1901 / 287 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 04 Dec 1901 18:00:01 GMT) scan diff

aus wissenschaftlichen Zeitschriften ges ich frage jedes hängigkeit vom Auslande vorbeugen wollen, steht in der Begründung Mitglied dieses hohen Hauses, ob es möglich ist, bei unserem Klima, expressis verbis.

abgesehen von einzelnen Landesstrichen an unseren Seeküsten, eine Der Herr Abgeordnete hat ferner gesagt, daß, wenn die Preise intensive Viehwirthschaft zu treiben ohne eine intensive Getreidewirth⸗ steigen, der Mehrertrag zu einem Viertel den reichsten Grundbesitzern schaft. (Lebhafte Zustimmung rechts und in der Mitte.) Viehwirthschaft, zu gute komme. Ja, wenn den reichsten Grundbesitzern ein Viertel und Getreidewirthschaft gehen Hand in Hand. Unser Klima ist dazu zu gute kommt, so frage ich, wem kommen die übrigen drei Viertel nicht geeignet, von selbst große Futterschläge zu erzeugen (sehr richtig! zu gute? Die kommen doch jedenfalls den mittleren und den kleineren rechts), unsere Wiesen, unsere Futterschläge sind Kunstprodukte, und Grundbesitzern zu gute. diese Kunstprodukte können Sie nur auf einem Boden erzeugen, der Dann meinte der Herr Abgeordnete, die niedrigen Getreide⸗ durch den Getreidebau und den Hackfruchtbau gründlich vorbereitet ist. preise erklärten sich daraus, daß nach der Lehre von Karl Marx nur Sehr richtig! rechts.) Also, es ist eine Illusion, anzunehmen und

das bezahlt wird, was an menschlicher Arbeit in der Waare steckt. nur der, der von der Landwirthschaft praktisch absolut nichts versteht,

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die Einfuhr von Thieren und thierischen Erzeu 8 ½ %. Also .

ö1“ 1“ eite Beilage für Vieh besaß, nicht möglich, trotz der außerordentlich günstigen klimatischen Verhältnisse entsprechend der wachsenden Bevölkerungs⸗ zunahme den Fleischbedarf Englands zu decken.

Wir haben alle mit unseren Augen gesehen, wie geradezu damm⸗ bruchartig aus dem großen Menschenreservoir der Landwirthschaft die landwirthschaftliche Bevölkerung nach den Städten abströmte. Meine Herren, wir werden das in keinem Kulturland verhindern; das städtische Leben bietet einmal für manche Menschen in den höheren Ge⸗ sellschaftskreisen und in der Arbeiterklasse gewisse Reize, die sie nach

auch der englischen Landwirthschaft war es, weil sie keinen Zollschutz

Anzeiger und Königlich Preußi

Berlin, Mittwoch, den 4. Dezember

Getreidezölle abgelehnt. Meine Fraktion ist stolz darauf, dies recht⸗

et i ist r für die wachsende Bevölkerung, und wir müssen sie mit der Ausfuhr zeitig erkannt zu haben, und es erfüllt sie mit Genugthuung, daß der

von Fabrikaten bezahlen. Deutschland ist an diese internationale Arbeits⸗

Das verträgt sich aber meines Erachtens nicht mit seiner späteren kann diese Illusion haben —, daß man eine große, gewinnbringende

Viehzucht treiben könnte ohne eine intensive Getreidewirthschaft. (Zuruf links.) Die Höhe der Zölle, die wir Ihnen vorgeschlagen haben, ist Gegenstand heftiger Angriffe gewesen. Ich möchte mir aber in dieser Beziehung erlauben, nur eine Zahl anzuführen. Es hat der Abstand zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Jahresdurchschnittspreis pro Tonne nach der Reichsstatistik betragen im Jahre 1890 bis 1895: in Cöln für Roggen 95 ℳ, für Weizen 92 In Mannheim hat diese Preisdifferenz betragen für Roggen 89 ℳ, für Weizen 90 ℳ, in München für Roggen fast 88 ℳ, für Weizen 83 Dieselbe Preisdifferenz im Jahresdurchschnitt zwischen den höchsten und niedrigsten Preisen hat betragen im Jahre 1896 bis 1900 in Cöln für Roggen über 27 ℳ, für Weizen 39 ℳ, in Mannheim für Roggen über 28 ℳ, für Weizen 41 ℳ, in München für Roggen über 23 ℳ, für Weizen über 36 Sie sehen daraus, welche untergeordnete Rolle Zölle überhaupt spielen gegenüber solch großen Preisdifferenzen. (Sehr richtig! rechts.) Solche Preisdifferenzen wirken ganz anders als Zölle und kommen trotzdem im Preis der Waare nicht zum Ausdruck. Nun hat man ja auch in anderen Staaten über unsere Vorschläge, betreffend die Zollerhöhungen für Getreide, Befürchtungen gehegt. Ich bin mir, ehrlich gestanden, zweifelhaft darüber, ob das so sicher ist, wie die Herren von der Rechten annehmen, daß Deutschland in der Lage sein wird, seinen Getreidebedarf seiner wachsenden Bevölkerung gegen⸗ über selbst zu produzieren. (Zurufe rechts.) Aber die eine Thatsache steht fest, daß nur das Getreide, das in Deutschland gebraucht wird, auch eingeführt wird, daß kein überflüssiges Getreide eingeführt wird, daß man von einer Ueberschwemmung mit Getreide nicht sprechen kann, denn niemand führt unnütz Getreide ein. (Widerspruch rechts.) Meine Herren, niemand führt unnütz Getreide ein. Was innerhalb unseres Spezialhandels über die deutsche Zollgrenze geht, wird zum Verbrauch eingeführt. Aber der Druck für die deutsche Landwirthschaft und damit der Schaden für die deutsche Landwirthschaft liegt darin, daß sehr häufig große Getreidemassen pränumerando eingeführt werden (sehr gut! rechts) und so auf den Preis drücken. Man kann dagegen nicht von einer Ueberschwemmung mit fremdem Getreide sprechen, und wenn sich die Herren die Reichsstatistik ansehen, werden sie finden, daß sich die Einfuhr von Getreide in Deutschland gleichmäßig und normal entwickelt hat unter dem 1 ℳ⸗Zoll, unter dem 3 ℳ⸗Zoll, unter dem 5 ℳ⸗Zoll und unter dem 3,50 ℳ⸗Zoll. Man hat einmal das Bild gebraucht, durch unsere modernen Verkehrsverhältnisse wäre der Erd⸗ ball zusammengepreßt wie ein Gummiball; dieser Vergleich ist drastisch und wahr. Durch unsere modernen Verkehrsverhältnisse sind Länder, die Tausende von Meilen von uns entfernt liegen, in eine geographische Marktlage gebracht, als ob sie vor den Thüren unserer Zollstellen lägen (sehr richtig! rechts); und dadurch ist es für unsere Landwirth⸗ schaft so unendlich schwer, auf dem Gebiet des Getreidebaus mit Ländern zu konkurrieren, wo die Bestellungsarbeiten minimal sind, wie in Argentinien, wo für die Erhaltung der Viehzucht keine An⸗ lagen zu machen sind, wo infolge des günstigen Klimas keine Gebäude nothwendig sind, sondern wo man nur die minimalen Kosten des Be⸗ wachens zu bezahlen hat. (Sehr richtig! rechts.) Ich möchte auch da dem Herrn Abg. Molkenbuhr eine kleine Bemerkung ent⸗ gegnen. Er sagt, das amerikanische Getreide habe nicht nur die See⸗ fracht ab New York, sondern auch große Binnenfracht in Amerika zu tragen und sei doch noch billiger als das deutsche. Wie haben sich nun diese Frachten entwickelt? Amerikanische Binnenfracht von Chicago nach New York für einen Bushel betrug in Cents auf Binnenseen und Kanal 1868 22,79 Cents, aber 1898 4,42 Cents. (Hört, hört! rechts) Dieselbe Fracht auf Binnenseen und Eisen⸗ bahnen betrug im Jahre 1868 29 Cents, im Jahre 1898 4,96 Cents (hört, hört! rechts); auf Eisenbahnen im Jahre 1868 42,60 Cents und im Jahre 1898 11,55 Cents. Die Scefracht für Getreide von New Pork nach Liverpool für eine Tonne in Mark betrug im Durch⸗ schnitt von 1873 bis 1875 30,68, in den Jahren 1891 bis 1895 7,90 (hört, hört! rechts); also von 1875 bis 1895, in 20 Jahren, ist die Fracht von 30,68 auf 7,90 von New York nach Liverpool gesunken. Meine Herren, daß solche Erscheinungen einen tiefen Einfluß auf unser landwirthschaftliches Gewerbe ausüben müssen, wenn die Ent⸗ fernung um drei Viertel und mehr verkürzt wird, das ist klar.

