eines selbständigen polnischen Reichs unverhüllter als sei den Vordergrund schiebt.
(Sehr richtig!) Und das ist es, was diese Frage nach
meiner Ansicht zu einer der wichtigsten Fragen unserer inneren Politik, was sie zur wahren Schicksals⸗ und
Zukunftsfrage für die preußische Monarchie macht, daß sie
an die Fundamente greift, auf welchen die preußische Monarchie und mit der preußischen Monarchie das Deutsche Reich ruht. Herr von Koscielski hat eben gesprochen von der Harmlosigkeit der polnischen
Agitation. Nun, meine Herren, mir ist heute Morgen noch vorgelegt
worden ein Ausschnitt aus einer geachteten und verbreiteten polnischen
Rundschau, in der es heißt:
Es ist kein Polen denkbar ohne Oberschlesien, ohne Posen, ohne Westpreußen, auch sogar ohne Ostpreußen; für den preußischen Staat bedeutet der Verlust dieser Provinzen, deren Grenzen nur wenige Meilen von Berlin entfernt liegen, gleichsam Vernichtung, Umsturz seiner Macht, sogar Verlust seines Namens .. . Preußen verlöre den vierten Theil seiner Bevölkerung und würde zum Standpunkt und zur Benennung „Brandenburg“ zurücksinken. Wir können nicht zugeben, daß man uns aus der Wiege unseres Landes und unserer Nation herausdrängt und uns verhindert, an das Meer zu gelangen, eine für die Entwickelung einer großen, zeit⸗ gemäßen Nation unumgängliche Bedingung. Diesen Landstrichen, welche sich heute unter preußischer Herrschaft befinden, kann Polen um keinen Preis entsagen. Bülow meint, die preußische Regierung verstände keinen Spaß in der polnischen Angelegenheit, aber auch wir kennen keinen Spaß in der Frage um unser Sein, um unsere Zukunft.
Ihnen, meine Herren, brauche ich nicht zu sagen, daß diese sehr prägnanten Ausführungen in Einer Beziehung zweifellos das Richtige treffen. Der Verlust der Provinz Posen würde in der That die preußischen Landesgrenzen auf wenige Eisenbahnstunden an Berlin heranschieben, und ohne Westpreußen würde Ostpreußen ein unhalt⸗ barer Besitz werden. Wenn die letzten Ziele der großpolnischen Afgitation auch nicht immer so unverhüllt verrathen werden, so habe ich doch noch vor kurzem in einem in Deutschland, in
Preußen, in Westpreußen, in Graudenz erscheinenden polnischen Blatte
gelesen — man hat sogar die Liebenswürdigkeit gehabt, von polnischer
Seite mir dieses Blatt zuzuschicken —, daß aus Posen, Oberschlesien,
Westpreußen und Masuren ein eigenes polnisches Gebiet gebildet
werden soll unter einem polnischen Statthalter und mit einem eigenen
polnischen Landtage. Gleichzeitig wurde ich aufgefordert, zu den ver⸗ ehrten Kollegen, die ich schon habe, mir noch einen besonderen Minister⸗ kollegen für polnische Angelegenheiten zuzulegen. (Heiterkeit.) Wer das sein sollte, ist mir aber noch nicht gesagt worden. (Heiterkeit.) Meine Herren, wenn wir uns gegen solche Bestrebungen wehren, wenn wir unseren Besitz gegenüber einer solchen Agitation schützen, so erfüllen wir einfach unsere Pflicht. Es ist die Pflicht der König⸗ lichen Staatsregierung, gegenüber Bestrebungen, die in das feste
Gefüge des preußischen Staats einen feindlichen Keil hinein⸗
treiben wollen, alle Maßnahmen zu treffen, die nothwendig
sind, ne quid detrimenti capiat res publica. Und ein
Glied in der Kette dieser Maßnahmen ist auch der Gesetzentwurf, der
Ihnen heute unterbreitet worden ist. Was den Inhalt dieses Gesetz⸗
entwurfs aabetrifft, so kann ich mich im wesentlichen beziehen auf die
ihm beigegebene Begründung. Ich möchte hier nur zwei Gesichtspunkte noch besonders hervorheben. Ich möchte zunächst sagen, daß lein
Widerspruch besteht zwischen diesem unserem Gesetzentwurf und jenem
Gesetz vom 26. April 1886, mit welchem seiner Zeit Fürst Bismarck unsere
ganze Ostmarkenpolitik eingeleitet hat. Denn Artikel I unseres neuen
Gesetzentwurfs, welcher die Verstärkung des Ansiedlungsfonds um
150 Millionen enthält, bewegt sich durchaus im Gleise des Gesetzes
vom 26. April 1886. Artikel II, wonach neben der Auftheilung von
Gütern und ihrer Besiedlung mit deutschen Bauern auch noch der
Domänenbesitz verstärkt werden soll, entspricht, wie vor kurzem im
anderen Hause hervorgehoben worden ist durch einen früheren Mit⸗
arbeiter des Fürsten Bismarck, Herrn von Tiedemann, und wie der ver⸗
ewigte Fürst selbst in einer Ansprache an die Deutschen aus Posen im
Jahre 1894 hervorgehoben hat, den ursprünglichen Absichten des Fürsten
Bismarck. Er steht aber auch nicht im Gegensatze zu der Fassung,
welche das Gesetz vom 26. April 1886 schließlich erhalten hat. Wie
ich mir erlaubt habe, früher im Abgeordnetenhause zu sagen, können diese beiden Aktionen, die Ansiedlungsaktion und die Domänenaktion, sehr wohl nebeneinander gehen. Sie schließen sich nicht gegen⸗ seitig aus, sondern sie ergänzen einander. Die Hauptaufgabe bleibt bestehen; daneben wird noch eine andere Aufgabe gelöst.
