— früher Go verneu
Innern, —
Sipjagin, — Minister des Irn cenn, mordet —
gibt; man muß all diesen abscheulichen Subjekten zeigen, daß ihr Handwerk jetzt unvorteilhaft geworden ist. Die Sozialisten⸗
revolutionäre sind in der letzten Zeit mit ihrer besonderen Kampfes⸗ organisation hervorgetreten, welche durch die Hand des ausge⸗
zeichnetsten russischen Heldenrevolutionärs Balmaschew Sipjagin
gerichtet hat und dadurch der russischen Geschichte und der ganzen gegenwärtigen Gesellschaft einen gewaltigen Dienst erwiesen hat. Andere revolutionäre Parteien müssen den Kampf der Sozialisten⸗ revolutionäre fortsetzen, mit ihnen wetteifernd ihre eigenen Kampfes⸗ gruppen zuwege bringen und einen mit den gesamten Kräften
jetzt Gehilfe im Mini
2. April 1902 von Balmaschew er⸗
vereinbarten terroristischen Kampf beginnen, in Zukunft aber bei der
ersten Gelegenheit eine ns 1; Terroristen bilden.
Noch eimmmnal e wir Hee an die mit Auf⸗
powerung, mit einem unverzüglichen systematischen, terroristischen
Kampfe zu “ da eancce für Rußland jetzt unvermeidlich ist.
Tod Nikolaus II. - Tod allen abscheulichen Subjekten Nikolaus'! Es lebe die „Volksfreiheit“!
Die Gruppe der Volksbeglücker.
Meine Herren, ich beschränke mich auf diese Auszüge aus den konfiszierten Schriften.
Am Freitag hat auf Veranlassung der hiesigen sozialdemokratischen Organisation eine Reihe von Volksversammlungen stattgefunden, die sehr zahlreich besucht waren. Es waren, glaube ich, 14 Volks⸗ versammlungen, in denen mit der bekannten Einstimmigkeit eine lange Resolution angenommen ist, die auch den Satz enthält:
Die Versammlung protestiert mit allem Nachdruck dagegen, daß deutsche Staatsbürger in Deutschland verfolgt werden, weil sie an der Aufklärung des russischen Volkes gegenüber den russischen
Barbaren mitgewirkt haben (Heiterkeit rechts),
und daß sogar zur Verfolgung deutscher Penathrwigehörther von der
ussischen Regierung Strafanträge eingefordert werden.
Meine Herren, das nennen die Sozialdemokraten eine Mitarbeit
n der Aufklärung des russischen Volkes! Ich nenne es anders; ich nenne es Aufforderung zum Fürstenmord, zur Revolution, ich nenne es Aufforderung zum gewaltsamen Umsturz der bestehenden Staats⸗ einrichtungen. (Sehr richtig! rechts.) Und, meine Herren, wenn das darin zu finden ist, dann liegt darin der Tatbestand, der nach den §§ 102 und 103 des Strafgesetzbuchs in Preußen strafbar und von Amts wegen verfolgbar ist, der Tatbestand der Vorbereitung des Hoch⸗ verrats gegen eine befreundete Macht, das russische Reich, der Tat⸗ bestand der Majestätsbeleidigung gegen einen befreundeten Monarchen.
Meine Herren, die Strasverfolgung dieser Handlungen hängt allerdings ab von der Stellung eines Antrages der beteiligten Re⸗ gierung und der Verbürgung der Gegenseitigkeit. Was das letztere Moment angeht, so hat, nachdem diese Schriften der Staatsanwalt⸗ schaft in Königsberg ihrem Inhalte nach bekannt geworden waren, zunächst der dortige russische Generalkonsul die amtliche Erklärung abgegeben, daß nach Maßgabe der russischen Gesetzgebung die Gegen⸗ seitigkeit für die Verfolgung derartiger Straftaten auch in Rußland verbürgt sei. Diese. Straftaten können freilich, wie ich wiederhole, nur auf Antrag verfolgt werden. Nach den Bestimmungen unserer Strafprozeß⸗ ordnung aber bedarf es zum ersten Einschreiten ihretwegen nicht des vor⸗ herigen Strafantrages. Die Strafprozeßordnung bestimmt ausdrück⸗ lich, daß die vorläufige Festnahme und die Verhaftung von Personen, die sich einer nur auf Antrag erfolgten Straftat schuldig gemacht haben, von der Stellung eines solchen Antrages nicht abhängig ist. Wenn eine solche Verhaftung von dem Gericht beschlossen wird, so hat nur, nach ausdrücklichen Vorschriften — ich glaube im § 130 der Strafprozeßordnung — der Richter, der den Haftbefehl erlassen hat, die Verpflichtung, den Antragsberechtigten sofort von dem Erlaß des Haftbefehls in Kenntnis zu setzen. Nun, meine Herren, danach ist hier verfahren. Während zunächst Haftbeschlüsse nur erlassen waren wegen Teilnahme an einer verbotenen geheimen Verbindung, hat das zuständige Gericht in Königsberg auf Antrag der Staatsanwaltschaft diese Haftbefehle ausgedehnt auf die Vergehen des § 102 und 103 des Strafgesetzbuchs, deren Inhalt ich Ihnen eben mitgeteilt habe. Die Staatsanwaltschaft hat dann den vorstehenden Vorschriften entsprechend an mich darüber be⸗ richtet zum Zwecke der Inkenntnissetzung der russischen Regierung. Ich habe den Bericht pflichtgemäß weitergegeben an das Auswärtige Amt, daß ihn dann der russischen Regierung unterbreitet hat. Die russische Regierung hat demnächst Strafantrag gegen die beteiligten Personen gestellt und dabei ausdrücklich durch ihren Botschafter erklären lassen, daß die Gegenseitigkeit bezüglich gleicher Straftaten gegen die preußische Regierung in Rußland verbürgt sei.