Der Herr Abg. Molkenbuhr hat ferner berechnet, um wieviel der Preis deutschen Ackerlandes steigen würde, wenn die von der Regierung vorgeschlagenen Zollsätze angenommen würden. 2Es steht aber noch keinesfalls fest, ob die Getreidepreise um den Betrag der Zollerhöhung steigen werden. (Sehr richtig! rechts.) Das ist eine außerordentlich diffizile Frage, die wissenschaftlich noch von keiner Seite gelöst ist. Thatsache ist es, daß die Zollerhöhung von 1885 in Deutschland den Inlandspreis nicht gesteigert hat. Der Preis für eine Tonne auf dem Markte von Breslau hat für Weizen im Jahre 1884 156 betragen ich lasse die Bruchzahlen weg —, 1885 146, 1886 141 ℳ, für Roggen in denselben Jahren 139, 133 und 125 Nach der Zollerhöhung von 1887 trat eine vorübergehende Erhöhung ein, die aber mit einer Erhöhung des Weltmarktpreises zusammenfällt. Unsere Getreidepreise werden sich meines Erachtens immer nach dem Weltmarktpreise richten. Aber ein Zollschutz hat alerdings den großen Vorzug, daß in Zeiten sehr reicher Ernten im

Auslande und großen Angebots es verhindert wird, daß unsere Ge⸗ Arreidepreise unter einen gewissen Minimalsaß heruntergehen. Diese Garantie bietet ein Zollschutz allerdings, und darin liegt immerhin eim erheblicher Werth für unsere Landwirthschaft.

5 Der Herr Abg. Molkenbuhr hat auch ausgeführt, die Getreide⸗ preise sollten ein Mittel sein, daß soviel Getreide produziert wird, wie wir brauchen. Daß die verbündeten Regierungen derartige Folgen

Grundrente steigt. Ich komme nun zu den Viehzöllen.

zugsweise hingewiesen. Fleischbedarf des deutschen Volkes selbst zu decken. (Sehr richtig!

sachverständiger Gutachten. Man kann von einer intensiven landwirth⸗ schaftlichen Kultur annehmen, daß auf einem Hektar 1 ¼ Stück Groß⸗

Vieh auf einem Hektar bei intensiver Wirthschaft ernährt werden können. Ist das richtig, so hatten wir im Jahre 1883 350 kg zu wenig für den Hektar, 1892 320 kg, hin unsere Viehzucht vom Jahre 1883 bis zum Jahre 1897 von 275 kg pro Hektar auf 325 kg gestiegen. Es genügt das, zu beweisen, in welch großem Aufschwung unsere Viehzucht begriffen ist, und nach diesem Exempel, das ich für richtig halte, kann gar kein Zweifel sein, daß noch für absehbare Zeit die deutsche Landwirth⸗ schaft technisch in der Lage ist, den Fleischbedarf des deutschen Volkes zu decken.

Es ist gestern eine Bemerkung gefallen, von der ich wünschte, sie wäre niemals gethan worden. Man hat gesagt, wir hätten die Seuchen⸗ gesetze lediglich benutzt, um die deutschen Viehpreise hoch zu halten und die Einfuhr von Vieh zu verhindern.

