chtlich gehört werde. Darüber liegt eine Rekursentscheidung des Reichsversicherungsamts vom 20. Juni 1903 vor. Dieselbe lautet:
Die Vorschrift des § 75 Abs. 3 Satz 1 des Unfallversicherungsgesetzes für Land⸗ und Forstwirtschaft (§ 69 Abs. 3 Satz 1 des Gewerbe⸗ unfallversicherungsgesetzes) gilt nicht nur für das Bescheidsverfahren, sondern auch für die Rechtsmittelinstanzen. Ihre Verletzung nötigt das Rekursgericht, den behandelnden Arzt entweder selbst zu hören oder die Sache an das Schiedsgericht oder das Festsetzungsorgan zurückzuverweisen.
In der Begründung ist gesagt: 1
Die Vorschrift des § 75 Abs. 3 Satz 1 des Unfallversicherungs⸗ gesetzes für Land⸗ und Forstwirtschaft hat daher nicht allein für das Bescheidsverfahren Bedeutung; sie kennzeichnet sich vielmehr als eine allgemeine, das gesamte Feststellungsverfahren beherrschende und deshalb auch von den Rechtsmittelinstanzen zu beachtende Vorschrift.
Da sie ferner, wie schon ihre Fassung erkennen läßt, zwingender Natur ist, so leidet das Verfahren, in welchem sie verletzt wird, an einem wesentlichen Mangel.
Meine Herren, ich glaube, klarer kann man nicht entscheiden. C⸗
ist auch gestern und heute wieder bemängelt worden, daß die Rechts⸗
beistände, welche nicht Rechtsanwälte sind, häufig ausgeschlossen bezw.
nicht zugelassen werden. Darüber hat das Reichsversicherungsamt eine
Reihe von Grundsätzen aufgestellt, die meines Erachtens durchaus ver⸗ nünftig und unanfechtbar sind. Es heißt dort:
Aus Abzatz 2 kann die Berechtigung zu einer allgemeinen Aus⸗ schließung von Rechtskonsulenten nicht hergeleitet werden. Unter besonderen Umständen kann eine besondere Vertretung und demzu⸗ folge auch die Pflicht zur Erstattung der daraus erwachsenden Kosten
gerechtfertigt sein. 8
Und in einer andern Entscheidung heißt es: 8 Die Ausschließung von Rechtskonsulenten ist jedenfalls gerecht⸗ 8 fertigt, wenn diesen selbst die Prozeßfähigkeit mangelt, ferner wenn ihr Auftreten nicht angemessen ist und wenn sie nichtsachliche Aus⸗
führungen machen oder aber gegen besseres Wissen ganz unzutreffende
Einwendungen erheben.
Meine Herren, ich glaube, auch diesen Standpunkt wird man im Interesse einer geordneten Recht sprechung für einen durchaus zutreffenden erachten müssen. Es ist weiter ausgeführt worden, wie falsch es oftmals wäre, einen Krankheitszustand als einen chronischen zu bezeichnen, als die Folge einer Berufskrankheit, wo in der Tat ein Unfall vor⸗ liege. Das Reichsversicherungsamt hat in dieser Beziehung den Grund⸗ satz festgestellt, daß ein Unfall herrühren muß aus einem plötzlichen, einen kurzen Zeitraum beanspruchenden Er⸗ eignis, während die Berufskrankheit das Endergebnis einer „langen, ungünstigen äußeren Einwirkungen ausgesetzten Arbeitstätigkeit sei. Die Forderung, die der Herr Vor⸗ redner ausgesprochen hat, in dieser Beziehung das Gesetz klarer zu assen, glaube ich, wird kein Gesetzgeber erfüllen können. Berufs⸗ krankheiten sind an sich kein Unfall. Nur Unfälle werden ent⸗ schädigt, und gesetzlich klar und für alle einzelne entscheidend zu be⸗ stimmen, wo ein Berufsunfall vorliegt und wo eine Berufs⸗ krankheit vorliegt, halte ich nicht für durchführbar, da muß das verständige Ermessen des Richters auf Grund der vorliegenden Tat⸗ sachen maßgebend sein.
Einer der Herren Vorredner hat auch einen Aufsatz aus der „Arbeiterversorgung“ unter der Ueberschrift „Das Reichsversicherungs⸗ amt und der Gewerkschaftskongreß“ angeführt. Ich hätte gewünscht, daß der Herr Vorredner etwas mehr aus diesem Aufsatz vorgelesen hätte. Ich werde jetzt dieses Versehen nachholen. Zunächst hat der Herr Vorredner angenommen, dieser Aufsatz rühre von dem Präsidenten des Reichsversicherungsamts Herrn Dr. Gaebel her. Wenn man den Aufsatz liest, kann man das unmöglich glauben; denn dort findet sich auch der Passus, den der Herr Vorredner selbst verlesen hat:
Die Zahl der Erkenntnisse des Amts, welche unter dem sozial⸗ politischen, den Gesetzgeber leitenden Gesichtspunkt zu Bedenken Anlaß geben, ist keine verschwindend kleine; es bedarf nicht der Anführung einer größeren Anzahl von Erkenntnissen, um diese Be⸗ hauptung als eine berechtigte erscheinen zu lassen.
Ich halte den Herrn Präsidenten Gaebel für einen sehr objektiven Mann; aber daß er so obiektiv sein sollte, eine solch kritische Be⸗ merkung über sein eigenes Amt in einem Aufsatze niederzulegen, das
halte ich doch für ausgeschlossen. Aber es heißt in dem Aufsatz auch weiter — und das ist interessant —:
Aber auf der anderen Seite muß doch mit aller Bestimmtheit der Standpunkt vertreten werden, daß diese als Fehlsprüche zu be⸗ zeichnenden Urteile des Reichsversicherungsamts doch einen sehr, sehr kleinen Teil der Urteilstätigkeit des Amts überhaupt bilden. In der Hauptsache und im allgemeinen ist den Erkenntnissen des Reichsversicherungsamts beizupflichten, und daß im Zgweifel das Amt in einem Sinne entscheidet, welcher den Ver⸗ sicherten der günstigere ist, kann bei vorurteilsfreier Würdi⸗ gung des Entscheidungsmaterials eigentlich nicht bestritten werden. Von einer Tendenz, die bestehenden Vorschriften einseitig zu Gunsten der Berufsgenossenschaften auszulegen, ist bei dem Reichsversicherungsamt auch heute noch keine Rede; eher könnte man von der Tendenz sprechen, im Zweifel die Auslegung für die richtige zu halten, durch welche den Versicherten die soziale Hilfe zuteil wird, und es ist ja bekannt, daß man hieraus seitens einseitiger Unternehmer dem Amte schon einen Vorwurf gemacht hat.
