Meine Herren, es kann also gar keinem Zweifel unterliegen, daß das ein Gebiet ist, auf dem wir uns betätigen müssen. Aber wir können nur von Staats wegen die Anregung zur Einrichtung von Schulen geben und die Heranbildung von Lehrerinnen übernehmen. Im übrigen haben wir auf dem Gebiet, wie ich zu meiner Freude be⸗ kennen muß, in vielen Orten bereits sehr gesunde und vortreffliche Ansätze. Wir haben eine große Zahl von Damen, die ein lebhaftes Interesse dieser Frage entgegenbringen, die sich lebhaft dafür interessieren, auch mitzuarbeiten. Einer meiner Kommissare hat vor einiger Zeit in
ussicht gestellt, daß Beratungen mit Sachverständigen stattfinden ollten, und ich habe danach eine große Zahl von Briefen bekommen, i denen die Bereitwilligkeit zur Mitwirkung ausgesprochen wurde. Ich habe aber leider der Frage noch nicht näher treten können, da ich u einem klaren Programm über das, was auf diesem Gebiete ge⸗ chehen muß, noch nicht habe kommen können. Meine alten praktischen Erfahrungen parlamentarischer Art und aus dem Vereinsleben gehen aber dahin, daß, wenn man derartige Versammlungen einberuft, ehe man ein klares Programm hat, nur in den Tag hineingeredet, aber nichts Positives geschaffen wird. (Sehr richtig!) Sollten mir von Herren, die sich für die Sache interessieren, gute Ideen unterbreitet werden, so werde ich sie mit vielem Dank annehmen. (Beifall.)
1 öhlendorff⸗Kölpin (kons.) führt darüber Klage, daß 8 q. von Zö güchen e“ selbst keine praktische Mittelstandspolitik kreibe, da die staatlichen Lieferungen nicht an die kleinen Leute im Orte selbst, sondern an große Firmen vergeben
Minister für Handel und Gewerbe Möller:
Meine Herren! Der Titel, bei dem diese Klagen vorgebracht werden, gibt, glaube ich, an sich nicht zu den Klagen des Herrn Vor⸗ redners Anlaß, sondern ich glaube, daß der Herr Vorredner etwas weiter hat greifen wollen und hauptsächlich über die Lieferung in anderen Ministerien geklagt hat; denn ich habe ihn so verstanden, daß er mich als Minister des Handels als Vertreter des Handelsstandes und als Wächter dafür betrachtet, daß ich dafür sorgen soll, daß dem kleinen Handwerkerstande und dem Handelsstande in den mittleren und kleinen Städten sein Recht geschieht. Ja, meine Herren, wollen Sie doch gütigst berücksichtigen, daß gerade in dieser Frage der Revers der großen Tugenden unserer preußischen Beamten liegt, die strikt darauf halten und sich dafür verantwortlich fühlen, daß kein Pfennig unrichtigerweise und unnützerweise ausgegeben wird, und daß die Oberrechnungskammer dahinter steht, die in jedem einzelnen Fall prüft: hat der Beamte bei seinen Bezügen auch voll darauf ge⸗ paßt, daß er richtig die Konkurrenz herangezogen und dadurch dem Fiskus günstige Preise zu erzielen ermöglicht hat. Meine Herren, das
sind die altpreußischen Traditionen, unter denen Preußen groß ge⸗
worden ist, und die wirken nach. In anderen Ländern, wo man laxer ist, kann man auch nachgiebiger sein, was den Bezug der Bedürfnisse anlangt, die für die staatlichen Bureaus und Verwaltungen not⸗ wendig sind.
Die Frage der Aenderung der Submissionsbedingungen — darauf kommt es schließlich ja auch hinaus — ist unausgesetzt verhandelt in den Ministerien; man ist sich wohl bewußt, daß schwere Uebelstände bestehen. An vielen Stellen ist es aber schon erheblich besser ge⸗ worden, an manchen noch nicht. Eine Hauptschwierigkeit liegt vor allem darin, daß diejenigen Beamten, die verantwortlich sind für den Bezug, für die Abrechnung, nicht das sachliche Verständnis für die Waren
besitzen, die sie zu beziehen haben, und sich dabei meist auf das Urteil anderer verlassen müssen. Dadurch werden die Beamten bei dem hohen Verantwort⸗ keitsgefühl, das sie haben, natürlich ängstlich und vorsichtig und wollen immer die Sicherheit haben, daß sie nicht überteuert werden. Darin liegen zum großen Teil die Schäden, die hier beklagt werden. Sie sind gänzlich nicht abzustellen; aber der Herr Vorredner kann davon überzeugt sein, daß ich, sowohl ehe ich Minister wurde, als seitdem ich Minister bin, zu denjenigen gehört habe, die immer darauf dringen, daß die Uebelstände, die bei dem Lieferungsgeschäft an den Staat be⸗ stehen, nach Tunlichkeit beseitigt werden, und daß vor allen Dingen gute, sachverständige Beiräte für die Beschaffung ins Leben gerufen werden. Ich darf mich vielleicht darauf beziehen, daß ich für meine Person, noch ehe ich Minister war, schon lebhaft daran mitgewirkt habe, daß den schweren Uebelständen, die bei vielen Militärlieferungen bestanden, Abhilfe geworden ist. Ich glaube, daß durch die Vor⸗ schläge, die ich seinerzeit gemacht habe und die im Kriegs⸗ ministerium akzeptiert worden sind, sehr große Summen er⸗ spart worden sind durch die Organisierung der Ankäufe für die Bekleidungsämter, durch die Schaffung von Beiräten für sachver⸗ ständigen Einkauf, der früher wechselnden Offizieren oblag, die von der Sache nichts verstanden und nur eine nominelle Verantwortung dafür übernahmen. Ja, meine Herren, bei so großen Lieferungen läßt sich das machen. Wie es aber möglich sein soll, bei den Bureaubedürfnissen der einzelnen Bureaus auch noch Sachverständige zuzuziehen, die zu beurteilen vermögen, ob das gelieferte Papier, und was dazu gehört, gut ist, das kann ich nicht einsehen. Ich halte es nicht für möglich, und deswegen wird bei großen Behörden es unausbleiblich sein, daß von zentraler Stelle aus eine folche Prüfung stattfindet. In bezug auf Papier finden solche Proben statt, soviel ich weiß, durch die Material⸗ prüfungsanstalt, die wir hier in Berlin haben, und in den meisten anderen Einzelstaaten hat man ähnliche Prüfungsanstalten.