Die Hauptsache bleibt natürlich, neue bäuerliche Ansiedlungen zu
schaffen. Das würde aber zu langsam gehen, denn wir haben den
Wunsch, rasch möglichst viel Land in deutschen Besitz zu bringen. Es
giebt auch eine größere Anzahl von Gütern, die sich weniger eignct
zur Parzellierung als zur Bewirthschaftung im Großbetriebe, und end⸗ lich, meine Herren, fehlt es vielfach in den östlichen Provinzen dem
Heere der deutschen Ansiedler an Offizieren, und ich glaube, als Ofh⸗
ziere für das Heer der Ansiedler würden sich die vor
trefflichen Domänenpächter vorzüglich eignen. Und deshalb möchte
ich Ihnen diesen Artikel II, welcher den Absichten von Bismarck und Flottwell entspricht, ganz besonders empfehlen.
Meine Herten, nun kommt, wie ich sehr wohl weiß, alles darauf
die wuchtige Waffe, die zur Vertheidigung des Deutsch⸗
Königlichen Staateregierung in die Hand gegeben werden
Ich kann auch hier nur wiederhelen,
besendenn angelegen sein lassen
die Thätigkeit der Anstedlungskemmission zu über⸗
binzurirken, daß die Ansiedlungskemmisston
vorgeht, daß sie vorgeht in
sie vorgeht — ich scheue mich nicht, ch
lange in
Präsident des Staats Ministeriums von Miquel, der doch recht viel von Finanzsachen verstand und auch ein sparsamer Mann war, wiederholt darauf hingewiesen hat, daß wir mit der Ansiedlung finanziell ein gutes Geschäft machen; man müsse nur nicht in kleinlicher Weise bloß auf die momentanen Zahlen sehen. Um unser Volksthum im Osten zu schützen — in der Beziehung möchte ich Herrn von Koscielski bitten, sich keinerlei Illusionen hinzugeben —, dazu werden wir immer reich genug sein. (Lebhaftes Bravo!) Ein französischer Minister hat einmal gesagt: La France est assez riche pour payer sa gloire. So zu reden, ist nicht deutsche Art. Aber um unseren deutschen Landsmann, unsere deutschen Bauern und Bürger im Osten zu schirmen, dafür werden wir immer die nöthigen Mittel haben. (Bravo!) Es handelt sich um ein großes nationales Unternehmen, um die Fortführung der Aufgaben, die unsere preußischen Könige in der zweiten Hälfte des 18. Jahr⸗ hunderts mit Ruhm gelöst haben. In der Fortführung dieser Auf⸗ gaben werden wir uns nicht durch kleinliche fiskalische Gesichtspunkte irre machen lassen.
Nun möchte ich gegenüber den Schlußworten des Herrn von Koscielski noch eins ganz besonders betonen. Wir denken nicht daran, unsere polnischen Mitbürger aus ihrer Heimath vertreiben, wir denken nicht daran, ihnen ihre Sprache oder ihre Religion rauben zu wollen. Wir hoffen vielmehr, daß in Anerkennung, in dankbarer Anerkennung der Wohlthaten, welche das Regiment preußischer nun schon seit anderthalb Jahrhunderten den östlichen Provinzen zu theil werden läßt, unsere polnischen Mit⸗ bürger mit der Zeit aus voller Ueberzeugung gute und loyale Preußen und Deutsche sein werden. Aber wir können nicht dulden, daß unsere Kaufleute, unsere Handwerker in den kleinen Städten des Ostens durch übermächtigen polnischen Mitbewerb überflügelt und mit Hilfe des Boykotts in ihrer wirthschaftlichen Existenz ver⸗ nichtet werden. Wir wollen nicht ruhig mitansehen, daß durch einen planmäßigen, allmählichen Zuzug polnischer Elemente in vorher ganz oder überwiegend deutschen Landgemeinden unser deutscher Bauer unter geschickter Ausnutzung seiner wirthschaftlich schwachen Lage verdrängt und unter allerlei Chikanen zum Abzuge gezwungen wird. Dieser fortschreitenden Polonisierung unserer östlichen Provinzen wollen wir entgegentreten durch eine ruhige, klare, feste und konsequente Abwehr. Ich sage: eine konsequente Abwehr. Herr von Koscielski hat eben die Minister verglichen mit Eintagsfliegen. Es erinnert mich das an ein Wort eines hervorragenden Abgeordneten im Reichstage, der in einer Etatsrede einmal die Minister verglich mit den Blumen, über welche der Wind hinweht, und ihre Spur sieht man nicht mehr. So schlimm ist es denn doch nicht. (Heiterkeit.) Ich glaube nicht, daß ich Herrn von Koscielski so bald die Freude machen werde, diesen Platz vor ihm zu räumen. Aber ich kann ihm versichern, daß, wer auch an meiner Stelle steht, gegenüber der groß⸗ polnischen Agitation die Waffen nicht strecken wird, bevor dieselbe nicht ihrerseits die Waffen niedergelegt hat, bevor nicht alle polnischen Unterthanen sich auf den Boden voller Loyalität gegenüber dem preußischen Staate stellen. Also, meine Herren, wir wollen dieser Polonisierung unserer östlichen Provinzen entgegentreten durch eine konsequente soziale, wirthschaftliche und kulturelle Hebung des Deutschthums. Diesem Zwecke soll auch das Gesetz dienen, welches wir die Ehre haben, Ihnen zu unterbreiten, und ich bin überzeugt, daß das hohe Haus diesem Gesetze seine Zustimmung ertheilen wird. (Leb⸗ haftes Bravo.)
