“ Gewiß meine Herren, dat das scharfe Auge, das Seherauge des
Geltung bringt, bleibt unverändert in Kraft, ebenso wie die seiner Zeit zwischen dem Deutschen Reich und anderen Mächten ausgetauschten Erklärungen, durch welche das Prinzip der offenen Thür für China anerkannt wird, nach wie vor Geltung behalten.
Bei dem Anlaß muß ich aber doch das Folgende sagen: Eng⸗ lische Zeitungen haben sich in den letzten Tagen aus Peking tele⸗ graphieren lassen ich habe hier einen Zeitungsausschnitt vor mir liegen mit einem solchen Telegramm der „Times“ ich sage also: englische Zeitungen haben sich aus Peking telegraphieren lassen, daß wir auf Kosten anderer Länder Monopole und Ausschließungsrechte in Schantung anstrebten. Ich möchte keinen Augenblick zögern, dieser Ente so rasch als möglich den Hals umzudrehen. (Heiterkeit.) Deutschland verlangt auch in Schantung nur die offene Thüͤr, d. h. dieselbe Freiheit wirthschaftlicher Bethätigung, wie wir sie auch anderen Staaten in Schantung Wund in allen übrigen Theilen des chinesischen Reiches nicht bestreilten. Wenn wir in Schantung für deutsche Unternehmer von der chinesischen Regierung einige konkrete Eisenbahn⸗ und Bergbaukonzessionen erworben haben das ist übrigens schon vor drei und vier Jahren geschehen, in den Jahren 1898 und 1899; es ist keine Rede davon, daß dies jetzt geschehe oder geschehen sollte —, so haben wir damit nur dasselbe gethan, was auch andere Regierungen für ihre Staatsangehörigen in anderen Theilen des chinesischen Reiches gethan haben, und zwar zum theil in weit größerem Umfange und in größerem Maßstab als wir. Also von deutschen Ausschließungsrechten in Schantung ist keine Rede. Wir wollen in China gar keine Extrawurst (Heiterkeit), wir verlangen aber die gleiche Ration wie die anderen.
Ich moͤchte noch eins erwähnen hinsichtlich des englisch⸗japani⸗ schen Abkommens. Ich bin neuerdings in der ausländischen Presse hbier und da der Vermuthung begegnet, daß Deutschland mitgewirkt hätte bei den Verhandlungen, welche zum Abschluß des englisch⸗ lapanischen Bündnißvertrages geführt haben. Von einer solchen Mit⸗ wirkung deutscherseits bei den englisch⸗japanischen Verhandlungen ist mir nichts bekannt. Richtig ist nur, daß sowohl die englische wie auch die japanische Regierung uns Kenntniß gegeben hat von dem Inbhalt des Abkommens nach seinem Abschluß. Das war ein Beweis des Vertrauens, welches die deutsche Chinapolitik dank ihren durchaus friedlichen Zielen und Wegen den übrigen Mächten einflöͤßt, und deshalb haben wir für diese Mittheilung auf das böflichste gedankt. Ich konstatiere aber, daß wir zwar vor der Publikation des englisch⸗japanischen Abkommens, die, wenn ich nicht irre, am 11. Februar stattgefunden bat, aber nicht vor seiner Unterzeichnung am 30. Januar Kenntniß von dem Inhalt des Abkommens gehabt haben. Mit anderen Worten, wir baben die Geburtsanzeige des Ab⸗ kommens erhalten und sogleich erhalten, aber wir haben nicht bei dem Abkommen Pathe gestanden, und mit der Vaterschaft hatten wir erst recht nichts zu thun. (Heiterkeit.) Das sage ich, meine Herren, ohne jede Tendenz, sine ira et studio, denn ich bin weit entfernt, die Bedeutung des englisch⸗japanischen Abkommens zu verkennen. Es ist das erste Mal, daß ein astatisches Volk, ein hochbegabtes asiatisches Volk, vollkommen gleichberechtigt in enge Verbindung tritt mit einer europälschen Großmacht, und deutlich tritt doch auch bei diesem An⸗ laß zu Tage, daß unsere Zeit im Zeichen der Weltwwolitik steht, jener Weltpolitik, von welcher der Herr Adg. Richter meinte, daß sie kein Novum entbielte.
Bismarck auch die Weltpolitik vorausgeseben, er hat der Welt⸗ pelitik die Wege geebnet und sie eingeleitet.
dieser wie in jeder anderen Beziehung — das dabe ich schon ein Mal an ciner anderen Stelle gesagt — auf seinen Schultern. Aber ich glaude. daß die Kreise, welche die Weltpolitik diesseits und jenseits des Weltmeers während des letzten Dezenntums gezogen hat, daß die dech in den Der und Der Jahren des verigen Jahrbunderts kaum ingend jemand für möglich gehalten haden würde, daß die Verhältnisse in diezer Dinsicht deute vielfach wesentlich anders Uegen als früher.
