1904 / 42 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 18 Feb 1904 18:00:01 GMT) scan diff

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8 Werden denn die Postsekretäre nicht ebenfalls ohne E postsekretäre? Entscheidet über die Beförderung die Verwaltung? Ich glaube, da könnten Engel die zu Befördernden heraussuchen: es würde immer der eine oder andere sagen, warum werde ich nicht gewählt, ich bin doch geeigneter als jener. Es kommt bei der ganzen Sache nicht auf die Kenntnisse an, ob einer ein großer Schriftsteller ist, große Aufsätze machen kann, sondern es kommt darauf an: ist er ein praktischer Mann, kann er Anordnungen treffen, ist er in der Lage zu sorgen, daß alles regelrecht vor sich geht. Sie reisen ja viel, kommen viel auf Bahnhöfe, Sie sehen die Saͤcke, in denen Briefe, wertvolle Sendungen aus einem Postwagen in einen kleinen Wagen geladen werden, um mit einem späteren Zuge wieder abzugehen. Das kann nicht bl. ein Unterbeamter machen, sondern es sind mehrere nötig. Wir verwenden mitunter Hilfskräfte, die noch nicht gewandt sind und nicht genügend Bescheid wissen. Infolge⸗ dessen hat sich in den letzten Jahren die Einrichtung e zu gebildet und wir sind glücklich, daß es so 8 daß gehobene Unterbeamten (Oberschaffner) auf den Bahnhöfen dafür sorgen, daß alles richtig vor sich geht. Unterbeamte sind zu diesem Zwecke häufig besser als junge Beamte, weil Unterbeamte, die von den unteren Stellen aufrücken, ganz genau alle kleinen Bedürfnisse kennen, auf die geachtet werden muß. Dieselben Verhältnisse walten nicht bloß auf den Bahn⸗ höfen, sondern auch bei den Aemtern ob. Die Unterbeamten streben dahin und behelligen Sie auch mit Eingaben, daß sie Beamte werden. Wie könnte das, wenn es erreichbar wäre, ja anders vor sich gehen, als daß ihnen immer feinere Arbeiten übertragen werden, als daß die Unterbeamtengeschäfte nicht für so einfach angesehen werden, daß sie jeder machen kann, sondern daß für die bessern Geschäfte auch gewandtere Leute herausgesucht werden müssen! Ich hatte immer erwartet, daß die Unterbeamten sehr dankbar für die Schaffung derartiger Stellen sein würden.

Was dann die Gehaltsfrage anbetrifft, so bin ich ganz der Ansicht des Herrn Vorredners, daß sich vielleicht manche Härten in die Ge⸗ haltsregelung eingeschlichen haben, daß man durch die Erfabrung wahr⸗ genommen hat, wie dieses oder jenes Arrangement der Sätze doch nicht

nicht

kommen und

en Beamten auch gestattet haben, im Winter Urlaub zu nehmen. Wer im Winter beurlaubt wird, bekommt einen längeren Urlaub als im Sommer. Das hat viel Anklang gefunden. Es ist für viele Beamte, die fern von ihrer Heimat beschäftigt sind, eine sehr an⸗ genehme Sache, auch einmal im Winter bei ihren Angehörigen weilen zu können, namentlich bei Festen usw., wenn die Familie zusammen ist. Von anderen natürlich, denen im Sommer kein Erholungs⸗ urlaub erteilt werden konnte, sind Klagen gekommen, das wird aber nicht abzustellen sein. Nun wird gesagt, es lägen ja auch von anderen Beamtenklassen Klagen und Beschwerden vor, die darauf hin⸗ ausgingen, daß wir zu viel Beamte angenommen hätten. Sie haben sa auch ein grünes Heft bekommen, worin der Verwaltung ein solcher Vorwurf gemacht wird. Wir haben uns früher über die Anstellungs⸗ verhältnisse der Assistenten, unterhalten, und da ist auch behauptet wordenn es seien zu viel Beamte angenommen worden. Die Ver⸗ waltung ist in der Tat gezwungen, genau⸗ darauf zu achten, daß nicht zu viel Kräfte angenommen werden, weil wir nicht in der Lage sind, diesen ein Recht auf Anstellung in bestimmt bemessener Zeit zu geben. Also wir müssen uns da schon durchschlagen, und ich kann den Herren, so gern ich es möchte, nicht in Aussicht stellen, daß wir jetzt schon ein Schema aufstellen können: so und soviel Erholungsurlaub kann zu dieser oder jener Zeit gewährt werden.

Dann hat der Herr Abgeordnete das Kapitel der Sonntagsruhe berührt. Ich habe schon mehrfach hier zum Ausdruck gebracht, daß ich ein großer Freund der Sonntagsruhe bin, aber nicht etwa von der englischen Sonntagsruhe, bei der alles am Sonntag ruht. Solange bei uns die Eisenbahnzüge noch fahren, solange der Verkehr nicht ganz nach dem englischen System beschränkt wird, werden wir auch nicht in der Lage sein, ganz und gar auf den Betriebsdienst an Sonntagen zu verzichten, auf den Telegraphendienst sicherlich nicht; denn dann würden wirbei Feuersbrunst z. B., bei dem Bedürfnis der Heranholung eines Arztes, bei Unglücksfällen gar keine Nachricht geben können. Ich glaube mich mit Ihnen darin in Uebereinstimmung zu befinden, daß der Telegraphendienst für den ganzen Tag nicht ausgeschaltet werden kann.

Nun ist früher vielfach gesagt worden: wenn der Post⸗ und Telegraphendienst am Sonntag nicht ganz zu entbehren ist, so erhebt

dem entspricht, was eigentlich beabsichtigt war, und daß, sobald sich eine Gelegenheit hierzu bieten wird, auch ein Ausgleich dieser Unebenheiten angestrebt werden muß. Sie werden sich erinnern, daß ich glaube, es war in der letzten Reichstagssession oder in der vorauf⸗ gegangenen ausdrücklich gesagt habe, ich halte es für meine Pflicht, bei künftiger Erhöhung der Gehälter zunächst an die Unterbeamten zu denken. Ich habe das gerade zum Ausdruck gebracht, als die Wünsche zur Aufbesserung des Direktorengehalts vorgetragen wurden. Der Etat, der Ihnen jetzt vorliegt, zeigt Ihnen ja auch, daß es mir gelungen ist, schließlich für die Schlechtestgestellten, die Land⸗ briefträger, eine Verbesserung einzuführen. Also in dieser Beziehung bin ich ganz mit Ihnen einverstanden. Die Festsetzung der Gebälter geschieht ja in der Weise, daß sie ungefähr mit den preußischen über⸗ einstimmen. Und das ist auch nötig, weil ja vielfach Beamte der verschiedenen Ressorts unter einem Dach arbeiten, damit sich nicht eine Kategorie auf die andere beruft.

