1901 / 276 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 21 Nov 1901 18:00:01 GMT) scan diff

8“ Preußen. Berlin, 21. November. 8

Ihre’ Kaiserlichen und Königlichen Majestäten begaben Sich heute, am Geburtstage weiland Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin Friedrich, Morgens um 8 ³l Uhr nach dem Mansoleum bei der Friedenskirche und legten am Sarge Ihrer hochseligen Majestät einen Kranz nieder.

Seine Majestät der Kaiser und König hörten von 9 Uhr ab die Vorträge des Kriegs⸗Ministers, Generals von Goßler und des Chefs des Militärkabinets, Generalmajors Grafen von Hülsen⸗Haeseler. 8

Der Bundesrath versammelte sich heute zu einer Plenarsitzung. Vorher beriethen die vereinigten Ausschüsse für Rechnungswesen, für das Landheer und die Festungen und für Eisenbahnen, Post und Telegraphen.

DHas Königliche Staats⸗Ministerium trat unter dem Vorsitz seines Präsidenten Grafen von Bülow heute zu einer Sitzung zusammen.

Der hiesige Königlich niederländische Gesandte Jonkheer van Tets van Goudriaan ist nach Berlin zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.

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Bayern.

Die in der Sitzung der Kammer der Abgeordneten am 15. d. M. erfolgte Erklärung des Minister⸗Präsidenten Dr. Grafen von Crailsheim lautet, wie „W. T. B.“

2.

meldet, an der Stelle, welche sich auf den Burenkrieg. bezieht,

hehaltung der bayerischen Gesandtschaften.

nach dem amtlichen stenographischen Bericht wörtlich, wie folgt: Der Abg. Beckh hat zu erkennen gegeben, daß ihm Schritte zu Gunsten der Buren wünschenswerth wären. Man mag alle An⸗ ennung für die Tapferkeit der Buren haben, welche in heldenmuüͤthiger Weise sich einer europäischen Großmacht gegenüberstellen, um in opfermüthigem Ringen ihre Freiheit und ihre Unabhängigkeit zu wahren. Aber nichtsdestoweniger wird man doch der deutschen Politik nicht rathen können, sich in iesen Krieg einzumischen. Wenn eine Macht von der Bedeutung s8 Deutschen Reichs einen so ernsten Schritt thut, wie die Ein⸗ mischung in einen zwischen anderen Nationen geführten Krieg, so wird sie sich den zweiten Schritt überlegen müssen. Würde das Deutsche Reich einen diplomatischen Schritt zu Gunsten der Buren thun, so wäre voraussichtlich eine Ablehnung zu gewärtigen, da, wie bereits erwähnt, Großbritannien wiederholt erklärt hat, daß es von einer Einmischun fremder Staaten nichts wissen wolle. Das Deutsche Reich stände dann vor der Alternative, dabei bewenden zu lassen und die diplomatische Nieder⸗ age einzustecken oder seiner Mediation gegen den Willen des wider⸗ treitenden Theils Nachdruck zu verschaffen. Daß eine besonnene Reichspolitik sich hierzu nicht entschließen kann, das bedarf wohl einer weiteren Ausführung nicht.

Die Kammer der Abgeordneten beendete am Dienstag die Debatte über die allgemeine Finanzlage. Nachdem die Abgg. Prieger (freie Vereinigung) und Diehl (liberal) gesprochen hatten, fuͤhrte der Finanz⸗Minister Dr. Frei⸗ herr von Riedel aus, er sei ein Gegner einer allgemeinen direkten Reichs⸗Einkommensteuer, weil er wünsche, daß die finanziellen Verhältnisse der Einzelstaaten von diesen unbeschränkt selbst bestimmt würden. Eine Reichs⸗ Finanzreform müsse den Gruandsatz festlegen, daß die Matri⸗ kularbeiträge niemals die Ueberweisungen übersteigen dürften. Nachdem der Abg. Kohl (Zentr.) nochmals die Haltung seiner

Partei vertheidigt hatte, wurde die Debatte geschlossen. Bei dem

Etat des Ministeriums des Aeußern vertheidigte der Minister⸗Präsident Dr. Graf von Crailsheim gegenüber dem Abg. Gäch (freie Vereinigung) die Nothwendigkeit der Bei⸗ Der Abg. von Vollmar (Sozialdemokrat) beantragte die Ablehnung der 100 000 ℳ, vas der Staat für die Hofhaltung Seiner Königlichen Hoheit des Prinz⸗Regenten zahle. Dieser Antrag wurde von dem Finanz⸗Minister Dr. Freiherrn von Riedel und von Rednern aller Parteien energisch bekämpft und schließ⸗ lich von der Kammer abgelehnt.

Hessen. 1.“

Seine Königliche Hoheit der Großherzog empfing

estern, der „Darmstädier Zeitung“ zufolge, den hessischen Gesandten in Berlin Dr. von Neidhardt. Dasselbe

Blatt veröffentlicht das Zeremoniell bei der Feier des

*

Geburtstages Ihrer Königlichen Hoheiten des Groß⸗ herzogs und der Großherzogin. Hiernach erfolgen die

Gratukationen für die Großherzogin seitens der Damen bei der Frau Ober⸗Hofmarschall von Westerweller und sei ens der

Herren bei dem Ober⸗Hofmeister Riedefel Freiherrn zu Eisenbach.