Meine Herren, wenn wir das gethan hätten, so wäre das eine illoyale Handlung, aber die veterinären Verhältnisse in einer Anzahl von Staaten waren derartig, daß wir die uns zustehenden Einfuhr⸗ verbote erlassen mußten, wenn wir nicht den werthvollen Viehbestand Deutschlands in ernste Gefahr bringen wollten, und daraus folgt etwas Anderes. Weil die Zustände so waren, weil wir zum großen Theil die Einfuhr verbieten mußten im veterinärpolizeilichen Interesse, deshalb, meine Herren, konnte man nicht ersehen, wie unsere Fleisch⸗ und Viehzölle wirken würden, wenn solche Einfuhrverbote nicht be⸗ ständen. Aber die Verhältnisse können sich ändern. Es können in anderen Staaten so ausgezeichnete veterinäre Verhältnisse eintreten, daß wir keinen Anlaß mehr haben, die Einfuhrverbote aufrecht zu erhalten, und für diesen Fall müssen wir allerdings Viehzölle haben, die unsere Viehzucht mit viel begünstigteren Ländern einigermaßen konkurrenzfähig erhalten. Wenn aber unsere deutschen Landwirthe nicht die Aussicht haben, daß ein solcher Zustand einen gewissen Zeit⸗ raum erhalten bleibt, so können sie ihre Viehzucht nicht heben, weil für die Hebung der Viehzucht außerordentlich große Kapitalien in der Anschaffung edler Rassen, in der Herstellung geeigneter Ge⸗ bäude u. s. w. investiert werden müssen. Man hat uns so oft auf England verwiesen. Ich möchte dringend davor warnen, englische Verhältnisse der Landwirthschaft mit denen in Deutschland zu vergleichen. Wenngleich die Verhält⸗ nisse Englands eine ganz ähnliche Entwickelung zeigen, wie sie in Deutschland eintreten würde oder bereits eingetreten ist, so besteht doch der Unterschied, daß in England der Grundbesitz überwiegend Groß grundbesitzern, der Kirche oder dem Staate gehört und die Zahl der selbständigen Bauern, der sogenannten Peomen, eine außerordentlich geringe ist. Diese großen Herren nutzen ihren Grund⸗ besitz fast ausnahmslos durch Verpachtung aus, und zwar, indem sie ihre Güter verpachten in Loosen von 200 bis 12 000 Morgen. Die Pachtfristen sind außerordentlich kurz, und wenn nichts anderes be⸗ stimmt ist, gilt sogar die Pachtung nur auf ein Jahr. Daraus folgt, daß der eigentliche englische Landwirth, der Farmer, in der Lage ist, in der Bemessung seiner Pacht sich den Konjunkturen fortgesetzt an⸗ zuschließen, und daß er, weil er fast jedes Jahr Gelegenheit hat, seinen Pachtvertrag anders zu normieren, unter der Devpression der Preise nicht so leidet wie der Besitzer. Der Besitzer hat aber in England trotzdem die schweren Zeiten der englischen Landwirthschaft leichter durchmachen können, weil England ein Land ist mit einem großen alten Reichthum, weil die englischen Großgrund⸗ besitzer ihr Vermögen nur zum theil in Grundbesitz haben, zum großen Theil aber auch große Bergwerksbesitzer. Banquiers. Besitzer von großem Kapitalvermögen, von Kolonialbesitz u. s. w. sind. Sie konnten deshalb die schweren Zeiten nach der Abschaffung der gleitenden Skala und nach der Suspension der Kornzölle, die im Jahre 1847 für die englische Landwirthschaft eintrat, verhältnißmäßig leicht über⸗ winden, und sie haben sie auch überwunden. Außerdem kommt dazu, daß bei der dichten Bevölkerung von England eine ganze Anzahl von Großgrundbesitzern, was sie auf der einen Seite an Pacht verlieren, auf der anderen Seite reichlich wieder gewinnen an Verkauf von Bau⸗ land und Ueberlassung von Land⸗Superficies gegen Renten. Aber trotzdem machten sich dech demnächst sehr bedenkliche Erscheinungen auf dem Gebiete der Landwirthschaft geltend, und deshalb beauftragte man im Jahre 1893 bekanntlich eine Kommission zur Untersuchung der Verhältnisse der englischen Landwirthschaft. Auch in England meine Herren, hatte man die Landwirthschaft ftets und“ mit viel größerem Recht als die deutsche Landwirthschaft hingewiesen auf eine stärkere Kultur der Viehzucht, weil das englische Klima sich infolge seiner Feuchtigkeit in hobem Maße hierfur eignet. Was aber ist eingetreten? Das durch das Klima so begünstigte England konnte seinen Fleischbedarf trotzdem nicht decken. In der landwirthschaftlichen Kommission ist festgestellt, daß, während in Großbritannien mit Ausnahme von Irland die Ackerbaufläche von 18,24 Millionen Acres auf 15,91 Millionen Acres sank und das Weideland von 12,88 Millionen Acres auf 16,55 Millionen Acres stieg, doch die englische Landwirthschaft nicht in der Lage war, ihren eigenen Fleischbedarf zu decken, und sie konnte das nicht, weil sie schutlos der überscrischen Konkurrenz preisgegeben war. Während die

nicht erwarten und nicht anstreben, sondern nur einer steigenden Ab⸗

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Bevölkerung von 1854 bis 1895 jährlich nur um 0,7 % stieg, stieg

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Ausführung, wonach die Steigerung der Preise die Grundrente erhöhe. Eins kann nur richtig sein: entweder wird die Arbeit bezahlt, oder die

Auf die Viehzucht sind ja die deutschen Landwirthe auch von freihändlerischer Seite immer vor⸗ Hier bin ich allerdings der Ueberzeugung, daß ganz unzweifelhaft die deutsche Landwirthschaft im stande ist, den

rechts.) Ich habe hier eine kleine Berechnung aufgestellt auf Grund

vieh zu 500 kg gehalten werden kann, mit anderen Worten, daß 625 kg

1897 300 kg zu wenig; es ist aber immer⸗

den Großstädten hinziehen; aber ich meine doch, wenn diese Er⸗ scheinung mit solcher elementaren Gewalt eintritt, zum schwersten Schaden der Landwirthschaft, wie das in den letzten zehn Jahren geschehen ist, so liegt darin eine große Gefahr für das ganze Land in sozialpolitischer und auch in politischer Beziehung. (Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, ist es denn nicht ein Zustand, der bei allen Parteien das ernsteste Bedenken hervorrufen muß, daß in Zeiten eines blühenden Aufschwungs der Industrie Hunderttausende von Arbeitern aus ihrer berufsmäßigen Beschäftigung fortgezogen werden nach den Städten, durch hohe Löhne gelockt, daß aber, sobald die Konjunktur in der Industrie ver⸗ schwindet, ebenso Tausende und Abertausende arbeitslos werden, jedoch in den Städten bleiben und nach dem Lande nicht zurückkehren wollen? (Sehr richtig! rechts und in der Mitte.) Diesem Uebelstand können Sie nur steuern, wenn Sie die Landwirthschaft in die Lage versetzen, ihre Löhne ähnlich zu normieren wie die industriellen Löhne, und dem landwirthschaftlichen Arbeiter in Wohnungshaltung und Bezahlung eine ähnliche Situation zu verschaffen wie dem industriellen. (Sehr richtig! rechts.) Wenn Sie das stets von der Landwirthschaft ver⸗ langen und ihr gleichzeitig vorwerfen, daß sie zu niedrige Löhne zahlt, so müssen Sie zunächst die Landwirthschaft in die Lage versetzen, daß sie solche Löhne zahlen kann. (Sehr richtig! rechts. Widerspruch links.)

