Entwurf der Regierung nicht einmal einer Kommission, obwohl der Kriegs⸗Minister von Kameke lebhaft für ihn eintrat. In der zweiten Lesung sprachen sich alle Redner im Interesse des Mittelstandes und der Arbeiter gegen die Wehrsteuer aus, und unter großer Heiterkeit wurde das Gesetz einstimmig abgelehnt. Wir haben Geld im Ueberfluß für die Veteranen, wenn wir überflüssige Ausgaben vermeiden. Wie wäre cs mit einer Ordenssteuer? Die würde sehr einträglich sein. Ueberlegen Sie sich einmal diese Steuer! Das Wohlwollen der Regierung schützt die Veteranen nicht vor dem Hunger. Die Dankbarkeit der Bourgeoisie besteht nur in schönen Worten. Ich hoffe, daß die Veteranen allmählich zu der Ueberzeugung kommen werden, daß, wer nur auf die Regierung baut, nichts erhält in alle Ewigkeit. Für Generale wären längst schon Millionen flüssig gemacht worden. Den Veteranen muß der Rechtsweg eröffnet werden, um in den Besitz der Beihilfe zu gelangen.
Abg. Speck (Zentr.): Der Reichstag hat von Jahr zu Jahr eine Forderung gestellt, die eigentlich Sache der Regierung sein sollte. Erst im vorigen Jahre wurde ein Antrag Nißler angenommen, von dem heute schon die Rede gewesen ist. Es giebt noch heute eine große Anzahl von Veteranen, denen eine Beihilfe nicht gewährt werden kann. Es wird nothwendig sein, die gesetzlichen Bestimmungen in dieser Sache zu ändern. Eine Antwort auf die Frage, ob die Re⸗ gierung weitere Erhebungen hat stattfinden lassen und welchen Erfolg diese gehabt haben, ist von der Regierung nicht erfolgt. Wir werden die Sache in der Budgetkommission weiter verfolgen müssen. Viel⸗ leicht ließe sich die finanzielle Seite der Frage durch einen Nach⸗ trag zum Etat von 1901 erledigen. Einer Wehrsteuer stehen wir im Prinzip nicht unsympathisch gegenüber, aber es müßten die Ver⸗ hältnisse der Besteuernden berücksichtigt werden. Neu ist der Vorschlag einer Ordenssteuer, den der Vorredner eben gemacht hat. In irgend einer Art werden wir jedenfalls den Forderungen der Veteranen gerecht werden müssen.
Abg. Dr. Arendt: Ueber den Vorschlag der Ordenssteuer zu diskutieren, halte ich für unnöthig. Die Art und Weise, wie die Regierungen diese Frage behandeln, hat der Sozialdemokratie neuen Zündstoff geliefert. Der Schatzsekretär kennt die Uebelstände, die aus der Nichtzahlung an die Veteranen erfolgt sind, und doch will er nichts thun; wir sollen einfach so „fortwursteln“. Von der Gefahr, die den Reichs⸗Invalidenfonds bedroht, hat er heute nicht gesprochen. Auf die Dauer ist der jetzige Zustand unhaltbar. Bleibt die Fürsorge beim Reichs Invalidenfonds, und steigen die Anforderungen an ihn, so ist sein Ende nahe. Ist er aber erschöpft, was dann? Die Steuern sollen abgegrast sein, wie der Schatzsekretär überhaupt eine gewisse Aversion gegen neue Steuern zu haben scheint. Wir werden ihm selbst eine Steuer entgegenbringen müssen, und da ist die Wehrsteuer nicht abzuweisen. Wer praktische Politik treibt, muß auch für die Deckung neuer Ausgaben sorgen. Geht, dies nicht, so müssen wir durch Abstriche vom Etat für die erforderlichen Mittel sorgen. Ich behalte mir weiteres vor. Der kleine Mann im Volke kann es nicht verstehen, daß das Reich nicht einmal 120 ℳ für den Veteranen übrig hat. Eine moralische Verpflichtung des Reichs liegt jedenfalls vor. Die Nachzahlung könnte schon vom 1. Januar ab durch einen Nachtrags⸗ Etat bewirkt werden. Bei der Einigkeit des Reichstages wird hoffent⸗ lich auch der Schatzsekretär dem nicht entgegen sein.
Damit schließt die Besprechung.
Ein Vertagungsantrag wird angenommen.
Schlun nach 5 ½ Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag 1 Uhr. (Interpellation Oriola und Albrecht.)
“
Preußischer Landtag.