Die Zweite Kammer der Stände trat am Diens⸗ tag zu einer längeren Tagung zusammen. Bei der Vor⸗ verathung eines Antraas der Abgg. Ulrich und Genossen, daß die Regierung zur Linderung der fühlbar werdenden Arbeitsnoth alle in Brtracht kommenden Arbeiten vor⸗ nehmen lassen und eventuell eine Nothstandsvorlage machen möge, erklärte der Ministerialrath Braun, n Regierung habe mit Rücksicht auf die bekannten häaltnisse in der Industrie alsbald Vorsorge getroffen, um ein Bild der Lage im ganzen Lande zu gewinnen. Nach den Erhebungen aus einzelnen Kreisen habe die Zahl der Arbeitsnachfragen die ngebote beträchtlich überstiegen; ebenso sei die Zahl der Bettler und Lanestreicher erheb⸗ lich gestiegen. ichtsdestoweniger sei zu besonderen

denken kein Anlaß. Den gesammelten Erfahrungen sei auch

b entnehmen, daß die rückläusize Bewegung auch das t

oßherzogthum nicht underüͤhrt gelassen habe, daß diese

aber —2— 1— und 2 gemeinen Nothstand im Großherzegthum nicht vro werden könne. Es sei nicht unwahrscheinlich, daß sich die bei anhaltender Kälte, welche zur Einstellung der zuthätigkeit nöthige, verschlimmern würden. Die Kommunal⸗ verbände hätten bis jetzt auf der ganzen Linie ihrer Pflicht rbeiten würden in einer Weise zur

usführung gebracht

daß eine Nothstandsvorlage nicht geboten erscheine. Der Antrag wurde sodann an einen Ausschuß verwiesen. Bei der Be⸗ rathung der Vorstellungen einer Anzahl Personen jüdischen Glaubens, welche Beschwerde darüber führten, daß die Regie⸗ rung bei der Anstellung von Beamten solche jüdischen Glaubens zurücksetze, entspann sich eine Debatte, in deren Verlauf mehrere Antisemiten gegen die Anstellung jüdischer Richter sprachen. Es wurde in Uebereinstimmung mit der Regierung mit großer Stimmenmehrheit folgendec Ausschußantrag an⸗ genommen: Die Kammer spricht die Erwartung aus, daß bei der Anstellung der Beamten der prinzipielle Standpunkt der religiösen Gleichberechtigung gewahrt werde. Ferner wurde das Gesetz, betreffend den Schutz der Bau⸗ und Kunst⸗ denkmäler im Großherzogthum Hessen, angenommen. Dasselbe tritt am 1. Januar 1902 in Kraft. 3

Desterreich⸗Ungarn.

Ein über das Ergebniß der Berathungen der deutschen Obmänner⸗Konferenzam Montag ausgegebenes Communiqué besagt, wie „W. T. B.“ aus Wien meldet, Folgendes:

„Die in der Obmänner⸗Konferenz vertretenen deutschen Parteien gelangten zu der Ueberzeugung, daß nur eine Verständigung aller Parteien des Hauses bezüglich der Art der Fortführung der parla⸗ mentarischen Geschäfte dasselbe aus seiner jetzigen Lage befreien könne, weshalb sie sich entschlossen hätten, zu einer solchen Ver⸗ ständigung den Anstoß zu geben. Alle Parteien ständen unter dem Eindruck, daß in der wirthschaftlichen Entwickelung Oesterreichh es kaum jemals einen kritischeren Augenblick gegeben habe als den gegenwärtigen. Alle noch so lesbaten nationalen Gefühle dürften die Sorge und Verantwortung für die wirthschaftliche Zukunft des gemeinsamen Vaterlandes nicht ausschließen. Es handle sich um zwei Stadien der parlamentarischen Arbeit, zunächst um Erledigung des Budgets und dann um Herstellung einer politischen Situation, welche einen parlamentarischen Abschluß des Ausgleichs mit Ungarn und der Handelsverträge ermögliche. Die Erledigung des Staatsvoranschlages im Ausschuß sei nur durch das Zusammenwirken aller Parteien erreichbar. Die Konferenz beantrage deshalb im allseitigen Interesse die sofortige Fühlungnahme zwischen den Parteien unter Inter⸗ vention der Regierung, um konkrete Beschlüsse zu erzielen über die Ausnutzung aller sitzungsfreien Tage für die Erledigung des Budgets im Ausschuß, über die Zuweisung des Budgetprovisoriums ohne erste Lesung an den Ausschuß und Votierung des Provisoriums noch vor Weihnachten. Tiefergehende Anstrengungen erheische das zweite Stadium. Wenn nicht erreicht werde, daß die Regierung sich auf den guten Willen der Volksvertreter in Oesterreich stützen könne, wenn die nationalen Forderungen mit der Ausgleichssache verquickt würden, so sei keine Aussicht für die parlamentarische Regelung des wirthschaftlichen Verhältnisses zu der anderen Reichs⸗ hälfte vorhanden. Es müsse daher eine politische Situation geschaffen werden, die es allen Parteien ermögliche, auf dem gemeinsamen Boden des österreichischen Interesses sich mit der Regierung zusammenzufinden. Die deutschen Parteien seien grundsätzlich gewillt, an der Herbeiführung einer solchen Situation mitzuwirken, und hielten es daher für geboten, daß in jenem Zeitpunkt eine Aussprache über die wichtigsten nationalen Differenzen gepflogen und im Geiste billigen Entgegenkommens durch⸗ geführt werde.“