Meine Herren, es wird, so alt wir werden und je klüger wir werden mögen, je älter wir werden, diese Doktorfrage niemals von uns vollständig gelöst werden. Aber das darf ich, wie gesagt, noch⸗ mals dem Herrn Vorredner wiederholen: ich gehöre zu denjenigen, die immer auf Reformierung gedrungen haben, und ich bleibe auch im Amte einer von denen, die eifrig dahin wirken, die Uebelstände, soweit dies möglich ist, zu beschneiden.
Bei den Zuschüssen zur Einrichtung und Unterhaltung von Fortbildungsschulen bittet
Abg. Schaffner (nl) um besondere Berücksichtigung von Hessen⸗ ssau.
Minister für Handel und Gewerbe Möller:
Meine Herren! Ich glaube, die Herren, die sich für die Fort⸗ bildungsschule interessieren, können damit zufrieden sein, daß es mir gelungen ist, in diesem Jahre einen Mehrbetrag von 400 000 ℳ in diese Position einzustellen. (Bravo!) Es ist nicht leicht gewesen, den Herrn Finanzminister zu überzeugen, daß es notwendig sei, eine so große Mehrausgabe zu machen, noch dazu in einem Momente, wo der Etat aufgestellt wurde und wo noch sehr viel ungünstiger aussah, als es gegenwärtg der Fall ist. 1
Meine Herren, ich bin vollständig der Meinung derjenigen, die im vorigen Jahre hier ausgesprochen haben, daß der Fortschrit auf dem Ge⸗ biete der obligatorischen Fortbildungsschulen immer weitergetrieben werden muß. Wir haben auf diesem Gebiete glücklicherweise in den letzten Jahren auch nicht unerhebliche Fortschritte gemacht. Während im Jahre 1903 von 1169 gewerblichen Fortbildungsschulen nur 997 obligatorische waren, sind infolge der vermehrten Unterstützungen, die wir haben geben können, in diesem Jahre 1077 obligatorische Fortbildungsschulen vorhanden (hört, hört!), also eine Zunahme um 80 Schulen. Das ist doch keine Kleinigkeit. Ebenso ist auf dem Gebiete der kauf⸗ männischen Fortbildungsschulen dieselbe Bewegung zu verzeichnen. Von den 253 kaufmännischen Fortbildungsschulen, die im Jahre 1903 bestanden, waren 157 obligatorische; diese Zahl ist auf insgesamt 272, wovon 182 obligatorische sind, gestiegen, — auch hier, meine Herren, eine ganz ansehnliche Zunahme von 25 Schulen. Also, meine Herren, untätig sind wir auf diesem Gebiete nicht gewesen, und ich kann zu meiner Freude hier aussprechen, daß ich bei den Kommunen ein er⸗ hebliches Verständnis nach derselben Richtung hin gefunden habe und daß wir, trotzdem wir in diesem Jahre 400 000 ℳ mehr eingesetzt haben, doch heute schon sagen können: eigentlich reichen die 400 000 ℳ nicht aus, wir hätten noch mehr haben müssen.
Nichtsdestoweniger glaube ich dem Herrn Vorredner zusagen zu können, daß aus den 400 000 ℳ, die uns mehr bewilligt sind, auch sein Bezirk, der Bezirk Wiesbaden, einen entsprechenden Teil erhalten wird. (Bravo!)
Ich habe im vorigen Jahre schon hier ausgesprochen und tue es gern in diesem Jahre wieder, daß allerdings der Bezirk Wiesbaden den Ruhm hat, der erste gewesen zu sein, in dem in großem Umfange Fortbildungsschulen eingerichtet sind, und ich hoffe, daß bei der Tätig⸗ keit der Herren, die sich so lange für die Sache interessieren, der Be⸗ zirk Wiesbaden auch noch lange die Ehre sich wird erhalten können, an der Tete zu marschieren.
Meine Herren, es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die obli⸗ gatorische Fortbildungsschule noch erheblich weiter ausgebildet werden muß, und ich zweifle nicht, daß, wenn die Finanzen des Staats sich wieder einigermaßen gut gestalten, der Herr Finanzminister auch in späteren Jahren gewillt sein wird, uns weitere Erhöhungen zu er⸗ möglichen.
Wenn ein im vorigen Jahre eingebrachter Antrag, sofort mit der Durchführung der obligatorischen Fortbildungsschulen im ganzen Lande vorzugehen, dieses Jahr nicht wiederholt worden ist, so freut mich das. Meine Herren, jede derartige Entwickelung kann nicht ex abrupto gemacht werden, sondern muß organisch sich weiter bilden. Die Hoff⸗ nung aber habe ich, daß es gelingen wird, in jedem Jahre eine größere Zahl von Städten und vor allen Dingen auch von größeren Städten dazu zu bringen, daß sie die obligatorischen Fortbildungsschulen durch⸗ führen. Gerade viele der größeren Städte und die größte Stadt sind im Rückstande damit; ich habe die Hoffnung, daß gerade diese großen Städte es einsehen werden, wie dringend notwendig es ist, daß die jugendlichen Arbeiter, und besonders die in den Großstädten, den Fort⸗ bildungsschulen zugeführt werden. (Sehr richtig!)
Also die Wünsche, die ich persönlich habe, begegnen sich vollständig mit denen des Herrn Vorredners und derjenigen Herren, die, wie ich sehe, hier Interesse an der Sache haben. (Bravo!)
Abg. Dr. Lotichius (nl.) spricht den Wunsch aus, daß der Minister im nächsten Jahre einen noch höheren Zuschuß in den Etat einstellen möge. In Oesterreich geschehe viel mehr für das Handwerk und das Gewerbe als bei uns; dort gebe der Staat mehr Mittel dafür aus. Die dortige Organisation habe sich bewährt. In England tue zwar der Staat nicht so viel, desto mehr aber die Gemeinden. In Süddeutschland und besonders in Baden habe man die Fortbildungsschulen auf Grund eines Staatsgesetzes eingeführt. Es müßten bei uns vorwiegend obli⸗ gatorische Schulen durch Ortsstatut eingerichtet werden, aber
mit der Zeit werde auch Preußen zu einer gesetzlichen Ordnung des
ortbildungsschulwesens kommen müssen. Erfreulich sei, daß der Minister auch Hessen⸗Nassau mit einem Zuschusse für die Fort⸗ bildungsschulen bedenken wolle. Der Befähigungsnachweis habe in Oesterreich zu lebhaften Streitigkeiten zwischen den Handwerkern über die Abgrenzung der einzelnen Handwerke geführt. Deshalb müsse das Handwerk lieber durch bessere Ausbildung der Handwerker mit Hilfe der Fortbildungsschulen gefördert werden. Der Staat müsse vor allem für die Ausbildung der Lehrer sorgen.