Die Beurteilung dieses Aufsatzes in bezug auf die Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts lautet also doch wesentlich anders, als das kurz angeführte Zitat des Herrn Vorredners vermuten ließ.
Wenn schließlich der Herr Vorredner wieder darauf zurückgekommen ist, eigentlich brächten die Arbeiter alle Mittel zur Unfallversicherung auf, so wird er mir zugeben, daß diese Behauptung formell sicherlich nicht richtig ist. Denn die Ausgaben der Berufsgenossen⸗ schaften deckt die Industrie ganz allein, bei der Krankenkasse decken die Arbeiter ein Drittel und bei der Invalidenversicherung die Hälfte der Aufwendungen. Sachlich aber kann man doch un⸗ möglich behaupten, daß, weil die Arbeiter die physische Arbeit leisten und, wie ich anerkannt habe, in einer Anzahl von Industrieen zum Teil auch geistige Arbeit, es die Arbeiter seien, die die Mittel für die Versicherungsleistungen allein aufbrächten. Nach unserer bestehenden wirtschaftlichen Gesetzgebung und Rechtsauffassung bringt doch der die von ihm tatsächlich gezahlten Beiträge auf, der das Kapital besitzt, um es arbeiten zu lassen, und der in seiner Geschäftsführung auch
über genügende Intelligenz verfügt, um dieses sein Kapital im wirt⸗ schaftlichen Leben fruchtbringend arbeiten zu lassen. (Sehr richtig!) Abg. Stadthagen (Soz.): In den Heilanstalten scheinen die bekannten Hülleschen AFopltten die auf unsere Beschwerden längere Zeit verschwunden waren, wieder verbreitet zu werden, und in einem dieser Flugblätter wird auch die alte Lüge, daß die Sozial⸗ demokratie gegen die Wuchergesetze gestimmt habe, wieder aufgewärmt. Dasselbe hat vor einigen Tagen unser Kollege Freiherr von Heyl getan, ebenso wie schon vorher Dr. Patzig. Schon 1897 hat Graf von Posadowsky uns gegen diese hüsche Behauptung der Hülleschen Flugblätter in Schutz genommen. Ich bitte den Staatssekretär dringend, dafür zu sorgen, daß solche Flugblätter entfernt werden, damit nicht das Gift der Lüge in den Heilanstalten als Heils⸗ wahrheit weiter verbreitet wird. Diese Hülleschen Flugblätter sind auch offenbar lediglich die Quelle der Behauptungen des Herrn von Heyl. Unsere Vertreter haben 1880 wie 1884 aufs entschiedenste für die Wucherbestrafung sich erklärt; wie kann man demgegenüber noch immer mit dieser Unwahrheit hausieren gehen? Dagegen haben Herr von Heyl und seine Partei damals dem Antrage des Grafen von Bismarck auf Beschränkung der Wechselfähigkeit nicht zugestimmt. Was Herr von Heyl, auf seinen Hintermannsekretär gestützt, neulich über unsere Abstimmungen von 1880, 1884 und 1893 erzählte, ist Wort für Wort, von Anfang bis zu Ende das aktenmäßig nachweisbare absolute Gegenteil der Wahrheit. Unter anderen soll von uns allen nur der einzige Auer für das Gesetz gestimmt haben, die anderen hätten sämtlich gefehlt, und so habe man sich ein Hintertürchen offen gelassen. Tatsächlich haben alle anwesenden Sozialdemokraten für den betreffenden Paragraphen gestimmt; Herr von Heyl mußte damals leider fehlen, denn er war durch das allgemeine Wahlrecht aus dem Hause hinaus⸗ gewählt worden. Den § 4, der die Offenlegung der Bücher der gewerbs⸗
„mäßigen Gelddarleiher forderte, sollen wir damals abgelehnt haben. Tat⸗
sächlich wurde die Fassung des betreffenden § 4 zurückgezogen und ein Kompromißantrag aller Parteien, auch der meinigen, eingebracht, der eine von mir selbst vorgeschlagene Fassung erhielt und angenommen wurde. Wie kann Herr von Heyl gegenüber diesem sofort authentisch nachzuweisenden Sachverhalt sich so von der Unwahrheit einfangen lassen? Und nicht nur er, sondern auch die „Nationalliberale Korre⸗ spondenz“ hat sich an der Verbreitung dieser „Heyls⸗Worte“ schuld⸗ haft beteiligt; sie sagt, selbst unser Kollege David habe vor dem er⸗ drückenden Material des Herrn von Heyl keine Widerrede mehr gewagt. Hen von 8 hat sich auch auf den hessischen Finanzminister Gnauth erufen für seine Behauptungen gegenüber unserem Kollegen Ulrich; der Minister hat in der hessischen Kammer geradezu die Angaben des Herrn von Heyl für unrichtig erklärt. Nicht viel anders steht es mit unserem Kollegen Mugdan, der sich, ebenso wie Herr von Heyl, bevor er etwas ausspricht, erst die Akten ansehen sollte. Herr Mugdan hat eine ganz falsche Darstellung der Entstehung der Sozialreformen ge⸗ geben; auch er glaubt, durch Wiederholen solcher falschen Behauptung sie wahr zu machen. Er sehe sich das Zeugnis Bismarcks, die Be⸗ gründung der ersten Arbeiterversicherungsvorlagen an, da wird er finden, daß die Urheber der Sozialreform einzig die Sozialdemokraten sind; während Sie ihre Urheber allerdings auch in dem Sinne sind, daß auf Sie alles Schlechte zurückzuführen ist, was wir darin Jahr für Jahr hier bekämpfen müssen. Was Herr Mugdan über mein und unser Verhältnis zu den Aerzten gesagt hat, ist grundverkehrt und grundfalsch. Die ganze Versicherungsgesetzgebung ist gegen die Arbeiter sowohl bezüglich der Rentenhöhe wie besonders bezüglich des Verfahrens eine Ausnahme⸗ gesetzgebung. Wie kann man behaupten, daß 240 ℳ jährlicher Rente für einen Arbeiter und Familienvater genügend ist? Das ist weiter nichts als eine Armenunterstützung. Die mediko⸗mechanischen Anstalten sind Quälanstalten, und