So ist die Sache verlaufen. Es schwebt eine gerichtliche Vor⸗ untersuchung, sodaß die Beteiligten sich aller derjenigen Schutzmittel erfreuen, die in dem geordneten gerichtlichen Verfahren in Preußen jedem Angeklagten, jedem Beschuldigten zustehen.
Ueber den Stand der Untersuchung im einzelnen würde ich eine Auskunft auch dann nicht geben können, wenn ich darüber genauer unterrichtet wäre. Aber das eine, glaube ich, werde ich, ohne großem Widerspruch zu begegnen, sagen können, daß, sei der Aus⸗ gang dieser Untersuchung, welcher er wolle — ich habe darüber kein Urteil, ich übersehe die Sache nicht genügend —, unter keinen Umständen den preußischen Justizbehörden der Vorwurf wird gemacht werden können, daß sie pflichtwidrig, daß sie gegen das Gesetz gehandelt hätten, daß sie der russischen Regierung Schergendienste geleistet hätten. (Sehr richtig!)
Meine Herren, der Kampf gegen den Anarchismus ist eine ge⸗ meinsame Angelegenheit aller zivilisierten Staaten (sehr wahr!), und wenn die Staaten sich darin nicht hilfreiche Hand leisten, werden wir einer solchen Bewegung im Laufe der Zeit nicht Herr werden. Denn wir kämpfen in eigener Sache gegen den Anarchismus, auch wenn dessen Ziele sich zunächst nur gegen eine fremde Regierung richten. (Sehr richtig!)
Meine Herren, es ist vielleicht nicht ohne Interesse, auch kurz zu erwähnen, welche Personen es nun eigentlich sind, die sich an
es charakteristisch, daß die sämtlichen Personen, gegen die die Untersuchung bisher eingeleitet ist, und von denen der größte Teil sich in Untersuchungshaft befindet — ich glaube, es sind im ganzen 12 oder 13 Beschuldigte jetzt vorhanden —, der Sozialdemo⸗ kratie angehören (hört, hört!), derjenigen Partei, die sonst immer be⸗ strebt ist, zwischen sich und den Anarchisten einen dicken Strich zu ziehen, die in ihren öffentlichen Kundgebungen den Anarchismus ver⸗ leugnet und schließlich meint, selbst am besten zu seiner Bekämpfung imstande zu sein. Es sind nur Sozialdemokraten, nur Genossen, die bei der ganzen Angelegenheit beteiligt sind. Es ist eine Kor⸗ respondenz beschlagnahmt, aus der mit einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit der Schluß gezogen werden kann, daß dieser ganze Schriftenschmuggel über die russische Grenze von der Sozialdemokratie in Preußen als Parteisache behandelt wird (hört, hört!), und daß sogar die Berliner Zentralleitung der Sache nicht fern steht. (Hört, hört!) Es finden sich unter den beschlagnahmten Briefen zunächst verschiedene Briefe des harmlosen Herrn Skubikk in Zürich, eines Russen, der als Student der Bergakademie in Freiberg im Jahre 1898 aus Sachsen wegen sozialdemokratischer Umtriebe ausgewiesen worden ist. Er nennt sich abwechselnd Skubbikk, Skubbickis oder ähnlich. Er hat sich nach der Schweiz begeben, hat sich dort mit einer russischen Studentin verheiratet, und ist wohl nach den Aeußerungen des Herrn Haase, der ja die Sache viel besser kennt als ich, offenbar derjenige, der diesen Schriftenversand hauptsächlich von dort aus leitet. Der gibt nun einem seiner Agenten, dem verhafteten Arbeiter Klein, in einem Briefe vom 24. Juli vorigen Jahres verschiedene Anweisungen, wie er es mit der Weiterbeförderung der Schriften machen soll. Er sagt:
Wie steht es mit den lettischen Flugblättern und sonstigen Sachen? Haben Sie vom Amtsgericht beziehungsweise der Polizei⸗ alles zurückerhalten?
Haben Sie selbige unterdessen verbreitet? Wie viel ist nach Li. herübergeschafft worden? Warum schreiben Sie mir in dieser Angelegenheit gar nicht? Sie wollten doch dorthin einen beständigen Weg herstellen. Bitte, sorgen Sie dafür, daß man wenigstens einen regelmäßigen Weg dorthin herstellt. Wir wollen den Seeleuten und Ihnen dafür gern zahlen. Es fahren doch dorthin beständig Schiffe usw. Schreiben Sie mir, bitte, unter folgender Adresse:
Das ist wieder eine andere Adresse.
Soviel ich weiß, ist diese zweite Interpellation im Januar auch er⸗ folgt; glaube, daß wenigstens eine nochmalige Anregung der Sache durch Bebel im Reichstage gegeben worden ist.
Ich will sie vorlesen, obgleich nicht deutlich erkennbar ist, Bezug sie hat auf die Sache. dahin:
aufhalten. Mitbeschuldigten, eines I. ist ein gehört, diese
das Amtsgericht in Königsberg ersucht, bei Ehrenpfordt eine Haus⸗
diesem russischen Schriftenschmuggel beteiligt haben. Da ist
suchung vornehmen zu lassen.
Herrn Ferdinand Rieth, Zürich IV, Kulmannstraße 57.
(Weiter nichts. Erhalte alles pünktlich.) also Deckadresse. Dann fragt er: “ Wie geht es jetzt in Memel und an von russischen Spitzeln und sonstigen Behörden, leisten sie noch immer Bluthunden.
Ein ganz maßvoller Mann?! (Heiterkeit rechts.)