In der vorgestrigen Sitzung des österreichischen Ab⸗ geordnetenhau ses befanden sichim Einlauf Anträge oer Abgg. Schalk, Schreiter, Kittel und Genossen, betreffend die Be⸗ seitigung des im Entwurf des Zolltarifs für das Deutsche Reich festgesetzten und vom deutschen Bundesrath von 40 auf 60 erhöhten Zolles auf Hopfen und die Festhaltung an dem derzeit bestehenden Vertragszoll auf Hopfen von 14 auch für die neu abzuschließenden Handelsverträge, sowie die Sicherung des Innenmarktes für die heimische Hopfen⸗ produktion durch Erhöhung des Emfuhrzolles für ausländischen Hopfen. Der Finanz⸗Minister Dr. Böhm von Bawerk unter⸗ breitete sodann dem Hause einen Gesetzentwurf, durch welchen mehrere abändernde und ergänzende Bestimmungen zum Börsengesetz vom 1. April 1875 getroffen werden. Der Entwurf sieht nicht ein formelles Verbot des Terminhandels in Getreide und Mühlenfabrikaten vor, sondern eine durchgreifende Reform der landwirthschaftlichen Börsen, durch welche der Einfluß des Staates verstärkt und gegen illegitime Behandlung der Terminhandelsfirmen wirksame Schranken errichtet werden sollen. Sämmtliche Börsenusancen und L quidationsnormen sollen staatlicher Genehmigung bedürfen. Behufs Erzielung richtiger, möglichst genauer Kursnotierungen ist die Anstellung beeideter Kursregistratoren in Aussicht genommen. Die Vorschriften über die Kurs⸗ notierungen sind mit scharfen Strafandrohungen ausge⸗ stattet. Personen, die durch Abschluß eines Scheingeschäfts oder durch eine Täuschung über einen hinsichtlich der Preisbildung entscheidenden Umstand auf den Getreidepreis einwirken, nd mit Arreststrafen bis zu einem Jahr bedroht. Der Gesetzentwurf enthält ferner Bestimmungen gegen das Börsenspiel Unberufener und gegen übermäßige Börsen⸗ spekulationen, ferner solche, die sich auf ein Börsenschiedsgericht und die Börsenleitung beziehen, wobei der Ein der Re⸗ gierung verstärkt wird. In der fortgesetzten Debatte uͤber die dringlichen Anträge, betreffend die Kongre⸗ ationen, begründeten die Abgg. Schuhmeier und lofac ihre Anträge, worauf der Hruban gegen, der Abg. Groß für die Dringlichkeit sprach. Der Unterrichts⸗ Minister Dr. von Hartel erklärte hierauf, er wolle sich auf die Fraue der Dringlichkeit der gestellten Anträͤge beschränken, und konstatierte, daß in den beiden letzten Jahren drei weib⸗ liche Orden um die vorübergehende Au enthaltserlaubniß eingekommen seien, daß jedoch nur ein einziger derselbhen zuge⸗ lassen worden sei, aber von der Erlaubniß keinen Gebrauch gemacht hätte. Der Minister bemerkte ferner, er könne nicht glauben, daß eine bedeutende Einwanderung fran⸗ Pfischer Ko e erfolgen werde, und äußerte sich ahin, daß selbst gegenüber einer solchen Einwanderung die bestehenden Verordnungen und Gesetze genügend und ausreichend seien, um alle staatlichen und volkswirthschaftlichen

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vollauf t. Die staatlichen

Interessen, sowie den konfessionellen Frieden zu schühen, wenn er von irgend einer Seite bedroht werden sollte. Der Minister bekämpfte sodann, auf Grund von ziffermäßigem Material, die unhaltbare Befürchtung, als ob ungeheure Massen Landes im Besitze der todten Ha d vereinigt seien, stellte fest, daß die Regicrung bei der Ertheilung des Oeffentlichkeits⸗ echts an katholische Orden und Ordensschulen, sowie bei Zulassung protestantischer Pfarrer vallkommen den be⸗ stehenden gesetzlichen Bestimmungen entsprochen habe, und bat, die geltend gemachten Momente, welche die Dringlichkeit nicht begründen könnten, bei der Abstimmung berücksichtigen. Hierauf wurde die Verhandlung abge MeegI. Romanczuk brachte sodann noch einen dringlichen Antrag,

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betreffend die Errichtung einer ruthenischen Universität in

Lemberg, ein

Im Laufe der Sitzung begaben sich die Abgg. Freiherr von Schwegel, von Derschatta, Funke und Prin Liechtenstein zum Ministec⸗Präsidenten von Körber, um demselben die Beschlüsse der deutschen Obmänner⸗ Konferenz zu unterbreiten. In Abgeordnetenkreisen verlautete der Minister⸗Präsident von Körber habe die ihm über⸗ reichte Resolution mit Dank entgegengenommen und zugleich die Hoffnung ausgesprochen, daß auch andere Parteien geneigt sein würden, im angeregten Sinne mitzuwirken.

Der Budgetausschuß hat gestern die Kapitel Reichs⸗ rath, Reichsgericht und Gewerbeinspektion angenommen und ist dann in die Berathung des Budgets des Landesvertheidi⸗ gungs⸗Ministeriums eingetreten. Mehrere Redner traten für eine Reform der Militär⸗Strafprozeßordnung sowie für Be⸗ günstigung der bäuerlichen Bevölkerung bei den Waffen⸗ übungen und den Beurlaubungen ein. Der Abg. Fort legte der Regierung nahe, die Angelegenheit der „Zde⸗Frage“ aus der Welt zu

Gestern Nachmittag fand eine gemeinsame Sitzung der Präsidien des Czechenklubs, des konservativen Großgrundbesitzes und der czechischen Agrarier statt in welcher der Wortlaut der Entgegnung des Jungezechenklubs auf die Erklärung der Obmänner der deutschen Parteien mit⸗ getheilt und festgestellt wurde, daß bezüglich der prinzipiellen Auffassung der durch die Erklärung der Obmänner der deutschen Parteien geschaffenen Lage und über das ge⸗ meinsame Vorgehen gegenüber dieser Lage eine vollständige Uebereinstimmuͤng aller Anwesenden herrsche. In der Ent⸗ gegnung der Jungczechen hieß es, die Vertreter des czechischen Volkes verschlössen sich nicht dem Ernste der Lage, sie drängten jedoch auf Beseitigung des ihnen zugefügten Unrechts und ver⸗ langten vor allem die Einführung der inneren czechischen Amts⸗ sprache. Der Aufschub dieser dringendsten aller Angelegenheiten wäre nur eine augenblickliche Erleichterung der parlamentarischen Lage, keineswegs aber eine gründliche Sanierung der Verhält⸗ nisse; eine rasche Erledigung der Frage der inneren czechischen Amtssprache wäre eine Lösung der Frage, betreffend die Er⸗ ledigung des Budgets, und aller übrigen dringenden Vorlagen. Die czechischen Vertreter wollten sich an der Besprechung über die Sanierung der schwierigen Verhältnisse betheiligen, müßten sich jedoch vorbehalten, nicht nur über das parlamentarische Kalendarium, sondern auch über das Parlament und seine Lage rückhaltlos zu sprechen. Nach dem Verhalten der Re⸗ gierung und der Parteien gegenüber ihren Forderungen werde sich auch ihre parlamentarische Haltung gestalten.