Ven drer Seciten ist der Begrif Welwolitik definiert worden.
Politisch steden wir in
“
und andererseits in demjenigen der Offenhaltung der Verbindung
zwischen der Küste, zwischen Tientsin und den Gesandtschaftswachen in
Peking. Und deshalb hoffen wir, daß es gelingen wird, von der
chinesischen Regierung ausreichende Garantien für die Weiterführung
jener Peiho⸗Regulierung durch die chinesischen Behörden zu erlangen⸗
Im übrigen, meine Herren, werden wir die Besatzungsbrigade in China
dort nicht einen Tag länger lassen, als dies politisch geboten ist. Auch
die verbündeten Regierungen sind von dem Wunsche erfüllt, die Finanz⸗
kraft des Reichs zu schonen, und sie haben genügend bewiesen, daß wir
uns in China nur so weit engagieren wollen, als dies mit den realen
deutschen Interessen verträglich ist. Aber wir bitten, uns die Mittel
zu gewähren, um die von uns in China erworbene wirthschaftliche
und politische Position auch weiter zu behaupten.
Ich darf, meine Herren, bei diesem Anlaß daran erinnern,
daß wir gegenüber manchen Zweifeln und Bedenken den
richtigen Augenblick gefunden haben, um unser Expeditionskorps
in China auf den sechsten Theil zu reduzieren. Wenn wir der vor
einem Jahre in Deutschland grassierenden China⸗Müdigkeit nach⸗
gegeben, wenn wir unsere Truppen vorzeitig aus China zurückgezogen
hätten, so würden wir damit Anderen nur eine vielleicht nicht unerwünschte Möglichkeit geboten haben, sich dort auf unsere Kosten besser zu betten. Wir würden durch einen überstürzten
Rückzug aus China denjenigen gewiß einen großen Gefallen
erwiesen haben, die es überflüssig finden, daß Deutschland jetzt auch
in überseeischen Fragen ein Wort mitspricht. Vom Standpunkt der deutschen Gesammt⸗ und der deutschen Zukunftsinteressen aber wäre ein solcher Rückzug ein grober Fehler gewesen, dem schließlich auch das Sinken der Achtung gefolgt wäre, deren wir jetzt uns auch bei denen erfreuen, die uns vielleicht nicht besonders lieben. Nachdem
unser China⸗Programm in allen wesentlichen Punkten reealisiert worden ist, sind unsere Truppen re bene gesta, re optime gesta —, ist das Gros des Expeditionskorps und sind unsere Schiffe wieder nach der. Heimath zurückgekehrt. Bis auf eine Brigade also hat der geehrte Herr Abg. Richter seine Legionen wieder. (Seiter⸗
keit.) Die Millionen werden auch noch kommen. Mein Liebchen, was willst Du noch mehr? (Große Heiterkeit.) Ich wiederhole, meine Herren, daß wir unsere Besatzungsbrigade in China reduzieren oder zurückziehen werden, sobald die politischen Verhältnisse dies gestatten. Heute läßt sich nicht wohl übersehen, ob im kommenden Etatsiahre ein Theil der Besatzungsbrigade entbehrlich sein wird. Durch eine budgetmäßige Verringerung der Besatzungsziffer des Expeditionskorps in China würde unsere Position in China in un⸗ erwünschter Weise geschwächt werden.
Ich muß auch darauf aufmerksam machen, daß man bei einem Vergleich zwischen den von den verschiedenen Mächten in China zurück⸗ gelassenen Detachements doch nicht vergessen darf — das ist in der Kommission hervorgehoben worden; ich glaube, das in den Zeitungen gelesen zu haben —, daß man nicht vergessen darf, daß die Engländer einen in der Nähe von China gelegenen Stützpunkt in Indien und in Hongkong besitzen, die Franzosen in Tonkin, die Russen in ihren Grenzprovinzen, die Japaner in ihrer Heimath, während wir für unsere Chbina⸗Politik einen solchen näher gelegenen Stützpunkt nicht haben. Wir müssen in China so stark sein, daß das, was durch das ein⸗ trächtige Zusammenwirken aller Mächte erreicht worden ist, nicht wieder aufs Spiel gesetzt wird, und auch so stark, daß uns dort niemand an den Wagen fährt.