Ein weiterer Brief etwas späteren Datums an dieselbe Adresse gerichtet, enthält die Frage:
Sind die Seeleute schon dagewesen? Suchen Sie, bitte, wenn nicht mehr, so doch wenigstens einen regelmäßigen Weg berzustellen. Wir wollen, wie ich Ihnen schon seinerzeit schrieb, selbigen gern zahlen. Es wäre wohl zweckmäßiger, die Literatur nicht auf Ihre eigene, sondern auf eine Deckadresse zu senden. Es grüßt herzlich Sie und 8 Bekannte
der Grenze? Merkt man viel Schuften? Und die deutschen Schergendienst den russischen
Meine jetzige Adresse:
Frau Ister, Stapferstr. 10 I. Zürich.
Dann schreibt er an einen der Beschuldigten, Treptau, in Memel: Wie steht es mit den Schiffern? Versuche, versuche wenigstens einen dafür zu gewinnen. 88 8. 8
In einem anderen Briefe schreibt er: Du kannst auch dem Kugel sagen, daß er sich nicht nehmen soll.
Ich bemerke, daß Kugel dasjenige Mitglied der sozialdemokratischen
Partei ist, dessen Frau im ee c. oder vor zwei Jahren in Rußland
verhaftet worden ist; diese Verhaftung hat damals Veranlassung ge⸗ geben zu einer Besprechung im Reichstage, in der dem Auswärtigen
Amte der Vorwurf gemacht wurde, daß es für die Frau Kugel als
deutsche Staatsbürgerin, nicht genügend eingetreten sei und durch ver⸗ zögernde Anordnungen es herbeigeführt habe, daß diese Frau, der nichts Strafbares hätte nachgewiesen werden können, mit einem Trans⸗ porte an die Grenze befördert worden ist, anstatt daß man ihr die freie Reise ermöglichte. Also dieser Kugel spielt in dem vorerwähnten
Briefe eine Rolle. Es heißt also darin:
Du kannst auch dem Kugel sagen, daß er sich nicht so kindisch benehmen soll. Ist das der Dank dafür, daß ich mich an Bebel und andere gewandt habe, und Dank der erfolgten Interpellation im Reichstage die Freilassung seiner Frau erfolgt ist? Ich habe unterdessen ihm noch mehr Material über diese ganze Angelegenheit zur Verfügung gestellt, und es wird nach Neujahr bei der Etats⸗ beratung nochmals darüber interpelliert werden und womöglich eine Entschädigungssumme an Frau Kugel erwirkt werden. Er hat also gewiß keinen Grund, auf mich böse zu sein.
1A““
so kindisch b 8
ich kann allerdings nicht bestimmt dafür einstehen, aber ich
Also geh noch einmal zu ihm und laß ihn folgende Bescheinigung unterschreiben.
welchen Skubbikk verlangt eine Bescheinigung
Genosse S. hat weder für Parteizwecke noch für sich selbst von mir jemals Geld geliehen; im Gegenteil, ich habe von ihm Geld erhalten. Wer etwas anderes behauptet, verbreitet bewußt und absichtlich und zu schmutzigen Zwecken eine ganz gemeine Lüge. Mit ein paar weiteren Briefen von Skubikk will ich Sie nicht Dann kommen noch Briefe, die in der Wohnung eines Treptau, gefunden sind, und die Unterschrift Ehrenpfordt hier in Charlottenburg tragen. Das Mann, der auch zur sozialdemokratischen Partei und bei dem viele Russen Quartier nehmen. Als Briefe gefunden wurden, hat die Steaatsanwaltschaft
Die Briefe sind dann dem Ehrenpfordt vorgelegt und er hat erklärt, sie rührten nicht von ihm her, über ihren Ursprung könne er keine Auskunft geben. Es ist auch nach den vorgenommenen Schriftver⸗ gleichungen in hohem Grade wahrscheinlich, daß diese Briefe nicht von Ehrenpfordt, sondern von einem Anderen geschrieben sind. Wenn aber im Reichstage Herr Haase oder ein anderer Herr — ich weiß es nicht genau — angedentet und dem Ehrenpfordt gewissermaßen in den Mund ge⸗ legt hat, die Briefe seien von Polizeispitzeln gefälscht, so fehlt es dafür an jeglicher Grundlage. Nach dem Protokoll hat Ehrenpfordt auch eine derartige Verdächtigung bei der Haussuchung gar nicht ausgesprochen. Dann kommt ein ganz interessanter Brief, der über die Art und Weise, wie die Disziplin in der sozialdemokratischen Partei ausgeübt wird, einen gewissen Aufschluß gibt. Er rührt her von Herrn Julian Borchardt, Redakteur der „Koͤnigsberger Volkszeitung“, der sich wegen Majestätsbeleidigung in Haft befindet. Er ist gerichtet an den mehr⸗ genannten Treptau in Memel und lautet: Werter Genosse!
Die Königsberger Parteileitung beauftragt mich, Folgende zu schreiben:
Nach Durchsicht der russischen Briefe und Vergleich derselben mit Ihren eigenen Aussagen sind wir zu der Ueberzeugung gelangt, daß Sie das Vertrauen, das die russischen Genossen Ihnen ent⸗ gegenbracht haben, in schwerer Weise mißbraucht haben. Den Koffer, in dem sich Adressen befanden, und um den sich der Russe die Finger wund schrieb, haben Sie über ein Jahr lang ein⸗ behalten, und wer weiß, ob er jetzt fort wäre, weun ihn Klein
— das ist der andere Beschuldigte — nicht aus Ihrer Wohnung abgeholt hätte. Sie taten dies, weil Sie von den Russen erst Geld haben wollten; aber Sie haben nicht nachweisen können, daß Sie von ihnen überhaupt Geld zu be⸗ anspruchen haben. Ebenso haben Sie russische Broschüren verkauft, das Geld aber nicht abgeliefert.
