1902 / 85 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 11 Apr 1902 18:00:01 GMT) scan diff

Mini nicht dem Eisenbahn⸗ ster ganz 88 —, 8b wie in den anderen Ressorts die Einzelheiten mit dem Eisenbahn⸗Minister besprechen. Wie weit hen soll, ist eine Frage des Taktes oder des Rückgrats des Eisen. Fahn⸗Weinisters. Wenn wir eine Eisenbahnverwaltung haben, die das nöthige Rückgrat hat, um sich nicht nothwendige Ausgaben den dem Finanz⸗Miaifter streichen sn lassen, so müssen wir andererseits auch dem Finenz⸗Minister die Mitwirkung überlassen. Der Rückgang der Eisenbahneinnahmen hätte sich schon früher übersehen lassen, denn in der Industrie, namentlich der Eisenindustrie, machte er sich schon viel früher bemerkhar, wenn auch selbst noch im August 1901 der Verkehr auf den Eisenbahnen sehr stark war. Ich sehe keine Gefahr darin, daß die Einnahmen der Eisenbahn einmal zurückgehen und auch die S.nsc ghe etwas geringer werden; wir müssen nur dafür sorgen, daß unser Etat nicht mit einem Desizit abschließt. Unser jetziges d” ist nur ein rechnungsmäßiges, da noch viele Kredite offen stehen. Der Rückgang der Eisenbahneinnahmen hat haupt⸗ sächlich in der Entwickelung der Produktion seinen 8 Grund. Der Wechsel von Aufgang und Niedergang ist eine Thatsache, wenn man auch nicht bestimmte Zeiten dafür annehmen kann Mit dem Rückgang der Produktion geht auch der des Konsums Hand in Hand, und das wird noch eine Zeit weiter so gehen. Den Optimismus, daß wir über die Depression bald hinweg sein werden, kann ich nicht theilen. Die Hauptsache ist, daß durch eine vernünftige Handelspolitik der Verkehr gehoben wird. Das kann aber nicht ge⸗ schehen durch gewagte Experimente.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Thielen:

Meine Herren! Ich kann zu meiner Freude konstatieren, daß in den eingehenden Erörterungen des Herrn Abg. Gothein zum Etat von Jahr zu Jahr das Register der Sünden, Uebelthaten und Miß⸗ stände der Staatseisenbahn⸗Verwaltung sich einschränkt. Das ist auch in diesem Jahre der Fall gewesen. Was noch von Rest übrig ge⸗ blieben ist, das beruht zum theil und nicht zum geringen Theil auf thatsächlichen Irrthümern (Heiterkeit), und diese zu berichtigen möchte ich mir kurz gestatten.

Zunächst aber möchte ich die Bemerkung des Herrn Abg. Gothein als unrichtig zurückweisen, daß mein sehr verehrter Herr Amts⸗ vorgänger, Staats Minister von Maybach vor der Verstaatlichung die preußischen Privatbahnen mürbe zu machen gesucht habe für die Verstaat⸗ lichung. Das ist in keiner Richtung hin der Fall gewesen. Ich bin damals, zu der Zeit, wo die Verstaatlichung sich vorbereitete, selbst Leiter einer preußischen Privatbahn gewesen und kann vollgültiges Zeugniß dafür ablegen, daß keinerlei Druck, namentlich auch nicht nach der Richtung hin, um eine Verstaatlichung anzubahnen, ausgeübt worden ist, und wenn ein solcher Druck ausgeübt worden wäre, so wäre er jedenfalls zunächst geltend gemacht worden, um die Bahn, der ich damals angehörte, die selbständigste der sämmtlichen deutschen Privat⸗ bahnen, die Rheinische Eisenbahngesellschaft, die einzige von den deutschen Privatbahnen, die die 20 %ige Tariferhöhung seinerzeit nicht mitgemacht hat, zu gewinnen; das ist nicht der Fall gewesen.