Nun hat der Herr Abgeordnete gesagt: warum muß denn der Unterbeamte, der den Briefkasten leert, ihn auch reinigen? Nun, ich finde darin nichts. Der Mann, der hingeht, um den Briefkasten zu leeren, kann ihn am besten auch reinigen. Ich kann es nicht despektierlich finden, daß er den Briefkasten abfegt von Schnee und Staub. Ich möchte sagen, das ist das Handwerkzeug, mit dem er zu tun hat; wie der Soldat sein Pferd, kann er den Briefkasten reinigen; das ist wirklich nichts Entehrendes. Wenn Leute, welche Unteroffizier oder Vizefeldwebel gewesen sind, in den Privatdienst kommen, liegt ihnen vielfach ob, die Lokale zu reinigen. In den Banken können Sie das jeden Morgen sehen; darin finden Sie absolut nichts. Weshalb nun im Beamtenstande anders urteilen? Es ist nicht Sparsamkeit der Verwaltung, sondern nur weil man nicht zu jeder Zeit fremde Leute in die Diensträume hineinlassen kann wegen des Briefgeheimnisses, und weil der Betrieb ein permanenter ist; ohne Ruhepausen müssen manche kleine Dienstverrichtungen von Unter⸗ beamten wahrgenommen werden, und diese, wie das Sammeln von Bindfadenenden, Abwischen von Staub u. dgl., sind wirklich Dinge, die ich nicht für despektierlich oder ungeeignet für die Stellung der Unterbeamten halte. .

Erholungsurlaub! Ein großes Kapitel! Es wird immer gesagt: warum wird damit nicht gleichmäßig verfahren? Ich möchte den Urlaub ganz gern gleichmäßig gestalten; das ist aber ebensowenig an⸗ gängig, wie eine Schematisierung der Dienststunden, weil die Ver⸗ hältnisse ganz verschieden liegen. Die Anstrengungen, welche den einzelnen Beamten zugemutet werden, sind ja nicht überall dieselben. Man wird doch immer unterscheiden müssen: wird die geistige und körperliche Kraft des Beamten stark in Anspruch genommen oder sitzt er zeitweise untätig da. Solche

doch höhere Gebühren, um ihn zu beschränken! Gegen eine solche Maßnahme habe ich mich immer ausgesprochen, weil das eine Be⸗ vorzugung der Wohlhabenden sein und unserer sozialen An⸗ schauung nicht entsprechen würde. Es wird jetzt schon vielfach Klage darüber geführt die Abgeordneten aus dem Westen werden das manchmal hier in Berlin empfinden —, daß am Sonntag nur eine Briefbestellung ist. Der Briesschreiber denkt nicht immer daran, daß morgen Sonntag ist, daß der Brief dann nicht bestellt wird, sondern er sagt sich: mein Vater hat morgen den Brief, er kann darüber disponieren, und dann fällt ihm zu spät ein, daß der Brief Sonntag eintrifft, wo er nicht mehr bestellt wird. Mit unserem ganzen Volksleben ist das Bedürfnis einer gewissen Möglichkeit des Post⸗ und Teleg raphenverkehrs an Sonntagen ver⸗ bunden, sodaß wir auf einen solchen Dienst nicht ganz verzichten können. Daß die Reichspostverwaltung aber bestrebt ist, soviel als möglich den Wünschen nach Sonntagsruhe zu entsprechen, das, glaube ich, werden Sie anerkennen müssen. Wo an einem Orte viele Postanstalten sind, beschränken wir gewöhnlich den Dienst auf nur eine, weil wir sagen: das Publikum kann unter Umständen einen längeren Weg machen. Wir haben das lebhafte Interesse, soviel Beamte wie möglich am Sonntage freizumachen und gönnen ihnen die Erholung, auf welche sie als Menschen einen Anspruch haben.

Dann hat der Herr Abgeordnete noch das Kapitel des Nacht⸗ dienstes berührt. Es ist ja eine sehr böse Eigenschaft des Post⸗ und Telegraphenwesens, daß Nachtdienst unvermeidlich ist. In der Nacht ist entschieden der Dienst unangenehm, weil man nicht daran gewöhnt ist, die Nacht durchzuarbeiten. Selbst diejenigen, die die Nacht tapfer durchkneipen, würden sich doch dagegen auf⸗ lehnen, wenn sie die Nacht durcharbeiten sollten. (Heiterkeit.) Wir haben das eingesehen und rechnen deshalb die Nachtdienststunden anderthalbfach. Ein Beamter z. B., der in der Woche planmäßig 50 Stunden Dienst hat, leistet, wenn 15 Stunden in die Nachtzeit fallen, in der Tat nur 42 ½ Stunden, es gewährt ihm dies also eine gewisse Erleichterung und Annehmlichkeit. Daneben noch eine Bezahlung zu geben, kann ich dem Herrn Vorredner nicht in Aussicht stellen; ich glaube, daß das Verfahren der Reichspostverwaltung richtig ist.

