1903 / 39 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 14 Feb 1903 18:00:01 GMT) scan diff

monarchische Staatsform haben, dann werden Sie finden, daß man auf zwei Dinge in Deutschland mit ungeteilter Bewunderung, ja mit Neid blickt, dies ist die deutsche Schule und die deutsche Sozialpolitik. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.) Die deutsche Schule, meine Herren, ist ein Gegenstand der Anerkennung des ganzen Auslandes, und wenn der Herr Abgeordnete vorhin erklärt hat, die deutsche Schule wäre so schlecht, sie verdumme geradezu den Arbeiter, nun, so meine ich, wenn die Volksschule, die der Herr Vorredner be⸗ sucht hat, sogar so weit gegangen, daß er von lachenden Auguren““ sprechen kann (sehr gut! und Heiterkeit), dann muß unsere Volks⸗ schule doch nicht so schlecht unterrichten.

Eine Ihrer Hauptforderungen ist die Einführung einer stark progressiven Einkommensteuer. Sie wollen damit alle indirekten Steuern möglichst beseitigen und lediglich direkte progressive Steuern an ihre Stelle setzen. Aber gerade in nicht monarchischen Staaten ich will kein Beispiel anführen ist das indirekte Steuer⸗ system auf das allerschärfste ausgebildet worden, und in diesen nicht monarchischen Staaten ist es bis heute zum Teil noch nicht gelungen, auch nur eine Einkommensteuer, geschweige eine progressive Ein⸗ kommensteuer einzuführen. (Sehr richtig! rechts.) Und nun zum Schluß ein Wort! Ich möchte den Herren dringend raten, wenn sie die Arbeiterinteressen wirklich fördern wollen und die Mehrheit des Hauses will es auch, davon bin ich überzeugt, und die verbündeten Regierungen wollen es ebenfalls —, vermeiden Sie in dieser Weise, wie es bis jetzt geschehen ist, die Frage der Arbeiterpolitik zu verbinden mit derartigen allgemeinen, sehr gefährlichen politischen Fragen. Sie werden Ihrer eigenen Sache damit am allermeisten nützen. Ich kann Ihnen eine interessante Aeußerung mitteilen, die Ihnen beweisen mag, wie man im Auslande über deutsche Sozialpolitik denkt. Das Staats⸗ oberhaupt eines nicht monarchischen Staates sagte mir bei einer Audienz, die ich die Ehre hatte, bei ihm zu haben: „Ihre deutsche Sozialpolitik wird Europa revolutionieren, revolutionieren im Sinne einer höheren Kultur.““* (Sehr richtig! rechts.) Dies Wort ist treffend, und es zeigt nur, mit welch gerechtem Verständnis man im Auslande die Bestrebungen Deutschlands zum Besten der Arbeiter⸗ bevölkerung betrachtet. (Lebhaftes Bravo rechts und in der Mitte.)

Abg. Eckart (d. Volksp., schwer verständlich) weist auf die Reform⸗ bedürftigkeit des Gewerbeunfallversicherungsgesetzes hin. Die Ansamm⸗ lung der hohen Reserven K dem Handwerkerstande gegenüber eine harte Unbill. Die bayerischen Berufsgenossenschaften seien mit Unrecht an⸗

egriffen worden; sie kämen den Arbeitern, sowwelt es im Rahmen des Ge⸗ febes möglich sei, entgegen. Redner kann dies aus eigener Erfahrung be⸗ zeugen, da er seit 17 Jahren zu den Vorstandsmitgliedern der Baugewerks⸗ berufsgenossenschaft gehöre. Sehr bedauerlich sei, daß die Rechtsprechun der obersten Instanz in den Landesversicherungsämtern nicht einheitlich sen In allen diesen Punkten sei das Eingreifen der Gesetzgebung zur Abhilfe erforderlich. Redner geht dann auf die Baukontrolle ein, die man in Baypern den Wünschen der Arbeiter entsprechend einzurichten sich be⸗ strebe, um die Unfälle möglichst zu verhüten. Der Antrag Trimborn, betreffend den Zehnstundentag, entspreche prinzipiell dem Programm der Volkspartei; aber es sei doch sehr fraglich, ob der gegenwärtige Zeitpunkt und die gegenwärtige wirtschaftliche Lage für neese Reform geeignet erschienen; in vielen Betrieben bestehe übrigens schon eine durchschnittlich 8 stündige Arbeitszeit. Redner erörtert dann die Ab⸗ änderungsbedürftigkeit des Krankenkassengesetzes und den Antrag Jäger, betreffend die Wohnungsfrage.

