1903 / 35 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 10 Feb 1903 18:00:01 GMT) scan diff

wie die verbündeten Regierungen zu diesen Initiativanträgen stehen, und weil ich namentlich nicht weiß, wie sie sich in Zukunft zu den⸗ jenigen Initiativanträgen stellen werden, denen gegenüber sie bisher eine ablehnende Stellung eingenommen haben. Aber auf einen Punkt möchte ich doch eingehen: den Antrag, jugendlichen Arbeitern zu ver⸗ bieten, daß sie Arbeit mit nach Hause nehmen. Meine Herren, wir haben hier schon einen ähnlichen Versuch gemacht mit einem Gesetz, das wir selbst vorgelegt haben. Aber auch damals war im hohen Hause die Stimmung außerordentlich geteilt darüber, ob die Vorschriften, die wir vorgeschlagen hatten, überhaupt ausführbar seien. Mir will es scheinen, daß auch dieser Vorschlag, der jetzt in Form eines Initiativ⸗ antrages gemacht ist, so gut gemeint er auch sein mag, doch kaum ausführbar sein wird. Wie wollen Sie verhindern, wenn Sie einem Arbeitgeber verbieten, jugendlichen Personen Arbeit mit nach Hause zu geben, daß die erwachsenen Personen diese Arbeit mit nach Hause nehmen (Zustimmung rechts) und dann durch die jugendlichen Per⸗ sonen diese Arbeit ausführen lassen? Meine Herren, ich will mich gern belehren lassen; ich sehe aber zunächst in diesem Antrage kein Mittel, um den an sich gewiß lobenswerten Zweck zu erreichen. (Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, es ist gestern seitens eines der Herren Redner auch die Frage der Erhebungen über das Handwerkergesetz vom 26. Juli 1897 berührt worden. Zur Vorbereitung dieser Erhebungen sind unter Mitwirkung des Statistischen Amts und unter Zuziehung von Sachverständigen aus Handwerkerkreisen 7 Fragebogen ausgearbeitet, die den freien Innungen, den Zwangsinnungen, den Innungsaus⸗ schüssen, den Innungsverbänden, den höheren Verwaltungsbehörden und den Landeszentralbehörden zur Beantwortung zugegangen sind. Als Stichtag für eine Reihe zahlenmäßiger Angaben ist in diesen Fragebogen der 25. Oktober d. J. gewählt; die Fragebogen im ganzen sollen aber erst beantwortet und eingeschickt werden im Jahre 1904, weil in der Tat für manche Einrichtungen, die das Handwerkergesetz mit sich gebracht, die abgelaufene Zeit noch zu kurz ist, um bisher ausreichende Erfahrungen zu sammeln

Hierbei komme ich auf den Befähigungsnachweis der Bauhand⸗ werker zu sprechen. Auch darüber, meine Herren, haben wir bekanntlich Erhebungen angestellt. Zur Herbeiführung einer gutachtlichen Aeußerung der Handwerkskammern über die Frage der Einführung und Ge⸗ staltung des Befähigungsnachweises für das Baugewerbe ist zunächst seitens der beteiligten preußischen Herren Minister ein Fragebogen auf⸗ gestellt und unter dem 12. Februar v. J. den Handwerkskammern über⸗ sandt worden. Dieser selbe Fragebogen ist durch Rundschreiben auch den sämtlichen verbündeten Regierungen mitgeteilt mit der Bitte, auch ihrerseits ähnliche Erhebungen anzustellen. Es hat sich dabei aber ge⸗ zeigt, daß eine ganze Anzahl der Handwerkskammern ihre Gutachten erstattet haben nach Maßgabe einer von dem Innungsverbande deutscher Baugewerksmeister ihnen empfohlenen Beantwortung. (Hört, hört! links.) Meine Herren, das war nicht der Zweck der Erhebungen. (Heiterkeit links.) Wenn wir eine Enquete anstellen, dann wollen wir doch, daß wir aus dem selbständigen Urteil und der eigenen Erfahrung der einzelnen Verbände heraushören, wie sich in ihrem lokalen Bezirk die Verhältnisse entwickelt haben, welche Ansichten sie hierbei gefaßt haben, und welche Tatsachen sie zu ihrer Auf⸗ fassung führten. Wenn aber von einer Zentralstelle, ähnlich, wie das bei Petitionen vielfach geschieht, ein Formular für die Beantwortung verschickt wird, was uns dann in einer Anzahl von Exemplaren wieder zugeht, meine Herren, so muß ich doch sagen, verliert eine solche Er⸗ hebung für uns jeden Wert. (Sehr richtig! links.) Der Herr Handelsminister hat das auch gegenüber den preußischen Handwerks⸗ kammern gerügt und verlangt, daß dieselben nach eigenem Urteile und nicht nach einem ihnen vorgeschriebenen Rezept diese Beantwortung vornehmen sollten. (Zuruf links.) Auf Namen kommt es hierbei gar nicht an; es handelt sich hier nur um den Erfolg der Sache.

