1904 / 38 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 13 Feb 1904 18:00:01 GMT) scan diff

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G 9 eintritt, infolgedessen eine Ueberproduktion stattsinden und das Kali billig an das Ausland verschleudert werden könnte. Der Wert des Kainits für die Landwirtschaft wird immer mehr erkannt. Die Gefahr einer Erschöpfung unserer Werke, die wir nur in Deutschland allein haben, würde bei einer Ueberproduktion sehr nahe an uns herantreten. Wenn ich auch nicht für ein Ausfuhrverbot hin, so muß doch die Re⸗ gierung dafür sorgen, daß das Kali nicht billig an das Ausland ver⸗ schleudert wird. Minister für Handel und Gewerbe Möller:

Meine Herren! Die Tatsache, daß gegenwärtig eine erhebliche Ueberproduktion an Kalisalzen besteht, ist leider nicht abzuleugnen. Die Aussicht, große Erträgnisse aus dem Kalibergbau zu ziehen, hat vor einem Jahrzehnt zur Vornahme einer enormen Zahl von Boh⸗

ungen und demnächst anschließend an günstige Funde zur Etablierung einer großen Reihe neuer Kalibergwerke geführt. Die Zahl der be⸗ triebenen Kaliwerke ist dadurch so groß geworden, daß eine Erneuerung des demnächst ablaufenden Syndikats wesentlich erschwert worden ist, indem die sogenannten alten Werke, die älteren Mitglieder des Syn⸗ dikats, bisher nicht zu einer Verständigung mit den neuen haben kommen können; die große Zahl der Werke hat zudem zu einer erheblichen Verminderung der Erträge geführt.

Mein Amtsvorgänger Herr von Berlepsch hat, wie der Herr Vorredner richtig hervorgehoben hat, im Jahre 1894 diesem hohen Hause einen Gesetzentwurf vorgelegt, worin er, um eine Regulierung der Produktion durch den Staat herbeiführen zu können, darauf aus⸗ ging, den Besitz der Kalisalze in ein Staatsmonopol überzuführen, indem der Staat die Gewinnung der Kalisalze als Regal erklären sollte. Das hohe Haus hat damals diesem Gedanken nicht zu⸗ gestimmt, sondern mit unerheblicher Mehrheit ihn abgewiesen. Er hat daher nicht weiter verfolgt werden können. Inzwischen ist dadurch eine erhebliche Verschiebung der Unterlagen für ein solches Regal eingetreten, daß gerade im letzten Jahrzehnt ungemein große Funde von Kalisalzen gemacht worden sind in der Provinz Hannover, in der ein anderes Bergrecht herrscht als im übrigen Königreich Preußen. Dort gehören die Kalischätze dem Grundeigentümer, und, nachdem in so erheblichem Maße die Grundeigentümer bereits Vorteil aus ihnen gezogen haben und ziehen, halte ich es für vollständig aus⸗ geschlossen, heute dem Gedanken näher zu treten, den Grundeigen⸗ tümern von Hannover dieses Privatrecht durch Einführung eines Kali⸗ monopols nehmen zu wollen. Darin liegt eine solche Schwierigkeit, daß man überhaupt diesen Gedanken, zu einem Monopolbesitz der Kalisalze für den preußischen Staat zu kommen, aufgeben muß. Da⸗ gegen würde immerhin die Anregung des Herrn Vorredners zu erwägen sein, ob es möglich wäre, daß man in den übrigen Bezirken, in denen das allgemeine preußische Bergrecht herrscht, in denen also dem Finder das Salz gehört, auf das 94er Gesetz zurück⸗ geht. Das würde aber die Regierung nur tun, wenn

sie sicher wäre, daß eine Mehrheit dieses hohen Hauses die Weiterführung des Gedankens wünschte. Wenn nicht, muß die Regierung annehmen, daß mit dem Verdikt des Gesetzes vom Jahre 1894 auch die Meinung des hohen Hauses gesprochen ist.

Was das Syndikat selbst betrifft, so bin ich nicht so hoffnungslos wie der Herr Referent und auch der Herr Vorredner zu sein schien. Ich bin der Meinung, daß die Macht der Verhältnisse doch schließlich stärker sein wird als der Widerstand vieler Elemente, die sich gegen⸗ wärtig noch nicht wieder vertragen können. Es wäre ein durchaus unnatürlicher Zustand, wenn man durch Herbeiführung der freien Konkurrenz dahin kommen würde, eine Verschleuderung der Salze nach dem Auslande herbeizuführen, um dann im Inlande womöglich, um auf die Kosten zu kommen, die Salze zu teureren Preisen ver⸗ kaufen zu müssen. Bisher ist das Bestreben des Kalisyndikats immer gewesen, dem Inlande die billigeren Preise zu geben (Bravol) und dem Auslande die teureren. Wenn aber die biesherige Orga⸗ nisation zu Bruche geht, dann liegt allerdings die Gefahr vor, daß, wie ich eben sagte, das Gegenteil eintritt. Wir wollen also nicht die Hoffnung aufgeben, daß das allgemeine Interesse dahin dringen wird, daß die widerstrebenden Elemente sich wieder zusammen⸗ finden, und daß wie bisher eine verständige Ausbeutung der Kalischätze stattfinden wird, in denen wir ja glücklicherweise die Monopolbesitzer in der Welt sind, ein Glück, wie es selten vorkommt.

Was nun speziell die Befürchtung des Herrn Abg. von Arnim be⸗ trifft in bezug auf die Kainite, von denen in der Begründung des Ge⸗ setzes von 1894 die Rede ist, so sind inzwischen neben den Kainiten eine ganze Reihe von anderen, gleichwertigen und teilweise noch reicheren Kalisalzen gefunden worden. Für die Versendung in das Ausland kommen wegen der hohen Frachten aber hauptsächlich nicht die Kainite, sondern kalireichere Salze in Betracht. Diese kalireicheren Salze werden zum Teil direkt gefunden; zum größeren Teil werden sie durch Verarbeitung der rohen Kalisalze in chemischen Fabriken auf Chlorkalium und andere hochprozentigen Salze gewonnen und so in den Handel gebracht. Der Kainit würde dem ausländischen Konsumenten wegen seines hohen Gehalts an fremden Bestandteilen, die für die Landwirtschaft keinen Wert haben, für welche er aber Fracht bezahlen muß, nur unnütze Frachtausgaben verursachen. Soviel ich im Augenblick unterrichtet bin, richtet sich aus diesen praktischen Gründen heraus die Ausfuhr vorwiegend auf die reicheren Kalisalze und weniger auf den Kainit. Für die den Kalilagern näher gelegene Landwirtschaft ist es von Wert, die Kainite zur Hand zu haben, weil bei den geringeren Entfernungen die Fracht wenig mitspricht und ein direkt aus der Grube gewonnenes Salz billiger abgegeben werden kann als ein Salz, das erst in der chemischen Fabrik verarbeitet worden ist. Der Herr Vorredner kann versichert sein, daß wir, da wir felbst die Vorteilhaftigkeit des Syndikats nicht nur für den Fiskus sondern ebenso für die Landwirtschaft er⸗ kennen, der Erneuerung des Kalisyndikats durchaus sympathisch gegen⸗ überstehen. (Bravo!)