Haus der Abgeordneten
5. Sitzung vom 15. Januar 1902, 1 Uhr. Dcas Haus setzt die Besprechung der Interpellation der Argg. Hobrecht (nl.) und Genossen, betreffend den Schutz des Deutschthums in denöstlichen Provinzen, und der Interpellation der Abgg. Dr. von Jaedzewski (Pole) und Genossen, betreffend die Wreschener Schulvorgaͤnge und die Aenderung der Bestimmungen über den Religionsunterricht in den sprachlich gemischten Landestheilen, fort. Abg. Kindler⸗Posen (fr. Volkep): Wir sind mit dem Reichskanzler alle darüber einig, daß die Grenzen unseres Vater⸗ landes nicht angetastet werden dürfen, und daß wir das Zurück⸗ drängen des Deutschthums durch die Polen verhindern müssen. Aber wie selbst konservative und nationalliberale Blätter empfehlen, — Vorgängen im Auslande Ruhe und Kaltblutigkeit zu ahren, so wünschte ich auch, daß man gegenüber polnischen Fäußerungen im Auslande die Ruhe nicht verliert. Die polnischen bgeordneten sind loval, aber die übertriebenen polnischen Preß⸗ artifel sind dem Gros des polnischen Volkes durchaus nicht sym⸗ thisch. Es würde dem Frieden dienlich sein, wenn die deutsche Presse nicht Aeußerung eines polnischen Agitators registrierte. ie drakonischen Strafen in Wreschen dienen auch nicht dem Frieden und selbst den Herren von der Rechten hier im Hause bedenklich er Die Polen sind deshalb so erregt gewesen über diese ö sie dieselbe für eine Vertheidigung ibrer Muttersprache Einen anderen Velkestamm gewinnt man daß man sich immer auf den formalen Rechtsstandpunkt t. sondern daß mon ihn vorsichtig behandelt und seinen 8 men sucht. Es ist cine herechtigte Forderung tern, daß ibhre Kinder in ihrer Muttersprache werden. 42 erregt einen Volksstamm mehr als 221 Wenn Pesen rein deutsch würden die Deutschen Polnisch lernen, um mit den Polen schaftlichen Verkehr treten zu wollen. Die Deutschen bemüben, zu lernen. Das polnische Kind von vornberein eine Ant pathie gegen das Deutsche, weil ch mit der Erlemung der deutschen Sprache mehr lernen t alg ein deutz Wir vor allem Lebrer. die alb muß in den Schullebrerscminaren as Soztalistengesetz kat die Sozßtal⸗ baben das Zentrum zusammen⸗ —— I7 polnische prachigen Las nicht 188—
eine Be ikels im Tageblatt“
bt: on parlo frangçals.
alle einzelnen polnischen nicht
. an
müssen die Konsequenzen ihrer Handlungen tragen. Der Standpunkt der Herren Kopsch und Kindler ist doch ein etwas verschiedener, wenn sie auch derselben Partei angehören. Ich freue mich, in den gestrigen Ausführungen des Abg Kopsch eine Wandlung bemerkt zu haben. Herr von Czarlinski klagte über die Strenge der Regierung, er weiß doch, wie freundschaftlich früher in unserer Jugend Deutsche und Polen verkehrten. Ausnahmegesetze giebt der Deutsche nicht. Das Verhalten der Polen ist aber ein ganz anderes geworden. Der Minister hat gestern polnische Preßäußerungen verlesen, und von mir wissen Sie, daß ich über ein sehr reiches Material verfüge. Ich will es aber nicht vorbringen, weil mir eine Versöhnung am Herzen liegt. Herr von Czarlinski erklärt den Boykott der Deutschen für nothwendig, weil unter anderem z. B. keine Domänen an Polen verpachtet würden. Ich kann Ihnen aber solche Fälle nennen. Als arge Beschimpfung betrachten es die Polen, wenn ein Pole Preuße wird. Wir beklagen die Strafen in Gnesen auch sehr lebhaft, aber nur deshalb, weil die Minderschuldigen bestraft sind und die eigentlich Schuldigen frei auͤsgingen. Es it Volksversammlung auf Volks⸗ versammlung Monate lang in unserer Provinz abgehalten worden, in denen aufgefordert wurde, die Anordnungen der preußischen Schul⸗ verwaltung zu bekämpfen. Daß da die breite Masse des Volkes gegen die Staatsregierung aufgeregt werden mußte, ist selbstverständlich. Die Staatsregierung hat die Gefahr klar überblickt. Es ist dem kraftvollen Vorgehen unseres Ober⸗Präsidenten von Bitter zu danken, daß er um Pfingsten herum eine Menge von Versammlungen verhinderte, sodaß seitdem die Verhältnisse im Lande sich gebessert haben. Herr von Jazdzewski hat sich über das Gerichtsurtheil in einer Weise aus⸗ gesprochen, wie es bisher im Parlament noch nicht üblich gewesen ist. Von den in Gnesen verurtheilten Ercedenten hat keiner ein Kind ge⸗ habt, das zu denen gehörte, die in Wreschen die Schulstrafe erhalten hatten. Vollberechtigte Unterthanen des preußischen Staats, wie Herr Fritzen sagt, sind die Polen gewiß, aber Herr Fritzen selbst hat auch gesagt, daß die Polen die Pflicht haben, den Gesetzen unseres Landes gehorsam zu sein. Das ist eine ernste Mahnung für die Führer der polnischen Bevölkerung. Der Ostmarkenverein ist ge⸗ gründet zur Wahrung des Deutschthums, und dieser Zweck ent⸗ spricht den Verhältnissen in den polnischen Landestheilen. Die Polen haben ja eine Menge von Vereinen. Der Ostmarken⸗ verein ist allerdings durch die Lage der Verhältnisse in eine zu offensive Stellung hineingerathen, hat sich aber ungebühr⸗ licher Angriffe gegen die Polen enthalten. Anders ist es mit der polnischen Presse, die sich gegen die Deutschen die schwerste Beleidi⸗ gung erlaubt. Wie wenig der Deutsche geneigt ist, Nationalitäten zu bekämpfen, das weiß die ganze Welt, das hat uns ja den schönen Beinamen eingetragen, den ich mich auszusprechen scheue. Wir be⸗ grüßen mit Freuden die kulturellen Maßnahmen, welche der Reichs⸗ kanzler in Aussicht gestellt hat. Daß aber diese allein nicht genügen, hat der Minister⸗Präsident selbst anerkannt. Vor allem ist nöthig das Festhalten der Deutschen in den polnischen Provinzen selbst