Meine Herren, England ist uns stets vorgehalten worden als das Land, wo sich der Industriestaat doch schon verwirklicht hat, und wo die Landwirthschaft eigentlich keine Bedeutung mehr habe. Ich erlaube mir, meine Herren, Ihnen ein englisches Urtheil vorzulesen, wie man heute noch in dem industriellen England über die sozial⸗ politische Bedeutung der Landwirthschaft denkt. Es ist ein Artikel der „Times“ vom 6. September 1901. Dort heißt es wörtlich ich übersetze

„Die offiziellen Berichte des Ackerbau⸗Ministers geben. zu interessanten Betrachtungen Anlaß über den Erwerbszweig, der trotz aller Rückschläge und der Depression des letzten Vierteljahrhunderts noch immer die größeste unserer nationalen Industrien ist. Die Wichtigkeit unseres Ackerbaus wird manchmal unterschätzt, deshalb weil wir jetzt und für alle Zukunft angewiesen sein werden auf die Einfuhr unserer Nahrungsstoffe, und deshalb das Schicksal der heimischen Landwirthschaft nur noch von verhältnißmäßig geringem Schwergewicht zu sein scheint; aber niemand kann ernstlich mit Gleichmuth die Aussicht betrachten, die leider schon zu sehr zur Wirklichkeit geworden ist, daß eine kräftige Bauernschaft, ihres Landes Stolz, von dem heimischen Boden verschwindet, um den übervölkerten Wettbewerb der Städte noch zu vermehren.

(Hört! hört! rechts.)

Ein herwvorragender Zug in der landwirthschaftlichen Lage, der uns erschlossen wird durch die offiziellen Berichte, ist, daß der fort⸗ schreitende Rückgang der dem Weizenbau gewidmeten Fläche unzweifelhaft erfolgt wegen des niedrigen Preises, der es schwierig macht, überhaupt noch Weizen mit Nutzen zu bauen.“

(Hört! hört! rechts.) Meine Herren, ich weiß ja wohl, es giebt Leute, die sagen: die Landwirthschaft muß erhalten bleiben, was kommt es aber darauf an, daß die gegenwärtige Generation erhalten bleibt; geht diese Generation zu Grunde, so werden andere kommen, die den vaterländischen Boden bearbeiten. Wenn man das von der Landwirthschaft sagt, könnte man es mit demselben Recht auch von der Industrie sagen. (Sehr wahr! rechts.) Man könnte auch sagen: was schadet es, wenn ein Fabrikbesitzer, wenn 1000 Fabrikbesitzer bankerott werden; zu einem Preise wird schon jemand die Fabrik kaufen. (Sehr wahr! links.) Das ist ein volks⸗ wirthschaftlicher Grundirrthum. Wenn die Preise nicht mehr die Bruttokosten decken, dann kann kein Mensch in der Welt mehr Landwirthschaft treiben. (Sehr wahr! rechts und in der Mitte.) Sie haben diesen Erfolg in England bereits gesehen, wo zahllose Farmen keinen Pächter finden, und, meine Herren, Sie haben das selbe Bild in Deutschland gehabt, als wir unseligen An⸗ gedenkens die Eisenzölle abgeschafft hatten, und ein Hoch⸗ ofen nach dem anderen in Deutschland ausgeblasen werden mußte, weil die deutsche Eisenindustrie mit der englischen und amerikanischen nicht mehr konkurrieren konnte. (Sehr wahr! sehr richtig!) Nun muß ich zurückkommen auf eine Bemerkung, die ich mir bereits bei Beginn meiner Rede zu machen erlaubte. Man hat es in der Oeffentlichkeit so dargestellt, als ob Deutschland eigentlich

das einzige Land auf diesem Erdball sei, das die heilige Verpflichtung hätte gegen alle anderen Staaten, niemals mehr den einmal

beschlossenen Zolltarif zu ändern, wenn er auch bereits aus dem Jahre 1818 stammt. (Sehr gut! rechts.) Welche Ansicht hatte der

frühere Vertreter unseres Auswärtigen Amts? „Er sagte un⸗

mittelbar nach dem Abschluß der Handelsverträge am 26. Januar 1892: „Wenn wir in zwölf Jahren unseren autonomen Tarif

revidieren, und dann irgend ein Staat den neuen Tarif als Vertrags⸗ basis nicht annehmen wollte, so glaube ich, würden wir uns das auf das Entschiedenste verbitten, und auch im internat onalen Leben gilt der Grundsatz: was du nicht willst, das man dir thu’ u. s. w.“ (Zuruf links.) 1

Ich will Sie mit Details nicht ermüden, ich glaube, wir

koöͤnnten Ihnen eine Nachweisung geben, die zeigt, daß seit Abschluß unserer Handelsverträge und der Meistbegünstigungsverträge eine große Anzahl von Staaten ihre Zoölle wiederholt erhöht haben. zum theil geradezu prohibitiv für die deutsche Ausfuhr. was der damalige Vertreter des Auswärtigen Amts voraussah und für nothwendig hielt, was andere Staaten gethan, das soll dem Deutschen Reiche nicht erlaubt sein? (Unruhe und Zurufe links.) Wer auf diesem Standpunkte steht, besitzt meines Grachtens nicht den nationalen Stolz (stürmische Zurufe und Rufe: pfuf links),

Also,

den wir besihen müssen. (Bravo! rechts. Große Unruhe.)