Abg. Wallbrecht (nl): Der Gesetzentwurf von 1894 ist glück⸗ licherweise abgelehnt worden. Ein Ausfuhrverbot würde uns großen Schaden bringen, denn gerade an dieser Ausfuhr kann verdient werden. Unsere Schätze sind unerschöpflich. Es werden immer mehr Vorräte aufgedeckt. Für die Landwirtschaft ist es besser, wenn wir ihr billige Frachten geben und die Wasserstraßen ausbauen. Ich würde mich

reuen, wenn das Syndikat zu stande käme; wenn es nicht geschieht, ist es auch kein Unglück.

Bei den Einnahmen aus den Badeanstalten fragt

Abg. Dr. von Savigny (Zentr.) an, warum noch immer

nicht ein Gesetzentwurf zum Schutze der Mineralquellen eingebracht

werde.

Minister für Handel und Gewerbe Möller: Meine Herren! Ich habe bereits in der Kommission Auskunft dahin gegeben, daß es an fleißiger Arbeit bezüglich dieses Gefetz⸗

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entwurfs nicht gefehlt hätte, daß wir seit mehreren Jahren in kom· missarischer Beratung begriffen wären, daß die Materie aber uͤberaus schwierig sei. Ich darf das aber jetzt vielleicht dahin ergänzen, daß vor allen Dingen die Frage Schwierigkeiten macht, ob man sich lediglich darauf beschränken soll, was der Herr Vorredner besonders hervorgehoben hat, nur die Heilquellen zu schützen, oder 88 man eben alle anderen Quellen, alle gewöhnlichen kohlensauren Quellen, die heute einen großen industriellen Wert haben, schützen solle. Gerade die Herren aus dem linksrheinischen Gebiet, aus der Eifel usw., in dem zahlreiche Quellen letzterer Art vorkommen, dringen vor allen Dingen sehr darauf, daß nicht nur die Heilquellen, sondern auch die anderen Quellen geschützt werden. (Abg. Dr. von Savigny: Sehr richtig!) Darin liegt noch eine erhebliche Schwierigkeit, die noch nicht vollständig gelöst ist. Im übrigen kann ich entgegen dem, was ich in der Kommission gesagt habe, hier ausführen, daß die Arbeiten in der Kommission gerade in der letzten Zeit so gefördert sind, daß sie nahezu zum Abschluß gekommen sind. Damit ist das letzte Stadium aber noch nicht erreicht und vor allen Dingen die eine Frage, ob alle Quellen oder nur die Heilquellen geordnet werden können, ist noch nicht vollständig gelöst. Also ich kann kein bestimmtes Versprechen geben, ob noch in dieser Session der Gesetzentwurf fertig wird; aber ich habe die feste Zuversicht, daß wenn nicht in dieser Session, doch sicherlich für die nächste. (Bravo!)

Bei den Ausgaben und zwar bei dem Titel „Betriebs⸗ kosten der Bergwerke“ bemerkt

Abg. Marx (Zentr.): Trotz der früheren Zusagen des Ministers sind noch immer die Klagen über die politische Beeinflussung der Berg⸗ beamten und der Bergarbeiter im Saarbrücker Revier begründet. Der Redakteur der „Neunkirchener Zeitung“ hat wegen Beleidigung der Saarbrücker Bergbehörde wiederholt vor Gericht gestanden, der Staatsanwalt hat im ersten Fall 9 Monate Gefängnis, im zweiten Fall 6 Monate Gefängnis gegen den Redakteur beantragt, das Gericht verurteilte ihn aber nur zu 300 bezw. 2900 Geldstrafe. Das spricht Bände. Zeugeneidlich ist festgestellt, daß der Vorsitzende der Saarbrücker Bergwerksdirektion, Geheimrat Hilger, u. a. zu dem Beamten Adams gesagt habe, wer nicht für den von ihm empfobhlenen nationalliberalen Kandsdaten stimme, müsse fliegen. Die Versetzung des Bergmeisters Adams ist lediglich auf seinen Zusammenstoß mit Geheimrat Hilger wegen der politischen Gesinnung zurückzufüͤhren. Der Redner führt eine Reihe einzelner Fälle an, in denen durch die Bergwerksdirektion und deren Beamte eine unzulässige Wahl⸗ beeinflussung der Beamten und Arbeiter zu Gunsten des national⸗ liberalen Kandidaten, Geheimen Bergrats Prietze stattgefunden habe. Es werde entgegnet werden, daß vor Gericht auch erwiefen sei, daß im Jahre 1898 ein Pastor Didis mit Entziehung der Sakramente gedroht habe, wenn die Arbeiter liberale Versammlungen besuchten. Diese Aeußerung sei gewiß zu bedauern, aber tatsächlich seien den Leuten nach deren eigenen Aussagen bei den Sakramenten keinerlei Schwierigkeiten gemacht worden, und deshalb falle eine solche Aeuße⸗ rung gar nicht ins Gewicht gegenüber den Beeinflussungen der Berg⸗ behörde. In dem Prozeßverfahren sei den Beamten die Genehmigung zur Beantwortung gewisser Fragen durch den Geheimen Rat Hilger nicht erteilt worden. Dadurch werde der Angeklagte zum Märtyrer gestempelt, das Volk müsse dann glauben, daß mehr dahinter stecke, als dabei herausgekommen sei. Es frage sich, ob dies dem Staat nütze. Die Regierung solle dafür sorgen, daß die Beamten sich voll⸗ kommen frei am politischen Leben beteiligen könnten. Das würde Recht und Gerechtigkeit sein. v““

Minister für Handel und Gewerbe Möller:

Meine Herren! Wie ich im vorigen Jahre hier ausgeführt habe,

habe ich vor Beginn der neuen Wahlperiode wiederum einen Erlaß nach Saarbrücken geschickt, worin ich ausdrücklich verlangt habe, daß streng nach Recht und Gefetz verfahren werde und keine Parteilichkeit, die gegen das Gesetz verstieße, irgendwie vorkommen dürfe. Ich habe andererseits, genau wie im vorigen Jahre, allerdings gesagt, in bezug auf Ausübung ihres persönlichen Wahlrechts könne ich die Beamten nicht beeinträchtigen. In dem Saarrevier ist nun einmal leider eine Verschärfung der Gegensätze eingetreten, wie sie, Gott sei Dank, nicht in vielen Distrikten Deutschlands besteht; und so ruhig und ge⸗ mäßigt die Rede des Herrn Vorredners war, so strahlte aus ihr die Erregung des Bezirks doch vider. Wenn der Herr Vorredner ausgeführt hat, daß die gerichtlichen Er⸗ kenntnisee in den drei Prozessen kein Verdikt gegen den Redakteur Lehnen seien, sondern, da sie nur in Geldstrafen bestanden gegenüber den vom Staatsanwalt beantragten sehr erheblichen Gefängnisstrafen, sehr milde ausgefallen seien, meine Herren, ich meine doch nicht, daß das der Fall ist; ich meine doch, daß Strafen von 200, 300 und Strafen bis zu 900 ℳ, die verhängt sind, bedeuten, daß erhebliche Verfehlungen vorgelegen haben.

Was die einzelnen Fälle betrifft, so bin ich in der Tat nicht im⸗ stande, als Nichtjurist dem Herrn Vorredner auf alle Einzelheiten zu folgen. Ich nehme an, daß die besser unterrichteten Herren der dortigen Gegend aus dem Hause heraus auf die einzelnen Fälle ein⸗ gehen, und ich behalte mir vor, wenn noch nötig, meine Kommissare auf die Fälle eingehen zu lassen.

Was die Hauptklage betrifft, daß der § 53 der Strafprozeß⸗ ordnung fälschlich angewendet worden ist, so habe ich im Gegenteil das Gefühl und ich glaube, daß die Mehrheit des hohen Hauses mir zustimmen wird —, daß ich in einer Weise die Vernehmung von Beamten in inneren Verwaltungssachen zugelassen habe, wie das äußerst selten in Preußen vorgekommen ist. (Sehr richtig! links.) Es ist alter Grundsatz in Preußen, sich in innere Verwaltungssachen durch die Gerichte nicht hineinreden zu lassen oder die Akten aufzu⸗ legen. Wir haben in umfangreicher Weise die Beamten zur Ver⸗ nehmung zugelassen. Bei dem ersten Prozeß bin ich gar nicht gefragt worden. Dort hat Herr Geheimer Rat Hilger in vielen Fällen die Ver⸗ weigerung ausgesprochen, ohne daß ich gefragt worden bin. In dem dritten Prozeß aber und das ist der Hauptprozeß, um den es sich hier handelt; denn er behandelt die neueren Fälle, bei den anderen handelt es sich meistens um ältere Fälle habe ich auf Antrag des Rechtsanwalts des Beklagten in durchaus liberaler Weise zuͤgestanden, alle die Fragen, die er selbst erörtert wünschte und die er mir spezi⸗ fiziert hat, zur Erörterung zu bringen, lediglich eingeschränkt dahin, daß das Gericht selbst darüber zu entscheiden hätte, ob die Fragen, die im einzelnen gestellt waren, erheblich wären. Meine Herren, der Herr Vorredner stellt es immer so hin, Herr Hilger hätte zu entscheiden gehabt; nein, das Gericht hatte zu entscheiden, ob die Fragen erheblich waren oder nicht, und der Gerichtshof hat in sehr vielen Fällen entschieden, die Fragen seien nicht erheblich, sie lägen außerhalb des Rahmens, um den es sich handelt. Zum Teil haben sie auch auf das Gericht den Eindruck gemacht, daß sie im wesentlichen im agitatorischen Interesse gestellt waren. Das war doch aber nicht der Zweck der Sache, nun die Sache agitatorisch für die breiten Massen auszubeuten. Das Ge⸗ richt hat nur zugelassen, was irgendwie not tat. Nach dieser Rich⸗

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Krawinkel:

tung hin ist auch meine einzige Weigerung aufzufassen, den Herrn Adams von neuem vernehmen zu lassen und damit in Zusammenbang auch den jetzigen Geheimen Rat Raiffeisen. Meine Herren, bezuͤglich des Falles Adams war in dem ersten Prozeß die Erlaubnis gegeben worden, Herrn Adams und verschiedene andere höhere Beamte, die be⸗ teiligt waren, zu bören. Diese Verhandlung hat der Gerichtsboß geheim stattfinden lassen; aber der Gerichtshof selbst spricht nachber, und was der Gerichtshof spricht, muß ich doch annehmen, ist richtig. Der Gerichtshof sagt in dem Erkenntnis es war im ersten Prozeß —:

daß der Fall Adams nach seiner Ansicht gänzlich auszuscheiden habe, da das Gericht als festgestellt erachte, daß die Versetzung Adams' aus nicht zu beanstandenden Gründen erfolgt sei⸗

(Hört, hört! bei den Nationalliberalen.) Der gute Glaube müsse in dieser Beziehung dem Angeklagten umsomehr fehlen, als er die amtliche Erklärung des Ministers vorher gekannt und selbst vorgebracht hbabe, aus welcher hervorging. daß die amtliche Untersuchung eine zu beanstandende Art und Weise der Versetzung nicht zu Tage gefördert babe.

Ich glaube, daß ich nach einem solchen Ausspruch des Gerichts vollständig berechtigt war, zu sagen: dieser Fall Adams muß in dem neuen Prozeß ausscheiden, und wenn er nochmal⸗ vorgebracht werden sollte, nachdem das Gericht hier nach genauer Vernehmung des Adams gesprochen hat, so kann das nur geschehen zu agitatorischen Zwecken, und bei der ungeheuren Aufwühlung, die leider im Saarrevier entstanden ist, ist es wahrhaftig meine Pflicht und Schuldigkeit. weitere schwere Agitationen zu verhüten und vor allem zu verbuten, daß diese Ver⸗ nehmungen über die höheren Beamten der Werke vor allem Publikum von neuem breit getreten werden und zu neuen Agitationen Anlaß geben.