und das weitere Heranziehen von Deutschen dorthin. Ich wünsche, daß der hochbegabte und edle Mann, welcher jetzt an der Spitze der Ansiedelungskommission steht, diesem Werk erhalten bleibe. Es handelt sich um cine schwierige Technik dabei, die den „richtigen Mann“ gebraucht. Das deutsche Bürgerthum muß in seiner Wirthschaftelage erhalten und gekräftigt werden. Große Garnisonen in den größeren Städten sind ein Fehler; wir freuen uns, daß die kleinen Städte Garnisonen erhalten sollen. Das ist gerade für die Provinzen Posen und Westpreußen nothwendig. Es empfiehlt sich aber auch, die Garnisonen nicht nur in polnische Städte zu legen, sondern auch dahin, wo überwiegend deutsche Bevölkerung vorhanden ist. Ebenso freuen wir uns über die Ankündigung des Reichskanzlers, daß die Beamten in den polnischen Landestheilen bessergestellt werden sollen. Es hat es thatsächlich kein Beamtenstand so schwer, wie der⸗ jenige in der Ostmark. Der Finanz⸗Minister hat erfreulicher Weise auch Mittel für Kirchenbauten für die deutschen Katholiken in Aussicht gestellt. Die Politik der Regierung muß eine stetige und energische sein, die Polen müssen wissen, daß sie preußische Unterthanen sind und sich als solche rückhaltlos zu bekennen haben.
Abg. Schmieding (nl.) schildert die Lage der großen Zahl der polnischen Arbeiter in den Grubenbezirken Westfalens. Diese Arbeiter vertbeilten sich aber nicht gleichmäßig auf alle Zechen, sondern befänden sich in kompakter Masse nur auf einer Reihe großer Zechen. Bei 20 derselben seien über die Hälfte der Arbeiter Polen, in manchen Zechen sogar bis zu 75 und 80 %. Verlangen müsse man mindestens, daß die Polen neben ihrer Muttersprache das Deutsche sprächen. Das Ober⸗Bergamt habe schon am 25. Januar 1899 eine üe. erlassen, wonach nur solche Arbeiter angenommen werden sollten, die auch des Deutschen mächtig seien; die Polen hätten aber in großen Versammlungen auf das heftigste sich dagegen widersetzt. Es habe sich schließlich herausgestellt, daß die volnischen Arbeiter weit besser die deutsche Sprache verständen, als sie vorher behauptet hätten. Wenn die Polen sich so verhalten wollten wie die Lithauer, hätten wir im Osten sogleich den Frieden. Die Pelen wirkten aber auf die deutschen Katheliken ein, damit diese ihren Bestrebungen Vorspann leisteten, sogar die deutschen katholischen Geistlichen suchten sie zu beeinflussen. Seine Partei habe die Inter⸗ pellation eingehracht, um zu zeigen, daß die Deutschen mehr Recht hätten, sich über die Polen zu beschweren, als die Polen über die Deutschen.
Abg. Goerdeler (fr. kons.): Ich gönne dem Abg. Kopsch seine Sympathie för die Polen; wenn er aber die Polen als Untertrüͤckte Es giebt
binstellen will, so vF 12282 Widerspruch erbeben. ja Herren, die über alles Mögliche sprechen, wenn sie auch nicht die Kenntniß davon haben. Herr Schmieding st uns, daß die Deutschen im Westen dieselben Abwehrme In gegen das Polen⸗ thum brau Um einen Kampf gegen katholische Religion handelt es nicht, dazu stebt uns die Religion viel zu hoch. Der evangelische Sieg nimmt sich ja stets der deutschen Katholiken an. Es handelt sich leriglich um einen nationalen Kampf, der den Peuts von den Polen aufgezwungen wird. Wir müssen vorgehen, um öS 1 an die Polen verloren gegangen ist. er S ne 2 4810 cin⸗ Zvn reußen wir das den bewiesen: dort ist in den Bezirken Danzig und aueschließlich deutsch gewählt worden. Gegenüber der polnischen Presse ist es nicht verwunderlich, wenn auch die deutsche P einmal scharf vorgeht, aber von einer Ver⸗ bctvung die deutsche Presse oder den Ostmarkenverein kann leine sein; es bandelt sich nur um Abmwehr. Als kei der B. Delmetscherfrage
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8 diese Zumuthung; darin stimme * wäre Ilr
Mahnung an die
—27 1 n. Gs IIöIeeeeön olnt’⸗ nten. ich, ei 7 — lernt, 82499& b⸗g mecht al din Poie. männer sellten beider n mächtig sein, weil sie naturgemäß F I eines (metschers mit den Parteten verhandeln
ner darauf Inischen Parteien vor dem
erklärt
In Versammlungen, in denen politische Dinge besprochen werden, muß deutsch gesprochen werden. Hoffentlich kommt auch noch einmal die Zeit, in der in unseren Gerichten nur deutsch gesprochen werden darf. Mit Hilfe der Dolmetscher ist eine richtige Verhandlung doch nicht möglich; ein richtiges Urtheil kann der Richter nur daraus fällen, was er selbst gehört hat. Von den deutschen Gewerbetreibenden zu verlangen, daß sie polnisch lernen, wäre ganz unbillig. Nicht nur die Stadt Posen, sondern auch Städte wie Thorn, Graudenz, Marien⸗ werder sollte man durch Theater und dergleichen unterstützen. Die Lehrer müssen materiell bessergestellt werden, damit sie sich die nöthige Freudigkeit für ihren Beruf bewahren und im Osten festgehalten werden können. Das Deutschthum kann in den überfüllten Schulen nicht genügend gefördert werden. Ich freue mich, daß im Etat neue Gymnasien und Progymnasien in verschiedenen Städten im Osten errichtet werden sollen. Ich würde wünschen, daß auch die Stadt Memel, früher eine Hochburg des deutschen Ordens, damit bedacht würde. Sehr zu bedauern ist, daß viele kleine deutsche Bauern dem polnischen Großgrundbesitz verfallen sind; wir müssen also auch das deutsche Bauernthum schezen und fördern. Wir können friedlich mit einander mit den Polen leben, aber wir Deutschen haben die Pflicht, in Erfüllung unserer deutschen Gesinnungen das Deutsch⸗ thum in der Ostmark hoch zu halten, denn es bleibt das Bollwerk gegen den Osten.