Ober⸗Bürgermeister Witting⸗Posen: Wir begrüßen die Vor⸗ lage mit Freuden, und ich kann namens der überwiegenden Mehrheit meiner politischen Freunde erklären, daß wir sie für eine glückliche und segensreiche halten, die nur in Einzelheiten in der Kommission eine Kritik erfahren kann. Endlich einmal wird wieder positive Arbeit in unserer Ostmark gemacht; das ist gerade der allein richtige Weg. So dankbar wir der Regierung sind für die Vorlage, so bin ich do anderer Meinung als der Minister⸗Präsident in einem Punkte. In der volnischen Presse hat der Gesichtspunkt der Losreißung von Preußen eine große Rolle gespielt; aber ich bitte sehr, diese Presse nicht zu e nehmen; ihre Rodomontaden sind eben auch nur Worte, wenn mmerhin sehr gefährliche Thatigkeit auch aufmerksam beobachtet werden muß. se Polen sind kein mit Beulen bedecktes Volk, keine mit Wunden behafteke Nationalität, sondern sie tragen alle Merkmale einer aufstrebenden Seneehe an si die zu Putschen und Aufständen w geneigt und geeignet ist. Die große Gefahr liegt darin, daß der Hinweis auf den Radikalismus der Presse von den Hauptsachen ablenkt. Nicht Losreißung und Revolution haben wir zu fürchten; ein Stabsoffizier mit einem Bataillon hält ganz Posen in Schach: zu 1— aber ist die allmähliche Polonisierung, welche mit der Ge⸗ nach
Könige
walt Na⸗ etzes wirkt. In den ten Posens wird ein Haus dem an von den Polen erw ein deutscher Hand⸗ werker nach dem andern wird durch einen een crsetzi. Dieses energische nationale Zusammenhalten der Polen müssen wir ihnen nachma kommt das Geld der Polen für diese Leistung E. das ist die Ob nicht auch autwärtige Gelder
Frage. Rolle spiel ich nicht zu beantwort Das riesen⸗ -J-Iö,e Vorgehen der Polen ii
nach der allgemeinen Meinung nscht des auf einbeimische Gelder ückzufähren. Also auf die allmähliche Slavi des Ostens ist das
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as platte Land des Ost ge werden, und dann muß man die dort vorhandenen Deutschen im Lande zu halten suchen. Die Gefahr der Abwanderung der Deutschen ist viel größer als die Gefahr der polnischen Zuwanderung. Auf dem Boden des Kaninchengleichnisses stehe ich nicht ganz, nach der Richtung thun die Deutschen im Großen und Ganzen auch ihre Schuldigkeit; aber täglich und stündlich ver⸗ lassen Deutsche das Land, dessen Lebensbedingungen so schwierig sind. Hier muß die Regierung einsetzen. Die Bauernansetzung muß natür⸗ lich der Mittelpunkt ihrer Politik bleiben, aber der andere Gesichts⸗ punkt, der des Festhaltens, muß jetzt, nach den 16 Jahren, noch mehr in den Vordergrund treten; die Städte dürfen nicht ver⸗ gessen werden. Auch das Elsaß ist an sich kerndeutsch; es macht einen französischen Eindruck, weil die drei Hauptstädte französisch waren. Deswegen ist es unendlich wichtig, auch das Deutschthum der Städte zu stärken. Keiner wird so wie der deutsche Bauer in seiner zähen Bedürfnißlosigkeit Wurzel fassen in diesem Boden. Durch die Ver⸗ wendung von 200 Millionen ist sehr viel Gutes geschaffen, 5000 An⸗ siedler sind angesetzt worden. Es könnte ja das Tempo schneller sein, aber die Kommission kann nicht so arbeiten wie die Privatbanken. Kann es denn eine bessere Kapitalsanlage geben als den Landankauf durch den preußischen Staat? Die Fehler der Ansiedelungs⸗Kommission zu erörtern, wird ja in der Kommission Gelegenheit sein; die Fehler liegen höchstens auf dem Gebiete des Ankaufs, sonst waren ihre Leistungen vorzügliche. Die Vermehrung des Domänenbesitzes halte ich für sehr erwünscht aus dem Grunde, weil bei einem deutschen Domänenverwalter die ganze Verwaltung deutsch ist und diese deutschen Domänenpächter sich thatsächlich bei dem großen Absentismus unserer Magnaten und Fürsten als ein das Deutschthum förderndes Element erweisen werden. Der Deutsche geht fort, wenn ihm die Lebensbedingungen nicht genügen, der Pole bleibt da, denn er betrachtet das Land, wenn es noch so verlottert und verlumpt ist, als seine Heimath. Auch der Armee fällt in diesem Sinne eine große Aufgabe zu; Gar⸗ nisonen und Staatsbetriebe müssen nach Posen verlegt werden. Bisher hat man die Garnison von Posen vermindert, um nach Wreschen und Schrimm Bataillone zu legen; das sollte man nicht fortsetzen, sondern die Kadres vermehren, wenn sie nicht ausreichen. Gewiß ist auch bei uns in der Gesellschaft ein Kastengeist vorhanden, aber im allgemeinen