Die Alldeutsche Vereinigung hielt vorgestern, wie die „Deutschnationale Correspondenz“ meldet, vor der Sitzung des Abgeordnetenhauses eine Besprechung über die politische Lage ab, in der von verschiedenen Seiten betont wurde, daß man den angeblichen krisenhaften Zustand des Parlaments nicht an⸗ erkennen könne, daß das Parlament vielmehr eine naturgemäße Entwickelung nehme; man sei erst auf dem Wege der Ge⸗ sundung, deshalb sei es zu bedauern, daß die Obmänner⸗ Konferenz noch nicht Anlaß genommen habe, mit der nöthigen Entschiedenheit die parlamentarische Lage zu sanieren Es sei gegenüber der weiteren Entwickelung der parlamentarischen Verhältnisse eine beobachtende Haltung einzunehmen und un⸗ bedingt an dem Standpunkt festzuhalten, daß den Czechen keine neuen Konzessionen gemacht werden dürften. Es gehe auch nicht an, daß die Deutschen sich auf den Boden von Verhandlungen mit den Czechen begeben, sei es vor, sei es nach Verabschiedung des Budgets.

Die Zollenquéte der land⸗ und forstwirth⸗ schaftlichen Zentralstelle beschäftigte sich vorgestern mit der Produktionsgruppe „Malz“ und nahm eine Resolution an, in welcher erklärt wird, daß die Zollsätze des deutschen Zoll⸗ tarifs eine schwere Schädigung der österreichischen Malzindustrie und der Gersteproduktion bedeuteten. Die Regierung wird er⸗ sucht, durch Kompensationszölle bei den Vertragsverhandlungen mit dem Deutschen Reiche den Wegfall der in Deutschland der Malzindustrie gewährten Exportprämien und die Feststellung gleich hoher E.senbahntarifsätze für Malz im Verkehr zwischen Oesterreich und Deutschland zu erwirken. In der gestrigen Fortsetzung der Sitzung gelangten sodann die Wünsche der Produktionsgruppen „Obst“ und „Essigkonserven⸗ zur Verhandlung. Die Enquéte beschloß, zu ertlären, daß die im deutschen Zolltarifentwurf aufgestellten Sätze für mehrere Obstgattungen und für Obst⸗ und Gemüsekonserven viele Zweige des Oöbst⸗ und Gemüsebaues, sowie den enr⸗ sprechenden Zweig des österreichischen Ausfuhrhandels schädigen würden. Es wurde infolge dessen beschlossen, die Regierung u ersuchen, beim Abschluß des neuen Handelsvertrags mi⸗ X₰. Deutschen Reiche dafür zu so gen, daß die deutschen Zoll⸗ sätze für mehrere Obstgattungen möglichst herabgesetzt würken, und daß durch Kompensationszölle die heimische Ausfuhr ge⸗ fördert werde.

Der Minister⸗Präsident von Körber hat, wie die „Wiener Abendpost“ meldet, an den Präsidenten der österreichisceen Gruppe der Interparlamentarischen Union für internationale Schiedsgerichte Baron Piquect ein Schreiben gerichtet, in welchem er dessen Mit⸗ theilung von dem Stattfinden der nächsten Konferenz der genannten Union in Wien im September 1902 dankend zur Kenntniß nimmt und versichert, daß die

Regierung den 4—4* dieser Union vollstes Interesse

entgegenbringe und die Abhaltung der nächsten Korfe enz in Wien mit aufrichtiger Befriedigung begrüße. Zur Deckung der Kosten dieser Konferenz würden aus Staatosmitteln 40 000 Kronen zur Verfügung gestellt werden.

In Lemberg drangen am Dienstag Mittag mehrere Hundert ruthenische Studenten in einen Hörsaal Universtiät, um eine Versammlung über die Frage der Er⸗

richtung einer ruthenischen Universität abzuhalten,

und hinderten die Professoren gewaltsam am treten des Saales. Der Rektor erklärte die sammlung für aufgelöst. Als nun Universitätsdiener Saal räumen wollten, schlugen die Studenten mit St. 5 auf dieselben ein, verließen dann aber den Saal und asirn darauf, ruthenische Lieder singend, die Stadt, um fi schließlich in Ruhe zu zerstreuen. Der Rektor wird die

stranten zur Perantwortung Jefolge dieser wurden die Borlesungen bis auf weiteres ellt.

Großbritannien und Irland. Das Kabinet wie „W. T. B.“ meldet, den sammentritt des A.neen. endgültig für den 16. 4 nuar festgesetzt. *

Das „Reuter'sche Bureau“ erfährt, das Kriegsamt solle heabsichtigen, die Territorial⸗Armee zu vermehren, indem es mehrere neue Bataillone Miliz in England und Schottland schaffen wolle.