(Schluß in der Zwetten Bellage.)

das Recht hat warum ärgern Sie sich darüber? seine Zölle zu

Meine Herren, Sie werden mir doch nicht bestreiten, daß Deutschland

erhöhen; Sie werden doch unmöglich amtlich zugestehen wollen, daß Deutschland nicht das Recht hat, seine Zölle zu verändern? (Zurufe links, Glocke des Präsidenten.) Darüber freilich werden Sie zu entscheiden haben, ob die Zollabmessung eine gerechte ist Sie haben, meine Herren, meine ganze Deduktion mißverstanden. Ich habe von der Oeffentlichkeit gesprochen. Uns steht das Recht zu, ebenso gut wie jedem anderen Staate, unseren Zolltarif zu verändern (Zuruf links) gewiß, meine Herren, wenn wir es für nöthig halten, auch zu erhöhen, und ich sage: wer das bestreitet, dem fehlt das Gefühl, das man haben muß für die Souveränität des eigenen Staates. (Sehr richtig! rechts.) Das, meine Herren, werden Sie auch nicht bestreiten.

Im übrigen, möchte ich bemerken: wenn uns Herr Molkenbuhr gesagt hat, er würde es für berechtigt halten, die Ausfuhrprämien, und zwar auch solche, die von Kartellen ausgehen, durch Zölle wirkungs⸗ los zu machen, dann, glaube ich, wird er bei der großen Ausdehnung des ausländischen Trustwesens schon einem großen Theil unseres Zoll⸗ tarifentwurfs zustimmen müssen. (Sehr richtig!)

Meine Herren, der Fürst Bismarck hat einmal gesagt: wirth⸗ schaftliche Fragen müssen vollkommen unabhängig behandelt werden von politischen Fragen, von internationalen Fragen, und dürften auf internationale politische Fragen nicht Einfluß üben. Ich meine, meine Herren, die Genialität des Fürsten Bismarck lag gerade darin, daß er es verstand, jederzeit das zu thun, was im gegebenen Augen⸗ blick das Richtige war, und daß er auch stark genug war, offen eine bisher festgehaltene Ansicht fallen zu lassen. (Sehr richtig! rechts.) Und ich glaube, wenn dieser große Staats⸗ mann noch unter uns weilte, würde er die Ansicht, die er damals aus⸗ gesprochen, nicht mehr voll aufrecht erhalten. Ganz unzweifelhaft ist

seit 20 bis 30 Jahren unser ganzes volkswirthschaftliches Denken wesentlich vertieft und sind die volkswirthschaftlichen Fragen in den Vordergrund getreten; der Grundstock des sozialdemokratischen Programms ist ja auch ein volkswirthschaftlicher, die politischen Ziele, die Sie aufstellen, treten vollkommen zurück hinter Ihren volkswirth⸗ schaftlichen Anschauungen. Ich meine also, es ist das volkswirthschaft⸗ liche Denken und auch das Verständniß für volkswirthschaftliche Fragen in den letzten 20 bis 30 Jahren so außerordentlich bei allen⸗ Völkern vertieft, daß man sagen kann: alle großen internationalen Fragen, wenn man sie auf die letzte Wurzel radiziert, sind eigentlich wirthschaftliche Fragen (sehr wahr!), und deshalb kann man nicht mehr den Grundsatz aufrechterhalten, daß wirthschaftliche Fragen nicht unter Umständen in engem Zusammenhang mit politischen Fragen stehen. Ich habe nun gestern aus den Reden des Herrn Abgeordneten Grafen von Schwerin herausgelesen, daß er und seine Partei, vielleicht auch die Landwirthe überhaupt, mit den landwirthschaftlichen Zollsätzen, wie sie die verbündeten Regierungen nach reiflichen Erwägungen vorgeschlagen haben, nicht zufrieden sind. (Sehr richtig! aus der Mitte und rechts.) Sie wünschen also, wenn Sie „sehr richtig“ sagen, mehr zu haben. Gestatten Sie mir, zu diesem Punkte zwei Erwägungen zu machen. Nicht immer sind unsere besten Freunde, die uns das sagen, was wir hören wollen (Heiterkeit links). Je höher Sie die Fetreidezölle machen, desto schwieriger wird es, diese Getreidezölle in eiten hoher Getreidepreise aufrecht zu erhalten. Das sehen Sie an rankreich, das im Jahre 1898 glaube ich, (Zuruf rechts) im Früh⸗ jahr 1898 während der bekannten Leiter⸗Affaire genöthigt war, die oölle zu suspendieren. Wir haben uns davor bewahrt, wir sind dieser Maßregel nicht gefolgt, wir haben unsere Getreide⸗ und Mehl⸗ blle aufrecht erhalten. Wenn einmal dieser Zolltarif festgestellt sein eird und Geltung bekommt, stehen vielleicht ganz andere Männer an iesem Tische und dieser Stelle, wie heute, meine Herren. Die Gefahr liegt nahe, daß Sie in dem Maße, in dem Sie die Zölle höher normieren wollen, unter Umständen Gefahr laufen, daß die Zölle suspendiert werden, und in der Suspension der Zoölle liegt immer in sehr bedenkliches Präjudiz. Aber weiter, wir haben nach langen Frwägungen für Getreide Minimalzölle eingeführt. Bei dem leb⸗ haften Gefühl der Beunruhigung, das sich der deutschen Landwirthschaft nach den Handelsverträgen bemächtigt hatte, und bei der schwierigen Lage, in der sich die deutsche Landwirthschaft befunden hat, hielten wir uns politisch für verpflichtet, in einer autoritativen Form zu erklären, welche Getreidezollsätze wir bereit und gewillt sind, bei handels⸗ politischen Verhandlungen zu vertreten. Mit anderen Worten: wir haben die Getreidezölle eingesetzt, die wir glauben bei handelspolitischen Verhandlungen vertreten zu können. Wenn Sie uns diese Getreidezölle erhöhen, so nöothigen Sie uns unter Umständen, die Getreidezolle zu dertreten, die wir nach Ihrer Ansicht vertreten sollen. Es kann dann sehr leicht ein Zwiespalt entstehen zwischen dem, was wir konnen, und dem, was wir sollen, und dadurch wird der Werth der Minimalzölle, wie sie gesetzlich festgelegt sind, unter Umständen argen Gefahren ausgesetzt. Schließlich machte ich die, welche ängftlich in die Zukunft blicken und fürchten, daß wir nicht zu neuen Handelsverträgen kommen, darauf aufmwerksam machen, daß Deutschland einen Einfuhrüberschuß von über 1 Milliarde hat (sehr richtig! rechts), daß wir der beste Käufer der Welt sind, und daß wir gewillt sind, mit dem festen Vorsatz in die bandelspolitischen Verhandluhgen mit den befreundeten Nationen zu treten, einen gerechten Ausgleich unserer Interessen und der Interessen der anderen Nationen herbeizuführen, daß wir aber auch in diese Verhand⸗ lungen mit dem Eelbstbewußtsein eintrrten werden, iu dem wir berechtigt sind durch unsere wirthschaftlichen Leistungen und durch unsere wirthschaftliche Stellung in der gebildeten Welt. Bravo! techts.)