Mir ist ja bekannt, daß bei einzelnen Verwaltungen für Nacht⸗ stunden Zahlung geleistet wird; das ist aber eine Maßnahme, die häufig dahin führt, daß die Leute sich nach dem Nachtdienst reißen, um mich dieses Ausdrucks zu bedienen. Beamte, die viele Kinder haben oder in ungünstigen Verhältnissen leben, nehmen dann gerne einen solchen Dienst, um ein paar Groschen zu verdienen. Das hat aber die Folge, daß der Beamte um so schneller abgenutzt

Ruhepausen während der planmäßigen Dienstzeit treten namentlich oft an kleinen Orten ein, und da muß man doch in bezug auf die Zahl der Dienststunden und die Erholungsbedürftigkeit andere Anforderungen stellen als hinsichtlich der vollbeschäftigten Beamten in großen Be⸗ trieben. Die Generalverfügung meines Herrn Amtsvorgängers von 1893, die der Herr Abgeordnete vorlas, hat, soviel ich mich erinnere, damals hier großen Beifall und die Anerkennung gefunden, daß damit für die Verkehrsanstalten und die Oberpostdirektionen eine sichere Unterlage gegeben sei, wonach sie verfahren könnten, und daß darin ein Maximum und ein Minimum der Arbeitsleistung festgesetzt sei. So gern ich Ihrem Wunsch entsprechen und Ihnen Mitteilung parüber machen möchte, wie groß die Dienststundenzahl bei den ein⸗ zelnen Aemtern ist, so würden Sie daraus doch keine bestimmten Schlüsse ziehen können. Entscheidend ist immer und muß immer sein die Nachhaltigkeit der Beschäftigung. Daß Beamte, welche die Hauptzeit damit verbringen, die Schalter⸗ dienstzeit ohne andauernde oder anstrengende Beschäftigung abzusitzen, nicht den Anspruch erheben können wie reichlich beschäftigte, darin stimmen wit wohl alle überein. Es wird gesagt, daß bezüglich des Erholungsurlaubs in den einzelnen Oberpostdirektionsbezirken verschieden verfahren werde. Das ist ganz richtig. Wir werden auch nicht in der Lage sein, sclche Verschiedenheiten völlig zu beseitigen. Die Verwaltung bestadet sich in der üblen Lage, daß sie gerade zu der Zeit, wo die Beamten gern Urlaub haben wollen, gezwungen ist, sehr viele Beamte zu milttärtschen Uebungen, zu Kuren usw. zu be⸗ urlauben. Mit Kräften, die nicht sehr eingeübt sind, ist keine Hilfe zu schaffen; infolgedessen sind wir dazu übergegangen, daß wir

wird, eher pensioniert werden muß und selbst auch an Tagen, wo er Tagesdienst hat, nicht so leistungsfähig ist, wie er eigentlich sein soll; das ist gegen das Interesse sowohl des Beamten als auch der Ver⸗ waltung, und deshalb haben wir geglaubt, es sei richtiger, in der Weise vorzugehen, daß den Beamten durch die höhere Anrechnung der Nachtdienstzeit eine Erleichterung gewährt wird.

Nun sagt der Herr Abgeordnete: weshalb rechnen Sie die Nachtdienst⸗ zeit von 10 Uhr bis 6 Uhr? Ja, meine Herren, das ist doch wohl eine ganz richtige Maßnahme, denn man rechnet doch auch im gewöhnlichen Leben die Tageszeit wohl allgemein von 6 Uhr Morgens bis 10 Uhr Abends. Die Nachtzeit ist unseres Erachtens recht reichlich berechnet; es sind 8 Stunden, der Beamte bekommt also 4 Stunden gut gerechnet. Ich kann hiernach dem Herrn Abgeordneten nicht in Aussicht stellen, daß in dieser Berechnung eine Aenderung vorgenommen werden wird.

bg. Singer (Soz.); Die Postverwaltung sieht ihre Haupt⸗ der setalsce pismaceae Man entschädigt die Unter⸗ beamten für die schlechte tlung durch den Titel „Ober“ und die Schulterabzeichen, läßt sie aber für diese Abzeichen bezahlen. Dagegen wurde in den Kreisen der Unterbeamten Widerspruch laut, worauf durch Verfügung des Reichsbostamts lediglich die Verpflichtung be⸗ seitigt wurde. Der Postlieferant Sachs läßt sich für die Schnüre 20 bezahlen, während die Beamten sie sich auf anderem Wege für 80 verschaffen können. Die Postverwaltung hat damit den ihrer Absicht entgegengesetten Zweck erreicht, nämlich Unzufriedenheit erregt dadurch, vdaß sie bas ohnehin schon knappe Ein⸗ kommen der Unterbeamten geschmälert bat. Die gehobenen Stellen