Auf ein Schreiben, welches ein gewisser Mariner aus Penrith an den Staatssekretär für die Kolonien Chamberlain gerichtet und in dem er ihm nahe gelegt hatte, Schritte zu thun, um den Unwillen zu beseitigen, den er durch seine jüngst gehaltene Rede in gewissen Kreisen des deutschen Volkes hervorgerufen habe, hat, dem „W. T. B.“ ufolge, der Staatssekretär für die Kolonien Chamberlain seinen Sekretär antworten lassen, die künst⸗ liche Agitation in Deutschland beruhe so vollständig auf einem Mißverständnisse seiner Rede, daß er nicht daran denke, irgend welche Notiz davon zu nehmen. Er wolle in⸗ dessen feststellen, daß sich kein vernünftiger (Sensible) Deutscher durch die Worte beleidigt fühlen koͤnne, in denen er das Ver⸗ halten der britischen Behörden in Transvaal durch den Hin⸗ weis auf die bei allen zivilisierten Nationen unter ähnlichen Umständen beobachtete Haltung gerechtfertigt habe.

Sir Henry Campbell Bannerman hielt am Dienstag in Plymouth eine Rede, in welcher er ausführte, der Einfall Jameson’'s würde nie vorgekommen sein, wenn eine liberale Regierung am Ruder gewesen wäre. Er glaube nicht an eine Verschwvörung zu dem Zwecke, die Engländer aus Süd⸗Afrika zu vertreiben. Er meine, diese Behauptung sei lediglich nachträglich aus⸗ gedacht worden, um das öffentliche Gewissen in Großbritannien zum Schweigen zu bringen. Der Redner bestritt, jemals irgend ein Wort geäußert zu haben, das von irgend einem noch so feinem Kopfe als eine Ermuthigung der Buren ge⸗ deutet werden könne. Er habe einzig und allein auf die Thorheit der Art und Weise hingewiesen, in welcher die Re⸗ gierung die Burenangelegenheit betreibe. Sir Henry Campbell Bannerman erklärte ferner, es sei keine Hoffnung vorhanden, daß die Gefahr, der Großbritannien jetzt gegenüberstehe, werde be⸗ schworen werden, solange Chamberlain im Kolonial⸗Ministerium und Lord Milner in Pretoria verbleibe. Schließlich gab der Redner der Ansicht Ausdruck, daß Großbritannien die Ver⸗ pflichtung gehabt habe, trotz eifrigster Fortsetzung des Kampfes die militärische Aktion mit der Veröffentlichung annehmbarer und bestimmter Friedensbedingungen zu begleiten.

In der gestrigen Verhandlung gegen Dr. Krause bean⸗ tragte der Vertreter der Staatsanwaltschaft, Dr. Krause wegen Aufreizung zum Morde dem Zentral⸗ Kriminal⸗ gerichtshof in Old Bailey zu überweisen, fügte jedoch hinzu, er behalte sich das Recht vor, später die Anklage

wegen Hochverraths zu erheben, wenn er diesen für vorliegend

erachte. Die Anklage wegen Aufreizung zum Morde gründe sich auf Krause's Briefe an Broeksma, in welchen er die Er⸗ mordung des englischen Advokaten Foster angerathen habe. Dr. Krause's Rechtsbeistand betonte von neuem, daß gegen Dr. Krause in England nicht wegen Hochverraths verhandelt werden könne. Nach dem Verhör von Zeugen wurde der Fall vertagt. Der Polizeirichter genehmigte die Haftentlassung Krause's, wenn eine Kaution von 2000 Pfund für ihn ge⸗ stellt werde.

Die Zollbehörden in London haben einen Dampfer, der am 13. d. M. angeblich mit Passagieren zu einer Ver⸗ gnügungsfahrt abgeben wollte, zurückgehalten. Gewisse Um⸗ stände und namentlich der, daß das Schiff einen Scheinwerfer mit sich führte, hatten Verdacht erregt. Es heißt, die hälten an Bord vier Feldgeschütze und eine

enge Holzkohle und Salpeter gefunden: die Vorräthe hättern aus Büchsenfleisch, Bisqutts und anderen Dingen bestanden, die für Vergnügungsreisende ungewöhnlich seien. Das Schiff sei auch so Fnae 299 daß es 500 bis 600 Mann mit sich führen könne. Der Dampfer gehörte früher der „Aberdeen Steam Navigation Company“ und führte den Namen „Ban Righ“. Diese Gesellschaft hatte das Schiff kürzlich durch Agenten ver⸗ kauft, aber nicht erfahren, wer es gekauft habe. 1

An der Fondsbörse in London kam es gestern zu einer stürmischen Kundgebung gegen den Radikalen Sir Pattersen Nickalls, welcher am Dienstag Abend in Maidstone den Vorsitz in einer burenfreundlichen Versamm⸗

lung geführt und eine Rede gegen den Krieg gehalten hatte.

Frankreich.