hat sich das preußische Beamtenthum in Posen und in der Stadt Posen sehr bewährt. Etwas mehr am öffentlichen Leben könnte es sich allerdings betheiligen. Die Beamten haben aber auch einen sehr schweren Stand und kommen mit Begeisterung allein nicht aus; Begeisterung ist keine Heringswaare. Auch die Wohnungs⸗ frage im Osten ist eine besonders schwierige. Die Volksschule leidet unter höchst schwierigen Verhältnissen, es fehlt an Lehrern, Schul⸗ gebäuden u. s. w. Die Gemeinden sind zu arm, der Staat muß ein⸗ greifen. Der preußische Osten ist ein Theil des preußischen Staats, und krankt er, dann ist auch der preußische Staat krank und muß zu Grunde gehen. Es ist eine der vornehmsten Aufgaben des Staats, dieses Wurzelland vor dem Verfall und dem Ruin zu bewahren. Herzog zu Trachenberg: Vor Jahren schon habe ich der plan⸗ mäßigen Kolonisation des gesammten Ostens das Wort geredet; auch die Mehrheit des Abgeordnetenhauses ist, wie die Berathung des An⸗ trages Bockelberg ergab, von dieser Nothwendigkeit überzeugt, leider der gegenwärtige Landwirthschafts⸗Minister. Ich erinnere an die Siedelung des Großen Kurfürsten, Friedrich Wilhelm's I. und des Großen Friedrich. Zur Zeit vollzieht sich eine neue Völkerwanderung, die slavische Welt fluthet wieder nach Westen zurück. Wir brauchen im Östen ausländische Saisonarbeiter, sie sind nicht erfreuliche, aber nothwendige Elemente. Wir sollten daher Bedacht nehmen, die Schäden zu reparieren, die daraus entstehen können. Für meine Heimathsprovinz Schlesien ist die innere Kolonisation ein dringendes Bedürfniß, wie sich au den Zahlen der Berufsstatistik und der sonstigen amtlichen tatistischen Materialien unwiderleglich ergiebt. In 13 Jahren, von 1882 bis 1895, hat sich eine starke Abnahme der landwirthschaftlichen Betriebe in den drei Regierungsbezirken gezeigt. Ob sich seitdem die Verhältnisse geändert haben, ist ungewiß. Das Kolonistenmaterial zu finden, wird nicht schwer sein. Wir haben ja auch in Schlesien eine großpolnische, radikale Agitation, wel der Sozial⸗ demokratie in die Hände arbeitet; aber sie wurzelt weniger in der arbeitenden Bevölkerung als in einem aufgehenden Mittelstanden der von Posen seine Weisungen empfängt. Wir haben keine polnischen Großgrundbesitzer und keinen großpolnischen Klerus. In Ober⸗ schlesien ist freilich systematisch polonisiert worden; dennoch enthalte ich mich des Antrages, die Provinz Schlesien in die Vorlage einzu⸗ begreifen. Ich bitte aber den landwirthschaftlichen Minister, auch die ;—. der Domänenkäufe in Schlesien energisch zu betreiben. Die domänen müßten aber in Rentengüter getheilt werden, es wäre ein erster Versuch, den man wagen muß. Ich empfehle die Verweisung der Vorlage an eine Kommission von 15 Mitgliedern. Graf von Hoensbroech;: Ich würde die Maßnahme zur Stärkung des Deutschthums auch dann für erforderlich halten, wenn sich die Machterweiterung des Polenthums in der friedlichsten Weise vollzogen hätte. Unsere Zeit ist eine solche der wirthschaftlichen Kämpfe, und wir können die Scharfe bedauern, mit der diese Kämpfe hrt werden, aber geführt müssen sie werden, den Deutschen muß politisch und wirtbschaftlich Fefelhes werden, und es hleibt nichts anderes üͤbrig, als die Zahl der Deutschen zu vermehren und ihre 2 materiell und kulkurell möglichst zu heben. Mit der Politik der Ver⸗ öhnung wird nichts scht; damit lockt man keinen Hund vom fen. Die Paraltele zwischen der Behandlung der West⸗ und der Ost⸗ grenze des Deutschen Reichs ist ganz verfehlt. Wir stehen im Osten einer Nation gegenüber, welche deuisch zu machen niemals gelingen wird. Die Berufung der Polen auf die Gleichbeit Aller vor dem ist nicht 1 Warum soll es eine tigkeit sein, daß Polen von der 8ä lossen 2 Es liegt andererscits die Gefahr vor, daß die ulanten den Ansiedel fonds als willkommene Beute betrachten; chd mwürde zu -ö32— ob diese Spekulanten nicht i sein möchten. Eine Haupt⸗
uschli aufgabe der Ansiedelungs⸗Kemmission wird es sein, die 500000 katholischen
Deutschen nach Möglichkeit een und zu unterstützen, insbesondere enüber der polnischen chkeit. Das General⸗Wikariat zu lplin hat cinen Aufruf zu einer Kollekte für den Vau einer katholischen iche direkt bekampft, weil es um eine deutsche katholische Kirche Ir 8 so — wir zu ie r der Protestantisterung
Zur Zeit wird leider die Polen
trumtpresse ganz verkehrt dargestellt.