Justiz⸗Minister Dr. Schönstedt:
Meine Herren! Der Herr Abg. Goerdeler hat einen Fall er⸗ wähnt, der das Justizressort berührt, den Fall nämlich, daß ein Land⸗ gerichts⸗Präsident die Schiedsmänner seines Bezirks aufmerksam ge⸗ macht hat auf ihre Verpflichtung, bei der Aufnahme schiedsmännischer Protokolle unter Betheiligung von nicht deutschredenden Polen ein Nebenprotokoll in polnischer Sprache aufzunehmen. Der Herr Abg. Goerdeler hat hervorgehoben, daß diese Verfügung im Gesetz ihre Begründung finde und daß sie veranlaßt war durch die Entscheidung zweier Instanzgerichte, durch welche ein ohne Beobachtung dieser Vor⸗ schrift aufgenommener Vergleich für ungültig erklärt war. Meine Herren, diese Thatsachen sind vollständig richtig, und ich bin deshalb auch nicht in der Lage gewesen, der in der Presse vielfach an mich ge⸗ stellten Aufforderung, dieser Verfügung des Landgerichts⸗Präsidenten entgegenzutreten, Folge zu geben. Ich hätte mich mit dem Gesetz in Widerspruch setzen müssen, und ich glaube, ohne weiteres annehmen zu können, daß in diesem Hause niemand ist, der an den Justiz⸗Minister eine solche Zumuthung stellen würde.
Meine Herren, der Herr Abg. Goerdeler hat aber weiter hervor⸗ gehoben: diese gesetzliche Bestimmung sei sehr fwohl zu ertragen, sie führe nicht zu Unzuträglichkeiten, weil ja der Schiedsmann nach den Bestimmungen der Schiedsmannsordnung berechtigt sei, solche Per⸗ sonen, deren Sprache er nicht versteht, zurückzuweisen, und sich dadurch den Verlegenheiten zu entziehen, die aus der gesetzlichen Be⸗ stimmung sich ergeben. Nun, meine Herren, die letzte Thatsache ist auch richtig, aber ich kann nicht zugeben, daß der aus diesen gesetz⸗ lichen Vorschriften sich ergebende Zustand ein zuträglicher sei; denn die nützliche, heilsame Wirksamkeit der Schiedsmänner wird in den gemischtsprachlichen Bezirken dadurch in ganz erheblichem Maße beeinträchtigt, weil sie in solchen Fällen genöthigt sind, sich ihrer Wirksamkeit zu enthalten. Thatsächlich ist diese Bestimmung vielfach außer Anwendung gekommen, ohne daß sich daraus erhebliche Mißstände ergeben hätten. Aber der Hinweis auf diese Bestimmung hat dahin geführt, daß verschiedene deutsche Schiedsmänner ihre Stellen niedergelegt oder um Entbindung von ihren Stellungen nach⸗ gesucht haben. Ich halte das für in hohem Maße unerwünscht. Thatsächlich haben die Schiedsmänner auch da, wo sie diese Be⸗ stimmung in gutem Glauben unbeachtet gelassen haben, ihres Amtes in erfreulicher Weise gewaltet. Es giebt namentlich in Oberschlesien nach den mir erstatteten Berichten eine ganze Reihe von Schieds⸗ männern, die der polnischen Sprache insoweit hinlänglich mächtig sind, daß sie sich mündlich mit den Polen verständigen können. Etwas ganz Anderes ist es aber, ob sie auch im stande sind, das Ergebniß der Verhandlung nunmehr in polnischer Sprache beurkundend zu Papier zu bringen; das können sie nicht. Sie haben bisher die Sache so ge⸗ macht, daß sie das Ergebniß der Verhandlung, das deutsche Protokoll, mündlich in polnischer Sprache den Leuten klar machten, daß dann die Polen in gutem Vertrauen auf die Zuverlässigkeit des Schieds⸗ manns das deutsche Protokoll unterschriehen haben. Unzuträglichkeiten sind daraus kaum hervorgegangen bis auf den Fall, wo die Göltigkeit eines Vergleichs angefochten und diese Anfechtung von den Gerichten für gesetzlich begründet crachtet wurde.