Ich werde nachher noch über den allgemeinen Befähigungsnachweis sprechen, wenn ich die Ehre haben werde, mich zu den Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Oertel zu wenden. Von einer Reihe von Staaten sind die Antworten auf unsere Anfrage über den Befähigungs⸗ nachweis im Baugewerbe überhaupt noch nicht eingegangen. Aber das muß ich doch schon jetzt sagen: so einfach liegt auch die Befähigungsfrage für das Bauhandwerk nicht, wie viele

große Schwierigkeit liegt meines Erachtens Vielseitigkeit des Baugewerbes. Nehmen chiedenheit der notwendigen Befähigung

über einen Fluß oder über einen Graben,

Scheune, ein einfaches Landhaus Befähigungsnachweis nach diesen

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lichen Teilen ausdrücklich vorgelesen habe.

über ihre amtliche Tätigkeit berichten, d. h. sie sollen über die Tatsachen berichten, die sie bei der Inspektion

haben. Wir hatten die Erfahrung gemacht, daß in den Berichten einzelner Gewerbeaufsichtsbeamten

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ich bin hierbei aufgefordert worden, den „Geheimerlaß“ vorzulegen, den ich in dieser Frage erlassen habe. Ich tue das sehr gern und will nachher noch auf einen zweiten „Geheimerlaß“ zurückkommen. Meine Herren, ich bitte Sie aber, nicht auf jeden derartigen amtlichen Schriftwechsel den Ausdruck „Geheimerlaß“ anzuwenden. Die Be⸗ hörden können doch nicht jeden amtlichen Schriftwechsel in den Zei⸗ tungen veröffentlichen; daraus folgt aber noch lange nicht, daß das, was darin steht, die Oeffentlichkeit zu scheuen hätte, und so ist es auch bei diesem Erlaß, den ich ausdrücklich vorlesen will. In diesem Erlaß heißt es wörtlich: In meinem Schreiben vom 26. Oktober 1900 VI. 3314 habe ich mir vorbehalten, neben den regelmäßigen Jahresberichten der Gewerbeaufsichtsbeamten Sonderberichte über einzelne sozial⸗ politisch besonders wichtige Fragen zu erbitten. Nach Lage der Verhältnisse erscheint es mir wünschenswert, daß für das Jahr 1902 die Dauer der täglichen Arbeitszeit der in Fabriken und den diesen gleichgestellten Anlagen beschäftigten Arbeiterinnen über 16 Jahre, sowie die Zweckmäßigkeit und Durchführbarkeit einer weiteren Herabsetzung der gegenwärtig zulässigen Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeiterinnen 137 der Gewerbe⸗ ordnung) einer zusammenhängenden eingehenderen Erörterung nach Maßgabe des beigefügten Frageblatts mit Ueber⸗ sichtsmuster unterzogen werden. Es darf angenommen werden, daß das hierdurch gewonnene Material in Verbindung mit den Ergebnissen der für das Berichtsjahr 1899 angestellten Erhebungen über die Beschäftigung verheirateter Frauen in den Fabriken geeignet sein wird, die Stellungnahme zu den Bestrebungen, welche auf die Ein⸗ führung des 10 stündigen Arbeitstages für Arbeiterinnen über 16 Jahre gerichtet sind, wesentlich zu erleichtern. Dann ist ein Schema für die Beantwortung der Fragen und eine weitere Reihe von Gesichtspunkten für die Erörterung der Dauer der Arbeitszeit der in den Fabriken beschäftigten Arbeiterinnen beigefügt. Dabei finden sich am Schluß unter Nr. 3 folgende Fragen ich kann Ihnen das nicht alles vorlesen, das würde Sie ermüden —: Erscheint es zweckmäßig und durchführbar, a. die nach § 137 Abs. 2 der Gewerbeordnung zulassige tägliche Arbeitszeit von 11 auf 10 Stunden herabzusetzen, b. die nach § 137 Abs. 3 zu gewährende Mittagspause von 1 auf 1 ½ Stunden zu verlängern, c. den Arbeits⸗ schluß an Sonnabenden und Vorabenden der Festtage auf eine frühere Stunde als 5 ½ Uhr Nachmittags zu verlegen und auf welche? Oder bestehen zu a. bis c. Bedenken entgegen, und welche, und zwar allgemein oder nur für einzelne Betriebszweige?

