landesgesetzgebung künftig
Abg Segitz (Soz.) empfiehlt den Antrag Albrecht als eine ktionelle Verbesserung. “ 11 b. Geheimer Sker Regerüngsrath Gruner hält eine redaktionelle Verbesserung für unnöthig und den vorgezogenen Wortlaut auch für
nicht unbedenklich. 8 8 Abg. S 88 zieht hiernach den Antrag zurück
Abg. Richter bedauert das Verfahren und das Verhalten der baperischen Vertreter; sie hätten sich alle Vortheile des Gesetzes gesichert, an ihrer Immobiliarversicherung dürfe das Reich nicht rühren; und die Sozialdemokraten zeigten sich hier plötzlich als unter der Führung des bayerischen Partikularismus stehend. —
Bayerischer Ministerial⸗Direktor Ritter von Herrmann kann die Behauptung des Abg. Richter über die von Bayern erreichten Sonder⸗ vortheile nicht bestätigen. 8 1 8
Abg. Molkenbuhr weist den Vorwurf zurück, daß die Sozialdemokratie sich von den bayerischen Partikularisten führen lasse.
Abg. Dr. Spahn: Ein Grund, die Gesetzgebung der Einzel⸗ staaten bezüglich der Monopolisierung gewisser Versicherungszweige zu beschränken, liegt nicht vor. Wir werden daher für die unveränderte Vorlage stimmen.
Nachdem der Richter nochmals seinen Antrag ver⸗ treten hat, wird der § 120 unverändert angenommen.
Nach § 121 der Regierungsvorlage bleiben unberührt die landesgesetzlichen Vorschriften über die polizeiliche Ueberwachung des Abschlusses von Feuerversicherungsverträgen und der
Auszahlung von Brandentschädigungen, sowie diejenigen landes⸗ rechtlichen Vorschriften, durch welche der unmittelbare Abschluß von Feuerversicherungsverträgen mit solchen Vertretungen verboten wird, die sich nicht im Staatsgebiete befinden.
Die Kommission schlägt vor, diejenigen landesherrlichen Vorschriften aufzuheben, welche den Abschluß von Feuexpversiche⸗ rungsgeschäften von einer vorgängigen polizeilichen Genehmigung abhängig machen, sowie die landesrechtlichen V rschriften, durch welche der unmittelbare Abschluß von Feeebergetne verträgen mit solchen Vertretungen verboten wird, die sich nicht im Staatsgebiet befinden.
Die Kommission schlägt ferner folgenden Zusatz vor:
„Unberührt bleiben auch Verpflichtungen, welche nach dem Stand vom 1. Jannar 1901 Feuerversicherungsunternehmungen in einem Bundesstaat nach Landesrecht oder auf Grund von Vereinbarungen mit Landesbehörden hinsichtlich der Uebernahme gewisser Ver⸗ sicherungen obliegen, wenn die Unternehmungen ihren Geschäfts⸗ betrieb fortsetzten, oder die Zulassung nach Maßgabe dieses Gesetzes verlangten.“
Der Abg. Richter beantragt, diese letzte Bestimmung zu streichen.
Abg. Richter: Es kann nicht die Absicht der Gesetzgebung sein, die Versicherung zu erschweren und mit partikularen Steuern zu be⸗ lasten. Dadurch wird die Nichtversicherung begünstigt.
Geheimer Ober⸗Regierungsrath von Knebel⸗Doe beritz hat die Vortheile der Präventibkontrole gegenüber ihrem Nachtheil in der Kommission eingehend dargelegt und bittet, es bei der Regierungs⸗ vorlage zu belassen.
Abg. Scherre (Rp.) beantragt, die Regierungsvorlage wieder herzustellen. Gerade die kleinen Handwerker und Arbeiter auf dem Lande würden erfahrungsgemäß zu hohen langfristigen Versicherungen epreßt und indirekt zur Brandstiftung verleitet. Darum liege die Praventibkontrvle im öffentlichen Interesse.
Abg. Franken (nl.) erklärt sich gegen den Antrag Richter.