Meine Herren, endlich ist auch die Frage der deutschen Garnison in Schanghai crörtert worden. Nach Schanghai haben wir eine Garnison verlegt nach englischem Vorgang, um an diesem wichtigsten chinesischen Handelsplatz die Bemühungen anderer Mächte für die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung im Pangtse⸗Thal zu unterstüten im Interesse der dortigen fremden Handelsnieder⸗ lassungen und auch, um der guten Gesinnung der in derselben Richtung thätigen chinesischen Vize⸗Könige einen Rückhalt zu gewähren. Ausdrücklich möchte ich sagen, daß dieses unser Vorgehen keinerlei feindliche Spitze trug gegen irgend welche andere Macht, und nament⸗ lich bat sich seiner Zeit England mit unserem Vorgehen durchaus einverstanden erklärt. Die guten Wirkungen der fremden Besatzungen in Schanghai für die Rude und Ordnung im Pangtse⸗Thale sind underkennbar; ich glaube, daß der Herr Adg. Frese dies auch in der Kommission desonders hervergehoben hat. Es würde gewagt sein, wenn durch einen vorriligen Rückyug der Garnisonen in Schanghai diese guten Wirkungen aufs Spiel gesetzt würden. Es empftehlt
der allerentschiedenste
Wenn Sie aber, wie das soeben
derr den Hertlimng ausgeführt hat, unter Weltwelitik deie Einstcht verstehen, daß Deutschland durch die natür⸗
immer größer
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sich dielmedr, unsere Garnison vorläufig noch in Schangdat zu lassen,
Wiederkehr der Millionen übernehmen? Das wäre eine schlüssigere Politik g seine heutigen Versprechungen. Wir glauben nicht an diese Wiederkehr. Die erste Rate ist ja gezahlt; bei der zweiten sollen sich schon Schwierigkeiten ergeben haben. Vielleicht will man zur Eintreibung der weiteren Rate neue Expeditionen ausrüsten. . Abg. Fref e (fr. Vgg.): Der englisch⸗japanische Vertrag richtet sich gegen Rußland, nicht gegen uns; auch unser Vertrag mit England vom Oktober 1900 wird dadurch in keinem Punkte berührt, und darauf möchte ich das Hauptgewicht legen. Was die Besatzungsfrage betrifft, so bin ich gleichfalls dafür, daß unsere Truppen möglichst bald aus China zurückgezogen werden sollen; aber ich möchte doch davor warnen, unsere 720 Mann aus Schanghai früher zurückzuziehen, als die anderen Mächte damit vorgegangen sind. Der Abstrich von 4 900 000 ℳ an den 1“ Kosten wird auch von uns gutgeheißen; sollte das Geld gleichwohl zur Erhaltung unserer Besatzungs⸗Brigade verwendet werden müssen, so wird nichts übrig bleiben, als es auch zu veraus⸗ gaben, und wir werden es später nachbewilligen müssen. Etwas Besonderes dürfte mit diesem Abstrich also eventuell nicht erreicht werden.
Damit schließt die Diskussion. Die Ausgaben werden durchweg 8g; Vorschlägen der Budgetkommission festgesetzt; die Resolution gelangt ebenfalls zu Annahme.
Nach kurzer Begründung durch den Abg. Speck (Zentr.) werden, de mitgetheilten Antrag entsprechend, die Ein⸗ nahmeposten des Etats der Expedition an die Kommission zurückverwiesen.
Es folgt der Etat des Auswärtigen Amts. Hierzu liegt folgender Antrag der Abgg. Albrecht und Genossen Soz.) vor: b d “ Herrn Reichskanzler zu ersuchen, die aus Hehng weg⸗ geführten astronomischen Instrumente nach Peking zurückzu chaffen und zur Verfügung der chinesischen Regierung stellen 3 8 8 Abg. Dr. Hasse (nl.): Die Reise des Prinzen Heinrich na Nord Perkte welche unzweifelhaft auf die Prinzena des Kaisers zurückzuführen ist, wird unsere guten Beziehungen zu den Vereinigten Staaten gewiß noch besser gestalten. Sie hat zunächst schon den Er⸗ folg gehabt, daß die ne Machenschaften, welche das gute Ein⸗ vernehmen zwischen Nord⸗Amerika und uns zu durchkreuzen gedachten, zerstört worden sind. Die Vereinigten Staaten steuern heute mit vollen Segeln dem Nationalstaate entgegen, in dem das deutsche und das angelsächsische Element im Vordergrunde stehen wird. Die neu entstehende Nation in Amerika wird sicher mächtiger und stärker werden als die angelsächsische Nation in Europa. Mit diesem neuen großen Staatswesen müssen wir in Frieden und Freundschaft leben; von den dort lebenden Deutschen dürfen wir nicht mehr becen und erwarten, als daß sie diese Friedenspolitik unterstützen. Vor der Illusion, daß in Nord⸗Amerika die Deutschen eine