Also eine ganz objektive Erhebung, die uns das Material zu einer ganz objektiven Entscheidung bieten soll. Als durch die Zeitungen die Nachricht ging, daß ein Industrieller eine dahin gehende Aeußerung getan hätte, diese Erhebung sei keine ernste, man beabsichtige gar nicht, eine solche Maßregel zu ergreifen, habe ich mich sofort an den Herrn Handelsminister mit der Bitte gewendet, diese Nachricht festzu⸗ stellen. Die mir von dem Herrn Handelsminister gewordene Antwort lautet dahin, daß eine solche Aeußerung nicht gefallen sei, und jeder, der diesen Erlaß, den ich ins Land geschickt habe, liest, wie ich ihn Ihnen jetzt vorgelesen habe, muß ehrlicherweise sagen, daß in diesem Erlaß auch nicht die Spur eines Anhalts für irgend jemand liegt, um anzunehmen, wir hätten beabsichtigt, hier nur eine Kulisse vorzu⸗ schieben und nicht eine ehrliche Erhebung anzustellen. Ich glaube, meine Herren, damit dürfte diese Frage erledigt sein.

Ich möchte zur Frage der Berichte der Gewerbeaufsichtsbeamten übergehen. Auch da war von einem „Geheimerlaß“ die Rede, den ich aber in der Sitzung am 23. Januar 1902 in allen seinen wesent⸗ Ich habe dort insbesondere folgende Stellen des Erlasses angeführt:

Wenn hiernach erwartet werden darf, daß der Inhalt des Jahresberichts im allgemeinen eine wesentliche Kürzung erfahren wird

ich werde über die Kürzung danach noch sprechen! —,

so behalte ich mir anderseits vor, in der Art, wie dies bereits wiederholt geschehen ist, einzelne Gebiete, wie die allge⸗ meine Volksernährung, Kinderarbeit, Frauenarbeit, allgemeine Wohlfahrtseinrichtungen zu bezeichnen, über die für das Berichtsjahr eine besonders ausführliche und umfassende Berichterstattung von den Gewerbe⸗ aufsichtsbeamten gewünscht wird.

weniger . lange allgemeine

wir auch anstellen —, sondern geht und feststellt, ob der Zu⸗ den gesetzlichen Anordnungen entsprechend ist, die

etwas näher kennen zu lernen. In demselben Erlaß vom 17. April 1902 heißt es daher folgendermaßen:

Daneben ist es mit Rücksicht auf vielfache Verhandlungen im Reichstage, insbesondere auch auf die am 14. Januar 1901 (Steno⸗ graphische Berichte S. 674 B) von mir abgegebene Erklärung er⸗ wünscht, daß die tabellarischen Nachweisungen über die zur Kenntnis der Aufsichtsbeamten gelangten Bestrafungen wegen Zuwiderhand⸗ lungen gegen die Arbeiterschutzbestimmungen neben den zusammen⸗ fassenden Nachweisen, welche die Tabellen III und IV der Jahresberichte hinsichtlich eines Teils dieser Bestrafungen regelmäßig bieten, zunächst für das laufende Jahr in eingehenderer Weise bearbeitet werden. Wie das beifolgende Muster erkennen läßt, handelt es sich darum, die wesentlichen Tatbestandsmerkmale der Einzelfälle unter Angabe der verletzten Bestimmungen und des sachlichen Kerns der Entscheidungen kurz nachzuweisen. Damit die Uebersicht über die Bestrafungen möglichst vollständig wird, möchte es sich empfehlen, etwa erlassene Bestimmungen über die Mitteilung von solchen Bestrafungen an die Gewerbeaufsichtsbeamten den hierzu verpflichteten Behörden in Erinnerung zu bringen.

Und, meine Herren, dieser Erlaß schließt mit den Worten:

Hiernach beehre ich mich zu ersuchen, die Gewerbeaufsichts⸗ beamten für das laufende Berichtsjahr mit der eingehenden Bericht⸗ erstattung über die bezeichneten Sonderfragen nach näherer Anleit ng der Anlagen zu beauftragen. 8

Und es heißt weiter:

Soweit die Berichterstatter zur Erörterung weiterer, auf die Angelegenheit bezüglicher Fragen auf Grund ihrer Erfahrungen Veranlassung finden, wird eine entsprechende Erweiterung der Be⸗ richterstattung erwünscht sein.

Also, meine Herren, daß meinerseits nicht dazu beigetragen ist, die objektiven Aeußerungen der Gewerbeaufsichtsbeamten irgendwie zu beschränken, davon werden Sie wohl nach Verlesung dieses Urkunden⸗ materials sich reichlich überzeugt haben.