In der Vormittags⸗Sitzung der Deputirten⸗ kammer vom 19. d. M. wurde die Berathung der Vorlage, betreffend die Handelsmarine, fortgesetzt. Artikel 2 der Vorlage wurde, wie „W. T. B.“ berichtet, angenommen. Der Deputirte Castelin beantragte, von den im Ausland ge⸗ kauften Schiffen einen Einfuhrzoll zu erheben. Der Handels⸗ Minister Millerand bekämpfte den Antrag unter dem Hin⸗ weis, daß die französische Schiffbau⸗Industrie hereits aus⸗ reichend durch die Prämien geschützt sei. v wurde der Ant ag Castelin's mit 510 gegen 31 Stimmen abgelehnt. In der Nachmittags⸗Sitzung wurde die Berathung des An⸗ leihegesetz⸗Entwurfs wieder aufgenommen. 1272₰ Minister Caillaux gab einen historischen Ueberblick über die Angelegenheit der Entschädigungen und versicherte, daß die jährlichen Zahlungen richtig geleistet werden würden, da China unermeßliche Hilfsquellen besitz. Der Minister ersuchte die Kammer, sie möge die Höhe der aufzunehmenden Anleihe wieder auf 200 Millionen fest⸗ setzen, da die von der Kommissien vorgeschl gene Lösung, wonach die Anleihe nur 210 Millionen betragen solle, un⸗ annehmbar sei. Der Minister führte ferner Beschwerde darüber, ß; ihm die Kommission nicht vorher angezeigt hebe, welche Abstriche sie vorzunehmen gedenke. Der Berichterstatter der Kommission Hubbard erhob gegen die letzte Aeußerung Einspruch. Der FinanwMinister Caillaux legte sodann die Nothwendigkeit dar, die Hankau⸗Peking⸗Eisenbahngesell⸗ schaft zu 2e. Die Bahn sei von großem Nutzen ür den Einsluß Frankreichs, und ihr Bau sei trotz des Widerstands Großbritanniens durchgesezt worden. Ebenso nöthig sei eine Schadloshaltung der Missionen und aller jenigen, die unter französischem Schute ständen. Der sozialistische Deputirie Sembat brachte nunmehr einen ntrag ein, in welchem die Regierung aufgefordert wird, der Budgeikommission den Bericht des Genekals Voyron vom Februar d. J. vorzulegen, in welchem von den Pründerungen die Rede sed, welche die Missionare begangen hätten. Der Minister⸗Präsident Waldeck⸗Rousseau nahm sodann das Wort. Er crinnerte zunächst daran, daß China sich ver⸗ pflichtet habe, den Mächten eine Summe zahlen, diese unier sich und ihre Landesangehorigen vertheilen sollten. Er könne die Ansicht derjenigen, welche behaupteten, daß die Missionen kein t au chädigung hätten,

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nicht theilen; er könne auch nicht zulassen, daß die fran⸗ zösischen Hospitäler in Trümmern liegen bleiben sollten, während diejenigen Großbritanniens und Amerikas wieder aufgebaut wüͤrden. Frankreich habe die Pflicht, seine Landes⸗ angehörigen zu schützen. Was den Antrag des Deputirten Sembat betreffe, so erkläre er, daß die Regierung bereit sei, dem Budgetausschuß den Theil des Berichts des Ge⸗ nerals Voyron vorzulegen, in welchem die Rede von den Beutestücken sei, die zurückzuerstatten die Regierung so⸗ fort beschlossen gehabt habe; den Theil des Berichts hingegen, der sich auf die übrigen Mächte beziehe, die mit Frankreich in China vertreten gewesen seien, werde sie nicht mittheilen. Kein Politiker, dem die Sorge um die Interessen und die Zukunft Frankreichs am Herzen liege, werde daran denken, die Missionen zu beseitigen. Der Minister⸗Präsident schilderte sodann die Bedeutung der fran⸗ zösischen Niederlassungen in China und schloß mit den Worten: „Wir haben eine Aufgabe zu erfüllen, die Aufgabe unserer Wiederaufrichtung. Dieser Gedanke genügt, um die Bande immer enger zu gestalten, welche alle Franzosen verknüpfen!“ Die Sitzung wurde hierauf aufgehoben.

Der Botschafter Constans ist gestern Abend von Paris

nach Konstantinopel abgereist. .

Italien.

In der Konferenz der italienischen und der britischen Delegirten zur Festsetzung der Grenzen von Erythraea und dem Sudan ist, dem „W. T. B.“ zufolge, gestern eine vollkommene Einigung erzielt worden. Man hoffe, daß die Konferenz in der nächsten, am stattfindenden Sitzung auch in den Zoll⸗, Post⸗ und Telegraphenfragen zu einem be⸗ fyjghi 8 Sor ghoroj 9 92 9 do friedigenden Uebereinkommen gelangen i

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Die Studentenunruhen in Madrid haben sich, wie „W. T. B.“ erfährt, am Dienstag wiederholt; bei denselben wurden mehr als 20 Studenten verletzt, darunter der Sohn eines höheren Beamten im Ministerium des Innern. Die

Studenten setzten mehrere Straßenbahnwagen in Brand.

Portugal. Weie dem „W. T. B.“ berichtet wird, wurden gestern in Lissabon sechzehn französische Ordensgeistliche, welche von dem Postdampfer „Atlantique“ ausgeschifft waren, von der Menge mit Steinwürfen empfangen und mußten sich wieder auf das Schiff zurückbegeben. Einer der Angegriffenen wurde verletzt. Der Kavpitän des Schiffes erhob bei dem französischen Konsul Beschwerde. Niederlande.

Wie das „Reuter'sche Bureau“ erfährt, hat sich der Ver⸗ waltungsrath des Schiedsgerichtshofes im Haag in seiner gestern Nachmittag abgehaltenen Sitzung für inkom⸗ petent erklärt, dem Antrage der Buren auf Intervention in der südafrikanischen Frage stattzugeben.

Der niederländische General⸗Konsul in Pretoria Domela Nieuwenhuis ist gestern im Haag eingetroffen.

Demselben Bureau zufolge steht es nunmehr fest, daß der Präsident Krüger den Winter nicht im Süden von Frank⸗ reich zubringen, sondern in Hilversum verbleiben werde.

Belgien.

In der gestrigen Sitzung der Repräsentantenkammer stand ein Antrag des Deputirten Bertrand (Soz.) auf Ab⸗ schaffung der Stellvertretung im Militärdienst zur Verhandlung. Der Minister⸗Präsident de Smet de Naeyer bekämpfte den Antrag und ersuchte auch die⸗ jenigen Mitglieder der Rechten, welche Anhänger der persoͤnlichen Dienstpflicht sind, nicht für den An⸗ trag zu stimmen, da eine Annahme desselben von der Reg erung als ein gegen sie gerichtetes Votum werde angesehen werden. Der Antrag Bertrand wurde mit 83 gegen 64 Stimmen bei einer Stimmenthaltung abgelehnt. Auch ein Antrag des Deputirten Lorand auf Abschaffung der Aus⸗ loosung der Militärpflichtigen wurde mit 90 gegen 59 Stimmen abgelehnt. Türkei. .