Wir
— also die Königsberger Parteileitung — 6 nehmen an, daß Sie aus Not gehandelt haben. Aus diesem Grunde sehen wir davon ab, Ihren Ausschluß aus der Partei zu beantragen. Dagegen haben wir die Memeler Parteileitung ersucht, Sie für dauernd ungeeignet zur Bekleidung eines Parteiamts zu erklären.
Also er wird in Acht und Bann getan; er fliegt zwar noch nicht
hinaus, aber er war nahe dran.
Ein Brief des gleichen Inhalts geht heute an die Memeler Parteileitung, an die russischen Genossen und an den Parteivorstand in Berlin.
Ihnen das
Mit Gruß Julian Borchardt.
Nun scheint es, daß dieser Treptau sich über diese Disziplinar⸗ maßregel in Berlin beschwert hat, und da hat er in gewissem Grade Gnade gefunden. Es schreibt ihm nämlich Otto Braun, ein Mit⸗ beschuldigter — gegenwärtig flüchtig oder im Krankenhaus; das laße ich dahingestellt —, Ortskrankenkassenrendant in Königsberg und Vertrauensmann der dortigen sozialdemokratischen Partei:
— Lieber Treptau!
Dein Unterstützungsgesuch hat die hiesige Parteileitung, in Er⸗ wägung, daß Dir schon mehrfach namhafte Summen als Unter⸗ stützung von der Partei zugeflossen sind, abgelehnt.
Du hast Dich nun noch in längerem Schreiben an den Partei⸗ vorstand in Berlin und an Marchionini gewandt, Dich über die Dir zuteil gewordene Behandlung bitter beschwerend.
In Erwägung aller Umstände haben wir nun beschlossen, den Memeler Genossen zu raten, Dich nicht für dauernd 8a; ꝛur Bekleidung von Parteiämtern zu erklären, 3
(Heiterkeit) . sondern Dir nur vorläufig keine Parteiämter iu S.
Nach Lage der Sache kannst Du damit zufrieden sein, denn gefehlt hast Du. Mögen die russischen Genossen in ihrem Ver⸗ halten Dir gegenüber auch viel zu wünschen übrig gelassen haben, so durftest Du in der Parteistellung, in der Du Dich befandest, nicht so handeln. Alles, was Du für die russischen Genossen tatst, tatst Du als Vertrauensmann der Partei (hört, hört! rechts) und konntest demnach Deine Auslagen und Versäumnisse auch don der Partei zurückerstattet derlangen, was Du ja übrigens auch zum Teil getan hast.
Treptau wird also halbwegs in Gnaden wieder aufgenommen, und es wird ihm überlassen bleiben, das volle Vertrauen des Parteivorstandes wiederzuerwerben, sobald er wieder auf freiem Fuße sein wird.
Ein Brief an denselben Treptau ist von einem anderen Ver⸗ trauensmann der sozialdemokratischen Partei in Königsberg, namens Linde; der sagt:
Es tut mir leid, daß die dortigen Genossen in einer solchen Weise gegen Dich vorgehen. Aber, lieber Kerl, glaubst Du, bei uns ist es anders? Auch wir haben hier fortwährend Reibereien mit den Genossen. Ich habe Deinen Brief unserer Parteileitung vorgelegt. Es ist aber von hier aus schwer, etwas dagegen iun machen.
Bald hätte ich vergessen. Bitte, schreib mir doch, wie viel Geld Kugel braucht, um seine Sache herauszubekommen. Falls die Russen noch nichts gezahlt haben, werden wir das Geld schicken.
Dann kommt ein Brief an Herrn Treptau, der die Unterschrift „Haase“ trägt. (Aha! rechts.) Er bezieht sich zum Teil auf eine andere Sache; ich will daraus nichts Verfängliches herleiten. Er trägt oben den Stempel „Hugo Haase A. Plewe Rechtsanwälte“ und lautet:
Verehrter Genosse! Das Geld hat Ihnen der Parteivorstand bewilligt; es wird wohl schon in Ihren Händen sein. Aus dem Auslande Bilder an Sie zu senden, ist russische Unvorsichtigkeit. Reklamieren Sie sofort die weggenommenen Druckschriften und Bilder beim Provinzialsteuerdirektor in Königsberg. Am abend den 9. Mai Abends oder Sonntag den 10. Mittags möchte ich in Memel eine Versammlung abhalten. Ich bitte um Antwort, ob diese Zeit npaßt. Besten Gruß! Haase.
Dann kommt, nachdem die Untersuchung eingeleitet war, ei Brief vom 6. November von dem schon vorhin genannten Linde an den Klein, bei dem ein großer Teil der Schriften gefunden worden war. Der Brief lautet:
Werter Genosse! Wegen der Haussuchung dürfen Sie sich nicht so sehr aufregen. Warten Sie ruhig ab. Wenn Sie ver⸗ nommen werden, bestreiten Sie alles. Geben Sie so wenig mwi
Diese Haussuchung blieb ohne Ergebnis.
moͤglich Antwort, und sagen Sie: „Ich weiß nicht“ oder „Ich kann 8
wegen kann; ich verzichte darauf, ihn vorzulesen.
mich nicht darauf besinnen.“ Sollte etwas Außergewöhnliches passieren, dann schreiben Sie sofort her. Hier bei Nowagrodzki ist duch Haussuchung abgehalten. Sagen Sie doch Treptau auch, wie er sich zu verhalten hat. Also Verhaltungsmaßregeln bezüglich der Verteidigung gegenüber m eingeleiteten Strafverfahren. Endlich zum Schluß noch ein Brief von dem maßvollen Herrn gkubikk, der seine Freude ausspricht, daß er sich mal wieder frei be⸗
ich wiederhole: es ist in meinen Lugen charakteristisch die Feststellung, wie eng in dieser Angelegenheit die Beziehungen der deutschen Sozialdemo⸗ zaten zu tussischen Parteigenossen sind. (Sehr wahr!)