Meine Herren, ich gehe dann auf die einzelnen Punkte über, die nach meiner Kenntniß der Dinge irrthümlich vom Herrn Abg. Gothein angeführt worden sind. Er hat die Meinung ausgesprochen, das Privat⸗ kapital hätte sich ebenso gern und willig auch nicht von vornherein rentablen Bahnen zugewendet, wie der Staat. Ja, daß die Privat⸗ gesellschaften zeitweise sehr hereingefallen sind bei den Bahnen (Heiter⸗ keit), das ist absolut nicht zu leugnen; man braucht nur unter anderm auf die Strousberg'sche Zeit hinzuweisen. (Sehr gut!) Daß sie dies aber gern gethan (Heiterkeit) und mit Bewußtsein gethan, das, meine Herren, glaube ich, ist wohl der erste thatsächliche Irrthum, der dem Herrn Abg. Gothein nachgewiesen werden kann. (Sehr richtig! und Heiterkeit.) Er hat gemeint, der Staat hätte ja auch in einzelnen Provinzen nicht in dem Maße das Staatsbahnnetz ausgebaut; es wäre vielmehr da für die Thätigkeit der Privatbahnen noch sehr viel übrig geblieben. Genannt hat der Abgeordnete die Provinz Pommern. Wenn man die Karte der Provinz Pommern ansieht, so giebt es nur zwei größere Privatbahnen, das ist Altdamm-—Kolberg und ein kleiner Theil von Küstrin —Stargard; das ührige sind Staatsbahnen. Wenn der Herr Abg. Gothein die Kleinbahnen mitrechnen will, so sind das znächst keine Eisenbahnen nach dem Gesetz, wie er selbst ja weiß, und zweitens sind sie auch nicht dazu bestimmt, den direkten Eisen⸗ bahnverkehr aufzunehmen.

Dann hat der Herr Abg. Gothein mir zum Vorwurf gemacht, daß meine Auffassung, in den letzten Jahren seien keine Konzessionen verweigert worden, nicht richtig wäre, und er hat dafür angeführt RNatibor— Nendza. Meine Herren, das ist eine Staatsbahn, eine Bahn im Betriebe des Staates; (Abg. Gothein: Gleiwitz!) also eine Konzessionsverweigerung konnte dort überhaupt nicht eintreten.

Dann hat er mich des Widerspruchs geziehen bezüglich meiner Auffassung von der Ausdehnung der Rückfahrkarten; ich hätte mich sehr lebhaft gegen die Ausdehnung der Gültigkeit auf 10 Tage ausgesprochen und wäre damit in Widerspruch geralhen mit meiner

Maßregel, der Ausdehnung auf 45 Tage. Das i

Herren, es besteht allerdings eine ganze Reihe von Ausnahmetarifen, aber an dem Namen hängt es doch nicht; wir können doch nicht alles in die wenigen Klassen, die amtlichen, offiziellen Klassen, einschachteln. Wenn wir fortschreiten wollen, müssen wir eben auf dem Wege der Ausnahmetarife fortschreiten, die ja fast durchgängig nicht Einzeltarife sind, sondern Tarife allgemeiner Natur, die regelmäßige sind. Es wird so häufig von einer grundlegenden Reform des Gütertarifwesens gesprochen. Ich habe diese Worte sehr häufig nicht bloß von dem Abg. Gothein gehört, aber ich habe noch nie jemanden gehört, der mir das Rezept gegeben hätte, in welcher Weise eine solche grundlegende Reform durchgeführt werden soll (sehr richtig! rechts), und es kommt auch keiner, der mir dafür ein Rezept giebt. Es würde eine vollständige Beseitigung unseres jetzigen Gütertarifwesens, eine derartige Revolution in unserem ganzen wirthschaftlichen Leben hervorrufen, daß es mit den größten Gefahren verbunden wäre, über⸗ haupt nur an eine solche Sache heranzutreten. Vielleicht hat aber der Abg. Gothein ein derartiges Rezept in der Tasche (Heiterkeit) und ist so freundlich, mir das als guten Rath zu geben, wie er mir ja schon häufig einen guten Rath gegeben hat; er erkennt selbst an, daß ich meist diesem guten Rath gefolgt bin. Es ist nicht aus⸗ geschlossen, daß wir uns wieder verständigen.

Der Herr Abg. Gothein hat aber in der Beziehung thatsächlich wieder unrecht, daß er annimmt, daß die Briquetfabriken von dem Rohstofftarif ausgeschlossen seien, das ist nicht der Fall; sie genießen den Rohstofftarif ebenso wie die Kohlen. Er hat ferner darin that⸗ sächlich unrecht, daß er meint, für den Import der Kohlen von den See⸗ häfen würden die Tarife nicht gewährt. Diese Tarife werden auch für den Import gewährt. (Hört! hört! rechts.) (Abg. Gothein: Rohstofftarif!) Robhstofftarif; das ist eben der Ausnahmetarif. (Heiterkeit.) Der Abg. Gothein wird sich, wenn er mal darüber nachdenkt, erinnern, daß die inländische Kohlenindustrie seiner Zeit sich lebhaft gegen diesen Import gewehrt hat. Er wird sich auch erinnern, daß auch für die Eisenerze die Importtarife von den Häfen gelten und noch für eine ganze Menge anderer Dinge.