(Lebhaftes

vorliegende Tarif in der Hauptsache ein agrarischer ist. Nach den Aus⸗ führungen des Staatssekretars will ich auf Zahlen nicht mehr ein⸗ gehen. Die Existenz des Reichs und der Bevölkerung beruht ganz wesentlich auf der Erhaltung der Landwirthschaft. Es giebt 6000 Millionäre in Deutschland; von der Landwirthschaft ist keiner darunter. Man redet zwar von „Millionenbauern“ in Schöneberg, aber das sind keine wirklichen Bauern mehr. Auf der Vertheilung des Volksvermögens ruht ganz wesentlich unsere Konsumtionskraft; wir brauchen einen leistungsfähigen Mittelstand. Es steht statistisch fest, daß die landwirth⸗ schaftliche Bevölkerung sich jedes Jahr vermindert. Zweifellos zieht die Wissenschaft und geistige Kraft der Bevölkerung ihre Nahrung aus den länd⸗ lichen deutschen Gauen. Das Abströmen der ländlichen Bevölkerung nach den Städten, wozu auch die Häufung der Kasernen in einer verhältniß⸗ mäßig geringen Zahl von Garnisonen ihr Theil beiträgt, hat die Landwirthschaft schwer geschädigt, hat ihre Produktionskosten ver⸗ mehrt und ihre Einnahmen verkürzt. Der Großgrundbesitz kann sich bei seinen reicheren Mitteln dagegen wehren; der mittlere und kleine Grundbesitz kann es nicht. Herr Molkenbuhr hat gestern von einem Geschenk von 18 Milliarden an die Landwirthschaft gesprochen. Das würde auf den Morgen 1 bedeuten. Aber solche Berechnungen schweben ja in der Luft. Die Landwirthschaft steht der Industrie in dem Punkte, daß sie sich Minderungen ihres Erträgnisses gefallen lassen müsse, nicht gleich. Sie beruht nicht allein auf personlicher Leistungsfähigkeit und auf Kapitalkraft, sondern auch auf dem Grund und Boden, der nicht vermehrt werden kann und von unberechenbaren Faktoren abhängt. Herr Molkenbuhr hat die Konsequenz nicht aus⸗ esprochen, den Grundbesitz zu expropriieren, und er wird sich auch fehr hüten, das auszusprechen, weil es der Agitation seiner Partei auf dem Lande doch könnte. Wollen denn die Arbeiter bereit sein, auf Lohn zu verzichten, wenn die Verhältnisse schlechterdings nicht mehr gestatten, Lohn zu zahlen? Diese Erklärung ist uns Herr Molkenbuhr gestern schuldig geblieben. Den Wünschen der Landwirthschaft kommt die Vorlage entgegen. Ueber die Höhe der Minimalsätze wird ja noch weiter zu reden sein; die landwirthschaftlichen Kreise haben sie vielfach höher gewünscht. Durch die Industriezölle wird die Landwirthschaft schwer belastet: auch hier draͤngt alles zu einem gerechten Ausgleich. Den besonderen Wünschen, die aus Bayern vor uns gebracht worden find bezüglich des Hafers und der Gerste, wird ebenfalls be⸗ sondere Beachtung zu schenken sein. Der Landwirth hat die reiche Ernte nicht in der Hand; oft stehen die Produktionskosten in gar keinem Verhältniß zum Ertrage. Diesen Nachtheil muß Staatskunst und Feledoebung vor allem auszugleichen bemüht sein. Wozu Herr Molkenbuhr die Zuchthaus⸗ vorlage gestern angezogen hat, weiß ich nicht; wir haben ja doch die Zuchthausvorlage abgelehnt. Er hat auch gesagt, man spreche vom Schutz der nationalen Arbeit, wenn man den nationalen Arbeiter ausbeuten wolle. Ich meine, man hat bei uns noch nie daran gedacht, mit dem

unbequem werden

Schutz der nationalen Arbeit eine andere Absicht zu verbinden als die, den heimischen Betrieb mit dem des Auslandes konkurrenzfähig zu erhalten. Sollten wirklich erhebliche Mͤebreinnahmen aus den Zollen auf nothwendige Lebensmittel sich ergeben, so ist ja längst dafür gesorgt, daß diese Mehreinnahmen, die ich als be⸗ trächtlich übrigens nicht schätze, nicht verloren gehen. Wir haben einen Beschluß des Reichstages und eine Erklärung des Kanzlers, daß folche Mehreinnahmen zu Wohlfahrtseinrichtungen für die arbeitenden Klassen Verwendung finden sollen. Die Wichtigkeit von Handels⸗ verträgen erkenne ich durchaus an, ich meine aber, wir setzen die Zölle zunächtt fest nach dem Bedürfniß, welches wir als nachgewiesen an⸗ sehen müssen. Auf dieser Basis werden die Verhandlungen mit den Vertragsstaaten einzuleiten und zu führen sein. Die Interessen der Konsumenten wollen wir garnicht schädigen; ich fühle mich selbst als Konsument. Was den Schutz unserer Schiffahrt betrifft, so wird uns hoffentlich der Staatssekretär in der Kommission das thatsächliche Material zugänglich machen, das in der Begründung noch fehlt. Mit den Vieh· zöllen hat es eine andere Bewandtniß als mit den Getreidezöllen; mögen sie aber auch noch so hoch sein, schlimmer als die Sperre köͤnnen sie das Vieh nicht abhalten. Eine Auflösung der Zolltarif⸗ gruppen halte auch ich für nothwendig. Von manchen Seiten wird eine Ermäßigung des Petroleumzolls gewünscht. Wenn wir ihn um die Hälfte ermäßigen, dann machen wir nur den Großhändlern ein Geschenk, denn daß der Preis auch nur um einen Pfennig herunter⸗ gehen würde, ist ausgeschlossen. Redner geht dann auf den Ein. führungstermin und einige andere Fragen ein und schließt mit dem Ausdruck der Hoffnung, daß es in der Kommission gelingen werde, allen berechtigten Interessen gerecht zu werden. 5 Abg. Richter (ir Volksp.): Wir werden gegen die Ueberweisung der Vorlage an eine Kommission stimmen, weil wir meinen, daß⸗ wenn die Vorlage bis nach Ostern aus dem Plenum verschwindet, das Plenum und damit das Interesse der Oeffentlichkeit allzu sehr zurücktrit. Wenn die Vorlage dann nach Ostern an das Plenum urückgelangt und die Plenarberathungen unmittelbar auf einander olgen, würde keine Gewähr dafür geleistet werden, daß mit der erforderlichen Gründlichteit die Pienarverhandlungen stattfinden. Wir meinen, daß die Behandlung der Vorlage im Jahre 1879 die richtige gewesen ist, daß die Vorlage auf die Kommission und das Plenum zu vertheilen wäre. Wir haben die Regierung 1892 und 1894 veschlossen und kräftig unterstützt bei der Politik der Handels⸗ verträge, und aus densel