Abg. Freiherr von Richrhofen (d. kons.) schließt sich den Aus⸗ führungen des Abg. Scherre an. B
Nachdem der Abg. Richter und der Geheime Ober⸗ Regierungsrath von Knebel⸗ Doeberitz sich nochmals geäußert haben, wird um 6 ¾ Uhr die weitere Berathung auf Dienstag 1 Uhr vertagt. 1e“
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. Sitzung vom 29. April 1901, 1 Uhr. 1“ Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer
der Abgg. Dr. 1 b olksp.): die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, eine Abänderung des Gesetzes vom 27. Juni 1860, betreffend die Feststellung der Wahlbezirke für das Haus der Abgeordneten, und des — es vom 17. Mai 1867, entsprechend den in den letzten Jahren eingetretenen Verschiebungen der Bevölkerung, in die Wege zu leiten. 1 Dr. Barth: Der Antrag hat das Haus schon in der vorigen Session beschäftigt und wird überhaupt von uns immer wieder eingebracht werden, bis ihm entsprochen worden ist. In diesem
d. Bl, berichtet worden.
Zur Berathung gelangt der Antra
Jahre war noch ein besonderer Anlaß vorhanden, den Antrag wieder einzubringen: die letzte Volkszählung, deren Ergebniß aufs neue die Ungerechtigkeit des heutigen Zustandes zeigt. Die jetzige Wahl⸗
kreiseintheilung beruht auf der Volkszählung von 1858. Seitdem
8 ist die Bevölkerungszahl um 60 % gestiegen. Wenn damals ein Ab⸗ geordneter auf 50 000 Einwohner kam, kommt jetzt ein solcher auf 80 000 Einwohner. Berlin erhielt damals bei 458 000
Einwohnern 9 Abgeordnete, heute müßte es mindestens
24 haben. Preußen hat sich mehr und mehr vom Agrarstaat zum Industriestaat entwickelt, die Bezirke der Industrie haben starkes Anwachsen der Bevölkerung gehabt. Der Wahlbezirk Bochum hat
sich verfünffacht, Berlin hat jetzt viermal so viel Einwohner wie 1858; in anderen Bezirken hat sich die Bevölkerung verdoppelt; die
Vermehrung der Bevölkerung um 60 % ist bloß den großen Städten und den Industriebezirken zu gute gekommen. In Schlesien hat sich im Wahlkreise Bolkenhain die Bevölkerung verdoppelt. Dem
entsprechend muß rc in der politischen Vertretung diefer
Bezirke eine Verschie ung eintreten. Auch von der Rechten
könnte dagegen kein grundsätzlicher Widerspruch erhoben werden. Die rechte Seite des Hauses wird dadurch allerdings eine starke Ver⸗ minderung an Mandaten erfahren, die linke eine Vermehrung. Die
rechte Seite hat immer die politischen Interessen ihrer Partei wahr⸗
genommen, nicht die Interessen der Allgemeinheit. Die Rechte will ihren Einfluß, den sie dadurch hat, daß ihr etwa 50 Mandate zu viel zugefallen sind, — aufgeben, um einer Forderung der Gerechtigkeit zu genügen. Der
herzigkeit im vorigen Jahre es offen ausgesprochen, daß Berlin 17 Man⸗ date mehr bekommen müßte, und ähnlich die anderen großen Städte, so⸗ daß insgesammt 30 neue städtische Mandate herauskommen würden, daß aber die großen Städte schon einen solchen großen wirthschaft⸗ lichen Einfluß hätten, daß sie nicht auch noch eine Vermehrung ihres politischen Einflusses verlangen könnten. Das Dreiklassenwahlspstem,
bg. von Zedlitz hat in seiner gewohnten Offen⸗
das wir mit dem Fürsten Bismarck das elendeste aller Wahlsysteme
nennen, beruht aber doch gerade auf dem Grundsatz, daß den
rößten politischen Einfluß haben soll, wer am meisten Steuern eistet. Sie (rechts) halten an diesem Wahlsystem fest, wollen
aber hier gerade das Gegentheil thun, und den größten politischen Einfluß dahin egen, wo am wenigsten Steuern
ezahlt werden. Berlin bringt schon allein mehr an Steuern auf als die 40 konservativen Wahlkreise zusammengenommen. Die national⸗ iberalen und freisinnigen Wahlkreise vertreten entschieden die Mehrheit