Dann hat der Abg. Gothein den fabelhaften Hering wieder hervor gesucht. Dieser fabelhafte Hering ist eigentlich eine Seeschlange (Heiterkeit), die aber ebensowenig Existenzberechtigung hat. (Abg. Gothein: Thatsache!) Nein, es ist keine Thatsache. Der Abg. Gothein hat die Behauptung aufgestellt, wir führen den Hering von Stettin nach Lemberg und Krakau billiger als von Breslau⸗Oder⸗ hafen nach Lemberg bezw. Krakau oder Brodv. Die Frachtsätze sind folgende: Von Stettin nach Lemberg kostet der Hering 3,70 ℳ, von Breslau nach Lemberg 2,99 ℳ, von Stettin nach Krakau 2,12 ℳ, von Breslau⸗Oderhafen nach Krakau 1,41 Die Umschlagsgebühren in Breslau⸗Oderhafen betragen für Heringe in Fässern 0,50 (Hört, hört!) Nun bin ich nebenbei noch der Meinung, daß eigentlich der Heringshandel weit eher nach Stettin gehört vielleicht giebt mir der Fraktionsgenosse des Herrn Abg. Gothein, der Herr Abg. Broemel, auch darin Recht als diesen Handel nach Breslau künstlich zu verlegen. (Heiterkeit.) Aber item der Tarif ist faktisch theurer mit der Eisenbahn von Stettin als mit der Eisenbahn von Breslau⸗Oderhafen.

Dann hat der Herr Abg. Gothein lebhaft Klage geführt über die Bureaukratie, die sich geltend machte einmal bei der Gewährung von Eisenbahnanschlüssen und zweitens bei der Erhebung von Standgeld. Meine Herren, die Frage der Gewährung von Eisenbahnanschlüssen ist für das ganze Staatsbahnnetz generell geordnet, diese generelle Ordnung ist wiederholten Revisionen unterzogen worden, und auch noch in den letzten Jahren, nach der Richtung der möglichsten Er⸗ leichterung und materiellen Begünstigung der Eisenbahnanschlüsse. Aber nichtsdestoweniger giebt es bei den Eisenbahnanschlüssen immer noch Differenzen nicht selten, weil die Auffassungen darüber, was so ein Eisenbahnanschluß kostet, zwischen der Eisenbahn⸗Verwaltung und dem betreffenden Anschlußnachsucher verschieden sind. Es ist mir aus den letzten Jahren nicht erinnerlich, daß irgend ein derartiger An⸗ schluß verweigert worden wäre; mein Gedächtniß kann mich trügen (Zuruf) wo er technisch ausführbar ist; das setze ich voraus, das setzt auch Herr Gothein voraus; wie gesagt, es ist mir nicht erinnerlich, daß irgend ein Anschluß verweigert worden wäre.

Was nun die Standgelder betrifft, so ist die Sache: Wenn wir in einer Zeit der Wagennoth sind, dann halten wir natürlicherweise auch an den Standgeldern fest; sie sind das einzige Mittel, um die Wagen rechtzeitig zurückzubekeommen. Da wird weder zwischen dem Osten und dem Westen, noch zwischen Landwirthschaft und Industrie und Handel ein Unterschied gemacht. Ist dagegen die Zeit so, daß die Wagen auch ohnedies steben, so sind wir in Bezug auf die Rück⸗