von der „Köln. Vol * Da heißt cs nech immer,
6 den Regicrung Feenen celr G8 See L. Pelen Freragene setiglich die —2 — & 8 Hüne⸗
wie man Bäbetsege macht. D
vecxTaesee errSasee
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itegtg“ ist ein f b b einflußreiche 1 11“ mten
A sie in Erfullung gehen. 8 asedan 8
Non Hoensbroech darauf hingewiesen hat, daß mehr evangelische als
ftholische Ansiedler in Westpreußen und Posen angesiedelt würden, c glaube ich zunächst nicht, daß viele katholische Kolonisten abgewiesen sin können. Wenn dies aber doch der Fall gewesen sein sollte, d kann das nur damit zusammenhängen, daß leider noch immer nicht 1 ausreichendem Maße für die religiösen Bedürfnisse, für die Seel⸗ orge der deutschen Katholiken im Osten gesorgt worden ist. Daß
vir aber katholische Deutsche im Osten ansiedeln sollten, thne daß irgend welche Gewähr geboten wäre gegen deren polonisierung, die doch durch polnisch⸗katholische Geistliche in scherer Aussicht steht, das ist nicht möglich, das kann von uns iichht verlangt werden. Sobald aber für deutsch⸗nationale, deutsch⸗ tenkende und deutsch⸗empfindende katholische Seelsorger gesorgt fin wird, wird die Ansiedelungs⸗Kommission ganz gewiß ebenso gern katholische Deutsche ansiedeln als evangelische Deutsche. Wir haben selbst das allergrößte Interesse daran, gerade unsere aatholischen deutschen Ansiedler in den gemischtsprachigen Provinzen zn schützen, und ich möchte bei dieser Gelegenheit ausdrücklich hervor⸗ heben, was ich schon in dem anderen Hause hervorgehoben habe, daß e eine Verdrehung der Thatsachen ist, wenn die Lage so dargestellt wird, als ob die katholische Kirche im Osten nur mit dem Polonis⸗ mus gedeihen könnte. Davon — und das sage ich nicht nur für dieses hohe Haus ist gar keine Rede. Die katholische Kirche fihrt im Osten mit dem Deutschthum ebenso gut wie mit dem Polonismus, sie fährt besser mit ihm, und durch eine ausreichende seelsorgerische Fürsorge für die deutschen Katholiken wird dem Gebote der Gerechtigkeit gedient und der Besitzstand der katholischen Kirche gewahrt.
Meine Herren, ich möchte aber nicht schließen, ohne dem Herrn Grafen von Hoensbroech zu danken für die von wahrer Vaterlands⸗ liebe und wahrer Religiosität getragene Art und Weise, wie er zu unserer Ostmarken⸗Frage Stellung genommen hat. Ich erblicke darin einen neuen Beweis dafür, daß ein deutscher Katholik sich durch seine Sympathien für seine polnischen Religionsgenossen nicht davon ab⸗ bringen lassen darf, die von polnischer Seite dem Deutschthum drohenden Gefahren zu erkennen und zu würdigen, und dies um so weniger, als der Pole in den gemischtsprachigen Provinzen gegenüber den deutschen Katholiken gerade so sehr den nationalen Gegensatz hervorkehrt wie gegenüber jedem anderen Deutschen, gelegentlich sogar noch mehr. (Bravo!) 8
Herzog Ernst Günther zu Schleswig⸗Holstein: Ich möchte bei der vorgerückten Stunde nicht mehr in die Materie tiefer eingehen, sondern nur bestätigen, daß jeder von uns auf dieser Seite der Mei⸗ nung ist, daß, solange das nationale Werk in den gemischtsprachigen Landestheilen nicht vollendet ist, daran weiter gearbeitet werden und daß somit auch die Vorlage angenommen werden muß. Herr Witting hat auf den Kastengeist hingewiesen. Ich glaube, daß dieser Kasten⸗ geist auf deutscher Seite ein wesentliches Moment des Hindernisses der deutschen Kolonisation der Provinz Posen gewesen ist. Im Eng⸗ lichen umfaßt das Wort gentleman alle Stände. Unsere Polen⸗ politik sollte auch darin gipfeln, daß möglichst Viele aus allen Ständen sich als Gentlemen fühlen und dies nach jeder Richtung zum Austrag und zur Geltung bkingen, auch im Verkehr mit den Pelen. Wir erwarten von der Regierung, dr sie fortiter in re und suaviter in modo verfahre, das ist die beste Polen⸗ politik. Ich bezweifle nicht, daß die Beamten in der Provinz Posen eine sehr schwere Aufgabe haben. Die Abwanderung ist pielleicht auch zum theil eine Folge der ungünstigen Eisenbahnverbindungen der Provinz Posen, die ja jetzt freilich verbessert werden sollen. Bei dem schweren Dienst der Beamten müssen diese durch Zulagen oder duf sonstige Weise weiter angespornt und ermuthigt werden. Die Offiziere, die den Abschied nehmen, bleiben nur zum geringsten Theil in Posen, es fehlt ihnen dort an Anschluß und Verkehr. Auch in dieser Beziehung muß reformiert werden, diese ethische Kolonisation muß mit der anderen Hand in Hand gehen. Mit der Zeit, hoffe ich wird es uns gelingen, die Herren Polen davon zu überzeugen, daß wir doch bessere Menschen sind als sie glauben, und daß wir es er⸗ leben möchten, daß die Provinz Posen mit uns Hand in Hand geht. Benigstens will ich den Glauben daran nicht verlieren. 1