beklagen sich darüber, daß diese Stellen zur Belohnung oder Be⸗ strafung benutzt werden. Diese Stellen sollten vielmehr nach dem Dienstalter oder nach einem anderen Maßstabe geregelt werden. Jetzt verleiht der Vorsteher eines Amts sie, wie es ihm gefällt. Der Staatssekretär schüttelt den Kopf, dann wird die Stelle wenigstens auf Grund des Berichts des Vorstehers verliehen. Eine Aufbesserung der Gehälter für die Unterbeamten ist auch außerhalb der allgemeinen Gehaltsaufbesserungen notwendig. Die Briefträger hatten in den 1870 er Jahren 300 Taler Gehalt, 1895 wurde es auf 800 herabgesetzt. 1899 erhielten sie wieder 900. ℳ, und das nannte man eine Gehaltsausbesserung. Der Wohnungs⸗ geldzuschuß für die Unterbeamten der „Post ist durchaus un⸗ zureichend, mit dem Rest des Gehalts können sie sich und ihre Familie nicht ernähren. Darunter leidet ihre Dienstfreudigkeit und auch ihre Ehrlichkeit. Man beruft sich auf Preußen Ich meine, das Deutsche Reich müßte gerade Preußen mit gutem Beispiel vorangehen, wo man fuͤr Kulturzwecke nichts übrig hat. In bezug auf dat Koalitionsrecht der Unterbeamten hat dies der Staatssekretär in einer Weise entwickelt, wie es nur den reaktionärsten Wünschen entspricht. Zwischen dem strammen Polizeimenschen und ihm ist kaum ein Unterschied; man wird an Rußland erinnert. Er hat einen Unterschied zwischen füddeutschen und norddeutschen Unterheamten gemacht. Mit welchem Recht? Der Staatssekretär hat ein sehr unvorsichtiges Wort gesprochen, als er sagte, der Unterbeamtenverein wolle sich nicht kommandieren lassen. Das Koalitionsrecht der Unterbeamten wird geradezu miß⸗ handelt. Ist etwa die Reichspostverwaltung ein noli me tangere, das nicht öffentlich besprochen werden kann? Sind denn die Unter⸗ beamten Sklaven, daß der Staatssekretär ihnen verbieten wil, außerhalb ihrer Dienstzeit dahin zu gehen, wo es ihnen recht ist, und eine Versammlung zu besuchen? Würde sich der Staatssekretär vom Reichskanzler verbieten lassen, eine Versammlung zu besuchen? Was dem Staatssekretär recht ist, muß dem Unterbeamten billig sein. Was Herr von Gerlach in der Berliner Postbeamtenversammlung gesprochen hat, war durchaus nicht geeignet, den Zorn des Staats. sekretärs zu erregen. In Hamburg wurde durch Ukas der Post⸗ verwaltung den Unterbeamten der Besuch einer Gerlachschen Versamm⸗ lung verboten. Viele Unterbeamte gaben dem wirtschaftlichen Druck nach, und was wurde in der Versammlung besprochen? Die Gehalts⸗ aufbesserung und die Erhöhung des Wohnungsgeldzuschusses. Das soll „eine aufreizende Wirkung“ haben. Aufreizend wirkte nur das Verbot der Oberpostdirektion in Hamburg. Das Zentrum ist heute als erste Partei für die Unterbeamten eingetreten. Wir fürchten diese Konkurrenz nicht, wir möchten das Zentrum vielmehr darin bestärken. Die Postverwaltung hat, wie es scheint, eine Todesangst davor, daß die Unterbeamten mit irgend einem Sozialdemokraten etwas zu tun haben. Es handelt sich hier um ein System Kraetke. Ein Han⸗ burger Postbeamter, der am 1. Mai neben seinem Stiefsohn, von dem man behauptete, daß er Sozialdemokrat ist, 10 Minuten beim Festzug nebenher gegangen war, wurde zunächst zu 10 Strafe und in der folgenden Instanz auch noch zur Versetzung in ein anderes Amt verurteilt. Mit solchen kleinlichen Mitteln kommen Sie der Sozialdemokratie nicht bei, Sie erziehen damit die Unterbeamten mu zu Heuchlern, zu einem Korps von Leuten ohne jede Berufs⸗ und Dienstfreudigkeit, die jedes Vertrauen zu ihren Vorgesetzten verlieren müssen. Das Verhalten des Postdirektors vom Postamt 1 wird als so freundlich geschildert, daß der Staatssekretär alle Veranlassung hätte sich darüber Bericht erstatten zu lassen, um Remedur zu schaffen. Die älteren Telegraphenarbeiter rücken zwar in die Kategorie der Unterbeamten ein, sie werden aber dadurch, daß ihnen die frühere Dienstzeit nicht angerechnet wird, in ihrem Einkommen und in den Pensionsverhältnissen geschädigt. Neuerdings stellt sich die Poft⸗ verwaltung in den Dienst der Kriegervereine Sozialdemokraten und Kriegervereine haben nichts miteinander zu tun. Es sind sozialdemokratischen Genossen eingeschriebene zugeschick worden, in denen ihnen die Ausscheidung aus . eriegervereinen angekündigt wurde. Diese Briefe trugen aber kein Zeichen, daß das Porto bezahlt war. Der Resolution, die sich auf die Sonntagsruhe und den Erholungsurlaub bezieht, werden wir m⸗ stimmen. Sonntagsruhe hat bis jetzt jeder Staatssekretär versprochen. Es sind ja auch Fortschritte gemacht worden, aber die Verwaltung ist nur dem Drängen des Reichstags gefolgt. Daß der Dienst an Sonntag ruhen soll, verlangt kein verständiger Mensch. Ich bin auch der Meinung des Staatssekretärs, daß die Auflage einer Gebühr für den Postverkehr am Sonntag nur eine Bevorzugung der Wohl⸗ habenden sein würde. Es muß auf anderem Wege Wandel ge⸗ schaffen werden, vielleicht durch Abwechselung der, Beamten. Auch auf dem Gebiete des Urlaubs herrscht Willkür. Die soziale Fürsorge für die Postunterbeamten scheitert an dem Widerstande der Pof⸗ verwaltung. Je mehr die Verwaltung sich durch ihre Verkehrstätigkeit ausdehnt und Einnahmen gewinnt und die Kräfte ihrer Beamten anstrengt, desto mehr wächst ihre Verpflichtung, sie nicht nur gut zu bezahlen, sondern auch so zu behandeln, daß neben dem Beamten auch der Staatsbürger zur Geltung kommt.

Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke:

Meine Herren! Wie harmlos das Tun des Herrn Abg. den Gerlach gewesen sein muß, darüber, glaube ich, kann ich mich eines Kommentars enthalten, nachdem der Herr Abg. Singer als sein Fir⸗ sprecher hier aufgetreten ist (sehr richtig! rechts) und dieses Verfahren schön gefunden hat. (Zurufe von den Sozialdemokraten.) Ja wohl, meine Herren, Ihren Wünschen entspricht ein solches Verfahren, unseren Wünschen, die dahin gehen, Ordnung und Disziplin aufrech zu erhalten und einen guten Dienstbetrieb zu ermöglichen, entspricht es nicht. (Sehr richtig! rechts.)

Dann muß ich dagegen protestieren, daß der Herr Abg. Singer hier angeführt hat, die Unterbeamten der Reichspost⸗ und Telegrapben⸗ verwaltung wären unehrlich und die Verwaltung wäre daran schuhd (Widerspruch und Zurufe von den Sozialdemokraten.) Die Beamten und Unterbeamten der Reichspost⸗ und Telegraphenverwaltung fund sehr brave Leute. Daß darunter auch einige sind, die Ausschreitungen begehen, ist richtig, aber derartige Einzelfälle kommen in aller Stellungen und allen Ständen vor, und der Herr Abg. Singer 8 nicht berechtigt, es liegt auch kein Anlaß vor, hier den Postbeamte etwas Derartiges nachzusagen. (Sehr richtig! rechts. Lebhafte Zuru von den Sozialdemokraten. Glocke des Präsidenten.) .