dern auch das Publikum zu leiden hat. Was den Eisenbahn⸗Etat b., trifft, so stehen wir vor der bisher unerhörten Thatsache, daß die 8 nahmen von 1901 hinter denen von 1900 um 35 Millionen zurückbleiben Findet etwa dieser Ausfall einen Ausgleich in anderen Ressorts? Jch wäre dem Finanz⸗Minister dankbar, wenn er uns darüber eine Aus kunft geben könnte. Sonderbar ist auch die fernere, von dem Eisen bahn⸗Minister zugegebene Möglichkeit, daß das in den Etat ein gestellte Einnahmequantum nicht erreicht werden wird; der Ausgabe. ausfall wird diesen Einnahmeausfall nicht ausgleichen, wenn auch die Kohle billiger zu haben sein wird. Sind diese Thatsachen richtig, so wäre es eigentlich unsere Pflicht, das Einnahmequantum zu ver⸗ ringern. Von dem Eisenbahn⸗Etat hängen doch die übrigen Etatz ab. Allerdings wird es kaum möglich sein, eine Aenderung vorg⸗ nehmen, weil es nicht möglich ist, diese Mindereinnahmen zu schätzen Wir müssen uns darüber bescheiden. Der Ausfall von 1901 ist bei unserem stark ausgestatteten Extraordinarium freilich nicht so schlimm; aber er ist für uns eine siarfe Warnung. Die Eisen. bahnen sind das Rückgrat der Staatseinnahmen, und darum können wir an die Frage der Tarifermäßigung nur mit der größten Vor⸗ icht herangehen, wenn ich auch zugebe, daß im einzelnen eine arifermäßigung und Ausgleichung am Platze ist, namentlich wenn es sich um die Erhaltung des deutschen Waldes handelt. Ganz und gar stimme ich mit dem Finanz⸗Minister darin überein, daß er in Eisenbahnangelegenheiten ein entscheidendes Wort sprechen und ein wachsames Auge darauf haben muß, daß die Staatseisenbahn⸗Ver⸗ waltung so geführt wird, daß die allgemeinen Staatseinnahmen nicht Schaden leiden. Eine Trennung der Eisenbahnfinanzen von den anderen inanzen jetzt vorzunehmen, wäre sehr bedenklich, namentlich mit Rück. sn auf die Aufbringung der Steuern. Einen Eisenbahn⸗Reservefonde zu bilden, hätte manche Schwierigkeiten und wäre nur durchführbar, wenn die Ueberweisungssumme für allgemeine Staatszwecke von drei zu fünf Jahren revisibel wäre. Der Abg. Gamp hat vorgeschlagen, nach Posen und Bromberg ein Abrechnungsbureau zu legen, um diese Provinzen zu germanisieren. Die Eisenbahn⸗Verwaltung ist eine wirthschaftliche, nicht eine politische Verwaltung, und man sollte sie für politische Zwecke nicht verwenden. Ich hoffe, daß die Eisenbahn⸗Verwaltung sich durch Herrn Gamp nicht auf eine schiefe Ebene drängen läßt, nachdem see sich bisher von religiösen und politischen Kämpfen ferngehalten bat. Die Versuche zur Erzielung einer größeren Schnelligkeit bis über 160 km müssen fortgesetzt werden, und der Minister sollte sich ent⸗ schließen, einen entsprechend stärkeren Unterbau zu bewilligen. Für den Güterverkehr würde allerdings ein so schneller elektrischer Betrieh kaum zu verwenden sein. Daß die D⸗Wagen verbessert werden sollen, ist sehr erfreulich. Ich habe in Frankreich D⸗Wagen gesehen, in denen jedes Coupé einen Ausgang hat. Ich möchte diese Wagen nicht empfehlen, weil bei ihnen die Widerstandsfähigkeit zu gering ist Die Ausbildung der Eisenbahnbeamten interessiert nicht bloß der Staat, sondern auch die Kommunen und Provinzen. Am besten in es, wenn an der Spitze ein juristisch gebildeter Verwaltungsbeamter unter technischem Beirath steht, wenn ich auch nichts dagegen habe, daß man einem Direktor ein bestimmtes Referat übergiebt. Im all gemeinen können wir mit unserem Staatsbahnsystem nur zufrieden sein. Es ist in vieler Beziehung bahnbrechend gewesen. Die Ausfälle haben sich vermindert; der Wagenpark hat sich vermehrt, und wer einmal mit französischen oder italienischen Bahnen gefahren ist, den beschleicht ein Gefühl der Behaglichkeit, wenn er wieder auf einet preußischen Eisenbahn fährt.

Finanz⸗Minister Freiherr von Rheinbaben:

Meine Herren! Der Herr Abg. Fritzen hat an mich die Frage gerichtet, wie sich voraussichtlich der Abschluß des Etats für 1901 g⸗ stalten wird, und ob dem sehr erheblichen Minderüberschuß, der seiten der Eisenbahn zu erwarten ist, voraussichtlich Mehrüberschüsse seitens anderer Verwaltungen gegenüberstehen werden. Ich habe mir bereitz erlaubt, bei meiner Etatsrede am 9. Januar auf das voraussichtliche Ergebniß des Jahres 1901 näher einzugehen. Nach den damalige Schätzungen war anzunehmen, daß die Einnahme um 67 Milliona hinter dem Etatsanschlag zurückbleiben würde, daß dem gegenübe aber auch eine Ersparniß von 21 Millionen an den Ausgaben der Eisenbahnverwaltung eintreten würde, sodaß insgesammt mit einen Defizit von 46 Millionen bei der Eisenbahnverwaltung gerechns werden müßte. Es kamen noch andere, im Etat nicht vorgesehen Mehrausgaben hinzu; namentlich habe ich mir bereits damals darac binzuweisen erlaubt, daß, während man ursprünglich angenommen bdat daß sich im Verhältniß zum Reich die Matrikularbeiträge mit de Ueberweisungen decken würden, sich das Verhältniß sehr zu Ungunste verschoben hat und wir mit einer Leistung von 11 Millionen an da Reich zu rechnen haben. Endlich kam noch eine Anzahl von ermn ordinären Ausgaben hinzu, wie die eine Million für die oberschlesisch Wasserleitung und 9 Millionen für den Nothstand in Westpreußa und Posen. Diesen Mehrausgaben gegen den Etat standen Mebde⸗ einnahmen gegenüber. Ich habe darauf hingewiesen, daß die Forte ctwa 12 Millionen über den Etat ergeben würden, daß die dirche Steuern 6 Millionen und die Bergwerke ebenfalls 6 Millionen übe

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wir 1901 eine Mindereinnahme 67 Millionen Mark, denen eine Ersparniß an Ausgaben von 21 Millionen Mark gegenübersteht. Aber, wie das auch der heim⸗ gegangene Finanz⸗Minister von Miquel ausgesprochen hat, ist es für die Finanzverwaltung außerordentlich schwer, selbständige Ent⸗ schließungen zu treffen hinsichtlich der Einnahmen der einzelnen Verwaltungen; in der Beziehung sind die einzelnen Verwaltungen die kompetentesten Beurtheiler, und wir haben uns hier ihrem Urtheil anschließen müssen. Mieeine Perren, ich glaube, daß meine Zweifel, ob dieser Ansatz nicht zu optimistisch war, in der That gerechtfertigt sind, wie das auch der Herr Minister der öffentlichen Arbeiten anerkannte, und daß wir nicht damit rechnen können, in der That die Einnahmen aus der

Eisenbahnverwaltung zu erzielen, die wir für den Etatsvoranschlag 1902 angesetzt haben.

Aber ich muß dem Herrn Abg. Fritzen doch andererseits voll⸗ kommen Recht geben, daß es uns an den nöthigen Unterlagen fehlt, diesen Anschlag in dem Etat zu modifizieren. Denn kein Mensch kann heutzutage sagen, wie sich die wirthschaftlichen Verhältnisse im nächsten Jahre gestalten werden, ob sich nicht doch wieder ein gewisser wirthschaftlicher Aufschwung bemerkbar machen wird, und kein Mensch kann voraussagen, wie sich die Ausgaben gestalten werden. Wir würden also jetzt auch durch eine Modifizierung zu wirklich zutreffenden Angaben nicht gelangen, und wir werden also das Ergebniß des Jahres 1902 abwarten müssen. Mit Dank kann ich nur die Ausführung des Herrn Abg. Fritzen begrüßen, daß auch er die Situation für danach angethan erachtet, auf allen Gebieten große Vorsicht walten zu lassen.

Abg. von Arnim (kons.): Man sagt, daß im oberschlesischen Revier im Januar und Februar eine Minderverfrachtung von 19 % eegenüber dem Vorjahre eingetreten ist und daß im Ruhrrevier täglich 8000 Wagen weniger verfrachtet werden als im Vorjahr. So erklärt sich zum theil der Einnahmeausfall. Ich glaube kaum, daß das Jahr 1902 besser sein kann als das Jahr 1901, denn nach menschlichem Ermessen wird die wirthschaftliche Depression noch fortdauern. Dem Abg. Gothein fällt es sehr schwer, sich mit dem Staatsbahnsystem ab⸗ zufinden. Wir meinen, daß unsere Finanzen nie und nimmermehr balanciert werden könnten ohne die Einnahmen der Staatseisenbahnen. Ohne diese würden auch die wirthschaftlich am schlechtesten gestellten Ae nicht die Eisenbahnen haben, deren sie sich jetzt erfreuen. nsere Staatseisenbahnen verdienen also den Tadel nicht, den Herr Gothein ausgesprochen hat. „Ob die Einführung der 45 tägigen Rück⸗ fahrkarten nothwendig war, ist mir zweifelhaft. Niemand hat von dem Eisenbahn⸗Minister eine solche Maßregel erwartet. Doch will ich ern das weitere Ergebniß dieser Maßregel abwarten, nur scheint mir ortan ein Einnahmeausfall aus dem Personenverkehr möglicher als bisher. Die Regelung des Güterverkehrs kann ich nicht unbedingt loben. Nirgends ist der Frachtverkehr so gut geregelt wie in Nord⸗Amerika. Bei uns in Preußen wird die Tonne Güter doppelt so theuer gefahren wie in Nord⸗Amerika. Auch die Wagen werden dort besser ausgenutzt. Etwas Aehnliches könnte auch bei uns erreicht werden, wenn die Wagen entsprechend stärker gebaut würden. Man könnte so an den Kosten der Zugkraft u. s. w. sparen, und damit wäre auch eine Ermäßigung der Tarife möglich, ohne daß ein Einnahmeausfall zu besorgen wäre.

