1903 / 56 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 06 Mar 1903 18:00:01 GMT) scan diff

37. Sitzung vom 5. März 1903, 11 Uhr. Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Das Haus geht sur Beratung des Etats der Ver⸗ waltung der direkten Steuern über, die mit einer

Diskussion über den Titel der Einnahmen „Einkommensteuer“ beginnt. 1

I. von Eynern (nl.): Die jeßigen Steuerverhältnisse drängen dazu, Ref

ormen einzuführen. Von allen Seiten werden Klagen laut

übber die Fiskalität bei der Veranlagung. Der Redner weist auf die neueste Schrift des Senatspräsidenten beim Oberverwaltungsgericht Fuisting hin, in der praktische Vorschläge für eine Reform des Ein⸗ kommensteuergesetzes gemacht würden.

Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:

Meine Herren! Ich darf zunächst eine Frage beantworten, die der Herr Abg. von Eynern an mich gestellt hat, wie sich voraussicht⸗ lich die Zurückerstattungen im Jahre 1903 gestalten werden, nachdem der Agiogewinn als nicht der Einkommensteuer unterliegend seitens des Oberverwaltungsgerichts bezeichnet worden ist. Ich vermag eine bestimmte Summe, die wir mehr als wir angenommen haben, zurück⸗ erstatten werden, nicht anzugeben; dazu ist die Sache im Augenblick noch nicht zu übersehen. Sollte der Etatstitel dazu nicht ausreichen, so sind wir eben genötigt, den Etatstitel zu überschreiten und nach⸗ träglich die Zustimmung des hohen Hauses dazu zu erbitten.

3 Dann ist der Herr Abg. von Eynern eingehend auf das Buch des Herrn Senatspräsidenten Fuisting zurückgekommen und hat uns das Studium dieses Buchs empfohlen. Ich brauche Ihnen nicht zu versichern, daß wir auch ohnedem in ein eingehendes Studium dieses Buchs eingetreten sind. Ich kann mit Herrn von Eynern anerkennen, daß in dem Buch nach der materiellen, wie nach der formellen Richtung hin sehr wert⸗ volle Vorschläge gemacht sind, die wir bei den späteren Vorarbeiten für eine Reform des Einkommensteuergesetzes in die ernsteste Erwägung ziehen werden. Ich will auf die verschiedenen Vorschläge über die Abänderung des materiellen Steuerrechts hier nicht eingehen; nur zu einem Punkt muß ich mich äußern, den auch der Herr Abg. von Eynern gestreift hat, wenn ich ihn richtig verstanden habe. G Der Präsident Fuisting schlägt in seinem Buche vor, es solle die Einkommenbesteuerung erst bei der Grenze von 1500 beginnen, während sie bekanntlich jetzt schon bei 900 beginnt. Meine Herren, das wäre vom Standpunkt der Steuerverwaltung aus das er⸗ wünschteste, was uns passieren könnte; denn gerade die Veranlagung der kleinen Einkommen, insbesondere der Arbeiter, zwischen 900 und 1500 macht ein außerordentliches Maß von Arbeit. Von den 3 600 000 Veranlagungen entfallen, wenn ich nicht irre, etwa 2 8⁄ Millionen auf die Zensiten dieser Klasse. 8 Aber, meine Herren, ich würde es doch für einen großen Fehler halten, diesem Vorschlage gemäß zu verfahren. (Sehr richtig!) Zu⸗ nächst möchte ich fragen, woher wir den Ausfall von 21 Millionen Malkk decken sollen; denn die Maßnahme würde einen Ausfall von 1 Millionen bedingen. In dem Fuistingschen Buche wird vorge⸗ chlagen, die Progression früher einsetzen zu lassen und nicht bei einer Progression von 4 % Halt zu machen, sondern bis auf 4 ½ % zu gehen. Nun frage ich, würde gerade der jetzige Moment, bei dem tiefen Dar⸗ niederliegen der Landwirtschaft und bei den sehr schwierigen Verhält⸗ nissen der Industrie der geeignete Moment sein, um mit einer Er⸗ höhung der Progression der Einkommensteuer vorzugehen? Ich glaube, diese Frage entschieden verneinen zu müssen. Aber abgesehen davon, meine Herren, halte ich es grundsätzlich für falsch, die Zensiten mit Einkommen zwischen 900 und 1500 einfach von der Einkommensteuer frei zu lassen. (Sehr richtig!) GEs bildet sich bei uns im Lande immer mehr das Gefühl heraus, daß der einzelne Bürger dem Staate gegenüber nur Rechte, aber keine Pflichten habe. (Sehr wahr!) Ich brauche nur zu erinnern an die fortwährend sich steigernden Ansprüche im Reiche wegen Versorgung der Veteranen. (Sehr richtig! rechts.) Ich glaube, wir haben alle ein dringendes politisches Interesse daran, im Volke das Bewußtsein nicht absterben zu lassen, daß jemand, der Wohltaten von dem Staat erhält, auch die Pflicht hat, zu den großen Lasten, die dem Staat obliegen, seinerscits einen bescheidenen Beitrag zu zahlen (sehr 8 ; und das wird in dem Fuistingschen Buche voll⸗