Ober⸗Bürgermeister Delbrück⸗Danzig: Bisher hat nur ein ledner gegen die Vorlage gesprochen, und das Gesetz wird sicher un⸗ perändert ommen werden. Herr von Koccielski hat seine Aus⸗ fübrungen mit einem Gerank geistreicher Causerien umhüllt; er be⸗ stritt, daß die Polen Anlaß zu dieser Politik ge und bestritt die rleseng naß ght dersel Auf das letztere gebe ich nicht weiter in. Man hat sich ja mit der formellen Verfassungsmäßigkeit soe al een und sieht nur den Geist der Verfassung verletzt. Wir wellen ein Phantom bekär sagen uns die Polen, die polnischen Preßäußerungen gingen von hirnverbrannten Köpfen aus. Aber durch die ganze polnische Literatur hindurch his auf Sienkiewichz ist ch immer das alte Licd: Polen bis an das Meer! Und das wirkt scht kloß retrospektiv, sondern auch in die Zukunft. Wir —7. gegen den des Zusammenschlusses der einzelnen polnischen Bestandtheile der Bevölker und Zusammen⸗ blusses des Slaventhumz nach außerhalb unserer (Etenze; und dicer Kampf wird gekämpft mit den der Kultur, es ist ein irtbschaftlicher Kampf. Die erschreckende Zunahme des Polentbums in den Ostvprovinzen ist zurückzuführen die zunehmende wirtb⸗ Eafiliche Macht der Polen; sie sind als die Deutschen. Die Wiertelmilliarde werden wir xn. Wem der Beden ge⸗ ert, der ist Herr des Landes. Wir müfsen also so viel deuts Bauern ansetzen, als wir irgend können. Der Ankauf von Domänen sür Zwecke der Forstt rwaltung ist nichts als eine unabwendbare nolh⸗ der früheren politischen Zwecke der 76 Banze K 1 — aufzuléssen, falsch sein; e müssen auch dicje det
ne, sind in der 2 berücksichtigt. „daß diese dem
22— . ist sehr groß und 85 aͤmpfung dieser Gefabt sehr ele. 1“ weiche der Fe Nrachte. ber anch darch
die greoßen Konsam pereine, die Een Kebereine e
vem platten Lande; dies wiedet g. Pen⸗ Graf Droste 282 ng:
sondern katholische Landestheile zu protestantisieren. Die Regierung hat dies nicht zu verhüten gesucht. Hoffentlich wird das künftig anders sein. Dem Artikel 11 kann ich meine Zustimmung nicht geben, er eht auf eine Verstaatlichung des landwirthschaftlichen Betriebes inaus. Ich möchte die Regierung bitten, eine Unterdrückungspolitik nicht zu treiben. Vestigia terrent! “
r Fürst von Bismerck: Die gehörten Reden sind so inhalts⸗ reich, daß sie einen reichen Stoff zur Beantwortung geben. Ich will mich aber nur dem Standpunkte meines Freundes Grafen Mirbach anschließen, dessen beredter Mund in der Spezialdiskussion das Nöthige sagen wird. Nur einige aphoristische Bemerkungen. Ich kann mich auf die Polendebatte im Reichstage beziehen. Ich möchte Herrn von Koscielsti die Fabel vom Lamm und Wolf entgegen⸗ setzen. Der polnische Wolf boykottiert das deutsche Lamm. Herr von Koscielskti wurde sentimental, als er von polnischen Be⸗ schwerden sprach. Wer auf die großartige Thätigkeit des Deutschen Ordens zurückblickt und auf die Zeiten, die dem Blühen dieses Ordens folgten, der muß sich sagen, daß Narben mehr dem Osten von Polen beigebracht sind als umgekehrt. Ich hätte lieber gesehen, wenn Herr von Koscielski gesagt hätte: wir bleiben polnisch sprechende Preußen, und nicht: wir bleiben Polen. Sein Programm hat er 1894 schon aufgestellt, als er auf Galizten Bezug nahm, und von einer Klugheit sprach, die dem Eingeweihten Schweigen auferlege. Er ist ein gelehriger Schüler des schlauen französischen Staatsmannes Gambetta. Hand aufs Herz: Sollte nicht das letzte Traumbild des Herrn von Koscielski die Wiederaufrichtung des Zustandes von 17 72 sein? Das vom Minister⸗Präsidenten erwähnte Blatt, dessen Namen ich nicht aussprechen kann, schließt mit dem Satze: „So wird das ganze polnische Volk die Fäuste ballen und warten, bis der Sieg erfochten ist.“ Ich möchte meinen vollen Beifall aussprechen für das Wort, welches vom Regierungstisch gefallen ist: daß wir noch immer, reich genug sind, um unseren Ruhm zu bezahlen. Bedauerlich ist, daß der Deutsche ungern in Posen wohnt. Man⸗ muß ihm also die Anwesenheit dort möglichst angenehm machen. Wirthschaftlich muß er sich in einer besseren Situation befinden als im Westen, sonst wird man ihn nicht hinziehen können. Hoffentlich gekingt dies in den nächsten Jahren. Derselbe Gedanke ist auch von der Regierung ausgesprochen worden hinsichtlich der Beamten und Lehrer. Wenn man die Ansiedlung für einige Jahre festlegt, so ist das gut, aber es genügt nicht. Die Gefahr ist, daß die deutschen Ansiedler Polinnen heirathen, was bei den verführerischen Eigen⸗ schaften der Polinnen sehr begreiflich ist. Es besteht dann die Gefahr, daß die deutschen Kinder Polen werden. Den Plan der Domänenverpachtungen begrüße ich in der Hauptsache; das wird eine gute Geldanlage sein. In dieser Sache ist Kon⸗ tinuität nothwendig. Den Mangel dieser Kontinuität haben die Engländer gegenüber den Irländern zu beklagen gehabt. Herzog Ernst Günther hat empfohlen, die Polen als Gentlemen zu behandeln. Ich erinnere an das französische Sprichwort: à gentilhomme gentilhomme, à corsaire corsaire et demi. Sapienti sat; Möge dies nicht der erste Wechsel, sein, sondern möchten noch weite Wechsel gezogen werden. Möge die Regierung an dem Satze festhalten: Halte, was du hast, damit niemand deine Krone nimmt!