Der Eisenbahn⸗Minister würde sich den Dank des ganzen Landes erwerben

wenn er dem Beispiel anderer Länder folgen wollte und sich die Erfahrung dieser Länder zu Nutzen machte, namentlich durch Einführung der Schleppwagen. Abg. Dr. Sattler (nl.): Die Mittheilungen des Finanz⸗Ministers über das Ergebniß des Jahres 1901 sind infofern günstig, als das Defizit etwas geringer sein wird, als er es im Januar —2-—. bat. Wen Zümich zum Etat, so glaube ich, daß der Eisenbahn⸗ Minister selten eine so gute Nacht gehabt hat wie von gestern auf beute, denn selten hat wohl ein Minister ein so volles, rundes und nettes Vertrauensvotum erhalten wie er; hoffentlich trägt dies noch mehr dazu bei, seine Gesundheit zu stärken, als sein Erho ungsurlaub. Auch meine f hat ein großes Vertrauen und eine große Werthschäßung u der Art, wie der Eisenbahn. Minister seit Jahren sein Ressort fuͤhrt⸗ m dieses Vertrauen zu gewinnen, bedurfte es nicht des Rechenschafts⸗ berichts an Seine Majestät den König, es genügte dazu eine zehn⸗ meinschaftliche Arbeit des Ministers mit dem Hause. Be⸗ 0n 08 70 i wir, daß er uns offen die Dinge gesagt hat, wie sie lagen, daß er uns keinen blauen Dunst vorgemacht hat, bureaukratis ing, sondern sich auch der kaufmännischen Aufgabe eines so 2—— 2en er nicht bloß als Eisenbahner fühlte, dern als Verkehrs⸗ Wa

mes se es nicht einseitig war, der Rechten verbelfen wollte. Auchdie letzten Maßnahmen,. d. billigen wir, vor allem, daß er in Jahren wirthschaftt. mit Bauten vorgeht und Arbeiter nicht entläßt. A Maßnahme auf dem Gebiete des Personentarifs sind wir ng Sr auf ge war 1 eine

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schlechte Finanzjahre zu schaffen. Den Ausgleichsfonds wollten wir gegebenen —— auch für die Schuldentilgung verwenden, weil wir meinen, daß die Eisenbahnkapitalschuld schnell getilgt werden müsse. Wir haben damit den Miquel'schen Gedanken vertreten, daß auf schwankende Ein⸗ nahmen keine dauernden neuen Ausgaben basiert werden dürfen. Der Ausgleichsfonds sollte auch nicht dem Eisenbahn⸗Minister überlassen bleiben, sondern die Mitwirkung des Finanz⸗Ministers sollte voll⸗ kommen gewahrt bleiben. Deshalb habe ich den Widerstand des Herrn von Miquel gegen diese unsere Anträge nicht verstanden, da sie doch gerade in seinem Sinne N2. waren. Alle diese Dinge hätte der Finanz⸗Minister von Rheinbaben in seiner Rede vom 17. Januar bedenken sollen. Eine Einschränkung des Ein⸗ flusses des Finanz⸗Ministers würde bei den von uns vorgeschlagenen Maßnahmen nicht eintreten, zumal doch über die Verwendung der Ein⸗ nahmen im gesammten Staats⸗Ministerium entschieden wird. Aber die Art, wie wir in den letzten Jahren unseren Etat aufgestellt haben, namentlich die starke Dotierung des Extraordinariums, hat doch ihre Bedenken. Nach der Verfassung sollen nur die Ausgaben eines Jahres in den Etat eingestellt werden, wir haben aber in das Extraordinarium Summen eingestellt, von denen wir wußten, daß sie in einem Jahre garnicht verwendet werden könnten. Hunderte von Millionen, die werbendes Kapital darstellen, haben wir nicht aus Anleihen, sondern aus dem Extraordinarium bestritten. Immer in den Zeiten des wirthschaftlichen Aufschwungs und Abschwungs . wir die Staatsregierung anspornen, die Schwankungen in unseren Finanzen durch die Einwirkung der Eisenbahneinnahmen auf letztere zu be⸗ seitigen. Der Umstand, daß wir noch einen anderen schwankenden aktor in unserem Etat bei unserem Finanzverhältniß zum Reich aben, kann uns doch nicht davon abhalten, die erstere Schwankung zu