alldeutsche Mission zu erfüllen hätten, sollte man sich hüten; der Wettbewerb Nord⸗ Amerikas mit Deutschland wird ebenfalls, trotz aller jener Um⸗ stände, weiter bestehen und noch gesteigert werden. Wir haben also alles Interesse, auf dem Boden eines gesunden nationalen Egoismus zu verharren. Die Fürsorge für die Deutschen im Auslande ist ja von unserem Auswärtigen Amt nie vernachlässigt worden; doch liegen mir auch jetzt wieder zahlreiche Beschwerden vor. Aus Uruguay und Südbrasilien sind 8822 solcher Be⸗ schwerden schon im vorigen Jahre vorgebracht, und der Staatssekretär hat Erklärungen abgegeben, welche die Betheiligten nicht befriedigt haben. Aehnlich liegt es mit dem Falle Schulz in Nicaragua. Weiter handelt es sich um einen Fall der Ermordung des Deutschen Heyl in Los Angeles in Chile; der Mörder ist bekannt, wird aber nicht be⸗ straft. Ein anderer Fall ist mir aus Kleinasien vorgetragen worden, minder wichtiger Fälle zu geschweigen. Die Beschwerden der aus Süd⸗Afrika ausgewiesenen Deutschen hat ja das Auswärtige Amt mit Erfolg vertreten. Von den entstandenen Kosten sollen nicht weniger als ℳ zu Lasten der Geschädigten gehen; ich hoffe, daß auch diese Kosten von dem Reich übernommen werden. Erneut spreche ich den Wunsch einer Konsulatsreform und die Vermehrung der Berufskonsulate aus. Es sind ja einige neue Konsulate in Ebina und Zentral⸗Amerika aus⸗ worfen; ich bitte, diese Vermehrung zu beschleunigen. Die Deutschen im Ausland klagen nach wie vor darüber, daß die deutschen Berufs⸗ konsuln so schnes wieder abgerufen werden und gar 2n schnell um die ganze Erdkugel herum versetzt werden. Man sollte bei der Versetzung doch mehr Rücksicht auf die örtlichen Bedürfnisse nehmen. Für die Besetzung der Wahlkonsulate sollte doch möglichst nur der deutsche Reichsangehö oder Deutsche deutscher Abkunft in Betracht gezogen werden. Den Wunsch auf Errichtung deutscher Handelskammern im Ausland treten sonderbarer Weise hier und da gerade die Konsuln entgegen.
Staatssekretär des Auswärtigen Amts Dr. Freiherr von Richthofen:
Ich werde mir gestatten, meine Herren, die einzelnen Punkte durchzugehen, die der Herr Abg. Hasse in seinen Ausführungen berührt hat, und zunächst anfangen, womit er geschlossen hat, mit den Verhältnissen der Wahlkonsulate. Es ist ja für uns selbstverständ⸗ lich erwünscht, die Wahlkonsulate stets mit solchen Personen zu besetzen, die einmal deutsche Reichsangehörige sind, die zweitens im Besitz vdoller Kenntniß der deutschen Sprache sind und die drittens nicht gleichzeitig Konsulate anderer Mächte übernehmen. Aber, meine Herren, da stoßen wir auf die größten Schwierigkeiten. Wir haben zunächst verschiedenkliche Orte, an denen sich Deutsche, seien es deutsche Reichsangehörige, seien es solche, die früher die Reichs⸗ angehörigkeit besessen haben, überhaupt nicht befinden. Es giebt
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b “ 1““ drei Jahren 12 neue geschaffen. Ich glaube, das beweist, daß hier effektiv vorwärts gegangen wird, und wir werden auch nach dieser Richtung hin fortfahren, aber dies doch nur, soweit wirklich ein Be⸗ dürfniß sich ergiebt, da immerhin die Reichsfonds bei Gründung jedes Berufskonsulats beträchtlich in Anspruch genommen werden.
Bei der Besetzung der Berufskonsulate berücksichtigen wir natürlich die örtlichen Verhältnisse derart, daß wir Beamte, die die Ver⸗ hältnisse kennen, möglichst lange auf ihren Posten belassen, namentlich auch solche, die die Landessprache ausreichend verstehen. Aber auf der anderen Seite ist es auch wieder ganz unmöglich, einen solchen Konsul sein ganzes Leben lang auf einem und demselben Posten sitzen zu lassen. Das hindert auch die Schaffung von sogenannten Konsular⸗ zonen. Es ist ein zu großer Unterschied, ob jemand sein ganzes Leben lang in der ostasiatischen Zone verbringt oder in der europäischen. Es ist naturgemäß, daß, wenn die Konsularbeamten älter werden und größere Familie haben, immer ein Drängen nach Versetzung in die Nähe der Heimath eintritt, das in gewisser Weise ja auch gerecht⸗ fertigt ist. Ich glaube, daß ich damit wohl das Wesentlichste erörtert habe, was der Herr Abgeordnete Dr. Hasse hinsichtlich der Konsulate geäußert hat.