Es ist gestern auch die Stellung der Arbeitersekretäre berührt worden. Ich glaube, ich habe hier die Auffassung über die Bedeutung der Vorschriften der Gewerbeordnung über die Stellung der Arbeiter⸗ sekretäre in wiederholten Reden so klar gestellt, daß ich mich nicht zu wiederholen brauche. Aber da, wo eine rechtskräftige Verurteilung er⸗ gangen ist, kann selbstverständlich die Verwaltungsbehörde und die politische Behörde nichts mehr tun; da kann allenfalls nur, wenn der Betreffende glaubt, daß er zu unrecht bestraft ist, der Weg der Gnade angerüfen werden.

Meine Herren, was speziell den Verkehr der Gewerbeaufsichts⸗ beamten mit den Arbeitern anlangt, so sind von dieser Stelle aus nie Anordnungen in irgend welcher Beziehung erlassen worden. Ich stehe auf dem Standpunkte, daß da, wo Arbeiter in gesetzlichen Formen ihre Berufsinteressen vertreten, sie auch voll gehört werden müssen. (Sehr wahr! links.) Ich habe deshalb gar keinen Anstand genommen, seitens des Reichsamts des Innern zu dem Kongreß der Gewerkvereine in Stuttgart einen Kommissarius zu schicken, und mit meiner ausdrücklichen Zustimmung ist die arbeiter⸗ statistissche Abteilung des Reichsversicherungsamts auch⸗ mit den organisierten Gewerkvereinen in Verbindung getreten, um auch von ihnen das Material zu erhalten, was für die Beurteilung des Arbeitsmarktes wichtig ist und was in der Zeitschrift verwendet werden soll, die jenes Amt über die Arbeiterverhältnisse herausgeben wird.

Vorgestern ist auch die Frage, betreffend die Verwendung von Bleifarben, erörkert. Ich gestatte mir, dazu zu bemerken, daß die Bekanntmachung, betreffend die Einrichtung und den Betrieb der Bleifarben⸗ und Bleizuckerfabriken, einer Abänderung unterworfen werden soll; dieselbe ist nahezu fertig gestellt und wird in allernächster Zeit dem Bundesrat zugehen.

Ebenso ist in Angriff genommen eine Bekanntmachung, betreffend die Einrichtung und den Betrieb von Bleihütten. Es ist richtig, wie ich das vermittels des Auswärtigen Amts habe feststellen lassen, daß die französischen Behörden, insbesondere der Minister des Innern, der Kriegs⸗ und Finanzminister im Oktober 1901 durch Rundschreiben angeordnet haben, daß im Bereich ihrer Ressorts bei Maler⸗ arbeiten die Bleiweißfarben durch Zinkweiß ersetzt werden sollen. Es Tener richtig, daß den französischen gesetzgebenden Körperschaften cn Besetz vorliegt, was aber meines Wissens noch nicht verabschiedet ist, dahin gehend, daß Bleiweiß im Zeitraum von 3 Jahren vom Erlaß des Gesetzes ab im Innern von Gebäuden nicht mehr ver⸗ wendet werden soll, und wodurch ferner der Handeleminister bevoll⸗