Abg. Ahlwardt (b. k. F.): Den jetzigen Auteinandersetzungen muß eine erhebliche Bedeutung beigemessen werden; es ist so zu sagen der Aufmarsch sämtlicher Parteien vor ihren Wählern. Am schmerz⸗ haftesten hat mich unter allen diesen Aeußerungen berührt, was ich

seitens der äußersten Linken hörte: „Zwischen Kapital und Arbeit ist eine Versöhnung unmöglich“. Ich für meine Person habe seit Jahren it Bestimmtheit darauf gerechnet, daß Sie sich allmählich in eine radikale Reformpartei verwandeln würden. Nach diesen Erklärungen muß ich aber wohl diese Hoffnung, daß Sie (links) ernsthaft lediglich nach einer langsamen Verbesserung der jetzigen Verhältnisse streben, aufgeben. Da bleibt dann nur übrig, was Ihr früheres Programm war. Sie sehen, was auch beschlossen werden mag, nur als Etappe zu dem weitergehenden Ziel an, das Kapital aus den Händen der jetzigen Besitzer herauszubringen. Sie steben also auf einem doppelten Boden; Sie bilden einen Widerspruch in sich, einen unlösbaren Widerspruch, der keine höhere Einheit finden wird. Was Sie hier an Sozalreform beantragen, können Sie nicht offen und ernst meinen, denn schafften diese Anträge Zufriedenbeit, so wäre Ihnen ja der Weg zum Ziele verlegt. Ras diesen festen und bestimmten Erklärungen verständiger Männer werden wir rückwärts schließen mussen: hat die Schialdemokratie überhaupt den Zweck, irgend eine Reform durchzusetzen oder ist das lediglich Agitasions⸗ Ich möchte das letztere beinahe annehmen. Geredet für t die Somaldemokratie, aber bei der Abstimmung hat sie dagegen gestimmt. haben das Gebotene zurückgewiesen, weil es zu wenig sei. Das scheint mir kein ausreichender Grund; denn bisinval den überhaupt etwas erhalten können, so ist das doch heuer viel mehr als nichts. Sie wollen also ernsthafte Ver⸗ sondern henutzen sie nur als Agitationsmaterial, um zu gewinnen. 8 ielen der großen tanden, so dem Kohlenarbeiter Aus 8. nur

o gut mie garnichis obgleich die Durchfü wollten, int ernns worden:

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durch seinen Geist und den seiner Vorfahren,