an Steuerleistung. Die Konservativen erkennen sonst die Ge⸗ rechtigkeit solcher Forderungen, wie wir sie stellen, an. Die Schlesische Zeitung“, das Organ des Grafen Limburg⸗Stirum, hat gebracht,⸗ das jetzt verbessert werden soll
1“ 1u1““ 11““
im Januar einen Artikel über das Wahlsystem in Ungarn durch gerechte Ein⸗
“
theilung der Wahlkreise; darin sagt die „Schlesische Zeitung“, daß dieses Wahlsystem der politischen Mache Vorschub leiste, die Re⸗ sesescr sich aber der Reform widersetze, weil dies für die iberale Partei besser sei. Die Hoffnung, die Herren vom Zentrum von der Gerechtigkeit unserer Forderung zu überzeugen, habe ich noch nicht aufgegeben. Das Zentrum würde auch nicht auf eines der Mandate verzichten, die ihm nach der Zusammensetzung der Bevölkerung zukommen. Deshalb appelliere ich an das Zéntrum, daß es uns unterstützt, die Wahlkreise nach der Zahl der Bevölkerung einzutheilen. Das Zentrum hat sich im vorigen Jahre gegen unseren Antrag ausgesprochen, wenn auch nicht grundsätzlich; Herr Porsch hat die Berechtigung der Forderung zugegeben und hinzugefügt, daß in manchen Bezirken die Zahl der Wahlmänner so groß sei, daß z. B. in Breslau kein Saal mehr groß genug zu finden sei; die 1200 Wahlmänner in Breslau hätten einmal von 9 Uhr früh bis 4 Uhr am anderen Morgen zusammenbleiben müssen, um die Wahl zu vollziehen. Bei einer Wahlmännerversammlung ist den Wahlmännern gesagt worden, sie möchten doch in die freie Natur hinausgehen und auch da nicht ganz trocken sitzen. Es muß eine völlig neue Eintheilung der Wahlkreise nach . der Be⸗ völkerungszahl stattfinden. Herr Porsch hat anerkannt, daß „auf die Dauer“ die jetzige Wahlkreiseintheilung nicht aufrecht zu erhalten sei, er hat aber die dilatorische Einrede gemacht daß zur Zeit“ das Zentrum noch nicht für eine Abänderung sei. Ich bin begierig, zu erfahren, ob heute das Zentrum die Zeit für gekommen erachtet. ir Porsch sagte, eine Aenderung dürfe nur eintreten in Zeiten, in denen Ruhe im politischen Leben herrsche. Mit diesem Vor⸗ behalt kann er immer und immer kommen. Solche Forderungen kommen überall und immer nur da, wo politische Bewegung herrscht und ein politischer Anlaß dazu vorhanden ist. Für die Reform in diesem Augenblick spricht gerade der Stand unserer aktuellen Politik. Die Kanalvorlage ist zum zweiten Mal auf einem todten Punkt angekommen. Der Mittelland⸗Kanal wird wieder abgelehnt oder in die nächste Session verschleppt. Es entsteht die Frage, ob die Regierung eine zweite Niederlage sich ruhig gefallen lassen soll. Eine konstitutionelle Regierung hat allen Anlaß, in solcher Lage an die Mehrheit der Bevölkerung durch eine Auflösung zu appellieren. Bei uns repräsentiert die Mehrheit des Abgeordnetenhauses durchaus nicht die Mehrheit der Bevölkerung; es unterliegt keinem Zweifel, daß die Bevölkerung, welche hinter den Kanalfreunden steht, diejenige, welche hinter den Kanal⸗ gegnern steht, weit überwiegt. Vom Standpunkt einer großen konser⸗ vativen Politik muß man wünschen, daß das Parlament der wirkliche Ausdruck der Meinung der Bevölkerung sei. Daher ist gerade jetzt der Zeitpunkt zur Aenderung der Wahlkreiseintheilung gekommen. Wenn die Eintheilung nach der Gerechtigkeit erfolgte, wuͤrde die An⸗ nahme der Kanalvorlage ganz sicher sein. Die Regierung kommt zwar der rechten Seite stets entgegen; aber das Maß der Entschieden⸗ heit, welches nöthig ist, um die Kanalvorlage durchzubringen, läßt sie vermissen. Als erste Maßnahme auf dem Wege zur Annahme der Kanalvorlage muß die Aenderung der Wahlkreiseintheilung erfolgen.
Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa (kons.): Meine
Freunde und ich sind Realpolitiker, die auch der Gerechtigkeit zu theil werden lassen, was ihr gebührt. Daher beantrage ich, den Antrag wie im vorigen Jahre wieder abzulehnen. Die Antragsteller gehen von der unhaltbaren Voraussetzung aus, daß für die Wahlkreis⸗ eintheilung die Bevölkerungszahl maßgebend sein müsse. Davon sagt unsere Verfassungsurkunde nichts, sondern es sollen auch andere Momente mitbestimmend sein. Auch das Gesetz zur Ausführung der Verfassung hat nicht die Bevölkerungszahl als maßgebend angenommen, und auch der Gesetzentwurf von 1867, welcher allerdings ausschließlich auf der Bevölkerungszahl basierte, ist damals von der liberalen Mehrheit. des Abgeordneten⸗ hauses abgelehnt worden. Die Gesetzgebung ist also nicht den Weg gegangen, den die Antragsteller als maßgebend bezeichnen. Und das ist auch ganz richtig; denn die politische Be⸗ deutung des Landes hängt dich von der Bevölkerungszahl ab. Es ist ein Unterschied, ob die Zevölkerung in Massen zusammen⸗ lebt in Städten oder auf einen großen Raum vertheilt ist auf dem Lande. Meine Freunde sind der Meinung, daß im wesentlichen die gegenwärtige Eintheilung der Sitze im A geordnetenhause den Inter⸗ essen des Landes entspricht, und daß auch die G sichtspunkte, die die Freisinnigen vertreten, in durchaus ausgiebiger eise zur Erörterung ommen. Und was sie an Zahl vermissen lassen, ersetzen sie durch die Häufigkeit und den Umfang ihrer Reden. Wenn man an unsere Ge⸗ rechtigkeit appelliert und zugleich sagt, bei uns auf der Rechten spiele die Gerechtigkeit gar keine Rolle, so ist das eine schlechte Argumen⸗ tation.é Lehnen Sie den Antrag ab.
Abg. Graf von Bernstorff (frkons.): Der Antragsteller hat bereits Stellen aus der Rede ver esen, welche im vorigen Jahre der Redner unserer Fraktion gegen den Antrag gehalten hat. Wir stehen noch heute auf dem Standpunkt, den wir im vorigen Jahre zum Ausdruck gebracht haben. Mit dem Redner der konservativen Partei vermögen wir b zu erkennen, daß der jetzige Zustand ungerecht ist. Wir werden den Antrag wie im vorigen Jahre ablehnen.
Abg. Noelle (nl.): Im Namen meiner politischen Freunde habe ich, wie schon im vorigen Jahre, den Antrag zu befürworten. Der heutige Zustand schädigt die Großstädte und Industriebezirke zu Gunsten des schwach bevölkerten platten Landes, was eine große Un⸗ gerechtigkeit ist. Das Gesetz von 1860, das die heutigen Wahlbezirke feststellt, ist in keiner Weise unabänderlich, und es wäre eine Un⸗ gerechtigkeit sondergleichen, wenn man den in den letzten 40 Jahren eingetretenen Veränderungen nicht Rechnung tragen wollte. Wir werden für den Antrag stimmen und hoffen, daß auch das Zentrum, das im vorigen Jahre den Antrag nur Zur Zeit“ abgelehnt hat, in diesem Jahre für denselben stimmen wird.