Minister für Handel und Gewerbe Möller:
Dem Herrn Vorredner will ich nur auf einen Punkt antworten, nämlich in bezug auf die Ausbildungsgelegenheiten für die Fort⸗ bildungsschullehrer. Wir haben bereits regelmäßig in Berlin Kurse zur Ausbildung von Lehrern abgehalten, die sich dem Unterricht an kaufmännischen Fortbildungsschulen gewidmet haben oder widmen wollen, und haben damit nicht nur große Erfolge gehabt, sondern wir haben regelmäßig auch einen sehr großen Andrang von Lehrern, die sich an den Kursen beteiligen möchten. Wir haben fernerhin im An⸗ schluß an bestehende Schulen Kurse für den Zeichenunterricht an Fort⸗ bildungsschulen eingerichtet, und zwar in Hannover, Charlottenburg, Elbing, Posen, Breslau, Erfurt, Wiesbaden und Elberfeld. Damit haben wir dem bisherigen Bedürfnis der Zeichenlehrer an den Fort⸗ bildungsschulen auch in der Hauptsache entsprochen.
Ich verkenne nun nicht, daß noch eine Lücke besteht. Sie besteht darin, daß es bisher nicht möglich war, auch den Lehrern für die all⸗ gemeinen Wissensfächer in den gewerblichen Fortbildungsschulen eine gewisse Vorbereitung für diesen Unterricht zu geben. Wir sind aber schon damit beschäftigt, auch Versuche mit derartigen Kursen zu machen. Ich kann dem Herrn Vorredner nicht sagen, daß die Vor⸗ bereitungen hierfür schon vollständig abgeschlossen sind; ich hoffe in⸗ dessen, daß wir im nächsten Jahre oder ein Jahr später dazu kommen werden, unter unserer Aufsicht hier in Berlin versuchsweise derartige Kurse einzurichten. Eine besondere Schwierigkeit bei der Veranstaltung solcher Kurse liegt in der Auswahl von Lehrern, die geeignet sind, Lehrer zu unterrichten, denn diese sind ihrerseits als Schüler natürlich erheblich anspruchsvoller als andere Schüler. Es ist uns aber gelungen, insbesondere für die kaufmännischen Fortbildungskurse hier in Berlin sehr tüchtige Kräfte zu finden: einen Beamten der Reichsbank, einen vereideten Bücherrevisor und zwei hervorragend tüchtige Rechtsanwälte, die den Lehrern eine Einführung in das Handels⸗ und Wechselrecht geben. Ich habe den Eindruck, daß die Versuche, welche wir nach dieser Richtung hin gemacht haben, bisher sehr gut gelungen sind.
In bezug auf den Zeichenunterricht liegt die Sache noch erheblich schwieriger, weil die Erwägungen darüber noch nicht vollständig ab⸗ geschlossen sind, nach welchem System der Zeichenunterricht an den Fortbildungsschulen zu geben ist. Es sind da verschiedene Strömungen
auch unter den Fachleuten, und wir sind bisher noch nicht zu einem ganz einheitlichen System gekemmen. Ich hoffe, daß wir auch darin vorwärts kommen werden; aber ich bin auch auf diesem Gebiete kein Freund der Schematisierung. Ich erkenne an, daß es notwendig ist, in den verschiedenen Orten, je nach dem dort bestehenden speziellen Bedürfnisse gewerblicher Art, auch den Unterricht verschiedenartig zu geben. Wenn es sich darum handelt, ein Arbeitermaterial zu bilden, welches sich vorwiegend mit der kleinen Kunst beschäftigt, so muß der Zeichenunterricht anders angefaßt werden, als wenn er für Schuͤler bestimmt ist, die nicht für einen kunstgewerblichen Beruf gebildet werden sollen. Die Herren, die mir zur Seite stehen, sind eifrig an der Arbeit, auch nach dieser Richtung hin etwas Neues zu schaffen, und ich hoffe, daß es schon im nächsten Jahre möglich sein wird, Ihnen über unser Vorgehen genauere und positivere Mitteilungen zu machen, als ich heute dazu in der Lage bin. (Bravo!)
Abg. Funck (fr. Volksp.) weist darauf hin, daß die Stadt Frank⸗ furt a. M. allen Ansprüchen des Staats entgegengekommen sei und die Fortbildungsschulen sowohl für die Männer wie für die Maͤdchen obligatorisch gemacht habe, aber nun auch eine höhere finanzielle Unter⸗
stützung des Staats haben möͤchte.
Minister für Handel und Gewerbe Möller:
Ich darf dem Herrn Vorredner kurz erwidern, daß, wenn die Herren die 400 000 ℳ meiner Verwaltung bewilligen, ich in der Lage sein werde, das zu erfüllen, was bei der Eröffnurng der Fort⸗ bildungsschule der Stadt Frankfurt versprochen ist.
Abg. Metger (nl.) spricht die Heffnung aus, daß mit Hilfe der vermehrten Staatszuschüsse die Besoldungen der Lehter der Fort⸗ bildungsschulen erhöht werden könnten; es gebe Fälle, in denen die Stunde mit 1,25 ℳ honoriert werde. In Bochum gehe der Staat einen so niedrigen Zuschuß, daß ein hohes Schulgeld erhoben werden müsse, das man besonders von den Mädchen nicht verlangen könne. Als Lehrer der Fortbildungsschulen müßten Praktiker berufen werden. Der Redner wünscht dann noch die Errichtung einer Fortbildungs⸗ schule in Flensburg.
Geheimer Regierungsrat Dr. von Seefeldt; Der Regierungs. präsident ist angewiesen, über die Errichtung einer obligatorischen Foribildungsschule in Flensburg in Unterhandlung zu treten. Ich freue mich über den Wunsch, daß Maänner der Praxis in den kauf⸗ männischen Fortbildungsschulen tätig sein sollen. Wir haben cine Statistik aufgemacht, die Ergebnisse liegen noch nicht vor, sie werden aber den Beweis liefern, daß wir bereits eine Anzahl Praktiker in den Fortbildungsschulen haben.