Ich kann im Gegenteil hier nach der Kriminalstatistik, die wn führen, konstatieren, daß die Fälle von Unehrlichkeit des Personale von Jahr zu Jahr abnehmen. Das ist auch eine Folge davon, 2 die Verwaltung dauernd darauf bedacht ist, das Los des Percsaae zu verbessern. (Sehr richtig! rechts. Na, na! bei den Sobtlch⸗ demokraten) Ich möchte dem Herrn Vorredner nur anführen: weder ich noch meine Herren Kollegen stehen auf dem Standpunfkt, daß die gege⸗ wärtigen Zustände bei der Reichspost⸗ und Telegraphenverwaltung gamd vollkommen sind, daß sie nicht verbesserungsfähig sind; aber es auch anerkannt werden, daß wir von Jahr zu Jahr diese Verbältnis verbessern und, wo Uebelstände vorhanden sind, sie zu beseitigen suchen.

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Ich muß dann im weiteren gegen die Bemerkung des 8 Abgeordneten protestieren, ich hätte mich gegen jede Gehaltsverbes rung des Personals verwahrt. Das muß ein Mißverständnis sein

werden nach Laune unt Willkür als Belohnung denjenigen gegeben, die sich als Hausbiener

gebrauchen lassen. Die Beamten

Reichstage zu behaupten,

den Herren versichern, daß Klagen und Beschwerden von Unterbeamten

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ichtige Verständnis hätten und nicht dafür sorgten, daß es besser

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zanzeiger und Königlich P

Zweite Beilage

Der Herr Abg. Gröber hatte nur angeführt, daß bei einer allgemeinen Aufbesserung vor allem auch an die Unterbeamten so, glaube ich, war der Ausdruck gedacht werden müsse. Dem gegenüber habe ich mich darauf berufen, daß auch nach meinem bereits in der vorigen Session auch schon zum Ausdruck gebrachten Standpunkt bei solcher Aufbesserung vor allem auf die Verbesserung der Einnahmen der Unterbeamten Bedacht genommen werden müsse. Bereits der jetzige Etat zeigt, daß die Reichspost⸗ und Telegraphenverwaltung dahin strebt, einzelne Gattungen aufzubessern, so z. B. die Erhöhung des Minimalgehalts der Landbriefträger.

Im übrigen glaube ich, deß der Herr Abg. Singer sehr leicht⸗ sinnig Wetten eingeht. Er bot eine Wette „tausend gegen eins“ da⸗ gegen an, daß für die gehobenen Stellen die Beamten nur ausgewählt würden nach Gunst des Vorstehers. (Lebhafte Zurufe von den Soztaldemokraten. Glocke des Präsidenten.)

Die Sache liegt doch etwas anders, als der Herr Abgeordnete hier auszuführen beliebte. Die Vorschläge für die gehobenen Stellungen gehen von den Postämtern aus und müssen von den Post⸗ aämtern ausgehen (sehr richtig! rechts); aber die Entscheidung über diese Stellen hat die Oberpostdirektion. Weil nun im ersten Jahre, als ich die Ehre hatte, hier die Verwaltung zu vertreten, geltend gemacht wurde, daß viele junge Kräfte ausgewählt, die alten übergangen würden, ist unterm 13. Juni 1902 eine Verfügung an die Oberpostdirektionen ergangen. Ich brauchte eigent⸗ lich nur einen Satz hier vorzulesen; da aber sonst vielleicht Mißtrauen kommt, will ich lieber die Zeit darauf verwenden, um die Verfügung ganz vorzulesen:

Die mehrfach vorgekommenen Klagen Besetzung der gehobenen Stellen für Unterbeamte geben mir Veranlassung, die dafür maßgebenden Grundsätze im Anschluß an meine Erklärung bei der Etatsberatung im Reichstag den Ober⸗ postdirektionen zur genauen Beachtung zu empfehlen: Die für gehobene Stellen bestimmten Unterbeamten müssen nicht nur die erforderlichen Dienstkenntnisse, sondern vor allem auch die nötige Gewandtheit, Umsicht und Entschlußfähigkeit besitzen, sowie nach ihrem Verhalten und ihrer Veranlagung Gewähr dafür bieten, daß sie bei selbständigerer Tätigkeit im Verkehr mit dem Publikum und ihren Mitarbeitern in ihrem Auftreten die richtigen Grenzen zu halten wissen. Das dienstliche Interesse erheischt es, daß nur hinlänglich erprobte und befähigte Unterbeamte in die ge⸗ hobenen Stellungen gelangen. Unterbeamte, die sich nicht in jeder Be⸗ ziehung bewähren, sind rechtzeitig aus der gehobenen Stelle zurück⸗ zuziehen. Die Auswahl der gehobenen Unterbeamten ist von der Ober⸗ postdirektion zu treffen und nicht auf einen zu engen Kreis zu beschränken; sie ist mindestens auf alle Unterbeamte des Ortes, nicht nur des Amtes, bei dem die gehobene Stelle zu vergeben ist, auszudehnen. Unter den geeigneten Anwärtern hat die Auswahl nach dem Dienst⸗ alter zu erfolgen. Die Oberpostdirektionen haben dafür zu sorgen, daß stets eine genügende Zahl geeigneter Anwärter für die ver⸗ schiedenen Zweige des gehobenen Dienstes vorhanden ist.

Soweit es notwendig erscheint, ist auf rechtzeitige Ausbildung von Anwärtern Bedacht zu nehmen. Dabei muß vermieden werden, daß jüngere Kräfte lediglich aus dem Grunde in gehobene Stellen gelangen, weil ältere, ebenfalls geeignete Unterbeamte für den in Betracht kommenden Dienst nicht vorgebildet sind.

Zur Vertretung gehobener Unterbeamten, zur Aushilfe bei ihren Dienstverrichtungen sind deshalb in erster Linie solche Unter⸗ beamten heranzuziehen, deren Uebernahme in die gehobenen Stellen in Aussicht genommen ist. Die Oberpostdirektion hat bei Ver⸗ teilung der Besetzung der gehobenen Dienststellen darauf Bedacht zu nehmen, etwa vorhandene Ungleichheiten zu beseitigen.