Abg. Dr. Wiemer (fr. Volksp.): Die Einwendungen der Konservativen gegen unseren Antrag werden immer geringer. Wenn auch unser Antrag abgelehnt wird, werden wir ihn immer wieder ein⸗ bringen; der Tropfen höhlt den Stein. Dieser Antrag ist für uns nicht das Alpha und Omega, wir halten vielmehr die Einführung des Reichstagswahlrechts für das erstrebenswerthe Ziel. Der plutokratische Cbarakter unseres Wahlsystems wird durch die ungerechte Ein⸗ theilung der Wahlkreise noch verstärkt. Nach der Volks⸗ zählung müßte auf je 79 130 Einwohner ein Abgeordneter entfallen. Danach müßte Berlin 24 statt 9, Breslau 5 statt 3, Frankfurt 4 statt 2, Stettin 3 Abgeordnete statt 1 ꝛc. haben. Beim Gesetz von 1860 wurde in der Kommission ausdrücklich darauf ingewiesen, daß auf die Bevölkerungszahl Rücksicht genommen werden olle. Dieses Prinzip muß um so mehr aufrecht erhalten werden, als damit zugleich die Steuerleistung mitberücksichtigt ist. Wir sind im Prinzip nicht für die Wahlberechtigung nach der Steuerleistung, aber wenn dieses System einmal besteht, so müssen die Städte auch den entsprechenden Einfluß erhalten. Die Städte leisten das Meiste für das Staatswesen. Eine Vermehrung der Zahl der Abgeordneten wollen wir nicht, aber die weniger dicht bevölkerten Landestheile müßten einige Mandate abgeben. Die Provinz Pommern müßte statt 25 Vertreter nur 19, Ostpreußen statt 29 nur 21, Posen statt 29 nur 23, der Regierungsbezirk Frankfurt a. O. statt 18 nur 15 Vertreter haben. Der jetzige politische Ein⸗ fluß der Konservativen entspricht nicht ihrer politischen Bedeutung, und dazu haben sie noch den Einfluß im Herrenhause. Von den 280 Mitgliedern des Perrenhauses entfallen zwei Drittel, nämlich 187, auf die Vertretung des Adels, dagegen nur 47 Vertreter auf die Städte. Die Präponderanz der Konservativen im Abgeordnetenhause wird nur künstlich erhalten. Durch eine andere Eintheilung der Wahlkreise würden auch die Nationalliberalen eine Verstärkung erfahren, auch das Zentrum wäre mit einigen Wahlkreisen betheiligt. Aber diese partei⸗ olitische Seite ist für uns nicht entscheidend, es handelt sich um eine fes e des Rechts und der Gerechtigkeit. Wir verlangen gleiches
echt für Alle; wir wollen nicht, daß durch künstliche Aufrecht⸗ erhaltung unhaltbarer Zustände unser Einfluß beschränkt wird. Heute ist der Minister nicht hier, im vorigen Jahre hat er fast nichts iu dem Antrige gesagt; ich will damit nicht sagen, daß er in dieser
Frage nichts zu sagen hätte. Wir geben uns der Hoffnung hin, daß
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die Berechtigung unseres Antrages schließlich auch in diesem Hause anerkannt werden wird.