Was im übrigen die vielen Einzelklagen des Herrn Vorrednerè betrifft, so möchte ich eins hervorheben, daß er doch nur die eine Seite genommen hat, daß er die Klagen der einen Richtung genommen hat, daß er die Aussagen, die dem entgegenstehen, nicht erwähnt hat. Da muß ich mich schließlich zurückziehen auf das, was das Gericht in dem Erkenntnis gesprochen hat. Da steht in dem Urteil in dem ersten Prozeß:

Allerdings hat die Beweisaufnahme Fälle zutage gefördert, wo Steiger und andere untere Grubenbeamte gegenüber Bergleuten bezüglich deren Haltung bei der Wahl Aeußerungen getan haben und vielleicht in Ueberschreitung ihrer Machtbefugnisse Maß⸗ regelungen vorgenommen haben. Aber anderseits ist auch eine Reihe von Fällen zutage getreten, wo dieser Vorwurf erhoben wurde, wo sich aber ohne Zwang diese den Bergleuten gegenüber getroffkenen Maßnahmen erklären lassen, ohne daß eine Maßregelung angenommen werden kann. Auch bezüglich der Maßnahmen höherer Beamten, die hier in Betracht kommen, es sind dies die Fälle Adams, Diedrich, Wiggert und Röͤmer, hat das Gericht nicht angenommen, daß ein Nachweis erbracht ist, daß Bergleute bezw. Grubenbeamte in unzulässiger Weise beinflußt worden sind. Grundsätzlich erachtet das Gericht als festgestellt, daß der Nachweis der Beeinflussung von oben, und zwar der systemati⸗ schen Beeinflussung von oben nicht erbracht ist.

Wenn man nun die Fälle wirklicher und vermeintlicher Be⸗ einträchtigungen, wie sie in der Verhandlung zutage getreten sind, zusammenfaßt, so ist eben mit Rücksicht darauf, daß es vereinzelte Fälle sind, die sich auf einen großen Zeitraum erstrecken, die An⸗ nahme, es handle sich um ein System, das von oben herab betrieben würde, absolut von der Hand zu weisen.

Gegenüber einem derartigen Ausspruch des Gerichts, das beide Seiten gehört hat, und nicht nur die eine Seite, wie wir sie eben gehört haben, können Sie, meine Herren, sich noch kein abschließendes Urteil bilden, bis Sie auch die andere Seite gehört haben.

Was das Urteil im dritten Prozeß betrifft, so ist leider das Urteil noch nicht in schriftlicher Form ergangen. Es ist mir aber, wie ich annehme, in zuverlässiger Weise nach stenographischen Auf⸗ zeichnungen der Wortlaut des Urteilsspruchs bekannt, der ja vielleicht in der schriftlichen Form noch etwas andere Fassung bekommen kann,

ie erhobenen Beweise betrifft, so hat das Gericht nach Prüfung des Beweisergebnisses die Ueberzeugung erlangt, daß die sämtlichen Vorwürfe unbegründet sind.

Es ist hierbei hervorzuheben, daß allerdings bezüglich des Vor⸗ wurfs der Vergewaltigung von einzelnen Bergleuten Vor⸗ gänge bekundet worden sind, wonach sie sich wegen ihres politischen Verhaltens beeinträchtigt „und in ihrem religiösen Gefühle gekränkt glaubten; allein es handelte sich um so ver⸗ einzelte Fälle, daß eine Berechtigung dieses Vorwurfes überhaupt an sich schon nicht begründet ist, und jedenfalls der Vorwurf einer systematisch von oben herab geübten Vergewaltigung nicht nur nicht nachgewiesen, sondern geradezu durch die Beweisaufnahme widerlegt ist. (Hört! hört! bei den Nationalliberalen)

Meine Herren, ich glaube in der Tat, daß ich hiernach mit ruhigem Gewissen sagen kann: ich habe getan, was ich habe tun können; ich habe nicht verhindert, daß Licht und Schatten gleichmäßig verteilt sind. Wenn der Herr Vorredner, wie ich eben schon ausführte, den Vorwurf erhebt, es seien eine Reihe von Fragen nicht beantwortet, die für ihn erheblich gewesen wären, so muß er eben den Gerichtsof anklagen, der seinerseits der Meinung gewesen ist, die Fragen seien nicht erheblich, und mit der Einschränkung, die ich gemacht habe, daß nur erhebliche für die Sache von Wichtigkeit seiende Fragen erörtert würden, darin, glaube ich, wird, wie gesagt, die große Mehrheit des Hauses einperstanden sein. Meine Herren, wir haben die Disziplin unserer Beamten hochzuhalten. (Abs⸗ Sehr richtig!) Es ist kein leichtes Ding, in einer Gegend, die so durchwühlt und aufgeregt ist, wie es leider im Saar⸗ revier der Fall ist, 45 000 Bergleute in Ordnung und Frieden zu halten, und ich bemühe mich aufs äußerste, nach Recht und Pflicht zu verfahren; aber, meine Herren, die Autorität der Beamtenschaft, die, wie ich mich selbst überzeugt habe, eine ganz vortreffliche, hoch⸗ patriotische ist, darf ich nicht antasten. (Bravo! bei den National⸗ liberalen.)

Abg. Dr. Röchling (nl.): Die Behauptung, daf dem Freunde

des Herrn Marx durch das Prozeßverfahren unrecht geschehen sei, ist e dr unzutreffend. Es ist ganz selbstverständlich, daß zwischen dem