Ich glaube, wenn der Herr Abgeordnete diese Verfügung gekannt hätte, würde er sich dessen enthalten haben, hier vor dem die Unterbeamten würden lediglich nach Gunst ausgewählt, und nur diejenigen würden ausgewählt, die dem Herrn Vorsteher Privatdienste leisteten. Ich muß gegen eine solche Beschuldigung protestieren. Die gehobenen Unterbeamten sind bei den großen Aemtern beschäftigt; es würde, sobald der Vorsteher die Unter⸗ beamten zu Privatzwecken benutzt, sofort zu Klagen Anlaß geben. Ich kann

über die Art der

auch zu mir kommen, weil die Unterbeamten wissen, daß ich volles und warmes Interesse für ihren Stand habe und daß sie sich ganz ver⸗ trauensvoll an mich wenden können. Daran wird es nichts ändern, wenn der Herr Abgeordnete versucht, uns als die schwarzen Männer hinzustellen.

Es ist auch unrecht, uns den Vorwurf zu machen, daß lediglich Plusmacherei bei uns herrsche, daß wir für das Personal nicht das

gestellt würde. Wenn der Herr Abgeordnete sich diesen Etat ansieht und zusammenzählt, wie viel von unseren Mehreinnahmen auf die Verbesserung der Beamten und des Unterpersonals verwendet wird, sei es durch Gehaltserhöhungen, sei es durch neue Stellen, so wird er finden, daß von einem Plus von 23 Millionen Mark 13,8 Millionen fuür diese Zwecke verwendet werden. Er wirddaraus ersehen, wie ungerecht es ist, zu behaupten, wir hätten kein Herz für das Personal.

Dann hat der Herr Abgeordnete wieder beliebt, Scherze bezüglich der Litzen und der Titel zu machen. Ich habe ihim schon bei früherer Gelegenheit gesagt, daß seine Ansichten mit den Ansichten des Gros

Unterbeamten absolut nicht übereinstimmen. (Sehr richtig! rechts.) Ich habe m Weihnachten des vorletzten Jahres überall gefunden, daß die Unterbeamten sehr erfreut über die Titel und Uniformänderung waren, und ich habe hier auch bereits früher ausgeführt, daß es sich bei diesen Aenderungen nicht um reine Aeußerlichkeiten handelt, sondern um Maßnahmen, die notwendig für den Dienst waren. Diese Abzeichen sind keine

Berlin, Donnerstag, den 18. Februar

gehobenen Unterbeamten sofort wissen, an wen sie sich zu wenden haben.

Nun hat der Herr Abgeordnete weiter angeführt, daß es den Beamten nicht freistehe, sich darüber auszusprechen, oder solche Aus⸗ zeichnungen abzuweisen und solche Litzen nicht anzubringen. Das ist vollständig richtig: sobald solche Auszeichnungen verliehen werden, gehören sie eben zur Uniform und müssen an der Uniform getragen werden. Wenn dem Herrn Abgeordneten von einzelnen vielleicht andere Meinungen übermittelt worden sind, so ist das ja möglich. Ich habe schon vorher ausgeführt, daß es 46 000 angestellte Briefträger und Postschaffner und darunter 10 000 gehobene gibt, daß nun unter diesen 36 000 nicht gehobenen sicherlich auch einige sein werden, die sich be⸗ nachteiligt glauben, und die nun ihrem Neid dadurch Ausdruck geben, daß sie falsche Ansichten verbreiten.

Was die Kosten für die Uniformen anbetrifft, so glaube ich, ist der Herr Abgeordnete nicht darüber unterrichtet, daß die Uniformen den Unterbeamten fast frei geliefert werden. Der Etat gibt den Beweis dafür, denn für jeden Unterbeamten sind 30 ausgesetzt und durch Verträge der Oberpostdirektionen mit Unternehmern ist gesichert, daß der Zuschuß, der von den Unterbeamten selbst über diesen Ver⸗ waltungszuschuß von 30 hinaus jährlich zu zahlen ist, ein mini⸗ maler ist. Ich glaube, er beträgt im Minimum 3 ℳ, im Maximum nicht mehr als 8 Nun sagt der Herr Abgeordnete, die Unterbeamten sind gezwungen worden, die Schnüre von einem besonderen Lieferanten zu nehmen. Ich muß ihm auch darauf erwidern, daß er darin nicht richtig unterrichtet ist; in dem Moment, als die Abzeichen verliehen sind, sind die Kleidungsstücke, die sich im Besitze des Personals befinden und die Abzeichen zuerst unentgeltlich geliefert, späterhin gehörten die Abzeichen zur Uniform und werden damit eingerechnet. Nun ist dem Herrn Abgeordneten die Bemerkung zugegangen, diese Abzeichen würden an einer Stelle mit 2,20 ℳ, an einer anderen nur mit 80 Pfennigen geliefert. Das ist richtig, diese Klagen sind auch an mich gegangen, ich habe diese Abzeichen durch die Physikalische Anstalt untersuchen lassen und es hat sich herausgestellt, daß die für 80 Pfennig gelieferten Sachen minderwertig und ungeeignet sind und nur ganz kurze Zeit vorhalten würden, also dem betreffenden Träger Veranlassung gegeben hätten, sehr bald neue zu kaufen. Fünfmal besser sind die Abzeichen, die seitens der Reichspost⸗ verwaltung den Unterbeamten geliefert werden. (Hört! hört! rechts.)

Der Herr Abgeordnete hat dann weiter Anstand daran genommen, daß in einer Verfügung an die Unterbeamten gleichzeitig zwei Sachen behandelt sind. Das wundert mich bei der sonstigen praktischen An⸗ sicht des Herrn Abgeordneten, daß er hier wünscht, daß zwei Ver⸗ fügungen besonders erlassen wurden und daß dadurch das Schreibwerk vermehrt wird. Dadurch würden doch nur Mehrkosten entstehen und wir würden dadurch weniger Gelder für das Personal zur Verfügung haben. Er hat dann weiter Bezug genommen auf Klagen, die über die Verhält⸗ nisse beim Postamt in Hannover vorliegen. Solche Klagen sind auch mir zugegangen. Nun, meine Herren, derartige Klagen lasse ich unterfuchen, ich urteile vollständig ruhig dasüber, möchte dem Herrn Abgeordneten aber noch eins anführen. Er scheint die nötige Obiektivität zu ver⸗

missen, aber er kennt eben die Einrichtungen nicht. Er ist dann wieder auf die Dienststundenpläne zurückgekommen.