Abg. Ernst (fr. Vgg.): Der Staat sollte den Städten, die obligatorische Fortbildungsschulen errichten wollen, eine Unterstützung in bestimmter Höhe zusichern und den bedürstigsten Gemeinden gröͤßere Beihilfen gewähren. Dabei sollte aber der Minister sich nicht so diel Rechte vorbehalten, sondern den Kommunen viel mehr Freiheit ge⸗ währen. Was die Lehrer an Fortbildungsschulen betrifft, so bin ich der Ansicht, daß man für die Ausbildung dieser Lehrer besondere Anstalten errichten müßte. Namentlich die Ostprovpinzen sollte man bei der Errichtung von Fortbildungsschulen unterstützen, dort könnten auch die Polen ihre deutschen Sprachkenntnisse erweitern.
Abg. Dr. Glattfelter (Zentr.) bittet, daß für die einzelnen Städte eine bestimmte Summe als Zuschuß fur die Fortbildungs⸗ schulen festgeseßt werde, damit sie ein⸗ für allemal damit rechnen könnten. Zur Ausbildung der Lehrer an den Fortbildungsschulen müßten besondere Anstalten errichtet werden. Der Lehrer an der Fort⸗ bildungsschule werde immer der Volksschullehrer sein, und daher werde es an den Praktikern fehlen. In Verbindung mit den gewerblichen Fortbildungsschulen könnten Lehrlingsheime sehr segensreich wirken. Unsere Handwerker müßten eine so vorzügliche Ausbildung erhalten, daß es auch in dieser Beziehung heiße: Deutschland in der Welt voran.
Abg. Dr. Zwick (freis. Volksp): Wenn der Minister gemeint hat, daß die größte Stadt noch in bezug auf die Fortbildungsschulen zurückstehe, so kann das nur für die obligatorische Fortbildungsschule gelten. Obligatorisch ist die Fortbildungsschule in Berlin allerdings noch nicht, und das liegt an den besonderen Verhältnissen der großen Stadt. Wir können nicht mit einem Male sagen, jetzt muß die Schule obligatorisch sein. Wir haben ein so blühendes fakultalives Fortbildungsschulwesen in Berlin, daß wir bei jeder Aenderung vor⸗ sichtig fragen müssen, ob wir diese blübenden Schulen nicht etwa stören. Mit den Fortbildungsschulen für Mädchen steht Preußen noch hinter Baden, Württemberg und Bavern zurück, und das erklärt sich daraus, daß für diesen speziellen Zweck nur 88 000 ℳ im Etat aus⸗ eworfen sind. Wir sind in dieser Hinsicht gerade erst über den An⸗ fang hinweg. Der Staat soll nicht nur anregen, sondern selbst mit seinen Mitteln helfen. Der Kernpunkt der Frauenfrage ist die Frauen⸗ bildungsfrage, die wir auf eine ganz neue Grundlage stellen müssen. Darum ist zur Zeit die bedeutendste Frage des Fortbildungsschul⸗ wesens die Gestaltung der Fortbildungsschule für Mädchen.
Abg. Kindler (fr. Volksp.): In Posen hat das Schulwesen mit besonderen Schwierigkeiten zu kämpfen, denn wegen der sprachlichen Verhältnisse können wir nur die tüchtigsten Lehrkräfte gebrauchen. Die Fachbildung darf in der Fortbildungsschule nicht vernachlässigt werden. Mit der Stadt Posen schweben bereits seit Jahren Unter⸗ handlungen über den Ausbau der Fachklassen der Fortbildungsschule zu einer kunstgewerblichen Handwerkerschule. Die Verhandlungen sind aber zum Stillstand gekommen. Die geplante Errichtung der Kunft⸗ gewerbeschule in Bromberg würde dadurch nicht überflüssig werden. Der Redner wünscht ferner eine Besserstellung der Lehrer der Feort⸗ bildungsschulen. “
Minister für Handel und Gewerbe Möller:
Meine Herren! Auf die angeregte Frage kann ich dem Henn Vorredner erwidern, daß ich hoffe, in der Lage zu sein, in nächster Zeit die Verhandlungen mit der Stadt Posen über die von ihm ge⸗ wünschte Umwandlung der jetzt bestehenden Fortbildungsschule in cine Handwerker⸗ und Kunstgewerbeschule aufnehmen zu können. Zunächst handelt es sich in der Provinz Posen um die Errichtung nur einer Schule, und diese Schule halten wir allerdings für richtig, zunächst in Bromberg zu errichten. Es erschien nicht angängig bei den jetzigen Etatsverhältnissen, in derselben Provinz zwei Schulen auf einmal ins Leben zu rufen.
Was nun seine Wünsche hinsichtlich der Besserstellung der Lebrer betrifft, so bin ich in der Lage, versichern zu können, daß es und möglich sein wird, die Remunerationen der älteren Lehrer der Fort⸗ bildungsschulen in Westpreußen und Posen zu steigern. Die Beträge, die wir in Aussicht genommen haben, werden für das Jahr 1904 etwa 27 000 ℳ ausmachen und bis zum Jahre 1906 programmäbig auf 33 000 ℳ steigen. Ich hoffe, daß der Herr Vorredner damit zufrieden sein wird und daß auch seine Hintermänner in der Provint zufrieden sein werden. Auf die einzelnen Fälle, die er eben angeführt hat, speziell einzugehen, bin ich außer stande.