Ueber die Bildung von Handelskammern im Auslande hat ja das hohe Haus eine Resolution gefaßt, wonach eine reichsseitige Unter⸗ stützung solcher Handelskammern gewünscht wird. Wir haben einen Fonds in den gegenwärtigen Etat nicht eingesetzt, zunächst, weil zur Zeit die Reichsfinanzlage gebot, alles das nicht einzusetzen, was nicht einem absoluten und dringenden Bedürfniß entspricht, und anderer⸗ seits weil die verbündeten Regierungen an der Ansicht festhalten, daß eine Initiative des Reichs zur Schaffung derartiger Kammern im Auslande sich nicht empfiehlt. Diese Ansicht ist im vorigen Jahre so⸗ wohl hier im Plenum wie in der Budgetkommission eingehend be⸗ gründet worden und fußt wesentlich darauf, daß die geschäftlichen Interessen der deutschen Kaufleute im Auslande mit Interessen des deutschen Inlandes sehr oft wenig harmonieren.
Der Herr Abg. Dr. Hasse hat ferner die Deckung der Kosten berührt, welche die Vertretung der Entschädigungsansprüche der aus Süd⸗Afrika ausgewiesenen Deutschen hervorgerufen habe. Es ist ge⸗ prüft worden, ob es richtig wäre, diese Kosten aus demjenigen Fonds zu nehmen, welchen uns England für die Ausgewiesenen zur Ver⸗ fügung gestellt hat. Es sprechen ja manche Gründe dafür, weil die Ausgabe wesentlich im Interesse der Ausgewiesenen erfolgt, und es zweifelhaft ist, ob die Gesammtheit der Steuerzahler damit belastet werden darf. Aber wir haben doch geglaubt, daß aus demselben Grunde, aus welchem der gesammte Schutz der Deutschen im Auslande vom Reiche getragen wird, es sich als zweckmäßig erweisen werde, auch diese Kosten auf Reichsschultern zu legen, um so mehr, als es kein erheb⸗ licher Betrag ist. Es wird also die Summe, die englischerseits für die deutschen Ausgewiesenen bewilligt ist, denselben voll und unverkürzt zu gute kommen.
Herr Abg. Dr. Hasse hat dann eine Anzahl Fälle zur Sprache gebracht, in welchen es sich um den Schutz Deutscher im Auslande handelt. Der eine dieser Fälle, der Fall Franke, ist bisher nicht zu meiner Kenntniß gekommen.
Ein zweiter betraf einen Deutschen Karl Heyl, welcher in Chile in der Nacht vom 7. auf den 8. November 1899 in einem einsamen Gehöft ermordet worden ist. Am folgenden Tage hat der zuständige Konsul Kenntniß davon erhalten, er hat sofort sämmtliche Behörden in Bewegung gesetzt, hat den Konsulats⸗Sekretär an Ort und Stelle ge⸗ schickt; der Gesandte in Santiago hat gleichfalls alle gebotenen Schritte gethan; aber der Mörder ist nicht ermittelt worden. Wenn der Herr Abgeordnete sagt, daß der Mörder bekannt und notorisch sei, so würde ich ihm für eine nähere Nachweisung in dieser Beziehung dankbar sein; wir würden dann sofort die nöthigen weiteren Untersuchungen herbeiführen. Aber nach den uns vorliegenden Berichten haben die chilenischen Behörden, ungeachtet großen Eifers, den Mörder nicht zu entdecken vermocht, und etwas Derartiges kommt ja auch hier und da in Europa vor. Ein Verwandter des Ermordeten hat allerdings die Behauptung aufgestellt, daß der Mörder bekannt sei. Dieser Ver⸗ wandte war aber zur Zeit des Mordes garnicht an Ort und Stelle⸗ sondern, soviel mir bekannt, in Argentinien.