Es wird die zweite Beratun etats für das Rechnungsjahr 1903 im Etat der Justiz⸗

drüben so gut wie keine Sozialdemokraten sind; marschieren im Patriotismus an erster Stelle, und warum? Weil sie das Recht haben, in ihren Arbeiterorganisationen sich frei zu gestalten, und weil diese juristisch selbständig sind. Auf diesem Boden hat sich die amerikanische Arbeiterschaft zu einer Höhe entwickelt, auf die die deutsche nur mit Neid blicken kann. Der amerikanische Arbeiter steht als freier Mann dem Unternehmer gleich⸗ berechtigt gegenüber und leistet so Hervorragendes, daß die ameri⸗ kanische Industrie der deutschen überlegen ist. Erörterungen über den Achtstundentag haben einen rein akademischen Wert, da die Betriebe sehr verschieden sind. Viel wichtiger ist es, wenn organisierte Arbeiter ich mit dem Unternehmer verständigen. Eine organisierte Arbeiter⸗ chaft ist den Unternehmern lange nicht so gefährlich, als eine nichtorganisierte. In den organisierten Gewerkschaften liegt die Zukunft der Arbeiter, nicht in den umstürzlerischen Bestrebungen der Sozialdemokratie. Ebenso falsch wie das, was Marx über das Kapital sagt, ist auch seine Auffassung über den Wert der Arbeits⸗ kraft. Krupp hat seine Maschinen und damit sein Kapital geschaffen von dem die Tausende Ist denn dieser Geist nichts und rpe Was wollen Sie denn in Ihrem Zukunftsstaat? Sie wollen die Arbeit nach der Zeit schätzen. Es kommt doch darauf an, wie die Zeit ausgefüllt und was darin geschaffen wird. Soll die Zeit des gewöhnlichen Arbeiters und des Geistesarbeiters gleich bezahlt werden? Gewiß haben die Sozialdemokraten ihre Ideale, aber diese sind falsch. Vielleicht würde in Zukunft bei der allgemeinen Krippe die allgemeine Ernährung besser werden, aber ist hgser Vorteil nicht zu teuer erkauft durch die Aufgabe der Freiheit um die Tyrannei? Man kennt ja die Art und Weise, wie die Sozialdemokraten schon jetzt mit der Freiheit ihrer Genossen umspringen. Die Sozialdemokratie verfügt ja über eine ge⸗ waltige Macht im Volke durch die Stimmen aller Unzufriedenen. Um so mehr haben Sie (rechts) Veranlassung, ernsthaft darüber nachzu⸗ denken, wie dieser Gefahr entgegenzutreten ist. Die kleinen Existenzen müssen mehr gestärkt werden. Einen Fehler dürfen wir nicht machen, daß man ohne weiteres Naturgesetze als unbedingt wirksam auf menschliche Verhältnisse anwendet. Es wird als Naturgesetz hingestellt, daß das Großkapital das Kleinkapital aufsaugt. Das ist nur bedingt richtig. Mit rückständigen Maßregeln können Sie dem Handwerkerstand nicht helfen. Ihm kann nur geholfen werden, wie dem Arbeiterstand, durch Ent⸗ fesselung seiner Kräfte. Die Kredite der Reichsbank ꝛc. kommen jetzt in der Hauptsache den großen Unternehmungen zu gute. Die Reichs⸗ bank ist jetzt eine große internationale Aktiengesellschaft. Was der Hand⸗ werkerstand braucht, ist ein großer, langfristiger Kredit. Den gesetz⸗ lichen Handwerkerorganisationen könnte die Zentralkreditstelle der Reichsbank einen Kredit einräumen, der es ermöglicht, die Konkurrenz aufzunehmen. Die Reichsbank müßte aber erst in den Staatsbesitz übergehen. Wenn so die Schwerkraft des Kredits in die Handwerke getragen wird, so wird auch die ganze Nation gestärkt. Die Reichs⸗ zentralkommanditstelle müßte zugleich eine Reichszentralanlegestelle für alle Sparer werden. Dadurch würde das Volk abgehalten werden, sein Geld nach der Börse zu tragen. Mit dieser Umgestaltung der Reichsbank könnten alle staatserhaltenden Parteien einverstanden sein. Damit allein ist es aber nicht gemacht; der Landwirtschaft, der Grundlage der nationalen Existenz, ist damit noch in keiner Weise geholfen. Woran leidet die Landwirtschaft? Wir haben jetzt billiges Getreide und teures Brot, und doch könnte das Umgekehrte der Fall sein: teures Getreide und doch billiges Brot. In dieser Frage haben Sie (rechts) und Sie (links) recht. Es ist nämlich noch ein Dritter dazwischen, der es veranlaßt, daß der Pro⸗ duzent zu wenig bekommt, und der Konsument zu viel bezahlt. Das ist das Wesen der sozialen Frage. Der Getreidehandel ist der Kardinalpunkt. Die Verstaatlichung des Getreidehandels würde dem Produzenten und dem Konsumenten gerecht werden und dadurch die Kräfte für die Entstehung eines neuen Wohlstandes ent⸗ fesseln. Der Nutzen darf nicht denen zugewendet werden, die da ernten, ohne zu säen, sondern den wirklichen Produzenten. Durch die Verstaatlichung des Getreidehandels bekäme Deutschland eine Position, wie es niemals gehabt hat. Das Schlimmste für die Landwirtschaft ist aber die ungeheure Hypothekenlast. Der Grund⸗ besitz, bei den alten Germanen und noch im Mittelalter das Aller⸗ heiligste, ist jest zu einer Ware geworden. Hier liegt der Grundstock der größten Unzufriedenheit; denn die Leute, die herunter müssen von ibrer Scholle, weil ihnen eine Hypothek gekündigt ist, sind die⸗ jenigen, die vor nichts zurückschrecken. Der Ricardosche Satz von der Grundrente ist ein großer Irrtum; der Wert von Grund und Boden richtet sich nach der Zahl der Menschen, die davon genährt werden müssen. Wenn der Staat Rentenbriefe gäbe, würde das Risiko und damit die Risikoprämie, das heißt der höhere Zinsfuß der nachstelligen Hyvotheken, fortfallen. Damit wird der Grundbesitz in den Familien erhalten, die ihn jetzt besitzen, und dazu schafft die Verstaatlichung der Reichsbank einen gesunden Handwerkerstand, und so schaffen wir ein glück⸗ liches Volk. Dann lassen Sie (rechts) nur die Herren (nach links) revolutionieren. Der gänzliche Aufkauf großer Güter im Osten ist allerdings falsch. Die großen Güter müssen mit einem Kranz kleiner Besitzer umgeben werden. Vielleicht liegt in diesen Ideen die Wiedergeburt des deutschen Volkes. Der Weltpolitik müssen wir unsere andauernde Aufmerksamkeit zuwenden. Bei der Zunahme der Be⸗ völkerung und der Abnahme der Ausfuhr werden wir uns auf ernste Dinge im Auslande vorbereiten müssen; wir werden ohne Rücksicht auf sonstige F1.2— dieser Eventualität näher treten. Mögen die Wähler sich ihre Abgeordneten darauf ansehen, ob diese die von mir aufgestellten Ziele vertreten. Tun die übrigen Ab⸗ geordneten das t, so mögen die Wähler sich an die Antisemiten wenden.

* sich das Haus, und nach persönlichen Be⸗ merkungen der Abgg. Hoch und Freiherr Heyl zu Herrns⸗ heim wird die Sitzung um 6 Uhr geschlossen. Nächste Sitzung: Sonnabend 1 Uhr. (Fortsetzung der tung.)

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seiner Arbeiter den Vorteil haben. die körperliche Arbeit alles?

8 Preuszischer Landtag.

Haus der Abgeordneten. 20. Sitzung vom 13. Februar 1908, 11 Uhr. des Staatshaushalts⸗

verwalrung dei dem Titel der dauernden „Gehalt des Ministers“ fortgesetzt. Abg. Dr. Becker (Zentr.): Durch die 8A 2— im eine gro wet worden. Mitusnde kcine

sation der

c Fühe o. 8 neuet in Grwägung Zlustizminister Dr. Schönstedt:

Meine Herten! Das Projekt der Errichtung eines neuen Ober⸗ westlichen Provinzen, Rheinland und Westfalen, zur Zeit die Staats⸗

Ausgaben

die Arbeiter

im Arbeitsministerium in Angriff genommen war, vollendet ist. Diese Bauskizze hat im wesentlichen die Zustimmung der Justizbehörden gefunden. Es hat vor kurzem eine Besichtigung an Ort und Stelle stattgefunden, die noch zu einigen anderen An⸗ regungen geführt hat. Zur Zeit liegt die Bauskizze dem Herrn Finanzminister vor, der sich im Prinzip mit dem Neubau und der dafür in Aussicht genommenen Stelle einverstanden erklärt hat. Der Neu⸗ bau wird beschleunigt werden, soweit es möglich ist; denn daß das Bedürfnis im allerhöchsten Maße für diesen Neubau vorhanden ist und die bauliche Unterbringung der Justizbehörden in Cöln immer größere Schwierigkeiten bereitet, darüber besteht kein Zweifel. Das ist sowohl von der Justiz⸗ wie Finanzverwaltung in vollem Umfange anerkannt.