„auf die Kommunalbesteuerung. Sie wissen alle, in wie außer⸗ tlichem Maße die Lasten der Kommunen gewachsen sind, und

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snirgenn efites lüzt; 8

Ich stimme dem Herrn Präsidenten Fuisting auch noch nach einer Richtung zu, daß wir suchen müssen, wenn wir in einer besseren Finanzlage sind, die Wohltaten der §§ 18 und 19 des Einkommen⸗ steuergesetzes noch weiter auszudehnen. Bekanntlich können die Abzüge für minderjährige Kinder nur erfolgen bei Einkommen bis 3000 ℳ, und ich glaube, wenn wir in bessern Verhältnissen sind, müssen wir suchen, diese Wohltat auch bei den Einkommen über 3000 bis zu einer gewissen Höchstgrenze einzuführen. Denn der mittlere Gewerb⸗ treibende, der für seine Kinder viel höhere Aufwendungen zu machen hat wie der Arbeiter, ist vielfach in dieser Beziehung schlechter gestellt (sehr richtig!:) wie ein hoch gelohnter Arbeiter mit 3, 4 und mehr Tagelohn, der nicht diese Aufwendungen zu machen hat für seine Kinder, wie die eben erwähnten Klassen. Sollten wir uns in bessern Verhältnissen befinden und zu einer Reform des Ein⸗ kommensteuergesetzes schreiten, so werden wir suchen müssen, nach dieser sozialpolitischen Richtung weiter ausbauend vorzugehen. (Bravo!)

Ich möchte mich auf das Materielle der Sache, namentlich auf die Anfechtungen, die in dem Buche von Fuisting gegen die Be⸗ steuerung der Aktiengesellschaften erhoben worden sind, hier nicht näher einlassen. Ich möchte auch den Vorschlag nicht näher erörtern, von der durchschnittlichen Besteuerung der letzten 3 Jahre ganz abzusehen und nur das Einkommen des letzten Jahres als maßgebend zu er⸗ klären, denn, meine Herren, der letzte Vorschlag, so viel Verlockendes er auch hat, würde in der Praxis sehr schwer durchführbar sein. Er würde den einzelnen Zensiten, namentlich aus gewerblichen Kreisen, welche in einem Jahre ein sehr hohes Einkommen gehabt haben können, und vielleicht im nächsten Jahre gar kein Einkommen haben, sehr schwer treffen. Er würde für den Staat, wo sich die Ausfälle ausgleichen, allen⸗ falls zu ertragen sein, aber unerträglich sein für die Kommunen. (Sehr richtig!) Man denke nur an die zahlreichen Kommunen, wie sie mir und vielen Herren im Westen bekannt sind, wo das Wohl und Wehe der ganzen Kommune von einem oder einigen industriellen Etablissements abhängt, (sehr richtig!), da würde durch ein ungünstiges Jahr die Kommune glattweg bankrott werden, während bei der Zu⸗ grundelegung von 3 Jahren sich das schon mehr ausgleicht. Auf diese Dinge will ich aber hier nicht näher eingehen.