Antrag des Staatsanwalts und dem Urteil des objektiv urteilenden

Gerichts eine Differenz besteht. Die sogenannte Dasbach⸗Presse

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veßets fortgesetzt die Arbeiter gegen die Bergbehörde. Die Rede⸗ weise dieser Presse unterscheidet sich nicht von der der roötesten Sozial⸗ demokratie, und es werden Aeußerungen laut wie: „Für die Arbeiter⸗ groschen trinken die nationalliberalen Führer Sekt.“ Herr Marr beschwert sich darüber, daß das Beweisthema im Prozeß⸗ verfahren beschränkt worden ist. Es handelt sich nur um die Be⸗ schraͤnkung auf die Punkte, die für den einzelnen Fall der Anklage relevant waren. Das Gericht hat mit Recht sich gefragt, welche pragen für den Fall erheblich sind. Das Gericht hat doch nur Recht zu sprechen und nicht Wahlpolitik zu treiben. Das Beweisthema, das das Gericht Ku gs tel. hafte, konnte den weitestgehenden Ansprüchen genügen. (Der Redner verliest die Fragen, über die das Gericht die Zeugen zu vernehmen beschlossen hatteé., Es ist dadurch der Nachweis geführt, daß von einer Bedrückung von oben und von einer Beeinträchtigung der Wahlfreiheit absolut nicht die Rede sein kann. Auch unter den Obersteigern hat keinerlei Vereinbarung über eine systematische Reinflußfung der unteren Beamten und der Arbeiter stattgefunden. Es ist auch nicht der Schatten einer amtlichen Wahlbeeinflussung üͤbrig geblieben. Was wied nicht alleg während der Wahlzeit geklatscht und geschwätzt! Hat sich aber die Gegenseite aller unzulässigen Wahl⸗ beeinflussungen enthalten? Ich glaube, daß das nicht bejaht werden kann. Der u Didié hat nicht nur einmal, sondern wieder⸗ holt angedroht, daß bei einem Eintreten für die National⸗ liberalen die Sakramente, auch die Sterbesakramente verwelgert werden würden. Man kann darüber nicht so leicht hinweggehen, als ob das nur eine Uebereilung gewesen sel Wenn ein Geistlicher in solcher Weise in vie Wahlen eingreift, so ist das mit einem einfachen Witer⸗ ruf nicht abgemacht. Der Pfarrer Wies hat auf alle mögliche Weise von einem Bergmann Gerstner herauszupressen versucht, was ihm der Oberbergrat unter dem Siegel der Verschwiegenheit mitgeteilt hatte. In ühnlicher Weise hat der Pfarrer Wies den Bergmann; ellbrück hedrängt und ihm geschrieben, der Abg. Fuchs werde die Arbeiter im Abgeordnetenhause bei dem Minister gegen die Bergrate zu schützen wissen. Von einem Bergrat wird gesagt, ihm müßte der Hals ge⸗ brochen werden. Wer so von der Amtzsverschwiegenheit denkt, muß durch die Schule Lovolat gegangen sein.

Abg. Fuchs (Zentr.): Der Vorrebner versucht vergeblich zu ver⸗ tuschen, was ihm unbequem ist. Was soll die Aeußerung des Herrn Hilger bedeuten; es gelte den Kampf gegen die beiden inter⸗ nationalen Parteien, die jetzt im Reichstage die maßgebende Rolle spielen? Wie kann eine solche Aeußerung zugelassen werden gegen eine Partei, auf deren Mitwirkung man im Parlament angewiesen ist, und namentlich in einer Zeit, in der alle Ordnungsparteien sich zusammenschließen müssen gegen die große Gefahr, die von unserem Vaterlande abgewendet werden muß! Der Minister muß dafüͤr sorgen, daß seine Beamten nicht die Parteien in dieser Weise infultieren. 8 lege dagegen Verwahrung ein. Und Herr Hilger wird noch überboten durch Herrn Geheimen Rat Prietze. Wenn Herr Prietze sagt, das Zentrum habe den Krieg mit Frankreich hervorgerufen und vdie Franzosen ins Land geholt, so hatben Sie ein Beispiel dafür, wie an der Saar agitiert wird. Der Prozeß gibt uns noch Material, das zeigt, wie die Dinge eigentlich liegen. „Wer nicht mittut, der fliegt“, ist die Aeußerung des Herrn, der an der Spitze der Bergverwaltung in Saar⸗ brücken steht. Das wird von jedem verstanden, bis zum letzten Ar⸗ beiter; es gibt keinen Arbeiter, der die Tragweite dieser wenigen Worte nicht gekannt hat; und wer sie nicht kennt, dem werden sie begreiflich gemacht, wie der Fall Abams zeigt, dem gesagt wurde, er könne es nur wieder gut machen, wenn er eine liberale Versammlung be⸗ suche. Da er sich weigert, kommt drei Tage später die Versetzung, natürlich nicht propter hoc, sondern post hoc. Deutlicher kann man seine Stellung zu den Wahlen nicht bekanden, als Herr Hilger es getan hat. In die Versammlung wird die Claque des Kandidaten eingeladen. Ein Steiger hat in einer Versammlung 15 mal „Bravo!“ und 37, mal „Sehr richtig!“ gerufen. Der Mann müßte eigentlich längst Obersteiger sein. Ein Arbeiter hat zu mir gesagt, es müußte jeder katholische Arbeiter, ebe er sich einstellen läßt, einen Kursus in der Schauspielkunst durchmachen. Der Minister muß dafür sorgen, daß seol Dinge sich nicht wiederholen. Ich verlange, daß Herr Direktor Hilaer zur Verantwortung gezogen wird. Die Bergwerksdirektion in Saar⸗ brücken macht schon Schule. In Neunkirchen ist bei der Feier des Geburtstages des Kaisers ein Zentrumsredakteur von einem Herrn, dessen Namen ich nicht nennen mag, gefragt worden: „Sind Sie ein Römer oder ein Deutscher?“ Und als der Redaktenr antwortete⸗ „Ein Deutscher“, sagte der Herr; „Sie lügen bewußt, Ste find in meinen Augen ein Lump!“ Es ist notwendig, daß der Minister mit eisernem Besen Auskehr hält. 1

Minister für Handel und Gewerbe Möller:

Meine Herren! Der Herr Vorredner schließt seine Rede damit, er habe die hier vorliegende Sache klargelegt. Ich glaube nicht, daß das ganze Haus damit einverstanden sein wird, daß das, was er var⸗ gebracht hat, Klarstellung, sondern daß es einseitige Darlegung war. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.) Er hat einen Protest dagegen erhoben, daß der Königliche Beamte die Zentrumsvpartei be⸗ schimpft hätte. Meine Herren, ich würde nie dulden, daß ein Beanrter im Dienst derartiges tut. (Zurufe im Zentrum.) Ist das geschehen? (Erneute Zurufe im Zentrum.) Im Dienst? Dann bitte ich, mir das zu beweisen; ich werde dann die Sache unterfuchen. Es kann in Wahlversammlungen geschehen sein, und für Wahlreden meiner Beamten halte ich mich nicht für verantwortlich, das habe ich von Anfang an gesagt. Ich möchte sehen, wohin es führen sollte, wenn jeder Minister für jede Rede seiner Beamten im Wahlkampf sich verantworten soll. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.) Aber ich möchte gegenüber dem Protest des Herrn Vor⸗ redners meinerseits auch einen Protest vorbringen, und zwar dagegen, daß der Herr Vorredner hier erklärt, die Wirtschaft an der Saar hätte dam geführt, daß alle Beamten, die überhaupt noch vorwärts kommen wollten, sich der Liebedienerei und Schauspielerkunst hingeben müssen. (Abg. Fuchs: Sehr richtig!) Das sind durchaus einseitige Darlegungen. Ich habe Ihnen vorhin die Erkenntnisse der Gerichte vorgelesen und ziehe mich auf diese zurück. Die Gerichte haben beide Seiten gehört und haben ausgesprochen, daß nichts Nennenswertes passiert ist, was zu den Klagen Veranlassung geben könnte, die eine Berechtigung für die Beleidigung dem Redakteur Lehnen hätte geben können. Weil er die Berechtigung nicht gehabt hat, darum ist er verurteilt worden, und, wie ich vorhin schon ausgeführt habe, ist eine Verurteilung zu 900 Geldstrafe, wie im letzten Prozeß, gewiß keine leichte. Ein Gerichtshof wird nur zu einer solchen Verurteilung kommen, wenn summa summarum die Schuld sehr groß war.