wirtschaftlich möglich erscheine (hört, hört! rechts) und daß bisber,

werden kann. Er ist mit mir nur darin verschiedener Ansicht, was

überhaupt noch belebt werden kann und was nicht. Also, meine Aeußerungen bezogen sich nur auf den allgemeinen Befähigungs⸗ weis. Der Herr Abg. Jacobskötter, ein konservativer Mann und selbst im Handwerk stehend, hat in einem ausgezeichneten Aufsatz des „Tages“ in klarer, ruhiger und wirklich überzeugender Weise nach⸗ gewiesen, daß der allgemeine Befähigungsnachweis nicht mehr einzuführen ist. Wenn ein solcher Nachweis eingeführt würde, dann wäre die natürliche Folge doch die, daß keiner mehr etwas herstellen oder verkaufen darf, der nicht die Befähigung dazu erworben hat. Die weitere Folge wären dann solche Kon⸗ flikte, wie sie tatsächlich anderwärts vorgekommen sind, daß eine Frau, die Portemonnaies macht, bestraft wird, weil sie nur die Befähigung zur Herstellung lederner Hosen nachgewiesen hat. Ein weiterer Fall liegt aus einem deutschen Staat vor, wo ein derartiger Befähigungsnachweis früher existierte. Es bestand dort ein Unter⸗ schied zwischen den Gastwirten, die kalte Kost, und solchen, die nur warme verkaufen durften, und da wurde entschieden, daß der Wirt, der nur warme Kost verkaufen darf, keinen Schinken den Gästen vor⸗ setzen darf, auch wenn er glühend heiß ist, weil es der Beruf des Schinkens ist, kalt genossen zu werden. Wer aber nur kalte Speisen führt, der darf keinen Kalbsbraten seinen Eästen vor⸗ setzen, weil es der Beruf des Kalbsbratens ist, im allgemeinen warm genossen zu werden. Das mag anekdotenhaft klingen, aber solche Fälle kamen und kommen tatsächlich vor. (Sehr richtig!) Wenn ich ferner gesagt habe, was nicht zu beleben ist, kann nicht mehr belebt werden im modernen Staat, so habe ich an die alten Innungen gedacht und den Einfluß der Innungen, wie er manchen Kreisen noch vorschwebt. Die deutschen Innungen haben eine lange, ehrenvolle, ja glänzende Geschichte im deutschen Kulturleben. Nürnberg, Augsburg, Regensburg, Worms, alle diese Städte mit ihren großen geschichtlichen Erinnerungen sind glänzende Beispiele für das, was vorzugsweise die deutschen Innungen geleistet und aus den deutschen Städten gemacht haben. Aber zu der Zeit waren die Innungen politische Körper⸗ schaften. Die Innungen führten eigentlich das Stadtregiment, und da konnten sie natürlich eine ganz andere Rolle spielen wie heute. Eine solche Belebung der Innungen und so, Herr Dr. Oertel, habe ich das gemeint, und Sie werden darin mit mir ein⸗ verstanden sein eine solche Wiederbelebung, daß die Innungen diese wirtschaftlich politische Rolle im Stadtregiment spielen, das, glaube ich, ist mit den modernen Verhältnissen nicht mehr vereinbar. Abgesehen hiervon aber, bin ich der Ansicht, kann für den Mittelstand und speziell für das Handwerk noch unendlich viel geschehen. (Sehr richtig! rechts.) Die Gewerbe⸗ ordnung soll ja die Grundlage dafür bieten, und wenn die betreffende Erhebung Ihnen vorgelegt wird, werden wir ja sehen, inwie⸗ weit die Bestimmungen der neuen Gewerbeordnung, des so⸗ genannten Handwerkergesetzes, sich bewährt haben oder nicht. Aber das können Sie doch nicht leugnen, daß heutzutage die Art der Fabrikationsmethode einen Einfluß auf das Handwerk hat, dem das Handwerk sich nicht entziehen kann. (Sehr richtig!) Wenn durch mechanische Einrichtung eine Ware so unendlich viel billiger in einer Fabrik herzustellen ist wie vom Handwerker, so kann der Hand⸗ werker mit der Fabrik nicht mehr konkurrieren. (Sehr wahr! links.) Dann kommt hinzu, was zu bedauern ist, die starke Konzentration der Bevölkerung; ich kenne Städte in Deutschland, kleine und mittlere Städte, die hatten, ehe das Eisenbahnnetz in dieser Weise ver⸗ vollkommnet war, ehe wir Telephon und Telegraphen hatten, ein großes blühendes Handwerk und reges kaufmännisches Leben. Die Nachbarschaft kaufte nur beim Kaufmann und Handwerker in der nächsten Stadt. Jetzt sind die Eisenbahnen gekommen, der Hand⸗ werker, der Kaufmann der kleinen Stadt kann nicht mehr die Aus⸗ wahl haben, die gefordert wird, im besten Falle kann er dem Kunden nur sagen, ich will Ihnen das kommen lassen. (Sehr richtig!) Der Kunde will aber nicht warten, er setzt sich kurzer Hand mit einem Retourbillet auf die Bahn, fährt nach der nächsten großen Stadt und kauft dort den Gegenstand, den er wünscht. Der Rückgang des Kaufmannsstandes und Handwerkerstandes in mittleren und kleinen Städten hängt in der Tat mit unseren ganzen öffentlichen Verkehrsverhältnissen zusammen, und auch diese Verhältnisse, glaube

hich, werden wir gesetzllich nicht ändern können. Aber ich glaube, ch

ibt für die Handwerker, die nicht unter der Konkurrenz der Fabriken leiden, und deren sind doch noch eine ganze Anzahl für Sachen,

die nur mit der Hand hexgestellt werden können und nur mit der Hand

zut hergestellt werden können —, es gibt für diese Handwerker die Möglichkeit, ihnen zu helfen in vielfacher Weise. Dazu gehört vor allem eine tüchtige Vorbildung derselben, die Organisation des Ge⸗ nossenschaftewesens und, daß man den Leuten billig eine mechanische Kraft ins Haus liefert. Wer jemals die Verhältnisse im Kanton Genf gesehen hat, und ich habe sie gesehen, wie von der elektrischen fast im ganzen Kanton die Uhrmacher mit