Was dann die Bemerkungen des Herrn Abg. Zwick betrifft, so habe ich, da ich über die Fortbildungsschulen sprach, geglaubt, die Tatsache nicht verschweigen zu dürfen, daß Berlin im Rückstande sei. Einen Vorwurf habe ich damit der Stadt Berlin nicht machen wollen; aber die Tatsache besteht, daß hier die obligatorische Fort⸗ bildungsschule noch nicht zur Einführung gelangt ist. Io muß aber zugeben, daß ich die großen Schwierigkeiten, dit speziell für Berlin vorliegen, nicht verkenne, daß ich aber die Hoffnund
habe, baß eg gelingen wird, die Schwierigkeiten über kurz oder lang 1 überwinden. Der Herr Abg. Zwick wird mit mir darin über⸗ instimmen, daß es dringend erwünscht ist, daß auch für Berlin die obligatorische Fortbildungsschule in nicht zu langer Zeit einge⸗ führt wird⸗
Abg. Cassel (fr. Volksp.): Wir befinden uns bezüglich der Er⸗ lichtung obligatorischer Fortbildungsschulen in Berlin in einer be⸗ onders schwierigen Lage, und unser hochverdienter i ultef Bertram sne sehr berechtigte Bevenken gegen sie. Wir müssen so viel wie mäglich die fakultative Fortbildungsschule erhalten. Aber trotz aller Schwierigkeiten wird noch in diesem Jahre ein entsprechender Ent⸗ wurf an die Berliner Stadtverordnetenversammlung gelangen, und die Befaner Bürger werden zeigen, daß sie für Bildungszwecke keine Opfer scheuen⸗
2 Abg. Meyer⸗Bielefeld (kons.): Ich danke dem Herrn Minister fär die Förderung der gewerblichen Fortbildungsschulen. Die Meister⸗ furse werhen uns später noch beschäftigen. Beides sind Institute, zu beren Förderung vie Handwerkskammern mit Erfolg tätig sind, und ich danke dem Minister für seine Anerkennung dieser Tätigkeit der Handwerkskammern. Als ein Bindeglied zwischen Fortbildungsschulen und Meisterkursen hhd die Kurse in der Buchführung anzusehen. Doch gerade hier fehlt es an geeigneten Lehrkräften. Orte wie Biele⸗ ld haben deshalb Spezialkurse für solche Lehrer eingerichtet und Erfolge damit erzielt. Möge der 1 Minister diese Bestrebungen unterstützen, denn die erforderlichen Mittel sind gering. 1
Abg. Cahensly (Zentr.) verwendet sich zu Gunsten des Nassauischen Gewerbevereing.
Abg. Fischbeck (fr. Volksp.): im Regierungsbezirk Liegnitz eine See, kammern gerichtet ist; wir nehmen dies als in zahlreichen Handwerkerkreisen dämmert: gehen, wie man es uns da vormacht. unterstützen.
Bei den Zuschüssen zu den Veranstaltungen der Handels⸗ kammern zwechs Hebung des Kleingewerbes wünscht
Abg. Wolgast (fr. 129 vie örderung der Meisterkurse, die wohl in den Städten gut besucht würden, aber nicht auf dem Lande. Die kleinen Meisterkurse in der Provinz müßten möglichst einfach ge⸗ staltet werden. Die Kurse dienten zugleich als Porbereltung auf die Meisterprüfung; aber da sie auch von Meistern besucht würden, dürften see nicht lediglich auf die Prüfung zugeschnitten werden. Auf die prüfung komme 26 weniger an als vdvarauf, daß einer ein Meister werde. Die Lehrlingsheime seien gut, aber sie dürften in den jungen zuten nicht den Eindruck erwecken, als oh die Sonntagsnachmittagz⸗ Eere. auhe eine Fortsetzung der Fortbildungsschule seien. Deshalb
Es ist ein Zeichen der Zeit, daß egen die Handwerke⸗ Beweis dafür, daß es so kann es nicht weiter Wir werden diese Bewegung
sei er auch gegen jede religiöse Einwirkung auf die Lehrlingsheime. In Kiel bestehe ein Baumuseum, das für da Kleingewerbe von großer Bedeutung sei, es kämpfe aber mit dem Mangel an Mitteln.
Minister für Handel und Gewerbe Möller:
Der Herr Vorrebner hat beanstandet, daß ich in diesem Jahre den Titel 15 des Kapitels 69 nicht habe erhöhen lassen. Meine Herren, dieser Titel ist im vorigen Jahre erst neu eingestellt gewesen, und bei den Anforderungen, die an den Titel gemacht sind, ist dieser Titel in diesem Jahre noch nicht voll erschöpft gewesen; ich war daher nicht in der Lage, bei dem Herrn Finanzminister eine Erhöhung dieses Titels zu beantragen. Ich bin aber fest überzeugt, daß der Herr Finanzminister keinen Anstand nehmen würde, eine mäßige Erhöhung für die Zukunft eintreten zu lassen, wenn das Bedürfnis nachgewiesen wird. (Sehr gut! links.) Nun zweifle ich nicht daran, daß allerdings ein Bedürfnis in nicht ferner Zeit sich einstellen wird.
Wat die Kleinmeisterkurse betrifft, von denen der Herr Vor⸗ redner gesprochen hat, so habe ich denselben meine Aufmerksam⸗ keit auch in erheblichem Maße zugewandt. Wir unterstützen eine nicht unerhebliche Anzahl von ihnen, allerdings nicht schematisch, son⸗ dern je nach dem örtlichen Bedürfnis. Solange die Selbsthilfe aus⸗ reicht, unterstützen wir nicht. Reicht die Selbsthilfe effektiv nicht aus, dann sind wir da. Ich meine, das ist das richtige System.
Diese Meisterkurse haben erfreulicherweise nach einer Enquete, die ich vor wenigen Wochen habe aufnehmen lassen, einen Umfang angenommen, der sehr erfreulich ist. Es sind im letzten Jahre 361 derartige Kurse an 301 verschiedenen Orten abgehalten worden (Bravo!) und daran haben die Handwerkskammern einen ganz erheblichen An⸗ teil (Bravo!), die Innungen, einzelne Gewerbevereine undn son⸗ stige Veranstaltungen. Gerade weil auch andere Vereinigungen als die Handwerkskammern sich an dieser Angelegenheit beteiligt haben, habe ich die von dem Herrn Vorredner erwähnte Aenderung in dem Titel vornehmen lassen, daß ich nicht nur Handwerkskammern, sondern auch andere Körperschaften unterstützen konnte.
Wenn der Herr Vorredner Klagen hier vorgebracht hat über die nicht richtige Handhabung der Unterstützung der Meisterkurse an einzelnen Orten, wie Neumünster und Kiel usw., so muß ich es ablehnen, da meinerseits gleich einzugreifen. Ich wünsche die Selbstverwaltungsverantwortlichkeit der Handwerkskammer nicht zu schwächen, sondern zu stärken, und die Handwerkskammern mögen selbst darüber bestimmen; derartige Lokalschmerzen müssen zunächst ausgefochten werden in den Handwerkskammern selbst. (Sehr richtig!)