8 Die Rede des Herrn Abgeordneten, obgleich er nicht aus dem Saardistrikt kommt und nicht im Saardistrikt lebt, lautete allerdings, als ob er im Saardistrikt lebte. Meine Herren, das ist eben der Widerklang des von mir wiederbolt beklagten tiefen Zwistes, der im Saardistrikt herrscht. Ich werde meinerseits immer zur Mäßigung bremsen, wenn die Beamten etwa einmal zu weit ge⸗ gangen sein sollten in ihren Privatäußerungen. Aber, meine Herren, auf Privatäußerungen kann man in der Tat nicht aufbauen. und ein großer Teil der Rede des Herrn Vorredners war aufgebaut auf eine Aeußerung, die an⸗ geblich Herr Geheimrat Hilger gemacht haben soll: „Wer nicht mittut, der fliegt!* ; ich hbabe

ist. Behauptet wird auch nur, daß sie gefallen sein foll in einer sehr späten Nachtstunde nach Genuß reichlichen Moselweins. (Heiterkeit. Ruf: In vino veritas!) Ich habe nicht konstatieren können, was da wirklich passiert ist, ob etwas Aehnliches in dieser Laune gesagt ist. Es mag sein; ich habe es nicht feststellen können. Und auf eine derartige Aeußerung, die hinter verschlossenen Türen im kleinen Kreise von Gleichgesinnten gefallen ist, ein solches Gebäude aufzubauen, wie der Herr Vorredner getan hat: das sei nun ein Terrorismus, der alle Beamten im Saarrevier beherrsche, üee in dieser Beweisführung kann ich ihm nicht folgen. Ich bitte ihn, das Erkenntnis abzuwarten und nötigenfalls, wenn Herr Lehnen die weiteren Instanzen anrufen sollte, das Schlußergebnis der gerichtlichen Erkenntnisse abzuwarten. (Beifall links.)

32 Abg. Prietze (nl.): Ich stelle mich als stellvertretender Vor⸗ sitzender der Bergwerksdirektion in Saarbhrücken vor. Die katholische Presse stört den Fece; und untergräbt die Autorität. Unsere König⸗ lichen Bergleute sind königstreu und sind stolz darauf, nichts mit der Sozialdemokratie zu tun zu haben. Die Verhältnisse der Arbeiter sind gute, ihre Löhne steigen auf 1300 bis 1500 Wir ehen nach keine fremden Arbeiter heran, sondern immer wieder die Söhne der alten Bergleute, sodaß es vorkommt, daß eine solche Familie auf 2000 und mehr kommt. 37 % unserer Bergleute sind Hausbesitzer, haben Pferde, Vieh, Schweine. Wo gibt es wieder einen solchen Arbeiterstanb? Alle Anklagen in dieser Hinsicht können wir mit gutem Gewissen abschlagen. Der Redakteux in Nzunkfrchen wurde von dem Herrn, einem Oberlehrer, bei der Kaisergeburtstags⸗ feier deshalb mit der erwaͤhnten Frage koramiert, weil an diesem Tag⸗ in dem Blatte bes Repakteurs ein Artikel über den Königs⸗ mord stand. Die kleinen Arbeiter wählen nach ihrer Konfesston nur, weil sie unter einer scharfen Kontrolle stehen. Wir haben 75 % latholische und 25 % evangelische Bevölkerung. Die Knappschaftswahlen fallen aber immer mehr zu Gunsten der Katho⸗ liken aus; dasselbe gilt bei den Wahlen der Vextrauensmänner, Herr Dabach ist im Saarrevier recht wenig beliebt; er barf sich darüber nicht wundern, wenn seine Blätter immerfort die Autoritaͤt der Bergbeamten angreifen. Die Frau eines Bergmanns hat in ihrem Orte keine Milch bekommen können, wefl es bekannt wurte, daß ihr Mann einen liberalen Stimmzettel abgegeben hatte. Wie Wahlproteste zustande kommen, weiß man ja; die harmlosesten Aeußerungen, 3. B. wenn ein Obersteiger bei den Wahlen sagt: „na, Kender, ihr werdet doch keine Dummheiten machen“, werden als Wahlbeeinflussungen hingestellt. Wenn der Vor⸗ reoner sagte, wir müͤßten der Soztaldemokrafie gegenöber zusammen⸗ halten, so kann ich das nur unterschreiben; aber durch derartige Artikel und Wahlagttation werden die Bestrebungen der Sozialdemekratie nicht hintangehalten, sondern es wird der Kanal geöffnet, durch den die Sozialtemokratie auch in unsere Reihen eindringen wird. Aber wir werden nicht unterlassen, in dieser Beziehung unsere Bürgerpflicht zu erfüllen. 1

Schluß Uhr. Nächste Sitzung: Sonnabend, 11 Uhr. (Fortsetzung der Beratung des Etats der Bergverwaltung.)

Land⸗ und Forstwirtschaft.