infolgedessen eine ganze Reihe

onkurrenzfähigen Preisen her⸗

in der Fabrik hergestellt werden

1650 Einkommen um 35,6 %, der von 1650 bis 1800 um 34,4 %, also um das Dreifache gegenüber der Steigerung der Bevölkerung, der Zensiten von 1800 bis 2100 um 32,9 %, der von 2100 bis 2400 um 33,3 % und so weiter um 42,4 %, 44,7 %, 42,9 %, 40,7 %, 41,9 %, 40,4 %, 39 %, 37,2 %, 32,1 % und die Zahl der Zensiten von 5500 bis 6000 Einkommen um 33,3 %. In Sachsen stieg die Be⸗ völkerung in den letzten vier Jahren um 10,8 %, und die Zahl der Zensiten in den verschiedenen Einkommensteuerklassen von 1500 bis 6000 um 43,3 %, 32,5 %, 25 %, 25,2 %, 28,6 % usw. bis 18,8 % in der Klasse von 5500 bis 6000 Einkommen. Sie sehen also, eine Steigerung des Einkommens gegenüber der der Bevölkerung um das drei⸗ und vierfache. Darin liegt doch der zahlenmäßige, un⸗ zweifelhafte Beweis, daß in der Tat diejenige Klasse, die wir unter Mittelstand zu verstehen pflegen, sehr erheblich gewachsen ist, daß nicht ein Versinken dieser Klassen in das Proletariat stattgefunden hat, sondern umgekehrt ein Steigen aus den Klassen des Proletariats in den Mittelstand.

Nun zitiere ich hier noch ein Wort aus dem ausgezeichneten Werke des Professors Zahn es ist das ja ein mir nachgeordneter Beamter, aber ich glaube, man hat doch auch das Recht, hier auch einmal einen nachgeordneten Beamten zu loben —, also ein Wort aus dem Werk „Deutschlands Volkswirtschaft beim Eintritt ins 20. Jahr⸗ hundert“. Dort heißt es:

„Der Mittelstand ist also nicht im Schwinden, sondern lediglich in der Umbildung begriffen. Auch erfährt der selbständige Mittel⸗ stand zu seiner Erhaltung und Kräftigung nachhaltige Unterstützung durch das von der neueren Gesetzgebung besonders geförderte Ge⸗ nossenschaftswesen.“

Von diesen Genossenschaften sagt er weiter:

„Sie tragen viel dazu bei, dem Kleingewerbe, Handwerk und der bäuerlichen Landwirtschaft die Vorteile des Großkapitals, Groß⸗ betriebes und Großhandels zugänglich zu machen und sie auf diese Weise dem Großbetrieb gegenüber zu stärken.“ b

Es ist richtig: die Zahl der Selbständigen nimmt in manchen Er⸗ werbszweigen ab; das hängt aber mit der Konzentration der Bevölke⸗ rung, der modernen Fabrikationsweise zusammen und mit den Um⸗ ständen, die ich vorhin zu erläutern die Ehre hatte. Aber die Ein⸗ kommensverhältnisse gehen nicht zurück; der Mittelstand, der jetzt diese Einkommensverhältnisse aufweist, ist zwar vielfach in abhängiger Stellung, aber seine Einkommensverhältnisse sind vielleicht besser wie das Einkommen vieler selbständiger Handwerker, denen es noch ver⸗ hältnismäßig gut geht.

Meine Herren, es sind hier von dem Herrn Vorredner verschiedene Mittel angegeben, um den Handwerkerstand zu heben: erstens die Selbstversicherung. Die Selbstversicherung genießt ja schon der Hand⸗ werker; aber er muß zunächst 400 Wochen bezahlt haben. (Zuruf rechts.) Es mag sein 500 Wochen, mir ist die Zahl nicht gegen⸗ wärtig. Es ist aber unbedingt notwendig, daß jemand, der das Benefizium haben will, eine Rente sein Leben lang zu genießen, eine gewisse Karenzzeit durchmacht, während deren ein gewisses Deckungs⸗ material für die Gewährung seiner Rente angesammelt wird. (Sehr richtig!) Daß wir diese Karenzzeit ermäßigen, halte ich nicht für aussichtsvoll.