da sagt man noch, wie schön es die Arbeiter dort hätten. Jawohl die Arbeiter werden darin nicht nur verpflegt, sie erhalten auch einen unentgeltlichen Jagdschein auf gewisse Tierchen. Die Vertrauensärzte der Berufsgenossenschaften geben sich zu objektivem Betrug der Arbeiter hin. Wenn Herr Mugdan auf seinen Stand hält, so hätte er gegen Dr. Blasius auf⸗ treten umd gegen einen zffentlich so gekennzeichneten Mann Protest erheben müssen, der die Rente eines Mannes herabgesetzt hat, ohne ihn gesehen zu haben. „Der Oberstabsarzt König behandelte einen Kesselschmied auf der Kaiserlichen Werft in Wilhelmshaven wie einen Lügner und raffinierten Simulanten, der sich eine Muskelverzerrung zugezogen hatte. Professor Braun dagegen gab das Gutachten ab, daß in der Tat eine Muskelverzerrung vorliege, und daß er nicht be⸗ seütfen könne, wie der Oberstabsarzt Rheumatismus angenommen abe. Durch solche Fälle wird das Mißtrauen der Arbeiter gegen die Aerzte genährt und leider das Kurpfuschertum großgezogen. Gesundreden kann man die Arbeiter nicht. Gegen die Vertrauens⸗ ärzte als System bin ich durchaus nicht; etwas anderes ist es aber, ob die Krankenkassen fürdieses System geeignet sind. Die Aerzte müssen bei diesem Streit um die freie Arztwahl die letzten Sympathien für ihren Stand verlieren. In Cöln waren die Aerzte geradezu zum Kontraktbruch unter ministerieller Hilfe gezwungen. Hoffentlich wird das Oberverwaltungsgericht einen Riegel vorschieben. Die ungeheuere Steigerung der Unfälle sollte die Gewissen derer aufpeitschen, die sich mit der Sozialreform beschäftigen. Nach dem Bericht von 1902 betrug die Zahl der schwer Verwundeten auf dem Schlacht⸗ felde der Industrie 113 309, mit den Toten 121 284, also mehr als die Zahl der Todten und Verwundeten im deutsch⸗fran⸗ zösischen Kriege. Herr Gamp sagte, die Landwirtschaft hätte nichts gegen vernünftige Unfallverhütungsvorschriften. Nun, Sie sitzen doch in den Berufsgenossenschaften und können dafür sorgen, und wenn Sie es nicht können, so ziehen Sie do die Arbeiter hinzu. Gewiß gibt es auch unvorsichtige Arbeiter, aber da, wo starke Arbeiter⸗ organisationen sind, ist diese Unvorsichtigkeit nicht in dem Grade vor⸗ handen. Die Arbeiterorganisationen wirken erziehlich. Man beseitige die Akkordarbeit, dann wird es auch wieder besser werden. Sorgen Sie für bessere Schulen und geben Sie den Landarbeitern das Koalitionsrecht und die achtstündige Arbeitszeit und sorgen Sie für die volle Schadenersatzpflicht. Möge der Staatssekretär unbekümmert um die kapitalistischen Hindernisse schneller vorwärts gehen, unserer Hilfe ist a banne ö g. Dr. Mugdan (fr. Volksp.): Der Abg. Stadthagen hat si
heute wieder maßloser Uebertreibungen schuldig e Sie 6 den Sozialdemokraten) überschütten uns mit den heftigsten Angriffen, sprechen von Peinigung und Ausbeutung, und wenn wir widersprechen, beschweren Sie sich darüber. Sie sind die Hauptfeinde der Sozial⸗ reform. Wären die Arbeiter klüger, als sie es sind, wenn sie Sie wählen, so würden sie sich sagen:; warum verschwenden die sozial⸗ demokratischen Abgeordneten damit die Zeit, daß sie über solche Gesetze noch reden? Wir unsererseits behaupten gar nicht, 8g die sozialen Gesetze die Arbeiter zufrieden stellen können, sie sind nur ein Mittel, die gegenwärtigen Zustände zu verbessern. Der Abg. Stadthagen gehört zu der Klasse, die er fort und fort verunglimpft, nämlich der bürger⸗ . S. Klasse. Ist es nicht ein ungeheurer Vorteil, wenn ein Vater, der ei einem liebenden So n oder einer Tochter Unterschlupf gefunden hat, nicht als leidiger Mitesser betrachtet wird? Herr Stadthagen wünscht den Arbeitern nicht nur freie Arzt., sondern auch freie Arznei⸗ wahl. Ich wünschte nur, daß er in seinen alten Tagen Kassenarzt Bürde. Herr Fräßdorf würde zu ihm kein Vertrauen haben.
8 freien Arztwahl hat sich der Kampf nicht zwischen Aerzten un zersicherten, sondern zwischen Aerzten und Kassenverwaltungen abgespielt. Diese wollen nur zeigen: wir sind Herren im Hause, und Ihr dürft Euch nicht organisieren! Für die armen Opfer er gewerblichen Bergiftungen zu sorgen, ist gewiß sehr wünschens⸗ g aber das Reichsversicherungsamt kann nicht anders entscheiden, b . Eeschieht. weil diese Vergiftungen nicht als Unfall anzusehen ind. b s stützt 5 hier, wie bei der Frage der Unterleibsbrüche, auf wissenschaftli e Autoritäten. err Körsten sprach auch von F „Verbeugung nach oben“. Ich habe nicht die Regierung ge⸗ 0 3 a. ich spreche aus meiner Arbeiterfreundlichkeit heraus, weil es den Arbeitern gar nichts nützt, ihnen die Versicherungsgesetz⸗
gebung zu vergällen.
Darauf wird ein Vertagungsantrag angenommen und
nach persönlichen Bemerkungen der Abgg. Körsten, Stadt⸗
hagen und Dr. Mugdan die Sitzung um 5 ³ Uhr ge⸗ schlossen. Nächste Sitzung Montag 1 Uhr. Fortsezung der Be⸗ ratung des Etats des Reichsamts des Innern; Etat der Post⸗ und Telegraphenverwaltung.) 1 1
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 18. Sitzung vom 13. Februar 1904, 11 Uhr.
Das Haus setzt die zweite Beratung des Staatshaus⸗ haltsetats für das Rechnungsjahr 1904 im Etat der Berg⸗, Hütten⸗ und Salinenverwaltung bei den Ausgaben für die Bergwerksdirektionen fort.