beseitigen. A☛᷑ Finanz⸗Minister Freiherr von Rheinbaben:

Meine Herren! Der Herr Dr. Sattler hat mir verschiedene Frr⸗ thümer in meiner Etat⸗Rede nachzuweisen versucht. Ich bedaure, nicht die Schlüssigkeit seiner Beweisführung anerkennen zu können. Zunächst hat er gesagt, ich hätte ein rhetorisches Kunststück dadurch vorgenommen, daß ich seiner Auffassung und der seiner Freunde eine weitere Bedeutung gegeben hätte, als ihr thatsächlich beiwohne, und daß ich infolge dessen die Kassenordre von 1828 zu Unrecht zitiert habe. Ich glaube, daß ich diese Kassenordre von 1828 vollkommen zu Recht zitiert habe; denn in dieser Kassenordre steht die Bestimmung, daß die Verwendung der gesammten Ueberschüsse des Staatshaushalts⸗ Etats dem Finanz⸗Minister zusteht. Und mit dieser Kassenordre von 1828 ist es nicht vereinbar, wenn nicht mehr der Finanz⸗Minister die Verwendung hat, sondern seine Bestimmung darüber eingeschränkt wird und alles, was über einen bestimmten Betrag hinausgeht, von vornherein für bestimmte Zwecke, für die Bildung von Reserve⸗ fonds, für Tarifermäßigungen und sonstige Zwecke festgelegt wird. Es würde die Einheitlichkeit der ganzen Finanzgebahrung, die Ein⸗ heitlichkeit der Dispositionen über die gesammten Mittel des Staats unterbrochen und durchbrochen werden, wenn hinsichtlich der Einnahm en aus der Staats⸗Eisenbahnverwaltung eine bestimmte Schranke für den Finanz⸗Minister gezogen und ihm nicht mehr die Befugniß über die Verwendung der gesammten Ueberschüsse eingeräumt würde.

Dann, muß ich gestehen, hat mich sehr frappiert die Ausführung des Herrn Dr. Sattler über den Ausgleichsfonds. Er und seine Freunde sind es doch gewesen, die den Miquel'schen Ausgleichsfonds abgelehnt haben (Abg. Dr. Sattler: An der Stelle!) jawohl an der Stelle! Herr von Miquel hat mit Recht den Ausgleichsfonds beantragt, um die Schwankungen in den einzelnen Etats zu ver⸗ meiden, um uns vor derartigen Situationen zu behüten, wie diejenige ist, der wir uns gegenüber sehen. Er hat beantragt, einen solchen Ausgleichsfonds zu schaffen, um aus den Mehrüberschüssen der reichen Jahre einen Fonds anzusammeln, der das Defizit armer Jahre decken kann, und diesen sozialwirthschaftlich ganz richtigen Ge⸗ danken hat Herr Dr. Sattler und seine Freunde verworfen, und jetzt stellt er die Sache so dar, als ob Herr von Miquel oder die Finanz⸗ verwaltung diesem Plan keine Förderung habe angedeibhen lassen. Was Herr Dr. Sattler will, ist ganz etwas Anderes; er will einen speziellen Reservefonds für die Eisenbahn⸗Verwaltung schaffen (sehr richtig!):

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letzten Jahres 1901 zurückbleibt. Allein für Anschaffung von Be triebsmitteln als für Wagen und Lokomotiven stehen im Ordinarium und im Extraordinarium die doch sehr bedeutenden Mittel von 92 Millionen zur Verfügung.