Nun, meine Herren,
308 selbst behaupten ja, es handle sich nur um einen Verkehr der
gssischen liberalen Partel mit Gesinnungsgenossen in Deutschland. Belcher Gesinnung aber die russischen Liberalen sind, mit denen sie diesen Verkehr pflegen, geht aus den Schriftstücken wohl hervor. Welchen Erfolg der Herr Haase mit der von ihm schon ange⸗ lündigten Verteidigung haben wird, daß die Schriften, die revolutio⸗ zren und anarchistischen Inhalts seien, zweifellos in Zürich durch sche Spitzel an diejenigen Personen geschickt seien, von denen ihnen [Aannt sei, sie seien Abnehmer Skubbikkscher Sendungen, darüber wird zGericht entscheiden; ich habe darüber keine Meinung. Aber das mne glaube ich aussprechen zu können: wenn Dienste in dieser Sache istet sind, sind es nicht Schergendienste der preußischen Justiz⸗ örden an die russische Regierung, sondern es sind Dienste, die wußt oder unbewußt die deutschen Sozialbemokraten dem ctetat marchismus geleistet haben. (Lebhafter Beifall rechts.)
Minister des Innern Freiherr von Hammerstein:
Meine Herren! Den Mitteilungen und Erklärungen des Herrn zistizministers habe ich noch alles dasjenige beizufügen, was auf die lagriffe gegen die Polizet zu sagen ist. Ich bedaure, wenn ich Ihre eit etwas länger, als mir selbst erwünscht ist, dazu in Anspruch bmen muß.
Ich möchte zunäͤchst meinen Dank dem Herrn Abgeordneten, der „ Angelegenheit hier angeregt hat, aussprechen, daß derselbe mir ucch ein besonderes Schreiben Gelegenheit gegeben hat, heute hier wsein und bei dieser Gelegenheit auch diejenigen Punkte zu erörtern, velche der preußischen Polizei im Reichstage vorgeworfen sind.
Ich glaube, auf Ihre Zustimmung rechnen zu dürfen, wenn ich
eBeantwortung im Reichstage abgelehnt habe. Um so bereitwilliger
il ich vor diesem hohen Hause, das berufen ist, über die preußische e h⸗ ein Urteil zu fällen, alles das sagen, was der Wahrheit ntspricht. (Bravo! rechts.)
Ich bin mir ferner bewußt, daß es meine Pflicht ist, gerade bei esem Gegenstande möglichst objektiv zu bleiben, weil ja die eigent⸗ hen Ankläger zu meiner Freude und, wie ich meine, auch zu des zuses Freude der frühere Abgeordnete Herr Theodor Barth ist nicht mehr Mitglied des Hauses — diesem Hause nicht angehören b deshalb hier direkt nicht erwidern können. Ich werde mich also nüßigen, so objektiv wie nur irgend möglich die einzelnen Fälle hier mbesprechen.
Ich kann im allgemeinen zunächst nur die Erklärungen bestätigen, velche der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amtes im Reichstage ab⸗ egeben hat. Es ist der Königlich preußischen Regierung bekannt, daß
der russischen Botschaft hierselbst sich ein Angestellter der Bot⸗ baft befindet, welcher den speziellen Auftrag hat, das Verhalten ver⸗ ichtiger russischer Anarchisten zu beobachten. Es ist ferner der reußischen Regierung nicht bekannt, daß eine Ueberwachung preußischer stertanen durch diese russische Beamten erfolgt, und ebensowenig kannt, daß der gedachte russische Beamte Agenten unterhält, die erbrechen verübt oder andere dazu zu bestimmen versucht haben.
Im Reichstage hat namentlich der Herr Abg. Bebel zunächst gegen protestiert, daß es sich in den Fällen, in denen die preußische volizei eingeschritten ist oder in denen nach seiner Ansicht der der Zotschaft zugeteilte russische Beamte durch besondere Agenten —
wiederhole, meine Herren, ich weiß von diesen Agenten nichts; weiß nicht, ob er solche unterhält oder unterhalten hat, ob
emit irgend einem Detektivbureau in Berlin in Verbindung steht
r gestanden hat —, daß es sich in den Fällen des Eingriffs
Anarchisten handele. Vielleicht ist die Auffassung des Herrn Bebel r den Begriff „Anarchisten“ von der meinigen durchaus verschieden. e Bebel hat die hier in Frage stehenden Personen ausdrücklich eichnet: Es sind ganz harmlose Menschen, die mit dem Anarchismus zt im geringsten zu tun haben. Sie wollen alle nur in ganz ge⸗ teeter, liberaler Weise (Heiterkeit rechts) die augenblicklichen Schäden n Auswüchse in Rußland bekämpfen und denken gar nicht an Gewalt dd Terror. Meine Herren, der Herr Justizminister hat Ihnen schon ahgewiesen, daß die Sache anders ist. Ich möchte dann aber noch zufügen, daß auch die Anarchisten selbst von der Auffassung des un Bebel nichts wissen wollen. In ihrer höflichen Sprache, deren h mich natürlich nicht bedienen würde, sagt das Anarchistenblatt, iches hier in Berlin erscheint:
So hingestellt, ist das eine Lüge, Herr Bebel, wenn auch velleicht eine politisch angebrachte! benso hat in einer Versammlung, die auf Grund der Reichstags⸗ ratung stattgefunden hat vor den Protestversammlungen der letzten ge, die Genossin Clara Zetkin den polnischen und russischen volutionären brüderliche Grüße übermittelt und in ihrer solktion die Verantwortung für das Vorgehen gegen die polnischen drussischen Revolutionäre u. a. auch Ihnen, meine Herren, zuge⸗ teben. Sie hat in ihre Resolution einen Satz aufgenommen, der ttlich lautet.