Die Hauptkritik des Fuistingschen Buches richtet sich gegen die vielfachen Mängel des Verfahrens. Ich habe nie verkannt, daß auch jetzt noch mancherlei Mängel in dieser Beziehung bestehen, und ich bin dankbar für jede Anregung, die uns hier gegeben wird. Ich darf sagen, daß wir in dieser Beziehung nie müßig sind und auch ferner nicht müßig sein werden. Wir verfolgen jede Notiz in den Zeitungen, jede Be⸗ schwerde, die an uns gelangt, aufs eingehendste und untersuchen, wo Mängel vorgekommen sind, und suchen sie abzustellen. Ich schicke jedes Jahr meine Herren Kommissare wochenlang in die Provinzen, um das Verfahren zu prüfen, und zwar bis ins einzelne hinein. Ich habe im letzten Jahre wieder wochenlang Herren gehabt im Arns⸗ berger, Düsseldorfer und Wiesbadener Bezirk, um sich von dem Gange des Verfahrens Kenntnis zu verschaffen und etwaige Mängel abzu⸗ stellen. Ich würde auf die Fuistingsche Kritik des Verfahrens auch nicht näher eingehen, wofern sich diese Kritik auch in der Schärfe, in der sie in dem Buche enthalten ist, lediglich gegen die Zentralinstanz richtete. Wir sind im Finanzministerium Kummer gewöhnt, und auch sehr scharfe Angriffe tun uns weiter nicht wehe, und insbesondere weiß ich, daß der Herr Generaldirektor Wallach, der spezielle Chef der Steuerverwaltung, wie er ein hervorragendes Verdienst an dem Zustandekommen des Einkommensteuergesetzes hat, auch un⸗ ausgesetzt darüber wacht, die Mängel zu beseitigen und die bessernde Hand anzulegen, wo es möglich ist. Aber, meine Herren, als Chef einer großen Verwaltung habe ich die Verpflichtung, die Hunderte mir nachgeordneter Beamten und die Tausende von Bürgern, die mit der größten Hingabe ehrenamtlich sich in jedem Jahre der schwierigen Aufgabe hingeben, in Schutz zu nehmen gegen Angriffe, die meines Erachtens nicht gerechtfertigt sind. (Bravo!)

Meine Herren, in dem Buche des Herrn Fuisting finden Sie unter anderem folgende Ausführungen:

nämlich einer verschiedenen Handhabung 8 wird auch bei sorgfältiger und vorsichtiger Aufsichtsführung nicht vorgebeugt werden können, zumal da die Aufsichtsbehörden der Steuerverwaltung wegen der von ihnen wahrzunehmenden fiskalischen Interessen selbst nicht der Neigung zur Parteilichkeit und Willkür entrückt sind.

Meine Herren, ich muß eine derartige Behauptung, daß die Aufsichtsbehörden der Steuererwaltung in Bausch und Bogen der Neigung zur Parteilichkeit und Willkür sich hingeben, mit Entschieden⸗ heit zurüfkweisen. 8

In dem Fuistingschen Buch ist dann weiter gesagt:

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reinen Form ohne Inhalt geworden sei. Meine Herren, ich glaube, daß das Buch den Tausenden von Bürgern, die an dieser ehrenamt⸗ lichen Tätigkeit teilnehmen, durchaus unrecht tut. (Sehr richtig!) Es ist mir gerade aus diesem hohen Hause entgegengetragen, wie diese Männer, die jahraus jahrein sich diesem mühsamen Geschäft widmen, sich verletzt gefühlt haben durch eine derartig niedrige Be⸗ wertung ihrer Tätigkeit. Es ist mir eine liebe Pflicht, an dieser Stelle diesen Männern Dank und Anerkennung auszusprechen für die im Interesse des Staates jahraus jahrein geübte selbstlose, hin⸗ gebende Tätigkeit, und ich meine, diese Männer verdienten den Dank und nicht eine so niedrige Bewertung ihrer Arbeit. Ich halte auch die Behauptung, daß die Kommissionstätigkeit zu einer Form ohne Inhalt herabgesunken sei, für sachlich nicht zutreffend. Denn wie ist die Sachlage? Zunächst bei den kleinen Einkommen bis 3000 werden bekanntlich die Schätzungen von der Voreinschätzungs⸗ kommission vorgenommen. Es sind nicht weniger wie 3 300 000 Zensiten. Davon sind bei 3 150 000, also bei 95 % aller Zensiten, ohne weiteres die Vorschläge der Voreinschätzungskommission nachher von dem Vorsitzenden der staatlichen Veranlagungskommission acceptiert worden. Also die Haupttätigkeit hierbei liegt in den Händen der ehrenamtlich wirkenden Kommissionsmitglieder. Ihre Vorschläge sind bis auf ganz geringe Ausnahmen ohne weiteres von dem Vorsitzenden der Veranlagungskommission unverändert zu den seinen gemacht worden. Schon diese Tätigkeit der Herren beweist, wie wenig richtig die Behauptung ist, daß ihre Tätigkeit eine Tätigkeit des bloßen Scheins und ohne wirklichen Inhalt sei. In Berlin wirken nicht weniger wie 374 Voreinschätzungskommissionen mit 8770 Bürgern, und Sie können denken, welche Schwierigkeiten es hat, in Berlin und anderen großen Städten die Einkommensverhältnisse der einzelnen Bürger gerecht und unparteiisch zu ermitteln. Alle diejenigen, die die Verhältnisse praktisch kennen, werden mir bestätigen, daß auch bei den Veranlagungskommissionen die Tätigkeit durchaus keine scheinbare ist, sondern daß die Mitglieder ernst und gewissenhaft die einzelnen Fälle prüfen.