Abg. Marx (Zentr.) kommt auf die am Freitag zur Sprache gebrachten angeblichen Wahlbeeinflussungen im Saarbrücker Revier zurück und bemerkt: Herr Röchlin hat ohne jede Veranlassung den Ausdruck Jesuitenschule und Jesuitenschüler gebraucht. Wir verbitten uns eine solche Verletzung unserer Gefühle auf das entschiedenste. Der Handelsminister meinte, meine Behauptungen seien durch die ge⸗ richtlichen Urteile widerlegt worden. Ich muß das bestreiten; das Urteil gegen den Redakteur der „Neunkirchener Zeitung“ bezieht sich gar nicht auf die von mir behauptete Tatsache. Die Glaubwürdigkeit der von mir angeführten Zeugen ist vom Gericht auch nicht bezweifelt worden. Eine systematische Vergewaltigung, von der der Minister sprach, habe ich gar nicht behauptet, sondern ich habe nur Zeugen⸗ aussagen angeführt, deren Richtigkeit nicht bestritten werden konnte. Wir haben hier die heiligsten Rechte des Volkes wahrgenommen, nicht Agitation getrieben. Das Gericht hat Herrn Adams als neben⸗ sächlich ausgeschieden. Darüber wird die Revisionsinstanz zu entscheiden haben. Der Ausspruch des Geheimrats Hilger gegen Adams: „Wer nicht für den nationalliberalen Kandidaten stimmen will, der fliegt!“ war dem Gericht noch gar nicht bekannt, es konnte ihn nicht berücksichtiken, denn er ist erst im Dezember bekannt geworden. Wir sind hier auch ein Gericht und sind in der Be⸗ urteilung der Zeugenvernehmungen viel freier gestellt als das Prozeß⸗ gericht. An der Glaubwürdigkeit von Adams hat niemand gezweifelt, und daraus folgt, daß die Behauptung, daß Hilger den dienstlichen Befehl gegeben habe, in nationalliberale Versammlungen zu gehen und denen, die nicht für die Nationalliberalen stimmen wollten, mit Dienstentlassung zu drohen, auf Wahrheit beruht. Die Beschränkung der Beweis⸗ führung ist nicht, wie der Minister behauptete, durch das Ge⸗ richt herbeigeführt, sondern dem Gericht waren die Hände gebunden, weil für eine Anzahl von Fragen, die es für wichtig hielt, nicht die Genehmigung der vorgesetzten Behörde zur Zeugenaussage eingeholt war. Schließlich ist jede Frage an jeden Obersteiger für unzulässi erklärt worden. Die Untersagung der Aussagen ist nicht dur den Minister, sondern durch den Geheimen Rat Hilger erfolgt. Die Beweisführung hatte also nicht das Gericht, nicht der Staatsanwalt, sondern der Nebenkläger Hilger in Händen, und das ist doch ein geradezu unmöglicher Zustand. Solche Dinge habe ich während meiner zehnjährigen Praxis noch nicht erlebt. So etwas waͤre wohl im Mitielalter möglich gewesen, in dem man mit spanischen Stiefeln operierte, aber in unserm Jahr⸗ hundert sollte es nicht vorkommen. Der Minister hat sich selbst schwach gefühlt, weil er so ruhig antwortete.
Minister für Handel und Gewerbe Möller:
Der Herr Vorredner hat aus der ruhigen Art, wie ich die An⸗ gelegenheit gestern behandelt habe, den Schluß gezogen, ich fühlte mich schwach. Das ist nicht der Fall. Ich habe aber das dringende Be⸗ dürfnis gestern gehabt und habe es heute und werde es auch für die Zukunft haben, derartige lokale Streitigkeiten nicht zu großen politischen Fragen aufzubauschen (sehr richtig! bei den National⸗ liberalen) und mich in die Lage zu setzen, gegen das Zentrum als Partei irgendwie Stellung zu nehmen. Ich habe mich in der ganzen Angelegenheit über die Parteien gestellt und mich bestrebt, die Sache so ruhig wie möglich aufzufassen. Meine Beamten zu verteidigen, die meiner Ansicht nach in fast allen Dingen ihre Pflicht aufs höchste getan haben, ist meine Pflicht und Schuldigkeit, die habe ich gestern getan und werde sie auch in Zukunft tun. (Bravo! bei den National⸗ liberalen.)
Wenn der Herr Vorredner gesagt hat, er habe den Fall Adams nicht zu agitatorischen Zwecken wieder aufgerührt, so habe ich keineswegs gesagt, daß er das getan hat, sondern ich habe gestern nur gesagt, wenn in der dritten Gerichtsverhandlung vom 15. Dezember von neuem der Fall Adams vorgebracht werden sollte, obgleich er in der früheren Gerichtsverhandlung in der gestern verlesenen Weise vom Gerichtshof abgetan war, dann hätte es nur geschehen können in agitatorischer, für den Bezirk berechneter Weise. Dabei bleibe ich stehen. Gegen den Herrn Vorredner habe ich in keiner Weise einen Angriff richten wollen.
Abg. Dr. Friedberg (nl.): Nach Herrn Marr soll sich also das Abgeordnetenhaus als Obertribunal über die erichte, sch. l Urteil bereits gesprochen haben, auftun. Wenn die Beweisführung wirklich in unzulässiger Weise beschränkt worden wäre, so hätte das Gericht Freisprechung aus Mangel an Beweisen eintreten lassen. Wir sind auch Gegner jeder Beamtenbeeinflussung, aber hier handelt es sich nicht um eine solche, sondern um eine systematisch betriebene Beamten⸗ hetze. Jahrelang hat die Dasbach⸗Presse in aufregendster Weise gegen die Bergwerksverwaltung gehetzt; und als das Herrn Hilger einmal zu viel wurde, hat er erklärt, diese Verhetzung werde unerträglich; dabei hat er aber nicht von der Zentrumspartei, sondern von der zentrumsdemokratischen Presse gesprochen. Herr von Schorlemer, ein Zentrumsführer, hat einmal gesagt, vom sozialdemokratischen Ton bis zur sozialdemokratischen Gesinnung sei nur ein kleiner Schritt. Herr Dasbach ist ein ausgezeichneter Geschäftsmann; er hat trotz aller dieser systematischen 6 e gegen die Bergwerksverwaltung im vorigen Jahre Herrn Hilger aufgesucht und ihn um die Zuwendung der Inserate der Verwaltung gebeten. Das war gewiß vom Standpunkt des Ges chäfts⸗ mannes ausgezeichnet; aber „wenn mich ein Köter tagtäglich in die Waden beißt, werde ich ihm nicht noch eine Wurst dazu sch.n,n. Die Zentrumsredner haben ja auch die Dasbach⸗Presse abgeschültelt. Fesf Marr hat heute nicht wie ein Richter, sondern wie ein rabu⸗ istischer Advokat gesprochen. Vereinzelte Zeugenaussagen dürfen nicht herausgegriffen und es darf nicht einfach gesagt werden: weil irgend jemand dies und jenes ausgesagt hat, ist es wahr; der Gerichtshof soll ja gerade das Für und Wider der Zeugenaussagen abwägen und auf Grund dieser Abwägung ein Ürteil fällen. Herr Marx sprach am Freitag von einem ,fest geschlossenen Ringe“ von Beweisen, heute will er nicht von einem System, sondern nur von einzelnen Zeugenaussagen esprochen haben. Wozu dann Feas große Aktion? Herr Fuchs ha Herrn Marx womöglich noch überboten; er hat sich über das Gerichtsverfahren völlig hinweggesetzt und operiert mit Vermutungen, für die er au
nicht den Schatten eines Beweises erbringt. Herr Fuchs ist der eigentliche Drahtzieher in der ganzen Aktion: er empfängt das Material, er schreibt an den Minister, er will die Leute schützen. Nun, wir sind ja jetzt zusammen; schützen Sie die Leute, aber schützen Sie sich auch vor dem Urteil dieses Hauses! Herr Fuchs hat in besonders unzarter Weise das persönliche Moment des Wahlkampfes heraus⸗ gezogen; er meint: „Ich, Herr Fuchs, darf mir alles erlauben, aͤber Herr Prietze ist Bergrat und darf sich nichts erlaub 2