Den Fall Schultz⸗Nicaragua haben wir schon wiederholt hier diskutiert. Inzwischen sind neue Verhandlungen mit Herrn Schultz gepflogen worden; er wünscht nunmehr, daß das Abkommen, welches sein Bevollmächtigter 1896 mit der Regierung von Nicaragua ab⸗ geschlossen hat, jetzt zur Ausführung gelangt, und der Schaden durch Schiedsrichter abgeschätzt werde. Wir haben uns sofort an den preußi⸗ schen Herrn Handels⸗Minister gewandt und mit dessen Hilfe eine Anzahl Bergbaubeamte festgestellt, die bereit sein würden, das Schieds⸗ richteramt für Herrn Schultz zu übernehmen. Dies ist Herrn Schultz mitgetheilt worden; eine Bezeichnung derjenigen Persönlichkeit, die er als Schiedsrichter ausersehen will, ist von ihm noch nicht erfolgt. Von unserer Seite ist somit alles geschehen, was geschehen kann, um
bald zu der von ihm geforderten Entschädigung zu verhel
Was den Fall Schrappe, der sich in Brasilien zugetragen hat, betrifft, so ist uns im Großen und Ganzen die Forderung, die Herr
Schrappe gestellt hat, als zum mindesten stark übertrieben bezeichnet worden. Allerdings ist uns neues Material zugeführt worden, und infolge dessen sind die deutschen Vertretungen, welche in Betracht kommen, aufgefordert worden, eine erneute Prüfung beit vorzunehmen. Die Berichte derselben liegen n Der Fall liegt aber jedenfalls insoweit schwierig, als gungssumme, welche in Frage steht, ganz verschieden beztffert wird. Schrappe fordert nach Nachrichten, einer der Zeugen giebt dagegen und einer nur auf einige 100.
friedensbruchs. Er hat mit aller Welt Prozesse geführt. Unsere Vertreter haben für ihn eine Entschädigung von 2000 Dollars aus⸗ gewirkt. Diese betrachtete er aber nur als Geschenk der fremden Nation, nicht als Entschädigung. Diemer hat sich dazu hinreißen lassen, Briefe zu schreiben, die im Auslande übel genommen werden und es unseren Vertretern sehr schwer machen, für ihn mit Erfolg einzutreten. Wenn er z. B. dem argentinischen Minister des Aeußeren, der aus dem Auslande zurückkehrte, schreibt, er gratuliere ihm, daß er nicht die⸗ selbe Unbill in Europa erlitten habe, wie er in Argentinien (Heiterkeit), wenn er dann in Schreiben an den obersten Gerichtshof von dem fremden Staate als einem unzivilisierten Lande spricht, sagt, daß er das Opfer einer falschen und ungerechten Justiz sei, daß er sich nicht wie ein Hund behandeln lasse, so erschwert das außerordentlich ein Wirken in seinem Interesse. Allerdings hat aber der Herr Abg. Hasse Recht, daß diese persönlichen Verhältnisse keinen Ausschlag geben können. Die Kaiserlichen Vertreter haben aber auch das Ihre gethan, um dem Herrn Diemer, der durch geschäftlichen Rückgang in eine aufgeregte Stimmung gekommen ist, nach Möglichkeit zu seinem Rechte zu verhelfen, und werden es geeigneten Falles auch ferner nicht daran fehlen lassen, das Ihre für Diemer zu thun. Aber ich kann nur sagen, daß durch ihn selbst ihnen das nicht leicht gemacht wird.
Wir sehen, daß die amtliche Behandlung aller dieser Fälle fort⸗ gesetzt eine sehr rege ist, und daß ein Versäumniß seitens des Aus⸗ wärtigen Amts in keinem dieser Fälle vorliegt. Daß derartige Fälle nicht immer zu einer die betreffende Partei befriedigenden Lösung führen, liegt darin, daß die Forderung häufig eine nicht berechtigte oder wenigstens übertriebene ist. Aber von unserer Seite wird nach wie vor alles geschehen, um im einzelnen Falle den berechtigten An⸗ forderungen eines jeden deutschen Reichsangehörigen nach Möglichkeit zur Erfüllung zu verhelfen.
Abg. Münch⸗Ferber (nl.): Im vorigen Jahre hat das Haus der Tendenz meines Antrages auf Errichtung deutscher Handelskammern im Auslande zugestimmt In den Kreisen des Handels und der Ge⸗ werbe, in der ganzen Fachpresse war nur eine Stimme der Befriedigung darüber, daß hier endlich einmal ein energischer Schritt geschehen sollte. Leider hat der Reichskanzler unsere Resolution nicht berücksichtigt. Wir werden uns daher Peftatten, zur dritten Lesung diese Resolution wieder dem Hause zur Annahme vorzuschlagen.
Steaatssekretär des Auswärtigen Amts Dr. Freiherr von Richthofen:
Ich möchte den Ausführungen des Herrn Abg. Münch⸗Ferber gegenüber nur das eine aussprechen, daß die Allgemeinheit der Auf⸗ fassung, wie sie der Herr Vorredner als zu Gunsten der Errichtung von Handelskammern im Auslande bestehend darstellte, keineswegs überall vorhanden ist. Es giebt sehr viele und weite Kreise, und gerade im Auslande selbst, welche die Handelskammern im Ausland nicht für eine durchaus günstige Einrichtung halten. Dies ist für die verbündeten Regierungen neben der allgemeinen Finanzlage mit maß⸗ gebend dafür gewesen, diese Position, wie ich schon hervorgehoben habe, nicht im Etat erscheinen zu lassen.