Es wird in dem Buch schließlich darauf Bezug genommmen, daß die Berufungen sehr schnell abgemacht werden in der Berufungs⸗ instanz. Das ist vollkommen zuzugeben; namentlich in den großen Bezirken werden viele Sachen an einem Tage abgemacht. Aber wie liegt die Sache? Der größte Teil der Berufungen entfällt auf die kleinen Zensiten zwischen 900 und 1500 Ihre Verhältnisse sind vorher näher geprüft und die Landräte bezw. die anderen Vor⸗ sitzenden der Veranlagungskommission selbst beantragen die Herab⸗ setzung der Steuer bei der Berufungsinstanz. Wenn diese Beamten selbst die Berüchsichtigung der Berufung beantragen, ist natürlich eine eingehende Prüfung nicht mehr nothwendig, und daher erklärt es sich, daß in der Berufungsinstarz viele Fälle an einem Tage abgemacht werden.

Einige Daten mögen Ihnen beweisen, wie auch die Zahl der Berufungen herabgegangen und hierin ein Zeichen zu erblicken ist, daß trotz aller Mängel, die ich nach wie vor anerkenne, die Bevölke⸗ rung mehr und mehr mit dem Gesetz sich befreundet. Wir haben 1891 noch 9 Berufungen auf 100 Zensiten gehabt, und diese Zahl ist herabgegangen auf 7 Zensiten, also nicht unerheblich gefallen.

Wollen Sie mir noch gestatten, einen Blick zu werfen auf die Tätigkeit vor dem Gesetz von 1891. Wir hatten 1891 im Finanz⸗ ministerium 18 000 Beschwerden von Klassensteuerpflichtigen. Das macht 11 vom Tausend, während jetzt Beschwerden beim Ober⸗ verwaltungsgericht nur 6000 eingehen gegen früher 18 000 von den nur Klassensteuerpflichtigen. Obwohl die Zahl der Zensiten sich enorm vermehrt hat, ist die Zahl der Beschwerden zurückgegangen und beträgt jetzt nur noch 1,8 vom Tausend gegen früher 11 vom Tausend.

Meine Herren, eine Behauptung muß ich noch zurückweisen, auf die auch der Abg. von Eynern eingegangen ist. In dem Buch des Herrn Fuisting heißt es wörtlich:

Wenn die Sozialdemokraten unter den Mittelständen weitere Ver⸗ breitung finden, so sind die Ursachen sicherlich nicht an letzter Stelle in der Unzufriedenheit mit den steuerlichen Einrichtungen zu suchen Meine Herren, ich muß auch diesen, wie mir scheint, überaus schweren Vorwurf als sachlich durchaus ungerechtfertigt zurückweisen. (Sehr richtigt) Denn gerade die Mittelstände haben alle Ursache zufrieden zu sein mit dem Gesetz, dessen ganze Grundtendenz ist, die Großer steuerlich Kräftigen heranzuziehen und die Mittleren und die Kleinere steuerlich minder Kräftigen zu entlasten. Daß diese Grundtendenz de Gesetzes erreicht worden ist, meine Herren, das unterliegt keine Zweifel. Unsere ganze neue steuerliche Gesetzgebung hat sich in diesem sozia politisch richtigen Rahmen bewegt. Wir haben, während die Einkommen, steuerpflicht früher bei 420 anfing, im Jahre 1883 die Einkomme steuerpflicht erst bei 900 beginnen lassen und diese durch das G setz von 1891 aufrecht erhalten. Durch das Gesetz von 1891 ist, m Sie alle wissen, aber ferner eine sehr wertvolle Degression nach unten eingetreten, die die minder Steuerkräftigen entlastet. W. haben den § 18, dessen ich vorhin erwähnte, der die Berücksichtigmn der Kinder ermöglicht, eingeführt, und allein aus diesem Paragrapbe jährlicher Steucrautfall von 5 ½ Millionen Ma⸗

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Meine Herren, die Sache erinnert mich an einen Herrn der früher im Finanzministerium mit mir arbeitete. Dieser hielt jede Landes⸗ melioration geradezu für eine Erfindung des Teufels (Heiterkeit), weil alle die Landesmeliorationen, die zu uns ins Finanzministerium kamen, natürlich mißglückt waren; die Hunderttausende, die wir als Darlehn gegeben hatten, mußten wir erlassen; aber derselbe Herr übersah, daß neben diesen verunglückten Meliorationen unendlich viel mehr ge⸗ glückte Meliorationen im Lande vorhanden waren, von denen wir einfach keine Kenntnis hatten. So, meine ich, ist es auch hier nicht richtig, wenn auch menschlich naheliegend, aus diesen, wenn auch zahlreichen, so doch vereinzelten Beschwerden ohne weiteres einen Schluß auf das ganze Verfahren zu ziehen.

Nun hat Herr von Eynern gesagt, er hoffe, daß ich bald an eine Reform des Einkommensteuergesetzes herangehen werde. Meine Herren, wir sind immer dabei, die sachliche, eingehende Vorbereitung für eine künftige Reform zu treffen; aber ich warne dringend davor, diese Reform etwa zu überstürzen und von heute auf morgen zu machen. Meine Herren, es ist überhaupt eine deutsche Sitte, wenn sich irgendwie ein Fehler zeigt, sofort die Klinke der Gesetzgebung zu ergreifen und nun ein neues Gesetz zu machen. Glauben Sie denn, daß irgend ein Einkommen⸗ steuergeset, und wenn es vom Himmel herabkäme, populär sein könnte, das ist ausgeschlossen, und wenn Herr Fuisting selbst das Gesetz machte, es würde auch angegriffen werden. Sie kennen alle das bekannte Wort, daß die Pflichten des Preußen darin bestehen sollen: Soldat zu werden, den Mund zu halten und Steuern zu zahlen. Soldat wird jeder gern; Mundhalten kann er nicht, das ist direkt contra naturam nostri generis, und das Steuernzahlen ist ihm beinahe ebenso unangenehm wie das Mundhalten. Das ist ganz naturgemäß und begreiflich; mit dieser menschlichen Schwäche werden wir rechnen und immer rechnen müssen, und deswegen wird jedes Steuergesetz, wie es auch gestaltet sein mag, erheblichen Ein⸗ wendungen begegnen.

Ich meine aber weiter, meine Herren, wenn wir an die Reform des Einkommensteuergesetzes herangehen, daß wir ein Plus aus dem Gesetz nicht erzielen werden, sondern daß die Finanzverwaltung wahrscheinlich stark geschoren aus diesem Prozeß hervorgehen wird. Denn ob wir auf die Dauer nicht noch Erleichterungen nach verschiedenen Richtungen hin werden gewähren müssen, möchte ich selber zugeben. die Landschaftszinsen in Abzug bringen müssen; wir werden den § 18, wie ich angedeutet habe, voraussichtlich aubauen müssen, und es sind eine Menge anderer Petita, die alle nach der Richtung hin wirken, das Aufkommen aus dem Einkommensteuergesetz herabzumindern. Wenn wir zu einer Revision schreiten, können Sie daher sicher sein, daß eine erkleckliche Anzahl von Millionen nicht mehr in unsern Säckel kommen werden, und ich frage, ob gegenwärtig bei 72 Millionen Defizit der Moment gekommen ist, ein solches Ex⸗ periment zu machen.