reußischen Staatsa

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betreff der gleichen Titulaturen für die im gleichen Lebensalter stehenden Beamten. Bei den höheren Beamten bestehen Schwierig⸗ keiten für die Erlangung der höchsten Gehaltsstufen; Schwierigkeiten, die man forträumen sollte. Das Uebel liegt jenseits der gegenwärtigen Verwaltung, es geht bis in die 1880er Jahre zurück, wo eine über⸗ mäßige Annahme von Eleven stattgefunden hat. Das Dienstalters⸗ stufensystem sollte hier helfen, aber das Avancement ist verlangsamt. Inspektoren und Kassierer kommen Mitte der 30er Jahre jetzt erst in die Stufe von 2100, während sie früher zu der Zeit 3000 sicher hatten; das kann doch nicht so bleiben. Es muß eine Reform des ganzen Besoldungswesens vorbereitet werden. Die Pensionssätze für das Militär will man erhöhen, um die Qualität zu verbessern. Auch beim Postbeamtenheer finden sich analoge Ver⸗ hältnisse. Gegen die Insinuation des Abg. Singer, 2 die Post⸗ unterbeamten üunehrlich würden infolge der geringen Gehälter, mns ich entschiedensn Verwahrung einlegen; die Post eamten legen sich viel lieber äußerste Sparsamkeit, Einschränkungen und Ueber⸗ anstrengungen auf, als daß sie sich zu Unredlichkeiten hinreißen ließen. Der Staat muß im Interesse der Disziplin gewisse An⸗ forderungen an seine Beamten stellen, und gewisse Rücksichten müssen die Beamten auf den Staat nehmen; dieses Verhältnis gebietet auch gewisse Rücksichten auf organisatorische und agitatorische Betätigung. In dieser Beschränkung möchte ich der Zulassung der Ausdehnung der Organisation der Unterbeamten durch das ganze Reich das Wort reden

Für die Resolution Gröber werden wir stimmen.

Darauf wird ein Vertagungsantrag angenommen.

Schluß gegen 6 Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag 1 Uhr. (Etats der Post⸗ und Telegraphenverwaltung, Reichs⸗ eisenbahnamt, Reichseisenbahnen.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

2J1. Sitzung vom 17. Februar 1904, 11 Uhr.

Das Haus setzt die zweite Beratung des Staats⸗ haushaltsetats für das Rechnungsjahr 1904 im Etat der Handels⸗ und Gewerbeverwaltung fort.

Zu dem ersten Titel der Ausgaben „Gehalt des Ministers“

sind folgende Anträge gestellt:

1) Antrag der Abgg. Fuchs (Zentr.) und Genossen: „die Staatsregierung zu ersuchen, noch in dieser Session einen Gesetz⸗ entwurf zwecks Abänderung des Gesetzes vom 18. Juli 1900, die Besteuerung der Warenhäuser betreffend, dahin vorzulegen, daß dadurch ein wirksamer Schutz des Mittelstandes gegen die ihm durch das Vordrängen der Warenhäufer drohende Gefahr gegeben ist“;

2) Antrag der Abgg. Arndt⸗Gartschin (freikons.) und Ge⸗ nossen: „die Staatsregierung zu ersuchen, beim Bundesrat eine Abänderung der Bekanntmachung, betreffend die Beschäftigung von Gehilfen und Lehrlingen in Gast⸗ und Schankwirt⸗ schaften, vom 23. Januar 1902 nach der Richtung zu beantragen, daß die in Ziffer 4 dieser Bekanntmachung festgesetzten Ruhezeiten für die kleineren und mittleren Betriebe unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der verschiedenen Arten der Gast⸗ und Schankwirt⸗ schaften anderweit geregelt oder daß die Ortspolizeibehörden er⸗ mächtigt werden, in geeigneten Fällen Ausnahmen von den er⸗ wähnten Bestimmungen zu bewilligen“:

3) Antrag der Abgg. Funck, Oeser (speis. Volkep.) und Genossen: „die Staatsregierung zu ersuchen, alsbald einen Gesetz⸗ entwurf zur Abänderung des Gewerbesteuergesetzes vom 24. Juni 1891 vorzulegen, durch welchen unter progressiver Ge⸗ staltung der Steuer die beiden unteren Steuerklassen erleichtert und bei Berechnung des Betriebs⸗ und Anlagekapitals die Abzugsfähig⸗

Ich kann ihm da folgendes sagen: schablonieren läßt sich die Sache 1 nicht, und wenn er vergleicht, was die Reichspostverwaltung von V ihrem Personal verlangt, so ist das gegenüber dem, was im Geschäftsleben verlangt wird, ganz minimal. Glauben Sie doch nicht, daß ich bei meinen Reisen einfach durch die Aemter gehe, sondern ich frage einzelne Beamte und Unterbeamte, welche Dienst⸗ stunden sie haben. Ich sehe mir auch die Dienststundenpläne, die überall aushängen, an und habe daraus und aus den bei der Zentral⸗ stelle stattfindenden Prüfungen einzelner Pläne den Eindruck gewonnen, daß eine Ueberlastung tatfächlich nicht stattfindet. Es sind ja die Mindest⸗ und Höchstzahlen, die hier in Frage kommen, schon genannt, im Minimum sind es 48 Stunden für die Beamten, und der Herr Ab⸗ geordnete ist wieder schlecht unterrichtet, wenn er sagt, wenn am Sonntag ein Beamter Dienst hat, so müßte er doch in der Woche einen Tag frei haben. 1 Denn, meine Herren, diese 48 Stunden beziehen sich auf die ganze Woche, d. h. auf 7 und nicht auf 6 Tage; infolgedessen hat 1 ein Beamter, wenn er am Sonntag einige Stunden Dienst verrichten muß, an den Wochentagen tatsächlich die entsprechende Anzahl Dienst⸗ stunden weniger. Nach den gemachten Erfahrungen ist es das Zweck⸗ mäßigste, die Zahl der Dienststunden wochenweise festzusetzen und den Sonntag einzurechnen, weil auf diese Weise die Unterschiede sich am besten ausgleichen. Abg. Patzig (nl.): Wir teilen den Wunsch einer übersicht⸗ lichen Statistik über Dienstzeit, Sonntagsruhe usw. der Postbeamten. Ich zweifle ja nicht, daß, wenn dieser Bericht uns vorliegen wird, ein Ansturm auf die Verwaltung stattfinden wird, für die Vermehrung der Beamten Mittel zu bewilligen, und zwar mit Erfolg, denn eine ewisse Ueberbürdung ist vorhanden. Unsere Reichspost⸗ und Telegraphen verwaltung steht, wie wir ersehen haben, bezüglich der Befriedigung der Bedürfnisse des Verkehrs nach wie vor obenan. In dieser Beziehung können wir nur dankbar und anerkennend von dem Bericht über das letzte Jahr Akt nehmen. Der Vorwurf des Herrn Singer, daß die —2ö an Ueberschüsse denkt, ist ganz unberechtigt; nach meiner Meinung ist diese Verwaltung immer noch nicht so rentabel, wie die preußische Eisenbahnder⸗ waltung, insbesondere hat das Fernsprechwesen immer noch eine Unterbilanz. Dennoch muß alles Erforderliche geschehen, um nament- lich die Unterbeamten besser zu stellen. Für die Landbriefträger soll ja etwas geschehen, es sind auch an anderen Stellen einige Verbesserungen vorgesehen; aber als abgeschlossen kͤnnen wir die Besoldungsverhältnisse der Reichspost⸗ und Telegraphenbeamten un⸗ möglich ansehen. Da marschieren wir im Reich nicht an der Wahrscheinlich ist auch Preußen mit