Die Versammlung brandmarkt den politischen und moralischen Verfall des deutschen Bürgertums, dessen Feigheit und Verrat an den Idealen des Liberalismus für das Vorgehen der Regierung ver⸗ intwortlich sei.
Meine Herren, ich glaube, wenn wir die Vertretung des deutschen irxgertums in seiner Gesamtheit zusammenfassen, so sind das die rren, die ich hier vor mir habe. (Sehr richtig!) Nehmen Sie von Genossin Zetkin das Urteil, das sie über Sie fällt!
Daß unter den in Deutschland sich aufhaltenden Russen eine he Anzahl von Revolutionären sich befindet, das dürfte doch un Bebel selbst nicht unbekannt sein. Harmlos sind solche Leute h gewiß nicht, und es ist Pflicht der Polizei aller Staaten, einerlet shre Staatsform monarchisch oder republikanisch ist, gegen diese ate sorgsam auf der Hut zu sein. d
Ob nun in einem einzelnen Falle der Verdacht gewalttätiger Gesinnung begründet ist, das ergibt sich natürlich nur aus der Unter⸗ suchung des Falles selbst. Der Herr Justizminister hat schon Mit⸗ teilungen gemacht über den Inhalt der in dem Königsberger Prozesse zutage getretenen revolutionären Tendenzen derjenigen Schriften, die man eben dort in Rußland einzuschmuggeln versucht hat. Die Aufwiegelung der Massen und, um den technischen Ausdruck zu gebrauchen, der „Terror“, das Vorgehen mit Gewalt, — das ist der Endzweck der massenhaft versuchten Verbreitung derartig sozialdemokratisch⸗ revolutionärer, also anarchistischer Preßerzeugnisse.
Aus einem anderen Fall einer versuchten Einführung derartiger Schriften in Rußland möchte ich Ihnen einen ganz kurzen Auszug geben: es wurde vor etwa einem Jahre an der schlesisch⸗russischen Grenze ein Mann mit einer Anzahl von Broschüren, die er einführen sollte, abgefaßt, darunter eine in polnischer Sprache geschriebene Zeit⸗ schrift „Das Proletariat“. Dies ganze Werk gab als sein Endziel an, die fähigeren Klassen der polnischen Nation für eine Revolution zusammenzufassen, und die Mittel, mit der die Revolution vorgehen könne, sei lediglich
„der Terrorismus, die Todesstrafe für alle schädlichen Leute, welche der Ausbreitung unserer Ideen hinderlich sind, mit den untersten anfangend, mit den allerhöchsten endigend, von deren Willen alles abhängt, und auf diese Art alle mit Grauen erfüllend, es seien die Gendarmen, die Gouverneure, die Minister, die Großfürsten und die Zare aus dem Wege zu räumen und dann erst an eine politische Veränderung der Verhältnisse zu denken. Es sollen überall Kampfes⸗ sektionen gebildet werden, und mit Gewalt müsse das Zarentum bis an die Wurzel vernichtet werden.“
Aus einer Gedichtsammlung, die dieser Sendung beigefügt war, zitiere ich nur ein Gedicht, es hatte die Verse:
„Voran im blutigen Kampf, reißen wir dem Zaren die Krone herunter; in Blut ertränken wir die angefaulten Throne, schreckliche Rache den heutigen Henkern. Die Aufständischen schlagen und hängen die Magnaten, sie rächen sich mit dem Strange.“
Und endlich gab es ein kleines Werk, welches ausführliche taktische Anweisungen für die Bildung einer Revolutionsarmee gibt, deren Zahl auf 500 000 Mann festgesetzt war.
Das ist doch nicht mehr friedliche Agitation politische Ziele, sondern Vorbereitung für Revolution und Anarchie. Hiergegen arbeiten alle Kulturstaaten, und wenn irgendco ein solcher gemeingefährlicher Anhänger dieser abscheulichen Prinzipien gefaßt wird, so ist es völkerrechtliche Sitte aller Staaten, solche Individuen aus dem eigenen Lande nicht nur zu entfernen oder dritten Staaten zuzuführen, sondern sie auf direktem Wege nach ihrer Heimat zu bringen. Das geschieht im Interesse aller Staaten und der gesamten bürgerlichen Gesellschaft.