Abg. Schmitz⸗Düsseldorf (Zentr.): Das Liebeswerben de beiden freisinnigen Redner richtet sich hauptsächlich an das Zentrum Es ist vergebens. Wir müssen den Antrag ablehnen aus den Gründen, die Herr Porsch im vorigen Jahre überzeugend zum Au druck gebracht hat. Wenn Herr Porsch gesagt hat, solche Aenderungen könnten nur im Zustande der Ruhe erfolgen, so bezog sich das darauf, daß weite Kreise des platten Landes mit ihrer Beruͤücksichtigung durch die Gesetzgebung unzufrieden sind, und daß, wenn ihnen jetzt noch eine Anzahl Mandate abgenommen würde, thatsächlich eine große Unruhe auf dem Lande eintreten würde. Die liberalen Minderheiten in den Kommunen halten ihre Macht oft auch gegen die Stimmung der Mehrheit in der Bevölkerung aufrecht. Das Abgeordnetenhaus soll ein Spiegelbild aller Berufsstände sein und keine Bevorzugung eines Standes. Wenn eine neue Fabrik in einen ländlichen Wahlkreis Tausende von Arbeitern brächte und nach dem Antrage verfahren würde, so würde die ländliche Bevölkerung in ihrer politischen Be⸗ deutung plötzlich lahmgelegt. Das ist nicht die Absicht der Gesetz⸗ gebung. Im Abgeordnetenhause sollen die Interessen ausgeglichen werden. Viele Einrichtungen in Berlin werden von den Steuern des platten Landes mit bestritten. Wenn wir dem Lande Mandate abnehmen und den Städten zuweisen, so würde das nicht der wirk⸗ lichen Vertheilung der Interessen unseres Landes entsprechen und eine ungerechte Bevorzugung der großen Städte bedeuten. Wenn in einem Wahlbezirk zu viele Wahlmänner sind, so ist das allerdings eine große Unzuträglichkeit, die sich aber leicht durch Theilung des Wahlbezirks beseitigen läßt. Ich persönlich und eine große Anzahl meiner Freunde sind entschiedene Freunde der Kanalvorlage und würden uns herzlich freuen, wenn sie zur Annahme gelangte. Eine Kömmissionsberathung würde nicht nöthig sein, die Frage ist geklärt. Wir lehnen den Antrag ab.
Damit schließt die Besprechung. Im Schlußwort bemerkt Abg. Dr. Barth: Das einzige Moment, das gegen den Antrag in die Waagschale geworfen wird, ist das: Wir sind in der Macht und lehnen deshalb den Antrag ab. Wir werben nicht um die Liebe des IFstrene. aber wir reden ihm ins Gewissen, denn es verfolgt sonst jede
mparität. Herr Porsch hat ausdrücklich gesagt, eine solche Aenderung könne nur in ruhigen Zeiten geschehen. Wir aber sagen, solche Dinge lassen sich nur durchsetzen, wenn keine politische Ruhe, sondern Bewegung herrscht. Wenn in den Kommunen die Macht mißbraucht wird, sollte doch das Zentrum Aenderungen des kommunalen Wahlrechts bean tragen; aber das vorjährige Gesetz über das kommunale Wahlrecht ist Füücde mit der Hilfe des Zentrums zu stande gekommen. Wir haben die Reform des Wahlrechts an dem einen dringendsten Punkt in Angriff genommen. Den Widerstand des Zentrums gegen diesen Antrag, der mit in seinem Parteiinteresse liegt, kann ich mir nur da⸗ durch erklären, daß, wenn der Schwerpunkt hier von rechts nach links verschoben würde, der Einfluß des Zentrums, der ja nur im Zusammen⸗ wirken mit den Konservativen möglich ist, im Innersten ge⸗ troffen würde.
Abg. Dr. Porsch (Zentr.) persönlich: Herr Barth hat mich nicht richtig zitiert. Ich habe gesagt, die gegenwärtige Zeit der Nothlage der Landwirthschaft sei besonders un eeignet zu einer Demonstration mit diesem Antrage, der den ländlichen Bezirken einen Theil ihrer Ver⸗ tretung zu Gunsten der Städte nehme.
Abg. Dr. Barth: Herr Porsch hat das eine und das andere gesagt. Ich habe bloß das andere vorgebracht. Herr Porsch hat auch gesagt: Eine Aenderung des Wahlgesetzes kann nur in ruhigen Zeiten geschehen (Abg. Schmitz: Welche gemeint sind, geht aus der anderen Aeußerung hervor), aber zu keiner Zeit, wo ein Faktor der Gesetz⸗ gebung dadurch einen bestimmten Gesetzentwurf durchbringen will.
bg. Dr. Porsch: Ich habe nicht generell von unruhigen Zeiten gesprachen, sondern von einer ganz bestimmten Veranlassung.
Abg. Noelle beantragt die Ueberweisung des Antrags an
eine Kommission von 14 Mitgliedern.