Meine Herren, ich bin deshalb der Ansicht, daß die Staats⸗ regierung die Pflicht haben wird, wenn zu gesetzgeberischen Maß⸗ nahmen im Interesse der Erhaltung des Deutschthums in den gemischt⸗ sprachigen Landeotheilen geschritten wird, daß dann auch diese Be⸗ stimmung der Schiedsmannkordnung ciner Abänderung unterzogen werde, und ich glaube, dies wird in einem etwa vorzulegenden Gesetz an erster Stelle geschehen. .
Meine Herren, da ich einmal bier stehe, so würde es, glaube ich, in weiten Kreisen nicht verstanden werden, wenn ich mich wiederum binsetzte, ohne meinerseits die Angriffe zurückzuweisen, die in dieser Sache gegen deutsche Richter in polnischen Landestheilen und ink⸗ besondere gegen die Mitglieder der Strafkammer des Landgerichte Gnesen erheben worden sind. Ich erkenne an, daß die Redner aller Fraltionen — auch die Mitglieder der pelnischen Fraktion schließe ich nicht aus — sich im allgemeinen einer durchaus den Verbhältnissen entsprechenden Zurückhaltung in der Besprechung des Gnesener Urtbeils befleißigt haben. Ich will nicht die Frage des näheren er⸗ örtern, inwiemweit richterliche Urtbeile der parlamentarischen Kritik unterzogen werden können. Ich stehe nicht auf dem Standpunkt, daß sie dieser Kritik niemals unterlägen. Ich erkenre an, daß es Fälle geben kann, in denen ch nicht nur angezeigt, in denen es geratezu ge⸗ boten ist, auch richterliche Urtheile zum Gegenstand parlamentartscher Grörterung zu machen. Aber das gilt pweifellos nicht von noch nicht rechtokräftigen Urtbeilen (jehr richtig! mechts), und auch nach der Richtung bin glaube ich einem Widerspruch in dem Hohen Hauße nicht
begegnen. Derselbe Saß ist schon von verschiedenen Herren aus⸗ gesprechen worden. Gine Aritik nicht rechtskräftiger Urtheile wird gat n leicht der Aatlegung unkerliegen, daß damit eine auf die Michter, die noch mit der Sache befazt find, ans⸗ Das Urtbeil selbit ist nun auch nicht Gegenstand en, wohl ist in einer Reihe ven bingewerfenen Richtern der Bermurf gemacht, daß sie süch in den Ut bätten, daß ste in gefüblleler, unmenschlicher waltet bätten, daß das Uetbeil ein beutakes, unmenschllches gemefen set: das Urrbeil est, wie wird, auch alo cinc Schmach keyichnet werden
(Schlutz in der Zweiten Beilage)
F151 flit: 1½½
zum Deutschen Reich No.
8⸗Anzeiger und Königlich Preußi
Zweite Beilage
13.
*
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Meine Herren, ich sehe ab von den maßlosen Angriffen des Herrn Abg. von Jazdzewski in der ersten Sitzung dieses hohen Hauses; dieser Angriff hat seine volle Erledigung auch für mich gefunden durch die Zurechtweisung des Herrn Präsidenten. Aber auch die anderen Angriffe, die nicht in der gleichen Schärfe vorgebracht wurden und deshalb einen Ordnungsruf wohl nicht hervorrufen konnten, muß ich doch im Namen der Justiz und des gesammten Richterstandes mit aller Entschiedenheit zurückweisen. (Bravo! rechts.) Meine Herren, die deutschen Richter stellen sich nicht in den Dienst der Politik, sie stellen sich nicht in den Dienst einer Partei; sie haben es nicht ge⸗ than, ich habe das feste Vertrauen zu ihnen, sie werden es auch in Zukunft nicht thun. Aber auch unsere deutschen Richter haben in den gemischtsprachigen Landestheilen eine Pflicht zu erfüllen, nicht die, einer Partei zu dienen, wohl aber auch ihrerseits den nationalen Gedanken hochzuhalten und da, wo in dem Kampf zwischen den beiden Nationen der eine Theil sich zu Handlungen hinreißen läßt, die, wenn sie auch nach der Auffassung der Handelnden lediglich nationalen Zwecken dienen sollen, gegen das Strafgesetz verstoßen, dann auch mit Ernst, mit Strenge und Gewissenhaftigkeit das Strafgesetz gegen sie zur An⸗ wendung zu bringen. (Sehr gut! rechts.) Meine Herren, nichts Anderes haben die Richter in Gnesen gethan. Allerdings, es ist wahr, das Urtheil, an und für sich betrachtet, scheint ein außerordentlich hartes zu sein, und ich glaube, niemand kann sich der Empfindung entschlagen, daß, wenn man die That der einzelnen Angeklagten an und für sich, losgelöst von dem Zusammenhange, in dem sie standen, be⸗ trachtet, man sagen kann, das Urtheil geht über das Maß des Ge⸗ wöhnlichen hinaus (sehr richtig! bei den Polen), es entspricht nicht dem Maß der Schuld bei den Einzelnen. (Hört, hört! bei den Polen.) Aber, meine Herren, man braucht nicht ein Anhänger der Abschreckungstheorie zu sein — ich selbst bekenne mich nicht zu dieser Theorie —, um doch anzuerkennen, um doch zugeben zu müssen, daß es Fälle geben kann, in denen eine einzelne, an sich vielleicht nicht so schwere Strafthat mit den härtesten Strafen getroffen werden muß, wenn sie sich darstellt als der Ausfluß einer tiefgehenden, immer weiter um sich greifenden, die Sicherheit, Ordnung und Integrität des Staates mehr und mehr in hohem Grade gefährdenden Bewegung. (Sehr richtig! rechts; hört! hört! bei den Polen.) Und so lag dieser Fall.