Meine Herren, ich möchte damit schließen und kann nur nochmals betonen, daß wir alles, was zu einer Reform des Einkommensteuer⸗ gesetzes führen wird, auf das ernstlichste erwägen und, soweit angängig, berücksichtigen werden. Aber ich meine, ich bin es dem Andenken meines großen Amtsvorgängers von Miquel schuldig, hier auszusprechen, wie das Gesetz trotz aller Mängel im einzelnen ein Werk großen Stils gewesen ist, für das ihm das preußische Vaterland allezeit Dankbarkeit schuldet. Denn daß der Gesetzentwurf theoretisch und praktisch ein großer Wurf gewesen ist, wird von der ganzen sozial⸗ politischen Wissenschaft anerkannt, und ich meine, man soll sich das Anerkenntnis der großen Vorzüge dieses Gesetzes nicht trüben lassen durch das fernere Anerkenntnis von Mängeln, die noch bei der Aus⸗ führung bestehen. Wir sind unausgesetzt dabei, diese Mängel zu be⸗

seitigen, und ich verspreche auch hier dem hohen Hause, daß wir jeder

berechtigten Beschwerde, die an uns herantritt, wie wir das nach bestem Gewissen bisher auch schon getan haben, bemüht sein werden,

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Beispielsweise werden wir die Amortisation für⸗

eine Unterbindung des Kreditgenossenschaftswesens und eine pöllige Verkennung der Bedeutung des Schecks für den Kleinhandel und das Gewerbe. Die Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts wirken schädigend auf die volkswirtschaftliche Entwickelung und die Organi⸗ sation der Genossenschaften ein; das ist ein nachteiliger Fiskalismus. Hier darf der Minister nicht auf eine Reform des Gesetzes warten, sondern er muß mit einem Erlasse eingreifen.

Abg. Kirsch (Zentr.): Herr Fuisting ist in seiner Kritik der bestehenden Steuergesetzgebung entschieden zu weit gegangen. Trotzdem betrachte ich diesen Herrn als einen Kronzeugen für die Notwendigkeit der Reform der Steuergesetz ebung, und deshalb freute ich mich zu hören, daß der Finan nicht mehr auf einem streng ab⸗ lehnenden Standpunkt steht. Er hat freilich gesagt wie es auch beim Kanal heißt —: sie wird seinerzeit kommen, und hat allerlei Bedenken vorgebracht, aber ich meine, es muß diese Reform ausgearbeitet und baldigst in Wirksamkeit gesetzt werden. Die Ge⸗ werbesteuer bedarf in der Tat, wie schon der Vorredner gefordert hat, ebenfalls einer Reform. Die Frage der Abzugsfähigkeit gewisser Auf⸗ wendungen muß anders geregelt werden. In diesem Sinne ist auch unser Antrag zu § 9 des Gesetzes eingebracht worden, nach welchem gewisse Kommunalabgaben abzugsfähig sein sollen. Die Grundsteuer nach dem gemeinen Wert wird an einzelnen Orten als Bauplatz⸗

steuer auferlegt; das mag für einzelne Berliner Vororte angängig

erscheinen, aber im allgemeinen muß ich mich dagegen aussprechen. Die Reichstagsabgeordneten, die keine Diäten Faisprechen. Mehrkosten, die der Aufenthalt in Berlin verursacht, von dem Steuer⸗ einkommen abziehen dürfen; das ist eine Frage, die auch näher zu er⸗ wägen ist. Die Furcht vor einem Einnahmeausfall darf die Reformen nicht verzögern.

Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:

Die Ausführungen des Herrn Abg. Kirsch beweisen, wie mannig⸗ fach schon das Bukett von Wünschen ist, das mir hier entgegengetragen wird, wenn wir an eine Revision des Einkommensteuergesetzes gehen, und Herr Kirsch hatte die Freundlichkeit, anzudeuten, daß er noch alle möglichen Blüten in sein Bukett hineinzubringen in der Lage sein wird. Also Sie können sich ungefähr vergegenwärtigen, mit welchem materiellen Erfolg eine Revision des Einkommensteuergesetzes ab⸗ schließen wird. Ich will auf einzelne Punkte hier nicht eingehen; nur auf einen, den Herr Kirsch in einem besonderen Antrag niedergelegt hat, nämlich auf die Frage der Abzugsfähigkeit der Gemeindesteuer. Es ist so glücklich und reizend, Geschenke zu machen, wenn man die Verantwortung dafür nicht zu tragen hat. Wenn Herr Kirsch die Freundlichkeit haben wird, mir die 4 Millionen das macht nämlich die Sache aus von anderer Seite zu ersetzen, so würde ich mit mir sprechen lassen. Ich vermute aber auch, daß er die Achseln zucken wird, wenn ich an ihn herantrete mit dem Wunsch, mir auf andere Weise die 4 Millionen zu verschaffen.

Die Frage der Abzugsfähigkeit der Gemeindesteuern ist in der Tat eine Frage, die verschieden beantwortet werden kann. An sich ist der theoretisch richtige Standpunkt der, daß die Staatssteuer die primäre ist und von dem staatssteuerpflichtigen Einkommen nicht die Gemeindesteuer abzuziehen ist; denn die Staatssteuer ist der Ausfluß des Staatshoheitsrechts, und das ganze Steuerrecht der Gemeinden ist lediglich eine Delegation des Hoheitsrechts des Staats. Also die Staatssteuer ist die ursprüngliche, und wir brauchen uns nicht ge⸗ fallen zu lassen, daß die Gemeindesteuer von dem Einkommen abgezogen wird.

Es kommt hinzu, daß, wenn wir die Gemeindesteuern abziehen lassen, wir vollkommen von der Wirtschaftlichkeit und Unwirtschaftlich⸗ keit der einzelnen Kommunen abhängen. Eine Kommune, die schlecht wirtschaftet und sehr hohe Steuern erhebt, beeinträchtigt auf diese Weise das Aufkommen der Staatseinkommensteuer. Ob man einmal in späterer Zeit bei einer Revision des Gesetzes dahin kommen wird, die Gemeindesteuern abzuziehen, darüber kann ich mich heute nicht aussprechen. Ich möchte davor warnen, im Augenblick der Anregung Folge zu geben und die Abzugsfähigkeit der Gemeindesteuern zu be⸗ schließen. Ich wüßte nicht, woher man Ersatz nehmen sollte, und ich würde es nicht für richtig halten, einzelne Punkte herauszuheben, ehe

Abg. von Evynern (nl.) geht auf die des Abg. Kirsch ein und kommt auf die Reform 22 zurück die Futstingsche K keineswegs

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1903. Einschätzungen vornähmen;

Aufsicht. denn es besteht eine viel zu scharfe

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (fr. kons.): Nach meiner Meinung wird eine Befreiung der Einkommen bis 1500 von der Staatssteuer schon mit Rücksicht auf die Kommunen un⸗ möglich sein; die kommunalen Finanzen würden in größte Un⸗ ordnung geraten. Ich halte es für erforderlich, daß die kommunalen Realsteuern abzugsfähig sind; denn man soll nicht Steuern für etwas entrichten müssen, was man nicht besitzt, sondern an einen Dritten zu zahlen hat. Diese Ungerechtigkeit wird bei einer Reform der Steuergesebgebung beseitigt werden müssen. Wenn das Haus so fortfährt, wie ich es in der letzten Zeit beobachtet habe, in dem Bestreben nach Vermehrung der Ausgaben und Ver⸗ minderung der Einnahmen, so werden wir Zuständen entgegentreiben, wie sie im Reiche herrschen. Dies tritt vor allem bei der Eefenbahn⸗ verwaltung in die Erscheinung: wenn alle Wünsche hinsichtlich neuer Linien, Vermehrung von Schnellzügen usw. erfüllt werden sollten, würde eine Mehrausgabe von jährlich 40 Millionen entstehen, ohne die Erhöhung der Summe der Beamtengehälter, die allein 30 Millionen Mark verschlingen würde. Vom Reiche können wir in absehbarer Zeit keine Zuschüsse erwarten. Bei der Prüfung, wie diese Verhält⸗ nisse abzuwenden sind, bin ich darauf gekommen, daß in weiten Kreisen das Gefühl dafür verschwunden ist, daß die Staatsbedürfnisse aus der gesamten Steuerlast zu bestreiten sind; wie schnell würden die Eisenbahnwünsche verschwinden, wenn zu ihrer Befriedigung die Erhebung von 3,4 Monatsraten der Einkommensteuer als Zuschlag nötig würde. Mit Rücksicht auf die Balancierung des Etaks wird es bei der künftigen Reform der Erwägung wert sein, ob nicht all⸗ jährlich der Satz der Einkommensteuerquote durch das Etatsgesetz fest⸗ gelegt werden Lal. Das wird guch zur Sparsamkeit anhalten.