Einige andere Fragen des Herrn Abg. Becker glaube ich nur ziemlich kurz beantworten zu dürfen. Was die von ihm angeregte Dezentrali⸗ sation der Gerichte angeht, so hat die Rheinprovinz eigentlich am wenigsten Grund zu Beschwerden nach dieser Richtung. Es sind aller⸗ dings 1879 nicht alle Sitze von Friedensgerichten auch zugleich Sitze von Amtsgerichten geworden. Es hat sich damals die Zahl der Gerichtsorte um 17 vermindert, das heißt 17 Friedensgerichte sind nicht durch Amtsgerichte ersetzt worden; dagegen wurden sofort 5 neue Amtsgerichte in der Rheinprovinz errichtet und es sind inzwischen an 4 Orten, die damals aufhörten Gerichtsorte zu sein, neue Amtsgerichte entstanden; außerdem noch ein weiteres an einem Orte, der bis dahin niemals ein Gericht gehabt hat. Es ist also die Differenz von 1879. bis jetzt auf sieben Amtsgerichte zusammengeschmolzen. Nun sind die Entfernungen in den westlichen Provinzen nicht annähernd die, wie in den östlichen; die Verkehrsmittel sind im allgemeinen viel weiter entwickelt wie in den östlichen Provinzen, wobei ich allerdings zugebe, daß im gebirgigen Teil der Provinz Schwierigkeiten bestehen, die von der Bevölkerung unangenehm empfunden werden. Aber, meine Herren, die Regierung ist unmöglich in der Lage, jedem Antrage auf Errichtung neuer Amtsgerichte stattzugeben. Es kommen dabei mancherlei Rücksichten in Frage, die nicht bloß finanzieller Natur sind, auch Rücksichten auf die Sitze bestehender Gerichte, die durch die Errichtung neuer Amtsgerichte wieder eine Schädigung erleiden würden und nun ihrerseits Widerspruch gegen solche Anträge erheben. Wenn der Herr Abgeordnete gemeint hat, daß die Haltung der Königlichen Staatsregierung, der Justizverwaltung diesen Anträgen gegenüber lediglich immer eine negierende sei, dann kann ich das doch nur mit der Maßgabe zugeben, daß eine solche Haltung nur eingenommen wird auf Grund einer sehr eingehenden sorgfältigen Prüfung aller ein⸗ schlägigen Verhältnisse und der Bedürfnisfrage im großen ganzen.

Wenn der Herr Abgeordnete bemängelt hat, daß in der von der Königlichen Staatsregierung mitgeteilten Uebersicht der auf die vorigjährigen Beschlüsse dieses hohen Hauses gefaßten Ent⸗ schließungen keine Antwort zu finden sei bezüglich der hier erörterten Anträge auf Errichtung von neuen Amtsgerichten, so kann ich da nur das wiederholen, was ich schon im vorigen Jahre auf eine ähnliche Anregung, ich glaube des Abg. Kirsch, gesagt habe, daß nach althergebrachter Praxis Anträge, denen nur durch Ein⸗ bringung von Gesetzentwürfen entsprochen werden kann, eine Beant⸗ wortung in dieser Uebersicht nicht finden, sondern nur eine tatsächliche Beantwortung dadurch, daß entweder das Gesetz eingebracht wird, oder daß es nicht eingebracht wird. Diese Praxis beruht auf einem Staatsministerialbeschluß aus dem Jahre 1875, der damals die Allerhöchste Genehmigung gefunden hat und an dem bisher fest⸗ gehalten worden ist. Im übrigen bietet ja die Etatsberatung hin⸗ länglich Gelegenheit, über den Stand der einzelnen Fragen Auskunft zu fordern und zu geben.

Der Herr Abg. Dr. Becker hat sodann über die große Zahl der bei den Gerichten, insbesondere bei den Kollegialgerichten, zum Teil auch bei den Oberlandesgerichten beschäftigten Hilfsrichter gesprochen. In dieser Frage besteht zwischen dem Herrn Abgeordneten und mir absolut keine grundsätzliche Meinungsverschiedenheit. Ich betrachte es als einen großen Uebelstand, daß bei unseren Gerichten Hilfsrichter, und zwar dauernde Hilfsrichter, in so ungewöhnlich großer Zahl beschäftigt werden müssen. Mein Bestreben ist fortgesetzt dahin ge⸗ richtet, die Zahl dieser Hilfsrichter dadurch zu vermindern, daß an ihre Stelle etatsmäßige Richter treten. Ich werde in diesem Be⸗ streben fortfahren, bin auch überzeugt, daß ich seitens des Herrn Finanzministers dabei auf ein weiteres Entgegenkommen zu rechnen haben werde. Denn der Herr Finanzminister, dem ich meinerseits alle diese Verhältnisse vollkommen vorgetragen habe, so daß das Kastanienwäldchen nicht erst durch die von der Tribüne aus gefallenen Aeußerungen von der Sachlage unterrichtet wird, wird ganz sicher auf die Dauer der Ueberzeugung sich nicht ver⸗ schließen können, daß hier weiter abgeholfen werden kann.