Abg. Dr. Gradnauer (Soz.): Der Abg. Hasse hat von der Nord⸗Amerikareise des Prinzen Heinrich eine Verbesserung der Be⸗ iehungen Amerikas zu eutschland erhofft. Diese Auffassung ist doch sehr naiv. Diese Art Reisepolitik hat bei uns so überhand genommen, daß der Reichstag besser daran thäte, dagegen — zu machen, als sie mit Jubel zu begrüßen. Auch wir haben ein Interesse, mit Amerika n guten Beziehungen zu stehen; die deutsche Zollpolitik aber schädigt diese Beziehungen, und die Reise des Prinzen Heinrich ändert daran nichts, möge he auch —1 bpzantinisch ier werden. Es tritt in dieser Reisepolitik eine Aufdringlichkeit hervor, die uns garnichts enützt hat. Ich erinnere nur an die dynastischen Beziehungen zu Engkand. Die dynastischen Interessen haben gar keinen Einfluß auf die nationalen Interessen. Gewundert hat mich, daß H Laße die südafrikanische Frage diesmal so stiefmütterlich behandelt hat. Man hat von der verletzten Neutralität, von der Absicht, Hilfsmittel und Arzneien in die Konzentrationslager zu afler⸗ viel gehört. Von der Erörterung der Dinge, welche in Suüd⸗Afrika geschehen sind, hat man sich aber scheu ferngehalten., Wie kann man sagen, man wolle eine gewisse Beruhigung in die deutsche Bevölkerung tragen, wenn man nicht den Muth hat, Kritik zu üben an der unglaublichen Haltung, w die deutsche Politik gegenüber dem südafrikanischen Pernichkamg se bis auf den heutigen Tag beobachtet hat. Mit — hat A. 7,— uns gesagt, . 29
tung auf H Fenf o eingerichtet, da wiesen sei, daß Dnischland nsewal⸗ fehle, wo es sich um
manität und humanitäre Interessen handle. war denn utschland, England gegen die Burenrepubliken das Völker⸗ recht brach? Welchen Hohn auf die hohen Worte der — riedensakte stellt doch dieses Vorgehen Englands dar! Und k. acht, auch nicht Deutschland, hat auch nur den Versuch einer Ver⸗ mittelung gemacht! Vom völkerrechtlichen Standpunkt stände der Reichsregierung auch heute noch nicht das geringste Hinderniß dazu entgegen. Der Burenkrieg ist noch nicht zu Ende; die Buren haben den Engländern sehr böse Schlappen beigebracht. auf die politischen ünde einer vens
Bulow hat das ja klar zu
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gezogen. Aber damit er uns nicht
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1
lische! erflärte, und eine Depe
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Niedermetzelungen von Menschen und Verwüstungen der Ländereien Feree Diese Greuel sind weniger durch religiöse als durch wirthschaftliche Gegensätze zwischen Türken und Armeniern bedingt, die sich der europäischen Kultur zugewandt haben. Es herrscht dort ein Zustand der Rechtlosigkeit und Barbarei. Die Berichte der Agenten des Ministers Delcassé ließen darüber gar keinen Zweifel. In der Türkei besteht keine Instanz, welche gegen diese Greuel vorgehen könnte. Wer es thut, wird als Revolutionär erklärt. Hat der Staatssekretär nichts von diesen Mittheilungen pehört, und hält er es nicht für seine Pflicht, Vorstellungen ei der Pforte zu machen, um diesen Zuständen ein Ende zu machen? Der Deutsche Kaiser hat ja die guten Beziehungen zwischen Deutsch⸗ land und der Türkei h hervorgehoben. Ich komme nun zu der von uns vorgeschlagenen Resolution. Der Thatbestand ist voll⸗ kommen klargestellt, ‚ebenso auch die Rechtslage. Es fragt sich, ob der Verzicht der chinesischen Regierung uns wirklich berechtigt, das zu Unrecht erworbene Gut zu 2 China hat nach der „Nord⸗ deutschen Allgemeinen Zeitung“ auf die Instrumente mit Rücksicht auf die Schwierigkeiten der urückbeförderung verzichtet. Die offiziöse Presse hätte gut daran gethan, diese Mittheilung, in der sich feiner
pott mit Ironie paarte, nicht zu veröffentlichen. Die Mittheilung der chinesischen Regierung wollte doch nur besagen: Behaltet nur die Instrumente als Denkmal der Schande ...