“
Reichsanze
e Beila iger und Königlich Pre
Berlin, Mon
tag, den 15. Febru
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Das ist so edel, so vornehm, daß ich es nicht weiter charäkterisieren will. Wie die Zemtrumspartei agitiert hat, hörten wir ja am Freitag chon. Ein Pfarrer erklärt, er müsse demjenigen die Sakramente verweigern, der nicht den Zentrumsmann wählt. Das wurde am Freitag als harmlos hingestellt; tatsächlich ist es eine so niedrige Handlungsweise, daß sie gar nicht parlamentarisch gekenn⸗ zeichnet werden kann. Es ist auch von demselben Herrn die Aeußerung gefallen: es wäre besser gewesen, wenn 1866 Oesterreich statt Preußen gesiegt hätte. Herr Hilger kann es anstellen, wie er will, er mag den katholischen Arbeitern noch so freundlich ent⸗ gegenkommen, die Dasbach⸗ Presse setzt ihr Handwerk fort. Wo ist eine größere Verwilderung in der Literatur zutage getreten als in dieser Dasbach⸗Presse? Zu den drei Prozessen, die hier bereits be⸗ sprochen sind, kommt ein vierter, in dem Verurteilung der Redak⸗ teure zu 1 Monat Gefängnis und 200 ℳ Geldstrafe erfolgt ist, weil dem nationalliberalen Wahlkomitee nachgesagt wurde, es habe den Wahlsieg bei Sekt gefeiert, der von den Arbeitergroschen bezahlt worden sei. Das zeigt so recht die Verwahrlosung dieser Art von Presse. Herr Marx sprach von einem eisernen Besen, mit dem der Minister Naskehr halten sollte. Mir ist es gleich, ob es auch nur ein gewöhn⸗ licher Besenstiel ist; diesen aber sollte das Zentrum in die Hand gedrückt bekommen und damit zunächst vor seiner eigenen Tür kehren. Ein Personenwechsel würde nichts ändern. Die große Schlacht, die das Zentrum liefern wollte, ist unwiederbringlich verloren, auch wenn das Zentrum den Kämpfer für Wahrheit, Freiheit und Recht, Herrn Nenttug in das Feuer schicken sollte.
Abg. Dasbach (Zentr.): Der Artikel in der „Neunkirchener Zeitung“ über den Thrannenmord hatte mit des Königs Geburtstag zar nichts zu tun, er war nur eine Antwort auf den bekannten Brief des Professors Dahn. Ich muß deshalb den gestrigen Angriff des Abg. Prietze entschieden zurückweisen. Es steht fest, daß sehr viele Saar⸗ Pücher Bergarbeiter einen sehr kümmerlichen Lohn erhalten, daran ändern die Angaben des Herrn Prietze nichts; von „Hungerlöhnen“, von denen der Artikel sprach, kann allerdings nicht die Rede sein. Ich soll an der ganzen Anregung schuld sein. Es ist allerdings in meiner Druckerei eine Broschüre erschienen, in der gegen die Steiger bestimmte Vor⸗ würfe erhoben werden. Dann ist ein Kompromiß zustande gekommen, ich habe die Erklärung abgegeben, daß ich die höheren Beamten nicht habe angreifen wollen. Darauf wurde die Sache niedergeschlagen. Wie recht ich aber hatte, geht daraus hervor, daß später eine Disziplinar⸗ untersuchung gegen verschiedene Steiger eingeleitet wurde. Es ist richtig, daß ich Herrn Hilger um Annoncen gebeten habe. Ich meine, daß die Annoncen veröffentlicht werden, um bekannt zu werden. Die Auflage der amtlichen Blätter zählt aber keine 2000 Exemplare. Mit jenem Ersuchen konnte ich daher an Herrn Hilger herantreten. Ich habe es im Interesse der be⸗ teiligten Leute getan, denen die Mitteilungen bekannt werden sollten. Den Artikel über den Empfang des Bischofs Korum durch die Berg⸗ leute habe ich Herrn Hilger gegenüber ausdrücklich mißbilligt. Die Presse hatte geglaubt, daß es sich um die Aufstellung des Herrn Hilger als Reichstagskandidaten handle, und daher kam die grobe Er⸗ regung. Es ist doch wunderbar, wenn der Vorsitzende der Bergwerks⸗ direktion, unter der so viele katholische Arbeiter stehen, sich an die Spitze der nationalliberalen Wahlbewegung stellt und Reden hält, die alles Maß übersteigen. Die nationalliberale „Neue Saarbrücker Zeitung“ hat z. B. den Zentrumskandidaten Fuchs als eine unsympathische, aus dem finstersten Aberglauben des Mittelalters herausgewachsene Persön⸗ lichkeit, als einen Fanatiker erster Sorte hingestellt und angedeutet, daß er Stimmenbezahlung beabsichtige. Die Nationalliberalen glaubten, sich alles erlauben zu duürfen. (Als der Redner weitere Zeitungsartikel verliest, ersucht ihn der Präsident von Kröcher, doch nicht alle Zeitungen vorzulesen.) In der nationalliberalen Presse finden sich die wütendsten Beschimpfungen der Zentrumskandidaten. In einem Prozesse hat das Gericht anerkannt, daß Herr Hilger mit der Aeußerung von den „beiden internationalen Parteien, welche die stärksten im Reichstage geworden sind“, das Zentrum durch die Gleichstellung mit der Sozialdemokratie beleidigt habe. Diese Aeußerung fiel bei einer amtlichen Gelegenheit, als Herrn Hilger ein Orden überreicht wurde. Mit Recht hat das Zentrum dagegen auf das schärfste protestiert. Druck erzeugt eben Gegendruck; und man darf sich nicht beschweren, wenn auch das Zentrum einen schroffen Ton anschlägt. In dem erwähnten Prozeß wurde das Be⸗ weismaterial durch den Einfluß des Herrn Hilger wesentlich beschränkt, während der Angeklagte es gern der Oeffent⸗ lichkeit unterbreitet hätte. Es steht fest, daß Adams für die Aeußerung, daß ihm der Kandidat Prietze unsympathisch sei, eine Sühne auferlegt werden sollte. Herr Hilger hat in einer amtlichen Unterredung Adams befohlen, in eine nationalliberale Wähler⸗ versammlung zu gehen, und der Minister hat eine solche amtliche Aeußerung nicht mißbilligt. Dr man mir seit Jahren die Ver⸗ gehen meiner Untergebenen zuschiebt, so teile ich mit, daß der be⸗ treffende Redakteur entlassen worden ist. Aehnliche Maßnahmen von der Gegenseite habe ich bisher vermißt. Abg. Bebel, der Chef der sozial⸗ demokratischen Partei, hat in Dresden gesagt: „Wer nicht pariert, der fliegt.“ Und Herr Hilger sagt: „Wer nicht mittut, der fliegt.“ Es ist inter⸗ essant, daß beide in ihren Parteien maßgebende Personen sich des⸗ selben Ausdrucks bedienen. Als sich die Arbeiter über einen Knapp⸗ schaftsarzt beschwerten, wurde der Arzt nicht versetzt, ja sie haben nicht einmal eine Antwort vom Minister bekommen. Dergleichen reizt zum Anschluß an die Sozialdemokratie. Wer nicht einmal gehört wird, fühlt, daß er unterdrückt werden soll. Daher kommt die Erregung unter den Bergarbeitern des Saarreviers, und sie folgen demjenigen, der sich noch ihrer Interessen annimmt. Deshalb will ich mit der⸗ selben Energie, wenn auch nicht in derselben Tonart wie bisher, die Interessen der Bergarbeiter vertreten. “
Minister für Handel und Gewerbe Möller: 8
Meine Herren, auf einige wenige Punkte nur will ich eingehen.