Ich betrachte es als einen auf die Dauer nicht zu ertragenden Uebelstand, daß z. B. beim Oberlandekgericht Cöln, ebenso beim Oberlandesgericht Hamm jetzt je 10 Hilferichter beschäftigt sind, und zwar auf Grund dauernden Bedürfnisies, abgesehen von denjenigen Hilfsrichtern, die zur Verwaltung erledigter Stellen oder zur Ver⸗ tretung erkrankter Mitglieder des Oberlandesgerichts beschäftigt werden müssen.

Aber, meine Herren, bei der Prüfung dieser Frage muß doch auch immer der Umstand gewürdigt werden, daß nicht auf Grund augenblick⸗ licher Bedürfnisse, von denen sich nicht übersehen läßt, ob si auch dauernd sein werden, neue ctatsmäßige Stellen ge⸗ schaffen werden können; zumal in den Westprovinzen, ins besondere in den Industriebezirken, hat in den letzten Jahren sich eine so kolossale Geschäftszunahme ergeben, daß demgegenüber mit der Schaffung neuer ctatsmäßiger Stellen nicht in gleichem Tempo vor gegangen werden kann; cs muß mit der Möglichkeit, vielleicht soga mit der Wahrscheinlichkeit gerechnet werden, daß diese Zunahme de Geschäfte doch nicht eine dauernde ist, sondern daß wieder eine Ab nahme der Geschäfte erfolgen wird. Die Zunahme hängt wahrschein lich zusammen mit der augenblicklichen Depression der wirtschaftliche Verhältnisse, die selbstverständlich zu zahlreichen Rechtsstreitigkeite führt, zu denen es unter günstigeren wirtschaftlichen Erwerbsverhälk 8

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zur Vermehrung des etatsmäßigen Personals sich

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(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Meine Herren, die Zahl der Hilfsrichter ist besonders in der Rheinprovinz und Westfalen eine ganz besonders große; ich kann die Zahlen, die der Herr Abgeordnete angeführt hat, im Augenblick im einzelnen nicht nachprüfen, glaube aber, daß sie an⸗ nähernd der Wirklichkeit entsprechen. Soweit sich heraus⸗ stellt, daß das Bedürfnis für die Schaffung neuer Stellen ein dauerndes ist, halte ich mich für verpflichtet und werde mit allen Kräften dahin wirken, daß, wie es dem Wortlaut, dem Sinn und Geist unseres Gerichtsverfassungsgesetzes entspricht, diese Stellen auch etatsmäßig besetzt werden. Ohne Hilfsrichter wird allerdings nicht auszukommen sein; sie ergeben sich zu einer erheblichen Zahl schon aus den leider immer zunehmenden Krankheitszuständen unter den Richtern, und die Herren würden sehr erstaunt sein, wenn ich Ihnen die Zahl der Fälle mitteilte, in denen wir genötigt sind, für kranke Richter Vertreter zu schaffen. Eine große Rolle spielt namentlich die Krankheit unserer Zeit, die Neurasthenie, die eine unverhältnismäßig große Zahl von Richtern auf längere oder kürzere Zeit der Erfüllung ihrer Amtspflichten entzieht.

Bei der Staatsanwaltschaft liegt ja die Sache nicht ebenso wie bei den Richtern. Hier besteht nicht die gesetzliche Pflicht, sämtliche Stellen durch etatsmäßige Beamte verwalten zu lassen, und es beruht auf einer grundsätzlichen Auffassung, daß für die Staatsanwaltschaft auch im Etat eine ganze Reihe von etatsmäßigen Hilfsarbeiterstellen bewilligt ist, weil es erwünscht ist, gerade für die Staatsanwaltschaft die Herren erst längere Zeit in selbständigen Stellungen zu erproben, ehe man ihnen durch Verleihung einer wirklichen Staatsanwaltsstelle die Ver⸗ tretung dieses verantwortlichen und nach außen hin mehr oder weniger gefährdeten Postens überläßt. Dabei wird es auch in Zukunft bleiben. Daß dagegen auch bei der Staatsanwaltschaft da, wo das Bedürfnis als unabweislich herausstellt, dafür Sorge getragen wird durch Vermehrung der Stellen, das bezeugt nicht nur der diesjährige, das bezeugt auch der vorjährige und der vorvorjährige Etat.

Geheimer Finanzrat Halle: Die

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inanzverwaltung hat augen⸗

blicklich mit großen finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen; aber

trotzdem hat sie auch in diesem Etat der Errichtung einer größeren

1 von neuen Richterstellen zugestimmt. Das sollte doch auch an⸗ Offenkundigen Mißständen ist schon immer Rechnung etragen worden. Es ist zuzugeben, daß einzelne Gerichte einer Unter⸗ tützung bedürfen; aber es ist nicht immer so, daß dauernde Kräfte an⸗

8 gestellt werden müssen.

Abg. Dr. Eckels (nl.) bringt den Fall Nandenkötter zur Sprache, weist auf die großen Einnahmen dieses Kurpfuschers hin und gibt seiner großen Verwunderung darüber Ausdruck, daß dieser Mann gegen

ne Kaution von 15 000 auf freien Fuß gesetzt worden sei. In

folchen Fällen solle es überhaupt keine Haftentlassung gegen Kaution

eben, wenn ein Mann so schwerer Vergehen sich schuldig gemacht habe.