Abg. Pohl (frs. Vgg.) tritt der entgegen, daß die Landwirte zu viel für Lebensmittel in Abzug brächten. Für Maschinen sei die Abzugsquote von 5 % zu gering, 10 % wären das Richtige.

Der Titel „Einkommensteuer“ und dann das ganze Kapitel der Einnahmen werden genehmigt.

Bei dem Titel der Ausgaben „Verwaltung des Grund⸗ und Gebäudesteuerkatasters“ bittet

Abg. Cahensly (Zentr.) um Anstellung eines Katasterzeichners neben dem Katasterkontroleur.

„Generaldirektor der direkten Steuern Wallach: Diese Angelegen⸗ heit ist Gegenstand fortgesetzter Erwägungen; doch kann hier nur lokalen Wünschen Rechnung getragen werden.

Abg. von Neumann⸗Großenborau (kons.): Bei dem Umfa den die Geschäfte der Katasterbeamten angenommen haben, muß a für deren Ausbildung besser gesorgt werden. Dazu ist nötig, daß als Vorbedingung für die Anstellung die Ablegung der Reifeprüfung ver⸗ langt wird.

Abg. Hofmann (nl.): Im wesentlichen kann ich mich nur der Forderung des Vorredners anschließen. Für die Kataster⸗ beamten ist das Abiturienteneramen ebenso notwendig wie für die Tierärzte. Das Einrücken der Katasterbeamten in bessere Stellen ist aber ganz ausgeschlossen, weil niemand etwas von einem Freiwerden der Stellen erfährt; die freien Stellen werden nirgends ausgeboten. Auch sonft ist die Lage der Katasterbeamten nicht gerade beneidenswert.

im sie einigermaßen erträglich zu machen, ist es nötig, die Dienst⸗ aufwandsentschädigungen zu erhöhen.

Generaldirektor der direkten Steuern Wallach dankt den beiden Vorrednern für das Wohlwollen, das sie den Katasterbeamten werden lassen. Die vorgebrachten 8124 12. üglich der A können jedech nicht einseitig von der erledigt werden.

Frage der Bekanntmachung von Vakanzen ist eine sehr schwierige, ebenso die der Dienstaufwandsentschädigung.

Abg. (nl.) tritt nochmals für eine Verbesserung der Verhältnisse der Katasterbeamten ein. 8 8 8

Der Titel wird genehmigt.

Zu dem Titel „Amtskostenentschädigungen für Rentmeister“

bemerkt

nbp. Dr. Rewoldt 8 kons.): Ein Rentmeister muß ein unaufgeklärtes Mehr in die Staatskasse abführen, für das Weniger muß er aber aufkommen. d 400 bis 500 Empfänger ab-

ferti d dabei NS vermeidlich. bitt 8. zu en. Ein R 8 i 1 ein Mank Ce ean,dgeiee e Eeices Lemnern es,de S,n en blwollen werde. Die Ausgaben des Etats der direkten Steuern werden dann genehmigt. Es folgt der Etat des Kriegsministeriums, der in Einnahme und Ausgabe ohne Erörterung bewilligt wird. Hierauf gelangt der Gesetzentwurf, betreffend die Be⸗ Füüt gaa weiterer EE1“ Verbesserung der Wohnungsverhältnisse von Arbeitern, die in staatlichen Betrieben beschäftigt sind, und von gering desoldeten Staatsdeamten, in mit der Denkschrift über die von

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