Zunächst hat der Herr Vorredner sich auch beschwert über die Höhe der Löhne im dortigen Bezirk. Er hat in Verbindung gebracht die Erträgnisse des Bergbaus mit den Löhnen. Ich kann nicht an⸗ erkennen, meine Herren, daß es irgendwie für den fiskalischen Betrieb gerechtfertigt wäre, die Konjunkturgewinne in Verbindung zu bringen mit der Lohnhöhe; die Lohnhöhe richtet sich nach dem Arbeitsmarkte, und ich würde unrecht tun, wenn ich mich nach anderem richtete als nach dem Arheitsmarkt. Allerdings in einer Beziehung hat meine
Verwaltung den Arbeitsmarkt im Saarrevier beeinflußt; aber ich
meine, in einer sehr richtigen Weise; sie hat vermieden das, was in anderen Bezirlen vielfach zur Unzufriedenheit Anlaß gegeben hat: sie hat nämlich tunlichst vermieden, die großen Konjunkturen und Erträg⸗ nisse zum Ausdruck zu bringen in der Lohnhöhe. Seit dem Niedergang, der im Anfange der 90er Jahre gegen den Aufschwung von 1889/90/91
eintrat, und der etwa im Jahre 1893/94 den Tiespunkt erreichte,
haben die Löhne im Saarrevier, abweichend von anderen Revieren, von diesem Augenblick ab eine andauernd steigende Richtung verfolgt, und während beispielsweise im Ruhrrevier die Löhne im Jahre 1900.
Jahre 1902 schon wieder fortwährend auf⸗ allerdings nicht zu einem großen Höhe⸗ die der im
eine Höbe von 1332 ℳ erreicht haben, im auf 1131 zurückgegangen waren, sehen wir eine steigende Linie im Saarrevier, punkt, aber wir be Ruhrrevier sehr nahe kommt; Nachrichten von dem Betriebe der Staa Sie können sich überzeugen, daß auch in Oberschlesien und Nieder⸗ wankungen vorgekommen sind als bei uns an der ren des Niedergangs nicht fortwährend
finden uns augenblicklich in einer Lage, Sie finden auf Seite 64 und 65 der tswerke die näheren Details;
schlesien stärkere Sch Saar, und wir haben auch jetzt in den Jah einen Rückgang der Löhne eintreten lassen, sondern ein Auch im letzten Jahre 1903, worüber die Zahlen nate gegeben sind, haben sie in ihrem Gesamtergebnis eine Steigerung um 2 ₰ im Durchschnittseinkommen für die Schicht ergeben.
Meine Herren, nichts ist so schaft, als daß das Ein bringt einen Arbeiterhaushalt mehr in Unordnung, konjunkturen große Löhne und beim Niedergang da sind. Das bringt jeden Haushalt in Konfusion, einen Arbeiter⸗ Jedem von Ihnen würde es eben⸗ sein, 25 % Nachlaß zu haben in Ihrem Einkommen je viel mehr bei einer Arbeiter⸗
langsames Steigen. nur für die ersten neun Mo
zial wichtiger für eine große Arbeiter⸗ kommen sich annähernd gleich bleibt; als wenn in Hoch⸗ wieder niedrige Löhne
haushalt mehr wie jeden andern. falls unbequem von einem Jahr zum andern — wi die viel schärfer rechnen muß als Leute mit höherem Ein⸗
Ich habe von jeher diesen Standpunkt als Abgeordneter vertreten, daß das Ideal ist: möglichste Gleichmäßigkeit der Löhne; em Prinzip habe ich, seitdem ich Minister bin, in energischer und ich hoffe, daß damit auch das hohe Haus ein⸗ e nochmals zurück, daß es gerecht⸗ rträgnisse eines industriellen Betriebes, dessen ie in fiskalischen Betrieben, weil
Weise gehuldigt, verstanden sein wird. Aber ich weis fertigt sei, die Nettoe Ergebnisse so undurchsichtig sind, w die Neumlagen wieder daraus bestritten werden, für die Regulierung der Löhne als Unterlage zu wählen. Meine Herren, wenn diese Frage an der Saar ausgeschieden wird — und Herr Dasbach kann sehr viel tun, wenn seine Blätter dazu beitragen, dann würde ein Agitation in Wegfall kommen. bei denen der Herr Abg. Dasbach Verwaltung direkte Vorwürfe gerichtet hat. Be⸗ Herrn Geheimrats Hilger bei Ueberreichung von ch, nachdem die Zeitungsnachrichten darüber gebracht hatten, wie der Herr Vorredner das aus⸗ ich habe aber nicht genau feststellen weil eben mündlich das Wort Ich weiß nicht, inwiefern der Herr Abgeordnete in klichen Wortlaut der Rede festzulegen. Sollte der Wortlaut aber so gewesen sein, wie ihn der Herr Ab⸗ oder auch nur annähernd so gewesen sein, dann nehme ich absolut gar keinen Anstand, hier auszusprechen, ich eine derartige Ausdrucksweise von Herrn Hilger gemißbilligt hätte. (Beifall im Zentrum.)