Justizminister Dr. Schönstedt: Meine Herren! Der Abg. Eckels hat bereits hervorgehoben, daß

der Justizverwaltung auf die von den Gerichten zu fassenden Beschlüsse über Verhaftungen oder über Nichtverhaftungen auf Grund von Sicher⸗ heitsleistungen ein Einfluß nicht zusteht. Die Strafprozeßordnung überläßt diese Eatscheidungen lediglich dem Ermessen des Gerichts, und ich habe bisher immer den Standpunkt vertreten, daß ich es mir

versagen müsse, auf die rechtsprechende Tätigkeit der Gerichte irgendwie einzuwirken in einer Weise, wodurch auch nur der Schein hervorgerufen werden könnte, daß ich die Unabhängigkeit der Gerichte irgendwie be⸗ einflußen wolle. Ich glaube, daß dieser Standpunkt im ganzen hohen Hause geteilt und anerkannt werden wird, daß die Uebelstände, die sich mög⸗ licherweise in der Praxis daraus ergeben können, daß der Justizver⸗ waltung ein Einfluß auf die gerichtlichen Entscheidungen nicht zusteht⸗ doch nicht annähernd so groß sind wie diejenigen, welche mit Not⸗ wendigkeit sich ergeben würden, wenn das umgekehrte Verhältnis ein⸗ träte. (Sehr richtig!)

Der Fall Nardenkötter ist mir nur aus den Zeitungen bekannt. Ich habe mit Bedauern ersehen, daß der Angeklagte, nachdem er die auf 15 000 festgestellte Kaution erlegt hatte, seine Freiheit benutzt hat, um sich der weiteren Verfolgung zu entziehen. Die Er⸗ wägungen, die das Gericht zu seinem Beschlusse geführt haben, daß nur eine Kaution in diesem Betrage gefordert wurde, entziehen sich meiner Kenntnis und, wie sich aus meinen Vorbemerkungen ergibt, meiner Nachprüfung. Möglicherweise hat dabei der Umstand mit⸗ gewirkt, daß das Gericht der Meinung gewesen ist, ein solcher Geschäftebetrieb wie der Nardenköttersche sei nur möglich unter Mithilfe der unglaublichen Tordeit zahlreicher Bevölkerungs⸗ Ulassen, die noch immer derartigen Kurpfuscherinstituten ihr Vermögen und ihre Gesundheit preisgeben, in Bestätigung des Sabeh, daß die Dummen nicht alle werden. Vielleicht hat für die künftig zu be⸗ messende Strafe das Gericht in diesen Tatsachen einen mildernden Umstand zu erblicken geglaubt. .

Möglicherweise bin ich aber gegen meinen eigenen Willen schuld an dieser etwas milden Auffassung des Gerichts gewesen. Die Herren werden sich erinnern, daß im Neovember vorigen Jahres in einer Ver⸗ handlung des Reichstages lebhafte Angriffe nicht nur gegen die Poliyei⸗ behörden, sondern auch gegen die Justizbehörden erhoben worden sind begüglich ihres Vorgehens bei Verhaftungen und bezüglich der Be⸗ handlung von Gefangenen. Gs ist zum erstenmal, daß heute eine Beschweide in umgekehrter Richtung vorkommt: wenigstens erinnere

einmal ein Anlaß gegeben war. bin e

Berlin, Sonnabend, den 14. Februar

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Minister des Innern, jeden der Einzelfälle, die den Gegenstand dieser Angriffe gebildet haben, Ihnen darzulegen, und ich glaube, daß Sie

daraus die Ueberzeugung gewinnen würden, daß im größten Teil dieser Fälle entweder die Angriffe unbegründet oder doch ganz erheblich über⸗ trieben waren. Ich will aber von der Darlegung der einzelnen Fälle absehen, soweit sie nicht besonders von mir verlangt werden wird, und mich auf folgendes beschränken.

Wenn, wie ich wiederhole, die seitens der Justizverwaltung an⸗ gestellten Ermittelungen ergeben haben, daß die Angriffe zum über⸗ wiegenden Teil der Begründung entbehrten, so habe ich mich doch der Ueberzeugung nicht verschließen können, daß auch seitens der Justiz⸗ behörden, speziell seitens der Staatsanwaltschaft bei der Beantragung und Anordnung von Haftbeschlüssen nicht immer mit der erforderlichen Vorsicht und Zurückhaltung vorgegangen ist, daß auch die Behandlung der Gefangenen, sowohl der Untersuchungs⸗ wie der Strafgefangenen, nicht immer den bestehenden Vorschriften entsprochen hat.

Meine Hereen, mit dem Herrn Minister des Innern gemeinsam habe ich unter dem 4. Dezember des vorigen Jahres bezüglich der Fesselung der Gefangenen diejenige Verfügung erlassen, die der Herr Minister des Innern hier schon erwähnt hat, und auf die ich daher nicht weiter eingehen will. Ich bemerke nur zur Aufklärung der Sache, daß der Gefangenentransport ausschließlich Sache der Verwaltung, der Polizeibehörden ist, daß dabei die Gerichte grundsätzlich gar nicht beteiligt sind, daß aber das Interesse, das auch die Justiz⸗ verwaltung an einer angemessenen Behandlung der Transport⸗ gefangenen hat, den Herrn Minister des Innern veranlaßt hat, mich bei der Erörterung zuzuziehen, deren Ergebnis diese gemeinsam er⸗ lassene Verfügung über die Fesselung von Gefangenen auf Trans⸗ porten ist. Ausnahmsweise kann es ja auch vorkommen und kommt es vor, daß solche Gefangenentransporte Justizbeamten, Gefängnis⸗ beamten aufgetragen werden, und für diese sind selbstverständlich die⸗ selben Grundsätze maßgebend, die in dieser Verfügung zum Ausdruck gebracht sind.