Damit schließt die Diskussion. Die Vorlage wird an eine Kommission von 15 Mitgliedern verwiesen, welche sofort ge⸗ wählt werden.
Darauf vertagt sich das Haus.
Schluß 5 ¼ Uhr. Nächste Sitzung Freitag 1 Uhr.
(Kleinere Vorlagen, Petitionen)
Haus der Abgeordneten. 88. Sitzung vom 12. Juni 1902, 11 Uhr.
Ueber den ersten Theil der Verhandlungen ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.
Es folgt die zweite Berathung des Gesetzentwurfs zur Ausführung des § 7 des Reichggesetzes, betreffend die Unfallfürsorge für Gefangene. 1
§ 11 der Beschlüsse der Kommission überträgt die Ver⸗ pflichtung des Staats zur Unfallentschädigung, soweit der verletzte Gefangene in einer von einer Provinz oder einem Bezirksverband oder einem Kreise oder von einem Landarmen⸗ verbande unterhaltenen Anstalt untergebracht oder der Unfall bei Zwangsarbeiten in den Betrieben einer dieser Verbände erfolgt ist, auf diejenigen Verbände, denen die Unterhaltung der Anstalt obliegt, in welcher die verletzte Person unter⸗ gebracht ist.
§ 11 der Regierungsvorlage überträgt diese Verpflichtung auch auf die Gemeinden, wenn die Gefangenen mit Gemeinde⸗ arbeiten beschäftigt sind.
Den § 2 der Regierungsvorlage, der, wenn die Ent⸗ schadigungsveryflichtunf auf einen Ortsarmenverband über⸗ geht, dem Kreise, welchem der Ortsarmenverband angehört, die Hälfte der aufzuwendenden Beiträge als Beihilfe auferlegt, hat die Kommission gestrichen.
Abg. von Savigny (Zentr.) beantragt die Wieder⸗ herstellung des § 1 der Regierungsvorlage.
Finanz⸗Minister Freiherr von Rheinbaben:
Meine Herren! Wie dem hohen Hause wohl bekannt ist, ist in dem betreffenden Reichsgesetz die Frage, wer die Kosten zu tragen hat, nicht im einzelnen bestimmt, sondern ecs war nur, weil man die Ver⸗ schiedengestaltigkeit der Verhältnisse in den einzelnen Bundcsstaaten nicht übersehen konnte, die Sache zunächst den einzelnen Bundes⸗ und der Grundgedanke war der, nachher die Vertheilung auf diezenigen Verbände vorzunchmen, die thatsächlich die be⸗ treffenden Leute in ihren Kerrektions⸗ oder ähnlichen Anstalten detinieren. Dem entsprechend war bei der ersten Lesung beschlessen werden, daß selbftverständlich die in staatlichen Anstalten Unter⸗ gebrachten die staatliche Fürserge genießen sellen, daß die Provinzen für diezenigen zu sorgen haben, die sie in ihren Anstalten unterbringen, ebenso die Kreise und Gemeinden.
Nun ist bei der Zurückverweifung des Entmwurfs an die Kommifsien mwat aufrecht erhalten werden, daß der Staat für seine Detinterten zu
Previnz und der Kreis, dagegen ist gestrichen für diczenigen Leute die Fürsorge zu
für diejenigen zu haften hat, die in den Gemeinden unter⸗ gebracht die der Gemeinden nicht den Gemeinden zufallen, sondern dem Staat, so
sind, widerspricht Verantwortung für die
Würde seitens
Grundgedanken. Vernachlässigung
diesem etwaige
würde z. B., wenn eine Gemeinde ein Armenhaus schlecht unterhält, die Treppe nicht unterhält und ein dort Untergebrachter sich den Fuß bricht, nicht die Gemeinde die Sorge für den Unfall zu übernehmen haben, sondern der Staat. Das ist eine Konsequenz, der man sich nicht anschließen kann; denn eine solche würde geradezu das Verant⸗ wortlichkeitsgefühl bei solchen Verbänden schwächen, ja kann unter Umständen geradezu einen Anreiz dazu bieten, daß sie ihre Häuser möglichst schlecht unterhalten, weil dann die Verantwortung von ihnen auf den Staat übertragen wird. Die richtige Konstruktion wird, glaube ich, sich in dem Antrag von Savigny ausdrücken, der die grundsätzliche Verpflichtung der Gemeinden 1 wiederherstellt, und dann, wenn ich mich nicht irre, gewisse Lasten, die unter Umständen über die Kräfte der Gemeinden hinausgehen könnten, auf den Landarmenverband überweist. Der Landarmenverband ist nach unserer ganzen gesetzlichen Konstruktion derjenige Verband, der helfend hinzuzutreten hat, wenn in einzelnen Fällen die Leistung über die Kräfte 8 des Ortsarmenverbandes hinausgeht.