Nun hat der Herr Abg. Sattler auch noch Bezug genommen auf das Verhältniß Preußens zum Reiche oder aller Bundesstaaten zum Reiche. Er hat gesagt, man solle sich durch die Unsicherheit, die indiesen Verhältnissen liegt, nicht davon abhalten lassen, eine anderweite Regelung zwischen Finanz⸗Verwaltung und Eisenbahn⸗Verwaltung herbeizuführen. Ich bedaure, ihm in der Beziehung auch nicht folgen zu können. Er hat gesagt: er und seine Freunde würden für eine Regelung des Ver⸗ hältnisses zwischen Reich und Preußen eintreten. Ich kann ihm für eine solche Erklärung nur dankbar sein. Allein ich bezweiste, so wie die Verhältnisse im Reichstage liegen, ob wir in naher Zeit zu einer solchen Regelung gelangen werden. Und gerade weil die Verhältnisse so liegen, ist es meines Erachtens ich möchte sagen eine gebieterische Pflicht der Selbsterhaltung, unsere eigenen Finanzen in den Einzelstaaten so fest und gesichert zu halten wie irgend möglich. (Sehr richtig! rechts.) Wir sehen im Reichstage viel mehr die Neigung, Ausgaben zu bewilligen, als sich um Einnahmen zu bekümmern; denn die Einnahmen müssen die armen Bundesstaaten beschaffen.

So lange diese Situation ist, so lange wir mit der Möglichkeit rechnen müssen, in immer steigendem Maße vom Reiche mit Ausgaben in Anspruch genommen zu werden, so lange halte ich es für einen Frevel, wenn wir an der Sicherheit unserer Finanzen irgendwie rütteln lassen.

Ich habe schon hervorgehoben, daß wir im Jahre 1901, während wir nach dem Reichshaushalts⸗Etat annehmen durften, daß sich die Matrikularbeiträge und Ueberweisungen annähernd decken würden, thatsächlich 11 Millionen darüber hinaus an das Reich gezahlt haben. Ich habe hervorgehoben, daß für das nächste Jahr 1902 nicht nur 11 Millionen, sondern sogar 15 Millionen an die Ueberweisungen über⸗ steigenden Matrikularbeiträgen zu leisten sein werden, und was die nächsten Jahre an Anforderungen des Reiches bringen werden, das kann kein Mensch im Augenblick sagen. So lange diese Unsicherheit besteht, kann ich nur nochmals betonen, daß wir unsere Staatseinnahmen sicher erhalten müssen und daß wir deshalb auf keine Einnahmen aus der Staatseisenbahn⸗Verwaltung verzichten können. Es ist ja ganz sicher, daß auch seitens der Staatseisenbahn⸗Verwaltung die finanziellen Rücksichten gewahrt werden. Aber sie hat in erster Linie wirthschaftliche Rücksichten zu vertreten, und was ich vorhin schon hervorgehoben habe, jedes Ressort kann nur die Bedürfnisse seines eigenen Ressorts übersehen und weiß nicht und kann nicht wissen, welche anderen Bedürfnisse auf dem großen, weiten Gebiete der Staatsverwaltung hervortreten. Es ist also durchaus möglich und würde vom Standpunkt der Eisenbahn⸗ Verwaltung durchaus erlaubt sein, daß sie beispielsweise mit Tarif⸗ ermäßigungen vorgeht, die an sich zweckmäßig sein mögen. Sie kann aber nicht wissen, daß alle möglichen anderen Staatsausgaben auf anderen Gebieten bestehen. Der Effekt würde der sein, daß seitens der Eisenbahn⸗Verwaltung zwar nützliche, aber nicht noth⸗ wendige Maßregeln getroffen werden, daß die anderen Ressorts darben, weil ihnen die Mittel nicht zur Verfügung stehen. Oder sollen wir direkt Ermäßigungen bei der Eisenbahn⸗Verwaltung vornehmen Eund für die nothwendigsten Ausgaben, die wir beim Kultuns⸗ Ministerium, bei der landwirthschaftlichen Verwaltung zu decken

haben, eine Anleihe begeben? Das ist, glaube ich, eine Konsequenz, die man nicht ziehen kann.

Jahr von den Staatseisenbahn⸗Einnahmen zu allgemeinen Staats⸗ ausgaben berangezogen worden sind und daß das bei einer Gesammt⸗ einnahme der Staatseisenbahnen von gegenwärtig 1400 Milliomen. glaube ich, nicht übertrieben ist. Ich habe ferner darauf hingewiesem daß sich diese Heranzichung der Ueberschüsse der Staatbeisenbahn⸗Ber⸗

waltung in den letzten Jahren verhältnißmäßig viel geringer gestaltet hat als früher. Ich darf in aller Kürze nochmals daran erinnern, daß beispielsweise im Jahre 1887 88 die von der Staatscisenbahn⸗

zu allgemeinen

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