XXXII. Plenarversammlung des Deutschen Land wirtschaftsrats.

In der gestrigen, vierten Sitzung sprach zunächst

rinz zu

Schönaich Carolath über die Organisation eines zuverlässigen

Nachrichtendienstes über Getreideproduktion und, Ge⸗ treidehandel. Nach kurzer Diskussion wurde der folgende, von ihm gestellte Antrag einstimmig angenommen: „Der Deutsche Landwirtschaftsrat beschließt, in Erwägung, das 1) die Fortschritte in unserer landwirtschaftlichen Produftion nur dann gesichert erscheinen, wenn es den deutschen Landwirten

gelingt, durch eine zeitgemäße Organisation des Verkaufs ihres

Getreides an der Preisbildung desselben mitzuwirken, und wenn

zu diesem Zweck ein möglichst zuverlässiger Nachrichtendienst als

wesentliche Voraussetzung anerkannt wird, ein folcher den modernen Zritverhältnissen genügender Nach⸗ richten ienst zur Zett nicht vorhanden ist,

als Aufgabe eines solchen Nachrichtendienstes zu betrachten ist,

a. möglichst zuverlässige Preisermittelung für das Inland und

für den lrmartt, b. eine Getreidebewegungsstatistik über wöchentliche Zufuhr und Abfuhr an den wichtigsten Getreideumschlagsplätzen, c. eine dem fortwährenden Wechsel sich anpassene Konfum⸗ statistik, eine wöchentliche Vorratsstatistik für Getreide und Mehl in zweiter Hand svowie eine Statistik über die Vorräte in der Hand der Landwirte am 1. März und 1. Juli. e. eine auf diesen stattstischen Hilfsmuitteln sich aufbauende ver⸗ besserte Erntestatistik. die Löofung dieser schwierigen Aufgabe nur gelingen kann, wenmn sfämtliche in Betracht kommende Faktoren, nämlich die großen landwirtschaftlichen Organifattenen, unter Mitwirkung des Staats zusammenarbeiten,

jar Ausarbeitung dieser leitenden Gedanken eine KTommission ven

6 Mitgliedern mit dem Rechte unbeschränkter Zumahl einzusetzen.“

In die Kommission wurden die Mitglieder des Lamdwittschafts⸗

rates Prinz zu Schönaich Carolatd, von Arnim⸗Güterderg. Frerberr von Wangenbeim⸗M.⸗Spiegel. Engelbrecht⸗Obendeich, . Lüdicke und Oekonomierat Frank⸗Karlsruhe gewäblt. Sodann erörterte Professor Dr Sering⸗Berlin die Bedeutung der ländlichen Beyölkerung für die Deutschen Reichs nach den vom Reichskanzler angen Er⸗ hebangen. Auf seimen Antrag wurde ahne Dedater di Resolution einstimmig gefaßt.

„Die vom Herrn Reichefenler für das Heemsemgämungsgefchäft von 1902 angeordneten stmistischen Erhebungen haten den eruften Nachweis von der überlegenen Militürtauglichfenr der dom iatten vmde

stammenden jungen Leute gegenüber den studngedurenen erbracht. Aber die Bearbeitung des nrftischen Marerials Leidet imn erbrmlichen Maͤt die daraus bervorgehen. daß man damit die Varfitzenden der Erten kommissionen Die Schridung der Sedursmtr imn Kategorien (Orrschaften von weniger u1 2000 Enmohnern umd üßrer Ortschaften), die Zugrundels der bephen Voilmzäbhiung des der Feststellung der Größe des rr . Usem ehr des Anforderungen an die igkeit und Erxgechgünt durter Angabden die Gesteslungspflichtigen in nur zwer Srugnen einteatn. ir axcbdern sie landwirtschaftlich beschäftigt sind ader nicht. 1 Ueberhaupt aber wird de Auße Fe dellung des Gedartserers und des Berufes der dorgestcilten Mannschaften der weiktengrneen Ber⸗ deutung des Gegenstandes nicht germcht. Gr i zr erdermm des den 1.— über die wirtschaftlichen und umn raft auf eine so breite Grundinae Peieilt merde mir es das in den Listen X““ enthailene Mamemt der Feüneir Barvaen⸗ tung ret. und ersucht wirdendalt dee Qermg Rerch. 8 drr piamir Mar der Ersagbe set A& auch nun fin vnmig velre; und Veröffentilchun zu üürrvwfhm.- Imn Anschtuß dermam dersretem fih der Ge Dade Berlin übder die landmirrvaftlr 8 EE1“ umn die

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c21) Der Deutscke Landwirtschaftsrat begrüßt mit großer Be⸗ friedigung, daß im Deutschen Reich nach der Berufszählung von 1895 noch uͤber die Hälfte alter im Haupt⸗ oder Nebenberuf erwerbstätigen Personen einen Erwerb in der Land⸗ oder Forstwirtschaft suchten, und 2 nach dem amtlichen Bericht über diese Zählung der land⸗ wirtschaftlichen Bevölkerung die größte Reproduktionskraft innewohnt und dieselbe sehr wesentlich zur Erhaltung und Entfaltung der Volks⸗ kraft beiträgt⸗

2) Umsomehr bedauert der Deutsche Landwirtschaftsrat, daß in der Berufsstatistik von 1895 die in soztaler und politischer Hinsicht verhängnisvolle Entwickelung der landwirtschaftlichen Bevölkerung seit der Berufszählung von 1882 nicht die gebührende Aufmerksamkeit und Würdigung gefunden hat und daß weder bei der Aufnahme noch bei der Bearbeitung der Berufszäblung von 1895 die Vergleichbarkeit mit den Ergebnissen der Berufszählung von 1882 sorgfältig gewahrt worden ist.

3) Der Deutsche Landwirtschaftsrat bittet deshalb den Herrn Reschskanzler und den Bundesrat, dafür Sorge zu tragen, daß bei der nächsten Berufszahlung das Hauptgewicht auf die Vergleichbarkeit mit den früher n Zählungen gelegt wird und daß auß rdem in der nächsten Fahlang die Berufsbevölkerung nach ihrem Geburtsort im Ja⸗ und

uslande und nach der Dauer ihrer Beschaäftigung, ob seßhaft oder wandernd, zur Darstellung gebracht wird.

4) Der Deutsche Landwirtschaftsrat richtet ferner an den Herrn Reichskangler, ben Bandesrat und die deutschen Staatsregierungen die Bitte, agordnen zu wollen, daß künftig bei stattstischen Auafnahmen die Ergebnisse mehr als bisher nach Staot und Land und nach Klein⸗, Mittel⸗ und Großstaot bearbeitet und icht werden, ins⸗ besondere bei den Nachweisungen der Geb keit, Sterblichkeit und Lebensdauer.“

Eine längere Diskassion rief dann der Antrag von Grunelius⸗ Kolbsheim und Genossen hervor: „Der Deutsche Landwirtschaftsrat wolle beschließen, den Herrn Reichskangler zu ersuchen, bei den schwebenden Handelsvertragsverhandlungen dabin zu wirken, daß der Zoll auf gemostete, gegorene Weintrauben (Weinmaische, Position 45 des Zolltgeifs) nicht unter den för Wen und frischen Most von Traußen (Pos. 180 des Zolltavifsg) zu vereinbarenden Zollsatz festgesetzt werden möge.“ Dieser Antrag wurde schließlich zurückgezogen.