Bei dem neu eingefügten Titel „30 000 ℳ zur Förde⸗ rung der nicht gewerbsmäßigen Arbeitsvermittelung und 2 für die minder bemittelten Bevölkerungskreise“
richt
Abg. Dr. Arendt (fr. kons.) seine Freude darüber aus, daß der Staat diese neue Aufgabe übernehmen wolle. Wenn in dieser Weise die Arbeitsvermittelung und Raterteilung gefördert werde, dann werde sich die Sozialdemokratie nicht mehr als die einzige Helferin des Volks hinstellen können.
Bei dem Kapitel „Königliche Porzellanmanufaktur“ tritt
Abg. Goldschmidt (fr. Volksp.) für eine Erhöhung der Löhne, für eine Versorgung der Relikten der Arbeiter des Instituts und für eine Regelung des Urlaubs ein. 8
Ein Regierungskommissar erwidert, daß zur Regelung der Reliktenversorgung der Eingang technischer Gutachten erwartet werde. Die Löhne habe der Abg. Hirsch im vorigen Jabre als günstig be⸗ jeichnet mit Ausnahme des niedriasten Satzes. Dieser Lohnsatz werde jetzt aber nur noch ausnahmsweise gezahlt. Bei der Urlaubserteilung werde in der Weise fortgefahren werden, wie es im vorigen Jahre
zugesagt worden sei.
Bei dem Kapitel „Institut füͤr Glasmalerei“ erörtert
Abg. Dr. Dittrich (Zeutr.) die Frage, ob dieses Institut noch beizubehalten sei. Die Mitglieder des Hauses würden sich die Arbeiten des Instituts in den näͤchsten Tagen ansehen. Wenn das Institut wirklich überflussig sei, so könne es nicht mehr aufrecht er⸗ halten werden.
Minister fuͤr Handel und Gewerbe Möller:
Meine Herren! Das Institut für Glasmalerei in Charlottenburg befindet sich augenblicklich in einem Uebergangszustand: der langläührige Leiter ist im vorigen Jahre gestorben, und wir stehen allerdings vor der Frage: soll das Institut weiter bestehen oder soll es eingehen? Diese Frage ist bisher noch nicht entschteden. Es wied das Urteil der
die Anstalt besuchen und die Ar⸗
V der bisherigen Meisterkurse.
beiten betrachten werden, für unsere Entscheidung zweifellos sehr wert⸗ voll sein.
Was übrigens die Herren dort sehen werden, sind keine Neu⸗ arbeiten, sondern Restaurierungsarbeiten, speziell von Kirchen⸗ fenstern aus der Elisabethkirche in Marburg. Es wird vom Kultusministerium ein erheblicher Wert darauf gelegt, daß für die Restaurierung alter Kirchenfenster eine staatliche Anstalt besteht, der sie mit vollem Zuvertrauen die Arbeit überlassen können, und wo sie auch in bezug auf die aufgewendeten Kosten lästiger Kontrolle über⸗ hoben sind.
Ueber die Berechtigung der Anstalt an sich läßt sich ja streiten. Zur Zeit, als die Anstalt eingerichtet wurde, war sie ein dringendes Bedürfnis; das wird auch der Herr Vorredner anerkennen. Zu jener Zeit war die Kunst der Glasmalerei nahezu vollständig erstorben, und das Institut hat jedenfalls das große Verdienst, das Wiederaufleben der Kunst der Glasmalerei erheblich gefördert zu haben. Inzwischen sind, wie der Herr Vorredner richtig hervorgehoben hat, eine große Anzahl von Privatinstituten entstanden, Privatinstitute, teils solche, die von Künstlern ersten Ranges geleitet werden und sehr gutes und vortreffliches leisten. Also der Staat hat heute nicht mehr die Verantwortung dafür, daß überhaupt Glasmalereien in Deutsch⸗ land und in Preußen gemacht werden können, sondern dafür sorgt die Privatindustrie; aber auf die Restaurierungsarbeiten legen, wie gesagt, die Herren, die die Verwaltung der alten Kirchen hHaben, einen erheblichen Wert, und ich hoffe, daß es doch gelingen wird, das Institut zu erhalten. Wenn es geschehen soll, dann müßten allerdings wahrscheinlich noch erheblich höhere Kosten aufgewendet werden, als es gegenwärtig geschieht; denn wollen wir dieses Institut für Neu⸗ arbelten erhalten, dann müssen wir es als ein Institut ersten Ranges erhalten. Ich erkenne vollständig an, daß in den letzten Jahren mancherlei Arbeiten geliefert sind, die nicht voll auf der Höhe gestanden haben. Wir haben wiederholt mit Kräften ersten Ranges verhandelt, haben aber gefunden, daß die Aufwendungen dann sehr hoch sein würden. Ich hoffe, daß im Laufe dieses Jahres eine Bestimmung darüber getroffen werden wird, ob das Institut weiter⸗ bestehen soll oder nicht. Eine erhebliche Schwierigkeit liegt natürlich darin, daß, wenn wir das Institut aufheben, es für eine Reihe von alten Angestellten und Arbeitern nicht leicht sein wird, anderswo unterzukommen, und daß für sie der Fiskus nach meiner Ansicht in etwas zu sorgen haben würde. Das ist auch einer der Gründe, die es erschweren, das Institut aufzuheben. Was die Lehrzwecke⸗betrifft, nach denen der Herr Vorredner ge⸗ fragt hat, so ist mir nicht bekannt, daß in neuerer Zeit irgendwie nach dieser Richtung hin eine Tätigkeit ausgeübt ist. Ich glaube, sie ist auch nicht nötig, weil eine große Privatindustrie besteht. Zur Zeit, als dies Institut errichtet wurde — wenn ich nicht irre, zu Anfang der 40 er Jahre — lag die Notwendigkeit vor, und da wird das Institut auch diese Pflicht erfüllt haben. Nachdem dieses Kapitel sowie der Rest der dauernden und ein Teil der einmaligen Ausgaben bewilligt sind, schlägt Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch die Vertagung vor, weil bei der Zeit und dem Zustande des Hauses die Beratung über den Antrag, betreffend die Meisterkurse, nicht in einer der Würde des Hauses entsprechenden Weise erledigt werden könne, und empfiehlt dafur die Abhaltung einer Abendsitzung. Nach 7 Geschäftsordnungsdebatte zieht er jedoch seinen Vorschlag urück. Zur Förderung der Einrichtung und Unterhaltung von Meisterkursen und Ausstellungen von im Flein⸗
ewerbe verwendbaren Maschinen und Werkzeugen sind 102 000 ℳ ausgeworfen.