Meine Herren, die Richter in Gnesen — ich kenne die Herren persönlich nicht —, aber ich habe die feste Ueberzeugung, sie haben auch ein Herz, sie denken ebenso menschlich, sie haben ebenso viel Mitleid mit den Leuten, die vor ihnen standen, sie können sich ebenso gut in die Empfindungen gekränkter und gereizter Mütter bineindenken wie die Herren, die hier auf den Bänken der polnischen Fraktion sitzen. Wenn sie dieses strenge Urtheil gefällt haben, dann haben sie damit eine schwere Pflicht erfüllt, und ich bin gewiß, daß es ihnen nicht leicht geworden ist, auf solche Strafen zu erkennen. (Sehr richtig! rechts.) Sie glauben, daß sie so erkennen mußten und nicht anders erkennen konnten. Daß dieser Gesichtspunkt für sie maß⸗ gebend gewesen ist, dafür sprechen die Schlußworte des mir vorliegen⸗ den Urtbeils, in dem gesagt ist: eine energische Handhabung der Strafjustiz sei geboten gewesen, um dieser Bewegung im Keime ent⸗ gegenzutreten, um zu verbindern, daß diese Beispiele Nachahmung fänden, daß die Bewegung weitere, größere Kreise ergreife und weitere Gefahren bervorrufe.
Meine Herren, der Herr Abg. von Jazdzewski hat in seiner Be⸗ gründung der Interpellatien unter anderem angeführt, daß die Eltern in Wreschen auch deshalb berechtigt gewesen seien, ihren Kindern die Entgegennahme eines deutschen Religionkunterrichts zu verbieten, weil die Ertheilung des deutschen Religionsunterrichts gegen die Bestim⸗ mungen der preußischen Verfassung verstoße. Nun, meine Herren, will ich nicht die Frage ecrörtern, inwieweit die Ziele der Bewegung, für welche der Herr Abg von Jazdzeweki eingetreten ist, sich mit den Bestimmungen der preußischen Verfassung vertragen; ich will auch nicht die Frage crörtern, wie weit diese Mütter in Wreschen mit der preußtschen Verfassung vertraut sind (Heiterkeit rechts) und ob sie von den Kindern, denen sie diesen verhängnißvollen Rath gegeben
assung erwarten konnten.
Eltern besser gethan, wenn sie ihre Kinder auf das erste oberste Erundgeset hingewiesen bätten, das unseren Kindern eingeflößt werden sellte und ihrem kindlichen Verständniß zugärglich ist, daß sie nämlich zebersam sein sellen der Obrigkeit, gehersam auch ihren Lehrern. (Cehr richtig! rcchts.) Wenn sie dies gethan bhätten, dann hätten nir diese ganzen traurigen Verfälle nickt erlebt und die ganze pelnische Interpellatien wäre gegenstandklos grwesen. (Lebhafter Beifall.)
Schrader ): Die Rechte der Polen werden durch bier R. nicht au? Welt dieputiert
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Berlin, Donnerstag, den 16. Januar
nächst gegen Herrn Abg. Kindler zu wenden, der in dem Vorschlage, es möchte der polnischen Sprache in dem Volksschulunterricht wieder ein breiter Raum eingeräumt werden, ein Mittel zu einer vollständigen Versöhnung der Gegensätze in Aussicht stellte. (Sehr richtig! bei den Freisinnigen.)