Ich habe ferner im Anschluß an die Verfügung des Herrn Ministers des Innern, die sich auf die Ausführung der Anordnungen bezüglich der Fesselung der Gefangenen im einzelnen bezieht und gewisse Vorschriften enthält, wonach schon kenntlich gemacht werden solle durch die Farbe der Transportzettel, um welche Art von Gefangenen es sich handelt, welcher Tat sie beschuldigt werden, welche Vergangen⸗ heit sie etwa haben, in welchem Maße ein Fluchtverdacht bei ihnen vor⸗ liegen wird, im Anschluß an diese Verfügung habe ich die zu⸗ ständigen Justizbehörden angewiesen, das zur Ausfüllung dieser Trans⸗ portzettel erforderliche Material überall, wo ihrerseits ein Transport veranlaßt wird, den Transportbehörden mitzuteilen.

Ich habe ferner am 13. Dezember v. J. eine Verfügung an die Vorstandsbeamten sämtlicher Oberlandesgerichte erlassen, welche sich mit der Behandlung der Untersuchungsgefangenen beschäftigt, indem ich es für nötig gehalten habe, die sämtlichen vielfach verstreuten Be⸗ stimmungen, die sich auf die Behandlung dieser Gefangenen in den Gefängnissen beziehen sie finden sich teils in der Strafprozeß⸗ ordnung, teils in der Gefängnisordnung, und zwar an verschiedenen Stellen übersichtlich zusammenstellen zu lassen, mit der Anweisung, daß diese Zusammenstellung den Gefängnisbeamten mitgeteilt wird, damit sie jeden Augenblick in der Lage sind, sich über den Umfang ihrer Rechte und Pflichten zu informieren. Diese Zusammenstellung umfaßt im ganzen 17 Nummern und sie enthält den Schlußsatz:

Ew. Hochwohlgeboren ersuche ich, dafür zu sorgen, daß die vorstehende Zusammenstellung allen Gefängnisbeamten genau bekannt gegeben wird und daß sie sowie die übrigen hinsichtlich der Untersuchungsgefangenen bestehenden Vorschriften von Ihren Beamten sorgfältig beobachtet wird. Zugleich spreche ich die ernste Erwartung aus, daß die höheren, mit dem Gefängniswesen betrauten Beamten sowie die Oberbeamten der Gefängnisverwaltung fort⸗ dauernd bestrebt sein werden, die Behandlung der Untersuchungs⸗ gefangenen je nach der Belegenheit des Einzelfalles und unter Be⸗ rückeichtigung der einzelnen Persönlichkeit herbeizuführen, sowie durch immer zu wiederholende Belehrung der Unterbeamten unter Be⸗ zeichnung von Beispielen darauf hinzuwirken, daß jede unnötige Härte und Schroffheit sowie jede Verletzung des Anstandes aus⸗ geschlossen wird.

Ich habe eine weitere allgemeine Verfügung unter dem 17. Dezember erlassen, die sich mit den Klagen über ungerechtfertigte Verhaftungen beschäftigt und auch noch das Thema einer ungehörigen Behandlung der Gefangenen streift. Ich habe hierin zum Ausdruck gebracht, daß. wenn auch die meisten nach dieser Richtung erhoberen Beschwerden sich bei ge⸗ nauer Prüfung als nicht dem Sachverhalt entsprechend ergeben, doch nicht in Abrede gestellt werden koͤnne, daß auch „seitens der Justiz⸗ behörden nicht immer bei der Herbeiführung von Verhaftungen mit der durch die Bedeutung der Sache gehotenen Vorsicht vorgegangen werde, und daß die Behandlung sowohl der Untersuchungs⸗ wie der Strafgefangenen häufig den bestehenden gesetllichen und Verwaltungs⸗ vorschriften nicht entspreche“. Ich habe darauf hingewiesen, daß Miß⸗ griffe auf diesem Gebicte das Anseden der Justiz gefährdeten und in weiten Kreisen ein Gefühl der Rechtsunsicherheit hervorzurufen ge⸗

seien, das beunruhigend wirken könne. Ich habe unter

naͤltere Verfügungen den Behörden der Staats⸗

an die allein ich mich ja in dieser Beziehung

zur Pflicht gemacht, in jedem einzelnen Falle

erwägen, ob die Untersuchungshaft oder die vorläußige

das Vorhandensein der in der Strafprozehordnung

Botaussetzungen begründet und geboten sei, und dei der Entschließung über diese Frage sich die große Tragweite eincs Cingriffs in die persöaliche Freiheit negelmäßig zu vergegenwärtigen. Wenn dies in allen Fällen geschehe, so set zu hoffen. daß begtündete Be⸗ über ungerechtfertigte Berhaftungen durch die Justihbebörden vorkommen würden. Das Gleiche sei zu erwarten,

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fangenen gegebenen Vorschriften immer eingedenk sind und jede Aus⸗ schreitung gewissenhaft vermeiden.