Präsident Graf von Ballestrem: Dieser Ausdruck, auf die
dentsche Regierung angewandt, verstößt gegen die Ordnung des Hauses, und ich rufe Sie zur Ordnung!
Abg. Dr. Gradnauer (fortfahrend): Wenn vor Gericht ein Be⸗ stohlener so etwas sagt, so läßt sich der Staatsanwalt nicht abhalten, die Verurtheilung des Angeklagten zu beantragen. Ist der Herr Präsident der Meinung, daß man die Wegnahme der Viktoria auf dem Brandenburger Thor nicht einen Raub nennen darf? Treitschke hat ein vernichtendes Urtheil über das französische Volk ge⸗ fällt, als es die geraubten Kunstwerke nicht zurückgeben wollte. Ein solches Urtheil könnte auch einmal über die deutsche Regierung und das deutsche Volk von einem Historiker gefällt werden. Was hält uns ab, die Instrumente zurückzugeben? Alle anständigen Leute würden uns dazu Glück wünschen. Oder giebt es Leute, die sich von diesen Instrumenten nicht losreißen können? Wenn es wirk⸗
lich ein beschlagnahmtes Gut ist, wie kann es nach Sanssouci in
rivatbesitz kommen? Wo sind die astronomischen Instrumente im
tat verzeichnet worden? Es mußte doch mindestens die chinesische Schuld entsprechend verkürzt werden. Aehnlich steht es mit der Fort. führung von 80 chinesischen alten Bronzekanonen aus dem 17. Jahr⸗ hundert, die im Kriege garnicht verwendet werden konnten. Ein Theil davon ist im sächsischen Arsenal aufgestellt worden. Es ist eine Ehrensache des Deutschen Reichstages, den geschehenen Fehler wieder ut zu machen. Das Völkerrecht wird überall und immer verletzt, in frika, China u. s. w.; umsomehr haben wir die Pflicht, eine so eklatante Völkerrechtswidrigkeit aus der Welt zu schaffen.
Reichskanzler Graf von Bülow:
Ich muß zunächst meinem Bedauern Ausdruck geben über die Art 8
und Weise, wie der Herr Vorredner sich ausgesprochen hat über die Reise des Prinzen Heinrich nach Amerika (sehr richtig! rechts), über die Art und Weise des Empfangs, den das amerikanische Volk dem Prinzen Heinrich bereitet hat, und über unsere Beziehungen zu Amerika.⸗ Das war um so bedauerlicher im Hinblick auf die schöne Aufnahme, welche der deutsche Prinz bei dem amerikanischen Volke gefunden hat. (Sehr richtig!
auf allen Seiten des Hauses.) Der Herr Abg. Hasse hatte kurz vorher
in ganz zutreffender Weise hervorgehoben, daß die Reise des Prinzen Heinrich nach Amerika keinen bestimmten politischen Zweck ver⸗ folgte. Der Zweck aber, den wir verfolgen und den wir mit großem Ernst anstreben, das ist die Aufrechterhaltung der traditionellen guten Beziehungen zwischen Preußen⸗Deutschland und Amerika, wie sie bestehen seit den Tagen des großen Friedrich und des großen Washington. (Sehr gut!) Beide Völker, das deutsche und das amerikanische Volk, haben allen Grund, sich gegenseitig zu
achten; sie haben gar keinen Anlaß, sich zu veruneinigen oder sich zu streiten; sie haben alles Interesse daran, auf der Grundlage voller
Gegenseitigkeit mit einander in Frieden und Freundschaft zu leben. (Sehr richtig!) Auch in der fernsten Zukunft sieht mein Auge keinen Punkt, wo die politischen Wege des deutschen Volkes und des amerika⸗ nischen Volkes sich zu durchkreuzen brauchten. (Bravo!) Das habe ich schon einmal von dieser Bank ausgeführt, ich glaube vor drei Jahren, und ich hatte damals den Eindruck, daß die große Mehrheit dieses
hohen Hauses mit meinen damaligen Darlegungen einverstanden 8
war. Ich bin überzeugt — und ich sage das nicht nur für das Inland, sondern auch für das Ausland — ich bin überzeugt, daß ich mich in Uebereinstimmung befinde mit den Ansichten der sehr großen Mehrheit dieses hohen Hauses, das deutsche Volk mit lebhafter Befriedigung verfolgt die gaft⸗ freie, ritterliche und glänzende Aufnahme, welche das amerikanische
5 81
2
diesem Anlaß trat wieder mal zu Tage, daß der Herr Gradnauer und seine Freunde wirklich chinesischer sind, Chinesen. (Zuruf links, sehr richtig! rechts.) chauvinistisch wären, wie der Herr
stisch ist. so nicht haben. (Zuruf
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22] fr; Ritthne
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wenn ich sage, daß
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