Meine Herren, dieses Rezept mag an sich sein, es hat aber seiner Zeit vollständig versagt. Ich darf daran erinnern, daß in den 40 er, 50 er, 60 er, 70 er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Norm in der Unterrichtsverwaltung bestanden hat, die der Herr Abg. Kindler jetzt als eine ideale preist. Damals trat genau dieselbe Opposition der Polen gegen die Volks⸗ schule in die Erscheinung wie in der Jetztzeit; sie ging so weit, daß sie der deutschen Sprache nur die Stellung eines untergeordneten Lehrgegenstandes anweisen wollte. Eine Zeit lang ist dies in der That auch die Norm bei der Unterrichtsverwaltung gewesen. Was war die Folge? Ein geradezu klägliches Ergebniß! Es wurde — und ich habe das als Landrath vor einigen dreißig Jahren in der Provinz Posen selbst erlebt — in dieser Zeit weder ordentlich polnisch, noch überhaupt deutsch in den Schulen gelernt, sodaß ein Kind, wenn es einen der⸗ artigen Unterricht erfahren hatte, sich nur in ganz kurzen Sätzen ver⸗ ständlich machen konnte. Ich habe im Auftrage des Ministeriums damals auch außerhalb meines Kreises Schulen ansehen müssen. Ueberall trat die volle Unkenntniß der deutschen Sprache hervor. Es sind darauf die bekannten Verordnungen aus den Jahren 1872 und 1873 erlassen worden. Ich habe hier schon einmal vor zwei Jahren den Zustand einer solchen Schule geschildert, wo dasjenige Kind, welches von dem Lehrer als das im deutschen Unterricht am meisten geförderte vor⸗ geführt wurde, nur über einen Sprachschatz von 15 bis 20 Wörtern verfügte. Das war das Ergebniß eines beinahe achtjährigen Unter⸗ richts. Hatte da die Regierung nicht das größte Interesse daran, endlich mit einer Unterrichtsmethode aufzuräumen, welche die Lehrer vor eine geradezu unerfüllbare Aufgabe stellte und das Ziel, welches die Herren von der polnischen Fraktion selbst als ecinen Vortheil an⸗ erkennen, absolut nicht erreichen ließ, nämlich den Kindern so viel Deutsch beizubringen, daß sie im praktischen Leben auch davon Ge⸗ brauch machen können. Also alle die Methoden, die seiner Zeit ver⸗ sucht worden sind, haben weder zur Befriedigung der polnischen An⸗ sprüche geführt, noch auf der anderen Seite das staatliche Interesse gewahrt. Sie haben im Gegentheil in verstärktem Maße dazu bei⸗ getragen, die deutschen Katholiken in der nationalen Diaspora zu polonisieren; es sind, meine Herren, nach einer einschlägigen Be⸗ rechnung in den Johren 1861 bis 1871 über 30 000 deutsche Katholiken der Provinz Posen in das polnische Lager so übergegangen, daß sie jetzt, statt sich ihrer deutschen Vergangenheit zu erinnern, über das verlorene polnische Vaterland jammern.
Meine Herren, lassen Sie mich noch einmal kurz das Facit der Darstellungen aus den Wreschener Vorgängen ziehen. Die beiden Bezirks⸗Regierungen zu Bromberg und Posen haben vollständig inner⸗ halb der ihnen zustehenden Befugnisse, auf Grund und innerhalb der Grenzen derjenigen Vorschriften, die mit Allerhöchster Genehmigung im Jahre 1873 erlassen worden sind, gehandelt, als sie eine stärkere Ausdehnung des deutschen Religionsunterrichts in einzelnen Orten der⸗ Provinz Posen angeordnet haben. Die Maßnahme ist auf durchaus angemessene und korrekte Weise zur Durchführung gelangt. Es ist auch — und ich kann das aus einer größeren Stadt der Provinz Posen feststellen — allseitig darüber Einverständniß gewesen, daß die Maßregel dort, nachdem sie einige Monate in Wirkung war, also die Einführung der deutschen Sprache im katholischen Religions⸗ unterricht, sich durchaus bewährt hat. Die Kinder haben freudig und willig geantwortet, die Lehrer sind zufrieden gewesen, daß sie nunmehr der deutschen Sprache einen breiteren Raum gewähren konnten, und wenn nicht plötzlich eine heimlich betriebene Agitation eingetreten wäre, so wäre wahrscheinlich auf diesem ruhigen Wege ein ganz vortreffliches Ergebniß erzielt worden, durchaus nicht zum Nachtheil der kirchlichen Interessen. Das betone ich hier noch ganz besonders. Denn neben diesem Religionsunterricht in der Schule geht pari passu der der Kirche, der Beicht⸗ und Kommunionunterricht, der meines Wissens, wenigstens in einzelnen Gegenden der Provinz Posen, bei den Kindern schon mit dem zehnten Jahre beginnt. Wo also irgendwelche Lücken bei dem sehr gewissenhaft betriebenen katholischen Religions⸗ unterricht der Volkeschule sich zeigen, sollten, ist die Kirche jederzeit in der Lage — und ich glaube, sie macht davon einen energischen (Bcbrauch —, ergänzend einzutreten. Den polnischen Kindern wird der Beicht⸗ und Kommunionunterricht in ihrer Muttersprache er⸗ theilt, und es wird durch denselben ihre religiöse Vorbildung so weit abgeschlossen, daß sie nachher ihren kirchlichen Pflichten in vollem Umfange genügen können. Darüber, glaube ich, kann ein Zweifel nicht bestehen.