Obwohl also, wie gesagt, meine Herren, die Sache von keiner sehr erheblichen finanziellen Bedeutung ist, weder für den Staat noch für die Gemeinden, muß ich doch grundsätzlichen Einspruch erheben gegen eine solche Konstruktion, die die Verawortung von den Gemeinden auf den Staat abwälzt und den Staat haftbar macht für Vernach lässigungen, die er garnicht begangen hat. Ich glaube nicht, daß die Staatsregierung in der Lage sein würde, dem Beschluß der letzten Kommission ihre Zustimmung zu ertheilen. Ich bitte daher, daß das Haus sich der Anregung des Herrn Abg. von Savigny anschließen möge.
à1
Abg. von Savigny tritt für seinen Antrag ein
Abg. Gamp I(fr. kons.) erklärt, dem Finanz⸗Minister nicht folgen zu können, weil viele Gemeinden leistungsunfähig seien. Es wäre ein großes Unrecht, wenn der Staat die ihm nach Reichsgesetz obliegende Verpflichtung auf die kleinen Gemeinden abwälzen wollte. Im Reichs⸗ tage würde es unliebsame Debatten darüber geben, daß der größte Staat, Preußen, sich seinen Verpflichtungen entzöge. Wenn die Ge⸗ meinden durch ihr Verhalten einen Unfall verschuldet haben, könnten sie ja nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch vom Staate regreßpflichtig emacht werden. Es sei nicht angebracht, in letzter Stunde dieses Weset noch zu erledigen, die Regierung möge später mit einer neuen Vorlage kommen.
Finanz⸗Minister Freiherr von Rheinbaben:
Meine Herren! Der Herr Abg. Gamp weicht zunächst darin von mir ab, daß er behauptet, das Reichsgesetz habe von vornherein
den Gedanken gehabt, diese Lasten auf den Schultern der Bundes⸗ staaten zu belassen. (Abg. Gamp: Das habe ich nicht gesagt, nur: die leistungsfähigen Verbände!) Ich erlaube mir, darauf hinzuweisen, daß schon in den Motiven des Reichsgesetzes ausdrücklich ausgesprochen ist, daß die Absicht sei, die Last auf diejenigen Verbände zu über⸗ tragen, welche die betreffenden Korrigenden und dergleichen in ihren Räumen, in ihren Anstalten unterbringen. Also das Reichsgesetz hat, wie es oft thut, gesagt: das ist Sache der Landesregierungen, hat aber von vornherein die Absicht gehabt, daß die Landesregierungen die Sache in der Weise regeln, wie in der Regierungsvorlage ent⸗ halten war.
Nun hat Herr Abg. Gamp sehr beweglich geklagt, man würde durch die Gesetzesvorlage dahin kommen, leistungsschwache Gemeinden zu überbürden. Davon ist gar keine Rede nach dem Antrage Savigny. Denn der Antrag Savigny sagt ja ausdrücklich, daß die Gemeinden nur dasjenige Maß zu tragen haben, welches sie bisher getragen haben. Also, haben sie einen Armenempfänger gehabt, so hat die Ge⸗ meinde nicht mehr für den Mann zu zahlen, wenn er verunglückt, als er bisher schon an Armenunterstützung erhielt: alles, was darüber hinausgeht, soll nach dem Antrag von Savigny von dem Landarmen⸗ verbande getragen werden — eine, wie ich mir schon auszuführen er⸗ laubt habe, richtige Konstruktion, weil die Hauptaufgabe des Land⸗ armenverbandes ist, helfend hinzuzutreten, wenn der Ortsarmenverband außer stande ist, die Laft zu tragen.
Herr Abg. Gamp hat dann gesagt, der Gesichtspunkt, daß das Verantwortlichkeitsgefühl der Gemeinde abgeschwächt sei, sei unzu⸗ treffend. Ich halte diesen Gesichtspunkt für vollkemmen richtig; denn wenn die betreffende Gemeinde nicht weiß, daß sie den Schaden zu tragen hat, wenn sie ein Armenhaus schlecht unterhält, wenn sie schlecht sorgt für die Leute, die sie unterbringt, so wird sie naturgemäß ihre Pflicht nicht in dem Maße ecrfüllen, wie sie es thun wird, wenn sie weiß, daß sie den Schaden zu tragen hat. falls sie ihrer Pflicht einer angemessenen Unterhaltung nicht genügt.
Der Abg. Gamp sagt, der Staat konnte sich ja an die Gemeinde halten im Wege der Klage auf Grund der Bestimmungen des B.⸗G.⸗B. (Abg. Gamp: Sehr richtig!) Nein, ich glaube nicht daß das sehr richtig int; denn wenn hier durch eine lex specialis bestimmt wird, daß der Staat die Last für die Gemeinde zu tragen hat, so glaube ich, würde diese lex specialis dem Staat die Mög⸗ lichkeit nehmen, auf Grund der allgemeinen Bestimmungen des B.⸗G.⸗B. sich an die Gemeinde zu regressieren. Aber überhaupt halte ich cs für eine eigenthümliche Konstruktien, daß dem Staat die Verantwortung aufgebürdet wird und er nachher im Wege der Zivil⸗ klage sich an die Gemeinden zu halten hat. Aber, mie gesagt, ich würde auch durchans dem nicht das Wort reden, die Gemeinden zu überlasten. Aber nach dem Antrag von Saviguv ist ven einer solchen Ucherlastung garnicht die Rede, da die Gemeinden lediglich ferner das bezahlen sollen, was sie bisher entrichtet haben. Und ein solches der Gemeinden halte ich füͤr unerläßlich: denn
die Detinierten angemessen unter⸗