Die Abgg. Kindler (fr. Volksp.) und Genossen bean⸗ tragen:
„die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, in jeder Provinz
Meisterkurse einzurichten und Ausstellungen von im Kleingewerbe
verwendbaren Maschinen und Werkzeugen zu veranstalten.“
Ferner liegt zu diesem Titel ein Bericht über Reisen zum Studium der in anderen Bundesstaaten und im Auslande zur Förderung des Kleingewerbes getroffenen Maßnahmen vor.
Abg. Kindler: Alle zwei Jahre wird in einer Provinz ein Meisterkursus eingerichtet, so lange können wir nicht warten, bis dies in allen Provinzen geschehen ist. Darum habe ich meinen Antrag ge⸗
fetzes,
stellt; denn nur derjenige Handwerker kann vorwärts kommen, der die
nötige technische und kaufmännische Ausbildung genossen hat. Was das Handwerk bisher versäumt hat, das soll in den Meisterkurfen nach⸗ eeholt werden. Diese Kurse müssen mit der Vorführung neuer, Aer ees Arbeitsmethoden verbunden werden. Die Mersterkurse werden auch für die Förderung des Genossenschaftswesens grundlegend sein, wenn die Handwerker gemeinsam an derselben Stätte arbeiten. Die Hauptfrage ist bei unserem Antrage die — und da bin ich derselben Meinung wie 1893 Herr von Minnigerode,
hier angelegte Kapital werbendes Kapital sei. Ich bitte deshalb den Minister, die Einrichtung von Meisterkursen in allen Provin
Minister für Handel und Gewerbe Möller:
daß alles
Da der Herr Vorredner den Antrag vom vorigen Jahre dahin
eingeschränkt hat, daß er jetzt zufrieden ist, wenn in jedem Jahre einige Provinzen an die Reihe kommen, so hoffe ich seine Zufrieden⸗ heit zu erreichen, wenn ich ihm mitteile, daß wir in diesem Jahre bereits einen neuen Kursus für die Provinz Westfalen in Dortmund eingerichtet
haben, daß wir ferner mit den Provinzen Westpreußen, Sachsen und
Brandenburg in Verhandlung stehen und daß die Verhandlungen schon
ziemlich weit gediehen sind, daß wir außerdem für die Provinz Ostpreußen
auf einem etwas anderen Wege vorgegangen sind, indem wir die Handwerkskammer Insterburg besonders unterstützt haben.
Die
Handwerkekammer Insterburg hatte die Meisterkurse zunächst aus eigener Kraft eingerichtet und beanspruchte jetzt dazu eine Unterstüsung.
Wir haben sie ihr schon in diesem Jahre gewährt, weil sie auf einem vorgeschobenen östlichen Posten steht und mit anerkennenswerter Tat⸗ kraft und richtigem Verständnis die Sache angegriffen hatte.
Wir
hoffen auch, daß die dortigen Kurse sich weiter entwickeln werden. In
diesem Jahre sind dort nur Kurse für Schneider und Schuhmacher
eingerichtet, sie stehen aber auch in Vorbereitung für Maler und
Tischler.
Ich habe die Hoffnung, daß dort und in Königsberg, wenn
auch in etwas beschränkterer Weise wie in anderen Provinzen, die
Meisterkurse sich ausbilden werden. nützlich, daß die Kurse an hwei Orten stattfinden, weil in Ostpreußen
Ich halte es für Ostpreußen für
sich die geographischen Entfernungen viel stärker geltend machen als V au hestimmte formale Akte (Beschluß einer Behörde oder Eintragung
in irgend einer anderen Provinz.
Ich darf nun eimne statistische Mitteilung machen über die Erfolge
Meisterkurse mit durchgehends achtwoöchiger Dauer in Betvied. Aller⸗
Wir haben in Hannover seit 3 Jahren
1en n. 8.
dings haben wir in den bisher veranstalteten 24 Kursen nur eine Teil⸗ nehmerzahl von 190. In der Provinz Posen, wo die Kurse ebenfalls seit drei Jahren in Betrieb sind, haben wir für einen Teil auch acht⸗ wöchige Kurse, zum Teil aber solche von kürzerer Dauer nur für einzelne spezielle Techniken, und so ist dort bei 25 Kursen die Zahl der Teilnehmer 342, also erheblich größer als in Hannover. In Cöln hat man ein etwas anderes Experiment gemacht; man hat nicht ganz die lange Dauer genommen, sondern hat sechs⸗ wöchige Kurse eingerichtet, und man hat dort schon in den zwe Jahren des Bestehens bei 18 Kursen eine Teilnehmerzahl von 117 gehabt. 8 In Dortmund sind zunächst seit Anfang dieses Jahres 2 acht⸗ wöchige Kurse begonnen; es soll doxt in ähnlicher Weise gearbeitet werden wie in Hannover. Wir stehen aber im Begriff, bei den Meisterkursen in Dortmund ein neues Experiment zu machen, eine Einrichtung ins Leben zu rufen, die auch einem Teil des Antrags des Herrn Abg. Kindler entspricht, d. h. wir wollen eine Ausstellung von Maschinen für das Kleingewerbe mit den Meisterkursen verbinden, und ich hoffe, daß es gelingen wird, an den großen Orten überall in gleicher Weise zu verfahren. Wir gehen darnit um, dazu eigene In⸗ genieure anzustellen, die die Maschinen erklären und den Hand⸗ werkern mit Rat und Tat zur Seite stehen, ihnen auch sonst in technischen Fragen Auskünfte erteilen. So denke ich,
diesen Meisterkursen der Gedanke weiter verfolgt wird, 1 Herr Abg. Trimborn bei der Motivierung seines vorjährigen Antrages hier ausgesprochen hat, daß wir in jeder Provinz schließlich neben den Meisterkursen und neben den Maschinen⸗ ausstellungen zu einer Art Zentralstelle kommen. (Sehr gut!) Ich glaube, daß wir damit einen weiteren richtigen Schritt nach vorwärts getan haben. (Bravo!) Ich glaube daher, daß der Antrag, den Herr Abg. Kindler gestellt hat, in der Tat nach dem, was geschehen ist und was, wie ich Ihnen eben ausgeführt habe beabsichtigt ist und sicher in der nächsten Zeit ausgeführt werden wird, gegenstandslos geworden ist. (Sehr richtig!)