Meine Herren, gerade in dem Wreschener Fall ist, wie ich
auch aus den
Presse bervorgeht, anzu⸗
daß nicht bloß korrekt, sondem mit Mäßigung und der
greßten Umsicht von allen betbeiligten Organen gehandelt worden ist, und daß die Angriffe, die von seiten der national⸗polnischen Hetpresse gegen die betheiligten Organe gerichtet worden sind, sich absolut unbe⸗ erwieken haben. Auch der erkennende Richter in
hat festgestellt, daß namentlich das Verhalten des Kreis⸗Schulinspektorz Winter über alles Lob erhaben sei und er sich das Mertrauen der Kinder in höchstem Maße erworben bätte. GEs ist außerdem festgestellt, daß diezenigen Kinder, welche vor erschienen sind, um dort ihr Zeugniß abzulegen, nicht allein Fragen des Gerichtsbeks vellständig verstanden, sendern auch in
für eine angemessene Durchführung der Ertheilung deutschen eligienbunterrichts auf der Oberstufe gegeben; da kam die beimliche die geüht werden ist, und ebenso die zffentliche, die in der
wohlgemeint
Jahre ihren Ausgang nahm und die ich neulich schon näher charakterisiert habe. Damit war der Zustand geschaffen, den die national⸗polnische Agitation haben wollte: die Fiktion des gegentheiligen Willens der Eltern. Meine Herren, wie wird denn in derartigen Versammlungen festgestellt, welches der Wille der Eltern ist? Wer polnische Versamm⸗ lungen entweder in der Presse verfolgt oder derartige Vorgänge selbst erlebt hat, wie eine große Zahl unserer Beamten in ihren verschiedenen administrativen Stellungen, weiß, wie einheitlich und geschlossen alle diese Versammlungen verlaufen. Es ist von vornherein die Absicht der Einberufer, eine einheitliche Kundgebung bestimmter Art herbei⸗ zuführen, und es wird bei der geradezu beneidenswerthen Disziplin, mit welcher die Polen bei derartigen Versammlungen sich bewegen, stets auch der Zweck der Veranstalter der Versammlungen vollständig erreicht. In Wreschen war damit der Boden für die weitere Agitation geschaffen, der sog. Wille der Eltern sollte fortan für die Schule maß⸗ gebend sein. Vorher waren nicht allein die Eltern, sondern auch die Kinder schon zur größten Unbotmäßigkeit aufgereizt worden, und daraus erklären sich die in höchstem Maße beklagenswerthen Vorgänge.
Meine Herren, muthen Sie der Unterrichtsverwaltung zu, daß sie bei dieser Sachlage vor denjenigen Kräften, die hinter den Kulissen gearbeitet haben und diese ungesetzlichen Zustände — ich möchte sagen: der Rebellion — herbeigeführt haben, mit einer tiefen Verbeugung sich zurückziehen und mit einem Mal ein Spstem ändern soll, welches seit 30 Jahren besteht? — wahrlich nicht zum Nachtheil der Polen selbst, denn die Kenntniß der deutschen Sprache, das ist allseitig anerkannt worden, hat, dank der geradezu aufopfernden Art, wie sich unser Lehrerstand seiner Aufgabe gewidmet hat, auch in den polnischen Schichten der Bevölkerung bedeutend zugenommen, sodaß schon voen anderer Seite gesagt worden ist: warum bringt man denn den Polen so viel deutsche Sprachkenntnisse bei? Man erzieht durch die höhere Bildung ein wirthschaftlich stärkeres Geschlecht, welches seine intellektuellen Kräfte nachher gegen die preußische Re⸗ gierung selbst richtet. Einer derartigen Erwägung wird die Unterrichts⸗ verwaltung niemals Raum geben. Denn es ist Aufgabe der Unter⸗ richtsverwaltung, die Bildung auf deutscher Grundlage nach Möglich⸗ keit zu verbreiten, und dieser Aufgabe wird sie thunlichst gerecht werden, trotz der enormen Schwierigkeiten, die ihr von allen Seiten entgegengebracht werden, trotz der riesigen materiellen Opfer, die gar nicht im Verhältniß stehen zu der mangelnden Leistungsfähigkeit der unteren Schichten der polnischen Bevölkerung.
Meine Herren, es ist der Unterrichtsverwaltung der Vorwurf ge⸗- macht worden, sie verstoße gegen einen Grundsatz der katholischen Kirche, wenn sie die Kinder in der Religion nicht in der Mutter⸗ sprache unterrichten ließe. Ich behaupte, daß ein solcher Grundsatz in der katholischen Kirche nicht besteht (Widerspruch im Zentrum), — in dieser Allgemeinheit und Schärfe nicht besteht, und daß in den maß⸗
gebenden kirchlichen Kreisen der Grundsatz auch als berechtigt nicht
anerkannt ist. Wenn das der Fall wäre, meine Herren, dann wärr es nicht möglich — das habe ich vorgestern auch schon betont —, daß eine grüße Anzahl von kirchlichen Organen bei der Durchführung der Lehrpläne von 1872 und 1873 heute noch positiv mitwirkt. Es ist ferner behauptet
worden, die Maßnahme verstoße gegen den Art. 24 der Verfassung.
Ich habe dem Herrn Abg. von Jazdzewski vor zwei Jahren schon
gesagt, wenn er den Vorwurf der Verfassungsverletzung gegen die
Regierung erhebt — der Herr Abg. von Czarlinski hat sich gemüßigt gefunden, den Ausdruck „Verfassungsbruch“ zu gebrauchen —, dann würde ich bitten, mir den Beweis dafür zu erbringen. Die beiden Herren haben hier weiter nichts anführen können, als den Wortlaut des Art. 24 der Verfassung, der dahin geht: „Den religiösen Unter⸗ richt in der Volksschule leiten die betreffenden Religions⸗Gesellschaften.“
Meine Herten, wer die Entstehungsgeschichte dieses Verfassungs.
artikels näher untersucht, kommt zu dem Ergebniß, daß die sogenannten gesetzgeberischen Materialien für eine nähere 8 sichere Grundlage gewähren, dielmehr dollständig im