Ich bemerke ausdrücklich, daß bei der Landesverweisung aus anderen Gründen den Wünschen Ausgewiesener, über welche Grenze sie das Land zu verlassen haben, nach Möglichkeit entsprochen wird. Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts hat im Reichstag vollständig richtig erklärt, daß es in dem Belieben des ausweisenden Staats steht, bei einer Ausweisung diesenige Grenze zu wählen, welche der Staat selbst für die richtige hält. Nur die ausweisende Behörde kann richtig bestimmen, in welcher Form vorzugehen ist, ob mit unmittelbarem Zwange durch zwangsweise Wegführung oder im mittelbaren Zwange der Androhung der zwangsweisen Aus⸗ führung, wenn bis zu einem bestimmten Tage der Betreffende das Land nicht verlassen hat. Bei uns in Preußen ist es die Regel, daß bei Ausweisung mittels Zwangsandrohung der Ausgewiesene das Land an jeder ihm zusagenden Grenze verlassen darf, daß vielfachauch, wenn der Auszuweisende über die nötigen Geldmittel verfügt, die zwangsweise Ausweisung an derjenigen Grenze erfolgt, wünscht. Hier besteht allerdings die Gefahr der Zurückweisung seitens des Nachbarstaats, und dann wird unweigerlich an der Grenze des Heimatsstaats ausgewiesen. Von dieser bestehenden Regel gibt es nur eine Ausnahme, und diese Ausnahme besteht für die Anarchisten. In der Anarchistengefahr fühlen sich die Kulturvölker solidarisch, und die Ausweisung erfolgt deshalb stets gegen die Grenze des Heimatsstaats des Auszuweisenden. Es beruht das zum Teil auf besonderen Ver⸗ abredungen, zum Teil auf dem Gesamtgefühl aller Kulturstaaten, der⸗ artige Elemente einem dritten zunächst unbeteiligten Staat nicht zu⸗ zuweisen. (Sehr richtig! rechts) Um weiter auszuführen, was, glaube ich, einer der Herren Redner im Reichstag be⸗ rührt hat, so wird bei Auslieferungen, wenn es sich um einen Verbrecher handelt, dieser an die Grenze desjenigen Staats ge⸗ bracht, der die Ausweisung verkangt hat, selbstverständlich nach Prüfung, ob nach den bestehenden Staatsverträgen diese Ausweisung und Auslieferung zulässig ist. „Bei Heimschaffung Hilfsbedürftiger findet immer eine vorherige Verständigung mit dem Heimatsstaate statt, und diese Auslieferung 4— selbstverständlich immer nach dem Heimatsstaat. wendig ist, wenn mitteilose, unrichtig legitimierte Personen an irgend einer Grenze im Grenzort erscheinen, so erfolgt die Zurückweisung selbstverständlich über diejenige Grenze, von welcher diese Personen gekommen sind.
Meine Herren, in den Reichstagsverhandlungen und in den seitdem erschienenen Artikeln sozialdemokratischer und anderer Zeitungen ist nun eine große Anzahl von Fällen angeführt oder angedeutet, in denen entweder russische Agenten in Deutschland sich amtliche Rechte an⸗ gemaßt haben sollen, oder preußische Agenten in ungesetzlicher Form und aus Liebedienerei gegen Rußland gegen ruhige Personen eingeschritten sein sollen. Es ist selbstverständlich, meine Herren, daß ein amtliches Einschreiten russischer Agenten in Deutsch⸗ land vollständig ausgeschlossen sein muß, und daß jeder Versuch eines solchen Eingriffs in unsere Hoheitsrechte alsbald Remedur und schärfste Ahndung finden würde. Ich bin auch über⸗ zeugt, daß, wenn seitens des der russischen Botschaft zugeteilten Beamten irgend ein derartiger Uebergriff erfolgen sollte — his jetzt ist ein solcher nicht zur Sprache gekommen — dann die russische Botschaft selbst dem alsbald abhelfen würde, und nötigenfalls würde die Königliche Staatsregierung ganz gewiwirksam eingreifen.
Es schien mir deshalb von vornherein sehr zweifelhaft, ob die angeführten Tatsachen, die den Ausführungen der Herren Abgg Haafe und Bebel zu Grunde gelegen haden, auch wirklich vor einer genauen Untersuchung standhalten. Es haben ja auch Redner aus dem Reichs⸗ tage selbst schon diesem Gedanhen damals Raum gegeben. Ich habe deshalb die angeblichen Enthüͤllungen, welche die sozialdemokratischen
für
Reichstagsabgeerdneten vorgehracht haden, und auch dieienigen,
welche seitdem im „Vorwärts’ und auch in anderen Zeitungen erschienen sind, von vornherein für das ange⸗ sehen, was sie sind, für Flunkereien und Klatsch. (Hört! Hört!) Davon hat mich auch die Manier des Herrn Bebel nicht abbringen können, der in den Reichstagsverhandlungen mit Emphase nicht einmal, sondern wiederholt erklärt hat, daß diese Fälle nachgewiesen seien. Ja, meine Herren, ich verstehe unter „Nachweisung“ etwas anderes als das, daß irgendeine andere Perfon diese Dinge erzählt hat. Wenn Erzählungen ein Nachweis sind, so würden ja für Herrn Bebel auch die berühmten Taten des Freiherrn von Münchhaufen alle nach⸗ gewiesene Wahrheiten sein. (Heiterkeit.) Trotzdem also die vor⸗ gebrachten Klagen schon von vornherein von mir in das Gebiet der Fabel gerechnet sind, schien es mir doch notwendig, den einzelnen An⸗ klagen auf den Grund zu gehen. Dabei hat sich dann herausgestellt,
nur wolle.
die der Ausgewiesene
rufsischen Regierung erfetzt, die
Endlich, wenn eine Zurückweisung an der Grenze not⸗“
daß vielfach die angeblich Nächstbeteiligten selbst jede Auskunft ver⸗ weigerten. Sie haben sich wohl gescheut, ihre Freunde, welche für sie auftraten, durch wahrheitsgemäße Aussagen zu kompromittieren. Weiter war befremdlich, daß ein großer Teil der angeblichen Uebel⸗ taten so weit in der Zeit zurückliegt, daß sich überhaupt nichts mehr ermitteln läßt, und die angeblich betroffenen Personen mehrfach schon längst aus dem Lande verschwunden sind. Endlich war es über⸗ raschend, daß in allen diesen meist so weit zurückliegenden Fällen nicht rechtzeitig auch nur einmal an die zuständige Behörde Anzeige gelangt wäre. Ganz gewiß würde eine jede solche Anzeige die sorgfältigste Beachtung und Untersuchung gefunden haben. Aber alle die Fälle, die erzählt sind, sind spurlos bei denjenigen Behörden, die darüber zu urteilen haben, vorübergegangen, und wenn man jetzt die einzelnen Leute fragte, wie es denn damit stehe, so wurde mit dem großen Un⸗ bekannten operiert.