Um dann auf die Versetzungsfrage Fischer⸗ so wird von dem Herrn Vorredner in Zweifel gezogen, was im vorigen hier von meinem Nachbar, dem Herrn Oberberghauptmann Meine Herren, was der Herr Oberberghaupt⸗ hier ausgeführt hat, beruht lediglich amts in Clausthal, und auf diesen Be⸗
wesentlicher Punkt der gefährlichen
Dann noch einige wenige Punkte, gegen mich und meine züglich der Rede des Ordensauszeichnungen habe i ähnliche Angaben geführt hat, Bericht erfordert; können, wie der Wortlaut gewesen ist, leichter verfliegt. der Lage gewesen ist, den wir
geordnete vorgelesen hat,
Adams zurückzukommen,
ausgeführt worden ist. mann bezüglich des Herrn Fischer auf einem Bericht des Oberberg richt müssen wir uns verlassen. Dann hat der Herr Vorredner sich beschwert über einen Knapp⸗ Auch hier haben wir sofort Bericht erfordert, eitungen erschien; wir haben imer Rat Hilger bereits die Unter⸗ Der Knaxpschafts⸗ Angriffe nicht begründet selbst aus Anlaß seinerseits die Stelle
schaftsarzt Dr. Büsch. als die erste Nachricht davon in den 3 dabei festgestellt, daß Herr Gehe suchung gegen Herrn Dr. Büsch eingeleitet hatte. vorstand hat das Gleiche getan und hat die nichtsdestoweniger dieser Untersuchungen, die stattgefunden haben, als Knappschaftsarzt für den 1. Oktober v. J. gekündigt. Die Sache ist also dadurch gegenstandslos geworden und ist erledigt.
Was dann die Beschwerde betrifft, daß eine Antwort an den üttlinger Verein, der die Beschwerde gerichtet ha so ist das nach dem mir zugegan man dem Püttlinger Verein gar keine
t, nicht gegeben sei, genen Bericht deshalb geschehen, weil Legitimation zubilligen konnte, eschwerde vorzubringen, da unter den Mitgliedern kein Hätten Knappschafts⸗
eine derartige einziges Mitglied der Knappschaft sich befand. mitglieder diese Beschwerde eingereicht, so würde dafür gesorgt daß diese zur rechten Zeit beantwortet worden wäre.
—): Die Sache hat das Haus so lange n eingehe; aber den Geheimen Rat Hilger und Beamtentüchtigkeit über jeden irn Hilgers Temperament und der rücke gefallen sind, ist be⸗ Saarrevier aufs äußerste edauert wie Juni 1903, also r. Becker, dem vielgenannten astor unterzeichnet ist, Knechtung den Spuren des Saarrevier so wenig Sozial⸗ die Elemente, Verführung der ka schen Mann, wie Herrn Hilger, darf man se behandeln.
tadt (Zentr.
worden sein,
Abg. von Schube beschäftigt, daß ich nicht r verpflichtet, auf das w dessen Patriotismus erhaben ist. der Gegenseite auch scharfe Ausd greiflich, und daß der konfe erschüttert ist, von evangelischer Seite. bald nach der Reie
auf die Einzelheite
einzutreten,
nelle Friede im nsichtigen Katholiken fruf vom 26.
wird von ei In einem Au hstagswahl, der von T und einem katholischen P. „brutale Gewalt und
Daß es im
Liberalismus gefolgt“ seien. demokraten gibt, liegt daran Sozialdemokratie anheimfe Einen so patrioti nicht in solcher Abg. Schwarze⸗ Dr. Friedberg die Sache mit einigen
die sonst der tholischen Presse
) verwahrt sich dagegen, daß Witzen abzumachen
Arxets EnA.
nicht erhalteu. Nach den Worten des Bischofs Korum ist aber Her ilger ein edler Bergwerksdirektor, und da sollte doch das Zentrum ich anders stellen. Kaum war aber Herr Hilger hingekommen, da bing der Kampf gegen ihn los, weil man wußte, er sei ein ziel⸗ ewußter Gegner. Wenn so viel herausgekommen ist, sagt Herr Marx, was bleibt da hinter dem Berge! Ja, wenn wir festgestellt haben, daß von der Kanzel mit Verweigerung des Sakraments gedroht, wie in dem Beichtstuhl gearbeitet worden ist (Zuruf: Haben Sie schon einmal gebeichtet?) — ich bin nicht ein solcher Sünder wie Sie! —, so müssen wir allerdings fragen; was bleibt da hinter dem Berge? Daß die Sozialdemokratie im Rheinland nicht aufkommen kann, liegt daran, daß die Ultramontanen das Oppositionsbedürfnis aufsaugen, was ich schon vor 20 Jahren zu Windthorst gesagt habe. Wenn Herr Dasbach einmal nicht mehr unter den Lebenden ist, dann fällt seine ganze Leserschar der Sozialdemokratie anheim. Denn das Zentrum arbeitet hier mit denselben Mitteln, wie sonst die Sozialdemokratie. Das will ich an der Lohnfrage beweisen. Die Dasbach⸗Presse hetzt fort⸗ gesetzt die Arbeiter mit der Behauptung auf, daß die Staatsverwaltung Hungerlöhne zahle. Dann wäre es doch die Pflicht des Abg. Dasbach, hier bei Beratung des Bergetats eine Erhöhung der Löhne zu beantragen. Die Lohnhöhe richtet sich nach dem Arbeitsmarkt. Wird der Lohn auch nur um ein Geringes erhöht, so fällt der ganze Nutzen des Saarreviers für unsere Staatskasse weg, und dafür müßten die Steuern erhöht werden. Was Herr Dasbach tut, ist nichts als Verhetzung, die Konsequenzen will er aber daraus nicht ziehen. Wir möchten einmal sehen, was Herr Dasbach in der Budgetkommission erführe, auch vom Zentrum, wenn er die Erhöhung der Löhne beantragte, Es genügt Herrn Dasbach, die Verhetzung der Arbeiter herbeigeführt zu haben. Deshalb treten wir hier gegen den Haupthetzer, den Herrn Dasbach auf. Abg. Fuchs (Zentr.): Das System geht weiter, wir werden als Blitzableiter benutzt gegen das Ungewitter, das über die Herren ge⸗ kommen ist. Zahlreiche Arbeiterentlassungen haben infolge der Stimm⸗ abgabe bei der Wahl stattgefunden, und ich habe mich bemühen müssen, den Opfern der Wahlbedrückungen neue Stellungen zu verschaffen. Mit Witzchen kommt man nicht weit. Als die Sozial⸗ demokraten begannen, im Saarrevier Fortschritte zu machen, waren wir es, nicht Herr von Eynern, die diese Bewegung ein⸗ dämmten. Herr von Eynern sollte nur sehen, wie der linke Flügel seiner Partei der Sozialdemokratie gegenübersteht; und er tut so, als sei das Zentrum die Vorfrucht der Sozialdemokratie. Vor den Wahlen heißt es immer, ein Sozialdemokrat stehe einem Liberalen viel näher als ein Zentrumsmann. Hier reden Sie (zu den Nationalliberalen) natuͤrlich anders, und Sie wissen auch, warum. Die Sozialdemokraten haben den Mut ihrer Ueberzeugung, Sie haben ihn nicht, sondern scheuen sich vor den Konsequenzen. Wenn ich erst so weit bin, das Fortleben nach dem Tode zu leugnen, so ist das der erste Schritt zur Sozialdemokratie. An der Saar gehen die Arbeiter noch in die Kirche, und die Arbeiter, die in die Kirche gehen, halten sich fern von der Sozialdemokratie. Es gilt für uns, an der Saar den Bann der Furcht zu brechen, der alle Gemüter dort beherrscht. Man hat den katholischen Arbeitern gesagt: gehen Sie hin, halten Sie Reden für Prietze, dann sind Ihnen alle Sünden vergeben. Da war es meine Pflicht, in den Kampf dort einzugreifen, um den Bann zu brechen. Der Minister mag ein recht guter Handelsminister sein, aber er ist ein schlechter Stratege. Die Person des Herrn Hilger kommt gar nicht in Betracht; wir wollen nur, daß von den Arbeitern der Druck genommen wird. Im Falle Adams ist klipp und klar nachgewiesen, daß ein Druck von oben stattgefunden, und ich bedauere, daß der Minister für diesen Fall keine Remedur zu⸗ gesagt hat. Ich verlange vom Minister nur einen Erlaß nach Art desjenigen des Herrn Eisenbahnministers, daß jede amtliche Wahl⸗ beeinflussung zu unterbleiben hat. Aber in Saarbrücken herrscht noch immer der alte Zug, der schon vor 30 Jahren dort zu bemerken war.