Die Ueberweisung an eine Kommission und auch der An⸗ trag selbst werden gegen die Stimmen der gesammten Linken abgelehnt.
Schluß nach 3 ¼ Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag 11 Uhr. (Interpellation Barth wegen des Ausnahmetarifs für Futter⸗ und Streumittel, Interpellation Gamp wegen Feacernaüßtaumng für Saatgut und Brotgetreide, Antrag Langerhans wegen der Feuerbestattung, Antrag Göschen wegen des Stempels füͤr die Verleihung des Sanitätsrathstitels.)
Parlamentarische Nachrichten.
Dem Herrenhause ist eine Nachweisung derjenigen Beträge zugegangen, die aus den durch die Gesetze vom 3. Juni 1896 und 8. Juni 1897 bereitgestellten Fonds von 3 000 000 und 2 000 000 ℳ zur Errichtung von land⸗ wirthschaftlichen Getreidelagerhaͤusern bis Ende Dezember 1900 bewilligt worden sind.
Danach ist im verflossenen Jahre der Betrieb in sechs Getreide⸗ lagerhäusern eröffnet worden, und zwar in Tilsit (Ostpreußen), Kallies, Falkenburg und Plathe (Pommern), Nordhausen (Sachsen) und Ostrach (Hohenzollern).
Die Gesammtzahl der im Betriebe befindlichen Getreide⸗ lagerhäuser, welche mit Hilfe des Staatskredits gebaut sind, be⸗ trägt jetzt, einschließlich des Versuchsgetreidelagerhauses in Berlin, ißig. Es sind dies die Getreidelagerhäuser zu Bart. Pyritz, Stargard, Anklam, Schivelbein, Kolberg, Belgard
Gramenz, Stolp, Neustettin, Kallies, Plathe und “
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(in Pommern),
Tilsit (in Ostpreußen),
Pabaht (in Westpreußen),
Janowitz (in Posen),
Neusalz (in Schlesien),
Berlin, Versuchs⸗Getreidelagerhaus (in Brandenburg),
Halle a. S. und Nordhausen (in Sachsen),
Einbeck und Badbergen (in Hannover),
Soest und Eissen (in Westfalen),
Bettenhausen (Cassel), Hofgeismar, Hoheneiche, Zierenberg, Hanau
(in Hessen⸗Nassau),
Ostrach (in Hohenzollern). 4
Bei den Kornhäusern in Neustettin und Neusalz a. O. ist die
Vergrößerung der Lagerräume durch Silvanbauten vorgesehen, welche in diesem Jahre zur Ausführung gelangen sollen. Für diesen Zweck sind für Neustettin 53 700 und für Neusalz 60 000 ℳ bereitgestellt. Ein Betrag von 60,000 ℳ ist ferner bereitgestellt für ein in Louisen. hain (Posen) zu errichtendes Getreidelagerhaus, mit dessen Bauaus⸗ führung begonnen ist.
ie schon im vorjährigen Verwendungsbericht erwähnten Ver⸗
handlungen über den Bau von Getreidelagerhäusern in Rastenburg (Ostpreußen) und Simmern (Rheinprovinz) haben bisher nicht beendet werden können. Für beide Häuser sind entsprechende Beträge zurück⸗ gestellt. Der Bau eines Kornhauses in Bra 1 (Westfalen) ist von den Betheiligten aufgegeben.
Die Förderung des Baues weiterer Getreidelagerhäuser, für
welche die daneben vermerkten Beträge aus dem Kornhausfonds resewiert sind, ist beabsichtigt in 88
Münster (Westfalen) — reserviert 150 000 ℳ —, Hameln (Hannover) — E 5 000 „—,
Worbis (Sachsen)) — „ 18 200 „—. In Worbis sind die vorbereitenden Verhandlungen dem Abschluß
nahe. Bezüglich der Bauten in Münster und Hameln schwehen zur Zeit noch die Verhandlungen über die für die Kornhäufer in Aussicht genommenen Baustellen. Endlich ist die staatliche Mitwirkung bei
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