Das Wiener „Telegr.⸗Korresp.⸗Bureau“ meldet aus Kon⸗ stantinopel, am Dienstag habe eine Zusammenkunft der diplomatischen Vertreter der vier Schutzmächte Kretas stattgefunden zur Prüfung desjenigen Theiles der Wünsche des Ober⸗Kommissars Prinzen Georg, welcher der Begutachtung der Vertreter dieser Mächte unterliege.

Griechenland. 8

In Athen haben die Studenten am Dienstag früh abermals lärmende Kundgebungen veranstaltet, welche gegen die Blätter „Asty’“ und „Akropolis“ gerichtet waren. Am Nachmittag hielten dieselben wieder eine Versammlung ab; ein Professor der Theologie ermahnte sie zur Ruhe und erklärte, die heilige Synode werde Maßnahmen gegen jede Uebersetzung der Evangelien zu ergreifen wissen. Die Studenten forderten indessen, daß die Blätter „Asty“ und „Akropolis“ ihre Artikel wiederrufen sollten. Die Bureaux dieser Blätter werden von Militär be⸗ wacht. Nach einer gestern veröffentlichten Entscheidung der heiligen Synode ist jede Uebersetzung des Evangeliums ver⸗ boten. Trotz dieser Entscheidung wollten die Studenten wieder Kundgebungen vor den chaäͤftsräumen der Blätter „Asty“ und „Akropolis“ veranstalten, wurden aber von der Poltzei zurückgetrieben und in das Unipersitätsgebaͤude ge⸗ drängt. In dem Handgemenge, welches sich hierbei entsvann, wurde von einigen Studenten auf die Polizer geschossen. Etwa 20 Soldaten der Kavallerie und einige Zivilpersonen wurden verwundet. Nachmittags veranstalteten die Studenten Kund⸗ gebungen vor dem Palais des Metropoliten. Nachdem sie ein heftiger Regen von dort vertrieben hatte, versammelten sie sich in der Universität und nahmen dort eine drohende Haltung ein. .

1 Rumänien. e

Die Kammern sind, wie „W. 28. d. M. einberufen Ls xer

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Belgrad hat der frühere Minister⸗Präsident Vladan Georgewitsch, welcher 8 längerer Zeit in Wien weilt, an die Sku pschtina die

itte gerichtet, er möge *—⸗ Angelegenheit der Ver⸗ untreuung der Dispositionsgelder strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werdeau.

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Amerika. 1“ 8

Der deutsche Botschafter Dr. von Holleben wurde,

wie „W. T. B.“ aus Washington meldet, am Montag von einem Berickterstatter aufgesucht, dem gegenüber er unter anderem erklärte, Seine Majestät der Deutsche Kaiser habe ihn (den Botschafter) angewiesen, dem Präsidenten Roosevelt Seiner Majestät freundlichste Grüße und besten Wünsche für den Erfolg seiner Regierungs⸗ thätigkeit zu übermitteln. Seine Majestät bewundere aufrichtig den Fortschritt Amerikas und hege die freundlichste und herz⸗ lichste Gesinnung für Amerika. Alles Gerede, daß der Kaiser die europäischen Völker zum Kampfe gegen Amerikas Handels⸗ welt zusammenzubringen wünsche, sei natürlich unbegründet, und die Nachricht, Deutschland bemühe sich, in Süd⸗Amerika und Westindien Kohlenstationen oder sonst einen Stützpunkt zu erwerben, sei von feindlich Gesinnten in die Welt gesetzt worden, welche Deutschland nicht gern in zu freundschaftlichen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten sehen möchten. Der Botschafter schloß, er sei amtlich zu der Erklärung ermächtigt, daß Deutschland keine derartige Absicht habe; er wünsche ein für allemal diese immer wiederkehrenden Meldungen nachdrücklich und ohne Einschränkung für falsch zu erklären. Er habe dies auch dem Präsidenten mitgetheilt, der mit ganz b sonderer Genugthuung davon Kenntniß genommen habe. Das „Reurer'sche Bureau“ berichtet, der russische Bot⸗ schafter Graf Cassini habe am Dienstag dem Staatssekretär Hay einen Besuch abgestattet. Der Botschafter sei von dem Kaiser von Rußland beauftraat worden, dem Staats⸗ sekretär die freundschaftlichen Gefühle des Kaisers Nikolaus für die Amerika er auszudrücken. Der Botschafter werde außerdem dem Präsidenten Roosevelt persönlich ein Hand⸗ schreiben des Kaisers überbringen, in welchem Allerhöchst⸗ derselbe sein Beileid aus Anlaß des Todes des Präsidenten MaKinley ausspreche.

Am Dienstag ist in Washington der Konvent zur Berathung der Frage des Reziprozitaͤtsverhältnisses zum Auslande eröffnet worden. Es nahmen an demselben etwa 200 Delegirte aus verschiedenen Fabrikationszweigen theil, 100 derselben sind Mitglieder der amerikanischen Schutzzoll⸗Liga. Der Präsident Search⸗Philadelphia erklärte: sein Vertrauen in den Schutzzoll ser unerschüttert. Das Ziel des Konvents gehe dahin, seine Wünsche vor der geplanten Tarif⸗Reolsion auszusprechen. Eine wirkliche Reziprozität könne nicht nur Zugeständnisse bei den Artikeln betreffen, welche die Vereinigten Staaten nicht pro⸗ duzierten. Veele Industriezweige bedürften nicht mehr des Schutzes, den ihnen der bestehende Tarif gewähre, sondern be⸗ dürften einer Erweiterung der auswärtigen Märkte, da der einheimische Markt nicht im stande sei, alle ihre Fabrikate aufzunehmen. Reziprozität auf diesen Gebieten würde alle amerika nischen Interessen fördern.