Abg. Eckert (freikons.): Das Handwerk befindet sich in Not, ihm muß geholfen werden. Darin sind wir alle einig, und wir werfen dem anderen nicht mehr vor, daß aus einem Saulus ein Paulus ge⸗ worden sei, sondern freuen uns über einen Sünder, der Buße tut, mehr denn über 99 Gerechte. In dem Bericht über die Studienreisen ist gesagt, daß der Wert der Meisterkurse auch im Ausland anerkannt werde. Das Geld, das für diese bewilligt wird, wird gut angewandt sein. Ein Bericht aus Hannover stellt fest, daß die Meisterkurse ihren Zweck vorzüglich erreicht haben. Die Erklärung des Ministers, 898 die Meisterkurse weiter gefördert werden sollen, ist höchst erfreulich. Der Antrag Kindler ist damit eigentlich erledigt; ich beantrage aber, ihn der Kommission für Handel und Gewerbe zu überweisen.
Darauf wird die Debatte geschlossen. Der Antrag Kindler und der erwähnte Bericht werden der Kommission für Handel und Gewerbe überwiesen. Der Etattitel wird bewilligt.
Zu dem Titel „30 000 ℳ zur Förderung der Fortent⸗ wickelung des kleingewerblichen Genossenschaftswesens“ bemerkt
Abg. Hammer (kons.): Bei der Lage des Hauses verzichte ich auf eine Besprechung des Genossenschaftswesens der Handwerker und weise nur darauf hin, daß wir in sechs Jahren 450 Genossenschaften mit 77 300 Mitgliedern gegründet haben, namentlich Werkstatt⸗ Pro⸗ duktiv⸗ und Rohstoffgenossenschaften. Das sehr daniederliegende Schuh⸗ machergewerbe empfehle ich besonders der Förderung der Regierung: es hat in Berlin eine sehr gut eingerichtete Produktivgenossenschaft. Dort kann jedes Mitglied seine Arbeiten ausführen lassen, besonders elegante und gute Arbeit, sodaß kein Meister seine Kundschaft zu verlieren braucht, weil er ihren Ansprüchen nicht genügen kann. So wird er davor bewahrt, ins Proletariat zu versinken. Das ist kein Staats⸗ sozialismus, sondern praktische Selbsthilfe.
Der Rest des Etats der Handels⸗ und Gewerbeverwaltung wird ohne Debatte bewilligt.
Schluß 5 ¼ Uhr. Nächste Sitzung: Montag, 12 Uhr. (Etat der Justizverwaltung.)
Barlamentarische Nachrichten.
Dem Reichstage ist folgender Entwurf eines Ge⸗ betreffend den Schutz von Erfindungen, Mustern und Warenzeichen auf Ausstellungen, zu⸗ gegangen:
Erfindungen, Gebrauchsmustern. Mustern und Modeilen. die auf einer inländischen oder ausländischen Ausstellung zur Schau gesteilt werden, sowie Warenzeichen, die auf einer daselbst zur Schau gestellten Ware angebracht sind, wird ein zeitweiliger Schutz in Gemäßheit der nachfolgenden Bestimmungen gewährt:
1) Durch eine Bekanntmachung des Reichskanzlers im „Reichs⸗ gesetzblatt“ wird im einzelnen Falle die Ausstellung bestimmt, auf die der zeitweilige Schutz Anwendung findet.
2) Der zeitweilige Schutz hat die Wirkung, daß die Schauitellung oder etne anderweitige spätere Benutzung oder eine spütere Veröffent⸗ lichung der Erfindung, des Musters oder des Warenzeichens der Er⸗ langung des gesetzlichen Patent⸗, Muster⸗ oder Zeichenschutzes nicht entgegenstehen, sofern die Anmeldung zur Erlangung dieses Schutzes von dem Aussteller oder dessen Rechtsnachfolger binnen einer Frist von sechs Monaten nach der Eröffnung der Ausstellung bewirkt wird. Die Anmeldung geht anderen Anmeldungen vor, die nach dem Tage des Beginns der Schaustellung eingereicht worden sind.
Die diesem Gesetzentwurf beigegebene Begründung lautet:
Artikel 1 der internationalen Uebereinkunft zum Schutze des ge⸗ werblichen Eigentums in der durch die Brusseler Zusatzakte festgesteilten Fassung (Reichsgesetzbl. 1903 S. 147) bestimmt:
„Die hohen vertragschließenden Teile werden den vatentfähigen Erfindungen, den gewerblichen Mustern oder Modellen sowie den Fabrik⸗ oder Handelsmarken fün Erzeugnisse, welche auf den auf dem Gebiet einer von ihnen veranstalteten, amtlichen oder amtlich an⸗ erkannten internationalen Ausstellungen zur Schau gestellt werden, in Gemäßheit der Gesetzgebung jedes Landes einen zeitweiligen Schutz (protection temporalre) gewühren.“
Während die Gesetzgebung anderer Länder für einen derartigen Schut Sorge getragen hat, werden unsere Gesetze über gewerblichen Rechtsschutz der im Unionsvertrag über lenen völkerrechtlichen Verpflichtung gegenwürtig nicht gerecht. wird deshalb der Aus⸗ füllung dieser Lücke näher zu treten sein.
Der Ausdruck „protsction temporaire“ läßt die Deutung zu daß hier auch ein solcher Schutz in Frage kommt, der, gleich dem mit der Bekanntmachung der vorgeprüften Anmeldung verbundenen Schutze des deutschen Patentgesetzes, einstmweilen die gesetz⸗ lichen Wirkungen des Schutzrechts zur Folge hat. Eine solche Regelung würde jedoch mit dem Spstem unseren Gesetze üͤber gewerdlichen Rechtsschuß, die den Eintritt des Schutzes
in die Rolle) knüpfen, nicht vereinban sein, auch ist ein sachliches
Bedürfnis nach einer so weitgehenden Bepünstigung des Ausstellers n Es wird vielmehr für die vorliegenden Zwecke genügen,
getragen werd, daß der Aussteller gegen die mit den