Gründen, wie wir sie damals unter⸗ ent haben, sind wir setzt entschiedene Gegner dieser Vorlage. der Reichskanzler sagte freili

stern, X 5. der

olitik der Tarifverträge bea gge er nicht; aber Graf Schwerin t ihn von schen Standpunkt mit Recht beglückwünscht zu der verschiedenartigen Beurtheilung der Grundsätze der Zollpolitik im Gegenfatz zu seinen Vorgängern. Im Jahre 1892 hat man die Finleitung der Politik der Handelsverträge als eine geradezu rettende That bezeichnet; der Reichstag setze sich damit einen Mark⸗ und Denkstein in der Geschichte der deutschen Volks. Wir sind nicht diejenigen, die, weil oben einmal der Wind umgesprungen ist, den Mark. und Denkstein, den der Reichstag sich gesetzt, unterminieren und cfährden wollen. Ber Staatssekretär verwandte einen großen Theil einer Rede auf die Vertheidigung der Spezialisierung der Tarifpositionen. 8 trifft nicht den Kern der Sache. Die Speialisierung wir unds schon gefallen lassen, wenn die Zölle selbst uns gefielen. Staatssekretär sprach von einer Oase des Freühandels. Nein, Herr Staatssekretär! Dazu dat nur einmal Fürst Bismarck und aden 187 h mit den Konservativen, und wir haben diese Einladung ab⸗ gelehnt. handelt sich dier nicht um einen Erziehungszoll, auch nicht um das Svstem des Fürsten Bismarck von 1879, der das Interesse der Finanzreform in die erste Reibe stellte. Nein, das jetzige Fvstem ist in Preußen und Deutschland bieder unerhört gewesen, es ist das Spstem des Universalprotektionismus, es eine An⸗ schauung, die im Privpathausbalt die Hintermwäldler ben. Dieselbe Anschauung klingt auch aus der Rede des Grafen n heraus, daß Deutschland alles, was es an Produkten „selbst pro⸗ duzieren konnc. wenn die Einwohnerzahl sich verdoppele. G hat schon in Aussicht gestellt, man den den man für das Vieh zum verarbeiten werde. Als Graf wwi die . verl hat er mit Recht ausgeführt,

vom Auslande, es könne sich

theilung gebunden nach seiner Größe, seinem Klima und seiner Lage in Europa. Die Politik in dieser Vorlage ist chinesische Politik. Eine Oeffnung in der Zollmauer ist nur gestattet, wo es vertragsmäßig be⸗ sonders zugelassen ist. Diese Politik paßt auf die berühmte Welt⸗ politik wie die Faust aufs Auge. Als der Reichskanzler im Jahre 1899 die Flottenvorlage begründete, wußte er nicht genug die wirth⸗ schaftliche Entwickelung zu loben und zu preisen, die Deutschland in die Weltwirthschaft hineingeflochten habe. Diese Vorlage zielt darauf ab, unsere Verpflichtung für die Weltwirthschaft wieder aufzulösen, den Handel nicht auszudehnen, sondern einzuschränken. Offiziell und offiziös wurde im freihändlerischen Sinne für die Flottenvorlage gesprochen. Jeder Panzer schien ein neues Gewicht in die Waagschale des Freihandels zu sein. Ich erinnere Sie an die bekannte Flottenbroschüre. Darin wurde die Befürchtung ausgesprochen, daß die Errichtung von Schutzmauern eegen das Ausland einen wahren Abgrund wirthschaftlichen wie sozialen Elends⸗ den allgemeinen Bankerott zur Folge haben würde. Alle „Flotten⸗Professoren“ waren einig darin. Heute heißt es: wenn das Brot vertheuert wird, so muß man sich eben bescheiden und als Ein⸗ zelner dem Großen und Ganzen Opfer bringen. Wozu sollen jetzt von neuem im Etat 200 Millionen für die Flotte ausgegeben werden? Wäre die Begründung dieser Vorlage richtig, dann hätten wir schon viel zu viel Kriegsschiffe; dann können wir aufhören mit dem Bau, abtakeln und einen guten Theil der Schiffe als altes Eisen verkaufen. Graf Schwerin predigt der Presse draußen Anstandslehren und sprach von einem Mangel an vaterländischem Gefühl. Auch in der Rede des Reichskanzlers am Schluß klang es durch, man müsse sich in der Kritik vor fremden Ohren Zurückhaltungen auferlegen. Das sind Anklänge an die Anschuldigungen draußen, daß die Kritiker der Vorlage Agenten oder Anwalte des Auslandes seien. Wir verfechten hier ebenso nationale Interessen wie Sie (rechts), und wenn das Ausland auch mit diesem Tarif zufrieden wäre, wir verwerfen ihn doch, weil die inländische Produktion und Konsumtion geschädigt wird. Wissen wir denn, was aus den Handelsverträgen wird? Was hier gemacht wird, ist Gesetz und bleibt Gesetz, bis es durch andere Gesetze ganz oder zum theil wieder aufgehoben wird. Es scheint eine gewisse agrarische Auffassung über den Handel vorzuwalten, die entstanden ist aus Betrachtung über den Kuh⸗ und Pferdehandel, daß man nicht zu festen Preisen ver⸗ kauft, sondern daß jeder möglichst zurückhält mit demjenigen, was er wirklich will. Das nennt man nicht Handeln, sondern Feilschen. Fürst Bismarck meinte ja auch, in der Regel wird Jeder beim Handelsvertrag übers Ohr gehauen. Wir sind nicht dieser Meinung. Geltendmachung von Sonderinteressen hüben und drüben zu sichern. Ein richtiger Kuh⸗ und Pferdehändler stellt sich aber immer so, als ob ihm am Abschlusse des Geschäfts möglichst wenig gelegen sei.