Es ist ferner die Frage des unlauteren Wettbewerbs hervor⸗ gehoben worden. Ich glaube, der Herr Abg. Dr. Oertel wird darin mik mir einig sein, daß, wenn man überhaupt auf diesem Gebiete weiter gehen will, es gut ist, zunächst noch Erfahrungen zu sammeln. Der unlautere Wettbewerb tritt ja in unendlich vielen Erscheinungen ins Leben, in Erscheinungen, die erstens gar nicht zu hindern sind, und die wohl auch kein denkender Mensch ernst nimmt, z. B. solche Reklamen, Welt usw.“ Ich glaube nicht, daß, wenn die Verhält⸗ nisse so liegen, wie der Herr Abg. Dr. Oertel in Spezialfällen dargestellt hat, solche Reklamen ernst genommen werden. Aber selbst wenn das so ist, so könnten wir doch, was speziell die Aus⸗ verkäufe betrifft, nur eine glatte Bestimmung erlassen: jeder Nachschub von Waren ist verboten. Wir haben darüber Rückfragen bei den Re⸗ gierungen angestellt, und es ist uns von den verschiedensten Seiten versichert worden, ein solches Verbot würde nicht ausführbar sein, well, wenn man einen Nachschub bei Ausverkäufen glatt ver⸗ bieten würde, die Restbestände zum Teil gar nicht oder nur zu Schleuderpreisen verkauft werden könnten. Meine Herren, ich habe im vorigen Jahre schon angeführt, daß ich hier in Berlin eine An⸗ nonce in einem Bilderladen gefunden habe: „Heute Verkauf zu be⸗ sonders billigen Preisen!“ Wenn wir das alles erfassen wollen, wenn wir das Beispiel, das Herr Dr. Oertel angeführt hat, fassen wollen, daß jemand behauptet, daß er einen viel größeren Umsay habe, wie es in der Tat der Fall ist, so müßten wir das Gewerbe unter eine Kontrolle stellen, eine Buchkontrolle einführen, die vielleicht das Ge⸗ werbe viel mehr belästigen würde, als jetzt diese unlautere Reklame⸗ konkurrenz. Die Frage ist indes noch nicht abgeschlossen, sie wird weiter geprüft werden. Wir haben zunächst Anordnungen erlassen, das bestehende Geset mit mäglichster Schärfe durchzuführen, und es ist möglich, daß man seinerzeit auch über diese Fragen sich unterhalten wird.

wie „Das größte Schuhgeschäft der.

feindlich den Besitzlosen gegenüber zu stehen. (Zurufe links.) Meine Herren, ich will zugestehen: der Staat mag seine Aufgab 3 eine Zeitlang auf diesem Gebiete versäumt haben, und auch die bürgerliche Gesellschaft. Nachdem im Anfange des 19. Jahrhunderts die alten Fesseln und die alte Ordnung gefallen waren, lebten wir in einer Zeit, wo man wirtschaftliche Fragen, soziale Fragen in dieser Weise nicht traktierte. (Sehr richtig!) Aber ich meine: das ist das unvergängliche Verdienst der großen Kaiserlichen Botschaft, daß von dem Tage an der Staat einen anderen Weg eingeschlagen hat, und die Herren von der Sozialdemokratie mögen das, was der Staat, was die bürgerliche Gesellschaft seitdem geleistet hat, für groß oder klein ansehen, Sie werden nicht leugnen können, daß seit Erlaß der großen Kaiserlichen Botschaft das Gefühl und das Verständnis für sozial⸗ politische Aufgaben in den besitzenden Kreisen in ungeheurer Weise ge⸗ wachsen ist. (Sehr richtig!)

Meine Herren, der ganze Zweck unserer Sozialpolitik ist ja, die Kluft zwischen Besitzenden und Besitzlosen zu überbrücken und zu mildern, und ich wünsche dringend, daß, wenn auch ein solcher Grund⸗ satz von der Unversöhnlichkeit zwischen Besitzenden und Besitzlosen ausgesprochen wird, die besitzenden Klassen sich dadurch nicht abhalten lassen, das zu tun, was ihnen ihre Religion, was ihnen ihr soziales Gewissen gebietet. Und, meine Herren, solange ich an dieser Stelle stehe, werde ich ebenfalls tun, was in meinen Kräften steht, auch meinerseits zur Förderung einer verständigen Sozialpolitik beizutragen. (Lebhafter Beifall)