Bei dem am Dienstag in New York veranstalteten Fest⸗ mahl der dortigen Handelskammer hielt der Staatssekretär Hay in Erwiderung eines Toastes auf die amerikanische Diplomatie eine R de, in welcher er, dem „W. T. B.“ zufolge, ausführte:

Die Monroedoktrin sei der bündigste Ausdruck für die Richtschnur des Verhaltens der Vereinigten Staaten. Die südamerikanischen Schwester⸗

republiken seien vollständig überzeugt von der Aufrichtigkeit der Haltung der

Vereinigten Staaten, die ihr Gebiet ebensowenig begehrten, wie sie sich nach den Bergen des Mondes gelüsten ließen, und die nicht daran dächten, deren Streitigkeiten beizulegen, außer wenn die Parteien

dies verlangten. Auf dem allgemeinen Felde der Diplomatie

habe die Botschaft Me Kinley's völlig klargelegt, daß die Ver⸗ einigten Staaten bestrebt gewesen seien, mit allen Mächten freund⸗ liche Beziehungen zu unterhalten, sich aber an der Bildung irgend welcher Gruppen oder Kombinationen nicht zu betheiligen. Die Stellung völliger Unabhängigkeit sei nicht unvereinbar mit Be⸗ ziehungen, welche nicht allein eine freundschaftliche Haltung, sondern auch ein zusammenwirkendes Vorgehen in bedeutungsvollen Fällen in sich schlössen. Die Regierung der Vereinigten Staaten habe die Thatsache stets im Auge behalten, daß die Bewohner derselben ein hervorragend friedliebendes Volt seien, daß sich deren normale Thätigkeit in der Richtung von Handel und Gewerbe bewege, und daß die mächtige Entwickelung der Industrien gebieterisch verlange, daß nicht allein die jetzigen Mäaͤrkte festgehalten und befestigt, sondern daß man unablässig bemüht sein müsse, die Interessen des Handels nach jeder möglichen Richtung hin auszudehnen. Aus diesem Grunde habe die Regierung über Gegenseitigkeitsverträge unterhandelt welche alle in dem traditionellen Geiste des Schutzes der Industrien gehalten und doch für uns wie für unsere Nachbara wechsel⸗ seitig vortheilhaft seien. Im gleichen Geiste habe sie mit Erfolg die Mächte zu peranlassen gesucht, sich zur Anerkennung des allgemeinen Grundsatzes der Gleichheit des Zutritts und der Gelegenbeit für den Handel auf den Märkten des Ostens zu vereinigen. Er meine, freie Bahn, nicht Bevorzugung, sei alles, was man fordern könne, mit weniger koͤnne man nicht zufrieden sein. Wenn wir die Versicherungen, die wir erhalten haben, als ehrlich und aufrichtig annehmen, wie ich es gewiß thu dann soll uns diese Gleichheit nicht verweigert werden. Wir sehen unsere Interessen im Stillen Meer für so groß an wie die irgend einer anderen Macht, und zu unbegrenzter Entwickelung be⸗ stimmt. Das Kabel durch den Stillen Ohcan und der Kanal in Zentral⸗Amerika seien für den Gebrauch aller wohlgesinaten Völker, aber im ausschließlichen Eigenthum und unter ausschließlicher Kontrole der Vereinigten Staaten. Der Redner schloß: „Der Präfident Rocsevelt ist edensowenig im stande, bramarbasierend gegenüber einer starken Macht aufzutreten, als einer schwachen Unrecht zu thun. Er weiß, daß unsere Nation Riesenkraft in Kriegethaten wie in Friedens⸗ werken hat, aber dieses Bewußtsein der Stärke führt nicht zu der Versuchung, irgend eine Macht, sei es die stolzeste oder die be⸗ scheidenste, zu verletzen. Wir bekennen freimüthig, daß wir d Freundschaft aller Mächte suchen und Handelsverkehr mit allen Völkern wünschen. Wir sind uns unserer großen Hilfeguellen bewußt aber keine Ueberfülle von Kraft wird uns jemals veranlassen, gegen eine andere Nation schroff aufzutreten, weil sie schwach ist, noch wir uns irgendwelche Furcht vor unedler Kritik in Versuchung bringen, eine Großmacht zu beleldigen oder berauszufordern, weil sie start ist.

Die „Times“ meldet aus Montevideo vom gestrigen Tage, nach vielen Bemühungen sei nunmehr zwischen den politi⸗ schen Parteien ein endgültiges Wahl⸗Abkommen getroffen worden, durch welches die gegenwärtige Zusammensetung der Kammern werde erhalten und Parteikämpfe bei den Wahlen am 24. d. M. würden vermieden werden. Die politische Lage sei somit für die nächste Zukunft gek.art, das Fortbestehen der gegen⸗ wärtigen Regierung gesichert und die Möglichkeit der Er⸗ neuerung des Bürgerkrieges abgewendet. Die oͤffentliche Meinung b grüße dieses Ergebniß der Verhandlungen mit großer Heone 3 1

Dasselbe Blatt meldet aus Valparaiso vom gestrigen Tage, das chilenische Kab net si zum theil neu gebildet worden. Jbmael Tornal habe das Arbeits⸗Ministerium ab⸗ eegeben und darür das dee Innern übernommen; auch im und im Justiz Minitterꝛum würden Personenverände⸗ rungen eintreten.

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