Den Aufsichtsinstanzen habe ich zur ernsten Pflicht gemacht, die Beobachtung der vorstehenden Grundsätze unausgesetzt zu überwachen und gegen Ueberschreitungen mit nachdrücklichem Ernst, gegebenenfalls im disziplinarischen oder strafrechtlichen Wege vorzugehen. Ich habe hinzugefügt, daß die menschlich erklärliche Neigung, Ordnungs⸗ widrigkeiten untergebener Beamten nachsichtig zu beurteilen, unter keinen Umständen zur Deckung roher oder inhumaner Amtshandlungen durch die Autorität der Vorgesetzten verleiten dürfe.

Den vorgesetzten Instanzen habe ich ausdrücklich zur Pflicht ge⸗ macht, auf die Herbeiführung und Erhaltung erträglicher Zustände in den nicht überall den Anforderungen der Zivilisation und Humanität vollkommen entsprechenden Gefängnissen nach Möglichkeit hinzuwirken

und da, wo das erstrebenswerte Ziel nach dem Zustande der Ge⸗

fängnisse nicht völlig erreicht werden kann, auf eine Milderung der vorhandenen Mißstände, insbesondere auf die peinlichste Sauberkeit hinzuwirken.

Endlich habe ich den Behörden zur Pflicht gemacht, alle auf diesem Gebiet zu ihrer Kenntnis kommenden Beschwerden, sei es, daß sie durch die Presse oder in anderer Weise zu ihrer Kenntnis kommen, zu verfolgen, der Sache nachzugehen und mit tun⸗ lichster Beschleunigung den Sachverhalt aufzuklären, damit je nach dem Ergebnis entweder eine Berichtigung der vielfach un⸗ richtigen Mitteilungen, namentlich in der Presse, eintreten oder auf Abhilfe Bedacht genommen und gegen den schuldigen Beamten ein⸗ geschritten werden könne. Ich habe mich dabei der Auffassung an⸗ geschlossen, die auch im Reichstage zur Sprache gebracht worden ist,

daß durch Schweigen der Behörden gegenüber derartigen unrichtigen

Mitteilungen vielfach falsche Vorstellungen über die Art und Weise

der Verhaftungen und der Behandlung der Gefangenen erweckt

werden, sich festsetzen und gelegentlich überall Glauben finden. Der Auffassung muß meines Erachtens entgegengetreten werden.

Das ist die Verfügung, die ich eingangs erwähnt und von der ich gesagt habe, sie könnte möglicherweise in der Nardenkötterschen Sache für die Richter bestimmend gewesen sein zu einer etwas milderen Auffassung bei der Beurteilung der Haftfrage. Selbstverständlich würde das meinen Absichten nicht entsprechen, ich glaube aber nicht, daß aus dem Nardenkötterschen Fall Ver⸗ anlassung für die Justizverwaltung gegeben ist, dieser Verfügung eine weitere allgemeine Verfügung folgen zu lassen, daß in denjenigen

Fällen, wo ein erheblicher Fluchtverdacht vorliege, wo eine hohe 48 Strafe zu erwarten sei, mit möglichster Strenge und Rücksichtslosigkeit

vorgegangen werden soll, daß man sich nicht mit einer unzureichenden

Sicherheitsleistung begnügen soll, um von einer an sich begründeten

Verhaftung abzusehen. Ich glaube, daß schon der Verlauf des vor⸗

liegenden Falles, der der Staatsanwaltschaft recht gegeben hat gegen.

über der Auffassung des Gerichtshofes, genügen wird, jedenfalls die Beamten der Staatsanwaltschaft vor einer ungeeigneten Auslegung meiner allgemeinen Anweisung zu behüten.

Ich habe auch ferner noch eine allgemeine Weisung erlassen über die Behandlung kranker Gefangener und die Art, wie es mit ihnen gehalten werden soll, wenn sie auf Grund vorläufiger Festnahme oder Verhaftung vorgeführt werden, ohne daß sie im Gefängnisse ihres Krankheits zustandes wegen Aufnahme finden können. Nach der Richtung hin hatten sich bei einzelnen Behörden unrichtige Auffassungen geltend gemacht, denen ich entgegengetreten bin.

In den Verhandlungen des Reichstages ist ferner, und zwar von Vertretern verschiedener Parteien, ein Punkt erörtert worden, der in den Beschwerden des Herrn Abg. Heine einen weiteren Raum ein genommen hat. Es bezog sich das auf die Frage, ob gegen einen Strafgefangenen, gegen den wegen einer neuen Straftat eine Unter suchung eingeleitet wird, die bereits begonnene Strafhaft durch An ordnung der Untersuchungshaft unterbrochen werden könne mit dem Erfolge, daß die tatsächliche Haft des Gefangenen um so länger dauert. übrigen den Auslassungen des Herrn Abg. zugestimmt hat, Beschwerden erhoben. Es ist gesagt worden, es müsse als absolut unzulässig angesehen werden, daß eine Strafhaft in eine

auf Grund neuer Anschuldigungen umgewandelt

das an an zwei Fälle, die in Oberschlesien gegen einen Zeitungkredakteur und eine Frau ich, die sich in Strafhaft befanden, nachträglich

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