Die sorgfältigst angestellten Ermittelungen über die einzelnen Fälle haben nun das nachstehende ergeben.
Ich möchte da zunächst auf den Fall des Dr. von Weczeslaw eingehen und auch hier zunächst auf einen merkwürdigen Widerspruch des Abg. Bebel aufmerksam machen. Er hat in seiner Rede die deutsche Regierung der Liebedienerei gegen Rußland nicht einmal, sondern vielfach bezichtigt, er hat sie bezeichnet als den elendesten Handlanger der russischen Polizei, die alles täte, was man in Rußland Und, meine Herren, in derselben Rede, kaum 5 Minuten später, wirft er der preußischen Regierung vor und sehr ernsthaft vor, daß sie den Dr. von Weczeslaw aus Deutschland ausgewiesen habe, obwohl ihm von der russischen Regierung der Aufenthalt in Deutsch⸗ land ausdrücklich erlaubt sei. Ja, meine Herren, ich verstehe das nicht. Wer dienert denn da vor Rußland? Die Regierung oder Herr Bebel? Ich möchte gerade sagen: dieser Fall ist doch ein Bei⸗ spiel dafür, daß wir lediglich nach unserem eigenen Ermessen die Ausweisung verfügen, aber nicht mit Rücksicht auf andere. Wenn ich nun zu der Tatdarstellung übergehe, so ist, abgesehen von der Aus⸗ weisung selbst, die erfolgt ist, weil Herr Dr. Weczeslaw uns eine unbequeme Persönlichkeit ist, die nicht vorschriftsmäßig legitimiert ist und dazu im Verdacht steht, sich um politische Dinge u bekümmern; so ist die Ausweisung in der allerhumansten Weise erfolgt. Es ist ihm weiter nichts eröffnet worden, als daß er zwangsweise ausgewiesen werden würde, wenn er nicht bis zu dem und dem Tage das Land verlassen haben würde. Und. meine Herren, diese Frift ist settdem schon um mehrere Woachen ver⸗ längert worden. Namentlich war es ganz unrichtig, daß der Abg. Bebel im Reichstage erklärte, der Herr Dr. von Werzeslaw habe über den Fall des angedlichen Einbruchs bei ihm keine Auskunft geben können, weil er ausgewiesen sei. Das ist unrichtig, merkwürdigerweise befand sich gerade zu derselben Stunde als dieser Angriff im Reichs⸗ tage erfolgte, der Herr Dr. von Werzeslamw vollständig auf freiem Fuße und aus eigenem Antrieb in meinem Ministerium (Heiterkeit)) um mit meinem Referenten darüber zu verhandeln, ob er nicht noch ein paar Wochen bleiben dürfe. (Erneute Heiterteit) Er war also noch gar nicht fort, sondern war noch im Lande und hätte jeden Augen⸗ blick Auskunft n2. können. — Zu der Begründung der Ausweisung brauche ich, glaube ich, nichts zu sagen; seine Legitimntion ist nicht in Ordnung, und es war ihm eine Frist gestellt, diese Legitimation in Ordnung zu bringen, und er hat sie bis jetzt nur durch eine proviforische Aufenthaltserlaubnig der nach den bestehenden Vorschriften nicht genügt.
Nun hat dieser Herr von Weczeslam vorgebracht: in Hermsdar; bei Berlin, wo er seine Wohnung hat, hätten rufsische Polizeibenmte Postbeamte zu bestechen verfucht, um Einsicht in seinen Briefmwechsel zu erlangen. Die Postbeamten hätten der Versuchung widerstanden. Gleichwohl hätten die russischen Agenten sich Kenntnis von dem Inhalt zweier Telegramme zu verschaffen gewußt. Es hätten ferner russische Polizeiagenten in seiner und seiner Frau Abmesenheit seine — Wohnung durch Schlosser öffnen lassen und Durchsuchungen d vorgenommen.
Es ist auf das eingebendste untersucht worden -, 1 seitens des Postvorstehers in Hermsdorf als auch durch die Polizeiverwaltung, ob an dieser Anklage etwas Wahren ist. 8 Keiner hat die Sache bestätigen können. Es hat sich nicht fest⸗ stellen lassen, daß Postbeumte don irgend jemand um CEinsicht in die Korrespondenz ersucht sind und sich dessen geweigert haben. Es konnte a jeder Postbeamte das recht gut sagen, er hätte sich dadurch noch in ein gutes Licht gesetzt. Jeder der Postbeamten hat aber einfach . klärt, daß an ihn diese Versuchung überhaugt nicht herangetneten sei. Ebensowenig hat sich feststellen daß in der Tat irgend ein Dritter den Telegrammen, die an Herin don Weczeslam gerichtet waren, Kenamtnis erhalten hat.
Was dann den Einhruch betrifft, so ist darüber in dem klei Hermsdorf nichts bekannt geworden. Die Bewohner des betreffenden Hauses sind alle gefragt worden, auch die Frau von Weczeslam selhst. und diese hat ausdrücklich erklärt, daß sie von der ganzen Sache nichteh wisse. Ebeuso sind diejenigen Leute, mit welchen die Frau don Weczeslaw dort verkehrt, gefragt worden, und sie haben erklärt, daß sie von einem derartigen Vorgang nicht unterrichtet seien, und daß Frau von Weczeslam ihnen zmeifeilos davon erzählt hahen würde, wenn so etwas vorgekommen mwärs. Ebenso find an die sämtlichen Schlosser, in dem Donf und in der Umgegend anfässig sind, darüber gefragt worden, ob sie etma einmal im
diese Wohnung gerufen seien, um sdie Wohnung oder ingend einam Behälter zu öffnen. Alle diese Schlosser haben erklänt, der Fall sei ihnen gans Nae sie wären 8 nie berufen worden.
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