Abg. Freiherr Heyl zu Herrnsheim (nl.): Ich bin erfreut, daß die verbündeten Regierungen die ernste Absicht haben, die Kranken⸗ versicherung auf die Heimarbeiter auszudehnen, und ich hoffe, daß die entstandenen Schwierigkeiten sich überwinden lassen werden. Die Wäscheindustrie dem Gesetz zu unterstellen, ist ja seinerzeit noch im letzten Augenblick geglückt. Herr Trimborn und ich haben das Ver⸗ bot der Mitgabe der Arbeit nach Hause an jugendliche Arbeiter und Arbeiterinnen beantragt, und wir wollen auch die notwendigen Aus⸗ nahmen gestatten; wir halten dafür, daß in dieser Begrenzung die Durchführung möglich ist. Dem Einwand des Staatssekretärs, be⸗ treffend die Umgehung des Verbotes, wird von den Antragstellern dadurch begegnet, daß diese Umgehung unter Strafe gestellt wird. Der erwachsene Arbeiter wird sich also bei der eventuellen Höhe der Strafen (bis 2000 ℳ) wohl hüten, das Verbot zu umgehen. Die verbündeten Regierungen werden, wenn sie sich genauer mit der Sache beschäftigen, erkennen, daß ohne ein solches Verbot die Regelung der Heimarbeit nicht durchzuführen sein wird. Herr Trimborn und ich 8 schon seit langem auf dem Standpunkt, daß das Schutzalter der jugendlichen Arbeiter erhöht werden soll; ich habe schon lange, bevor von den Wahlen die Rede war, einen solchen Antrag ein⸗ gereicht, den auch Herr Trimborn zu unterstützen bereit war; es handelt sich also keineswegs um Wahlmanöver. Die national⸗ liberale Presse hat ja diesem Antrage auch so wenig Unterstützung angedeihen lassen, daß es sich tatsächlich nicht um ein Parteimanöver für die Wahlen handeln kann. Auch bei meinen eigenen Wählern kann ich mit diesem Antrage keine Provaganda machen; er entstammt nur meinem warmen Herzen für den Arbeiterstand. Herr Richter sagt in seinem „Abe⸗Buche“: „Die Sozial⸗ demokraten stimmen für die weitgehendsten Erhöhungen der den Ar⸗ beitern zu gewährenden Renten, süimmen aber dann regelmäßig gegen den Etat, sie verweigern also die Mittel zur Beschaffung dessen, was sie selbst beantragt haben.“ Das trifft auch auf die Anträge zu, die

die Verordnung, betreffend die ng auf andere Industriezweige ausgedehnt, so wird die Befürchtung, daß die Arbeitgeber sich den gesetzlichen Vorschriften durch Ueberführung der Ar⸗ beiter in die Pansindustrie entziehen würden, mehr und mehr ausgeschlossen.

tag vor einigen Jahren in einer Resolution verlangt; wie denken sich diese Herren, namentlich meme eigenen Fraktionsgenossen, diese Ein schränkung durchzuführen, wenn sie nicht die Einschränkung der Arbeits⸗ zeit für alle Frauen wollen? Durch die esse derjenigen Arbeitgeber, deren Interessen persönlich mütspefchen. ollten sich die verbündeten Regierungen nicht beeinflussen lassen. 2 6 ein Arbeiter erst mit 18 Jahren zum Vollarbeiter wird, ist in der Schweiz gesetzlich an erkannt; der französische Arbeitsminister Millerand, der keineswegs dem achtstündigen, sondern dem zehnstündigen Normalarbeitstag an⸗ hängt, hat sich dasselbe Ziel gesetzt; auch in England ist die Gesetzgebung nach dieser Richtung hin verschärft worden. In meiner engeren Heimat wird se Anschauung durchaus ge⸗ teilt. Die Arbeiterin muß unter allen Umständen geschützt werden. Das Bedenken der „Köln. Ztg.“, daß die Landwirtschaft durch diese Verkürzung der Arbeitszeit der Frau in der Industrie geschädigt werden könnte, ist hinfällig. Der Alg. Bebel ist in seiner letzien Rede, die sich an eine kleine Grupre Republikaner in der deutschen Nation richtete, wieder auf die Verelendungstheorie zurückgekommen, die 6— seine Partei schon a ; zum U wird er durch seinen eigenen Parteigenossen David egt. Man leugnet in der Sozial⸗ demokratie, daß der 1c olitische Segen von oben gekommen sei, er sei allein der Sozialdem zu danken. Da muß man 7 rtig halten, welcher Art die Partei für ihre eigenen Ungehö orgt. In den Parteivorstandsberichten müssen Sie Uinks) ausdrücklich anerkennen, pe Pa auf Fr gedrängt ist, welche die Katser⸗ 1 Fhereeeasa oder 15 Jahre später damit Pa. . 88. Bebel rern h Fhesten wie diesen —— ꝛc. geholfen Unruhe und Zwis bei den Sozialdemokraten; dent Dr. raf zu Stolberg⸗Wernigerode ersucht, den Redner nicht brechen.) Die Landwirtschaft hat allen diesen Fragen ihre Aufmerksamkeit ; aristokratie hat gerade aus diesem bega. Bedeutung. An der * die Zähne bereits ausgebissen; die der zu regeln.

ter 1 verbitte mir diese Aeußerung. sich weiter mit der Frase in

sie über den Antrag Trimborn⸗Heyl hinaus eingebracht haben. Wird äscheindustrie und Konfektionsindustrie,

Die Einschränkung der Arbeitszeit verheirateter Frauen hat der Reichs.

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uch Ich möchte schließen, indem ich an eine A vorgestern seitens des Herrn Abg. vs

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