keit der Kapitalschulden gewährleistet wird“.

Auf Antrag des Abg. Freiherrn von Zedlitz und Neukirch (freikons.) werden zunächst die Anträge Fuchs und Funck, betreffend die Abänderung des Warenhaussteuer⸗ und des Gewerbesteuergesetzes, gemeinsam beraten.

Abg. Fuchs (Zentr): Das Warenbhaussteuergesetz hat die großen kapitalistischen Betriebe, die Spezialgeschäfte von der Sonderbesteuerung ausgeschlossen. Außer mit diesem Mangel ist das Gesetz auch noch mit weiteren Mängeln behaftet. Der Zweck des Gesetzes das Zurückdrängen des Uebergewichts der Warenhäuser, ist trotz des Umstandes, daß der Steuer⸗ ertrag zurückgegangen ist, nicht erreicht worden. Der Rückgang des Ertrages beweist nur, daß die Warenhäuser sich auf die Steuer ein⸗ zurichten verstanden haben: man hat einige Artikel abgeschafft und durch diese anscheinende Betriebseinschränkung den Steuerertrag herabgedrückt. Der Verkauf zum Zweck des Anlockens, der Verkauf unter Preis ist nicht unmöglich gemacht worden. Die Fassung des § 1 hat gerade für die allergrößten Warenhäuser den Anreiz iu noch weiterer Vergrößerung gebildet. In Cöln ist für diese Zwecke ein ganzes Stadtviertel angekauft, und wir werden nächstens neben dem Hause Tietz auch das Haus Wertheim sich etablieren sehen. Die Warenhäuser haben auch den Vertrieb von Lebensmitteln, Butter, Eiern, Käse usw. in großem Maßstabe eingeführt, und ein kleines und mittleres Geschäft dieser Branche nach dem andern muß seine Existenz aufgeben. Andrerseits arbeiten an dem Ruin des kleinen Geschäftsmanns, des gewerbetreibenden Mittelstandes mit immer stärkerem Erfolge die Beamtenvereine und die Konsumvereine, deren sich neuerdings die Sczialdemokratie in großem Umfange bemächtigt hat. Die Sozialreform hat ebenfalls zu einem großen Teile dazu bei⸗ getragen, den Mittelstand leistungsunfähig zu machen; auch die des Fenossenschaftlichen Wohnungsbaues durch die Gemeinden den Staat wirkt schließlich verderbenbringend auf den Mittel⸗ stand. Hier muß in Zukunst ganz bedeutend gebremst werden. Der Beamtenwohnungsvecein in Cöln dehnt seinen Betrieb so aus, daß die Befürchtung nicht unbegründet ist, daß die Mieten um 10 % heruntergehen. Also auch hier ein Vordrängen des Großkapitals. Der Fmschla der 86 besteuerten Waren⸗ häuser dürfte sich auf 900 Millionen Mark beziffern, während der kleina Gewerbetreibende etwa 30 000 Umsatz hat; also werden durch 6 diese großen Häuser 30 000 kleinere Geschäfte eltminiert. Wollen wit bier helfen, so müssen ganz andere Maßnahmen ergriffen werden, als das bestehende Gesetz sie an die Hand gibt. Zunächst muß § 5 ab⸗ geändert werden, der ein Maximum don 2 % der Um⸗

vorschreibt. Diese 2 % müssen durch erhoben werden. Man weist auf die Gewerbefreiheit Ich sage: lieber die Erdrosselung einiger weniger Warenhäuser als die Erdrosselung des ganzen gewerbetreibenden Mittelstandes. Das Ge⸗ meinwohl, das allgemeine Interesse hat zu entscheiden. In Naad⸗ amerika gidt es keinen selhständigen Metzger mehr, sondern ung noch eine einzige große Schlächtergenossenschaft, und das Fkeisch ist doek heute teurer als zu der Zeit, in der noch der einzelne Mehzger seime

Spitze der Betriebsverwaltung.

seinen Gehältern fuür die niederen Eisenbahnbeamten hinter Bayern und Württemberg, noch etwas zurück. Jedenfalls aber kaun die Rüchsicht auf Preußen für die Reicheverwaltuag nicht ent. scheidend sein; davon würden wir uns eventuell losreißen müssen. Die kleinen Wünsche, die seitens der mittleren Beamten noch laut

Kinkerlitzchen, sondern sind Abzeichen, die nötig sind, damit die nicht⸗ 8

geworden sind, moͤchte ich der Berücksichtigung empfehlen, so in

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Eristenz fand. Vor dieser Gefahr der Monopolisterumcg Eie⸗ zelner Gewerbe müssen wir uns ganz besonders hüten. ir müssen dieser Gefahr endlich ins Gesicht sehen und dei Zeiten auf vdin Mittel der Adhilfe sinnen. Ich beantrage die Uebermeisaung meimes Antrages an die um sieben Mitglieder zu derstärkende Koemurmal⸗ kommission.

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