Minister für Handel und Gewerbe Möller:
Meine Herren! Der Herr Vorredner hat wiederum in Zweifel gezogen, daß ich nicht in der Weise, wie ich es im vorigen Jahre ver⸗ sprochen und, wie ich gestern schon ausgeführt, in diesem Jahre getan habe, einen Erlaß genau in dem Sinne erlassen habe, wie er es verlangt. Ich habe den Bergbehörden ausdrücklich vorgeschrieben im Jahre 1901 und ebenso, wie ich gesagt habe, am 5. Mai vorigen Jahres 1903, sie sollten sich jeder dem Gesetz widersprechenden Wahl⸗ agitation enthalten, — und habe ihnen ebenso gesagt: Ihrer persön⸗ lichen Ausübung Ihres Wahlrechts kann ich nicht entgegentreten. Das habe ich getan und werde es auch in Zukunft tun. Im übrigen habe ich hier vorhin ausgesprochen: ich lasse mir nicht durch den Herrn Vorredner etwas in meine Reden hineininterpretieren, was ich nicht gesagt habe. Es erübrigt sich für mich, ihm auf diesem Wege zu folgen. (Bravo! links.)
Abg. Dr. Friedberg: Glaube und Unglaube stehen mit dieser Frage in gar keinem Zusammenhang. Herr Fuchs versteht unter Unglauben jedes Abweichen vom Katholizismus. Daß Herr Fuchs eine intelligente Weltanschauung hat, glaube ich nicht. Wenn man Herrn Fuchs hört, muß man annehmen, daß auch auf den Khöniglichen Werken zahlreiche Arbeiterentlassungen statt⸗ gefunden hätten; er hat sich aber lediglich auf Entlassungen in einer Schamottefabrik berufen können. Die Dasbach⸗Presse hetzt gegen uns wie die Sozialdemokratie. Eine sozialdemokratische Agitation ist im Saarrevier gar nicht nötig, das Bedürfnis wird durch die Dasbach⸗Presse gedeckt. Herr Fuchs spielt sich als Hort von Recht und Freiheit auf; wer das tut, darf die Sache nicht so einseitig ansehen. Nicht die einzelnen Zeugenaussagen können maßgebend sein, sondern nur das Gesamturteil des Gerichts. Herr Fuchs will den Bann der Furcht brechen, wo sind denn die Menschen, die von diesem Banne er⸗ griffen sind? Warum treten sie nicht hervor? Wenn ein Ar⸗ beiter Herrn Fuchs gesagt hat, er habe gegen seinen Wunsch in eine nationalliberale Versammlung gehen müssen, so hätte Herr Fuchs eigentlich antworten müssen: „Sie sind ein Lump, man tut nicht, was gegen seine Ueberzeugung ist“ Die Schlacht ist für die Zentrumspartei verloren; Sie (zum Zentrum) haben einen großen Trumpf ausspielen wollen, und es ist Ihnen nicht relungen, Sie sind den Beweis schuldig geblieben. (Abg. Fuchs: Nach Ihrer Meinung!) Nun, ich glaube, dieses Haus wird mindestens ein non liquet sprechen. Herr Hilger hat immer nur von der ultramontan⸗demokratischen Presse gesprochen, also von der Dasbach⸗Presse; aber nicht mit einem Worte hat er dabei die Zentrumspresse gemeint. Der Kulturkampf hat mit den Saarbrücker
Verhbältnissen gar nichts zu tun. Wenn dort Kulturkampf herauf⸗ beschworen ist, so ist es allein von katholischer Seite geschehen, ich
längere Rede balten, Herm Dasbach herumzuschlagen. Treiben der Dasbach⸗Presse und das tut mir und immer
Abg. von Eynern (nl);: Ich wollte eine aber es ist kein Vergnügen, sich mit as Zentrum verurteile das Is scheint aber nicht so zu sein, Dasbach ist 87 mal vern
Ich glaubte, d ebenso wie wir. denn Herr des unerhöͤrten angegriffen Saarrevier hochkam,
arteilt worden, mit dem er nicht sachlich, bevor Herr Hi 1 Kollegen des Herrn Dasbach, die und jetzt soll Herr Hilger e bischöͤfliche
schuld sein.
erinnere nur an die Tätigkeit des Bischofs Korum. Der Staat darf
hier keine Schwäche zeigen, sondern muß sich seiner Beamten an⸗ nehmen.
Darauf wird ein Antrag auf Schließung dieser Debatte
gegen die Stimmen des Zentrums und der Polen angenommen.
Abg. Brust (Zentr.) bringt sodann die Wurmkrankheit de
Bergarbeiter zur Sprache und verbreitet sich über die Maßnahmen
zu ihrer Bekämpfung. Die Dortmunder Behörde sei mit ihre