in der Begründung von der Fortdauer der alten Verträge gesprochen wird, wenn neue nicht zu stande gekommen seien. Müßte man denn

um auf neuer Basis doch wieder zu Handelsverträgen zu gelangen? Nach der Begründung sieht es allerdings so aus, als ob von 1880 bis 1900 eine kontinuierliche Zollpolitik geherrscht hätte. Das ist doch garnicht der Fall. Im Jahre 1891 trat eine Wendung ein: die Regierung hatte die kommenden Gefahren erkannt und er⸗ mäßigte die Zölle. In den 1890 er Jahren hat sich demgemäß ein ganz anderer Aufschwung der wirthschaftlichen Verhältnisse gezeigt als in dem Jahrzehnt vorher. Das Ausland ergreift doch jetzt keine Ini⸗ tiative in schutzzöllnerischer Richtung. Warum fangen wir nun damit an? Wir sollen abwarten, wie der Hase läuft, sagt der Reichskanzler. Nein, mit dieser Melhode kommen Sie nicht zu Tarisverträgen, welche Deutschland das bieten, was es bisher hatte. Die Motive üben an dem Prinzip des Minimaltarifs eine wahrhaft vernichtende Kritik; und trotz⸗ dem wird er vorgeschlagen, aber auch nur für das Getreide. Da weiß man ja doch überall, daß alles, was darüber hinausgeht, nicht ernst gemeint ist. Der autonome Tarif soll eine Waffe, eine Rüstung sein; mit solchen Kriegsbildern operiert man doch nicht bei der Einleitung von Verträgen, damit fordert man nur die andere Seite auch zu Rüstungen und Gegenmaßregeln heraus. So hören wir denn auch sofort Stimmen von Rußland und anderen Staaten, die sich verwahren, die Rolle des geduldigen Lammes zu spielen. Sie (rechts) schrauben herauf und herauf, und wenn Sie wieder hinunter sollen, können Sie nicht. Der autonome Tarif thut so, als ob wir allein in der Welt seien; thatsächlich werden die Interessenten hüben und drüben aufge⸗ stachelt. Und sind denn die Herren Agrarier zufrieden, nachdem ihnen die Regierung so weit entgegengekommen ist? Graf Schwerin hat ja gestern eine Rede gehalten. Am Eingang nickte er dem Grafen Bülow zu und am Schluß nickte er ihm zu, aber in der Mitte da pickte er auf ihn. Mit dem Minimaltarif allein für Getreide sei ihnen nicht gedient; auch noch höher müßten die Zollsätze sein, sonst verwerfen die Herren den Tarif und die spaäteren Handelsverträge. Der Appetit kommt bei den Herren nicht erst beim Essen, sondern wächst schon, wenn die Schüsseln auf⸗ getragen werden. Daß Sie so selbstbewußt auftreten vor dem Grafen Bülow, kann ich Ihnen nicht übel nehmen, nachdem Sie ihn ge⸗ zwungen haben, in der Agrarpolitik vor Ihnen Kotau zu machen. Vor der Höherschraubung der Forderung der Interessenten ist dem Herrn Minister Möller schon angst und dange geworden. Er spra im Rheinlande von einem Chaos und der Kanzler sprach gestern von einem Wirrsal. Und das ist derselbe Herr Möller, der jene große Verbrüderungsscene mit den Agrariern beim Flacheröstungsverfahren aufführte. Er hat sich verdient gemacht um die Agrarier, und des⸗ b war es nur recht und billig, daß ihn die „Konservative respondenz“ mit Vertrauen begrüßte. Ich möchte lieber, daß das ganze Handels⸗Ministerium aufgelöst und unter Herrn von Podbielski zu einer Ministerial⸗Abtheilung gemacht würde denn es ist a nach einer ganzen Stellung mehr gegen als für den Handel. Man hat a die Ernennung des Ministers Moller mit Jubel begrüßt und sie n Festgedichten gefeiert, so erst jüngst in Duisburg in einem Trink⸗ liede, zu singen nach der Melodie: „Prinz Eugen, der edle Ritter“, worin es beißt: „Wilhelm sprach: Du bist ein heller Kopf, mein lieber langer Möller Du bist wahrlich nicht zu dumm zu Verträgen für den Handel. Du hebst Industrie und Wandel, Komm ins Ministeriumt⸗ Daß schon Freiherr von Marschall sich für die Srellalterees P. sarise ausgesprochen hat, mag ja sein, es ist aber nebensäch 6 Ebarakteristische der jetzigen Politik ist die Erhöhung der Ge ide⸗ lle. der Minimaltarif und der autonome Tarif; und ehe nicht der

litik einverstanden ist. Diese Politik ist vielmehr im Abgeordnetenhause Juli 1897 insceniert worden, als die Regierung das Fiasko mit dem kleinen Sohzialistengesetz erlebte. Da hielt es der Minister von Miquel für zeigt, von dieser Niederlage die öffentliche Aufmerk⸗ durch alle Interessentenkreise aufgefordert wurden, mit cinander zu ch muß anerkennen, der Staatssekretär Graf Posadowelv bat dem ganzen

rramm auszuführen; er war die

dan . Dr. Svahs. Nrnhi. 8. Frernag re geer e eaee elececn drfne se ams ke

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einen Zuschuß an

und der Arbeitskraft, die ihn dieses Miau bercitungen,

Die Produzenten sind für Handelsverträge, um sich gegen die plötzliche 5 Auch der Reichskanzler war gestern nicht ganz sicher, vom Grafen

Schwerin beschuldigt zu werden, daß er nicht vorsichtig genug sei, da

nicht die ganze Grundlage der bisherigen Handelspolitik abbrechen, 1*

reiberr von Marschall es selbst sagt, glaube ich nicht. daß er mit dieser

samkeit abzulenken durch die Aufrollung eines neuen Programms, wo⸗

ktieren fuür den Abschluß neuer Hese mit höheren Zöͤllen.

er hat alle Verhältnisse von Grund aus umgerührt, alb

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