Damit war die Tagesordnung erschöpft. Mit einem Hoch auf Seine Majestät den Kaiser, die deutschen Bundesfürsten und die freien Stäote, in dos die Anwesenden begeistert einstimmten,⸗schloß der Vorsitzende Graf von Schwerin⸗LTowis die XXXII versammlung des Deutschen Landwirtschaftsrats.

Handel und Gewerbe.

den Arbeitsmarkt für nannliche und Personen im Berliner Handelsgewerbe

enthält das „Berlinet Jahrbach“ der Aeltesten der Kaufmannschuft G Verlag von . Nein eine vergleichende Zusammen⸗ uag, die sich auf zwei seit verhältnismäßig langer Zeit bestehende kaufm aͤnnische Stiellenvermittelungen, die des Vereins junger Kaufleute und des Kaufmännischen Verbandes für weibliche Angestellte, stätzt. Diese Zusammenstellung ist bemerkenswert, weil sie in einem Punkte von allen Beobachtungen abweicht, die sonst in Deutschland während der Zeit der Krisis gemacht worden sind. Ueberall war die Krisis auf den Arbeitsmarkt für männliche Perfonen beschrünkt. während umgekehrt der Arbeitsmarkt für Frauen vom Eintritt der Krisis an —— die entgegengesetzte Entwickelung zeigte und der männlichen Asbeitslosigkeit eine günstigere Lage der weihlichen Arbett⸗ suchenden entsprach. Muß man annehmen, daß der Grumd hiervon in der niedrigen Bezahlung der weiblichen Arbett liegt. die sie in geschäftlich flauen Zeiten gefuchter erschetnen lüst, so gebt dagegen aus der erwähnten Uebersicht hervor, daß in der Berliner Handl gehilfenvermittelung dieser Unterschied nicht entfernt in dem glet 2 Maße vorhanden ist. Auf die Höbe der Konjunktur, mo im Jahre 1899 beide Geschlechter einen geringeren An g ven Arbeitfuchenden als im Vorjahr zeigten feolgten swet in denen sie beide gleichmätig unter dem Drucke der Krifis den Aubrang von Jahr zu Jahr wachsen saben Lediglich das Jahr 1902 zeigt den sonst als in Deustschland be Gegenfatz bier als bioße Ausnahme und selbst diese e ist nar scheinbar. da sie auf die in dieses Jahr fallente Sperre der Stellender⸗ mittelung für MNichtmitglieder z zuführen ist mährend die Besserung des 8—₰ 1903 wiederum beitden Geschlechtern zugmte gekommeun ist. Berichte der Aeltesten der Kaufmannschaft wird daraus geschlossen, baß die oft gehörte Behauptung, die kaufmannischen Prinzivale bevorzugten weibliche Buchhalter ꝛc. lediglich wegen ihrer niedrigen Gebälter, in diesem Umfange nicht den Tatsachen entspreche⸗ Im Vergleich mit der sonstigen Verwendung der 1 ib⸗ Üichen Acbeitskraft mache sich Fier vielmehr ein 81₰ haben

Emnftuß in auffallend geringem Maße 2merkbar. scheine, daß dieser Umstand, der früher stark gewirkt mag (und in einigem Maße auch aus der Verschiebung von 1895 auf 1898 noch berxausgelcsen werden kann), gegenwärtig seine Wirksamkett zu verlieren begonnen babe. Dies kann damit zusammenhängen, daß in den lezten Jabren auf die Ausbildung weiblicher Handlungs⸗ gilten mehr Sorgfalt verwendet worden ist, und daß infolge dessen die Nergung, für abnorm niedrige Gehälter zu arbeiten, im Sinken nt.

2

Zwangsversteigerungen. .“

Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin stand das Grund⸗ stück Breitestraße 20 dem Kaufmann Carl Köhne hier gehörig, zur Versteigerung. Nutzungswert 25 600 Mit dem Gebot von 525 000 bürd Fabrtkbesitzer Dr. phil. G. Moeller, Friedrich Wübelmstraße 13. Mentbietender.

Beim KTöntglichen Amtsgericht I Berlin⸗ Kronprinzen⸗ ttraße in Lichtenberg, dem Anchitekten Julius Merz gehörig, 6,69 a. Mit dem Febot von 80 500 bar blieb Zimmermeister Friedrich Feamk zu Karishorst Meitbierender. Mäüblenstraße 76 in Pankow, dem Braumeister Jahn Neubeyser in Charlottenburg gehörig. 7,75 a. N 3172 % Mit dem Gebot von 24 000 bar und 60 *ℳ³ Syvvotheken blied Braumeister Rudolf Jahny in Greiffen⸗ berq in Pommern Meifthietender. Kronprinzendamm 18, Ecke Bornimer Straße 10, in Dt.⸗Wilmersdorf (Halensee), dem Maurermeister Sustan Lindenberg gebörtg. 9,48 a. Nutzungswert 11,000 Mht dem Gebot von 5270 bar und 199 000 Hypotheken blied Schneidermeister Julius Langmann in Halensee, Kronprinzen⸗ zamm 19. Meitbietender. In Hermsdorf, der Frau Maurer⸗ ter F. Schalk, geb. Rothe, gehörig. 11,99 a. Nutzungswert Mit dem Gebot von 28 000 bar blieb Rentier Ferd. in Waidmannslust Meistbietender. Gvethestraße 18 in gen⸗Rummelsburg, dem Tischlermeister Wilh. Bartsch dendafelbst gebörig. 5,17 a. Nutzungswert 3720 Mit dem S don 12 031 bar und 58000 Hypotheken blieb Vorschuß⸗ verein Lichtenberg⸗Friedrichsberg, e. G. m. u. H. zu Friedrichs⸗

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In Oherschlefien sind am 11. d. M. gestellt 5447, nicht recht⸗ xitin gesteilt keine Wagen.

Mit dem spehben erschienenen Januarheft ist das im Reichsamt 2 Junern herausgegebene „Deutsche Handels⸗Archive, Zeit⸗ cheft sur Handel und Gewerbe (jährlich 12 Hefte zum Preise von 4 Verlag der Königlichen Hofbuchhandlung von E. S. Mittler Seohn in Berlin SW. 12), in seinen .öeee 1 ten.

sich m ersier Linit zur Aufgabe, die